retail | Q3 - 2020

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ZUKUNFT

DIE STUNDE DER DAHEIMGEBLIEBENEN

Angesichts der Verwerfungen durch die Corona-Pandemie werden wieder lokalere Lieferketten diskutiert. Zwei heimische Produzenten berichten, wie sie durch die Krise kommen und wie sie dabei von möglichst naher Beschaffung profitieren.

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ie Maßnahmen gegen die Covid-19Pandemie haben weltweite Lieferketten unterbrochen und Umsatzquellen vorübergehend versiegen lassen. Dies stellt besonders Unternehmen vor existenzielle Schwierigkeiten, die stark von globalen Warenströmen abhängig sind. Doch haben es Produzenten, die entgegen der üblichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte ihre Wertschöpfungskette so nahe wie möglich gehalten haben, leichter? Wir haben bei zwei Unternehmen nachgefragt, die in „Made in Austria“ nicht ausschließlich ein Qualitätsmerkmal sehen. Der oberösterreichische Sportbekleidungshersteller Löffler etwa fokussiert sich – was den Absatz angeht – auf Mitteleuropa. Seine Beschaffung besorgt das Unternehmen aus Ried im Innkreis jedoch noch näher. 70 Prozent der verarbeiteten Stoffe produziert Löffler selbst: „Wir fangen beim Garn an“, sagt Otto Leodolter, Geschäftsführer bei Löffler. Die Veredelung der Stoffe erfolgt bei Firmen in Vorarlberg und auf der Schwäbischen Alb: „Wir sind nicht nur eine Marke, sondern auch Hersteller“, sagt Leodolter. Das macht Löffler zu einer Ausnahme. Die heimische Textilindustrie

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Qualität. AUSTRIALPIN liefert Sicherheitsausrüstung für Sport und Arbeits­ einsätze.

Rohstoff. Löffler beginnt mit seiner Produktion beim Garn.

ist besonders stark mit internationalen Märkten verwoben. Im Vorjahr exportierte sie Waren im Wert von 2,7 Milliarden Euro. Ihre Importe kamen auf 4,1 Milliarden Euro. Die Entscheidung, die Produktion in Österreich zu behalten, während andere nach Asien oder Osteuropa abwanderten, sei bei Löffler vor langer Zeit getroffen worden. Infrage steht sie immer noch nicht: „Natürlich schaffen wir bei weitem nicht Umsatzzuwächse wie Firmen, die global auslagern und beschaffen“, räumt Leodolter ein. Dafür verfolge man eine klare Linie hoher sozialer Standards, von Nachhaltigkeit und einer Verantwortung gegenüber der gesamten Wertschöpfungskette. Dies sei für ihn ein wichtiger Teil unternehmerischen Erfolgs. In der Corona-Krise machte sich diese Einstellung bezahlt. Vor allem die höhere Flexibilität der Fertigung half: Löffler stellte seine Produktion kurzerhand auf Schutzmasken um. Mehr als 100.000 davon hat man produziert. Doch die verhältnismäßig einfachen Stücke bringen bei weitem nicht so viel ein wie Funktionskleidung: „Unsere Partner im Handel waren plötzlich sechs Wochen ohne Umsatz. Zwar hat der Onlinehandel sehr schnell wieder angezogen, aber auch wir werden Umsatzrückgänge hinnehmen müssen“, erwartet Leodolter.

VORBILD LEBENSMITTELSEKTOR Langfristig sehen sich die Rieder durch den Trend zu mehr Nachhaltigkeit bestätigt, der sich auch im Markt für Sportbekleidung ausbreitet. Dennoch gibt es in diesem / Q3/2020

Fotos / Klaus Kranebitter, Unsplash

Text / Rainer Brunnauer


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