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Nutzhanf nach der Legalisierung

Text: Jonas Höpfner

Die Debatte um die Legalisierung von Cannabis in Deutschland, angetrieben durch die Ambitionen der Ampelkoalition, hat weitreichende Implikationen nicht nur für Konsumenten und sozialpolitische Initiativen, sondern auch für die industrielle Landschaft.

Besonders die Nutzhanfindustrie, die lange unter rechtlichen und bürokratischen Hürden litt, steht möglicherweise an der Schwelle einer neuen Ära. Doch der kritischste Punkt ist noch immer ungeklärt: Die Rauschklausel ist noch immer im aktuellen CanG enthalten.

Der Status quo von Nutzhanf

Trotz seines kaum vorhandenen THC-Gehalts und der für viele offensichtlichen Unterscheidungen von psychoaktiven Cannabisvarianten fällt Nutzhanf in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz. Die komplexe Gesetzeslage und die erforderlichen Genehmigungsverfahren stellen erhebliche Barrieren dar und haben die Entwicklung einer robusten Nutzhanfindustrie in Deutschland behindert. Diese Regelungen haben direkte Auswirkungen auf Landwirte und Unternehmer, die mit Nutzhanf arbeiten, und führt häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen und Polizeieinsätzen, die von der Beschlagnahmung von Produkten bis hin zur Überwachung der Ernte durch Strafverfolgungsbehörden reichen.

Diese Kontrollen, begründet durch die sogenannte "Rauschklausel", führen oft zu Beschlagnahmungen von Produkten oder gleich den kompletten Hanffeldern, was für einige Unternehmer das sofortige “Aus” bedeutete. Trotz Nutzung von EU-zertifiziertem Saatgut für offiziell angemeldete Felder, sind Großeinsätze der Polizei, die teils zu fragwürdigen Schlagzeilen führen, keine Seltenheit. Kleinere Hanfgeschäfte, die nicht berauschende Produkte anbieten, waren ebenfalls in letzter Zeit von Polizeieinsätzen betroffen. Der Branchenverband der Cannabiswirtschaft (BvCW) hat einen Leitfaden herausgegeben, um Betroffene auf solche Situationen vorzubereiten.

Was ist die Rauschklausel?

Grundsätzlich ist der Anbau von Nutzhanf nur dann erlaubt, wenn er am Ende einen THC-Wert unter 0,3 Prozent aufweist. Um diese niedrigen Werte zu regulieren, ist es den Landwirten nur erlaubt, aus einem Katalog von EUzertifizierten Sorten ihr Saatgut zu wählen. Doch damit ist man noch lange nicht abgesichert: Nutzhanf ist immer noch eine Pflanze und damit ein Naturprodukt – verschiedenste Umwelteinflüsse können den Wirkstoffgehalt schwanken lassen. Auch wenn diese Schwankungen bei den EU-zertifizierten Sorten eher sehr gering aus- fallen, sind sie dennoch vorhanden, was Grund genug zu sein schien, die Rauschklausel dahin gehend zu erweitern, dass sich dieser Grenzwert bis in das finale Endprodukt zieht: Wird aus den Pflanzenteilen beispielsweise ein Tee hergestellt und das Pflanzenmaterial weist einen THC-Gehalt von 0,4 % auf, ist es bereits illegal und muss aus dem Sortiment genommen werden.

Der eigentliche Hintergrund dieser Klausel war der Schutz der Verbraucher vor unerwünschten Rauschzuständen, doch wurde sie in den kommenden Jahren für immer absurdere Anschuldigungen genutzt: So wurde ein Fuldaer Jungunternehmen dem “Bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln” bezichtigt, ihre gesamte Ware wurde beschlagnahmt und analysiert. Die Erklärung: falls der Grenzwert von (damals noch) 0,2 % THC überschritten sei, gehe man davon aus, dass man sich mit ausreichend Material Nutzhanfes berauschen oder THC-haltige Produkte wie Hash oder Edibles herstellen könne – also lieber erst mal alles beschlagnahmen und analysieren.

Und das aller spannendste: KEIN ANDERES LAND außer Deutschland besitzt eine derart unverständliche Regelung wie die Rauschklausel. Durch diese mehr als restriktiven Vorgaben entstehen für deutsche Nutzhanfproduzenten und Verarbeiter enorme wirtschaftliche Nachteile.

Gesetzliche Entwicklungen und Hoffnung

Auch wenn das CanG nun endlich auf dem Weg ist, gab es für die NutzhanfIndustrie noch immer keinen wirklichen Grund zum Aufatmen: im aktuellen Gesetz ist die Rauschklausel nicht gestrichen worden – zumindest noch nicht, wie viele hoffen. Denn schon beim ersten Gedanken daran, dass ab Sommer oder Herbst der Eigenanbau von bis zu drei THC-haltigen Pflanzen im privaten Bereich erlaubt sein soll, stellt sich erneut sofort die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Rauschklausel. Wenn eine Privatperson bis zu 50 g Cannabis zu Hause haben darf, warum sollte sie sich dann die Mühe machen, aus mehreren hundert Kilos Nutzhanf eine entsprechende Menge THC in einem aufwendigen Prozess herzustellen?

Mit der vorgeschlagenen Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken zeichnen sich jedoch Änderungen ab, die das Potenzial haben, auch diese irrsinnige Regulierung neu zu strukturieren oder abzuschaffen. Experten und Branchenver- treter, wie die European Industrial Hemp Association, argumentieren, dass eine klarere Trennung zwischen psychoaktivem Cannabis und Nutzhanf sowie eine Vereinfachung der Vorschriften zu einem Aufschwung in der Produktion und Vermarktung von Nutzhanfprodukten führen könnten. Gesetzesvorstöße, die von Parteien wie den Grünen und der Linken initiiert wurden, zielen darauf ab, auch Nutzhanf aus dem Betäubungsmittelgesetz zu entfernen und die Anbaubedingungen zu erleichtern.

Die wünschenswerte Zukunft des Nutzhanfs

Das CanG sollte allerdings auch im Alleingang schon einen immensen Einfluss haben: das gesellschaftliche Stigma, das dem Hanf anhaftet, wird voraussichtlich deutlich abnehmen. Durch ein zusätzliches Abschaffen der Rauschklausel würde es zudem die bürokratischen Hürden für Produzenten senken. Dies würde die Tür für Investitionen und Innovationen in einer Branche öffnen, die eine Vielzahl von Produkten bietet, von Textilien und Baustoffen hin zu Nahrungsmitteln und Kosmetika.

Zeitgleich könnten sich durch die Entstigmatisierung mehr Landwirte dazu berufen fühlen, ebenfalls Hanf anzubau- en, was zudem eine positive Auswirkung auf den Klimawandel hätte. Durch die steigende Produktion und Nutzung von Hanf würden zusätzliche Arbeitsplätze entstehen und nicht zu guter Letzt wäre Deutschland wirtschaftlich nicht mehr benachteiligt. Die Legalisierung von Cannabis könnte somit indirekt zu einer Blütezeit für den Nutzhanfanbau führen, unterstützt durch eine liberalere Gesetzgebung und eine positive öffentliche Wahrnehmung. Deutschland steht, als bevölkerungsreichstes EU-Land, vor der Chance, mit erfolgreichen Reformen einen Präzedenzfall für eine florierende Hanfwirtschaft zu schaffen, die weit über den Genussmittelmarkt hinausgeht.

Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in Deutschland birgt das Potenzial, den Nutzhanfanbau und die damit verbundene Industrie nachhaltig zu verändern. Durch die Verringerung rechtlicher Hürden und die Entstigmatisierung der Pflanze könnten sich neue Wachstumschancen ergeben, die sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten von Vorteil sind – doch dafür müsste auch die Rauschklausel abgeschafft werden. Während die endgültigen Auswirkungen der Gesetzesänderungen noch abzuwarten bleiben, ist klar, dass die Branche an einem Wendepunkt steht.

Der Übergang zu einer regulierten und anerkannten Nutzhanfindustrie bietet zahlreiche Chancen für nachhaltiges Wachstum und Innovation. Mit der fortschreitenden Legalisierung und Integration in den europäischen Rahmenbedingungen wird Deutschland eine Schlüsselrolle in der Zukunft des Nutzhanfs spielen können, die weit über traditionelle Anwendungen hinausgeht und neue Märkte erschließt.

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