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Schneller

Postkutsche Ursprünglich wurden Postsendungen – und auch Passagiere – in ungefederten Pferdewagen befördert, teils sogar ohne Verdeck. Erst mit den Fortschritten im Straßenbau etablierte sich die Kutsche und damit ein Minimum an Komfort. Die Reisegeschwindigkeit der Kutsche steigerte sich ebenfalls über die Jahrhunderte: Um 1700 reiste man noch sehr langsam mit etwa 2 km/h, im 19. Jahrhundert, als es schon Landstraßen gab, waren es dann 10–12 km/h, was Distanzen von bis zu 100 Kilometern am Tag ermöglichte. Zu dieser Hochzeit der Fahrpost gab es zwischen damals wichtigen europäischen Handelszentren täglich etwa eine Verbindung. Als die Eisenbahn zunehmend ausgebaut wurde, wurde der Transport mit der Postkutsche unattraktiv – durch den Benzinmangel im Ersten Weltkrieg erlebte sie in Europa aber noch mal eine Renaissance, bevor sie dann endgültig als Museums exponat endete.

Stagecoach

Originally, both post and passengers were transported in unsprung horse-drawn carriages, some of which did not even have soft tops or roofs. It took advances in road building for carriages to become established and offer a minimum degree of comfort. Their speed also increased over the centuries. Back around 1700, they still travelled very slowly – at about two kilometers per hour. But following the construction of rural roads in the 19th century, they could manage ten to twelve kilometers per hour – bringing journeys of up to 100 kilometers into range. In the heyday of mail coaches, there was roughly one connection a day between the main European trading centers of the time. Following the advent of the railway, transport by stagecoach lost its appeal. However, due to fuel shortages during the First World War, the carriages experienced a revival in Europe – before fi nally entering retirement in museums across the continent.

Schnell zu mehr Langsamkeit

Miriam Holzapfel im Gespräch mit dem Zeitforscher und Wirtschaftspädagogen Karlheinz Geißler über Takt, Rhythmus und den Charme von Wartezeiten

Herr Professor Geißler, wir waren für 11 Uhr verabredet, und eigentlich hatte ich mich beeilt, um auf die Minute pünktlich zu sein. Vor ihrem Haus kamen mir dann Zweifel: Legen Sie auf eine solche Pünktlichkeit überhaupt Wert? Nun, Sie sehen es ja: Ich sitze im Rollstuhl, weil ich früher Kinderlähmung hatte. Bis vor zehn Jahren konnte ich zwar noch gehen, aber ich konnte nie aus eigener Kraft beschleunigen, ich konnte nie schnell sein, mich nie sehr beeilen. Ein solches Leben setzt voraus, dass man verschiedene Zeitformen leben kann: Man muss warten können, Pausen aushalten, man muss langsam sein können – und all diese Zeitformen produktiv machen. Und deshalb ist Pünktlichkeit eine Kategorie, die für mich nicht wichtig ist.

Aber wie verabreden Sie sich dann? Ich mache keine Zeitpunktverabredungen, sondern Verabredungen für Zeiträume. Ich sage: Kommen Sie so zwischen 11 Uhr und 12 Uhr, oder: Kommen Sie am späten Vormittag. So machen das übrigens auch Naturvölker und andere Gesellschaften, die wirtschaftlich nicht ganz so prosperieren. Oft finden wir das sehr reizvoll, denken Sie an Italien, wo man es mit der Pünktlichkeit auf die Minute auch nicht ganz so genau nimmt. Und doch organisiert sich unsere Gesellschaft in der Regel streng nach der Uhr.

Wie organisieren Sie Ihren Tag ohne Uhr? Gerade wenn man keine Uhr nutzt, bekommt man irgendwann ein sehr gutes Gefühl dafür, wie spät es ist. Und das reicht mir. Ich schaue zur Sonne und weiß, welche Tageszeit es ist, und ich fühle, wenn Mittag ist oder wenn die Zeit für eine bestimmte Handlung gekommen ist. Bevor ich mich am Morgen an den Computer setze, koche ich mir beispielsweise erst einen Espresso. Solche Rituale strukturieren meinen Tag, und ich weiß immer, an welcher Stelle ich mich gerade befinde und welche Phase als Nächstes kommt.

Reicht dieses Gefühl aus, um beispielsweise einen Zug zu bekommen? Der fährt ja genau zu einem bestimmten Zeitpunkt ab und nicht nur so ungefähr.

Prof. Dr. em. Karlheinz Geißler war bis zu seiner Pensionierung Universitätsprofessor in München. Er ist Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik und des Tutzinger Projekts Ökologie der Zeit. Zuletzt ist von ihm Die Uhr kann gehen: Das Ende der Gehorsamkeitskultur erschienen.

Prof. Dr. Karlheinz Geißler was a university professor in Munich until his retirement. He is a cofounder of the German Society for Time Policy and the project “Ecology of Time.”

Na, so ist es ja eben gerade nicht. Die Bahn ist eine sehr elastische Organisation, was Zeit betrifft, sie ist ein Scheinriese im Hinblick auf Pünktlichkeit. Viele Leute erreichen einen Zug nur deshalb, weil er verspätet ist. Wenn ich von Frankfurt nach München fahren will, und das kommt öfter vor, dann begebe ich mich zum Bahnhof, wenn ich bereit bin, und meistens kommt ein Zug früher, als ich es erwarte. Und sicher erreiche ich am Ende der Reise meinen Zielort – darauf kommt es an. Pünktlichkeit ist eine Sache, die man gerade bei Zugreisen lieber nicht erwarten sollte. Beim Autofahren macht man das ja auch nicht, dass man eine Ankunft nach langer Fahrt auf die Minute genau einhält. Ich habe eine Zeit lang den DeutschenBahnVorstand beraten und immer empfohlen, nicht ausgerechnet mit Pünktlichkeit fürs Bahnfahren zu werben, denn das produziert permanent Enttäuschung. Wichtig ist, dass die Bahn überhaupt fährt, dass sie sicher ist und einen gewissen Komfort bietet. Unsere Gesellschaft erfordert doch sonst auch sehr viel Flexibilität, und aus einer gewissen Unpünktlichkeit ergeben sich überall Chancen. Das Warten auf einen Zug beispielsweise kann sehr produktiv sein, der Philosoph Walter Benjamin hat es einmal ungefähr so formuliert: Je länger ich warten muss, desto schöner werden die Frauen. Zuletzt hat die CoronaPandemie sehr viel Warte und Pausenzeiten mit sich gebracht, die viele Menschen eher weniger schön fanden. Wie haben Sie als Zeitforscher diese Phase der Entschleunigung erlebt? Natürlich war das sehr spannend für mich. Das Interessante ist, dass die Pandemie eine besonders radikale Form des Ausbremens gewesen ist. Allerdings wurde die Gesellschaft als solche dabei gar nicht wirklich entschleunigt. Zwar hat in vielen Bereichen des Lebens die Geschwindigkeit abgenommen, viele Menschen mussten morgens nicht mehr schnell aus dem Haus oder auf dem Weg nach Hause rasch noch etwas einkaufen. Auf der anderen Seite gab es aber auf einmal ganz neue zeitliche Belastungen, der Arbeitsalltag wurde sehr verdichtet: Alles musste neu koordiniert werden,

Von März 2020 bis März 2021 hat der Fotograf Noah Kalina fast jeden Tag den Blick ins Tal des Delaware River im Staat New York aufgenommen und so den Fluss im Rhythmus der Jahreszeiten porträtiert.

Every day from March 2020 to March 2021, the photographer Noah Kalina took a picture of the Delaware River valley in New York State, capturing the rhythms of the seasons. man musste für sich selbst eine Festlegung treffen, wann man morgens aufsteht, wann man mit der Arbeit anfängt und wann man eine Pause macht, um sich um Haushalt oder Familie zu kümmern. Es sind in der Pandemie viel mehr Zeitentscheidungen zu treffen gewesen und nicht etwa weniger, nur weil das gesellschaftliche Leben insgesamt ausgebremst wurde. Und man muss erst einmal lernen, wie man das überhaupt macht, wie man sich organisiert und wie man Familienleben und Arbeitsleben voneinander trennt.

Wie gelingt es mir, wieder mehr nach der eigenen Ordnung zu leben? Na, indem ich mich nicht immer nach der Uhr richte. Die Uhr ist eine bestimmte Form von Ordnung, und wenn ich sie ablege, organisiere ich meine Zeit wieder selbst, nicht mehr nach einem Gerät ausgerichtet, sondern nach der jeweiligen Situation. Anders ausgedrückt: Ich muss nach Zeitqualitäten leben – die Uhr zeigt aber nur Quantität. Beispielweise beginnt die Schule immer um acht, egal ob die Kinder noch müde sind oder nicht. Das ist überhaupt nicht sinnvoll. Besser wäre es, wenn Kinder morgens dann in die Schule gehen könnten, wenn sie auch wirklich lernfähig sind, wenn man also in den Schulen ein Gleitzeitmodell einführen würde. Kinder und Eltern wären dann aufgefordert, die Zeiten des eigenen

 »Wohlstand entsteht durch Schnelligkeit, aber wirkliche

Zufriedenheit kommt durch Langsamkeit.«

Körpers als Maßstab zu nehmen und nicht die der Uhr. Wenn man so will, war dies ein Vorteil der Pandemie: Dass die formalen Strukturen größtenteils weggefallen sind und man zu einer eigenen Ordnung finden konnte. Dafür sind Rituale hilfreich, sonst steht man am Ende am Kochtopf und rührt mit dem Smartphone um, weil man gedanklich noch bei der Arbeit ist. Es braucht im Laufe eines Tages jeweils Distanz zum Vorangegangenen, und die bekommt man, indem man Übergänge organisiert und Pausen macht. Wo es aber nicht gelingt, eine eigene Ordnung zu schaffen, entsteht Stress.

Insgesamt ist es ja so, dass Schnelligkeit im Arbeitsleben in aller Regel gern gesehen ist, während Langsamkeit oft als Makel interpretiert wird. Hat die Schnelligkeit ihren guten Ruf zu Unrecht? Das finde ich nicht. Der Schnelligkeit ist viel zu verdanken, und es ist verständlich, dass die Ökonomie auf Schnelligkeit setzt, weil dort eben Zeit in Geld verrechnet wird. Wenn Sie kein Geld verlieren wollen, müssen Sie beschleunigen. Und das führt letztlich zu volkswirtschaftlichem Wachstum. Die Schnelligkeit hat also großartige Vorteile, sie macht uns wohlhabend: Dort, wo es sehr, sehr schnell gehen muss, wird am meisten Geld verdient, an der Börse zum Beispiel. Es gibt im Finanzwesen keine Zeit, die nicht in Geld verrechnet wird. Umgekehrt ist es so, dass das, was man nicht beschleunigen kann, meist nicht besonders gut bezahlt wird, Pflege zum Beispiel. Das alles hat aber Grenzen, und man muss sehen, an welcher Stelle Schnelligkeit wirklich sinnvoll oder notwendig ist. Der Mensch kann nicht permanent nur beschleunigen, denn Beschleunigung verbraucht Ressourcen. Für ein wirklich gutes Leben benötigen wir auch Zeiten, die nicht in Geld verrechnet werden können. Diese Zeiten sind ebenfalls überaus wichtig und produktiv. Man kann beispielsweise nicht dauerhaft den Schlaf verkürzen, wenn man sich gut fühlen will. Also, Wohlstand entsteht durch Schnelligkeit, aber wirkliche Zufriedenheit kommt durch Langsamkeit. Das heißt, man sollte die eine Zeitform nicht grundsätzlich der anderen vorziehen? Aber nein! Ich bin für Vielfalt, auch in der Zeit. Es gibt viele Zeitformen, und alle haben etwas Produktives, sonst gäbe es sie nicht. Wir müssen daher schauen, welche Produktivkraft in den verschiedenen Zeitformen jeweils liegt und wie wir zu einer Zeitorganisation kommen, die uns zufriedenstellt. Das heißt, wir müssen zwischen Takt und Rhythmus unterscheiden. Wenn wir uns nach der Uhr organisieren, organisieren wir nach Takt – und der kann beschleunigt werden. Takt heißt Wiederholung ohne Abweichung: Jede Stunde ist gleich lang, und wenn eine Stunde nicht gleich lang ist, ist die Uhr kaputt. In der Natur ist das anders, sie ist rhythmisch organisiert, und daran können wir uns orientieren: Im Winter sind andere Zeiten angesagt als im Sommer, die Tage sind je nach Jahreszeit unterschiedlich lang, es gibt Ruhephasen und Beschleunigung, und alle Phasen haben ihre Berechtigung und ihre Dauer. Es gibt deshalb kein Volk auf der Erde, das keinen Rhythmus hätte, das nicht tanzt und singt. Aber es gibt viele Völker ohne Uhr.

Das bedeutet, dass dem Menschen Rhythmus eingeschrieben ist, Takt aber nicht? Genau, jedes Leben ist rhythmisch. Und wenn es Zeitprobleme gibt, ist immer Rhythmus die Lösung. Ich bin deshalb auch für eine Verteilung des Ruhestands auf das gesamte Leben. Das könnte so aussehen, dass wir längere Urlaube machen oder dass Eltern Erziehungszeiten nehmen. Das wird ja bereits in einigen Staaten unterstützt und finanziert, das sind wirksame symbolische Handlungen, die in Richtung einer Gesellschaft weisen, die die Vielfalt von Zeiten anerkennt. Auch im Hinblick auf den Klimawandel ist das eine wichtige Forderung: Wir müssen sehr schnell zu mehr Langsamkeit kommen.

Nicht nur Langsamkeit, auch das Warten ist den meisten Menschen sehr unangenehm. Warum ist das so? Es gibt unterschiedliche Formen des Wartens. Es gibt ein

 »Jedes Leben ist rhythmisch. Und wenn es Zeitprobleme gibt, ist immer Rhythmus die Lösung.«

Warten, das sehr lästig ist: Wenn jemand anders uns warten lässt, denn das ist immer mit Herrschaft verbunden. Da sitzt man dann in Vorzimmern oder auf langen Gängen oder an zugigen Orten und fühlt sich der Organisation eines anderen ausgeliefert. Es gibt aber auch ein Warten, das hochproduktiv ist. Ein Bauer, der gut warten kann, bekommt die besten Äpfel oder die besten Kartoffeln. Da gibt es nichts zu beschleunigen. Auch das erzwungene Warten, weil der Zug vielleicht eben doch noch nicht kommt oder weil es einen Sturm gibt, kann durch andere Dinge kompensiert werden, durch Sozialkontakte etwa, die uns guttun. Man kann zum Beispiel Wartezeit nutzen, um endlich wieder jemanden anzurufen, mit dem man lange nicht gesprochen hat, oder man sucht das Gespräch mit jemandem, der sich ebenfalls in dieser Situation befindet. Oder man atmet, einfach mal durch.

Zeit wird also als angenehmer erlebt, wenn ich mich auf die jeweilige Situation einlasse, anstatt mich abzulenken? Ja, auf die jeweilige Situation und auf die Zeitformen, die die verschiedenen Situationen uns anbieten. Natürlich gibt es Zeiten, da muss man einfach schnell sein, und das ist völlig in Ordnung. Es gibt aber auch andere Zeiten, wo das nicht notwendig ist. Und das sollte man erkennen und unterscheiden können, dafür sollte man ein Gefühl entwickeln. Es geht darum, eine Verbindung mit der Umgebung herzustellen, mit dem sozialen Raum und mit der Natur. Wenn das gelingt, dann geht es uns gut, in welcher Zeitform auch immer.

Miriam Holzapfel hat Kulturwissenschaften studiert und arbeitet als Redakteurin und Autorin. Sie betreut verschiedene CorporatePublishingProjekte, so auch den ATLAS für Gebrüder Weiss.

Slow down! Pronto!

Miriam Holzapfel talks to Karlheinz Geißler about timing, rhythm and the allure of having to wait

Professor Geißler, we had an appointment for 11:00 a.m. and I had actually rushed to make sure I would be on time. But when I reached your front door, I started to have doubts. Is punctuality important for you at all?

Well, as you can see: I’m in a wheelchair because I contracted polio as a child. Ten years ago I could still walk, but I could never accelerate my stride under my own steam. Speed was out of the question. I could never really hurry. A life like mine forces you to view time through a different prism. You need to learn how to wait, to tolerate lulls in activity, periods of respite; you need the ability to accept a leisurely pace – and to make all of this passing time productive. And for those reasons, no: punctuality is not key to the way I think.

How do you arrange to meet others then?

I don’t make appointments for specific times. I make them for specific periods. I say, “Drop by between eleven and noon,” or “Come in the late morning.” Incidentally, primitive peoples and other societies do just that, ones that aren’t quite as affluent. We often find this very appealing, just think of Italy where they don’t take punctuality so seriously. Broadly speaking, time is a constraint on our society.

If you don’t go by the clock, how do you manage your schedule?

At some point you develop a very good feel for passing time, especially if you don’t clockwatch. And that’s good enough for me. I look at the sun and know what time of day it is. I can sense when it’s midday or when it’s time to do something specific. For example, I make myself an espresso of a morning before settling down at my computer. Rituals like that help me structure my day, and I always know which point I have reached and which phase is up next.

Is this sense of time good enough to catch trains, for example? They don’t depart at an approximate time, they leave on the dot.

Well that’s simply not true. Rail services are very elastic time-wise. Their punctuality is an illusion. Often enough, people only catch trains because they have been delayed. If I want to travel from Frankfurt to Munich, which I do quite frequently, then I head for the station when I’m ready and usually a train comes earlier than I expect. I’m sure to arrive at my destination eventually – and that’s the main thing. Punctuality is not something you should count on, especially if you are traveling by train. Car users certainly don’t expect to arrive right on schedule at the end of a long drive. I was a consultant for the German Railways Board for a while and always told them not to feature punctuality in their advertising – because it always prompts disappointment. What matters is that the train is actually running, is safe and offers a modicum of comfort. In other respects, our society demands a great deal of flexibility, and a little tardiness creates all kinds of opportunities. Waiting for a train, for example, can be very productive. The philosopher Walter Benjamin once put it roughly like this: the longer I have to stand around, the more attractive the women become.

More recently, Covid-19 has resulted in lots of pauses, intervals and waiting – which plenty of people likely found less attractive. As a time researcher, how did you experience this slowdown?

That was obviously a very fascinating time for me. The interesting thing is that the pandemic slammed the brakes on society with so little warning. However, the speed of society didn’t really decline as such. True, the pace slowed in many areas: lots of people no longer had to rush out in the morning or dive into a shop on the way home. But, on the other hand, there were suddenly completely new time pressures, as the working day became very condensed. Everything had to be recalibrated, you had to decide for yourself when to get up, when to start work and when to take a break to care for a member of your family or household. Many more timerelated decisions had to be made during the pandemic, not fewer. For the simple reason that life in our society had slowed down. And you have to learn how to do all that from scratch, how to organize your own life, and how to keep your personal and professional spheres separate.

How can I learn to live more in sync with my own inner clock?

Well, by not always checking your watch. Watches impose certain strictures and, when I take mine off, I am free to dispose of my time as I see fit again. To allocate it according to the demands of situations, rather than starting and stopping when my watch says its time. Put differently, I have to structure my time according to its quality – whereas clocks only show the quantity. For example, schools always start at 8:00 a.m. in Germany, regardless of whether the children are still tired or not. That makes no sense whatsoever. It would be better for school days to begin when kids are genuinely capable of learning, i.e. if a kind of flextime was introduced. Children and parents would then be asked to consult their own body clocks, rather than the ones on the wall. If you like, this has been one advantage of the pandemic: that formal structures have largely been suppressed and people can rediscover their natural rhythms. Rituals are helpful in this respect. Otherwise you can end up standing at the stove and stirring the soup with your cellphone – because your head is still crammed full of work. During the course of a day, you need to leave the previous day behind. And you can do that best by defining transitions and taking breaks. If you don’t succeed in managing your own time, higher stress levels are the inevitable outcome.

Overall, speed is welcomed in our workaday world, whereas slowness is often seen as a failing. Is speed’s positive reputation unjustified?

Not in my view. We owe a lot to speed and it is understandable for commerce to prioritize it – because in that domain time literally is money. You have to pick up the pace if you don’t want to lose out. Ultimately, that generates economic growth. So speed has fantastic benefits, it makes us affluent. The most money can be earned where speed is absolutely paramount, where things have to happen very, very quickly. On the stock market, for example. In the world of finance, all time is charged monetarily. Conversely, things that can’t be accelerated are not typically paid very well. Caring for others, for example. But there are limitations to all of this, and you have to look closely – to see where speed really is necessary and makes sense. Humans can’t keep accelerating the whole time, because acceleration consumes resources. To enjoy really rewarding lives, we also need times that cannot be counted as a cost. These times too are extremely important and productive. For example, you can’t permanently cut back on sleep if you want to feel fit. So while speed is the source of prosperity, real satisfaction derives from slowness.

You mean, we shouldn’t fundamentally prioritize one type of time over the other?

Absolutely not! I’m a fan of diversity, even when it comes to time. There are lots of different types of time and all of them have something to offer. Otherwise they wouldn’t exist. So we need to work out which type offers which productive benefit, and how we can best create a mix that we find fulfilling. Put differently, we need to distinguish between the beat and the rhythm. If we base our schedules on clocks, we structure it by beat – and that can be accelerated. Beat means repetition without deviation: every hour is the same length and if one isn’t, it means you need a new clock. Things work differently in the natural world. Nature is structured by its rhythms, and we can align ourselves with them accordingly. Different times are required in winter and summer. The days vary in length, depending on the season. There are rest phases and periods of acceleration, and they all have their legitimacy and duration. For this reason, there are no peoples on earth who completely lack rhythm, who don’t sing and dance. But there are plenty who don’t own clocks.

Does that mean that we are born with rhythm, that – unlike beat – it is innate to us?

Exactly, all life is rhythmical. And when time problems arise, rhythm always offers the solution. That’s why I’m also an advocate of distributing our retirements over our entire lives. That could mean taking longer vacations or parents taking more time off to care for their children. Some countries are already supporting and financing these effective and symbolic actions, actions that single out those societies that acknowledge the diversity of time. It’s also an important weapon against climate change. We need more slowness. Pronto!

It isn’t just slowness that most people dislike. The same also applies to waiting. Why is that?

Waiting takes different forms. One type is very aggravating: when somebody else makes us wait, because that’s always about exploiting power they have to control you. You end up sitting in an antechamber, a long corridor or drafty room, and feel like you are under the thumb of that person’s organization. But there’s another kind of waiting, one that is highly productive. Farmers with an abundance of patience harvest the best apples and potatoes. There’s nothing that can be accelerated there. Even involuntary waiting – because a train hasn’t arrived or a storm is blowing over – can be compensated by other things that are beneficial for us. That includes engaging with others. For example, rather than wasting the time, you can use it to call someone you haven’t heard from for ages, or you can chat to somebody else in the same predicament. Or you can simply take a nice, deep breath.

So I experience time as more pleasant if I embrace the situation at hand, rather than trying to extricate myself from it? Is that right?

Yes, we need to accept such situations and the various types of time each one offers us. Of course, there will always be occasions when speed is imperative, and that’s absolutely fine. But there are others when it is redundant. And we need to recognize that, and learn to distinguish between them. And to develop a feel for time. It’s about connecting with our environment, with our social space and with nature. If we succeed, that makes us happy – no matter what type of time it is.

Miriam Holzapfel, studied Cultural Studies and works as an editor and copywriter. She manages an array of corporate publishing projects including ATLAS for Gebrüder Weiss.

Geschwindigkeit ist nicht alles

text Michael Mittermüller

Pandemie und ECommerce haben das Tempo in der Logistikbranche in neue Höhen getrieben. Dabei hat ein Umdenken von Schnelligkeit hin zu Präzision und Nachhaltigkeit schon längst eingesetzt.

Gerade erst mit einem Klick im Internet bestellt, und schon klingelt der Lieferant mit der Ware an der Tür. Eine Traumvorstellung? Wohl schon mehr Realität. Viele Kunden erwarten sich eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden – unabhängig davon, woher die Zustellung kommt. Von der Same Day Delivery über die WunschzeitLieferung bis hin zur EchtzeitVerfolgung der Sendung: Geschwindigkeit war immer schon eine Basisanforderung an die Logistik. Der Boom im ECommerce, vor allem während der Pandemie, bringt die Logistikbranche dennoch zunehmend an ihre Grenzen. Lässt sich dieses Tempo noch weiter steigern? Und ist Tempo wirklich das alles entscheidende Kriterium?

Internet als Treiber Damals galt es als echte Sensation: Vor rund 20 Jahren wurde innerhalb von Deutschland erstmals der OvernightService eingeführt, der eine Zustellung am nächsten Werktag garantiert. »Das Tempo in der Logistik hat schon seit Jahrzehnten stark zugenommen, der Trend ist nicht neu. Durch das Internet ist dieses Phänomen jedoch noch beschleunigt worden«, erklärt Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU).

Warten kostet Geld Klar ist: In bestimmten Branchen oder Situationen ist eine rasche Lieferung unumgänglich. Fällt eine Maschine in einer Fabrik aus, muss sofort ein Ersatzteil her – denn jede Minute des Stillstands in der Produktion kostet das Unternehmen Geld. Auch dann, wenn in der JustinTimeProduktion Verzögerungen eintreten. Oder wenn es um Waren geht, die im Alltag unerlässlich sind. »Waschmaschinen oder Kühlschränke müssen schnell da sein. In Wien haben wir beispielsweise ein Expresswarenlager, dadurch können wir eine 24StundenLieferung im Rahmen unseres HomeDeliveryService für Endkunden in Österreich garantieren«, sagt Peter Schafleitner, Regionalleiter Mitte bei Gebrüder Weiss.

Doch mehr Geduld Und was erwartet sich der Endkunde? Eine Untersuchung des Instituts für Handelsforschung Köln (IFH) aus dem Vorjahr bringt hier durchaus überraschende Ergebnisse. Die Konsumenten sind hinsichtlich der Schnelligkeit einer Lieferung großzügiger geworden. 2019 wünschten sich 31 Prozent ihre bestellten Produkte innerhalb von einem Tag. Dieser Anteil hat sich während der CoronaPandemie auf nur noch 15 Prozent halbiert. Acht von zehn Konsumenten reicht eine Zustellung innerhalb von drei Tagen. Ein laut IFH wahrscheinlicher Grund für diese Entwicklung: Die Kunden zeigen aufgrund der aktuellen Lage gerade mehr Verständnis und Solidarität gegenüber den Zustellern. Offen bleibt die Frage, ob dieser Trend auch langfristig halten wird.

Für Kummer ist das Tempolimit bereits erreicht. »Mit einer einfachen Prozessoptimierung lassen sich die Geschwindigkeiten nicht mehr steigern. Noch mehr Tempo geht zulasten der Effizienz und der Umwelt«, sagt der WUProfessor. Ein einfaches Beispiel: Würde eine Getränkelieferung an einen Händler nur alle zwei Tage statt täglich durchgeführt werden, wären ein höheres Sendungsvolumen und eine bessere Planbarkeit möglich.

Peter Schafleitner ist schon seit mehr als dreißig Jahren für Gebrüder Weiss tätig. Seit 2015 ist er Direktor und Regionalleiter Mitte und war maßgeblich an der Entwicklung des HomeDeliveryGeschäfts beteiligt.

Peter Schafleitner has been working for Gebrüder Weiss for more than three decades. Since 2015 he has been Director and Regional Manager Central, playing a pivotal role in the development of the home delivery segment.

Schnell kommissioniert, schnell geliefert: Die Abläufe in der Logistik sind eng getaktet.

Quick picks delivered fast: logistics processes are timed to perfection.

Teure Geschwindigkeit Und obwohl dem Endkunden mit der kostenlosen Zustellung meist das Gegenteil suggeriert wird: Nicht nur Warten, auch Geschwindigkeit kostet Geld. »Ein Container, der mittels Seefracht aus China geliefert wird, ist sechs Wochen unterwegs. Mit dem Flugzeug schaffe ich das in drei Tagen, dafür kostet es das Mehrfache«, meint Schafleitner. Die Bahn ist über die Seidenstraße zwar nur halb so lange unterwegs wie die Seefracht, aber die Kosten verdoppeln sich ebenfalls.

Aber es gibt auch Hinweise, dass das Tempo einer gewissen Entschleunigung Platz machen könnte. In der Schifffahrt wurde laut Kummer beispielsweise schon zurückgerudert, was den Temporausch betrifft. »Auch Amazon ist zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Liefergeschwindigkeiten nicht ständig steigern lassen, und bietet den Kunden eine wöchentliche Zustellung an«, sagt der LogistikExperte. Getestet wurde diese wöchentliche Zustellung bereits 2019. Mehrere Bestellungen wurden gebündelt und teilweise in einem Paket verschickt. Damit wird auf der einen Seite Verpackung gespart, andererseits steigt durch den Wunschliefertag die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde zu Hause ist.

Umweltaspekt wird stärker In Zukunft gehe es darum, Aufklärungsarbeit bei den Kunden zu leisten. »Die Kunden müssen entscheiden, was ihnen am wichtigsten ist: Geschwindigkeit, Kosten oder Umweltfreundlichkeit«, sagt Kummer. Der Trend zur Umweltfreundlichkeit hat auch in der Logistik längst eingesetzt und ist für viele Kunden schon wichtiger als ein ausschließlicher Fokus auf die Geschwindigkeit. »In der Schweiz fahren wir mit einem WasserstoffLkw, wir haben mehrere GasLkw im Fuhrpark, und in Wien und Graz sind vollelektrisch angetriebene Wagen im Einsatz. Alle Sendungen innerhalb unseres Netzwerks können klimaneutral zugestellt werden. Es gibt immer mehr Kunden, denen nachhaltigere Konzepte auch etwas wert sind«, ergänzt Schafleitner.

Die Genauigkeit könnte der Geschwindigkeit in Zukunft ebenso den Rang ablaufen. Wunschzustelltermine, Delivery on Demand oder Click and Collect: Der Kunde erhält verstärkt die Möglichkeit, Zeitpunkt und Ort der Lieferung selber zu bestimmen. Das wird zunehmend nachgefragt und hat auch Einfluss auf die Lieferprozesse.

Die neue Langsamkeit Und möglicherweise sorgt ja auch ein Gewöhnungseffekt dafür, dass die Schnelligkeit nicht mehr die Hauptanforderung an Liefer und Produktionsprozesse ist. Denn diese sind derzeit aufgrund der Pandemie sowieso viel langsamer. »Quer durch alle Branchen gibt es Probleme mit der Rohstoffbeschaffung und dem Nachschub«, erklärt Schafleitner. Sowohl in der Luft als auch auf See herrschen Kapazitätsprobleme, da Container für den Transport und Infrastruktur in den Häfen fehlen, dazu kommt noch der Fahrermangel in der Branche. »Wir rechnen damit, dass diese Situation noch bis zum Jahr 2023 anhalten wird«, sagt der Regionalleiter.

Geschwindigkeit ist bei vielen Lieferungen notwendig, aber sie ist nicht alles. Zuverlässigkeit, Transparenz und vor allem Präzision sind Faktoren, die verstärkt in den Vordergrund rücken. Und natürlich die Nachhaltigkeit: Durch die Bündelung von Paketen und die Nutzung von EAutos oder Lastenfahrrädern werden Lieferketten immer grüner. Und bei dieser Entwicklung ist das Tempo dann nicht mehr alleine entscheidend.

Markus Mittermüller ist freier Journalist in Wien mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Sport. Er ist Gründer des JournalistenNetzwerks www.medienkomplizen.at

As fast as it gets

TEXT Michael Mittermüller

The pandemic and e-commerce have propelled the pace of the logistics industry to record speeds. That said, insiders began prioritizing precision and sustainability long ago.

No sooner have users clicked OK on the Internet than the courier is on their doorstep, purchase in hand. A pure pipedream? It’s more likely reality than fantasy. Today many customers expect to get their goods within 24 hours – regardless of where the vendor is located. From same-day and scheduled deliveries through to real-time shipment tracking, speed has always been a core requirement in logistics. But the boom in e-commerce, above all during the pandemic, is increasingly stretching operations to breaking point. Are even shorter delivery times possible? And is speed really the only factor that counts?

The Internet has driven change

At the time it was an absolute sensation. Some 20 years ago, overnight delivery services were launched in Germany, guaranteeing that merchandise would arrive the day after it was ordered. “The pace has been picking up in the logistics segment for decades. It isn’t a new trend. But the Internet has turbocharged the process,” explains Sebastian Kummer, Chair of the Institute of Transport and Logistics at the Vienna University of Economics and Business.

Delays cost money

There’s no disputing that, in some segments and situations, rapid delivery is a must. If factory machines grind to a halt, spare parts are needed fast – because every minute of downtime costs a company money. As is also the case when delays hit just-in-time production. Or if the goods in question are indispensable in any modern home. “Faulty washing machines or refrigerators need to be replaced quickly. In Vienna, for example, we have an express goods warehouse that enables us to guarantee 24hour turnaround for our Home Delivery customers in Austria,” says Peter Schafleitner, Director and Regional Manager Central at Gebrüder Weiss.

People can be patient

But what exactly do end-customers expect? A survey conducted by the Cologne Institute of Trade Research in 2019 produced genuinely surprising results. Consumers have become more flexible when it comes to delivery times. 31 percent wanted to have their purchases within 24 hours – a proportion that halved to 15 percent during the pandemic. But four out of five would be happy to wait three days. The Institute of Trade Research has a plausible explanation for this trend: given the difficult circumstances, customers are more understanding of the problems facing delivery companies. Whether this lasts beyond the pandemic is open to question.

In Sebastian Kummer’s view, the segment has already reached its limit. “Optimizing processes alone will no longer cut times. Added speed will undermine efficiency and the environment,” says the professor in Vienna. One simple example: if beverage retailers were restocked every second day rather than every single day, planning would be easier and delivery volumes would increase.

Counting the cost of speed

But while free deliveries often imply the opposite to end-customers, speed – like waiting – comes with a price. “A container takes six weeks from China by ship. With an aircraft, I can get it to Europe in three days – but the transport charges are often several times as high,” explains Schafleitner. Rail delivery via the Silk Road only takes half as long, but the cost is double that of sea freight.

But there are also signs that slower deliveries are enjoying a resurgence. For example, ocean-bound providers have started slackening their timetables, says Kummer. “Amazon too has recognized that delivery times cannot be shortened ad infinitum, and is now offering customers weekly deliveries,” he adds. This service was tested two years ago. Multiple orders were pooled and, in some cases, dispatched in a single consignment. This saves packaging and, with customers able to choose their delivery day, increases the chance of them being at home.

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