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Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich steht auf der Tagesordnung – führen wir ihn bis zum Sieg!

Seit dem 29.11.2019 wird über einen Kollektivvertrag für die rund 125.000 Beschäftigten im privaten Sozial­ und Gesundheitsbereich verhandelt. Während jeden Herbst über alle KV­Verhandlungen für die Metaller ausführlich berichtet wird, scheint die drittgrößte Beschäftigtengruppe in Österreich deutlich weniger interessant zu sein. Während Politiker*innen, Sozialexpert*innen und natürlich Betroffene über den „Pflegenotstand“ diskutieren, werden die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals kaum mitdiskutiert

DBei jeder echten oder vermeintlichen „Katastrophe“ werden „Freiwillige“ und „Blaulichtorganisationen“ gelobt – aber wo hört man etwas über Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten in diesem Bereich? Die in der SWÖ (Sozialwirtschaft Österreichs) Beschäftigten sind wesentliche Erhalter sozialer Strukturen, bei denen sich der bürgerliche Staat „ab­

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Arbeitgeber übergeben Einzige Forderung ist die Einführung einer 35­StundenWoche bei vollem Personalausgleich sowie gleichbleibendem Lohn und Gehalt ‚Die Beschäftigten im Sozialbereich leisten emotionale und körperliche Schwerstarbeit Wir fordern die 35­Stunden­Woche, um die Arbeitsbedingungen in Bereichen wie Pflege und Betreuung zu putzt“ Ob es um die erwähnte Pflege älterer oder gesundheitlich beeinträchtigter Menschen geht (die nicht mehr im Arbeitsprozess stehen und daher keinen Mehrwert mehr produzieren können), um Opfer der sozialen Zerrüttung in der kapitalistischen Gesellschaft (Arbeitslose, Süchtige, Drogenabhängige ), um die grundlegende Betreuung von Kindern und Jugendlichen (Kindergärten, Lernbegleitung) – all das und viele mehr sind die Felder der Sozialberufe in Österreich

DieKolleg*innen in der Sozialwirtschaft zeigen mit ih‐ren Streik- und Protestmaßnahmen, dass sie es satt‐haben, weiterhin gesellschaftlich wichtige und notwendige Arbeiten für miesen Lohn unter extrem hoher psychischer Belastung zu leisten.

In einer Presseerklärung der GPA­djp zum Auftakt der KV­Verhandlungen hieß es: „Heute, Freitag, haben die Gewerkschaften GPA­djp und vida die Forderung der 125.000 Beschäftigten im privaten Gesundheits­und Sozialbereich (Sozialwirtschaft Österreich – SWÖ) an die verbessern‘, erklärt GPA­djp­Chefverhandlerin Eva Scherz vida­Chefverhandlerin Michaela Guglberger ergänzt: ‚Es gilt den Pflegenotstand zu bekämpfen. Wer mehr Menschen in Pflege­ und Betreuungsberufen haben will, muss diese Berufe attraktivieren.‘ Von der Einführung einer 35­Stunden­Woche profitieren sowohl Vollzeit­Beschäftigte durch umgerechnet 18 Tage mehr Freizeit im Jahr als auch Teilzeit­Beschäftigte durch eine automatische Gehaltserhöhung von 8,6 Prozent, weil sich die Berechnungsbasis von momentan 38 auf 35 Stunden ändert und bei gleichem Gehalt der Stundenlohn steigt“

Dass hier zwei der größten Gewerkschaften im ÖGB (die GPA­djp vertritt mit 270.000 Mitglieder die meisten Lohnabhängigen, die vida rund 134 000) eine

Forderung aufgreifen, die der ÖGB bereits 1980 (!) aufgestellt hat – die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden –liegt nicht zuletzt daran, dass die Beschäftigten in diesem Wirtschaftssektor immer wieder aktiv für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft haben

Die Kolleg*innen in der Sozialwirtschaft zeigen mit ihren Streik­ und Protestmaßnahmen, dass sie es satthaben, weiterhin gesellschaftlich wichtige und notwendige Arbeiten für miesen Lohn unter extrem hoher psychischer Belastung zu leisten Die Verhandlungsführer der SWÖ lehnen die Forderung nach der 35­Stunden­Woche ab Sie sei „nicht finanzierbar“ In der Pflicht seien die Förderungsgeber – Staat, Länder, Gemeinden.

Die Beschäftigten im Sozialbereich führen seit Jahren einen Zweifrontenkampf – gegen die eigenen Geschäftsführer*innen, die den Arbeitsdruck erhöhen und oft genug einen Personalmangel herbeireden, der sich durch höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten leicht beseitigen ließe (allerdings nur dann, wenn die im Sozialbereich Tätigen nicht ins Burnout getrieben werden) Bei der Demonstration der Streikenden aus den SWÖ­Betrieben in Wien zeigte sich, wie groß die Empörung bei den Lohnabhängigen über die Hinhaltetaktik der Unternehmerseite und der Fördergeber mittlerweile ist

Der Kampf um die 35­Stunden­Woche in der Sozialwirtschaft kann und darf nicht isoliert bleiben Arbeitszeitverkürzung (AZV) ist eine wesentliche Forderung in allen Branchen Die türkis­blaue Kapitalist*innenregierung hat den 12Stunden­Tag möglich gemacht; türkisgrün ändert nichts daran, sondern diskutiert weiter über eine Anhebung des Pensionsalters, also eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit WKO­Präsident Harald

Mahrer, williger Vollstrecker der türkisen Politik, hat den Braten gerochen, als er in der Pressestunde am 23 Februar erklärte: „Wir werden in Österreich mit einer generellen Arbeitszeitverkürzung das Licht abdrehen. Dann können wir uns alle weiße Leintücher umhängen und geordnet zum wirtschaftspolitischen Friedhof marschieren“. Nebenbei: Die WKO ist für den Sozialbereich gar nicht zuständig, aber der Kurz­Schützling muss sich natürlich gleich zum Schutzpatron der „Gesamtwirtschaft“ aufspielen. Wenn Ämtersammler Mahrer bei einer AZV zum wirtschaftspolitischen Friedhof marschiert, ist das ein durchaus angenehmer Nebeneffekt dieser Maßnahme (wir schauen da gerne zu dabei), aber sicher nicht ihr Hauptgrund

Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Österreich immer weiter auf. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt über 22 Prozent des Vermögens, die Hälfte der Bevölkerung nur 3,6 Prozent. Vor allem Frauen sind häufig in Sektoren mit niedrigen Löhnen (darunter den Pflegeberufen, im Handel, im Gesundheits­ und Bildungswesen, usw.) beschäftigt und daher besonders armutsgefährdet Während die Profite steigen, bleiben die Reallöhne zurück und die Arbeitslosigkeit, die durch Statistiken geschönt wird, trifft sehr junge und sehr alte Lohnabhängige besonders hart Geht es aber um höhere Löhne, um kürzere Arbeitszeit, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung oder um die Pflege, ist nie genug Geld da Man glaubt, die österreichischen Kapitalist*innen und ihr Staat nagen am Hungertuch

Der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn­ und Personalausgleich steht in allen Branchen auf der

Tagesordnung Das ist der Grund für die direkt und indirekte Einmischung der bürgerlichen Politiker*innen in die KVVerhandlungen Der Chefverhandler auf Seiten der SWÖ­Unternehmer ist Walter Marschitz, ein „gelernter“ ÖVP­Funktionär, der unter anderem Büroleiter im Generalsekretariat der Volkspartei war In der Zeitschrift „Falter“ gestand er ein, dass ihn der jetzige ÖVP­Klubobmann August Wöginger daran erinnert habe, dass „die 35­Stunden­Woche die Finanzplanung der Landeshauptleute“ durcheinanderbringen würde Und der oben erwähnte Herr Mahrer fürchtet durchaus zu recht, dass die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnund Personalausgleich auf den Privatsektor überschwappen könnte

Tatsächlich hat sich seit 2000 – der ersten schwarz­blauen Regierung – das soziale Klima in Österreich deutlich gewandelt Dass heute GPA­djp und vida unter dem Druck aus den Betrieben bei den KV­Verhandlungen bisher nicht nachgegeben haben liegt nicht zuletzt daran, dass die österreichischen Kapitalist*innen in den vergangenen Jahren konsequent an der Zerstörung des Systems der Sozialpartnerschaft gearbeitet haben Diese institutionalisierte Form der Klassenzusammenarbeit hat für die Unternehmer*innen und ihre politischen Sachwalter immer mehr an Bedeutung verloren, je schwächer die bürgerliche Arbeiter*innenpartei SPÖ und ihr Zugriff auf die Lohnabhängigen immer lockerer wurde Nun reagieren auch die schwerfälligen Gewerkschaftsapparate auf die neuen Verhältnisse, indem auch sie bereit sind, auf einen Konfrontationskurs einzuschwenken

Entscheidend wird es aber sein, dass

Komm zum ROTEN TISCH!

die kämpfenden Kolleg*innen klar machen, dass die Gewerkschaften ihnen dienen , ihnen verantwortlich und rechenschaftspflichtig sein müssen Das heißt: Kein KV­Abschluss, der nicht durch demokratische Abstimmungen der Belegschaften in Betriebsversammlungen gedeckt ist Die Gewerkschaften dürfen nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg Kompromisse mit den Unternehmervertretern schließen

Wir schlagen eine Reihe von Maßnahmen vor, um den Arbeitskampf in der Sozialwirtschaft zum Sieg zu führen und auf alle anderen Branchen auszuweiten:

• Offenlegung der Geschäftsbücher der Kapitalist*innen unter Arbeiter*innenkontrolle!

• Statt Arbeitslosigkeit – runter mit der Arbeitszeit! Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle bei vollem Lohnund Personalausgleich!

• Ausweitung der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung auf alle Branchen! Solidaritätsstreiks mit den Kolleg*innen der SWÖ!

• Rücknahme des infamen 12­Stunden­Tag­Gesetzes von Kurz/Strache! Keine Anhebung der Lebensarbeitszeit!

• Betriebs­ und Stadtteilversammlungen, Versammlungen in Bildungseinrichtungen und am Land zur Diskussion und Propagierung dieser Forderungen! Kontrolle der KV­Verhandlungen durch diese Komitees!

• ÖGB und Teilgewerkschaften – raus aus den verlogenen Sozialpartnergremien. Für klassenkämpferische Gewerkschaften unter Kontrolle ihrer Mitglieder!

• Vorbereitung des Generalstreiks zur Durchsetzung der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!

Jeden zweiten Dienstag im Monat organisieren wir in der Westbahnstraße 35 im 7 Wiener Gemeindebezirk im kurdischen Lokal ZYPRESSE unseren ROTEN TISCH.

Der ROTE TISCH ist ein offenes Diskussionsforum, in dem wir mit Interessierten über die aktuelle Lage, die Artikel in unserer Zeitung oder über theoretische Fragen sprechen Die Themen findest Du auf unserer Homepage: www.klassenkampf.net

Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com

Die Gruppe Klassenkampf im Internet: www.klassenkampf.net

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