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Waldweihnacht

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Stricken

Stricken

In der Tanne im Wald hängen ein Regenbogen und ein Halbmond. Sie haben eine Geschichte. Wie auch der kleine Plastikkoffer. Oder der Tukan aus Perlen. Und der Glitzerfisch, in dessen Bauch zwei Kristallherzchen liegen. Wir befinden uns im Wald, in der Nähe von Biel. Hier feiert Familie Stoll dieses Jahr Weihnachten. Coronabedingt. Weil Weihnachten bei Stolls wichtig ist, also wirklich wichtig, wird auch im Wald alles richtig gemacht. Das heisst: Ein Feuer brennt, ein Baum ist geschmückt, im Holzhaus stehen Platten mit Mini-Canapés, Kerzen leuchten, Tee wird aus Rentiertassen getrunken und auf dem Tisch schüttelt Mr. Nono, ein kleiner Chlaus, seinen Kopf. Daneben dampft die Holzeisenbahn aus Nürnberg. Hübsch, oder nicht? Darüber ist sich die Familie nicht einig. Familie Stoll, das sind Nana Katharina (67), Nono Alain (70), der Hund Bosco (4), Tochter Aline (41) und ihre Zwillinge Elie und Noée (13) sowie Sohn David (40) mit seiner Frau Nora (40) und den Kindern Leo (10) und Malou (8), die an dieser weihnachtlichen Hauptprobe nicht dabei sind. Es läuft «Last Christmas» und «Rudolph the red nosed reindeer», es wird viel gelacht, geredet, getanzt; am Feuer gewerkelt und Bosco mit Canapés und Grittibänzen verwöhnt. «Weihnachten bedeutet für mich Wärme, Zusammensein in einer kalten Jahreszeit», sagt Katharina. Wann das Fest gefeiert wird, spielt keine Rolle. Einfach irgendwann im Dezember. Wo? Auch egal. Katharina ist schon nach Hawaii und Borneo geflogen, um mit ihren Kindern die Weihnachtszeit zu verbringen. Heilig ist ihnen vieles, aber nicht im religiösen Sinn. Heilig sind ihnen ihre Traditionen, keine Konventionen. Das bedeutet, dass bei Katharina alle vier Adventskerzen ab Anfang Dezember brennen, dass Aline mit ihren Töchtern acht Sorten Guetzli macht – 9 Kilo –, sich darunter kaum ein weihnachtliches Sujet befindet. Es bedeutet, dass es für alle vier Enkel einen Adventskalender mit Päckli gibt, an Weihnachten aber bis aufs Wichtelritual mit Socken keine Geschenke. Es bedeutet vor allem, dass nicht alles schön sein muss, dass Geschichten wichtig sind. Und Erinnerungen. Tochter Aline zeigt auf den Regenbogen und den Halbmond, die gut sichtbar am Baum hängen: «Mein Mann Philippe ist vor zwei Jahren gestorben. Er hat uns immer gesagt, dass er über die Regenbogenbrücke zum Mond geht und dort seiner Leidenschaft, dem Kochen, weiter nachgehen wird.» Es wird still auf der Waldlichtung. Philippe war ein Spitzenkoch. Er hat seine Leidenschaft seinen Töchtern vererbt und damit für eine weitere Tradition gesorgt: Am Weihnachtsabend ~

Katharina

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Alain Aline

Aus dem Familienalbum

Keine zu klein: Katharina 1957 mit ihrem Bruder.

Der Nürnberger Holzzug ist Alains Sache, die Kinder Elie, Leo, Noée und Malou helfen mit.

Alles ausser gewöhnlich: Weihnachten wird gewichtelt, geschenkt werden Socken.

«Meine vier Enkel und zwei Kinder kommen an erster Stelle»: Katharina mit Elie und Noée.

Bleibende Traditionen: Philippe hat immer mit seinen Töchtern gekocht, wie hier zusammen mit Noée die frischen Ravioli (links) und mit Elie das Dessert.

«Es geht ums Beisammensein»: Katharina, Alain und Bosco.

Passender Haarschmuck: Auch draussen helfen Elie und Noée bei allem mit.

Gefeiert wird übrigens tagsüber, um die Nachtruhe der Tiere nicht zu stören. Und danach wird alles aufgeräumt.

bei ihnen zu Hause kreierte er mit Elie das Dessert. Jedes Jahr haben die beiden die Familie mit einer neuen süssen Überraschung verwöhnt. Die Vorspeise hingegen ist bis heute gesetzt: frische Ravioli mit Schinken und Ricotta. Philippe hat sie Noée beigebracht. Heute fertigt sie die Pasta nach Papis Rezept allein – auch den Teig. Aline schmückt den Baum selber, abends, wenn die Mädchen im Bett sind. Das dauert gut fünf Stunden. Das hat sie vor zwei Jahren so gemacht, auch wenn es ein Kraftakt war. Und das wird sie auch dieses Jahr so machen, denn «am Morgen, diese leuchtenden Kinderaugen …» Katharina wiederum schmückt den Baum mit ihren Enkeln. Sie brauchen zwei Tage dafür. «Am Schluss sieht man kaum mehr grün», sagt Aline. Dafür Steiff-Bären, Swarovski-Sterne, eine elektrische Eisenbahn, die in der Krone ihre Bahnen zieht, und zahlreiche Sujets und Kugeln. Von allen Ferien bringen ihr Familie und Freunde Weihnachtsdeko mit und mehrmals pro Jahr besucht Katharina das Weihnachtshaus Johann Wanner in Basel. Da kommt einiges zusammen, so viel, dass Katharina einen Bastelraum für den Schmuck mieten musste. Immer am Baum hängt auch der Glitzerfisch mit den beiden Herzen im Bauch: Den hat Katharina gekauft, als Aline mit den Zwillingen schwanger war. Für den vermutlich unschönsten – die Stolls sagen hässlichsten – Baumschmuck ist übrigens der Sohn verantwortlich. Ein blauer Plastikkoffer aus Berlin, ein Souvenir vom damals 20-jährigen David. Der Koffer gehört an den Baum, auf die Rückseite. Es hängen noch viele Sachen da, die nach einer Geschichte verlangen. Zum Beispiel der süsse Tukan aus bunten Perlen. «Den hat mir die Familie meines Sohnes aus Costa Rica mitgebracht. Die beiden Enkel haben ihn ausgesucht.» Und das grinsende Schwein? «Das ist eine Erinnerung an unser verstorbenes Hängebauchschwein Bruno.» Was hat es mit diesem Samichlauspaar auf sich? «Das haben mein Mann Philippe und ich auf Hawaii gekauft, wo wir vier Jahre gelebt haben», sagt Aline. «Es steht für unsere Beziehung.» Noée und Elie lieben Weihnachten genauso sehr wie ihre Mutter und ihre Nana, Noée hört sogar das ganze Jahr Weihnachtslieder und in der Adventszeit hat sie einen eigenen Baum in ihrem Zimmer. Für die Playlist an der Feier ist denn auch sie zuständig. Kulinarisch gibts bei Katharina keine Experimente. Nach den Canapés zum Apéro isst die Familie ein Fondue, zum Dessert die Guetzli. «Ich will die Zeit nicht in der Küche verbringen», sagt Katharina, «sondern mit meiner Familie.» •

Im Traditionsgeschäft «Johann Wanner» in Basel ist das ganze Jahr über Weihnachten. Katharina Stoll besucht es mehrmals pro Jahr. Gehören dazu: Ein Rentier, Canapés, viele Kerzen und der Plastikkoffer von David.

Am Fest machen sich alle chic, sogar Bosco. Er trägt seine rote Seidenkrawatte, die ihm Elie von ihrem Taschengeld gekauft hat.

«Diese leuchtenden Kinderaugen»: Aline mit ihren Töchtern Noée und Elie.

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