Gringoz Magazine #15

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Pro Konzert-Herbst

Oder eher Pre Festival Planung? Egal wie sehr man sich bemüht, so ganz kommt man aus diesem ewigen Kreislauf des Ticketkaufs nicht raus. Fangen die Festivals an, muss man schon Karten für den Herbst kaufen und umgekehrt, da ist die Tatsache, dass Touren immer früher bekannt gegeben und zum VVK freigegeben werden nicht gerade hilfreich. Wir hoffen, ihr habt alle vor Monaten schon euer Ticket für die kommende Seeed Tour ergattert, welche nächstes Jahr im Sommer stattfindet?! Bereits jetzt sind erste große Namen für die kommenden Festivals bekannt gegeben worden und die Tickets werden nicht mehr, da heißt es jetzt schnell sein. Dazu kommt noch die anstehende Rammstein Tour mitten zwischen den Festivals und die Herren wollen für ihre 20 Tonnen Kerosin Show wahrscheinlich auch ein paar Euros sehen. Bleiben wir bei dem Anblick all dieser Ausgaben doch einfach mal bei was erfreulichem und kostenlosen, unserer 15. Ausgabe zum Beispiel! Mit Adam Angst als Hauptthema können Fans der Punk-Rock Formation alles über die Zukunft der Band, Influencern und co. bei uns nachlesen. Als TrackByTrack gibt es nichts geringeres Als Disturbed auf die Ohren und selbst unsere regulären Reviews haben sich Interpreten wie Leoniden, Atreyu, Anti-Flag oder die Power Combo Marteria und Casper zur Brust nehmen dürfen. Live haben wir einiges von Betontod und Killing Joke zu Berichten und werfen nochmal einen letzten Blick auf die sommerlichen Festivals mit New Horizons und Pell Mell – schöne Zeit war das, damals vor ein paar Wochen, im T-Shirt. Natürlich haben wir auch wieder jede Menge Interviews für euch, neben Blood Youth und Deaf Havana haben wir tatsächlich Fronter Shane von Silverstein auf ein,zwei Worte gebeten. Verpasst das ja nicht! Unsere neue Section Behind The Song kam in der letzten Ausgabe so gut an, dass wir uns diesmal nicht einem Song, sondern einer ganzen Ära stellen. Schwelgt mal wieder in Erinnerungen, wenn wir mit euch auf drei Seiten über Eurodance und co. ablästern. Klingt das alles zusammen nicht etwas besser, als sich jetzt schon wegen Tickets für Konzerte im Juli zu hypen? Habt wie immer Spaß mit dieser Ausgabe und genießt die Flunkyball freie Zeit.

eure gringoz Gringoz-Magazine

impressum Angaben gemäß § 5 TMG Gringoz Magazine Alexander Hoppen Rübenacher Straße 1 56218 Mülheim-Kärlich Vertreten durch: Alex Hoppen Kontakt: Telefon: 0170 – 289 46 41 E-Mail: info@gringoz-magazine.de RedakteurInnen dieser Ausgabe: Alexander Hoppen Jana Boese Linda Kasprzack Kevin Höfer Nils Boysen Jana Gall Niici Nico Simon Désirée Pezzetta ViSdPR: Alexander Hoppen, Für den Inhalt und der einzelnen Artikel ist der/die VerfasserIn verantwortlich. Diese geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Du hast Fragen, Anregungen oder Kritik auf Lager, möchtest uns mit Lobeshymnen überhäufen oder einfach mal „Hallo“ sagen? Dann schreib‘ uns über das Formular auf www.gringoz-magazine.de wir melden uns schnellstmöglich bei dir. Wenn du uns Promo- bzw. RezensionsMaterial zuschicken willst, sende dieses an: promo@gringoz-magazine.de

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Inhaltsverzeichnis CALIBAN 20 Jahre Bandgeschichte, das aktuelle Album und wieso Streaming gut und schlecht ist - das sind nur einige der Themen, die wir mit der Metalcore Formation besprochen haben.

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INTERVIEWS THREE DAYS GRACE IN HEARTS WAKE AUGUST BURNS RED JOHN WOLFHOOKER

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LIVE REVIEWS HEAVEN SHALL BURN KRAFTKLUB K.I.Z

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REVIEWS THREE DAYS GRACE, RED SUN RISING, 30 SECONDS TO MARS, JUDAS PRIEST, BLEED FROM WITHIN, KMPFSPRT, BREAKING BENJAMIN, EDITORS

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TRACK BY TRACK BLACK STONE CHERRY CALIBAN

SHORTREVIEWS CONCRETE JUNGLE RECORDS, DEFECTO, DIE HEART, DOROTHY, EGO SUPER, ERRDEKA, MILESTONES, NALE, THE LAST GANG, THE PLOT IN YOU

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GAMING FAR CRY 5 A WAY OUT

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SPOTLIGHTS ANCHESTER, DREI METER FELDWEG, MODELL BIANKA, SLOPPY JOE´S

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TITELSTORY

ADAM ANGST

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In der Szene der Musik der härteren Gangart passiert es nicht häufig, dass eine Band bereits mit ihrem ersten Album derartig viel Wirbel macht wie Adam Angst. Die von Fans und Kritikern gleichermaßen gefeierte Debütplatte mit dem schlichten Titel „Adam Angst“ (2015) kann ohne Übertreibung oder Lobhudelei als eine der wichtigsten deutschsprachigen Punk-Platten der letzten Jahre bezeichnet werden. Kein Wunder also, dass das frisch veröffentlichte Nachfolger-Album „Neintology“ bereits sehnlichst erwartet wurde – und laut Pressetext ist es gar eine „kleine Sensation“, dass es dieses überhaupt gibt. Denn mit seinen letzten beiden Bands Frau Potz und Escapado – die Szene-Kennern sicherlich ebenfalls ein Begriff sein dürften – hat es Bandkopf Felix Schönfuss nie über die erste Platte hinaus geschafft. Text: Linda Kasprzack Fotos: Melissa Hülstermann / Markus Hauschild Gringoz-Magazine

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TITELSTORY Die Wartezeit auf „Neintology“ hat sich dabei absolut gelohnt. So beweist die Band nicht nur einen größeren musikalischen Facettenreichtum als auf Album Nummer 1, sondern schafft es, den Finger mit ihren cleveren, humorvollen Texten noch präziser in die gesellschaftspolitische Wunde zu legen. Man sieht also – „Neintology“ bietet im besten Sinne viel Gesprächsstoff. Aus diesem Grund trafen wir uns mit Sänger Felix und Bassist Kruse in einer Kreuzberger Kneipe (liebe Promoter: Bitte lasst künftig alle Interviews in Kneipen stattfinden!), um bei Bier, Gin Tonic und Maracuja-Schorle unseren Durst und Redebedarf zu stillen.

Gringoz: Zum Einstieg betrachten wir einmal die Kunstfigur Adam Angst: Wie hat sich der gute Herr seit dem letzten Album verändert? Felix: In dem Sinne, dass die Kunstfigur gestorben ist. Wir konnten beim ersten Album selber nie so richtig erklären, was für eine Figur das ist, am Ende stand ich vorne auf dem Cover und habe die Songs gemacht. Ein bisschen hatten wir uns damals an diesem Tebartz-van Elst orientiert. Dieses Image-Ding oder diese Kunstfigur, dass ich irgendjemanden spiele, haben wir jetzt nicht mehr.

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Das ist schlichtweg gestorben. Wir sagen jetzt einfach, dass wir diese Band sind und gut ist. Gringoz: Mit eurem ersten Album habt ihr in der Szene einen ziemlichen Erfolg erzielt, eure Konzerte waren immer voll und generell war die Platte ein großes Gesprächsthema. Habt ihr beim Schreiben vom zweiten Album deshalb einen großen Erfolgsdruck verspürt? Felix: Ein bisschen Druck gab es schon, weil man arbeitet ja mit Plattenfirma, Booking-Agentur und so weiter zusammen und die sind natürlich stark daran interessiert, dass schnell ein Nachfolger kommt. Wenn wir bei einer Major-Plattenfirma wären, hätten die uns schon längst gekickt, weil wir einfach viel zu lang gewartet haben. Ich hatte aber auch keinen Bock zu schreiben, hatte einfach nicht viel zu sagen und bin auch sogar ein bisschen in ein persönliches Loch gefallen, sodass ich mich gar nicht mit Musik beschäftigen wollte. Von daher war es eher ein Struggle, dieses Album zu schreiben. Ich kann jetzt auch nicht so viel Gutes über diese Zeit sagen, so nach dem Motto „Ja geil, Knoten geplatzt und jetzt schreiben wir alle und treffen uns im Proberaum„, so war es gar nicht. Aber das muss ja nichts Schlechtes bedeuten. Viele Platten, die ich für mein Leben gerne mag, sind auch unter ganz schrecklichen Bedingungen entstanden wie „Tempo, Tempo“ von Blackmailbeispielsweise. Da konnten die sich zum Beispiel gar nicht mehr sehen oder sprechen. Aber für mich

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persönlich ist das eine der geilsten Platten überhaupt. Ich weiß nicht, vielleicht liegt’s auch daran. Hast du Druck verspürt, Kruse? Kruse: Überhaupt nicht. Das liegt aber auch glaube ich daran, dass die Gespräche mit Management, Booking und Label in der Vergangenheit hauptsächlich mit dir geführt worden und ich nicht so viel davon mitbekommen habe. Dieses „Keinen Bock, Musik zu machen“ hatte ich nicht, ich habe aber auch eigentlich immer Bock Musik zu machen. Ich habe mich dann einfach gefreut, dass wir es geschafft haben (lacht) und freue mich auf das, was jetzt kommt. Felix: Man muss aber auch sagen, dass wir einfach eine echt gute Plattenfirma haben, die diesen Druck im Prinzip gar nicht ausübt. Wie gesagt, andere hätten uns längst gekickt, weil viele Sachen machen wir einfach nicht. Viele Sachen werden schon im Vornherein von ihnen abgelehnt, die sehen wir gar nicht. Einfach weil die Plattenfirma weiß, dass wir das sowieso nicht machen werden. Es gibt ja viele Dinge, die du als Band machen kannst, aber zum Glück sind wir finanziell nicht darauf angewiesen. Gringoz: In einigen anderen Interviews habt ihr erzählt, dass ihr das Album bewusst mehr als Band und weniger als Einzelperson gemacht habt, was wir ja auch gerade schon kurz angeschnitten haben. Felix, ist es für dich auch teilweise schwer, Entscheidungen und Kontrolle abzugeben?

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Felix: Eine kurze Zeit war es ein bisschen schwer, weil man das Gefühl hat, dass es einem aus der Hand gleitet und man dann Sachen machen muss, die man nicht geil findet, weil sich irgendwas demokratisch durchgesetzt hat (lacht). Das findet man dann erstmal kacke. Aber das ist letztendlich überhaupt nicht passiert, es ist alles ganz organisch gewachsen. Am Ende habe ich schon immer noch ein bisschen die Hand auf den Songs, für die meisten Tracks habe ich auch das Grundgerüst geschrieben und alles andere wurde dann so ein bisschen angepasst. Aber David [Gitarrist der Band, Anm. der Redaktion] hat zum Beispiel zwei Instrumentalsongs komplett beigesteuert und ich habe dann nur noch den Text darauf geschrieben. Letztendlich war es dann sogar so, dass ich mich total befreit gefühlt hab, weil ich auch gar keinen Bock mehr hatte, die ganze Verantwortung komplett alleine zu tragen. Jetzt weiß ich, dass es total schön ist, auch mal etwas abzugeben. Gringoz: Ich finde auch, dass „Neintology“ vor allem musikalisch freier als die erste Platte wirkt. Seid ihr von Anfang an auch mit einer freieren Einstellung an das Songwriting herangegangen oder hat sich das einfach so ergeben, dass jetzt auch Polka, Trompeten & Co. Platz auf dem Album gefunden haben? Felix: Da hatten wir sowieso Bock drauf, das ist eine Entscheidung, die wir alle tragen. Wir versuchen, uns musikalisch so breit aufzustellen, dass

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TITELSTORY wir irgendwann alles machen dürfen. Wir vergraulen pro Album auch immer wieder Leute, aber irgendwann wird es dann so sein, dass wir jeden Musikstil bedienen können, so wie es zum Beispiel Die Ärzte machen. Das wäre das Schönste. Das Album klingt halt auch total nach Band, die erste Platte klang deutlich steriler. Wir haben beim Sound auch darauf geachtet, dass das Ganze breiter und handgemachter klingt. Das hört man finde ich. Kruse: Finde ich auch. Gerade wenn du jetzt „Alle Sprechen Deutsch“ mit Polka und so ansprichst, das ist zum Beispiel ein Song, der so gemeinsam entstanden ist, als wir zusammen Demo-Aufnahmen im Studio gemacht haben. Es war total interessant für mich, einfach Sachen auszuprobieren, die ich noch nie gemacht habe. Und wir haben es einfach gemacht. Felix: Ich glaube, dass sich viele Bands in einem musikalischen Korsett befinden. Gerade bei einigen Bands aus unserem Umfeld weiß ich, dass sie bestimmte musikalische Sachen nicht anfassen und auch nicht anfassen können. Oder nehmen wir mal zum Beispiel Fjørt – bei denen ist ja vollkommen klar, dass sie nicht plötzlich anfangen können, wie wir einen Polka-Song, der teilweise in Dur ist, auf eine Platte zu bringen. Das geht natürlich irgendwie auch nicht. Ein bisschen müssen sie ihren Stil ja auch beibehalten. Ich fände es aber geil, mit Adam Angst dem Ganzen entfliehen zu können. Das ist auch der Grund, warum es diese Band immer noch gibt. Ich kann mich musikalisch total ausleben, was ich bei Frau Potz zum Beispiel nicht konnte. Da musste der Sound so sein und es wäre alles komisch geworden, wenn wir wir es irgendwie anders gemacht hätten. Gringoz: Auch wenn das Album breiter ist, finde ich es dennoch – sofern man das nach zwei Alben schon sagen kann – dennoch typisch Adam Angst. Felix: Ja, es ist typisch Adam Angst, das finde ich auch. Aber, was man auch sagen muss: Wir haben a) eine Ballade auf der Platte, was natürlich immer eine klare Ansage ist. Da wird nur gesungen und es ist nur Melodie. Und es gibt einfach Musikhörer, die sagen, dass Musik immer auf die Fresse sein muss. Die wird man damit vergraulen. Das finde ich aber auch voll okay. Ich will nicht nur Leute da haben, denen es ausschließlich darum geht, einen Moshpit vor der Bühne starten zu können. Und b) sind die Songs

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nicht mehr so einfach. Vorher waren einige Songs sehr einfach und parolisch, an denen gab es nichts zu rütteln. Diesmal haben wir viele Sachen ausprobiert. Nehmen wir zum Beispiel einen Song wie „Immer Noch“, der von einem Streicher-Intro in eine groovige Strophe in einen ruhigen Part und dann wieder in einen typischen Adam-Angst-Refrain übergeht. Da ist klar, dass das nicht jedem gefallen wird. Aber das ist auch gut so. Wir wollen mit jedem Album irgendwas anders machen. Kruse: Ich finde das auch nicht schlimm. Außerdem: Bei allen Bands, an die ich mich so erinnere, die mit ihrem ersten Album Gehör gefunden haben, hat es beim zweiten Album Leute gegeben, die die erste Platte irgendwie geiler fanden. Das gehört dazu. Wir haben ja zum Glück die Demo-Phase übersprungen, ansonsten würde es wohl heißen „Damals bei den Demos, da waren die noch geil!“ (lacht). Ich finde, man sollte darüber auch nicht zu viel nachdenken, sondern einfach das machen, was so aus einem herauskommt. Gringoz: Hättet ihr das gleiche Album noch mal gemacht, hätte es ja auch wieder Leute gegeben, die das scheiße finden. Felix: Eben, genau. Das wäre fast peinlich gewesen. Das war ja auch ein Grund, warum es mit der Platte so lang gedauert hat – wir wollten erst mal wieder für uns selbst ein neues Standing finden. Gringoz: Ihr arbeitet auf „Neintology“ viel mit fiktiven Szenarien wie z.B. bei „Alexa“. Deshalb möchte ich euch jetzt auch in ein paar Szenarien hineinwerfen. Szenario 1: Ihr müsst einen Song über etwas schreiben, was ihr so richtig super findet. Über welches Thema würdet ihr schreiben? Felix (lacht): Wie witzig, in anderen Interviews habe ich gesagt, dass ich nie einen Song wie „Haus Am See“ schreiben könnte. Geil. Einen Song über etwas schreiben, das ich richtig gut finde (überlegt)… Also wenn ich wirklich dazu gezwungen wäre, würde ich versuchen, einen Song über das gute Gefühl zu schreiben, das man hat, wenn man einem fremden Menschen mit einer kleinen Geste hilft und dadurch ein gegenseitiges Gutfühlen entsteht. Das können solche Dinge sein wie zum Beispiel, dass man einem Obdachlosen hilft. Nur habe ich beim Schreiben immer den Anspruch, dass der Text sehr situationsbedingt und detailliert ist und nicht einfach nur ein Gefühl Gringoz-Magazine


beschreibt wie zum Beispiel Clueso es macht. Das wird halt die große Schwierigkeit, aber so ein Thema würde ich irgendwie versuchen. Kruse: Ich muss sagen, dass ich die Vorstellung gerade ganz gruselig finde. Aber du musst es ja tun (lacht). Felix: Genau, ich muss und würde es dann so versuchen (lacht). Aber ich würde es natürlich schlichtweg nicht machen, weil ich Songs immer aus einem negativen Gefühl heraus schreibe und versuche, dieses Gefühl in positive Energie umzuwandeln. Gringoz: Auf dem Album teilt ihr auch gegen den ganzen Instagram-Lifestyle aus. Angenommen, ihr wärt krasse Influencer – für welche Produkte würdet ihr am ehesten influencen? Felix: Oh Gott (lacht). Das ist so ambivalent. Natürlich würde ich gucken, dass ich mich für Tierschutz einsetze, für Seawatchoder ähnliche Sachen. Und für nachhaltige Produkte. Das machen ja auch viele Influencer. Aber es hat natürlich immer diesen komischen Beigeschmack. Mit irgendwas müssen die ja auch ihr Geld verdienen. Deswegen finde ich das so ambivalent. Aber es ist natürlich besser als nichts zu sagen. Aber ja, für sowas würde ich mich wohl entscheiden, wenn ich denn müsste. Kruse: Ich finde, auch das klingt gerade wieder ganz gruselig (lacht). Felix: Du hast bisher noch keine Antwort gegeben! (lacht) Kruse: Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen.

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Ich finde es spannend, jetzt darüber nachzudenken, weil ich noch nie darüber nachgedacht habe. Felix: Die Antwort hätte ich auch geben können! Kruse: Joa… Nee. Ich bin glaube ich echt nicht der Typ Influencer (lacht). Felix: Ich auch nicht. Man muss aber auch sagen, dass es manchmal schon ein bisschen neidisch macht zu sehen, wie sich Leute mit dem Influencer-Dasein mehr als über Wasser halten können. Aber es ist halt auch gruselig, dieses ständige Selfie-Videos mit dem Handy machen und so. Kruse: Andererseits ist es halt einfach ein Job. Wenn die Leute Erfüllung darin finden, dann sollen sie das machen. Gringoz: Kommen wir mal weg von den Influencern und hin zum letzten Szenario: Der Weltuntergang steht bevor. Welche abschließenden Worte würdet ihr der Welt gerne noch mitteilen, wenn ihr quasi einen Grabstein für sie gestalten könntet? Felix: „Selber Schuld“ (alle lachen). Was will man auch sonst noch sagen. Andererseits ist man natürlich auch selbst, wenn auch nur zu einem kleinen Teil, verantwortlich. Wir würden uns da auch selbst nicht rausnehmen. Wenn die Welt untergeht, sind wir halt genau so daran Schuld wie alle anderen auch. Ansonsten vielleicht auch einfach „Joa.“. Also „J“, „O“, „A“ Punkt. Das fände ich am besten. Kruse: „Hätte, hätte Fahrradkette“ fände ich auch sehr schön. Felix: „Wäre, wäre Fahrradkette“!

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Foto: Adina Scharfenberg


INTERVIEW

BLOOD YOUTH

Die Jungs von Blood Youth haben eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Mit gerade mal Anfang 20 ist ihnen das gelungen, wovon viele Bands nur träumen. Nach drei Monaten spielten sie bereits auf dem Download Festival und was dann folgte waren Touren mit Everytime I die, Neck deep und Prophets of Rage. Einen Longplayer, Beyond Repair, gibt es schon, der zweite ist gerade in der Mache. Wir haben uns mit Sänger Kaya Tarsus in Berlin getroffen und ihn mächtig ausgefragt. Text: Désirée Pezzetta, Foto: Adina Scharfenberg

Gringoz: Hallo, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das Interview nehmt. Wie geht es euch?

uns gelaufen ist. Unser Slot begann buchstäblich zehn Minuten nach Einlass und die Leute kamen erst so langsam, als wir schon fast durch waren.

Kaya: Uns geht es super, es fühlt sich gut an, wieder in Berlin zu sein!

Gringoz: Ach, das ist ja scheiße! War es dieselbe Venue?

Gringoz: Stimmt, ihr wart ja schon mal da!

Kaya: JA! *lacht* Es war halt vor Allem kacke, weil wir so früh gespielt haben und der Sound war auch grottig… Aber heute wird es eine ganz hervorragende Show, das haben wir im Gefühl!

Kaya: Ja, wir haben hier letztes Jahr mit Neck Deep gespielt, obwohl der Gig nicht so besonders gut für

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und das wollten wir auch visuell umsetzen. Der Typ, der das alles für uns umsetzt heißt Adam Webb, aber alle nennen ihn Spud. Gringoz: Spud? Kaya: Ja, Spud! Gitarrist Chris mischt sich aus dem hinteren Teil des Backstages ein: Er ist ein Dickhead! Spuuuuuuuuuuud! *alle lachen* Was ich die Queen fragen würde? Welcher ihr Lieblingssong von Behemoth ist. Gringoz: Ihr seid ja echt viel unterwegs, aber wenn ihr nur noch eine CD im Tourbus hören könntet- welche wäre das? Kaya: Also zurzeit wäre das auf jeden Fall The Satanist von Behemoth. Gringoz: Oh echt? Ach krass, seid ihr so große Black/Death Fans? Kaya: wir mögen ja eigentlich jede Art von Musik, aber wir haben eine besondere Schwäche für Behemoth Gringoz: Wisst ihr schon, was ihr am 29. März 2019 machen werdet? Gringoz: Habt ihr diese Mal wenigstens einen guten FOH dabei?

Kaya: Ähh, am 29. März? Also wahrscheinlich touren! Ist da was Besonderes?

Kanye: Auch nicht! *lacht wieder* Wir nehmen auf dieser Tour immer die Local Crew und das hat bislang -bis auf einmal- immer gut geklappt.

Gringoz: Ja Mann, da ist der Brexit!

Gringoz: Ihr habt ja eine ganze Menge Musikvideos. Das letzte allerdings zu eurem Song Starve, ist viel düsterer und bedrohlicher, als die restlichen. Ist das jetzt auch visuell euer neuer Stil und wer hat die Ideen zu den Videos? Kaya: Die Ideen stammen immer von uns, was manchmal ganz schön ätzend ist, weil wir so lange unsere Einfälle zusammenschmeißen, bis was dabei rauskommt. Das Video zu Starve repräsentiert die neue Härte, die wir auf dem Album, das wir gerade aufgenommen haben, zum Vorschein kommt. Die Songs darauf sind viel düsterer und härter als alles, was wir vorher gemacht haben Gringoz-Magazine

Kaya: Ha, wahrscheinlich weiß kein Brite, dass der an diesem Datum stattfindet! Nichts wird uns davon abhalten zu touren, das kann ich versprechen! Gringoz: Das ist auch meine nächste Frage: Denkst du, der Brexit wird einen Einfluss auf die britische Musikszene und das Touren von britischen Bands haben? Kaya: Ja, höchstwahrscheinlich schon. Ich denke, gerade für britische Bands, die noch ganz am Anfang stehen und versuchen, mal nach Europa zu kommen, wird da einiges erschwert werden. Kleinere Bands, die dann weniger für ihre Gigs bekommen, weil auf einmal ganz andere Gebühren erhoben werden… für die wird das schon

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INTERVIEW haarig. Aber wir, wie gesagt, lassen uns nicht aufhalten und werden weiter überall touren!

Kaya: Was ist Ihr Lieblingssong von Behemoth?

wieder erden. Mal wird man nicht bezahlt, mal sind es andere widrige Umstände. Man kann außerdem nicht in dieser Industrie überleben, wenn man mit dem Kopf nur in den Wolken ist, das wäre dumm und naiv. Wir von Blood Youth knocken uns aber auch gegenseitig immer wieder auf den Boden der Tatsachen

Chris aus dem Off: Blow your trumpets Gabriel!!!

Gringoz: auch physisch?

Harrogate is so versnobt, es gibt nicht mal eine Szene für harte Musik

Kaya: *kichert* hihi, ab und zu. Es sind in der Regel Chris und unser Bassist, die sich immer auf unseren Drummer draufschmeißen.

Gringoz: Wenn der Queen eine einzige Frage stellen könntest- welche wäre es?

Gringoz: Ihr kommt ja aus Harrogate, richtig? Wie ist es da so, ist das so ein working class hero Background oder ganz anders?

Gringoz: A kiss with a fist is better than none, stimmt’s?

Kaya: Harrogate ist eine ziemlich versnobte Stadt. So versnobt, dass es da nicht mal harte Musik gibt, gerade dort, wo Chris aufgewachsen ist. Also haben seine Band und meine Band angefangen zusammen Gigs auf die Beine zu stellen. Es gibt halt gar keine Heavy Music Szene, deswegen mussten wir da raus und unser eigenes Ding machen. Es ist eigentlich ganz schön traurig, denn es gibt einige Leute in unserer Heimatstadt, die durchaus verfolgen, was wir tun und was wir mit der Band in drei Jahren erreicht haben, aber wir waren beispielsweise nie in unserer Lokalzeitung. Wir waren so oft im Kerrang! und sonst wo, aber daheim… naja… ich meine, wir haben in riesigen Arenen gespielt mit den Prophets of Rage! Aber die Medien in unserer Heimatstadt würdigen uns in keinster Weise. Ist uns eigentlich egal, aber…

Kaya: Du sagst es! *lacht*

Chris aus dem Off: Das zeigt eigentlich nur, wie bescheuert die sind!

Kaya: also klar, Everytime I die ist meine absolute Lieblingsband. Wir haben auch schon drei, viermal mit ihnen gespielt und es waren ungelogen die härtesten Shows für uns. Ich als Everytime I die-Fan kann sagen: Everytime I die Fans sind so kompliziert! Wir waren der Openener und es war so schwierig, zu den Leuten durchzudringen. Bis zum heutigen Tag hatten wir keine härtere Zeit auf der Bühne. Keith Buckley hat uns sogar gefragt, wie die Shows so laufen und wir so…

Kaya: *lacht* stimmt schon! Aber wir haben trotzdem viel Liebe für unsere Heimatstadt, nur für Heavy Musik ist es halt das falsche Pflaster. Nichts erdet dich mehr, als vor einem Haufen Leute zu spielen, die sich einen Scheiß darum kümmern, was du gerade auf der Bühne machst. Gringoz: Du sagtest es gerade, ihr wart mit Prophets of Rage auf Tour, habt all die großen Festivals wie das Download schon drei Monate nach Bandgründung gespielt. Wie schafft ihr es, dass euch der Erfolg nicht zu Kopf steigt? Kaya: Also, 2018 in einer Band zu sein ist schon mal was komplett anderes als in den 80ern oder so. Es gibt einen Haufen Dinge, die dich sofort

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Chris aus dem Off: Wir machen ihn fertig! Gringoz: Willst du eigentlich immer noch Everytime I die heiraten? Kaya: Heiraten? Gringoz: Ja, das hast du in einem Interview gesagt! Kaya: Oh wow, daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern! Naja, wenn sie wollen, würde ich schon! Chris aus dem Off: Fick die Medien!

Chris aus dem Off: Scheiße! Kaya: Haha, wir sagten, es ist echt hart! Und er meinte dann: „Macht euch keine Sorgen, wir haben Lamb of God supportet, ihr habt gar keine Ahnung, was hart bedeutet!„ Da muss halt jede Band mal durch, der Opener von großen Bands zu sein, keine Sau interessiert sich für einen. Und Gringoz-Magazine


weil du fragtest, was uns am Boden hält – nichts erdet dich mehr, als vor einem Haufen Leute zu spielen, die sich einen Scheiß darum kümmern, was du gerade auf der Bühne machst.

Gringoz: Probiert unbedingt mal eine Berliner Weiße! Was mich auch zu meiner nächsten Frage bringt: Konntet ihr schon ein wenig von Berlin anschauen?

Gringoz: 24/7 – ist das ein autobiographischer Song?

Kaya: Leider nein, wir waren zwar ein paar Mal da, aber hatten nie Zeit uns mal umzusehen. Jedes Mal kam was dazwischen oder wir hatten zu tun: Soundcheck, auf die Show vorbereiten, das Übliche halt. Eine Sache übrigens, die meine Mutter nie verstehen wird. Sie sagt immer, ich hätte so ein Glück, so viel von der Welt zu sehen. Sorry Mum, alles, was ich meistens sehe, sind stickige Backstageräume und Bühnen und die elendige Suche nach WiFi *lacht*.

Kaya: Die Lyrics wurden schon inspiriert von Dingen, die meiner Mutter und mir passiert sind. Ich verarbeite da die Gemütsverfassung, in der sie und ich waren, als wir finanzielle Probleme hatten und eine neue Bleibe suchen mussten. Gringoz: Wie ist das denn mit Drogen und Alkohol auf Tour? Glaubst du, das spielt heute noch eine tragende Rolle? Kaya: Haha, also wir feiern echt nicht so hart auf Tour. Chris aus dem Off murmelt etwas Unverständliches. Kaya: Ich meine, das wird es immer geben, ganz unabhängig davon, ob man in einer Band ist, oder nicht. Ich versuche gar nichts zu trinken, um meine Stimme zu schonen. Aber morgen haben wir einen Day off, also werden wir heute schon das ein oder andere alkoholische Kaltgetränk zu uns nehmen.

Gringoz: Arbeitet ihr schon an neuen Sachen? Kaya: Allerdings! Unser zweites Album haben wir schon vor ein paar Monaten fertig aufgenommen. Es gibt noch keine Details zur Veröffentlichung, aber es ist sehr düster, sehr hart und sehr aufregend! Gringoz: Vielen Dank für das Interview und genießt eure Zeit in Berlin!


INTERVIEW

SILVERSTEIN

Bereits vor über einem Jahr haben die Kanadier Silverstein ihr Album Dead Reflection veröffentlicht und haben sich seitdem oft in Deutschland sehen lassen. Zur Zeit sind sie auf Tour mit Anti-Flag und wir durften vor ihrem Konzert in Köln Sänger Shane Told interviewen. Text: Jana Gall, Foto: Adina Scharfenberg

GRINGOZ: Ihr seid schon seit über einer Woche auf Tour mit Anti-Flag, wie lief es bis jetzt?

Städte, in denen die Konzerte besonders gut sind?

SHANE: Sehr gut! Wir sind schon lange mit Anti-Flag befreundet und waren sogar noch länger große Fans von ihnen. Die Tour hatten wir schon lange geplant, wir wussten nur nicht, ob sie hier in Europa oder in Amerika stattfinden sollte. Bis jetzt hat alles super geklappt. Vor allem ist es echt cool, dass wir uns einen Bus teilen und nicht nur die Shows zusammen spielen, sondern auch für die paar Tage zusammen leben. Das passiert nicht oft, normalerweise schlafen die Bands auf Tour in separaten Bussen.

SHANE: Hier in Köln sind die Konzerte immer etwas Besonderes! Die Stadt ist sowas wie das Mekka für Musik in Europa. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es so zentral ist und auch Leute aus Belgien und den Niederlanden zu den Konzerten kommen können. Wir haben schon sehr oft hier gespielt, in den letzten 12 Monaten, in denen wir nach Europa gekommen sind, waren wir bestimmt schon fünf Mal hier. Das ist sehr oft, vielleicht sogar zu oft, aber ich denke, nach dieser Tour machen wir auch erst mal eine längere Pause von Deutschland.

GRINGOZ: Das klingt nach Spaß! Ihr wart dieses Jahr ganz schön oft in Deutschland, habt ihr irgendwelche Lieblingsorte oder

GRINGOZ: Das Wort Pause scheint euch ja sonst eher unbekannt zu sein. Nicht nur in Europa wart ihr viel unterwegs, ihr habt auch

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bei der allerletzten Vans Warped Tour gespielt. Wie war das für euch? SHANE: Sehr gut und ein bisschen emotional. Wir waren so oft bei der Warped Tour, bestimmt neun Mal. Daran hängen ziemlich viele Erinnerungen. Es ist schon ein hartes Gefühl zu wissen, dass das jetzt zu Ende geht, aber wir werden uns gerne daran erinnern. GRINGOZ: So scheint es vielen zu gehen, immerhin fand die Warped Tour seit über 20 Jahren jeden Sommer statt. Da wir die ganze Zeit über Tour reden, ihr geht dieses Jahr in Amerika auf Jubiläumstour mit eurem ersten Album When Broken Is Easily Fixed. Wie fühlt es sich an, diese Lieder 15 Jahre später zu spielen? SHANE: Das wird ziemlich merkwürdig. Über viele dieser Lieber habe ich seit Jahren nicht nachgedacht. Wir haben sie fast nie gespielt oder gesungen. Wir waren immer eine Band, die sich gerne an die Vergangenheit erinnert und spielen immer ein oder zwei alte Songs bei den Konzerten. Wir sind keine der Bands, die sagen, ihre alten Lieder seien nicht gut. Daher haben wir überlegt, wie wir dieses Album feiern könnten. Als wir diese Idee hatten, habe ich vorgeschlagen, dass wir einen Geiger mit auf Tour nehmen sollten, da in vielen Songs Geige vorkam. Das haben wir auch noch nie gemacht. Wir dachten einfach, diese Tour könnte Spaß machen und wäre eine Möglichkeit, den Fans zu danken, die von Anfang an dabei waren. Ich dachte allerdings nicht, dass die Tour so groß werden würde. Ich dachte, die Hallen, die wir gebucht hatten, wären zu groß und wir sollten eher kleine Hallen buchen, doch dann waren die ersten Shows ausverkauft und wir mussten einige Konzerte sogar in größere Hallen verlegen. Das ist um einiges größer, als ich erwartet hatte. Ich hatte tatsächlich nicht gedacht, dass so viele Leute sich dafür interessieren. Es fühlt sich merkwürdig an, die Lieder jetzt noch mal zu proben und wir müssen oft darüber lachen, wie wir vor 15 Jahren absolut nicht wussten, was wir taten. Wir wussten nicht, wie man Struktur in Lieder bringt und solche Sachen. Die Tour wird ziemlich cool, denke ich. Die Shows sind mit ziemlich viel Nostalgie und Erinnerungen verbunden. GRINGOZ: Das kann man sich vorstellen, 15 Jahre ist eine lange Zeit und die Band hat sich ziemlich verändert. Erst letztes Jahr habt ihr eurer achtes Album Dead Reflection veröffentGringoz-Magazine

licht, wie lief da der Schreibprozess? Gab es Lieder, die besonders einfach zu schreiben waren, vielleicht weil ihr sie schon länger im Kopf hattet oder weil ihr damit etwas ausdrücken wolltet, das euch wichtig war? SHANE: Keiner der Songs fiel uns leicht. Das kam schon öfters vor. Manchmal gibt es Lieder, die einfach aus einem heraus wollen. Man nimmt einfach seine Gitarre und die Akkorde und Noten kommen. Dann fängt man an, Wörter zu schreiben und es ist fast, als würde der Song dir zugeflogen kommen und sich von selbst schreiben. Dead Reflection war nicht so ein Album. Jeder Song war ein Problem, über jede Zeile musste ich stundenlang nachdenken. Ich musste immer sehr lange überlegen, ob die Texte genau das bedeuteten, was sie bedeuten sollten. Es war wirklich ein schwieriges Album, vor allem für mich persönlich, da ich vor anderthalb Jahren an einem schwierigen Punkt war. All das zusammen hat es echt nicht einfach gemacht. GRINGOZ: Dafür ist das Album sehr gut geworden. Unser Favorit ist The Afterglow, hast du einen Favoriten auf dem Album? Vielleicht ein Lied, das live besonder Spaß macht oder eine besondere Bedeutung hat? SHANE: Nein, ich mag das Album als Ganzes. Jetzt, da das Album schon eine Weile draußen ist, hat sich meine Sicht darauf sehr verändert. Es ist ein bisschen, wie in einer Beziehung, am Anfang sagt man, man würde nie streiten, aber anderthalb Jahre später gibt man zu, dass man sich schon das ein oder andere Mal gezankt hat. Man liebt sich immer noch, aber man sieht Dinge trotzdem anders als am Anfang. Doch auch wenn ich jetzt etwas weniger befangen bin, muss ich sagen, dass das Album entweder mein Lieblingsalbum ist oder zumindest an zweiter Stelle steht. GRINGOZ: Also ist es eher schwierig, ein Lied rauszupicken? SHANE: Ich denke, dass viele der Lieder besonders sind. Aquamarine springt ein bisschen heraus, da es von etwas handelt, worüber ich sehr sauer war und sich dieses Gefühl auch im Text zeigt. Es ist viel Zeit seitdem vergangen und ich denke, dass der Text mir geholfen hat, darüber hinweg zu kommen. Wir haben auch gerade eine Akustikversion dazu aufgenommen, mit der wir sehr zufrieden sind.

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INTERVIEW

GRINGOZ: Habt ihr jetzt, da das Album schon länger draußen ist, Pläne für das nächste Album oder seid ihr zu beschäftigt mit eurer Tour? SHANE: Erst mal haben wir ziemlich viele Konzerte geplant. Der kreative Prozess für das nächste Album hat noch lange nicht angefangen. Über einen ungefähren Zeitrahmen haben wir schon nachgedacht, der kann sich allerdings noch ändern. Es dauert also definitiv noch eine Weile. GRINGOZ: Wir sind gespannt, wann es dann kommt! Der kreative Prozess kann sicher manchmal schwierig sein, aber das habt ihr ja bis jetzt immer gemeistert. Hast du dich je gefragt, was du jetzt machen würdest, wenn du nicht in einer Band wärst? SHANE: Ich habe Naturwissenschaften studiert, bevor ich in der Band war. Vielleicht wäre ich also jetzt ein Wissenschaftler. Nach all den Jahren ist es allerdings schwierig, sich ein Leben ohne die Band noch vorzustellen. Ich bin froh, dass es so gekommen ist.

also seit fast 40 Jahren. Allerdings finde ich, wenn man einen ihrer Songs kennt, kennt man alle. Manchmal haben sie langsamere Songs, aber abgesehen davon klingt alles sehr gleich. Ich liebe diese Band wirklich sehr und ihr Sound macht sie großartig, aber unser Stil lässt sich nicht so einfach zusammenfassen. Wir haben härtere Lieder, emotionale Lieder, Lieder, die mehr nach Pop klingen. Man kann nicht zwei Lieder auf einem Album hören und sagen, man hätte sie alle gehört. Es ist sehr schwierig zusammenzufassen, aber ich denke, das ist gut. Man muss jeden Song unabhängig von den anderen schreiben und jeden Song mit der Intention schreiben, dass er der Beste wird. Bands, die gute Songs schreiben, bleiben lange im Geschäft, auch Bad Religion. Der Stil steht also immer an zweiter Stelle, die Fähigkeit, gute Songs zu schreiben, steht an erster Stelle. Ich sage Leuten immer, sie sollen es sich anhören und sich nicht erschrecken, wenn manchmal geschrien wird. GRINGOZ: Das ist eine gute Beschreibung. Danke für das Interview!

GRINGOZ: Und wenn du Wissenschaftler wärst, würden wir jetzt nicht miteinander reden! Unser Interview neigt sich dem Ende zu und vielleicht kannst du den Lesern, die euch nicht kennen, euren Stil beschrieben? SHANE: Das ist schwierig. Unser Stil ist eher kompliziert. Er lässt sich nicht in einem Song zusammenfassen, wie bei einigen anderen Bands. Ich liebe Bad Religion, die gibt es schon seit 1980,

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Gringoz-Magazine



INTERVIEW

DEAF HAVANA Deaf Havana gehen auf ihrem neuen Album Rituals poppige Wege. Die Alternative Rock Band aus Norfolk präsentiert 13 eingängige Indiepop-Songs, die eine breite Hörerschaft ansprechen werden. Trotzdem muss sich die Band natürlich gefallen lassen, dass sie ihren Stil doch deutlich geändert hat. Wir haben direkt bei Sänger James Veck-Gilodi nachgefragt, was es mit den religiösen Metaphern auf sich hat, wie der Entstehungsprozess der Platte war und was seine Bandkollegen vom neuen Sound halten. Text: Désiree Pezzetta, Foto: Jaime Martinez

Gringoz: Ganz offensichtlich verwendest du für die Songtitel des neuen Albums ein religiöses Vokabular. Wie kam es dazu? Würdest du Rituals als Konzeptalbum bezeichnen? James: In gewisser Art und Weise ist es ein Konzeptalbum, ja. Die Ereignisse, die ich beschreibe, sind teilweise wahr, aber definitiv irgendwie ausgearbeitet. Ich denke, ich sehe diese Platte als meine Art von katholischer Beichte, die du bei einem Priester im Beichtstuhl ablegst. Doch, in vielerlei Hinsicht ist es ein Konzeptalbum.

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Gringoz: Die Songs selbst erwecken nicht den Eindruck, als wärst du eine besonders religiöse Person. Nutzt du die biblischen Metaphern als ironische Symbole oder präsentierst du dich vielleicht sogar selbst auf eine Art als Märtyrer? James: Da liegst du ganz eindeutig richtig, genau das wollte ich damit bezwecken. Ich war immer von der Idee besessen, was Menschen als Sünde sehen und ich wollte mit diesem Gedanken spielen und mich als den ultimativen Sünder darstellen. Gringoz-Magazine


Gringoz: Du spielst mit poppigen Sounds, die meistens in totaler Antithese zu den düsteren und selbstreflektierenden Lyrics stehen. Ist das deine Art, deine Gefühle vor einem großen Publikum offenzulegen? James: Absolut! Ich fand es, glaube ich, immer ziemlich beruhigend über solche privaten Dinge zu singen. Es ist ein sehr kathartischer Prozess. Gringoz: War es schwer, deine Bandkollegen von dem neuen Sound zu überzeugen oder waren sie gleich von den ersten Demos begeistert? James: Haha, ich glaube, am Anfang waren sie alle ziemlich geschockt. Ich kann mich erinnern, dass Matthew sagte „wir können diesen Song nicht verwenden, verkauf ihn einfach an jemand anderen!“, aber nachdem sie sich alles so circa eine Woche angehört hatten, waren sie doch recht schnell vom neuen Sound überzeugt, Letztendlich hören alle doch mehr Pop- als Rockmusik und es gefällt ihnen, poppige Musik zu hören. Ich denke, es war nur am Anfang ein Schock für sie. Gringoz: Rituals ist so gut produziert, es macht wirklich Spaß, sich das Album immer und immer wieder anzuhören. Wie ging der Produktionsprozess vonstatten? James: Es hat echt Spaß gemacht, zwischen dem Produzenten Phil Gornell und mir war die Stimmung sehr relaxed und easy going. Der Entstehungsprozess war total neu für mich, weil ich normalerweise die Songs alleine schreibe, auf einer Akustikgitarre und dann zu kompletten Songs arrangiere. Diesmal hingegen haben wir viel Aufnahmesoftware verwendet und viele Songs um coole Soundsamples oder Drum Loops herumgebastelt. Im Großen und Ganzen hat es wirklich gebockt.

bezieht sich auf Dinge, die ich im Zeitraum der letzten zehn Jahre oder so erlebt habe. Gringoz: Besonders Sinner und Ritual sind Songs, in denen du dich zwar für dein Verhalten entschuldigst, aber auch nichts daran ändern willst. Also ist das etwas, mit dem das lyrische „Du“ sich einfach abfinden muss? Machst du es dir mit dieser „Friss oder Stirb“-Mentalität nicht etwas zu einfach? James: Ich denke, es ist ziemlich selbstironisch, wie immer, aber ja, haha, du hast schon Recht, es ist schon recht einfach gedacht. Ich habe das Gefühl, ich verwende viel Zeit darauf, mich für mein verhalten zu entschuldigen, lerne aber nie wirklich aus meinen Fehlern. Gringoz: Wie werdet ihr den alten und den neuen Sound live verbinden? Da besteht ja schon ein großer Unterschied. James: Wir werden einfach versuchen, einen guten Mix aus alten und neuen Sachen abzuliefern. Wir haben für ein paar Songs aufgerüstet, von den Instrumenten her. Zum Beispiel benutze ich bei Hell und Holy ein Sample Pad, Matthew und Pad spielen bei ein paar Songs auch Synthies. Es macht eine Menge Spaß, mit neuen Sounds herumzuspielen. Gringoz: Danke für das Interview.

Gringoz: Du sprichst viel über toxische und unehrliche Beziehungen und solche, die kurz vorm Zerbrechen sind. Ist das etwas, das du kürzlich selbst erlebt hast? James: Nicht kürzlich, aber ich habe diese Dinge erlebt, wie so ziemlich jeder von uns. Das Album Gringoz-Magazine

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REVIEWS

adam angst

anti-flag

Man muss kein Experte sein, um zu wissen, dass im aktuellen gesellschaftspolitischen Geschehen so einiges – gelinde gesagt – schief läuft. Und auch wenn „Neintology“, die sehnlichst erwartete zweite Platte der Punk-Rock-Combo Adam Angst, kein durchweg politisches Album ist, bilden Fremdenfeindlichkeit, Filter Bubbles & Co. den wichtigsten Nährboden für die scharfsinnigen Lyrics des Bandkopfs Felix Schönfuss. Statt den Finger zu erheben oder in eine „Alles scheiße„-Mentalität abzudriften, wählt die Band in der Auseinandersetzung mit eben diesen Problemen vor allem vier Zutaten: Eine gnadenlose Beobachtungsgabe, viel Humor, wohldosierte Übersteigerungen und beißende Ironie. Und legt den Finger dabei immer genau in die Wunde. An den Stellen, die es erfordern, nutzt Schönfuss zudem eine unmissverständliche Direktheit: „Egal, wie viele es nicht erkennen: Ich werde dich immer Nazi nennen!“ (aus dem Song „D.I.N.N.“). Diesen Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Entertainment haben Adam Angst bereits auf ihrem Debütalbum mit Bravour gemeistert und auf „Neintology“ nun weiter perfektioniert. Musikalisch wirkt „Neintology“ noch ausgereifter und facettenreicher als Album Nummer 1, wobei jede Instrumentierung das Gesagte auf den Punkt unterstreicht. Im Gesamtbild liefern Adam Angst damit nicht nur eine auf vielen Ebenen unterhaltsame, sondern vor allem verdammt wichtige Platte ab.

Am 29. September veröffentlichten Anti-Flag ihren neuen Longplayer American Reckoning. Vorweg: Das Rad erfinden die Pittsburgher damit nicht neu. Die Platte enthält Songs ihres aktuellen Albums American Fall (2017) und des Vorgängeralbums American Spring (2015) als Akustik-Versionen. Außerdem finden sich auf der Scheibe auch Coversongs von Bands, die Anti-Flag in den letzten Jahren beeinflusst und geprägt haben. Mit lediglich zehn Songs und 30min Spielzeit ist American Reckoning kein wirklich langes Album geworden. Dennoch ist es erstaunlich, welch liebliche Stimme der sonst brüllende Sänger Justin Sane hier zutage fördert! Diese ruhige Neuinterpretation der eigenen Stücke sowie der Coversongs sind wirklich etwas Neues im Anti Flag Kosmos und dürften den Fans Pipi in die Augen treiben. Der starke Kontrast zu den energetischen und lauten Livekonzerten und den üblichen Alben der Band ist hier ganz bewusst als Antithese gewählt, die eigentlich nur beweist, dass die Amerikaner mehr können, als die Holzhammermethode. Ganz im Konsens der Band wurden natürlich auch nur Interpreten gecovert, die mit der klaren politischen Haltung der Band im Einklang sind. Daher verwundert es nicht, dass unter diesen auch John Lennon’s Gimme some truth ist, welches die politische Weltlage um 1971 thematisiert. Im Ganzen gesehen wird die Platte neue und alte Anti Flag Fans zufrieden stellen, zumindest für eine halbe Stunde. Ein bisschen länger hätte American Reckoning schon ausfallen können und ein neuer Song wäre natürlich die Kirsche auf der Sahne gewesen. Highlight des Albums sind definitiv die drei Coverversionen von John Lennon, Buffalo Springfield und Cheap Trick.

Neintology

American Reckoning

Melissa Hülstermann

Kevin Höfer

sound konzept hörspass 24

sound

4,3

konzept

3,8

hörspass Gringoz-Magazine


atreyu

casper & marteria

Erst vor Kurzem blamierte sich Frontmann Alex Varkatzas in einem Interview höllischst, als dieser verkünden ließ, dass die Herren von Atreyu den heutigen Metalcore erfunden haben, was wir da noch als netten Promo Gag für die kommende Platte empfanden, war aber total ernst gemeint – alles klar. Vielleicht wurden seine Worte aber auch falsch interpretiert, und es ging um die Tatsache, dass der frühere Metalcore von Atreyu nicht einmal annähernd auf der aktuellen Platte zu hören ist. Nicht ein Ton von der genialen Erfindung der 90er – und das ist auch gut so! Wo 2015 noch versucht wurde, mit Long Live das große Comeback durch einen Knall zu Ebnen, zeigt sich die Band drei Jahre später deutlich bedachter und umfangreicher denn je. Eingefleischte Fans werden es kaum glauben, wenn wir sagen, dass hier jeder Aspekt des Mainstream Rocks in einem Song vorkommt, und es dennoch immer wieder als Atreyu Song zu identifizieren ist, das gelingt nicht jedem. Dabei helfen natürlich elektronische Synthesizer, Chorgesänge und Co., ohne dabei jedoch an einem festen Schema festzuhalten, sondern wirklich jeder Song protzt nur so vor Erkennungswert und verschiedensten Einflüssen. Hierzu wird viel Wert auf den einzigartigen Gesang von Schlagzeuger Brandon Saller gelegt, welcher schon mit seiner eigenen Band Hell or Highwater in unserem Magazin wirklich gut punkten konnte. Sallers Einfluss ist auf In Our Wake stärker und präsenter denn je. Bei den ganzen recht melodischen Elementen fallen große Rock Hymnen wie Nothing Will Ever Change oder Paper Castle erst richtig auf. Die grooven nur so daher und haben im direkten Kontrast zu Rap Einlagen wie im Song Blind Deaf & Dumb fast schon eine gewisse Synergie. Dadurch, dass In Our Wake so komplex und doch Eins ist, fällt das große Finale durch den Song Super Hero mit einem Featuring von Avenged Sevenfold und

1982, das erste gemeinsame Album von Benjamin Griffey und Marten Laciny, alias Casper und Marteria, erscheint am 31. August. Der Hype im Vorfeld war groß: Die Fan Box beispielsweise ist schon vor Release fast ausverkauft. Der Veröffentlichung gingen Live-Videodrehs und zahlreiche gemeinsame Promoauftritte, u.a. auf dem Taubertal und dem Highfield-Festival voraus. Auch die Kollaborationen mit Kat Frankie und Monchie von Feine Sahne Fischfilet ließen die Kritiker aufhorchen. Man erwartete Großes von dieser Platte. Wie das aber halt sooft ist mit der Erwartungshaltung, ist diese meist so hoch, dass die Künstler dieselbe gar nicht erfüllen können. Im Prolog 1982 reißen die beiden kurz ihre Kindheit, Jugend und Karriere an, Casper in Bielefeld, Marteria in Rostock, später beide in der Metropole. Keine Ost-West Thematik, lediglich die gleichen Träume und Kindheitserinnerungen, mit denen sich wohl nicht nur Mittdreißiger identifizieren können. Von Ace of Base bis Motörhead (Ace of Spades), von The Prodigy bis Jay-Z. Man ist breit aufgestellt. Die Vorabsingle Champion Sound ist bereits festivalerprobt, das sentimentale Denk an Dich als Hommage an die Ehefrauen so weit weg vom Gangsta-Rap, wie Flensburg von Garmisch. Willkommen in der Vorstadt, ein wundervoll überspitztes Stück über das harte Gangleben Halbstarker in der deutschen Reihenhaussiedlung, lockt mit erfrischend düsteren Sound, bleibt aber neben Adrenalin der einzige Ausreißer dieser Richtung. Der vergangenen Jugendlichkeit zollen die Beiden nicht nur textlich Tribut: Absturz klingt wie frisch aus der Cloud, inklusive nervtötendem Autotune. An anderer Stelle möchten die beiden zu zehnt im Omega mit Sprit für zehn Euro nochmal die Freiheit spüren. Erinnerungsfetzen aus der guten alten Zeit. Die mit Spannung erwarteten Features der Gastmusiker gehen weitestgehend in der Überproduktion unter. Das Album klingt

In Our Wake

1982

sound konzept hörspass Gringoz-Magazine

sound

3,1

konzept

1,5

hörspass 25


REVIEWS

insert coin

leoniden

Ihr wollt fetzigen Skate-Punk mit freshen Gitarrenriffs mitreißenden Gesängen und melodiösen Refrains? Dann seid ihr bei Insert Coin und ihrem aktuellen Longplayer Way Out genau richtig! Das Quintett aus dem Ruhrgebiet hat definitiv mehr drauf als nur die beiden Tracks „A Lot? Not enough“ und „Bright lit City“, die man aus der Rockstar Energy Werbung kennt. Und das beweisen die 5 Jungs erneut mit ihrer neuen Platte „Way out“, die nun ihr insgesamt drittes full-length Studioalbum ist. Bereits der Opener „Broken“ zeigt, in welche Richtung es mit der Platte gehen soll. Harte Riffs, treibende Drums und ein Refrain, der dank seiner ausgeprägten Melodien schnell im Kopf bleibt. Mit „Punch Press“ wird es dann sogar noch eine Nummer härter und „Semicolon“ überzeugt mit starken Riffs, die am Anfang an Sum 41 zu ihren besten Zeiten erinnern, und einem epischen Start in den Chorus. Definitiv einer meiner Lieblingstracks und Anspielempfehlungen auf der Platte. Zu „Sidetracked“ gibts dann sogar noch Unterstützung von Simon Bernhardt von „The Prosecution“, der sich super in die Songstruktur und den Sound der Band einfügt und eine grandiose Ergänzung darstellt. Mit „See you in October“ wirds zum Ende noch einmal etwas ruhiger und melancholischer, obwohl man keinesfalls von einer Ruhepause sprechen kann. Es ist eher eine kleine Abschwächung des Sturms und des Feuerwerks, was dann in „Done Talking“ zum Ende noch abgefeuert wird. Insgesamt eine klare Hörempfehlung an alle, die auf schnelle und Mitreißende Skatepunk-Musik stehen (und auch für alle anderen Freunde der härteren Musik).

Beim Hören von „Again", dem zweiten Album der Kieler Indie-Combo Leoniden, drängt sich eigentlich nur eine Frage auf: Wie zur Hölle schafft es die Band, jedes Mal so unfassbar catchy Songs zu schreiben? Als MusikredakteurIn sucht man bei Platten ja gern mal das Haar in der Suppe, an dem man rumnörgeln kann (sorry, Berufskrankheit), aber „Again" bietet dafür tatsächlich wenig Angriffsfläche. Zugegeben: Viele der Songs brauchen mehrere Hördurchläufe, um ihre volle Wirkung zu entfalten, einen krassen Instant-Hit wie „Nevermind" vom Debütalbum der Band bietet die neue Platte nicht (am nähesten dran kommt da wohl noch „People"). Doch dafür präsentieren die Leoniden nun ein noch ausgeklügelteres Songwriting und eine noch größere musikalische Vielfalt, die dem aufmerksamen Hörer mit jedem Play mehr und mehr bewusst wird. Bestes Beispiel dafür ist „River" – ein Song, der mit einer smooth-souligen Strophe beginnt, um dann in einen fast schon Hardcore-esken Refrain zu münden. Jeder Track auf „Again" hat seine ganz eigenen Genre-Einflüsse und doch sind sowohl die Songs für sich als auch das Album als Gesamtwerk absolut homogen und stimmig. Und verdammt tanzbar noch dazu. Ja, wir wissen, die Leoniden sind gerade gefühlt überall und manch einer kann den Namen der Band vielleicht auch schon nicht mehr hören – aber was soll man machen, „Again" hat nun mal auch einfach jedes offene Ohr verdient.

Way Out

Again

Linda Kasprzack

Nils Boysen

sound konzept hörspass 26

sound

4,0

konzept

4,5

hörspass Gringoz-Magazine


schmutzki

umc

Jeder kennt es. Zumindest so gut wie jeder in den Mittzwanzigern hat eine Vorstellung davon. Man pendelt von Hausparty zu Hausparty hat kein Bock auf Arbeit und absolut kein Bock sich mit den Fragen die das Älter werden mit sich bringt auseinander zu setzten. Ganz gleich, ob es sich dabei darum handelt, wo man sich in 5 Jahren sieht, welche Versicherung man noch braucht oder schlichtweg einfach was der Sinn seines Lebens ist. Und darum geht es auf der Platte Mehr Rotz als Verstand. Der Titel passt perfekt. Es ist wie ein Hommage an meine Mutter, die mir stets zu sagen pflegt: „Hattet mal wieder mehr Glück als Verstand„ und damit geht’s auch direkt los. Der erste Song Sturmfrei den wir schon aus der Single Auskopplung kennen, beschreibt einfach den Moment, wenn man endlich Zuhause ausgezogen ist und naiv und jung wie man ist Sturmfrei feiert und fast die halbe Stadt eingeladen hat. Diese Art von Song findet man relativ oft auf der Platte, was aber okay ist, denn Schmutzki beweist sich mit dem Album einfach als Live-Band und nach dem ersten mal hören ist wohl auch schon das Ticket für die nächste Stadt direkt geordert. Beim Hören des Albums muss ich manchmal an Peter Pan denken und ein bisschen schmunzeln. Wenn man gerade denkt, man schafft es sein Leben strukturiert zu führen wie es sich für einen ‚Erwachsenen‘ gehört, rebelliert das innere Kind einfach und eine vertraute Stimme spricht: „Komm schon Bro, lass uns was dummes tun!„ Zwar zeigen die Schmutzki’s auch ein bisschen ihre melancholische Seite auf der Platte, aber das halt auch so auf der Art und Weise wie so ein Kater halt eben ist. „Schon okay, denn ich weiß, jeder Kater geht. Irgendwann, du wirst sehen, werd‘ ich wieder hier stehen, weil mein Herz ein alter Säufer ist. Doch jeder Kater geht.„ Langweilig und stumpf klingt es dabei aber auf keinen Fall. Bei manchen Leuten würde es vielleicht aufgesetzt

Allein beim Lesen der Überschrift kommen schon zwei Glücksgefühle auf, zum einen gibt es endlich neues Material von UMC, einem der erfolgreichsten Youtube Metal Kanäle Deutschlands, und zudem bearbeitet Mastermind Tobias Derer damit auch noch das wohl komplexeste Musik Mysterium, was es jemals gab – die 90er! Kein Jahrzehnt steht musikalisch mehr für sich, als jenes in dem Metallica Mainstream wurden und man drei Häuser weiter hart zu Hits wie Coco Jambo oder Cotton Eye Joe getanzt hat, komische Zeit. Mit fast 120.000 Abonnenten auf Youtube zeigt UMC, dass das Konzept „Popkultur meets Metal“ durchaus funktioniert, und ließ uns bereits vor dem ersten Durchlauf der Platte nichts Böses ahnen, wären wir doch nur mal achtsamer gewesen. Nach gefühlt 10 Minuten waren wir wieder 20 Jahre jünger (wenn das überhaupt beim ein oder anderen Leser oder Redakteur bei uns möglich ist) und ließen für kurze Zeit das bisschen an Geschmack und Reife, was wir uns über die Jahre angesammelt haben, fallen, um zu Hits wie Mr.Vain, Captain Jack oder What is Love mit einem schmunzeln im Gesicht zu feiern, kann man so eine Platte überhaupt in irgendeiner Art und Weise kritisieren? Zwei Punkte fallen uns dabei sofort ein: Erstens ist es fast eine Frechheit, die Platte 90s in Metal zu nennen, und dann die größte Feierhymne (Scooter – One) darauf so geil umzusetzen, dass wir für eine Sekunde vergessen, dass dieser Track gar nicht in den 90ern existiere – Schande! Des Weiteren kann man wirklich nicht nachvollziehen, wie man nach nur zehn Songs der Meinung sein kann, dass man genug 90s in Metal gehört hat, gerne mehr! Lobend sei auch anzumerken, dass sich hinter jedem Song ein oder mehrere Featurings anderer Künstler befinden, welche keinerlei Langeweile aufkommen lassen. Das quasi Debüt von UMC ist wie erwartet eine sehr gelungene Platte und wird vorherige Fans sicherlich nicht enttäuschen, wir hoffen natürlich

Mehr Rotz als Verstand

90s in Metal

sound konzept hörspass Gringoz-Magazine

sound

4,5

konzept

4,3

hörspass 27


TRACK BY TRACK

DISTURBED Evolution Mit Evolution melden sich Disturbed nach dem sensationellen Comeback vor 3 Jahren und dem damit verbundenen Album endlich wieder zurück. Schon vorab gab die Band bekannt, dass der Name hier Programm ist und Evolution einen musikalischen Wandel haben wird. Inwiefern damit die neue Platte noch was für die Fans der ersten Stunde ist, gilt es natürlich in unserem TrackByTrack Review herauszufinden. Text: Alex Hoppen, Foto:Disturbed

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Track 1: Are You Ready... Für den Anfang stärkt die Band noch mal durch einen sehr typischen Track die Gemüter. Der elektronische Opener inklusive Zusammenbruch zu einem Riffgewitter ist genau das, was die Band für viele so besonders macht. Auch wenn man merkt, dass hier etwas Druck fehlt. Track 2: No More... Es geht taktvoll weiter, rhythmisch knallt uns das Schlagzeug um die Ohren, wie bei keinem anderen Track der Platte. Bisher fühlt sich Evolution durchweg gut an. Gringoz-Magazine


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Track 3: A Reason to Fight... Der erste kleine emotionale Punkt der Platte mit einer sehr starken Botschaft bleibt im Ohr und hegt zum Nachdenken an. Zusammen mit einem kraftvollen Refrain können selbst DieHard Fans hier sich nicht beschweren.

Track 4: In Another Time... Per Piano Opening steuern wir in Gewässer, die wir so nicht kennen – zumindest für ein paar Sekunden. Vor allem starke Riffs sorgen hier für ein kleines, lautes Highlight. Vom Stil her könnte dieser Song auch gut zu David Draiman´s Nebenprojekt Device zählen.

Track 5: Stronger on Your Own... Musikalisch der erste Dämpfer, der Groove kommt zwar an, orientiert sich aber klanglich zu sehr am vorherigen Song, dass dieses mal nach fünf Songs ein Kritikpunkt wird, ist auch eher meckern auf hohem Niveau und soll einfach nur die musikalische Breite dieser Platte zeigen.

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Track 6: Hold On to Memories... Flache Botschaft in einem fast sommerlichen Klang gepackt. Eindeutig kein Song, mit dem sich Fans der Band identifizieren können und wirkt im Vergleich zu dem sehr emotionalen A Reason To Fight fast wie ein Lückenfüller.

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Track 7: Saviour of Nothing... Man nehme die obigen Argumente zu Song Nr. 5 und füge diese hier ein. Langweiliger Halb-Elektro Song, welcher sich anfühlt, als würde er mittendrin beginnen.

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Track 8: Watch You Burn... Wurden hier die Riffs von Hold On to Memories geklaut und mit etwas mehr Power versehen? Anders kann man diesen Track leider nicht beschreiben oder loben, leider auch kein Highlight, sondern der erneute Versuch auf einer emotionaleren Ebene noch etwas zu liefern.

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Track 9: The Best Ones Lie... Endlich mal wieder brachiale Riffs mit der gewissen Note von Disturbed. Der Song sticht zwar nicht sonderlich heraus, kann aber ohne Probleme in einer Setlist Anklang finden.

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Track 10: Already Gone... Noch mal wird es ruhiger, aber diesmal wieder auf einer guten emotionalen Ebene. Die gefühlt Zwei-Millionen Fans die durch den Song Sound of Silence auf die Band stießen werden hier ihren persönlichen Lieblingssong der Platte finden.

fazit Insgesamt ist Evolution eine verständliche Entwicklung der Band. In den 40ern will man halt auch nicht erneut eine Platte wie The Sickness oder Believe aufnehmen, sondern einfach über den Tellerrand blicken. Der größte Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die leicht aufgezwungenen Balladen überhaupt nicht nötig gewesen wären. Gringoz-Magazine

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FESTIVAL REPORT

PELL MELL FESTIVAL 31.08.2018 – 01.09.2018, 57612 OBERERBACH

Text: Alex Hoppen Fotos: Diana Hoppen Wenn gegen Ende August uns Amazon Alexa fast täglich bei der Wetterzusammenfassung kälter werdende Temperaturen ansagt, heißt es für viele, schon mal die Jacke raus kramen, Menschen im/oder auf den Weg zum Westerwald können darüber nur lachen, wo doch Zelt, Ravioli und co.

nochmal dieses Jahr bei ihnen dringend benötigt wird, denn jedes Jahr zum ersten September Wochenende hin lädt das schöne Obererbach noch mal dazu ein, die Festivalsaison mit einem Preis- /Leistungstechnisch gut organisiertem Festival abzuschließen.


Doch was zieht Jahr für Jahr die Fans nur an, wodurch das Festival sich von der kleinen Zeltbühne bis hin zu dem Open Air Event entwickeln konnte, was es heute ist? Zum einen ist das Pell Mell ganz klar in der Hand der Gemeinde, wodurch man von außerhalb im ganzen Dorf willkommen geheißen wird, zum anderen packen alle jedes Jahr mit an, wenn es um den Aufbau, Parkplatzkoordination oder dem Wohle der Besucher gilt, denn wer hier beide Tage mit feiern verbringen will, kann sich natürlich auf dem Acker des Dorfes in der entsprechenden Area bei familiärer Atmosphäre einquartieren. Auch wenn die Anzahl der Festivalisten hier nicht mit großen Events mithalten kann, dauert es maximal zwei 90er Hits und ein Bier, um genau diese Atmosphäre auf dem Acker zu spüren – und das für unter 30€. Allgemein konnte man das Festival ohne großen Geldbeutel genießen. Wer bei 2€ für ein 0,3er Gringoz-Magazine

Getränk noch zu nörgeln hat, wird auch bei keinem anderen Festival oder in jeder Kneipe dieses Planeten glücklicher. Wer dazu noch was für den Magen sucht, kann sich für an der traditionellen Rockworschtbud ordentlich eindecken, um 10 Meter weiter an der Bühne mit bester Sicht die Acts wieder zu verfolgen. Es ist wirklich sehr schwer hier was zu verpassen, wenn man nicht gerade im Zelt verschläft, bei einem Wochendpreis von 28€ kann man aber auch gern mal die ein oder andere Band schleifen lassen. Wo wir gerade von den Bands reden, kommt natürlich nach drei Absätzen die Frage mal auf, was hier so spielt, oder? Könnte man glauben, dass über die Jahre hier sich Bands das Mikro in die Hand drückten, welche heute auf den großen Festivals stets im oberen Mittelfeld zu finden sind? Über Callejon und Eskimo Callboy bis zur legendären Performance der Emil Bulls hat man hier schon alles

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FESTIVAL REPORT gesehen, sogar die Kassierer zogen auf dem Sportplatz von Obererbach blank.. äähhh ihre Show durch. Hätte man vor 10 Jahren schon geglaubt, dass hier 2018 die Hardcore Giganten von Madball oder die Deez Nuts headlinen werden, hat man wahrscheinlich etwas zu viel Zeit im Zelt bei praller Sonne verbracht, doch genau das hat sich hier ergeben! Dazu gab es die aktuellen Chartstürmer von Swiss & die Andern oben drauf. Insgesamt ist bei dem LineUp musikalisch für jeden Fan der guten und lauten Laune was dabei. Darf man eigentlich die Metalcore Durchstarter von ALAZKA hier spielen lassen, um anschließend zur Tanzmusik von Le Fly abzufeiern? Pell Mell darf das! Und setzt für die ausdauernden unter euch noch pro Abend einen Latenight Act oben drauf. Achja und natürlich darf der jährliche Auftritt von Destination Anywhere nicht verpasst werden – dieses Jahr mal mit Headliner Qualität halb im Dunkeln ohne als Latenight Act dazustehen. Samstag nahmen wir bei der Farewell Tour von A

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Traitor Like Judas Abschied von den Jungs, da diese sich zum Jahresende auflösen, feierten mit Elfmorgen und ROGERS den Punkrock und ließen Hardcore Herzen der jüngeren Generation höher schlagen, als JJ Peters (auch Drummer bei I KILLED THE PROM QUEEN) mit den restlichen Jungs Deez Nuts die Bühne stürmten. Insgesamt ist das Pell Mell einfach für uns ein jährliches Familientreffen, das große Stammpublikum kann man mittlerweile mit einem coolen Nicken begrüßen, die übrigen Bons vom letzten Jahr im Portmonaire werden belächelt und so ziemlich jeder hat hier wahrscheinlich schon das Mädel gesehen, welches im Pikachu Kostüm den Sportplatz unsicher macht. Doch leider geht jede schöne Zeit mal zu Ende und nach zwei Tagen voller Tanz und Pogo sehnen wir uns bereits nach einem dritten (noch) nicht vorhandenen Festivaltag – wer weiß schon, wo das Pell Mell in 10 Jahren steht..?

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FESTIVAL REPORT

NEW HORIZONS FESTIVAL 24.08.2018 – 25.08.2018, 53520 NÜRBURGRING

Text & Fotos: Kevin Höfer Nun ist es endlich wieder soweit! Das New Horizons Festival feiert bereits zum zweiten Mal am Nürburgring eine der größten Elektro Partys in Europa. Aber dieses Jahr ist Einiges anders. Trotz der fast 70.000 Besucher an den beiden Festivaltagen, wirkt das Gelände durch die neue Planung und Verteilung der Bühnen viel kleiner, was. sehr wahrscheinlich vom Veranstalter beabsichtigt ist.

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Dennoch suggeriert das Festival das Flair einer großen Kirmes, wodurch sich das New Horizons den etwas hinkenden Vergleich mit dem Coachella gefallen lassen muss. Hatte man letztes Jahr noch das Gefühl, sich durch die verschiedenen und spektakulären Bühnen in sieben unterschiedlichen Königreichen zu befinden, ist dies in diesem Jahr leider nicht der Fall.. Allein die Trancetone Stage ist im

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Vergleich zu Vorjahr recht lieblos platziert. Auch die diesjährigen Tranceacts sind kein Vergleich zu 2017, alsnoch Trancegrößen wie ATB und Cosmic Gate zum Line Up gehörten. Das Bezahlsystem der Tokenumrechnung ist in Holland auf jedem Festival gang und gäbe. Dennoch sprengt der Preis für 0.5L Cola mit umgerechnet fünf bis sechs Euro sämtliche Rekorde für deutsche Festivals.. Das Line-Up ist auch dieses Jahr hervorragend aufgestellt. Acts wie Yellow Claw, Armin Van Buuren, Alle Farben, Flux Pavilion, Steve Aoki, Hardwell und viele mehr begeistern die Fans. Obwohl das New Horizons erst zum zweiten Male stattfindet, gehört es jetzt schon zur Speerspitze der Elektronischen Festivals in Deutschland und Europa und kann ohne Probleme mit Events wie dem Airbeat One und dem SonneMondSterne mithalten. Es müssen eben nur noch ein paar Kinderkrankheiten ausgemistet werden, aber welches Festival hat die nicht? Wie das New Horizons bereits angekündigt hat, findet das Festival nächstes Jahr an drei statt zwei Tagen statt. Das bedeutet noch mehr Acts und noch längere Partyabende auf dem Gelände des Nürburgrings. Die dritte Ausgabe des New Horizons findet vom 22.-24. August 2019 statt. Mittlerweile sind die ersten Frühbucherkontingente vergriffen. Wer also nächstes Jahr unbedingt dabei sein will, der sollte sich beeilen. Gringoz-Magazine

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LIVE REPORT

BETONTOD >> 06.10.2018 - KÖLN - KANTINE >> SUPPORT: ALEX MOFA GANG

Text & Fotos: Melissa Hülstermann Aus Koblenz geht es, an diesem spät sommerlichen Samstag Nachmittag nach Köln auf das zweite Konzert der Vamos! Tour in der Kantine. Das gute Wetter macht die Vorfreude nur noch größer. Die Kantine ist eine recht große Location etwas außerhalb von Köln, doch die Anreise lohnt sich. Besonders punktet der Außenbereich. Draußen herrscht sogar ein bisschen Festival Stimmung, denn man kann an den Essens- und Getränkeständen flanieren und mit den anderen Fans ins Gespräch kommen, bevor das Konzert überhaupt losgeht. Die Halle innen ist um halb 8 schon mehr als zur Hälfte gefüllt. Ein kleines Manko ist nur der Gang zu den Toiletten, der für viel Gedrängel sorgt. Das

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Publikum im vorderen Bereich lässt sich aber nicht großartig weiter davon stören. Bei manchen Konzerten würde man hier vielleicht auf Streit stoßen, aber nicht hier unter den Betontod Fans. Es wird sich entschuldigt und freudig auf das bevorstehende Konzert angestoßen. Von Jung bis Alt ist alles im Publikum vertreten. Die Mischung machts. Auch das ein oder andere Kind ist mit seinen Eltern anwesend. Die Stimmung steigt weiter, als es endlich mit Alex Mofa Gang anfängt und sie die Halle ordentlich anheizen. Nach einer guten halben Stunde brutalem schwitzen und lautem Gesang gibt es eine kleine Pause, bei der man sich nach belieben drinnen oder draußen aufhalten kann. Definitiv wieder der Kantinen Vorteil. Man kann Gringoz-Magazine


noch einmal raus gehen und Luft schnappen und muss keine Angst um Einlass oder Plätze haben. Kurz vor neun sind dann auch alle 1000 Betontod Fans, die die Kantine fassen kann, vor der Bühne versammelt. Es geht los mit dem Vamos! Intro, worauf alle mit lauten Oho’s einstimmen und den Song Zusammen singen. Schon gerade bei diesem Song wird klar, dass das Konzert allein schon durch die gute Stimmung ein Erfolg wird. Betontod macht Bock und viel wichtiger: Betontod hat Spaß dran. Den ganzen Abend über sieht man den Jungs die Freude ins Gesicht geschrieben stehen. Die Temperaturen steigen, die Menge schwitzt. Betontod verteilt fleißig Wasser an die Fans, denn wie jeder weiß, ist Trinken ist wichtig. Und schon sind wir bei der Überleitung zu „Aufhörn! Aufhörn! Wir müssen aufhörn weniger zu Trinken!“ Bei einem Lied wie Glück Auf hat man einfach nur Spaß und die ganze Halle sing mit und hebt ihre Becher in die Luft. Aber auch andere Songs bringen viel Freude mit sich und vielleicht auch den ein oder anderen

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romantischen Moment wie bei „Küss mich„ zum Beispiel. Die Mischung aus alten und neuen Liedern ist gut gewählt, da sie sowohl die neuen Fans, als auch die alteingesessene Betontod Familie, die von Anfang an dabei waren anspricht. Einer Band die seit so vielen Jahren zusammen auf der Bühne steht, mehr als 20 Jahre und über 1.000 Konzerte, sieht man zwar an, dass sie ein wenig in die Jahre gekommen sind, aber bei Betontod verhält sich das quasi wie mit guten Wein. Er reift im Alter und wird besser. Ein echter Genuss und eine großartige Leistung mit hohem Niveau. Kurz und knapp, war der Abend ein voller Erfolg. Die vorherige Sorge, dass sich die Setlist vorzüglich um Vamos! kreist war absolut unbegründet. Die Mischung der Songs haben keine Wünsche offen gelassen. Es wurden Songs von Klassiker-Platten gespielt wie „Traum von Freiheit“, „Schwarzes Blut“ oder von „Revolution“. Und so geht es mit vielen Oho-Ohrwürmern zurück nach Koblenz, wobei man sich noch angeregt mit anderen Konzertbesuchern über diesen Abend unterhält.

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BEHIND THE SONG

MAX DON’T HAVE SEX WIT EURODANCE CLASSICS

Text: Désirée Pezzetta In der heutigen Ausgabe von Behind the Song geht es weniger um die Hintergründe, als mehr um die Abgründe von Liedern, die die ältere Generation immer noch wie ein Schreckgespenst in finstrer Nacht auf den unzähligen 90ies Partys der Republik heimsuchen. Die 90er. Ein Jahrzehnt voller Missverständnisse, modischen Entgleisungen, Musikrevolutionen und dem wiedervereinten Deutschland. Grunge kam auf, mein Gott, was haben wir Nirvana und Co damals gefeiert! Die coolen Kids haben aber natürlich auch coole Bands gehört, nicht Nirvana, das war ja schon Mainstream. Eher so Meat Puppets und L7 und in der härteren Gangart dann Clawfinger oder, wenn es ein bisschen punkiger sein sollte, Bad Religion und Dog eat Dog. Es gab auch die Raver, da konnte man immer gut erkennen, welcher DJ ein guter war, die hatten dann nämlich kein DJ vor dem Namen. Westbam, Marusha, Cosmic Baby und wie sie alle hießen. Es war auch die Zeit von Kuschelrock, wer hat sich

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damals nicht in die Arme des jungen Brad Pitt gewünscht, schmusend zu Annie Lennox‘ No more I love you’s oder dann, wenn alles vorbei war zu Toni Braxton’s Unbreak my heart. Ach, die 90er…. Aber, es war eben nicht ALLES gut damals, es war auch ganz schön viel Scheiße dabei! Und damit kommen wir zum wohl dunkelsten Kapitel des Jahrzehnts von Radlerhose, Plastikschnullern und Zickzack-Scheitels: Eurodance Eurodance an sich ist schon schlimm, aber was es noch schlimmer machte, waren die Texte. Das kommt eben raus, wenn meistens linguistisch weniger begabte, dafür Computer-und midierprobte Typen die kleinste Violine der Welt spielen. Man nehme: einen in 10minuten hingezimmerten Beat, eine dürre Tänzerin, die lippensynchron Playback singt und im Mikro-Rock auf der Bühne rumturnt, einen Rapper, am besten schwarz, muskulös und oberkörperfrei und schon ist die Eurodance-Truppe fertig und der Hit so gut wie im Sack. Passend zur Optik gestaltet man die Texte. Gringoz-Magazine


TH YOUR EX! Um der extacy-geschwängerten, sexuell aufgeladenen, des Englischen kaum mächtigen PostWiedervereinigungsgeneration gerecht zu werden, entstanden Poetry slam-eske Gruppen wie Mr. President, E-Rotic, Captain Hollywood, La Bouche, 20 fingers, Magic Affair und wie sie nicht alle hießen. So weit, so ungut. Schauen wir doch mal, mit was für lyrischen Ergüssen, im wahrsten Sinne des Wortes, wir uns damals befassen mussten. Ganz vorne mit dabei, wenn es um nichtssagende Lyrics geht, sind Captain Jack. JAOK, man könnte es damit rechtfertigen, dass das Konzept an die Lieder der Gefangenen und der Armee erinnern, skandiert von pubertären Bravolesern… Moment… und da liegt ja schon das Problem, das auch der Drill Instructor nicht beheben kann: Hey yo Captain Jack (Hey yo Captain Jack) Bring me back to the railroad track (Bring me back to the railroad track) Running to the railroad track Run along with Captain Jack Eurodance ist auf Deutsch aber auch nicht besser. Erinnert sich noch der ein oder andere an Mo-Do? Der Italiener Fabio Frittelli, leider mittlerweile verstorben, zeigte, dass es wirklich nicht auf den Text ankommt, wenn der Beat passt. Je dümmer, desto besser.

Iny weeny teeny weeny Shriveled little short dick man Don’t want don’t want don’t want Iny weeny teeny weeny Shriveled little short dick man Don’t want don’t want don’t want Don’t want no short dick man Die Vengaboys hingegen, Eurodancevertreter aus Rotterdam, haben dann 1998 einen Hit veröffentlicht, der zwar Ohrwurmpotential hat, aber den man besser nicht wörtlich übersetzt, weil man dadurch direkt 20 IQ Punkte verlieren würde: Boom boom boom boom I want you in my room Let’s spend the night together From now until forever Boom boom boom boom I wanna go boom boom Let’s spend the night together Together in my room Die unangefochtenen Spitzenreiter des kinky Eurodance sind E-Rotic. Wie der Name, aber auch nur der Name, schon vermuten lässt, spielt die Gruppe „with s-e-x and plenty“ (Mr. Vain, Culture Beat). Die Debüt Single „Max don’t have Sex with your Ex“ hat es immerhin auf Platz 7 der Charts geschafft. Ansporn genug, um in dem Stil weiterzumachen und die Nachfolgesingles Fred come to bed, Help me Dr. Dick, Fritz, love my tits, Sex on the phone und Willy… use a Billy boy rauszuhauen. Nicht nur die Titel klingen aus heutiger Sicht

Eins Zwei Polizei Drei Vier Grenadier Fünf Sechs Alte Hex Sieben Acht Gute Nacht Ja, Ja, Ja. Was ist los? Was ist das? Es geht alles immer noch schlimmer. So wurde bereits Anfang der 90er mit dem Gerücht aufgeräumt, es käme nicht auf die Größe an. Das sahen 20 Fingers, die –zugegebenermaßen amerikanische „Band„ ähhh… das Projekt, ganz anders: Ihr einziger Achtungserfolg lautete Short Dick Man und ging ungefähr so: Gringoz-Magazine

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BEHIND THE SONG fast untragbar, sondern auch beim Blick in die Lyrics, wird es nicht besser: Hey, hey, hey, Fritz Your key fits nicely My body opens to your touch So ring my bell and just entice me I need your lovin‘, oh so much Cause he’s wild and, baby, when he aims he hits Oh, Fritz, I know you love my tits Das muss man auch erstmal sacken lassen. Auch, dass die Gruppe noch bis Mitte der Nuller Jahre Alben veröffentlicht habt. Wer aber glaubt, dass E-Rotic die Einzigen waren, die sich so explizit geäußert haben, der irrt. Mr. President waren da auch ganz vorne mit dabei. Na, Coco Jamboo anyone? Knick Knack! When I hold my baby, she says I do it nicer I like my chicken with rice and lemonada And that’s what you get when she shout out, „Jamboo“ Now I gotta go yo coco Put me up, put me down Put my feed back on the ground Put me up, take my heart And make me happy Mhm, Tanzen, klar… Überhaupt scheint es in den 90ern Trend gewesen zu sein, am besten häufig und laut über Sex

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zu singen. Neben den bereits angesprochenen Eurodance-Meistern gab es auch das Phänomen der Boygroups. Die sind bekanntermaßen ein weites Feld, aber bis es zum Behind the Song Boygroup Special kommt, möchte ich die geneigten Leserinnen und Leser mit den Königen der erotisierenden Sangeskunst der 90er in die Welt entlassen. East 17, die biestigen Boys aus England, haben nicht nur mit ihren, durch Drogen, Alkohol und Magersucht gestählten Körpern die Herzen der Gööörls im Sturm erobert, nein, auch das Gespür ihrer Ghostwriter für softerotische Texte öffneten die Schlüpfer ihrer Fans und die Geldbörsen von deren Eltern. Hier ein Auszug aus dem Kuschelrocksong Deep: I’m gonna kiss ya from ya head 2 ya toes and then I’m gonna lick ya where you’d love me to go, yeah! Oil ya skin within hold ya tight Yeah, I butter the toast If you lick the knife And take a shower Maybe bubble the bath I’ll wash yours, you wash mine Yeah, we’ll have a good laugh I’ll be the sponge, the sponge The sponge that wets you down Then I’ll be the towel upon Your naked body, wrapped around Na, um es mit Culture Beat zu sagen: Wanna be my lover? Aber bitte mit viel La da da dee da da da da.

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