2 minute read

Kolumne Meine Kinder, meine Enkel

Next Article
Lesen

Lesen

Rollenaufteilung

FABIAN BUCHER (38) ist Produzent beim Schweizer Fernsehen SRF. Er ist verheiratet und Vater von Jan, zweieinhalb, und Mara, vier Jahre alt. Fabian arbeitet in einem Teilzeitpensum und hat so zwei Tage pro Woche, die er allein mit den Kindern ist. Er lebt mit seiner Familie in Zürich. HANNES BUCHER (68) hat bis zu seiner Pensionierung als Schulleiter gearbeitet. Er ist verheiratet und hat einen Sohn und zwei Töchter. Seine sieben Grosskinder sind zwischen zwei und acht Jahren alt. Er wohnt im Kanton Luzern und schreibt als freier Journalist.

Advertisement

«MAMI, TRAGEN!» schreit es aus meinem zweieinhalbjährigen Sohn heraus. Doch Mami reagiert nicht. Wie soll sie auch? Sie ist ja gar nicht dabei, ich bin an diesem Sonntagmorgen alleine mit meinen beiden Kindern im Park unterwegs, meine Frau am Arbeiten. Doch dieses klitzekleine Detail scheint Jan nicht zu kümmern. Im Gegenteil: Seine Schreie werden lauter, dringlicher. Und mir langsam auch etwas unangenehm. Schon klar, man sollte nichts geben auf die Blicke der anderen, das wird mir jede und jeder mit Kindern bestätigen. Aber das ist in der Situation sehr viel einfacher gesagt als getan. Meine Gedanken kreisen: Sicherlich denken sich die Leute jetzt, dass ich mich nicht um meine Kinder kümmern kann. Dass ich halt zu wenig zu Hause bin unter der Woche, weil ich wohl bloss meine Karriere im Kopf habe. Ein richtiger «Wochenend-Papi» halt. Zugegeben, das ist mein wunder Punkt. Denn eigentlich haben wir die Rollen in der Familie getauscht. Ich arbeite weniger als meine Frau: Sie ist an einem, ich bin an zwei Tagen zu Hause. Doch auch diese Tatsache kümmert meinen undankbaren Sohnemann nicht. Seine Schreie holen mich aus meinen selbstmitleidigen Gedanken. Ich nehme ihn auf die Arme, schnell beruhigt er sich und rennt wieder los zu seiner Schwester. Mir wird bewusst: Das ist, was zählt, die wahre Dankbarkeit. Und übrigens: Neulich hat mir meine Frau verraten: Wenn ich nicht dabei bin, rufen sie nach Papi.» • «Ich verstand mich damals als einigermassen moderner Papi, der sich bemühte, im Familienalltag mitzuarbeiten in all dem, was tagtäglich an Aufgaben anfällt. Inbegriffen «Kinderfüdli» putzen und nachts aufstehen. Dennoch bestritt meine Frau den grössten Teil der Kinderbetreuung – ich arbeitete 100 Prozent auswärts. Ich hatte dadurch auch weniger Übung und tendierte dazu, das Feld im «Notfall» halt dem Mami zu überlassen. Kein Wunder, tönte es dann in mehr oder weniger grossen «Extremsituationen» automatisch «Mami komm!» Und Mami kam denn auch und tröstete. Anders erlebe ich meinen Sohn als Papi. Von Beginn weg war er über Schoppenmenge und -häufigkeit, über all das viele, was man rings um ein Neugeborenes wissen muss, im Bild. All die Aufgaben wurden und werden von beiden Elternteilen wahrgenommen. Und trotzdem – und das ist erstaunlich zu beobachten: Wenn’s im Kinderalltag «dramatisch» wird, wenn die Tränen fliessen, kommt von den beiden Enkelkindern der Ruf «Mami!». «Ich bin ja da», sagt dann etwa Papi Fabian. Vielleicht folgt trotzdem nochmals ein «Mami-Ruf», aber dann bedeuten Papis Arme für Mara und Jan einen sicheren Hafen. Vielleicht noch verbunden mit einem Seitenblick, ob da nicht doch Mami allenfalls in der Nähe sein könnte. Für mich als Grosspapi ein Zeichen, dass die «Mami-Rolle» irgendwie doch in der Natur zu liegen scheint. Schliesslich hat das Mami doch neun Monate lang das Kind im Bauch getragen, die Geburt erlebt, die Brust gegeben. Da darf es, wenn es brennt, auch zuvorderst auf der Kinderzunge liegen. •

This article is from: