churz & bündig 2016

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SWS

churz & bündig

Sozialwerke Pfarrer Sieber

auffangen – betreuen – weiterhelfen

Jahresbericht 2016

4̕103

Übernachtungen verzeichnete der Pfuusbus dieses Winterhalbjahr. Rund 400 Menschen suchten hier Schutz und Geborgenheit. Nach 14 Jahren konnten wir nun ein neues Occasionsfahrzeug in Betrieb nehmen – dank unseren treuen Spenderinnen und Spendern!

Wir arbeiten mit Herz, Hand und Verstand Wir sind da für Menschen, denen sonst niemand mehr hilft. Auch dann, wenn ihre Probleme unlösbar scheinen. Ihre Not ist unser Auftrag.

U

nsere Mitarbeitenden sind in ihrem Berufsalltag mit immer komplexeren Problemen konfrontiert. Auf der Gasse, in den Anlaufstellen, in unseren Wohneinrichtungen, im Spital und in der Rehabilitation begegnen sie Menschen mit «Rucksäcken» voller Armut, Arbeits- und Obdachlosigkeit, Sucht und Einsamkeit, immer häufiger einhergehend mit psychischen Problemen. Vertrauen und Beziehung, Liebe und Annahme sind zentral, damit dieser «Rucksack» nach und nach ausgepackt und die richtige Auslegeordnung – und damit die nötige

Entlastung – gemacht werden kann. Vertrauen und Beziehung, Liebe und Annahme: Damit diese Anliegen ins Leben und Handeln kommen, braucht es eine tragende Wertehaltung, eine hohe Fachlichkeit, leistungsfähige Strukturen und gute Arbeitsbedingungen.

Die Not verändert ihr Gesicht.

Den immer komplexeren Fragestellungen begegnen wir mit Weiterbildungen und durch die Schaffung neuer Gefässe wie etwa einer breit angelegten Klientenintervision. Diese breite Arbeitsweise fördern wir nicht nur in den Feldern der Beratungs- und Betreuungsarbeit, sondern

auch in der Seelsorge. Die schlanke und wirkungsvolle Zusammenarbeit der einzelnen Bereiche und Betriebe erleichtert es den uns anvertrauten Menschen, sich innerhalb der SWS zu orientieren und zu bewegen. Im Rahmen der Reorganisation der Kirch­gemeinden in der Stadt Zürich wurden wir auf ein geplantes Bauvolumen hingewiesen und eingeladen, uns zu beteiligen. Die jahrelange Suche nach einem neuen Standort für unser Fachspital Sune-Egge scheint damit ein Ende zu haben. Eine erfreuliche Perspektive. • Christoph Zingg, Gesamtleiter


Sich wandelnde Nöte sind strategische Herausforderungen Armuts- und Arbeitsmigration sowie die Flüchtlingssituation zeigen: Es ist wichtig, dass wir langfristig planen und gleichzeitig auf kurzfristige Nöte reagieren können.

A

ufgrund der soliden finanziellen Gesamtsituation waren wir zum Glück nicht dazu gezwungen, 2016 Einschnitte in der Angebotsstruktur oder beim Personal vorzunehmen. Allerdings zeigten die Beratungen deutlich, dass strategische Planungen im gegenwärtigen dynamischen Umfeld herausfordernd bleiben. Wir müssen deshalb auch künftig flexibel auf die sich verändernden Rahmenbedingungen reagieren.

rer Einrichtungen, insbesondere des Sunedörfli und des Sune-Egge. Hier stand der Stiftungsrat vor der Herausforderung, angesichts der anhaltenden Diskussionen im Tarifwesen und der Veränderungen in der Zuweisungspolitik bezüglich Drogentherapieplätzen, beide Einrichtungen finanziell und personell zu stabilisieren.

Wir helfen dort, wo sonst niemand hilft.

Ein Schwerpunkt war im vergangenen Jahr denn auch die Entwicklung unse-

Armuts- und Arbeitsmigration sowie die Flüchtlingssituation beschäftigten auch den SWS-Stiftungsrat. Weil in unseren Anlaufstellen die zunehmende Not re-

gistriert wurde, hat der Stiftungsrat ein neues Gesamtkonzept für die Gassenarbeit auf den Weg gebracht. Zudem berieten wir ausführlich die „Durchlässigkeit“ im Blick auf die Zuweisung einzelner Personen in die passendste Einrichtung. Damit sollen die unterschiedlichen Angebotsstrukturen der SWS für die verschiedenen Zielgruppen noch stärker miteinander vernetzt werden, damit wir den sich uns Anvertrauenden noch zielgerichteter helfen können. • Marlies Petrig und Prof. Dr. Thomas Schlag, Co-Präsidium des Stiftungsrates

Unsere Angebotstreppe Seelsorge ambulante Angebote

Pflegestationen

Fachspital Suchthilfeeinrichtung

Sozialberatung

Wohnsiedlung

Noteinrichtung für Jugendliche Anlauf- und Beratungsstellen

Rehabilitation

Koordinierte Angebote Wir begegnen mit unseren aufeinander abgestimmten Angeboten unterschied­lichen Notlagen. Damit ge­währleisten wir eine breitgefächerte Hilfe auf Augenhöhe. Die Angebote sind in die drei Bereiche «auffangen, betreuen, weiterhelfen» gegliedert. Der Einstieg soll möglichst einfach sein. Ziel ist die soziale Integration.

Notschlafstellen Gassenarbeit

Schritt 1: auffangen Menschen in akuten Notlagen an verschiedenen sozialen Brennpunkten aufzufangen, ist eine unserer zentralen Aufgaben.

I

m Bereich «auffangen» sorgen folgende Einrichtungen und Angebote dafür, dass Notleidenden rasch und unbürokratisch geholfen wird: die Anlaufstellen Sunestube und Brot-Egge, die aufsuchende Gassenarbeit, der Gassentierarzt, die Nachtpatrouillen, die Noteinrichtung für obdachlose Jugend­liche Nemo, die Notschlafstellen Pfuusbus und Iglu, die Wohnsiedlung Brot­huuse, die Sozialberatig. Wie wichtig diese leicht zugänglichen Angebote auf Zürichs Strassen sind,

zeigt sich an den Besucherzahlen: Der Brot-Egge registrierte 7’975 (Vorjahr: 6’078) Besuche, und in der Sunestube wurden 6’957 (6’608) Menüs serviert. Der Pfuusbus verzeichnete 4’103 (3’898) Übernachtungen von Erwachsenen, Nemo 638 (636) Übernachtungen von obdachlosen Jugendlichen. Die «auffangen»-Angebote sind nicht zuletzt dank der rund 150 Freiwilligen möglich, die insgesamt 11’816 Stunden im Einsatz waren. Vielen herzlichen Dank allen Beteiligten!

11̕816 Stunden Freiwilligenarbeit wurden geleistet.

7̕975 25̕989 Besuche verzeichnete

Suppen oder Sandwiches wurden

die Anlaufstelle Brot-Egge.

von der Anlaufstelle Sunestube verteilt.

1’621-mal übernachteten Arbeits-

6’957 Menüs wurden Bedürftigen

migranten in der Notschlafstelle Iglu.

in der Sunestube serviert.


Schritt 2: betreuen Im Fachspital Sune-Egge, in der Pflegestation Sunegarte und der Suchthilfe­einrichtung Ur-Dörfli finden Süchtige und Obdachlose Ruhe und Betreuung.

W

ir betreiben mitten in der Stadt Zürich das Fachspital Sune-Egge in einem Mehrfamilienhaus, das den räumlichen Anforderungen eines Spitals nicht genügt. Trotz der engen Platzverhältnisse konnten wir die Abtrennung eines Raucherbereichs vornehmen und damit dem Nichtraucherschutz entsprechen. Weiter haben wir das Klinik-Informationssystem ein­geführt und von den Behörden die Anerkennung für die Ausbildung von Fachangestellten Gesundheit erhalten.

Die Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli ist in der deutschsprachigen Schweiz einzigartig. Dank des Ur-Dörfli sind schwerst suchtmittelabhängige Menschen betreut und nicht auf der steten Jagd nach Drogen. Damit sorgt das Ur-Dörfli für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum und entlastet die Gesellschaft. Dem Ur-Dörfli gelang es, im vergan­ genen Jahr 60 % aller austretenden Bewohner einer Anschlusslösung zu­­zu­führen (Betreutes Wohnen etc.). Dies zeigt eindrücklich, dass sich unsere Arbeit lohnt.

60 %

erfolgreiche Austritte verzeichnete die Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli.

13̕076

Pflegetage wurden im Fachspital Sune-Egge verbucht. Die durchschnittliche

3̕131

Aufenthaltsdauer betrug 62.3 Tage und

ambulante Behandlungen wurden

die Auslastung lag bei 79.5 %.

im Fachspital Sune-Egge durchgeführt.

Kommentar zur Jahresrechnung «Ohne euch hätte ich es nicht geschafft.» Die Drogensucht machte André zu einem einsamen Mann. Im Ur-Dörfli fand er Stabilität und Unterstützung, um seine Sucht in den Griff zu bekommen. «Die Drogensucht hat aus mir einen einsamen Menschen gemacht», sagt André. Das sei ihm bewusst geworden, als seine Freundin starb. Ihm blieb nur noch der Hund. Als er auch den verlor, hatte er niemanden mehr. «Das tat weh», erinnert sich André, «und zwar so weh, dass ich mich psychiatrisch behandeln lassen musste.» Er verlor jeglichen Halt und wurde obdachlos. Wegen anderer medizinischer Probleme kam André dann ins Ur-Dörfli. «Hier traf ich auf Menschen, die mich ernst nahmen und

mich förderten.» Ein Erfahrung, die André beflügelte. Er entdeckte zudem das Theaterspielen. Bei der Theatertruppe «Die schrägen Vögel» konnte er zeigen, dass doch mehr in ihm steckt, als viele meinen. Im Ur-Dörfli blühte André auf. «Die Mitarbeiter investierten viel Zeit in mich», ist er sich bewusst. «Sie arbeiteten mit mir beharrlich daran, eine Zukunft für mich aufzubauen.» Im Sommer 2016 war es dann soweit. André konnte dem Ur-Dörfli Adieu sagen und lebt seither in einem Betreuten Wohnen in der Stadt. «Für die Zeit und die Mitarbeiter im Ur-Dörfli bin ich dankbar», sagt André. «Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.»

Die Treue unserer Spenderinnen und Spender verpflichtet uns zu einem sorgfältigen Umgang mit den uns zur Verfügung gestellten Mitteln. Die Zewo und die Revisionsgesellschaft BDO kontrollieren und garantieren die korrekte Rechnungsführung. Administration, Sachaufwand 5 %

Unser Spenden- franken

Prävention, Kommunikation, Fundraising 7 %

Hilfe für Bedürftige 88 %

Vom gesamten Betriebsaufwand in Höhe von 21,9 Mio. Franken wurden 9,4 Mio. Franken durch Spenden und Legate finanziert. Das sind rund 43 % aller Aufwendungen. Die restlichen Leistungen konnten wir durch Beiträge Dritter wie Krankenkassen und Sozialämter decken.

Schritt 3: weiterhelfen Bei der Reintegration randständiger Menschen in den Arbeitsprozess und die Gesellschaft spielen unser Therapiezentrum Sunedörfli und das Wohn- und Arbeitsexternat eine Schlüsselrolle.

E

inzigartig ist unser Angebot, Klienten auch ohne Kostengutsprache aufzunehmen und eine Probezeit einzurichten, wenn sofortige Weiterhilfe geboten ist. Der Vorteil dieses Systems ist, dass wir motiviertere Klienten haben und dadurch therapeutisch wirkungsvoller arbeiten können. Im Berichtsjahr akzentuierte sich jedoch die mangelnde Auslastung des Rehabilitationszentrums. Wir intensivierten darauf die Zusammenarbeit mit diversen Gesundheitsdiensten wie dem Seespital

Horgen und der psychiatrischen Klinik Zugerberg. Zudem konnten wir unser Angebot in der Klinik St. Urban vorstellen. Mit Erfolg: Gegen Ende Jahr stiegen die Belegungszahlen markant an. Im Wohn- und Arbeitsexternat wurden zwei Klienten erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt begleitet. Ein Therapie­ abgänger ist heute Bademeister, der andere Sigrist. Damit haben wir das Ziel erreicht: Zwei ehemals drogenab­ hängige Menschen sind wieder selbständig.

2̕100 Betreuungstage verzeichnete

das Rehabilitationszentrum Sunedörfli.

731

Gespräche führte die Seelsorge.


Wir reden nicht nur, wir handeln Allen, die bei den SWS arbeiten, ist es wichtig, ein offenes Ohr zu haben für die Nöte von Obdachlosen, Süchtigen, Vereinsamten sowie psychisch und physisch Versehrten. Aber es bleibt nicht dabei. Wir packen an.

Drei M ita rbei te nde er zä hl en

Igna Woityna,

Judith Küttel,

Maurus Schneiter,

Veterinärin/Tierärztin

Agogin im Ur-Dörfli

Sozial­pädagoge i.A.

im Brot-Egge

auffangen

«Jeweils am Montagnachmittag empfangen wir an der See­ bacher­strasse 60 armutsbetroffene Menschen mit ihren Haus­ tieren. Während sich Mirjam Spring der Sorgen und Nöte der Tierhalter annimmt, kümmere ich mich als Veterinärin um das Wohl der Tiere. Durch dieses Angebot kann die tierärztliche Grundversorgung gewährleistet werden. So können wir Tiere medizinisch betreuen, deren Besitzer sonst aus finanziellen Gründen gar nicht zum Tierarzt gehen würden. Wir stellen immer wieder fest, dass Haustiere auf ihre Be­sitzer stabili­ sierend wirken. Wer für ein Tier sorgen muss, lernt Verant­ wortung zu tragen. Oft ist das Tier der einzige Freund, der diesem Menschen ge­blieben ist.»

im Sunedörfli

betreuen

«Ich arbeite seit 10 Jahren in unserer Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli in Pfäffikon ZH. Ich weiss, wie unsere Bewohner ticken und wie sie am besten zu nehmen sind. Ziel unserer Arbeit ist es, sie zu stabilisieren und ihnen eine Tagesstruk­ tur zu geben. Mit Suchtkranken zu planen, ist fast unmöglich. Wenn sie am einen Tag erholt und frisch wirken, können sie anderntags abgestürzt und nicht ansprechbar sein. Das macht das Planen von Arbeiten und Beschäftigungen für sie sehr schwierig. Während der Be­schäftigungstherapie erzählen mir die Bewohner viel von sich, ihrem Leben und ihren Ängsten. Für viele bin ich zu einer wichtigen Bezugs­person geworden.»

weiterhelfen

«Angefangen habe ich meine Arbeit bei den Sozialwerken Pfarrer Sieber als Zivi in der Anlaufstelle Sunestube. Mir hat die Arbeit mit Randständigen dann so gut gefallen, dass ich mich entschloss, meinen Beruf als Elektromonteur an den Na­ gel zu hängen und mich zum Sozialpädagogen ausbilden zu lassen. Im Reha­­bilitationszentrum Sunedörfli habe ich einen Ausbildungsplatz erhalten und konnte so meinen Wunsch rea­ lisieren. Im Sunedörfli in Hirzel begleiten wir ehemals schwerst drogenabhängige Menschen auf ihrem Weg in die Gesell­ schaft und den Arbeitsmarkt. Das ist höchst anspruchsvoll und herausfordernd, aber auch bereichernd.»

Die Einrichtungen der Sozialwerke Pfarrer Sieber sind Anlaufstellen der Menschlichkeit. Ich bin sehr dank­ Roman Kilchsperger, Radio- und Fernsehmoderator bar, dass es sie gibt.

Organisation der Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS)

Gerne schicken wir Ihnen unsere viertel­jährlich g ers­ cheinende Sieber Ziiti und unseren Newsletter. Bestellen Sie unsere aus­ . führliche Jahresrechnung Besuchen Sie unsere h. Website www.swsieber.c

Geschäftsstelle Hohlstrasse 192, 8004 Zürich 043 336 50 80 info@swsieber.ch kommunikation@swsieber.ch www.swsieber.ch Gesamtleitung Christoph Zingg Stiftungsrat Marlies Petrig, Co-Präsidentin Prof. Dr. theol. Thomas Schlag, Co-Präsident Regina Gabriel Cantieni (bis 11.2016) Stefan Elsener Patrick Hohmann Jolanda Huber-Gentile lic. iur. Vanessa Ölz Ehrenpräsident Dr. h. c. Pfarrer Ernst Sieber Revisionsstelle BDO AG, Zürich

Betriebe/Fachbereiche Anlauf- und Beratungsstelle Sunestube, Noteinrichtung für obdachlose Jugendliche Nemo Militärstrasse 118, 8004 Zürich Anlauf- und Beratungsstelle Brot-Egge, Notschlafstelle Iglu,Gassentierarzt Seebacherstrasse 60, 8052 Zürich Sozialberatig, Gassenarbeit, Notschlafstelle Pfuusbus Josefstrasse 32, 8005 Zürich Wohnsiedlung Brothuuse Mühlackerstrasse 4, 8046 Zürich Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli Bahnhofstrasse 18, 8330 Pfäffikon Fachspital für Sozialmedizin und Ab-­ hängigkeitserkrankungen Sune-Egge, Pflegestation Sunegarte Konradstrasse 62, 8005 Zürich Rehabilitationszentrum Sunedörfli, Wohn- und Arbeitsexternat Postfach 36, 8816 Hirzel

Impressum Jahresbericht 2016 Juni 2017 Redaktion Walter von Arburg Christoph Zingg Elena Philipp Gestaltung Claudia Wehrli, Winterthur Druck Spühler Druck, Rüti Herausgeberin Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber PC-Konto: 80-40115-7


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