04 | Dezember 2011 – Februar 2012
DANKE! 40 Jahre Greenpeace
Gift an der Donau
Ungarns gefährliche Mülldeponien
Gute dose, schlechte Dose
Tunfisch aus dem Supermarkt im Umweltcheck
Editorial
Inhalt
40 Jahre
Heute möchte ich mir von Ihnen etwas wünschen: Nehmen Sie sich ein bisschen Zeit, lehnen Sie sich zurück, lesen Sie ausgiebig in dieser -Ausgabe – und freuen Sie sich mit uns. Denn wir haben etwas zu feiern: Greenpeace ist 40! Was als Bewegung einer Handvoll engagierter, tatkräftiger und mutiger Menschen begonnen hat, ist zur einflussreichsten Umweltorganisation der Welt herangewachsen. Wie das gekommen ist, was sich in den letzten vier Jahrzehnten, eben weil es Greenpeace gibt, alles verändert hat und welche Herausforderungen die Zukunft bringt, können Sie in unserem Schwerpunkt ab Seite 6 lesen. Dort werden die Anfänge und damit das Fundament von Greenpeace beleuchtet, und es kommen Menschen zu Wort, die Umweltschutz zu einem wesentlichen Ziel ihres Lebens gemacht haben. Eine Grafik auf Seite 10/11 zeigt eine Auswahl der schönsten Erfolge im Kampf für die Umwelt, und eine Reportage nimmt Sie zur Taufe unseres neuen Flaggschiffs „Rainbow Warrior III“ mit – das denkbar größte Geschenk, das uns mehr als 100.000 Unterstützer weltweit gemacht haben. Und wenn Sie Rückschau auf Vergangenes halten und den Blick auf Gegenwärtiges richten, denken Sie daran: Sie sind Greenpeace. Ohne unsere Unterstützer und unsere Spender wäre kein einziger dieser Erfolge jemals zustande gekommen – und zukünftige können nicht erreicht werden. Da bleibt an dieser Stelle nur, Danke zu sagen – und sich heute und jetzt gemeinsam über das bereits Geschaffte zu freuen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besonders angenehme Lesezeit! Mit herzlichen Grüßen
Birgit Bermann, Chefredakteurin
IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, Fernkorn gasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/545 45 80, www.greenpeace.at Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100, BLZ: 60.000, www.greenpeace.at/spenden Redaktion: Birgit Bermann (Chefredaktion), Brigitte Bach, Anja Freudenberg, Antje Helms, Lisbeth Klein, Kumi Naidoo, Niklas Schinerl, Herwig Schuster, Hanna Schwarz, Tom Trenker, Jurrien Westerhof E-Mail: act@greenpeace.at Bildredaktion: Georg Mayer Artdirektion: Karin Dreher Fotos: Greenpeace, iStock-Photos.com Lektorat: Johannes Payer Anzeigengestaltung: Florian Bolka Druck: Niederösterreichisches Pressehaus erscheint viermal jährlich auf 100-%-Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen gratis zugesandt. Sie können auch online unter www.greenpeace.at/act lesen. Die nächste Ausgabe erscheint im März 2012.
Fotos: Cover: © GP/Will Rose © GP/Will Rose, © GP/Georg Mayer © GP/Bas Beentjes, © Oliver Tjaden/GP, © GP/Georg Mayer, © GP/Bernd Schaudinnus
Liebe Leserinnen und Leser!
12 04 In Aktion 06 Schwerpunkt 40 Jahre Greenpeace 09 Kommentar: 40 Jahre in Aktion 10 Erfolge aus 40 Jahren 12 Der nächste Regenbogen 14 Im Gespräch mit Wolfgang Pekny 15 Generation Greenpeace 16 Umweltprüfung für Tunfischdosen 17 Polnisches Aktionsfieber 18 Tickende Umweltbomben 20 Made in China 22 Klima wartet nicht
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Sie waren schnell, hatten einen scharfen Blick und trugen dunkles Streifenmuster auf gold gelbem Grund – fünf „Greenpeace-Tiger“ tourten als „König des Dschungels“ verkleidet durch Sumatra, um mehr Aufmerksamkeit auf eine aussterbende Art zu lenken. Auf der indonesischen Insel gibt es nur mehr 400 Sumatra-Tiger, deren Heimat durch Regenwaldrodungen massiv bedroht ist. Hauptakteur der Zerstörung ist das Unternehmen Asia Pulp and Paper (APP), das für die Zellstoffgewinnung jährlich Millionen Hektar Urwaldfläche fällt und trockenlegt. Greenpeace kämpft seit Jahren gegen APP, und auch diesmal suchten die Tiger-Aktivisten nach weiteren Beweisen,
Textilindustrie: Erfolgreiche Schritte auf dem Weg zur Entgiftung
Obwohl Österreich kein eigenes AKW betreibt und sich 90 Prozent der Bevölkerung gegen Atomkraft aussprechen, weist der Energiemix vieler heimischer Energieversorgungsunternehmen (EVU) einen hohen Anteil an Atomstrom auf. Grund dafür sind Stromimporte aus den Nachbarländern. Im kürzlich veröffentlichten Greenpeace-EVURanking landete die Kärntner Elektrizitäts-AG (Kelag) mit einem Atomstrom-Anteil von 23 Prozent eindeutig auf dem letzten Platz. Für engagierte Greenpeace-Aktivisten Grund genug, den Eingang der Firmenzentrale in Klagenfurt zu besetzen und die sofortige Beendigung dieser Geschäftspraktik zu fordern.
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Tunfisch: Fangmethoden lassen Greenpeace in die Luft gehen Bei der Fangmethode mit Langleinen oder Ringwaden landen nicht nur Tunfische, sondern auch Schildkröten, Haie und andere Fische als Beifang im Netz. Nach langjähriger Kampagnenarbeit von Greenpeace nehmen die ersten Tunfisch-Konzerne langsam Abstand von den destruktiven Fangmethoden (siehe auch Seite 16). Einige bleiben aber besonders resistent gegenüber einer nachhaltigen Produktion. Darunter „Chicken of the Sea“ mit Hauptsitz in San Diego, dem Greenpeace schon öfter einen Besuch abstattete: diesmal mit dem Luftschiff „A. E. Bates“ und der erneuten Forderung, den vernichtenden Fangmethoden ein Ende zu setzen.
Südsee: Piratenfischer hinterlassen leere Meere
Fotos: © Martin Norman/GP, © Nick Cobbing/GP, © GP/Lukas Maul, © GP/Ann Johansson, 2x © Ulet Ifansasti/GP, © Paul Hilton/GP
Österreich: Raus aus dem Geschäft mit Atomstrom
Die Titelgeschichte des letzten act hatte die gerade gestartete Detox-Kampagne zum Thema – in dieser Ausgabe kann schon von ersten Erfolgen berichtet werden! Die Sportartikelhersteller Puma, Nike und Adidas sowie der Modekonzern H&M werden ab 2020 auf den Einsatz gefährlicher Chemikalien in der gesamten Produktionskette verzichten! Die Veröffentlichung des zweiten Greenpeace-Berichts „Schmutzige Wäsche“, der die Existenz von problematischen Nonylphenol ethoxylaten (NPE) in Textilprodukten belegt, und zahlreiche gezielte Aktionen setzten die Textilriesen erfolgreich unter Druck. So erfreulich diese Etappensiege auch sind, das Ziel ist erst erreicht, wenn sich der Trend zu sauberer Mode in der gesamten Branche durchgesetzt hat – Verhandlungen mit weiteren Labels werden nun folgen. Greenpeace lässt nicht locker!
In Aktion
Indonesien: Kampf im Namen des Tigers
Arktis: Auf dünnem Eis zur globalen Erwärmung Nirgendwo sonst sind die Auswirkungen des Klimawandels rascher und deutlicher zu sehen als am schwindenden Eis der Arktis, das auch heuer wieder auf einen Rekordtiefstand zusammengeschmolzen ist. Der Greenpeace-Eisbrecher „Arctic Sunrise“ unternahm mit einem Team an Wissenschaftlern im arktischen Sommer eine Forschungsreise, um mittels einer speziellen 3-D-Laser-Scanner-Technik neueste Erkenntnisse über die akute Bedrohung der Region zu sammeln. Mit an Bord war auch der Künstler John Quigley, der mit der Nachempfindung von da Vincis „vitruvianischem Menschen“ als schmelzende Variante im Eis die Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit rund um die Welt auf das schwindende Nordpol-Gebiet ziehen konnte. Die „Arctic Sunrise“ hat vor dieser Forschungsreise heuer schon mit verschiedenen Aktionen vor Ort gegen den Ölkonzern Cairn Energy und die geplante Industrialisierung der Region protestiert. Denn der Arktische Ozean steht nicht zum Verkauf!
Palmen, Sonne, Strände … das weit verbreitete Bild der Südsee-Idylle erweist sich spätestens auf hoher See als trügerischer Irrtum. Denn der Südpazifik, wo die letzten relativ gesunden Tunfischbestände dieser Erde leben, ist eines der Hauptfanggebiete zahlloser Flotten aus reichen Industrieländern. Sie setzen auf kurzfristigen Profit und füllen mithilfe zerstörerischer Fangmethoden skrupellos ihre Netze. Die meisten Pazifikstaaten sind nicht in der Lage, ihre Gewässer vor illegaler Fischerei zu schützen, und so finden Piratenfischer gerade dort perfekte Bedingungen für die Plünderung vor. Greenpeace war mit der „Defending our Pacific“-Tour mehrere Monate vor Ort und bot mit zahllosen Aktionen Piraterie und Überfischung bedingungslos die Stirn.
um den Druck auf Regierung und Industrie zu erhöhen. Letzteres ist Greenpeace aktuell mit der Barbie-Kampagne hervorragend gelungen: Hunderttausende Unterstützer gaben dem weltweit größten Spielwarenhersteller Mattel zu verstehen, dass Urwaldrodungen für Verpackungsmaterial nicht zu tolerieren sind. Mattel bekannte sich nach Verhandlungen mit Greenpeace im Oktober dazu, auf Urwaldholz-freie Kartons für Barbie & Co. umzusteigen. Lego hatte bereits im Juli eingelenkt und seine Geschäfte mit APP beendet. Der Spielzeuggigant Hasbro folgte im November.
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Wie erzählt man die Geschichte einer so großen und einflussreichen Umweltschutzorganisation wie Greenpeace in einer kurzen Story? Anhand ihrer Grundsätze, die von Beginn an die Organisation bis heute leiten.
Fotos: © GP/Robert Keziere, © GP/Pieter Langendyk, © GP, © GP/Robert Keziere
40 Jahre
Mit der „Phyllis Cormack“ stechen die Greenpeacer der ersten Stunde 1971 in See, um US-Nukleartests zu verhindern (gr. Bild). An Bord sind so prägende Gestalten wie Bob Hunter (obere Reihe li.) oder Bill Darnell, der Greenpeace seinen Namen gab (untere Reihe, 2. v. re.). Weitere Gründungsmitglieder wie David McTaggart (kl. Bild o.) und Irving Stowe (kl. Bild u.) haben ebenfalls die Fundamente der Organisation gelegt. So wie Stowes Frau D orothy (kl. Bild), die bis zu ihrem Tod 2009 Greenpeace auf das engste verbunden blieb.
Von Birgit Bermann
Schwerpunkt n 40 Jahre Greenpeace n Kommentar Kumi Naidoo n Grafik: 40 Jahre Erfolge n D er nächste Regenbogen n I nterview Wolfgang Pekny n G eneration Greenpeace
Starkes Fundament Es heißt oft, dass man die Vergangenheit betrachten muss, um die Gegenwart zu verstehen. Schaut man auf die Gründungszeit von Greenpeace zurück, wird offensichtlich, warum wir heute nicht nur eine der größten und effizientesten, sondern auch eine mutige, unkonventionelle und selbstbewusste Umweltschutzorganisation sind. Denn die Frauen und Männer, die am Beginn dieser Bewegung standen, haben Greenpeace Grundsätze mitgegeben, nach denen die Organisation bis heute funktioniert. Eines dieser Prinzipien ist Unabhängigkeit. Bevor Greenpeace zu seiner ersten Mission aufbrechen konnte, um US-Atombombentests vor der Küste Alaskas zu stoppen, fehlte es nicht an Enthusiasmus, Einsatzbereitschaft und Willen – aber an Geld. Kurzerhand wurde ein Konzert mit Joni Mitchell organisiert – und 16.000 Menschen kamen. Die erste gewagte Aktion von Greenpeace war finanziert, durch zahlreiche umweltbewusste Menschen, denen der Planet und sein Schutz am Herzen lagen. So ist es bis heute geblieben. Seit 40 Jahren spenden ausschließlich Einzelpersonen rund um die Welt für Greenpeace und machen die Organisation so unabhängig von Wirtschaft, Politik und Industrie. Dass der Kampf für die Umwelt unter der Flagge von Greenpeace immer und ausnahmslos ein gewaltfreier sein soll, war Konsens der Gründungsmitglieder. Jene, die diesem
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Foto: © Louise Gubb
Grundsatz nicht folgen konnten oder wollten, sind nicht lange bei Greenpeace geblieben. Dorothy und Irving Stowe brachten einen weiteren Grundsatz in die Organisation ein: „Bearing Witness“, das Prinzip der Zeugenschaft. Die Stowes waren versierte Friedensaktivisten und der Glaubensgemeinschaft der Quäker verbunden, die „Bearing Witness“ als passiven Widerstand durch gewaltfreie Anwesenheit verstehen. Im Kontext von Greenpeace bedeutet „Bearing Witness“ den Auftrag, Umweltverbrechen an jedem noch so entlegenen Winkel dieser Erde aufzuspüren, Zeugnis darüber abzulegen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Aber Greenpeace wäre nicht Greenpeace, wenn es dieses Prinzip nicht mit zwei weiteren Elementen verbunden hätte: Kreative Konfrontation und Media Mindbombs („Medienbomben“) wurden sie von Bob Hunter genannt. Er wusste schon Anfang der 1970er-Jahre, dass Bot-
Die ersten Jahre waren speziell dem Walschutz, der Robbenkampagne, dem Anti-AtomProtest und dem AntarktisCamp (re. u.) gewidmet. Heute arbeitet Greenpeace an einem breiten Spektrum von Umweltproblemen: Wälder, Energie & Klima, Konsum, Gentechnik, Meere und Umweltgifte.
»Ich glaube wirklich, dass die Umweltbewegung die Revolution meiner Generation ist.« schaften, über Massenmedien transportiert, Veränderungen herbeiführen können. Und er erfüllte dieses Prinzip mit eigener Tatkraft. Hunter manövrierte sich viele Jahre zwischen die Harpunen der Walfänger und die gejagten Riesen oder sprayte Farbe auf Robbenbabys, um ihr Fell für die Jäger wertlos zu machen. Langer Atem Manche Kampagnen waren solche „Bomben“, dass sie schnell zum gewünschten Ziel führten. Aber es waren die hartnäckigen Themen, die weitere Charakteristika der Organisation zum Vorschein brachten: Beharrlichkeit und Ausdauer. Fast alle Kämpfe wurden über Jahre, manche über Jahrzehnte geführt, bevor sie Erfolge einbrachten, wie das Verbot für den kommerziellen Walfang oder das Ende der Industrie- und Atommüll-Entsorgung auf hoher See. Auch für die Antarktis führten diese Prinzipien zum Ziel. Greenpeace errichtete vor Ort ein Camp, und die Umweltschützer harrten fünf Jahre lang aus – bis der sechste Kontinent geschützt war. Eine weitere schillernde Person der
ersten Dekade, die Greenpeace zu dem gemacht hat, was es heute ist, war David McTaggart. Der kanadische Unternehmer und Lebemann suchte über ein Jahrzehnt lang die Konfrontation mit Frankreich über die Atombombentests im Südpazifik – und gewann. Er erkannte früh, dass die Bewegung Greenpeace eine internationale Dachorganisation mit klaren Regeln braucht, um durch die Bündelung ihrer Kräfte schlagkräftig zu bleiben. 1979 gründete er Greenpeace International und wurde dessen erster Vorsitzender. Heute hat Greenpeace mehr als 40 Büros auf
a llen Kontinenten und eine Struktur, die es ermöglicht, globale Probleme global anzugehen. „Die einflussreichste Umweltorganisation der Welt“, hat das „Time Magazine“ über Greenpeace zum 40. Jubiläum geschrieben. David McTaggarts Vision hat sich erfüllt – ganz besonders auch deshalb, weil die Überzeugung, das Richtige zu tun, Greenpeace über alle Jahrzehnte angetrieben hat. „Ich glaube wirklich, dass die Umweltbewegung die Revolution meiner Generation ist“, sagt Daniel Little (27), ein Greenpeace-Aktivist aus Orange County, stellvertretend für viele. n
40 Jahre in aktion Vier Jahrzehnte Umweltschutzarbeit haben große Erfolge gebracht. Dennoch stehen wir heute der größten Herausforderung von allen gegenüber. Fotos: © GP/John Cunningham, © GP/Pierre Gleizes, © GP/Nick Cobbing, © GP/Timothy A. Baker
„Nichts ist unmöglich. Absolut nichts.“ So lautete das zentrale Handlungsmotiv von Bob Hunter, einem der Gründungsmitglieder von Greenpeace. Vor 40 Jahren wurde die erste Aktion der Umweltschützer vom kanadischen Vancouver aus gestartet – und ein Blick zurück beweist: Bob Hunter hatte recht. Denn in diesen vier Jahrzehnten haben Greenpeacer aller Generationen weltweit Erfolge errungen, die viele davor für absolut unmöglich gehalten hatten: der AntarktisSchutzvertrag, der AtomteststoppVertrag, das Verbot für Treibnetz fischerei oder der Schutz des Great Bear Rainforest, um nur einige zu nennen (siehe Grafik über Erfolge aus 40 Jahren Seite 10/11).
Kommentar
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Von Kumi Naidoo
Vor 40 Jahren wurde der Samen ausgesät, der im Laufe der Zeit zu Greenpeace heranwachsen sollte. Damals machte sich eine kleine Gruppe engagierter Menschen von Vancouver aus auf den Weg zur keinen Insel Amchitka weit vor der Küste Alaskas. Sie segelten dorthin, um einen Atombombentest der USA zu verhindern – und die Welt zu verändern. Diese Reise verfehlte zwar (noch) ihr Ziel – die Bombe wurde dennoch gezündet –, aber die gewaltlose Aktion zog die Weltöffentlichkeit in ihren Bann. In der Folge wurden nicht nur die amerikanischen Nukleartests eingestellt, sondern auch eine Bewegung angestoßen, die zur weltgrößten und unabhängigen Umweltschutzorganisation heranwuchs: Greenpeace. In den letzten vier Jahrzehnten
men, dass sich die Politik streitet und dabei die Chancen verstreichen lässt, die verheerendsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Wir brauchen Visionäre an der Spitze, die gewagte Taten setzen und jene, die von den Klimaveränderungen am meisten betroffen sind, schützen. Und wir brauchen tatkräftige und aktive Bürger, die ihre politischen und wirtschaftlichen Verantwortlichen in die Pflicht nehmen. Greenpeace hat heute Büros in über 40 Ländern auf allen Kontinenten. Aktivisten aus den verschiedens ten Kulturen arbeiten als wahre Regenbogenkrieger vereint und mit gesundem Menschenverstand für eine gemeinsame Sache. 11,6 Millionen Menschen unterstützen Greenpeace, wir zählen 2,8 Millionen Menschen
Wenn die vereinte Zivilgesellschaft eine bessere Welt fordert, haben wir eine Zukunft. haben wir die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf zahllose wichtige Umweltschutzthemen gelenkt und einige sehr wichtige Siege für das Überleben des Planeten errungen. Dennoch sind wir heute mit einer ganzen Reihe an wirtschaftlichen, ökologischen und demokratischen Krisen konfrontiert. Und die herausforderndste und schwierigste von allen ist der Klimawandel. Wir können es nicht mehr hinneh-
zu unseren Spendern, und mit unserer Schiffsflotte können wir auch vor Ort in einigen der entlegensten und sensibelsten Regionen wie der Arktis oder dem Amazonas zu ihrem Schutz arbeiten. Zusätzlich zu dieser globalen Präsenz sind wir während der vergangenen 40 Jahre zu einer Organisation herangewachsen, die aus unterschiedlichsten Teilen der Gesellschaft und einer Vielzahl an Kulturen
zusammengesetzt ist. Und wir haben Profis aus den verschiedensten Fachrichtungen, die unsere Kampagnen auf eine wissenschaftlich fundierte Basis stellen, unsere Kommunikation in einer einfachen und klaren Sprache halten und unsere Aktionen gleichzeitig wagemutig und sicher über die Bühnen bringen. Greenpeacer wissen und verstehen, dass multinationale Konzerne und Gremien nur dann reagieren, wenn internationaler Druck auf verschiedenen Ebenen angewandt wird. Es sind Menschen, die wissen und verstehen, dass die Belastungen für unsere Umwelt grenzüberschreitend sind und die Lösungen dafür global sein müssen. Wenn die Zivilgesellschaft vereint durch Koalitionen und Allianzen gemeinsam eine bessere Welt fordert, dann haben wir eine Zukunft für unsere Kinder und unseren Planeten. Der größte Erfolg von Greenpeace wird dann erreicht sein, wenn sich unsere Präsenz erübrigt hat. Ich hoffe, dass wir in 40 Jahren das Klimachaos aufgehalten haben werden und dass Wirtschaft und Umwelt in einem angemessenen, fairen und gerechten Verhältnis zueinander stehen. Dann wird unser Job erledigt sein. Vielen Dank an alle unsere Spender, Aktivisten und Unterstützer – an alle Menschen, die Greenpeace zu dem machen, was es heute ist! n * Kumi Naidoo ist Geschäftsführer von Greenpeace International.
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Greenpeace CEE 1983: Gründung Greenpeace Österreich.
Erfolge aus 40 Jahren Von Kanada bis Südpazifik, von Lappland bis Antarktis – Greenpeace hat in vier Dekaden mit gezielter Kampagnenarbeit und teils waghalsigen Aktionen einen Unterschied gemacht. Von Anja Freudenberg
WALD
MEER
MEER
1998 wird die Versenkung von Ölbohrinseln im europäischen Seegebiet nach einer Greenpeace-Kampagne gegen Shell („Brent Spar“ 1995) verboten.
1982 reagiert die EU auf GreenpeaceAktionen und die folgende öffentliche Empörung mit einem Importverbot für Babyrobbenfell.
WALD
2010 führt eine jahrelange Kampagne zum Sieg: Rodungsstopp für 150.000 Hektar finnischer Urwald. Damit ist auch die traditionelle Rentierzucht der Samen gesichert.
1971 startet die erste Greenpeace-Aktion mit dem Ziel, amerikanische Atomtests in Amchitka (Alaska) zu stoppen. 1972 wird das Ende der Tests verkündet.
1992: Österreichische Regierung beschließt das erste Tropenholz gesetz weltweit.
MEER
1982 beschließt die International Whaling Commission (IWC) ein Walfangverbot. Greenpeace hat dafür jahrelang Walfangschiffe aufgespürt, die Ozeanriesen mit waghalsigen Schlauchboot- Manövern beschützt und intensives Lobbying in der IWC gegen den Walfang betrieben.
GENTECHNIK ATOM
Seit 2000 kontrolliert das Biosicherheits-Protokoll in Montreal den Handel mit genmanipulierten Organismen.
Wald
2010 unterschreibt die kanadische Holzindustrie nach langem Kampf mit Greenpeace und einer Allianz anderer Umweltschutzorganisationen einen Vertrag, der 72 Mio. Hektar Wald unter strengen Schutz stellt.
ATOM
2003: Die Slowakei, Ungarn und Tschechien treten auf der Seite der Walschützer der IWC bei.
GENTECHNIK
1996 verabschiedet die UNO den KernwaffenteststoppVertrag.
1999 verhängen EU-Umweltminister Defacto-Zulassungsstopp für gentechnisch veränderte Organismen.
2005: Polen verbietet Handel mit gentechnisch verändertem Saatgut. Greenpeace schlägt FeinstaubAlarm und fordert so erfolgreich Maßnahmen ein.
MEER
1993 verbietet die London Convention die Versenkung von Nuklear- und Industriemüll im Meer.
2004 reagieren Samsung und Nokia als Erste auf Greenpeace-Forderungen nach Technologie ohne Giftstoffe, 2005 folgen Motorola, Sony Ericsson und LG, 2006 Dell und Hewlett-Packard, 2007 Apple.
Legende EU UNo und/oder andere internationale Organisationen Wirtschaft und Industrie Nationalstaaten
wald
2010 verpflichtet sich Indonesiens größter Regenwaldzerstörer, der Palmölproduzent Sinar Mas, zu nachhaltiger Forstwirtschaft.
MEER
WALD
2003, 2004 und 2006 gelingt es nach teilweise jahrelanger Kampagnenarbeit ca. 12 Mio. Hektar Amazonaswald in Schutzgebiete umzuwandeln.
1999: Schließung von drei HochrisikoReaktoren durch österreichische Vetodrohung bei EU-Osterwei terung.
2002: Inkrafttreten der Saatgut-Gentechnik-Verordnung.
1997: Greenpeace erhält Beobach terstatus bei der UNO.
Greenpeace kampagnisiert jahrelang intensiv für den Schutz der Antarktis. 1987 Einrichtung der permanenten Forschungsstation World Park. 1991 wird der Antarktisvertrag unterschrieben, womit der sechste Kontinent für 50 Jahre vor Ausbeutung geschützt ist.
MEER
1992 verbietet die UN nach GreenpeaceEnthüllungen über die Hochseefischerei weltweit Treibnetze.
Fotos; v.l.n.r: © GP/Pierre Gleizes, © GP/David Sims, © Matti Snellman/GP, © GP/Rodionov, © GP/Pahlich, © Jiri Rezac/GP, © Andrew Wright/www.cold-coast.com, © Ali Paczensky/GP, © GP/Pierre Gleizes, © Nick Cobbing/GP, © GP/Robert Keziere, © Jiri Rezac/GP, © GP/Ex-Press/David Adair, © GP, © GP/Robert Morris, © GP/Daniel Beltrá, © GP/Natalie
Das größte Schiff der Greenpeace-Flotte, kann auch die Polregionen bereisen; ideal für die Verfolgung von Walfangflotten. Unternahm von November 2005 bis Februar 2007 die SOS-Weltmeertour.
1997: 1,2 Mio. unterschreiben Gentechnik-Volksbegehren. Österreich verhängt Importverbot für Genmais. Greenpeace erwirkt Verbot von Weich-PVC in Kinderspielzeug.
2000: Greenpeace Österreich wird zu Greenpeace in Zentral- und Osteuropa (GP CEE).
KLIMAPOLITIK
TOXIC
ESPERANZA seit 2000
1989: Ausstieg aus der Chlorbleiche bei Recyclingpapier.
1992 entwickelt Greenpeace „Greenfreeze“, den weltweit ersten FCKW-freien Kühlschrank. Heute ist die Kühltechnologie weltweit in Verwendung. 1997 erhält Greenpeace dafür die UNEP-Auszeichnung.
2006 werden nach 10 Jahren Kampagnenarbeit im kanadischen Great Bear Rainforest 2,1 Mio. Hektar Wald als Naturschutzgebiet streng geschützt.
1984: Erfolgreiche Kampagne „Stop sauren Regen“.
1995 deklariert die UNESCO nach einer Greenpeace-Einreichung 3,28 Mio. Hektar Wald im russischen Bundes staat Komi zum Welt naturerbe.
TOXIC WALD
Die Schiffe
ARCTIC SUNRISE seit 1995 Vor allem Forschungsfahrten in die Arktis und Antarktis; war nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko für Aufräum- und Forschungsfahrten im Einsatz. RAINBOW WARRIOR I 1978–1985 Einsätze vor allem gegen Walfang und Atom; wurde 1985 vom französischen Geheimdienst durch einen Anschlag versenkt.
2006: Tempo 160 auf Autobahnen wird verhindert.
RAINBOW WARRIOR II 1989–2011
2008: Zerstörung des Rospuda-Tals in Polen verhindert. Erste Bank steigt aus der Finanzierung von Mochovce aus.
Vor allem Aktionen und Proteste, zahllose Einsätze gegen den Walfang; sie war das erste Greenpeace-Schiff in Lateinamerika. Heute dient die „RW II“ einer asiatischen NGO als schwimmendes Hospital.
2009: RWE steigt beim AKW-Projekt Belene (Bulgarien) aus. 2010: Ausbau AKW Temelín verzögert.
MEER
Nach GreenpeacePatrouillen im Indischen Ozean verbietet die Basler Konvention 2004 Schiffsabwrackung im Meer.
ATOM
1974 beendet Frankreich überirdische Atomtests im Südpazifik nach wiederholten Greenpeace-Protesten vor Ort.1995 folgt das endgültige Testverbot.
Behring-Chisholm, © GP/Manfred Gorgus, © Oliver Tjaden/GP, © GP/Peter Rowlands, © GP/Andy Loor, © GP/Santosh Bane, © GP/Nicole Lewin-Reggio
Nachhaltig gefangener Tunfisch in österreichischen Supermärkten. 2011: Großinvestoren steigen aus rumänischem AKW-Projekt aus.
Greenpeace verhandelt mit Bundesregierung über AtomstromImportverbot.
und vieles mehr …
RAINBOW WARRIOR III Seit Oktober 2011 Das erste eigens für Greenpeace gebaute Schiff; nach höchsten Umwelt standards entworfen und bereit für kommende Herausforderungen.
1988 Verbot von Giftmüllverbrennung auf See +++ 1991 Deutsche Verleger drucken Chlorfrei +++ 1994 Aufdeckung von Giftmüllhandel führt zum Verbot +++ 2001 UN-Verbot für langlebige o
2005 EU-Verbot von sechs giftigen Chemikalien in Spielzeugen +++ 2010 EU-Handelsverbot Für illegal gerodetes Holz +++ 2010 Argentinien verabschiedet ein GletscherSchutzgesetz +++ 2011
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Der nächste Regenbogen
22 Jahren Greenpeace und einem Gesamtalter von über 50 Jahren, wurde die „Rainbow Warrior II“ einer befreundeten NGO vermacht und ist seitdem als schwimmendes Hospital in Bangladesch im Einsatz.
Volle Kraft voraus: Die „Rainbow Warrior III“ ist getauft und zu ihrer Jungfernfahrt aufgebrochen. Das Schiff ist in 40 Jahren Greenpeace der erste Neubau und setzt neue ökologische Maßstäbe.
Präsenz auf den Ozeanen Und nun war es zum ersten Mal so weit, dass Greenpeace, wie keine andere Umweltschutzorganisation auf den Weltmeeren präsent, ein Schiff komplett nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen gebaut hat. „Die neue ‚Rainbow Warrior III‘ ist
Von Birgit Bermann
anlage machen das komplett PVCfreie Schiff so ökologisch, wie es im Schiffsbau derzeit umzusetzen ist. Doch die „Rainbow Warrior III“ ist nicht nur grün bis in die letzte Schraube hinein, sondern auch für kommende Herausforderungen gerüstet. Sie verfügt über eine optimale Aktions- und Kampagneninfrastruktur mit Hightech-Medienräumen oder speziellen Kränen, mit denen die Aktionsschlauchboote blitzschnell und auch bei sehr unruhiger See sicher abgesetzt werden können. Ein Hubschrauberlandeplatz macht
Taufe einer neuen (alten) Legende: Melina LaboucanMassimo, eine kanadische Ureinwohnerin und Greenpeace-Kampaignerin, tauft das Schiff standesgemäß mit einer Champagnerflasche (kl. Bild li.). Gemeinsam mit dem Chef von Greenpeace International, Kumi Naidoo (kl. Bild re.), stellen sie die „Rainbow War rior III“ der Öffentlichkeit vor.
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Drei Schiffe, eine Linie Diese „Rainbow Warrior“ ist bereits die dritte einer Linie. Die erste Regenbogenkriegerin stach 1978 in See, um gegen französische Atombombentests in Mururoa zu protestieren. Die Nuklear-Supermacht war es auch, die 1985 das Schiff im Hafen von Auckland durch zwei Bomben versenken ließ. Der GreenpeaceFotograf Fernando Pereira kam dabei ums Leben. Genau vier Jahre nach diesem Anschlag war die „Rainbow Warrior II“ bereit, unter der Flagge von Greenpeace zu segeln. Wie schon bei ihrer Vorgängerin wurde ein schon etwas in die Jahre gekommener Fischkutter gekauft und in mühevoller Kleinarbeit zu einem Kampagnenschiff umfunk tioniert. Im Sommer 2011, nach
Fotos: © GP/John Novis, © Oliver Tjaden/GP
von 1.300 Quadratmetern ist funkelnagelneu – verströmt aber dennoch aus jeder seiner Poren Geschichte.
Fotos: © GP/Alex Yallop, 2x © Oliver Tjaden/GP
Es ist ein schönes Gefühl, Rumpf an Nase mit einer Legende zu sitzen. Die tiefgrüne Farbe, der leuchtende Regenbogen, die weiße Friedenstaube – ich kenne diesen Anblick von hunderten, wenn nicht tausenden von Bildern: die „Rainbow Warrior“ beim Blockieren eines Hafens, beim Stoppen eines Öltankers, beim Aufspüren von illegalen Fischflotten. In den 33 Jahren, die das wohl bekannteste Schiff der Greenpeace-Flotte im Einsatz ist, hat sie fast unzählbar viele Aktionen und Kampagnen an der Frontlinie der Umweltzerstörung absolviert. Mitte Oktober in der Nähe von Bremen ist es so weit: Die „Rainbow Warrior III“ wird getauft. Der Geruch frischer Farbe liegt in der Luft, und beim Anfassen der Reling hat man fast das Gefühl, noch daran kleben zu bleiben. Kein Zweifel, dieses 58-Meter-Schiff mit seinen speziellen A-Masten und einer Segelfläche
Der Schiffskörper der „Rainbow Warrior III“ wurde in einer Werft in Polen hergestellt und dann für die endgültige Fertigung nach Deutschland überstellt. Das neue Flaggschiff der Greenpeace-Flotte ist das umweltfreundlichste seiner Klasse. Dank 1.300 Quadrat meter Segel und einer speziellen Mastkonstruktion können 15 Knoten ohne Motorleistung erreicht werden.
das Versprechen, dass wir uns auch weiterhin mit aller Kraft für eine grüne und friedliche Zukunft einsetzen“, sagt Kumi Naidoo, Chef von Greenpeace International, anlässlich der Taufe der neuen Regenbogenkriegerin. Wie besonders das Schiff ist, wird offensichtlich, wenn man sich die Anforderungen ansieht, die bei diesem 23-Millionen-Euro-Neubau umgesetzt wurden. Die „Rainbow Warrior III“ wurde nach höchsten ökologischen Maßstäben konzipiert. Mit 1.300 Quadratmeter Segel ausgerüstet, schafft sie 15 Knoten – was Kapitän Joel Stewart, mit Seefahrer-Leidenschaft erfüllt, vor lauter Stolz fast zum Platzen bringt. Der Motor muss nur bei Flaute eingeschaltet werden und ist mit einem Abgasreinigungssystem ausgestattet. Eine Müllverarbeitungsanlage, intelligente Wärmenutzungssysteme und eine Wasseraufbereitungs-
einen doppelten Einsatz in Form einer Kombination aus Luft- und Seeaktion überhaupt erst möglich. Mit diesem Rüstzeug ist die „Rainbow Warrior III“ gut gewappnet auf ihre Willkommensreise durch europäische Häfen aufgebrochen. Bald wird sie ihre ersten Aktionen absolvieren und wie schon ihre Vorgängerinnen an vorderster Front gegen Umweltzerstörung und die Ausbeutung unseres Planeten im Einsatz sein – und sie wird weiterhin Millionen Menschen die Hoffnung geben, dass die Welt zu einem besseren Ort gemacht werden kann. „Sie ist nicht nur ein Schiff, sondern ein Symbol und eine Inspiration für die Umweltbewegung auf der ganzen Welt“, bringt Mike Finken, Kapitän der „Rainbow Warrior II“, ihre Bedeutung auf den Punkt. Möge die „Rainbow Warrior III“ immer guten Wind und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel haben! n
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Der Wunsch Dass Greenpeace den Mut aufbringt und eine Mail ausschickt: „Liebe Leute, wir haben den eigentlichen Zerstörer der Welt entdeckt: DU! Du und dein Lebensstil sind es.“
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Von 1990 bis 2001 für Fundraising verantwortlich. Heute Geschäftsführer von Weleda Österreich.
Der Chef von Greenpeace Interna tional, Kumi Naidoo, spricht oft von Klimagerechtigkeit – was bedeutet das für dich? Klimagerechtigkeit ist ein As-
»Es war immer ein groSSes Trara« Das Greenpeace-Urgestein Wolfgang Pekny (55) blickt zum 40. Geburtstag auf die Anfänge der Umweltschutzorganisation zurück.
Greenpeace aus einer Hippie-Truppe, hauptsächlich Kriegsdienstverweigerer, die aus den USA nach Vancouver (Kanada, Anm.) geflüchtet sind. Dort sind die nicht nur herumgesessen, sondern sie wollten etwas tun. 1972/73 gab es in jedem anglikanischen Haushalt, bald auch in jedem europäischen, einen Fernseher. Und plötzlich flimmerten Bilder über die Kiste, wo einige Wahnsinnige in kleinen Schlauchbooten vor Walfängerschiffen herumgurkten und ihr Leben riskierten. Damit begann die Symbiose zwischen den Medien und Greenpeace, mit der wir Millionen Menschen erreichen konnten. Wenn ich drei Nächte vor einem Wal herum-
gondle und mir den Arsch abfriere, rette ich genau einen Wal. Wenn das Gleiche über die Bildschirme flimmert, kann ich überspitzt gesagt 100 Jahre lang Millionen Wale retten – das ist der entscheidende Unterschied.
Wenn du an 40 Jahre Greenpeace denkst, was fällt dir zuerst ein? Unter
dem Banner von Greenpeace zu protestieren sorgte immer für ein großes Trara – und zeigte sofort Wirkung. Proteste und Greenpeace, das war quasi synonym. Keine Firma und kein Politiker konnten sich dem entziehen. Niemand konnte je wissen, wie weit wir gehen würden.
Greenpeace in drei Worten be schrieben? Kühn, frech und visionär. Du warst bei Greenpeace Österreich von Anfang an dabei. Wie war das
Die Klimakampagne 1991, die mit Ausstellungen und Videoshows quer durch Österreich gezogen ist. Alle schauten uns blöd an, als wir von Klimawandel sprachen. Damals schien das Thema an den Haaren herbeigezogen zu sein.
pekt, die Ressourcen der Welt, des Raumschiffs Erde, gerechter aufzuteilen. Bei manchen dieser Ungerechtigkeiten gibt es ökologische Auswirkungen, die uns noch in unserer Lebenszeit und der unserer Kinder auf den Kopf fallen werden. Eine davon ist die massive Änderung des Klimas. Hier ist eine doppelte Ungerechtigkeit gegeben. Die globalen Konsumenten – also wir – sind die ausschlaggebenden Verursacher. Die anderen drei Viertel Weltenbürger sind diejenigen, die zuallererst darunter leiden. Das ist unbeschreiblich.
Jasmin Karer (28)
War von 1992 bis 2007 als Kampagnen-Assistentin und Webredakteurin bei Greenpeace.
Ist seit 2003 bei Greenpeace und arbeitet in der Kampagne.
Die großen Aktionen, zum Beispiel Mochovce. Oder am Brenner, wo wir mit vielen hundert Leuten die Autobahn blockiert haben. Es war faszinierend, diese Aktion zu koordinieren und zu merken: Wenn eine gute Idee am Tisch ist und man was machen will, dann funktioniert das.
Meine erste Aktion in Serbien gegen die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung! Dort hatte Shell ein Projekt für Öl- und Gasförderung vor Sachalin eingereicht – wo die bedrohten Grauwale ihre Babys großziehen. Die Aktion war erfolgreich, Shell konnte nicht bauen. Ein schönes Erlebnis.
Mit welchen drei Wörtern würdest du Greenpeace beschreiben? Aktion und Kampagne: Das war zur Zeit der Langbärtigen und Langhaarigen und „Taten statt warten“. Dann Pioniere – eigenständiges Arbeiten mit visionären Gedanken. Und Wärme: im Unternehmen selber und mit der Öffnung für den CEE-Raum, samt allen Konflikten.
Vorausblickend: Viele der Themen, die jetzt in den Köpfen der Menschen angekommen sind, waren in den 90er-Jahren noch nicht auf der Tagesordnung, allen voran der Klimawandel. Familienfreundlich. Das war mir sehr wichtig. Und kampagnenorientiert – das war und ist notwendig.
Emotional und spontan: Greenpeace reagiert spontan auf Umweltprobleme, mit emotionalen Aktionen. Mitreißend – im Team wird euphorisch gearbeitet, die Aktionen nehmen die Außenwelt mit. Und global aktionistisch – mit gewaltfreien Aktionen werden weltweit Probleme aufgedeckt.
Wie würde die Welt heute aussehen, wenn es Greenpeace nicht geben würde?
Wie sähe die Welt ohne Green peace aus? Die wäre um ein ganzes
Hauseck trauriger. Niemand, nicht mal die Kritiker, würden sagen, die Welt wäre besser gewesen, wenn es Greenpeace nicht gegeben hätte. Hunderttausende Quadratkilometer Regenwald sind doch nicht gerodet worden. Wie viele Tonnen Gift sind wohl nicht in die Natur gelassen worden, weil wir frühzeitig Druck gemacht haben? Ohne Greenpeace hätten wir vielleicht keine Klima-Konvention, auch wenn man darüber streiten kann, wie wirksam sie ist. Oder die Gentechnikdebatte, die einige ganz wenige Menschen – und ich habe die Ehre dazuzugehören – gestartet haben. 99 von 100 gefährlichen Applikationen der Gentechnik, die damals in der Pipeline waren, gibt es heute nicht. Dank dem Einsatz von damals. n
Irmi Egger (44)
Was ist in deiner Zeit bei Greenpeace das (bisher) Eindrucksvollste für dich gewesen?
Die Welt würde um einiges ärger aussehen, allein wenn ich an die Gentechnik-Kampagne von damals denke. Dass Umwelt ein Thema der Politik wurde, ist auch Greenpeace zuzuschreiben.
Durch Greenpeace ist viel passiert. Gentechnik, Antarktis und Mururoa, Dokumentationen über Tschernobyl – da gelang es uns schon, den Unterschied zu machen!
Greenpeace hat als Erstes in der Umweltbewegung solche Aktionen durchgeführt. Greenpeace ist durch die Größe und die Internationalität etwas ganz Besonderes.
Welchen Ansatz sollte Greenpeace heute verfolgen? Die Probleme sind größer geworden. Damals konnte man die Bevölkerung bewegen, heute ist das schwieriger. Empört euch, tut was, stellt euch entgegen, achtet darauf, was ihr kauft! Greenpeace hat eine Vorbildfunktion und muss individuelle Protestmöglichkeiten bieten. Fotos: 3x © GP/Hanna Schwarz, © GP
Der Umweltschutz Heißt gutes Leben!
Gerald Kaufmann (50) Funktion
Fotos: © GP/Hanna Schwarz, © Matthias Schickhofer/GP
Interview
Herausforderung ist es – neben dem Auf-die-Finger-Klopfen von Politik und großen Unternehmen –, die Menschen als Verbündete zu gewinnen. Gefragt ist jetzt das WIR! Wir Weltbürgerinnen und -bürger müssen uns verändern. Unsere Inanspruchnahme der Kapazität der Erde muss sinken! Wir können nicht zwei Planeten verbrauchen, wenn wir nur einen haben. Das ist unverhandelbar, koste es, was es wolle.
Wie wurde Greenpeace zu dem, was es heute ist? Entstanden ist
Das Motiv Fairness – Ungerechtigkeit hat mich immer schon angezipft.
Drei Menschen aus verschiedenen Phasen von Greenpeace Österreich erzählen über ihre Motivation, ihre Wünsche und ihre Überzeugung für den Umweltschutz. Interview: Hanna Schwarz
Vor welchen Herausforderungen steht Greenpeace heute? Die größte
Interview: Hanna Schwarz
Drei Schlagworte zu Greenpeace, der Welt & mir
Generation Greenpeace
damals? Das erste Greenpeace-Büro in Wien war im WUK (Werkstätten- und Kulturhaus, Anm.). Damals gab es ja noch kein Internet, dafür aber einen riesigen Fernschreiber. Finanzielle Mittel hatten wir damals keine. Um allein das Geld für den Kopierer zusammenzubekommen, musste man zuerst mit der Spendenbox vor die Uni und warten, bis die Schillinge reingefallen sind. Es war einfach nur „Tun“.
interview
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Drei Viertel der Armen stehen einem Viertel gegenüber, die alles verbrauchen. Das Wirtschaftssystem sollte sich so ändern, dass es nachhaltig wird und wir vom Erdöl wegkommen. Strukturell muss sich viel tun, da sind Politik und Wirtschaft gefragt!
Umweltgerechtigkeit wird zum wichtigsten Thema. Hungersnot in Afrika, Elektroschrott in Asien – wir sollten noch mehr in diese Richtung gehen und darauf schauen.
Drei Schlagworte zu Greenpeace, der Welt & mir Das Motiv: Einen aktiven Teil zur schonenden Behandlung unserer Erde beizutragen. Der Umweltschutz: Ist eine geistige Aufgabe. Ich kann nichts bewegen, bevor mir nicht klar ist, dass Umweltschutz mehr umfasst als nur den Müll zu trennen. Der Wunsch: Ich wünsche Greenpeace, noch stärker zu werden und wieder so sexy zu sein, wie in den 80er-Jahren. Um viel Positives für die Menschen und den Planeten zu erreichen.
Das Motiv: Ich bin mit tiefer Überzeugung zu Greenpeace gekommen, weil ich etwas verändern wollte. Der Umweltschutz: Im Großen der strukturelle Wandel, zum Wohle der Natur und der Menschen. Für mich persönlich zu spüren, was glücklich macht. Der Wunsch: Dass es irgendwann nicht mehr notwendig sein wird, dass es Greenpeace gibt. Weil die Rainbow Warriors überall sitzen.
Das Motiv: Ursprünglich der Schutz der Wale, und ich wusste, dass Greenpeace dazu arbeitet. Der Umweltschutz: Ökologisch nachhaltig zu handeln, dass es der Natur nicht schadet. Der Wunsch: Dass wir weiterhin so erfolgreich bleiben. Dazu braucht es Offenheit für neue, spektakuläre, einzigartige Aktionen und Themen.
Umweltprüfung für Tunfischdosen Konsumenten haben das Schicksal vieler Tunfischarten auch in Österreich in der Hand: in Form der Dose im Supermarkt. Doch auf der Verpackung ist nur selten erkennbar, wie nachhaltig der Tunfisch gefangen wurde. Greenpeace hat nachgeprüft.
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Von Antje Helms
Mit noch mehr Verbesserungsbedarf landeten „Rio Mare“ und die Spar-Eigenmarken auf Platz zwei und drei der Rangliste. Spar gab im Fragebogen zwar an, nur Tunfisch aus Fischsammler-freier Ringwadenfischerei zu beziehen, einer kritischen Überprüfung hielt diese Behauptung aufgrund fehlender Belege allerdings nicht stand. „Rio Mare“-Produzent Bolton konnte sich bisher nur zu „45 Prozent Nachhaltigkeit“ durchringen – Ziel muss aber sein, dass Konsumenten 100-prozentig nachhaltige Ware im Regal finden. Die Hofer-Eigenmarke „Almare“ und die französische Marke „Connétable“ erreichten trotz MSC-zertifizierter Produkte nur 50 Prozent: Bei der US-Angelfischerei im Südpazifik wird der Weiße Tunfisch zwar selektiv, aber schon zwischen drei und fünf Jahren und damit als Jungfisch gefangen.
Foto: © GP/Hanna Schwarz
Stapel von Tunfischdosen türmten sich wochenlang im Greenpeace-Büro. Grund dafür war der umfassende TunfischdosenCheck, der Konsumenten Orientierung über die Nachhaltigkeit des Inhalts geben soll. Untersucht wurden die gängigsten Marken unter fünf Aspekten: Werden umweltschädliche Fangmethoden (Langleinen oder Ringwadenfischerei mit Fischsammlern) und der Fang von bedrohten Arten ausgeschlossen? Existieren Selbstverpflichtungen, um die Nachhaltigkeit der Produkte zu verbessern? Wird die Einrichtung von Meeresschutz gebieten unterstützt? Lässt sich der Fisch bis zum Fangschiff zurückverfolgen und damit illegale Fischerei ausschließen? Sind alle wichtigen Herkunftsinformationen auf den Dosen ablesbar? Gleich zu Beginn der Recherchen wurde
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Ziel muss sein, dass Konsumenten 100-prozentig nachhaltige Ware im Regal finden.
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Konsumenten haben immer noch kaum Möglichkeiten festzustellen, ob der Tunfisch wirklich nachhaltig gefangen wurde. Die Kennzeichnung mit lateinischem Art namen, Fangmethode und Fanggebiet ist weiter die Ausnahme. Während Spar für seine „S-Budget-Tunfischstücke in Öl“ als mögliche Herkunft gleich alle drei Ozeane – Atlantik, Pazifik und Indischer Ozean – auflistet, tappen „Rio Mare“-Kunden beim Fanggebiet komplett im Dunkeln. Sehr selten ist die genaue Fangmethode angegeben. Wirklich sicher ist nur „mit der Angel g efangener“ Tunfisch. Der Aufdruck „Ringwadennetze“ mag löblich für eine klare Kennzeichnung sein. Nachhaltig sind diese aber erst, wenn „ohne Einsatz von Fischsammlern“ auf dem Etikett prangt. Greenpeace ist gespannt, welche Marke diesen zukunftsweisenden Zusatz zuerst auf ihren Tunfischdosen anbringt und sich damit beim nächsten Dosen-Check den ersten Platz sichern wird. n
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Fotos: © GP/Georg Mayer
klar: Oft ist schwer zu durchschauen, wer welche Marken produziert. So ist einer Statesman-Konserve nicht anzusehen, dass sie aus dem Princes-Konzern stammt – besser bekannt als Marktführer „Vier Diamanten“. Erst nach etlichen Nachfragen konnte Princes gegenüber Greenpeace bestätigen, dass ihre Nachhaltigkeitspolitik auch für die Statesman-Ware gilt. Vieles möchten die Hersteller wohl lieber im Unklaren lassen. Damit hat sich „Vier Diamanten“ nur ganz knapp an die Spitze der Greenpeace-Rang liste und über die 70-Prozent-Marke geschoben: Mit der konkreten Zusage, bis zum Jahr 2014 nur noch nachhaltig gefischten Tunfisch einzusetzen, konnte Princes ebenso punkten wie mit seinem Skipjack-Tunfisch aus Angelfischerei. Allerdings gibt es noch Verbesserungspotenzial: Ein Teil der Dosen aus Princes-Produktion stammt derzeit noch aus Ringwadenfischerei mit Fischsammlern, die zehn Prozent des Fanges als toten Beifang (Schildkröten, Haie und Jungfische) hinterlässt.
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Hat eine erfolgreiche Aktionssaison hinter sich: AntiAtom-Kampai gner Iwo Los.
Polnisches Aktionsfieber Ein Land im Wahlfieber ist die geeignete Bühne, um bisher verdrängte Themen wie erneuerbare Energien so richtig in Szene zu setzen. Das polnische Greenpeace-Büro hat dafür alle Register seines AktionsKönnens gezogen. Von Hanna Schwarz
„Wenn ich an das Ansinnen der Regierung denke, jagt es mir einen eiskalten Schauer über den Rücken“, beschreibt Iwo Los seine Gefühle, wenn er an das geplante Bauvorhaben für das erste Atomkraftwerk in Polen denkt. Der 24-Jährige ist Anti-Atom-Kampaigner für Greenpeace Polen und wichtiger Teil des Atom-Eingreiftrupps. Das sind Greenpeace-Mitarbeiter und Aktivisten, die sich in und rund um Österreich für das Ende der Atomkraft einsetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird auf vielfältige Strategien und Taktiken zurückgegriffen. In Polen wurde das blanke Parkett des Wahlkampfes im Herbst dafür gewählt, die Alternative zu Atom – erneuerbare Energien – ganz groß zu spielen. Es ging um nichts Geringeres, als die konkurrierenden Parteien von Wind- und Sonnenkraft zu überzeugen und sie von ihren Atomplänen abzubringen. Als Basis der Kampagne hatte der
polnische Atom-Eingreiftrupp eine Studie in Auftrag gegeben. Thema: Vor- und Nachteile eines OffshoreWindparks gegenüber dem Bau eines Atomkraftwerks. Sie erahnen bestimmt, welches Projekt besser abschnitt. Der Windpark würde nicht nur im gleichen Zeitraum gleich viel Energie viel billiger produzieren, sondern auch 9.000 langfristige Jobs schaffen – deutlich mehr, als der Bau eines AKWs an Arbeitskräften benötigen würde. Premiere bei Greenpeace Die ökonomischen und ökologischen Vorteile von Offshore-Windanlagen sollten nicht nur die Politik erfahren, sondern auch die Bevölkerung. Iwo Los entschied sich zu Beginn für eine Aktion im Stadion von Danzig, beim Fußballspiel Deutschland gegen Polen – einem echten Gassenfeger. Die Aktivisten sollten ein riesiges, weithin lesbares Banner auf die Tribüne hängen. An der Security beim Eingang stahlen sie sich gekonnt vorbei, auf der Tribüne fielen sie jedoch auf und wurden gestoppt. Den Medien gefiel das Ansinnen jedoch so gut, dass sie eine eigene Animation des Banners mit der Greenpeace-Botschaft machten. Es sollte die erste Aktion in der Geschichte von Greenpeace werden, die nicht stattfand und dennoch groß in die Medien kam! Eine Woche später versuchten Aktivisten bei einer Wahlveranstaltung der größten Partei Polens eine Botschaft an die Wand zu beamen. Auch diese Aktion sollte nicht einwandfrei gelingen. Eine Aktivistin kletterte jedoch kurzerhand mit ihrem Handbanner auf die Bühne zu Premierminister Donald Tusk. Er erwies sich als echter Kavalier und
half ihr persönlich dabei, die Botschaft für alle Pressekameras aus gezeichnet sichtbar zu entrollen: „Don’t waste electricity – we demand clean energy“. Dies sollte schließlich die erste Aktion in der Geschichte von Greenpeace sein, bei der ein Premierminister eigenhändig ein Greenpeace-Banner entrollt! Die dritte Aktion klappte schließlich wie am Schnürchen. Während einer Rede seilte sich Iwo Los über dem Kopf des Oppositionsvertreters Jarosław Kaczyński ab und öffnete sein Handbanner: „Poles deserve more – clean energy“ – eine Anspielung auf den Wahlspruch dieser Partei. Erster Etappensieg Zum Abschluss des Aktionsfeuerwerks landete der Anti-AtomKampaigner noch den absoluten Medienhit: Kurz vor der Wahl setzte er sich eine Kaczyński-Maske auf und tauchte so in einer Pressekonferenz von Premier Tusk auf. Höflich und bestimmt startete er mit diesem ein Zwiegespräch über erneuerbare Energien. Diese Aktion, bei der Iwos rhetorische Sattelfestigkeit gefragt war, brachte schließlich den Durchbruch: Die Medien starteten eine Debatte über Energie und machten das Thema damit zur wichtigsten Wahlkampffrage. Damit hat der polnische Atom-Eingreiftrupp die erste Etappe von vielen bis zum Aus für die aktuellen AKW-Ausbaupläne geschafft: Alternativen zur Nuklearenergie positionieren und eine breite Debatte darüber zu starten. Und bis das endgültige Ziel erreicht ist, wird es neben viel Arbeit vor allem eines geben: sehr viele Aktionen! n
Spenden für den Atom-Eingreiftrupp: P.S.K. 7.707.100, BLZ 60.000 • Infos & Online-Spenden: www.greenpeace.at/eingreiftrupp
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Tickende Umweltbomben Ein Sondermülllager als Hochwasserschutz an der ungarischen Donau? Das ist das Ergebnis, wenn dubiose Politiker und Behörden auf profitgierige Unternehmen treffen. Greenpeace hat Spurensuche betrieben und Umweltverbrechen wie dieses ausfindig gemacht.
Am 4. Oktober 2011 jährte sich zum ersten Mal die Katastrophe von Kolontár. Damals brach der Damm eines Rotschlammbeckens der Aluminiumfabrik MAL AG. Die Konsequenzen waren verheerend: Zehn Leute starben, hunderte Familien verloren ihr gesamtes Eigentum, und fast eine Million Kubikmeter mit Arsen, Quecksilber und Chrom verseuchte Schlammmassen begruben ganze Landstriche unter sich. Als Ursachen dieser Katastrophe müssen zum einen die bedingungslose Profitgier eines Privatunternehmens und zum anderen das Versagen der behördlichen Kontrollmechanismen genannt werden. Vor diesem Hintergrund stellte sich für Greenpeace CEE (Central & Eastern Europe) die Frage, ob es in Ungarn noch andere Deponie- und Industriestandorte gibt, von denen unter ähnlichen Voraussetzungen ebenfalls große Gefahr ausgeht. Anfang 2011 starteten wir auf der Suche nach solchen tickenden Umweltbomben gemeinsam mit dem ungarischen Greenpeace-Büro umfangreiche Recherchen. In zahllosen Gesprächen mit ungarischen und internationalen Experten kristallisier-
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ten sich sechs potenziell bedenkliche Standorte heraus, denen wir in der Folge mehrmalige Besuche abstatteten. Neben der Fotodokumentation und der Lageeinschätzung vor Ort wurden zumeist auch Proben entnommen und dem Umweltbundesamt Wien zur Analyse übergeben. Schwierige Recherche Dazu muss gesagt werden, dass Ungarn nicht wirklich ein einfacher Platz für unbequeme Recherchen ist. Am helllichten Tag über einen Zaun zu klettern, den ein Schild mit einem Maschinengewehr ziert, ist nicht ganz ungefährlich. Und bei der Aufgabe, mitten in der Nacht bei trommelndem Regen 150 Kilo Giftmüll aus einer schwer bewachten Deponie herauszuschmuggeln, kann einem schon recht mulmig werden und der Gedanke aufflackern, doch vielleicht in einen sicheren Bürojob zu wechseln. Aber all diese Gedanken sind schnell vergessen, wenn man Umweltverbrechern wieder einmal ganz dicht auf der Fährte ist. Und die führt uns diesmal in eine stillgelegte Aluminiumoxidfabrik direkt an der Donau in Almásfüzitő, nur 100 Kilo-
meter von der österreichischen Grenze entfernt. Dort wird eines von mehreren riesigen Deponiebecken immer noch genutzt – als Lagerstätte für hochgiftige industrielle Abfallprodukte, die von der Betreiberfirma Tatai Környezetvédelmi GmbH allerdings als „Kompost“ ausgewiesen werden. Die für die Deponie zuständige Umweltbehörde (!) hat mit einem illegalen Bescheid, der sowohl gegen ungarisches als auch gegen EU-Recht verstößt, dem Unternehmen grünes Licht gegeben, 132.000 Tonnen Giftmüll pro Jahr in der Anlage zu lagern, die mit den vorhandenen zwölf Millionen Tonnen Rotschlamm vermischt werden. Das Ergebnis ist ein hochtoxisches Gemisch mit Arsen, Chrom, Quecksilber und laut Analyse des Wiener Umweltbundesamtes auch Uran. Doch die ungarische Behörde hat nicht nur diesen „Kompost“ übersehen, sondern auch bei weiteren offensichtlichen Gefahren geflissentlich weggesehen: Eine Seite des Beckens grenzt direkt an die Donau und wird als Hochwasserschutzdamm genutzt. Der Wahnsinn liegt auf der Hand – die Deponie war bei Hochwasser schon mehrmals gänzlich
Fotos: © GP/Bernd Schaudinnus, © GP/Peter Somogyi-Tóth, © GP/Bernd Schaudinnus, © GP/ Nóra Halász
Von Tom Trenker und Herwig Schuster
Greenpeace-Einsatz an einer Giftmülllagerstätte im ungarischen Almásfüzitö, nur einen Steinwurf von der Donau entfernt. In mehreren Etappen forderten dutzende Aktivisten mit Blockaden und Besetzungen die Sanierung der Anlage und übten Druck auf die Betreiber und die zuständigen Behörden aus. Greenpeace-Mitarbeiter Tom Trenker klärt vor Ort die Medien und damit die Öffentlichkeit über die drohende Umweltkatastrophe auf (kl. Bild li. u.).
umflutet. Eine vollständige Überflutung oder ein Bruch des Dammes hätte eine Kontamination der Donau und eine grenzüberschreitende Umweltkatastrophe zur Folge – plus die Zerstörung des Natura-2000- Gebietes in unmittelbarer Nähe der Giftmülllagerstätte. Und bei all diesen Gefahren konnten wir vor Ort nicht einmal ein Drainage-System vorfinden, das Regenwasser sammelt, damit es eben nicht kontaminiert im Boden versickert oder in die Donau gelangt. Dunkle Machenschaften Dieses ganze Spiel mit der Umweltzerstörung ist ein sehr gutes Geschäft für die Betreiberfirma, aber auch für die Entsorger – so billig wie in Almásfüzitő wird man seinen Sondermüll kaum irgendwo los. Und auch hier gilt: Dieser Skandal ist nur deshalb möglich, weil sämtliche Behördenaugen zugedrückt werden und weil das ungarische Müllgeschäft sehr undurchsichtige Verbindungen bis in die Spitze der politischen Klasse hat. Die Verflechtungen zwischen Politik, Behörden und Unternehmen sowie die neue demokratiefeindliche Mediengesetzgebung erschweren die Arbeit für ungarische NGOs massiv. Wir merkten im Zuge unserer Recherchen sehr rasch, wie groß die Angst in Ungarn ist, sich mit den Mächtigen anzulegen. Man erzählte uns von Einschüchterungsversuchen, und nicht nur einmal trauten sich Wissenschaftler nicht, mit uns über ihre Studien zu Almásfüzitő zu sprechen. All das sind weitere Gründe, warum Greenpeace hier handeln musste, denn als unabhängige und internationale
Organisation kann man auch unter derartigen Rahmenbedingungen aktiv werden. Den Auftakt zu unserer öffentlichen Kampagne bildete Ende September eine Aktion von 40 Greenpeace-Aktivisten, die mit riesigen Buchstaben ein „STOP“ im roten Schlamm des Giftmüllbeckens hinterließen. Damit sollte das Umweltverbrechen in Almásfüzitő schlagartig für eine breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden und unsere Forderungen nach einem sofortigen Ende der Giftmüllablagerungen und einer umfassenden Sanierung des Standortes untermauern. Zwei Wochen später verriegelten mehrere Dutzend Aktivisten die Pforten des für Almásfüzitő zuständigen Umweltinspektorats in Győr und erklärten das Gebäude zur „Crime Scene“ – zum „Tatort“. Schließlich war es diese Behörde, die der Be treiberfirma durch konsequente Nachsichtigkeit den Aufstieg zum ungarischen Marktführer für Sondermüllentsorgung ermöglichte – durch konkurrenzlose Unterbietung der Preise, die dank dem Fehlen nötiger Auflagen auf Kosten der Umwelt kalkuliert sind. Knapp vor Redaktionsschluss dieser act-Ausgabe gab es in der K ampagne dann den ersten Zwischenerfolg: Der ungarische Umweltstaatssekretär Zoltán Illés bestätigte, dass die Deponie ein wahrer Problemfall ist. Wir werden sehen, ob er sich durchsetzen kann und eine Sanierung auf Schiene bringen wird. Greenpeace wird jedenfalls an diesem Fall dranbleiben und konkrete Taten einfordern. Denn wie heißt es so schön: Wo ein Wille, da ein Weg. n
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made in china Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien. Doch moderne Technik wie Windräder, Photovoltaikanlagen oder Hybridmotoren in effizienten Fahrzeugen brauchen spezielle Rohstoffe – die heiß begehrten Seltenen Erden. China ist bei deren Förderung unangefochtener Marktführer.
Klimaschutz mit Wermutstropfen
Von Birgit Bermann und Niklas Schinerl
Greenpeace fordert Aus für problematische Stoffe in Energiesparlampen!
Häufige und begehrte Metalle Schon allein der Begriff „Seltene Erden“ führt in die Irre. Die 17 Stoffe aus der chemischen Gruppe der Lanthanoide wie Scandium, Yttrium, Cer oder Neodym sind keine „Erden“, sondern Metalle – und auch nicht selten. Viele Stoffe kommen in der Erdkruste häufiger vor als zum Beispiel Blei, und selbst das seltenste SelteneErden-Metall Thulium kommt deutlich häufiger vor als Gold oder Platin. Reserven gibt es weltweit genügend, und deren Ausbeutung wird erst in den kommenden
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Jahren vollständig anlaufen. Doch bis es so weit ist, bleibt China mit 120.000 Tonnen Förderung pro Jahr der unangefochtene Marktführer bei Seltenen Erden: 97 Prozent der weltweiten Produktionsmenge stammen aus dem Reich der Mitte. Warum viele Länder den Abbau der eigenen vorhandenen Seltenen Erden verschlafen haben, ist mit Marktlogik leicht erklärt. Das Schürfen nach den begehrten Stoffen und vor allem das Herauslösen der Metalle aus den Erzen ist ein sehr energieaufwän diger, teurer und sehr umweltbelastender Prozess. Bei der Gewinnung der zum Teil selbst giftigen Stoffe kommen Säuren zum
Denn eine Art von Lagerstätten Seltener Erden ist ausreichend vorhanden: Müllhalden. Einsatz, und schwer kontaminierte Rückstände fallen in großen Mengen an. Seltene Erden über den Weltmarkt aus China zu beziehen, wo sie wegen der niedrigen Umwelt- und Arbeitsschutzstandards konkurrenzlos günstig abgebaut werden, kam jahrzehntelang weitaus billiger, als eine eigene Produktion zu betreiben. Bis jetzt. Denn China beginnt immer mehr, mittels Exportbeschränkungen an der Preisschraube für Seltene Erden zu drehen – mit Preissteigerungen bei den Endprodukten als Folge. Peking ist sich seiner Monopolstellung und der Abhängigkeit der Importländer mehr als bewusst. Ohne Seltene Erden gibt es weder Hightech wie Windtechnologie oder Elektroautos noch „Funtech“ wie Smartphones, Spielkonsolen oder MP3-Player. Neue Förderstätten müssen also her.
Die größten Reserven werden in Westaustralien, Grönland, Kanada, Kalifornien und am Grund des Pazifiks vermutet, und auch die Wiederaufnahme stillgelegter Förderstätten läuft auf Hochtouren. Damit soll schon in wenigen Jahren der gefürchtete Engpass, den China durch die Drosselung der Seltene-Erden-Produktion auslösen kann, beseitigt sein. Als Begründung für die Verknappungsmaßnahmen gibt China die Umweltzerstörung an, die der Abbau der Metalle mit sich bringt. Die Welthandelsorganisation WTO bestreitet allerdings diese grüne Motivation und vermutet viel eher eine Nutzung der begehrten Rohstoffe zunehmend für den Eigenbedarf. Denn China hat sich in vielen Zukunftsbranchen wie der Windkraft oder der Photovoltaik bereits hervorragend aufgestellt und damit
Fotos: © GP/Natalie Behring-Chisholm, © www.istockphoto.com/97
Zu einem Aufschrei unter Kunden führte die Preiserhöhung der Energiesparlampen durch die großen Hersteller just in den Tagen, als es zu einem Verbot der 60-Watt-Glühbirnen gekommen war. So ungeschickt diese Aktion für das Image der ohnehin in der Kritik stehenden Lampenindustrie war, so nachvollziehbar war die Argumentation. Seltene Erden bilden einen wesentlichen Grundstoff für Energiesparlampen (siehe Kasten rechts), und die Preise der wertvollen Metalle haben erst im letzten Jahr um 130 Prozent angezogen. Energiesparlampen sind aber nur eine von vielen Anwendungsformen für Seltene Erden. 17 Metalle umfasst diese Gruppe von Rohstoffen, die über außergewöhnliche Eigenschaften verfügen und für viele aktuelle und zukünftige Schlüsseltechnologien beinahe unentbehrlich sind. Man findet diese Stoffe zu einem sehr kleinen, aber unersetzbaren Anteil in Computer-Festplatten, LED-Bildschirmen, Smartphones, Akkus, in der E-Mobilität oder in Windrädern. Eine Energiewende ohne die begehrten Metalle kann es daher nicht geben.
Seltene Erden sind nicht die einzigen problematischen Stoffe, die in Energiesparlampen zu finden sind – auch Quecksilber ist enthalten. Greenpeace fordert von der EU und der Industrie seit langem, einen raschen Ausstieg aus der Verwendung gefährlicher Stoffe bei den energie- und klimaschonenden Lichtquellen umzusetzen. Bis es so weit ist, müssen Warnhinweise zum Schutz der Verbraucher auf den Verpackungen aufgedruckt werden und die Recyclingquote der beim Bruch giftigen Lampen um das Vielfache gesteigert werden. Solang diese Forderungen nicht erfüllt werden, ist die ansonsten ökologische Vorzeigebilanz der Energiesparlampen leider noch getrübt.
Die dunkle Seite der Technologie: Elektroschrott wird kaum recycelt, sondern mit oftmals nicht ganz legalen Methoden in Schwellenländer exportiert (gr. Bild). Damit werden nicht nur Mensch und Umwelt schwer geschädigt, sondern auch wertvolle Metalle wie Seltene Erden buchstäblich auf den Müll geschmissen.
genug boomende Industriezweige, die es zu versorgen gilt. Chinas Monopolstellung versetzt nicht nur die Märkte in Aufruhr, auch bei der Politik läuten seit längerem die Alarm glocken. Spät, aber doch hat die EU diesen Herbst ein Strategiepapier vorgelegt und damit die Eckpunkte der Rohstoffsicherung bezüglich der Seltenen Erden vorgegeben. Forschungsnetzwerke und Kooperati-
Licht an für den Klimaschutz Das Verbot herkömmlicher Glühbirnen in der EU bis 2012 und der Umstieg auf Energiesparlampen sind große Fortschritte für einen wirksamen Klimaschutz. Energiesparlampen brauchen für die gleiche Helligkeit weniger Energie, und Energieeffizienz ist eine Grundvoraussetzung, um die globale Erwärmung unter der notwendigen Zwei-Grad-Marke halten zu können. Allein in der EU kann der Wechsel zu Energiesparlampen mehr als 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Das ist mit der Schließung von 25 mittelgroßen (Kohle-)Kraftwerken vergleichbar.
onen mit anderen Rohstofflieferanten als China sollen die Engpässe überbrücken. Doch der wichtigste Punkt kommt darin zu kurz – Recycling. Denn eine Art von Lagerstätten Seltener Erden ist ausreichend vorhanden: Müllhalden. Vor allem Elektroschrott, von Handys über Fernseher bis zu Computern, ist voll mit den wertvollen Metallen, landet aber nur zu einem win zigen Teil im Wiederverwertungsprozess.
Bisher fehlt die Infrastruktur, die sowohl für den Konsumenten als auch für den Hersteller einen Anreiz schafft, Mülldeponien als Goldgruben wahrzunehmen. Der Preisanstieg durch Chinas Exportbeschränkung hat als umweltfreundlichen Nebenaspekt zumindest dieses Missverhältnis ins richtige Licht gerückt – und könnte aus dem Problem eine Lösung machen. n
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eine dritte Möglichkeit: „Geo-Engineering“ – technisches Eingreifen, um das Weltklima zu beeinflussen. Dabei würden zum Beispiel die Meere gedüngt werden, damit CO2 durch ein gesteigertes Algenwachstum gebunden wird. Greenpeace ist wegen der zahlreichen Risiken jedoch sehr skeptisch. Knappes Zeitfenster Erdwissenschaftler haben vorgerechnet, dass bei einem Temperaturanstieg von maximal zwei Grad Celsius die Folgen für das Ökosystem Erde und den Menschen bewältigbar bleiben werden. Aber es ist sehr fraglich, ob das Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden kann, denn der Spielraum für diese Reduktion ist bereits nahezu genutzt. Egal ob uns das passt oder nicht – wir müssen uns also intensiv d amit aus einandersetzen, wie wir uns an den Klimawandel anpassen können. Gleichzeitig müssen wir versuchen, ihn so weit wie möglich abzubremsen. Aber was bedeutet das – sich dem Klimawandel anpassen? Stellen wir uns zuerst die Frage, was auf uns zukommt, damit wir wissen, worauf wir uns gefasst machen müssen. Grob gesagt wird der Klimawandel folgende Konsequenzen haben: Es wird wärmer, der Meeresspiegel steigt an, Klimazonen werden sich verschieben, die
quenzen bringen gravierende Veränderungen mit sich. Bereits 2100 könnte es in Österreich drei bis vier Grad Celsius wärmer sein. Damit werden wir wahrscheinlich noch halbwegs gut zurechtkommen – ein Klima wie in Italien ist ja nicht grundsätzlich unangenehm. Aber es bedeutet zum Beispiel das Ende des Wintersports in den Alpen und damit ein großes Problem für den Tourismussektor. Dann das andere Ende der Skala, die kaum lösbaren Probleme – der Anstieg des Meeresspiegels. Bereits bis Ende dieses Jahrhunderts wird er um voraussichtlich ein bis zwei Meter ansteigen. Für flache Küstenregionen, wo das Land kaum höher liegt als das Meer, bedeutet das den Untergang. Dass Venedig dann nicht mehr bewohnbar sein wird, ist schade, die Anzahl der Betroffenen hält sich jedoch in Grenzen. Aber eine Stadt wie New York oder ein Land wie Bangladesch stehen vor dem gleichen Problem. Begrenzte Maßnahmen Reiche Staaten werden zunächst höhere Deiche bauen, weil sie das Geld dafür haben. So kann man dieses Jahrhundert noch überbrücken, vielleicht auch das nächste. Aber wenn man die Klimaprognosen ernst nimmt, weiß man, dass man irgendwann an Grenzen stößt. Mit einer Räumung von
egziehen. Verständlicherweise Zweiteres, W aber wohin? Dass viele Millionen Klimaflüchtlinge im an den Klimawandel angepassten Europa willkommen sein werden, ist kaum zu erwarten. Dabei liegt die Ungerechtigkeit auf der Hand: Jene, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, werden als Erste mit den schwerwiegenden Folgen konfrontiert. Wasser wird knapp Ähnliches kann die Folge von verschobenen Klimazonen sein. Was, wenn es in bestimmten Regionen bald viel weniger Regen gibt, Trinkwasser zu Mangelware wird und keine Landwirtschaft mehr möglich ist? Dieses Problem wird Teile der Erde bereits im 21. Jahrhundert treffen. Diese mehr als unwillkommenen Nachrichten kann man natürlich als Panik mache abtun. Das ist eine sehr menschliche Reaktion auf unwillkommene Nachrichten. Aber es ist nicht sehr realistisch, darauf zu bauen, dass das „System Erde“ sich über die eigenen Naturgesetze hinwegsetzen wird. Wir sollten daher jetzt alles daransetzen, die Ursachen für den Klimawandel anzugehen und aus der Nutzung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen. Auch wenn wir sehr spät dran sind, es ist die einzige Chance, die wir noch haben, die oben skizzierten Prob-
Manche Auswirkungen sind bewältigbar, andere sorgen für kaum lösbare Probleme.
Während sich auf den internationalen Klimakonferenzen alles um das Thema Vermeidung dreht, sind Nationalstaaten schon längst mit Anpassungsstrategien beschäftigt. Die werden umso schwieriger, je länger wirksame Klimaschutzmaßnahmen hinausgezögert werden. Von Jurrien Westerhof
Der Klimawandel ist da: Temperaturen und Meeresspiegel steigen, die Gletscher und das arktische Eis schmelzen, die Niederschlagshäufigkeit ändert sich. Unter seriösen Wissenschaftlern ist unumstritten, dass sich das globale Klima rasch wandelt und die Hauptursache dafür die Treibhausgasemissionen sind. Derzeit ist es noch schwer vorauszusagen, wie schnell sich der Wandel vollziehen wird und wie heftig er schließlich ausfällt. Und die brennendste Frage ist, wie erfolgreich die Menschheit sein wird, den globalen
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Temperaturanstieg noch zu bremsen – das ist derzeit Verhandlungsgegenstand einer Klimakonferenz nach der anderen. Wirksame Maßnahmen gäbe es genug, allen voran einen Abholzungsstopp und den Ausstieg aus der Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Steinkohle. Damit sind wir bei den treibenden Kräften des Klimawandels. Seit ungefähr 1800, dem Beginn des Industriezeitalters, steigt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ununterbrochen an. CO2 hat die Eigenschaft, Wärme festzuhalten, wo-
durch auf der Erde die Temperaturen steigen. Ist dieser Prozess erst einmal im Gange, ist es kaum möglich, rasch etwas daran zu ändern – das Klimasystem der Erde reagiert sehr langsam. Und außerdem werden wir Menschen es nicht schaffen, den Ausstoß von CO2 von heute auf morgen zu stoppen. Das alles hat Folgen für die Möglichkeiten, die wir haben, mit dem Klimawandel umzugehen. Im Grunde genommen gibt es nur zwei große Strategien: Abwenden oder Anpassen. Theoretisch gäbe es noch
Grundlagen für Landwirtschaft und Fischerei werden sich stark ändern, manche bewohnten Regionen werden unbewohnbar und umgekehrt, und es wird mehr Ex tremwetterereignisse geben. Manche dieser Auswirkungen sind bewältigbar, andere sorgen für kaum lösbare Probleme. Schon allein die bewältigbaren Konse-
ganzen Landstrichen hat unsere Zivilisa tion aber keine Erfahrung. Soll man vielleicht irgendwo in Zentralasien Flächen kaufen und dort als Land durchstarten? Und was sollen Staaten wie Bangladesch machen – ohne Geld, aber mit dem gleichen Problem? Für die Menschen dort stellt sich die Frage: Untergehen oder
Fotos: © GP/Jason Taylor, © Michael Loewa/GP, © GP/Robert Meyers
klima wartet nicht
Kreative Konfrontation, um für die Gefahren des Klimawandels zu sensibilisieren: Greenpeace versenkte bei der Klimakonferenz in Cancún Steinfiguren, um den steigenden Meeresspiegel und das Versinken zahlreicher Inseln eindringlich zu veranschaulichen: Unter Wasser gibt es keine Lebensperspektive für den Menschen. Dass die Bombe CO2 kurz davor ist hochzugehen, versuchen Aktivisten in Deutschland klarzumachen (kl. Bild li.). Und ein Eisbär kann nicht in der Wüste leben – aber die steigenden Temperaturen schmelzen ihm seine angestammte Heimat unter den Pfoten weg (kl. Bild re.).
leme halbwegs abzuwenden. Was wir nicht können, ist, Milliarden Menschen hinter Deichen zu schützen. Die Welt mit sauberer Energie zu versorgen, schaffen wir aber schon. Wir müssen nur aufhören, den kurzfristigen Interessen der Ölfirmen gegenüber den langfristigen Interessen der Menschheit den Vorrang zu geben. n
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