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GrossmütterRevolution
Irren ist menschlich
Vor vielen Jahren besuchte ich eine vor kurzem ging ich ganz vorsichtig mit leisen Ausstellung mit dem Titel «errare Lockrufen auf die scheue Nachbarskatze zu. humanum est». Besonders tragisch In Streichelnähe entpuppte sich diese dann zeigte sich ein prähistorischer Irrtum. In ei- aber als meine Trainingstasche die ich kurz ner Höhle fanden Archäologen menschliche zuvor dort abgestellt hatte. Kein Wunder, ist Knochen und gleich daneben das Skelett eines das Kätzchen diesmal ruhig sitzen geblieben. riesigen Bären. Hier hat wohl jemand in der Grosse Freude bereitet hat mir die Fehleinfalschen Höhle Zuflucht gesucht. Ja, irren ist schätzung eines muskelbepackten jungen menschlich, aber leider manchmal auch unRUTH FRIES Mannes im Fitnessstudio. Seine spöttischen menschlich. Wenn ich sehe, welche fatalen aus Wallisellen ist diplo- Blicke bemerkte ich, weil er unmittelbar nach Fehlentscheidungen in der Weltpolitik auch mierte Fundraiserin und mir die Geräte benutzte. Klammheimlich erheute noch getroffen werden, bin ich mit meiwar früher in der Taubblin- höhte ich darum vor dem Wechsel jeweils den-Beratung des Zentral-nen kleinen Irrtümern ein glücklicher Mensch. vereins für das Blinden- meine Trainings-Gewichte um das Dreifache. Durch meine Sehbehinderung erlebe ich auch wesen tätig. Sie ist Mitglied Schade, hat er sich bei der Einschätzung meieher Situationen der lustigen Art: Etwas genervt des Matronats und seit ner Kondition nur vermeintlich geirrt, aber sprühe ich einen grossen runden Fleck auf dem Beginn der GrossmütterRevolution dabei. sein ungläubiges Gesicht entschädigte mich für Teppich ein. Trotz energischem Rubbeln lässt manch vergossenen Schweisstropfen. er sich aber einfach nicht entfernen – logisch, es ist ja auch Und dann gibt es noch Fehleinschätzungen, die ganz klar ein nur der Schatten meiner Ständerlampe. Einmal, während ich Kompliment sind. Für eine Studie wurden Grossmütter und an der Ampel warte, winkt mir auf der anderen Strassenseite ihre Enkel gesucht. Mitmachen? Mein Enkel sieht mich prüjemand mit ausholenden Bewegungen zu. Ach, wie nett! Ups, fend an: «Grosi, du kannst dich da nicht melden, die nehmen aus der Nähe war es aber leider nur ein Angestellter, der mit bestimmt nur alte Frauen.» Von der Antike bis heute gilt also grossem Schwung das Schaufenster der Apotheke putzte. Und- auch für die nächste Generation: Irren ist menschlich! •
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GROSSMÜTTERREVOLUTION: FRÜHLINGSTAGUNG IM NETZ
Erstmals fand im Mai die beliebte Frühlingstagung der GrossmütterRevolution online statt. Die 60 beteiligten Frauen wollten etwas Neues wagen und waren begeistert über die Möglichkeiten der Technik. Im Grossgruppenformat lernten sie einander kennen und diskutierten in Gruppen über die drei Kurzreferate von Andrea Maihofer, erem. Professorin für Geschlechterforschung an der Uni Basel. Diese drehten sich um die Vielfachkrise und das Leben in der Vielfalt, um die durch den Druck zur Aktualität gefährdete Erinnerungskultur und um die Care-Arbeit. Dabei gehe es sowohl um eine Haltung der Sorge um andere und um anderes (die Natur) als auch um die Sorge zu sich selbst sowie um die Balance dazwischen. Diese sei durch die neoliberale Entwicklung, bei der die Rendite vor den Bedürfnissen der Menschen und der Natur stehe, bedroht und habe zu einer Care-Krise geführt. So widerspreche z.B. die ökonomisierte Pflege fundamental einer Haltung der Sorge und des Respekts, auf andere einzugehen, was Pflegende in einen moralischen Stress bringt. Die strukturelle Sorglosigkeit der Gesellschaft führe zu einer Entwertung aller reproduktiven Tätigkeiten. Für die Überwindung der Care-Krise sei es unerlässlich, die Care-Tätigkeiten aufzuwerten und in der Gesellschaft so zu verteilen, dass sich alle daran beteiligen und davon profitieren. Im Austausch suchten die Frauen nach Wegen, der mit der Care-Krise verbundenen Ohnmacht zu begegnen. Zum Beispiel mit einem verbindlichen CareJahr für alle, weil durch die persönliche Erfahrung die Sorgearbeit einen anderen Wert bekomme. Oder durch einen Care-Streik der Grossmütter, der zeige, dass ihr Engagement nicht selbstverständlich sei. Wie bei den LiveTagungen bildeten sich Gruppen für die Weiterentwicklung der Vorschläge. «Die Tagung war anstrengend, hat sich jedoch hundertmal gelohnt. Ich habe viel gelernt und bin durch den Austausch mit den anderen Frauen neu motiviert», lautete eines der durchwegs begeisterten Echos am Schluss der Tagung. grossmuetter.ch