Laufen für Menschen in Not
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Sieber Ziitig
Sozialwerke Pfarrer Sieber
auffangen – betreuen – weiterhelfen
Nr. 3/2017
Knollen, aus denen Leben spriesst
25
Jahre Sunedörfli (siehe Seite 4)
Mehr als 400 Drogensüchtige fanden in den letzten 25 Jahren den Weg in ein suchtfreies Leben. Eine Erfolgsgeschichte. Editorial
Nach einem Gottesdienst im Pfuusbus in der Adventszeit sprach mich ein Gast an: «Ich möchte raus aus alledem», sagte er leise, und unterstrich diesen einen Satz mit einer Handbewegung, die alles umfasst, was er verlassen wollte: Den grauen Tag, die trostlose Stimmung unter den Suchtkranken, der Stress für die nächste Dosis, die Einsamkeit, das Gefühl, immer wieder zu versagen. Und dann: «Ich habe Kinder… und es ist bald Weihnacht…» Wer «da raus» möchte, hat es heute unglaublich schwer. Ein Umstieg aus einem von Sucht und Abhängigkeiten bestimmten in ein eigenverantwortliches Leben ist eine Riesenleistung. Wer «da raus» möchte, verlässt alles, was jahrelang sein Lebensumfeld war, konfrontiert sich mit der eigenen Lebens- und Suchtgeschichte und insbesondere den schmerzhaften Momenten, lernt sich von Grund auf kennen, lernt noch einmal von Grund auf zu sprechen, zu glauben, zu handeln, zu arbeiten und zu leben. Diese grosse persönliche Leistung wird zusätzlich zur Herausforderung angesichts der geringen Wertschätzung, die diese Menschen erfahren: Substitutionsprogramme sind billiger als eine umfassende und nachhaltige Rehabilitation. Der Einstieg in den Arbeitsmarkt ist steinig – wer stellt schon einen ehemaligen Junkie an? Und eine eigene Wohnung – bei dem Betreibungsregister? Zudem muss ein neuer Freundeskreis erst aufgebaut werden. Auch hier stossen ehemalige Drogenkranke auf Vorurteile. Nicht zuletzt, weil die Spuren einer jahrelangen Sucht sich in jedem Gesicht, jeder Hand, jeder Bewegung einprägen. Damit der, der da raus möchte, auch raus kommt, braucht es ein Sunedörfli. Braucht es Arbeitgeber, die Mut haben und Vertrauen. Braucht es ein paar Nachbarn, die ihre Türen, ihre Arme und ihre Herzen öffnen. Wo er das findet, sind seine Chancen gross, wirklich «raus» zu finden.
• Christoph Zingg, Gesamtleiter
Licht lässt Kartoffeln spriessen. Eine schöne Analogie für ehemals Suchtkranke, die dank menschlicher Wärme zu neuem Leben aufbrechen. (Bild: Pfarrer Sieber)
S
ucht ist eine Geissel. Und beängstigend stark. Wen sie packt, den lässt sie nicht mehr los. Jedenfalls nicht mehr ohne gewaltige Anstrengungen. Darum erstaunt es auch nicht, dass viele Süchtige ohne beherzten und engagierten Beistand lieber Mitmenschen früher oder später resignieren und ihren Kampf für ein unabhängiges, verantwortungsvolles Leben aufgeben. Das ist eine Tragödie. Das Sunedörfli ist ein gewollter Kontrapunkt gegen die Macht der Sucht und das schönfärberische Dogma der Substitution. Es ist ein Acker, aus dem ungeahntes
Leben spriesst. Seit ich das Sunedörfli vor einem Vierteljahrhundert ins Leben rief, haben über 400 ehemalige Drogensüchtige hier zu sich selbst gefunden. Sie haben hier dank der Unterstützung und Begleitung engagierter und kompetenter Wegbegleiter einen Neuanfang machen können und leben heute suchtfrei und von staatlicher und privater Hilfe unabhängig. Ich vergleiche sie gerne mit Kartoffeln. Diese unscheinbaren, äusserlich eher hässlichen Knollen bergen in ihrem Inneren wunderbares Leben. Trifft Licht auf die Kartoffeln, beginnen sie zu keimen. Ein guter Bauer weiss, was er an einer Kartoffel hat. Während des 2. Weltkriegs arbeitete ich auf einem nahen Bauernhof als Knecht. Hier musste ich oft Furchen machen und Kartoffeln abkiemen. Eines Tages hörte ich, wie andere Knechte der Magd Martha zuschauten, als sie Kartoffeln ausgrub und diese behutsam in einen Korb legte. Als der Korb voll war, faltete sie die Hände und betete. Die Knechte lachten. Da kam der Bauer vorbei. Er sah die lachenden Knechte und schalt sie. «Sie macht, was ihr alle auch tun solltet!», rief
er. «Sie dankt dem Herrgott für die kleine Ernte, die sie eingebracht hat. Sie macht ihre Arbeit vorbildlich.» Womit ich wieder zum Sunedörfli komme. Die Menschen, die hier von den Drogen loskommen wollen, mögen auf den ersten Blick unansehnliche Biografien haben, in ihrem Inneren aber bergen sie Leben. Bloss erkennen wir das immer weniger. Weil es uns an Geduld und Liebe mangelt. Es ist kein Zufall, dass das Sunedörfli an einem steilen, sonnigen Abhang über der friedlich dahinfliessenden Sihl liegt. Im Spannungsfeld karger Alpwirtschaft und fruchtbarer Flusslandschaft kommt dem Licht eine entscheidende Rolle zu. Unter grossen Anstrengungen kämpfen sich hier ehemals schwer drogensüchtige Menschen aus dem Schlamassel ihres Lebens in eine verheissungsvolle Zukunft. Möge dies weiterhin möglich sein.
• Pfarrer Dr. h.c. Ernst Sieber
Der Pausenraum befindet sich im Treppenhaus.
Endlich mehr Platz! In Zürich-Affoltern entsteht ein Neubau. Für unser Spital benötigen wir dringend mehr Platz für Patienten und Pflgende. Unser Spital Sune-Egge an der Konrad strasse ist heute in einem engen, fünfgeschossigen Wohnhaus untergebracht. Es verfügt über keinen Bettenlift und kaum geeignete Behandlungsräume. Die beengenden Verhältnisse sind für Patienten und Personal eine tägliche Herausforderung. Seit Jahren halten wir Ausschau nach einem Haus, das den Anforderungen an ein Spital entspricht. Nun zeichnet sich eine Lösung ab: Die reformierte Kirche will bis Ende 2021 in Zürich-Affoltern gleich neben dem
Kirchenzentrum Glaubten einen Neubau errichten, und wir sind Hauptmieter. Neben dem Sune-Egge werden auch unsere Pflegestation Sunegarte und die Wohnsiedlung Brothuuse nach Glaubten zügeln. Beide haben nur einen befristeten Mietvertrag. Damit erfüllt sich ein Traum! Weil wir kein Geld für einen Neubau haben, ist die Kooperation mit der Landeskirche ein Geschenk. Um die Mietkosten niedrig zu halten, werden wir den Innenausbau des «Sieber-Huus» selbst mit Legaten finanzieren. Unseren Spendengelder benötigen wir weiterhin für die dringend notwendige Arbeit zugunsten Bedürftiger. (arb)