Pfr. Ernst Sieber 24. Februar 1927 – 19. Mai 2018
Sieber Ziitig
Sozialwerke Pfarrer Sieber
auffangen – betreuen – weiterhelfen
Sondernummer
Editorial
Unser Stiftungsgründer, Pfarrer Ernst Sieber, ist am 19. Mai in seinem 92. Lebensjahr verstorben. Wir alle verdanken ihm viel. Seine visionäre Tatkraft gab den Schwäch sten in unserer Gesellschaft eine Stimme, Gesicht und Unterstüt zung. Ich erinnere mich: Als Ehren präsident seiner Sozialwerke war Ernst Sieber ab und zu an Stiftungs ratssitzungen anwesend. Seiner charismatischen Präsenz konnte sich niemand entziehen. Unbeirrt und mit grosser Konsequenz setzte er durch, dass Projekte der Stiftung seinen Grundwerten entsprachen: der christlichen Nächstenliebe, der Begegnung mit Menschen in Not auf Augenhöhe, der Bildung von Gemeinschaften und der Beschei denheit. Er lebte, was er predigte, überzeugte und fand viele Freunde, die seine Anliegen unterstützten. Wir sind uns bewusst, dass Ernst Sieber nicht ersetzbar ist. Ohne seinen Mut und seine tatkräftige Liebe für Menschen in Not hätte er die Sieberwerke nicht ins Leben rufen können. Er schonte sich nie und forderte dasselbe von seinen Mitstreitern und Mitarbeitenden. Für seine Grundwerte stehen wir auch in Zukunft ein. Weiterhin sind wir im Sinne vom Ernst Sieber tätig, aufmerksam und mit ganzem Ein satz. Unsere Mitarbeitenden und freiwilligen Helfer begleiten und unterstützen Obdachlose, Drogen süchtige und andere vom Schicksal schwer getroffene Mitmenschen weiterhin. Die Sozialwerke sind für die Zukunft gut vorbereitet, modern organisiert und finanziell gesund. Zusammen mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, mit treuen und neuen Spen dern, Partnern und Freunden der Sozialwerke wird es uns möglich sein, das Vermächtnis von Pfarrer Sieber in die Zukunft zu tragen. • Vanessa Oelz, Stiftungsratspräsidentin
Eine Würdigung
Am Pfingstwochenende ist Pfarrer Ernst Sieber verstorben – er wird uns lebhaft in Erinnerung bleiben und seine Werke werden weiterleben. Sein Schalk, seine Redegewandtheit und seine starken Bilder waren seine Markenzeichen.
Er sah den offenen Himmel Als hätte er es geahnt: «Dankbarkeit ist der Weg zu Gott» war der Titel des letz ten Artikels, den unser Stiftungsgründer für die Sieber Ziitig schrieb. Ich zitiere: «Vielleicht mag es etwas irritieren, aber wir müssen sogar dem Tod dankbar sein. Denn durch den Tod erst erhält die österliche Botschaft der Auferste hung ihre tröstende und befreiende Kraft. Ohne Tod keine Auferstehung. Der Tod trennt uns nicht von der Liebe und damit von Gott – er ermöglicht sie erst in ihrer tiefsten Dimension». Daneben das Bild des offenen Himmels, das ihm eines seiner liebsten Werke war. Ein Bild, aus dem das Licht der Auferstehung einem richtiggehend entgegenfliesst, sie liebevoll umgibt. Der durch den Staub ging Ungezählten hat unser Pfarrer diesen Himmel geöffnet, indem er sich ihnen zuwandte, sich tief bückte, um ihnen in
die Augen und in die Herzen zu sehen. Ein wahrer Diakon: der «dia-konos» ist der, der durch den Staub geht; unser Pfarrer einer, der seinem Heiland durch den Staub, durch die Strassen Zürichs folgte und ihn in den Schwächsten, den Traurigsten, den Vernachlässigsten fand. Ungezählte Menschen, an Leib und Seele tief verletzt, durften in der Begegnung mit diesem Mann Gottes und seinen Helferinnen und Helfern neue Hoffnung, Heilung und neues Le ben finden. Auferstehung im Diesseits. Wenn die Lebenskraft nicht mehr reichte, durften diejenigen im Sterben jene Würde wiederfinden, die ihnen die Obdachlosigkeit, die Gnadenlosigkeit von Platzspitz und Letten genommen hatte. Getröstet und geliebt durften sie in den offenen Himmel eingehen, durf ten sie sich dem Licht und der Wärme der Auferstehung Christi anvertrauen. Nun ist er ihnen gefolgt.
Er war a Mensch Der Autor und Journalist Wolfgang Koydl hat mir dieser Tage geschrieben: «Ernst Sieber war, wie die Juden sagen, a Mensch. Eine höhere Würdigung gibt es im Jiddischen nicht». Dieser Mensch wird uns Vorbild bleiben. Immer wieder hat er uns gezeigt, ja ans Herz gelegt, ins Herz geschaufelt und gehämmert, was es heisst, Diakon zu sein, sich bücken zu können, Menschen auf Augen- und Herzenshöhe zu begegnen und zu berühren: Menschlichkeit, Wertschät zung, Würde, Gerechtigkeit. Demut als Mut zum Dienen. Und dies alles umgrif fen vom inneren Kern des Evangeliums: Von Glauben, Hoffnung und Liebe. Seine Botschaft möge in unseren Herzen und unserem Handeln weiter leben. Damit die Liebe zu ihrer tiefsten Dimension findet. Und der Himmel über den Schwächsten offen bleibt. • Christoph Zingg, Gesamtleiter Gesamtleiter Christoph Zingg befragt Wegge fährten nach ihren Erinnerungen.
Ein ergreifender Abschied
Mehrere tausend Menschen erwiesen Pfarrer Sieber am 31. Mai im Grossmünster und am 2. Juni 2018 auf dem Platzspitz die letzte Ehre.