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KEITH SONNIER

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THE CULINARY POET

THE CULINARY POET

Baden im Licht

Sonnier – was für ein klingender Name. Lousiana, Cajun, Mardi Gras. Ohne diesen multikulturellen Hintergrund wäre dieser aussergewöhnliche Künstler kaum zu verstehen. In Lousiana spricht man heute noch französisch, respektive Cajun. Ein ausserordentlicher kultureller Mix. Der Mardi Gras ist die französische Variante des Karnevals oder der Fasnacht, mit köstlichen Speisen, Umzügen und extravaganten Verkleidungen, von der katholischen Kirche eingeführt, um die heidnischen Saturnalien, ausgelassene Feste, zu unterbinden. Fügt man nun noch das subtropische Klima Louisianas mit seinen Sümpfen, dem Mississippi Delta, artenreicher Flora und Fauna hinzu, erahnt man, wo und wie Keith Sonnier aufgewachsen ist.

Gezeichnet von einem bewegten Leben, und nicht mehr so redegewandt wie in seinen aktivsten Tagen, geht der bald 80-jährige Künstler in unserem kurzen, fast spirituellen Telefon-Interview genau dorthin zurück, wo er herkam: Louisiana. Sonnier. «The landscape and its light was important for my inspiration.» Seine Grossmutter hat hier noch die ursprüngliche alte Methode des Heilens ausgeübt – was bis heute einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Er begleitete sie manchmal zu Behandlungen. Sonnier: «Until today it was one of the most impressing performances I’ve ever seen. She was an inspiration for all my life.»

Aus dieser Natur-Welt mit einer die Fantasie anregenden Kultur trat er hinaus – und landete zunächst in Paris. Keith Sonnier gehört zu den wenigen amerikanischen Künstlern, welche in der Folge in Europa fast mehr Anerkennung erfuhren als im Heimatland. «Es war für mich in Europa fast einfacher, meine Kunst umzusetzen, da die gelernten Kunsthandwerker mich ganz selbstverständlich in der Umsetzung (zB von gebogenen Neonröhren) unterstützten.»

Dann kam der Schritt nach New York, das bis heute zu seiner zweiten Heimat wurde. Welch Kontrast – eine befreiende, beflügelnde Erfahrung. Sonnier: «I loved it, I felt like I had come into the world!» Neue Freunde, alle ein wenig aussergewöhnlich, neue Erfahrungen. Sonnier nahm alles auf und kreierte einzigartige, nie dagewesene Kunsformen! Die Erfahrung seiner Mutter, aus alten Stoffen etwas Neues zu erschaffen, half ihm nun in seinen Werken. Seien es abgelegte Wäschekörbe, rosa Seidenstoffe – alles wurde experimentell genutzt.

Bound Saw Palm | Sagaponack Blatt Series | 2004 | Neon, Draht und Trafo

© Caterina Verde Courtesy of the Artist

Ausstellung «Dialog III: Licht» Häusler Contemporary, Zürich

© Peter Baracchi

Von zu Hause mitgenommen hatte er auch seine kulinarische Ader. Teilweise muss er in seinem Studio in New York ganze Künstlergruppen hervorragend bekocht haben. Matta Clark und Lynda Benglis gehörten zu seinen Begleitern. Die bereits arrivierten Künstler Donald Judd und Dan Flavin gesellten sich hinzu. Nach seinem Abschluss an der Rutgers University experimentierte er mit Latex, Satin und anderen Materialien. 1968 dann die ersten Experimente mit Licht. Er nutzte Kupferrohre als Schablone und ging nun über die reinen Minimalisten hinaus. Er sponn Linien, Bögen und Kurven mit Neonröhren, nutzte die lineare Qualität von Neonlicht, um mit Licht und Farbe den Raum zu be-spielen. Inspiriert von seinen Reisen nach Bali und Indien, deren farben-explosives Holi-Festival ihn zu Werken wie ‚Passage Azur‘ inspirierte.

Keith Sonnier wurde Teil von ikonischen Ausstellungen wie „Eccentric Abstraction“ in der Fischbach Gallery in New York (1966) und „Live in Your Head: When Attitudes Become Form“ in der Kunsthalle Bern (1969) unter Kurator Harald Szeemann, der ihn auch an der Documenta 5 1972 wieder inszenierte. Fast gleichzeitig wurde Sonniers Werk in die bahnbrechende „Anti-Illusion“ Ausstellung des Whitney Museum of American Art aufgenommen. Die Ausstellung war die erste große Präsentation des Post-Minimalismus in einem amerikanischen Museum. 1968 begann auch die lebenslange Zusammenarbeit mit Leo Castelli (New York) und Rolf Ricke (Köln). Dessen Sammlung wurde später durch das Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz, das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt und das Kunstmuseum St. Gallen erworben und bildet heute das Rückgrat der dortigen ständigen Ausstellungen. Keith Sonnier wollte aber auch grössere Räume mit Licht formen – wieder ging er einen Schritt weiter – kombinierte Licht & Architektur. Es entstand die Serie BA-O-BA. Sonnier: «Entdeckt hatte ich den Begriff auf einer Reise mit Matta Clark durch Haiti. Wir standen eines Abends vor einem Fischerboot, das auf diesen Namen getauft war. Der Fischer erklärte uns, dass der kreolische Begriff etwa mit «Baden im Mondlicht» übersetzt werden könnte.»

BA-O-BA erreichte verschiedene Dimensionen. Sonnier verwandelte ganze Häuser und Plätze in Licht-Kunstwerke, in welchen man licht-baden konnte. Er schuf eines der wohl grössten und bis heute spektakulärsten Kunstwerke im Flughafen München: die rund 1,2 Kilometer lange Neonarbeit ‚Lightway‘. Sie wurde zwischen 1989 und 1992 realisiert und befindet sich auf der Verbindungsebene 03 des Terminals 1. Der Reisende taucht förmlich ein in das Licht. Sonniers Licht- und Farbenspiel wirkt sinnlich, umhüllt den Körper wie ein leichter, bunter Mantel, beflügelt die Fantasie – und reduziert wohl auch Stress.

1999 verwandelte er mit einer farbigen Fassadeninstallation das von Peter Zumthor gestaltete Kunsthaus Bregenz in ein weithin sichtbares Kunstobjekt. Drei Jahre später liess er die vom holländischen Stararchitekten Mies van Rohe entworfene Neue Nationalgalerie in Berlin mit Licht umfliessen. Bei Einbruch der Dämmerung ergab sich ein faszinierender Dialog zwischen der dunklen Stahlarchitektur und den brillant leuchtenden Neonfarben. Durch die Anbringung der Neonkonturen im Fensterbereich wurde die Transparenz der Mies-Architektur noch übersteigert. Die für die Installation gewählten Farben rot, gelb, blau, und das rechtwinklige Raster erzielten einen regelrechten Mondrian-Effekt. Keith Sonnier macht daraus für den Betrachter jedoch einen spielerischen Dialog mit Raum, Spiegelungen und Interaktionen. Auch eine der grössten, 2004 geschaffenen Lichtinstallationen am Thom Mayne’s Caltrans District 7 Building in Los Angeles, zeigt die zeitlose Eleganz und Ästhetik von Sonniers Werken. Hunderte Ausstellungen und viele Auszeichnungen folgten bis hin zum Arts and Letters Award in Art 2013. Letztlich haben auch die grossen amerikanischen Museen wie das MoMA in New York, das MOCA in Los Angeles und das Whitney Museum in New York seine Leistungen gewürdigt. In Deutschland und der Schweiz wird er durch die Galerie Häusler Contemporary repräsentiert, die ihn über 25 Jahre begleitet und erneut bis zum 14.8.20 in Zürich ausgestellt haben.

Sonnier zum Schluss:

«I stopped cooking, I concentrate all my energy to go on making artworks with light and wood. Artists never retire!”

Baden im Licht – welch wunderbare Beschreibung seines Werkes.

Lichtweg Müncher Flughafen

© Uwe Seyl

BA-O-BA BERLIN, 2002. Site specific installation, Neue Nationalgalerie, Berlin.

© Christian Gahl

„Tears for St Francis“ Eine Lichtinstallation für die Pfarrkirche St. Franziskus in Steyr/Oberösterreich.

© Dietmar Tollerian

Dis-Play II with videos. 2018 Dia/Dan Flavin Art Institute, Bridgehampton, NY 2018 - 2019

© Caterina Verde

Dis-Play II with videos. 2018 Dia/Dan Flavin Art Institute, Bridgehampton, NY 2018 - 2019.

© Caterina Verde

USA: War of the Worlds Sagaponack Blatt Series 2004 Neon, gefundene Objekte, Trafo.

Caterina Verde Courtesy of the Artist

EINORDNUNG & WÜRDIGUNG DURCH ROLAND WÄSPE

Roland Wäspe, Direktor Kunstmuseum St.Gallen

© Daniel Chardon

Direktor Kunstmuseum St. Gallen (seit 1989) Keith Sonnier fasziniert mich seit 1993, als ich hier eine Retrospektive zu ihm machen durfte. Er ist seitdem ein wichtiger Teil unserer Sammlung.

Seine Kunst ist sehr auf den Mensch bezogen und bietet mit ihrer Dialogfähigkeit einen sehr direkten Einstieg. Im Unterschied zu James Turrell oder Dan Flavin, die ihre eigenen kontrollierten, perfekten Welten schufen, hatte Keith Sonnier nie Berührungsängste zur Alltagswelt. Ganz wenige können wie Keith Sonnier einen Flughafen oder ein Fussballstadion in ein grossartiges Kunstobjekt transformieren. Im Rahmen der 68er-Bewegung legte er zusammen mit anderen die Basis für New Sculpture. Er erforschte Materialien, die vorher in der Kunstwelt keine Rolle spielten. Schaumstoff, Latex, phosphoreszierendes Farbpulver, Videoprojektionen, Menschen, die performativ involviert werden. Seine Kunst bleibt immer anthropomorph, sie bezieht sich immer auf das Gegenüber, das macht sie sympathisch, nahe, auch verletzlich.

Auch wenn er mit Grossformaten spielt, bleibt er intim, er bietet einen Erfahrungsraum, der die eigene Wahrnehmung öffnet, differenziert. Sein Avantgarde-Impetus ist ausgeprägt. Vielleicht hängt die Sinnlichkeit seiner Kunst auch mit Louisiana zusammen. Er ist ein begnadeter Koch. Seine Vorstellung einer reifen Avocado ist unübertroffen. Er lud einmal den Kunstverein St. Gallen in globo auf einer Kunstreise zu sich ins Studio ein und bekochte uns. Für die Teilnehmer, die bis heute davon sprechen, war das eine fast mythische Erfahrung.

Er nähert sich den Kulturen auch adaptiv an, in Indien arbeitete er mit Bambus, in Japan mit Holz. Seine Kunst wirkt dabei immer frisch und kommt ohne Effekthascherei aus. Seine Arbeit drückt förmlich seine Liebe zu den Menschen aus.

Interviews/Words: Daniel Chardon

Drone A | Portal Variation Series | 2014/2020 | Neon, Kabel, Transformer | Ed. 1/5

© Caterina Verde Courtesy of the Artist

WWW.KUNSTMUSEUMSG.CH

WWW.HAEUSLER-CONTEMPORARY.COM

WWW.KEITHSONNIER.NET

Titelbild: Keith Sonnier during the Flocked Car Project, commissioned by, collector, Larry Warsh, 2016. © Caterina Verde

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