MAGAZIN FÜR RELEVANZ UND STIL
IST DOCH LOGEN, WIR SIND AUF DROGEN SIE WAREN DIE ANTIDEUTSCHESTEN I’M MISS WORLD
PETER BESTE’S TRUE NORWEGIAN BLACK METAL
HATE. #3 2009
9002 3# .ETAH
LITS DNU ZNAVELER RÜF NIZAGAM
HATE. #3 2009
„HATE’S A STRONG WORD, DON, BUT NOT STRONG ENOUGH!“ Dr. Dick Solomon (3rd Rock from the Sun)
WHAT WE
THIS ISSUE:
WHAT WE HATE/ LOVE 4
VOR UND ZURÜCK: AUF HIGHHEELS DURCH DIE WIRTSCHAFTSKRISE 10 LAURA EWERT
HATE Magazin für Relevanz und Stil Alte Schönhauser Straße 44 10119 Berlin WWW.HATE-MAG.COM HERAUSGEBER R+S Media Alte Schönhauser Straße 44 10119 Berlin Registernummer: 34/518/53630 REDAKTION Jonas Gempp jonas@hate-mag.com Nina Scholz nina.scholz@hate-mag.com ART DIRECTION/ DESIGN Johannes Büttner (AD) johannes@hate-mag.com Ronald Weller (Design) ronald@hate-mag.com Helge Peters (Web)
ZIERAT ZITAT 12 HELGE PETERS
EVERYBODY’S DARLING IS18 BJÖRNEVERYBODY’S DEPP LÜDTKE
EXORCISE THIS! 22 SABINE LENORE MÜLLER
ANTIFA VETERANEN 25
»ES GIBT LEUTE, DIE DER MEINUNG SIND, MAN HÄTTE SCHIESSEN MÜSSEN.«
ANZEIGEN Robert Härtel robert@hate-mag.com
26 ARTUR SCHOCK & BERND LUKAS
AUTOREN Matthias Appenzeller, Laura Ewert, Tanja Fugbaum, Jonas Gempp, Jakob König, Moritz Jasper Kuhn, Björn Lüdtke, Sabine Lenore Müller, Sonja Müller, Felix Nicklas, Jochen Overbeck, Helge Peters, Artur Schock, Nina Scholz FOTOGRAFEN Peter Beste, Johannes Büttner
IST DOCH LOGEN, WIR SIND AUF DROGEN.
FOTOASSISTENZ Birte Hoffmann, Kolja Mirabichvili
PIRATES OF PUNTLAND
AUSSTATTUNG Johannes Büttner, Basti Edlinger
MAN SIEHT NUR MIT DEM HIRN GUT
ILLUSTRATION Johannes Büttner, Esther Fabianski, Tamar Tessler, Tofutango DRUCKEREI unitedprint GmbH Hohenzollernring 84 50672 Köln HATE DANKT Carlos de Brito, Tobias Hagelstein, Dorian Mazurek, Clemens Pavel, Andreas Sachwitz, Sami Khatib, Gareth Owen, Daniel Plasch, Geffen³, Harthorst, Sunny Pudert, Sven Heldenbrandt, Mr. Ties, Tobias Hagelstein, Thomas Simon, Miguel Martinez, Anne Lüth, Daniel Wetzel, Macaronic Duo, Dorian Mazurek, Basti Edlinger, David Schmitt, Kolja Mirabichvili, Sandra Molnar, Noah Sallmander, Christian Simon, Klaus Scholz, Antje Basse und den Models: Björn Buckler & Frank Engster Auflage: 2.500 Die nächste Ausgabe erscheint am 1. Mai 2009 Wer HATE für 3 EUR bestellt, erhält ein auf 100 Stück limitiertes HATE-Poster dazu
SIE WAREN DIE ANTIDEUTSCHESTEN … 30 JONAS GEMPP
35 MATTHIAS APPENZELLER 40 FELIX NICKLAS
43 JOCHEN OVERBECK
SPORT FREI! 45
ZU DUMM ZUM PAAREN 55 SONJA MÜLLER
I’M MISS WORLD 58 NINA SCHOLZ
DUO INFERNALE
61 JONAS GEMPP & NINA SCHOLZ
BRIEFFREUNDE
62 MORITZ JASPER KUHN & TANJA FUGBAUM
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TATORT HASSORT von NINA S CHOLZ
Die modernen Ökomuttis und -vatis in Berlin-Prenzlauer Berg und den Ausläufergebieten rund um die Kastanienallee zu hassen, ist fast schon zu einfach. So wie München oder Lacoste doof zu finden in etwa. Ist ja Standard, brauchen wir gar nicht drüber sprechen. Wahrscheinlich weiß mittlerweile jeder Hinterpfälzer Bescheid, wie schlimm es dort ist – weil es entweder in seiner Allgemeinen Provinzzeitung stand oder er Polylux angeschaltet hat. Sogar in einer Internetumfrage des Berliner Stadtmagazins »Zitty«, das ich mir als das Zentralorgan dieser Spezies vorstelle, wurde die Kleinfamilie aus dem ökologischsten aller Hauptstadtbezirke zur schlimmsten menschlichen Erscheinung in Berlin gewählt. Und trotzdem gerate ich immer wieder in Situationen in den mir die Kinnlade herunterklappt. Ganz abgesehen von diesen komischen Fahrrad-Holzkisten, die mehr nach einem Ferienparadies in Bullerbü aussehen als nach dem adäquaten Gefährt in einer urbanen Zone, die ich nicht beurteilen will, weil ich, nicht nur modisch gesehen, keine Ahnung vom Elterndasein habe. Ich habe aber den Treffpunkt, quasi die Kommandozentrale dieser Eltern ausfindig gemacht, in der wahrscheinlich strategisch geplant wird, dass auch Menschen ohne Kinder in den nächsten Jahren so wenig Spaß wie möglich haben sollen. Er liegt unterhalb des Weinbergparks, also schon in Berlin-Mitte, in einem Café. In und um dieses Café ist es so gehäuft zu merkwürdigen Begebenheiten gekommen, dass ich mit Recht davon ausgehe, dass es so was wie den ideologischen Umschlagsplatz der neuen deutschen Restriktionsfamilie darstellt. Und es möge bitte geschlossen aus folgenden Gründen werden: Ein paar Mal bin ich dorthin verabredet worden. Ich selber hätte mir das Café eher nicht ausgesucht, weil es schon vor dem Rauchverbot damit glänzte, drinnen und draußen (!) das Rauchen nicht zu erlauben und da ich sowieso nicht besonders gerne Kaffee trinke, kann ich mir einen ohne Zigarette schon gar nicht vorstellen. Nun bin ich also aufgestanden um meine Zigarette draußen auf der Bordsteinkante zu rauchen. Da stand ich nun, ein paar Meter weit entfernt von denen, die draußen vorm Cafe saßen – und was passierte? Ich wurde nicht besonders freundlich gebeten, mich doch noch weiter wegzustellen. Nach meiner Weigerung wurde ich dann nicht mal mehr gebeten, sondern auch noch
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angeschrien, was von nickenden Statisten rund um meinen Störenfried bestätigt wurde. Als ich mich dennoch standhaft weigerte, mich noch weiter zu entfernen, wurde mir das Totschlagargument aller guten Menschen gegenüber scheinbar solch bösen wie mir gebraucht: »Na warte mal ab bis du selber Kinder hast, dann freust du dich über ein bisschen Toleranz«. Aha, da war es also wieder das böse Toleranzwort! Aber alle wissen, nicht erst seit Gudrun Pausewang: Böse Menschen vergiften Kinder mit ihren Abgasen. Und nun war ich auf einmal einer davon. Ein anderes Mal wurde ich während der Toilettenpause meiner Begleitung, Zeuge eines Gesprächs zweier Frauen. Beide mit Kind, die eine habe ich noch nie gesehen, die andere war mir vor einigen Jahren ein paar Mal in Berliner Clubs begegnet. Beide regten sich heftig auf; über die Dealer im Weinbergpark. Und dass es überhaupt keinen Park mehr gebe, in den man den getrost mit seinen Kindern gehen könne. Die Diskussion hatte ja schon dereinst in der »Zitty« den Vogel abgeschossen, aber nun saßen die beiden, von denen wenigstens eine vor nicht allzu langer Zeit, als nicht besonders nüchterne Zeitgenossin bekannt war und verlangten, schlimmer als die CDU im Provinznest, einen sauberen Park. Und vielleicht auch schlimmer als die CDU, weil sie im Gegensatz zur Opi-Partei, dank früherer Erfahrungen, die Zeichen erkennen können: Wo gibt es Gras? Wo im Haus feiert einer gar kein Geburtstagkränzchen am Sonntag Mittag, sondern schon wieder eine Afterhour? Aber auch die CDU hätte wohl nichts dagegen, mal an einem Samstagnachmittag – die Kleinen spielen ja so schön – mit ein paar Freunden ein paar Bier zu trinken. Die Berliner Elternmafia findet aber auch das nicht in Ordnung und so wurden neulich, nicht weit von besagtem Café entfernt, ein paar Bekannte und ihre eigenen Kinder verjagt, nachdem sie sich es an einem warmen Herbstnachmittag mit Bier und Zigaretten in Sichtnähe eines Sandkastens bequem gemacht hatten. Damit die Verbreitung dieses Gedankenguts ein für alle mal eingedämmt wird und auch nicht mehr alle meine Freunde, inklusive mir, Angst haben müssen, nur Aufgrund des Kinderbekommens, zu der modernsten Form aggressiver, deutscher Familiennazis zu mutieren, fordere ich die Schließung dieses gemeingefährlichen und lebensbedrohenden Cafés! Und zwar sofort!
DON’T CRY – STEMPEL!
Hartz 4 sucks. Das wissen die meisten. Die Zeiten, in denen man in deutschen Großstädten ohne schlechtes Gewissen von Sozialhilfe lebte und ansonsten eine irgendwie geartete Bohèmetätigkeit verfolgte, sind schon lange vorbei. Noch härter hat es aber die getroffen, für deren Arbeitskraft es keine Verwendung mehr gibt und die von den euphemistisch betitelten »Jobcentern« zwanghaft verwaltet werden. Die Gruppe »paeris« aus Berlin will auf einem Tagesseminar diskutieren, was von den Ansichten zu halten ist, die die Hartz 4-Gesetze entweder als Rückfall hinter liberale Grundsätze des Rechtstaats sehen oder als eine Hinwendung zum autoritären Staat und zur Zwangsarbeit, die hier das Ende der bürgerlichen Gesellschaft oder auch das sinnlose letzte Zappeln des Spätkapitalismus vermuten. Untersucht werden soll auch wie sich der Zweck der Reformen zu den entsubjektivierenden Maßnahmen der Arbeitsamtreformen verhält und ob es tatsächlich einen Bruch im liberalen Selbstverständnis gegeben hat. Sich jenseits von Gewerkschaftlernostalgie und bürgerlicher Ratlosigkeit diesem Thema zu stellen, sollte also spannend werden. »WAS DICH NICHT UMBRINGT, MACHT DICH KAPUTT – TAGESSEMINAR ÜBER DIE HARTZ-GESETZE« Berlin, 7. Februar 2009, Anmeldung und Informationen: paeris.net
HATE DANKT DEN HERAUSGEBERN DIESER AUSGABE, DEREN ENGAGEMENT UNSERE ARBEIT ENORM ERLEICHTERT HAT UND DIE EINEN BETRÄCHTLICHEN TEIL ZUM ENTSTEHEN BEIGETRAGEN HABEN: Adrian Dalichow, Ailenroc Enibas, Amaru Fezer, André Ponsong, Artur Schock, Bachschule Offenbach, Benjamin Pohl, Benjamin Tischer, Bernd Lukas, Carlos de Brito, Christian Titze, Christoph & Judith Braun, Christoph Wagner, Clemens Pavel, David Rötschke, Deviate Industries, Esther Fabianski, Felix Monsees, Felix Nicklas, Finn Johannsen, Gabriele Gempp, Hanna Gempp, Harry Loschinski, Hendrik Keusch, Ilana Rolef, Jens Ludwigs, Jessica Schott, Jonas Blum, Kaspar Zucker, Der letzte Serienherbst war der schwächste seit langem. Korbinian Frank, Lisa von Klitzing, Matthias Konservative Senderentscheidungen und Nachwirkungen des Autorenstreiks waren die Gründe. Getroffen hatte es auch die neue Serie von Freytag, Max Obenaus, Peter Armster, Rabea Döbelin, Rejne Rittel, Remo Westermann »Buffy«-Erschaffer Joss Whedon, die wieder mal verschoben wurde. Zwar hat& Christian Demmler, Robert te Whedon mit der großartigen Webserie »Dr. Horribles Sing-Along Blog« nicht den Durst nach neuem Material auf den Bild- und Mattscheiben gestillt, aber imSiemens, Sarwenaz Kiani, Sebastian Ingenhoff, Sonia Garcia merhin die gähnende Serienlücke mal eben mit einer Internetperspektive wider Moreno, Stefan Jungo, der Fernsehödnis beglückt. Im Februar startet nun endlich »Dollhouse«, dessen Cast und mögliche Handlungsstränge schon seit ein paar Jahren im Internet disStephan Koritsch, Timur Parlar, kutiert werden. Das Dollhouse beherbergt die Gruppe der »Actives«, deren PerTorsten Hahn, sönlichkeit ausgelöscht wurde, damit ihnen für verschiedene Aufträge immer wieder neue Charaktere implantiert werden können. Eliza Dushku, neben Sarah Wolfgang Bloo Michelle Gellar die schwierige, andere Vampirjägerin aus »Buffy«, spielt Echo,
IM PUPPENHAUS
DOLLHOUSE, FOX, 13. Februar
eine junge Active, die sich nach und nach über sich selbst bewusst wird. Man kann sich also auf Konstanten des Whedon-Universums wie Amy Acker, eine Kulisse zum Zuhause-Fühlen und genreübergreifende Klugheit freuen.
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THE TALES OF MANY GIRLS
»Wahre Märchen« heißt die Ausstellung der Fotografin Annie Bertram in der Berliner Strychnin Gallery vollkommen zu recht: Annies Märchen-Heldinnen oszillieren nicht zwischen fragilen Prinzessinnen, bösen Hexen und Schwiegermüttern, sondern erzählen Grimms und Andersens Geschichten neu. Vielleicht sitzt die Meerjungfrau auf einem Stein fest, das heißt aber nicht, dass sie ängstlich auf den Prinzen wartet, sie blickt lieber kämpferisch und wütend in die Ferne. In den Augen der verwunschenen Protagonistinnen kann man ein ganzes Sammelsurium an Gefühlen erblicken, nicht bloß Furcht und Dankbarkeit. Wenn diese Frauen überhaupt auf einen Nenner zu bringen sind, dann sind sie am ehesten coole Gothicgirls. Mehr Ginger Snaps als Aschenbrötel, mehr Traurigkeit als Angst, mehr Wut als Dankbarkeit. Annie Bertram kam vom Zeichnen zum Fotografieren und das sieht man in ihren detailreichen, feinstrukturierten Bildern an. Für die Strychnin Gallery, die es außerdem noch in London und New York gibt, hat sie bereits an einer Gruppenausstellung teilgenommen, jetzt darf sie endlich alleine zeigen, was ihre Bilder zu erzählen haben.
PLATTENSAMMLUNG REVISITED. X.0
Die Krise bzw. das Ende der Musikindustrie wurden von den unterschiedlichsten Parteien aus verschiedenen Gründen eher beweint als bejubelt. Die Seite der Plattenfirmen verlor sich meist in verzweifelten Rettungsversuchen wie kostenpflichtige Downloadplattformen, Kriminalisierung und Bonus-CDs. Auf der Seite der Musiker, Popjournalisten und anderer Handlanger wurde das Thema erst thematisch besetzt, dann aber in Grund und Boden kongressiert und debattiert, so dass man hier auch nichts Neues und schon gar nichts Zukunftsweisendes zu erwarten hatte. Ekkehard Ehlers und Björn Gottstein veranstalten im Februar eine Konferenz »Zur Lage der postökonomischen Musik« im Haus der Kulturen der Welt auf dem sie Labelchefs, Journalisten, Wissenschaftler und Musiker über die ökonomische Stellung des Künstler, MP3- und Web 2.0-Netzwerkswahnsinn diskutieren lassen wollen. Ob die Veranstaltung eine letzte Nachwehe sein wird, auf der eine Subkultur in Opposition zum vermeintlichen Großkapital der Plattenfirmen gezeichnet wird, oder wirklich innovative Schritte erstritten werden, bleibt abzuwarten. Übliche Verdächtige wie Diedrich Diederichsen und Kodwo Eshun sind jedenfalls vertreten – aber das muss nun nichts Schlechtes heißen! »AUDIO POVERTY – MUSIK UND ARMUT. EIN WOCHENENDE MIT DISKUSSIONEN & VORTRÄGEN, KONZERTEN & PARTIES, PERFORMANCES & EXPERIMENTEN«, Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 6. – 8. Februar 2009
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ANNIE BETRAM: »WAHRE MÄRCHEN« Strychnin Gallery, Boxhagenerstr. 36, Berlin 6. Februar – 1. März Do – So von 13 – 18 Uhr, Sa bis 19 Uhr strychnin.com
MIT HIRN, HERZ UND VERSTAND
LE KLÜB – C’EST CHIC! Musik und Mode gehören zusammen – das weiß jedes Kind. Einen bitteren Beigeschmack hat diese Allianz allerdings auf so mancher Fashionshow, bei der die Musiker oftmals bloß dazu herhalten, die Hintergrundgeräusche zu liefern oder den Coolnessfaktor des Labels aufzuwerten. Anders ist das beim Berliner Modelabel » BelAlvarado«. Gegründet wurde es von Silke Maurer, die auch den bekannten Tonträger-Hersteller »Handle with Care« betreibt, und Raik Hölzel, ehemaliger Labelchef von »Kitty-Yo«. Während der Berliner Fashionweek veranstalten sie die einwöchige Verkaufsshow »Le Klüb«, bei der Musiker wie Maximillian Hecker, DJ Boris und andere für den Spaß sorgen. Verkauft werden auch Stücke der Designerin Silvia-Maria Schulz, die das Label im August verlassen hatte. Was zuerst ein Schock für die Macher von »BelAlvarado« war, erwies sich im Rückblick als Glücksfall. »Le Klüb« wird also auch eine reinigende Wirkung für das Label haben, um Restbestände loszuwerden, bevor sie später im Laufe diesen Jahres einen umfassenden Relaunch mit schon formiertem, neuem Team vornehmen.
Kevin Hamann ist das, was man ein Multitalent nennt. Die meisten kennen den Hamburger seit ein paar Jahren als Clickclickdecker. Unter diesem Pseudonym hat er Gitarrenmusik herausgebracht, die sich den Kategorien Synthiepop und Indierock entzieht und lieber einen eigenen Kosmos zwischen sinnierend und verabscheuend kreiert. Jetzt erscheint sein drittes Album »Den Umständen entsprechend«, das wieder zuerst im Hamanns Schlafzimmer geschrieben und aufgenommen wurde. Damit erreicht er aber, was andere nicht mal in berühmten Studios schaffen: Zuhause geschrieben ist es zwar, aber trotzdem für die ganze Welt bestimmt. Die Texte berühren, weil die Innerlichkeit auch gleichzeitig nach außen muss: Traurigkeit bedeutet nicht nur Weinen, sondern auch Kotzen. Besser es brennt die Welt, als nur man selbst. Wem im Übrigen diese Platte nicht reicht, der kann sich auch seine Radiosendung
LE KLÜB, SHOWROOM BELALVARADO Greifswalder Strasse 29, 2. Hinterhof, rechts, 2. OG Berlin, 30. Januar – 7. Februar 2009 jeweils von 14 – 20 Uhr belalvarado.com
auf »ByteFM« zu Gemüte führen. Um alle seine Umtriebigkeiten hier aufzulisten, fehlt leider der Platz. Man kann aber eine Kurzgeschichte von ihm in dem Sammelband »Saturday Night. Geschichten« nachlesen, der ebenfalls bald erscheint. Wo und wann man Kevin Hamann lesen und spielen sehen kann, entnimmt man wiederum am besten seinem Blog. CLICKCLICKDECKER: DEN UMSTÄNDEN ENTSPRECHEND (Audiolith), erscheint am 30. Januar. Jörn Morisse, Stefan Rehberger (Hrsg.): SATURDAY NIGHT. GESCHICHTEN, Piper Verlag, erscheint im Februar 2009. clickclickdecker.blogsport.de, clickclickdecker.de, byte.fm
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THIS MEANS NOTHING TO ME – OH VIENNA
Erst hat das Team von »unlike« das Konzept des Stadtmagazins erneuert, in dem es eine aktuelle und interaktivere Internetplattform geschaffen hat, die ästhetisch ansprechend und auch von Smartphones aus abrufbar ist. Jetzt überholt es zwei andere Medien, die schon länger auf einen Relaunch warten: Der Stadtführer und das PulpGenre. Beides auf den ersten Blick nur bedingt zusammengehörig, macht in der ersten Ausgabe »The Bittersweet End« großen Sinn. Das Ganze ist ja schon mal in Form der deutschen Stadtkrimis geprobt worden, allerdings mit leidlichem Erfolg. Hier jedoch besucht Inspektor Andelko Ivanovic Orte in Wien, die man als Tourist eben auch sehen möchte: Vom Gourmetrestaurant im Palmengarten über das Naturhistorische Museum bis hin zum Rave im Club Flex. Dabei textet er über sein I-Phone und verbindet auf ungezwungene Art alten Pulp mit Aktualität, Stadtführung mit den Orten seiner Ermittlung. »Unlike« gibt das Buch gemeinsam mit den kreativen, österreichischen Vordenkern von »Halle 34« heraus. Es ist geplant das Projekt auch auf anderen Städte ausweiten und es werden sogar noch Autoren gesucht. Trotz oder gerade wegen Werbung, integrierter Kunst und informativem Appendix ist das alles spannend zu lesen und schön anzuschauen und man freut sich schon auf die nächste Ausgabe, die man dann beim nächsten Stadturlaub vielleicht dem »Dorling&Kindersley« vorzieht. UNLIKE.NET & HALLE 34 (HRSG.): PULP VIENNA. THE BITTERSWEET END. Die erste Ausgabe ist gratis und liegt in verschiedenen Wiener Läden aus. Sie kann aber auch hier bestellt werden: pulp@halle34.com, pulp.unlike.net
LOST AND SOUND
Tobias Rapp ist Musikredakteur der »taz«, DJ und laut »Suhrkamp«-Presseankündigung »ein intimer Kenner der Szene«. Das ist wahrscheinlich in dem Sinne zu verstehen, dass Rapp durch seine Arbeit als Schreiberling den einen oder anderen DJ kennen gelernt hat und sich mit Schlangen vor Clubtüren nicht mehr herumplacken muss. Nun hat er also ein Buch zu Berlin und Techno geschrieben, die Ausschnitte lesen sich kurzweilig und zeitgemäß. Zwar war an sich ja zu Techno alles gesagt worden: Anfang der 90er bot Rave einen diffusen Ausweg, postmoderne Ausfälle schienen das theoretisch zu bestätigen und wie Rapp richtig konstatiert, ist die öffentliche Wahrnehmung von Techno, fast 20 Jahre später, annähernd nicht vorhanden. Von der Love Parade einmal abgesehen. In Berliner Clubs dominiert dennoch der gerade Beat und Menschen aus alles Welt kommen egal zu welcher Jahreszeit Wochenende für Wochenende zusammen, Grund genug sich dem Phänomen in Buchform zu nähern. TOBIAS RAPP: LOST AND SOUND – BERLIN, TECHNO UND DER EASYJETSET Suhrkamp Verlag, erscheint am 29. Februar
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IN EIGENER SACHE: IM LETZTEN HEFT SIND UNS LEIDER ZWEI FEHLER UNTERLAUFEN: Der Artikel »Neue Erzähler und Pointenmörder« wurde von Jochen Werner verfasst und die Postkarte auf der letzten Seite hat Oliver Bieräugel illustriert.
Wir entschuldigen uns hiermit für die falsche beziehungsweise fehlende Angabe.
DRESDEN, 13. – 15. FEBRUAR venceremos.antifa.net, myspace.com/egotronics, myspace.com/frittenbude
VOM UNGLÜCKSFALL DES FLOWER-POWER-MOVEMENTS
KEINE VERSÖHNUNG MIT DEUTSCHLAND – GEGEN GEDENKEN UND NAZIAUFMÄRSCHE
Jahr für Jahr gedenkt in Dresden ein gar gruseliges Konglomerat aus Neonazis, Neuen Rechten und Dresdner Bürgern den Angriffen alliierter Bomber vom 13. bis 15. Februar 1945, drei Tage, die auch in der deutschen Opferliteratur dank Hobby-Historikern wie dem unsäglichen Jörg Friedrich ihren festen Platz haben. Damals starben zwischen 18.000 und 25.000 Menschen und große Teile der Innenstadt wurden zerstört. Das Ziel, die militärische Infrastruktur und Nachschubwege für die deutsche Ostfront zu zerstören, gelang und war die Basis für die Befreiung durch die Alliierten im Mai desselben Jahres. Um den Geschichtsrevisionisten und ihrem widerlichen Kult etwas entgegenzusetzen, gibt es dieses Jahr diverse Veranstaltungen: So steigt am Freitag den 13. Februar vor der Altmarktgalerie eine große Party und Kundgebung gegen »Nazi-Scum & German-Mob« bei der Egotronic und Frittenbude auftreten. Im Anschluss gilt es die Nazi-Demo zu verhindern. Und weil das hoffentlich gut klappt, muss auch der zweite Nazi-Aufmarsch am 14. Februar verhindert werden.
Dass in Zeiten von Angst und Schrecken nicht nur schöne, wahre und neue Dinge entstehen können, sondern dass Angst und Schrecken auch eine ganz eigene Schönheit immanent ist, die nur eben nicht zwangsläufig mit den klassischen Begriffen der Kunstgeschichte beschrieben werden können, scheint nun auch der Hochkulturbetrieb endgültig verstanden zu haben. Die Hamburger Kunsthalle, die sich nicht zum ersten Mal um wichtige Debatten und Bilder verdient macht, kuratiert eine Ausstellung zum Thema »MAN SON 1969. Vom Schrecken der Situation.« Ausgangspunkt ist der bürgerliche Schrecken Charles Manson, der wieder einmal zur perversen Kehrseite des 68er- bzw. 69er-Aufbruchs fantasiert wird. Spannend werden sollte die Ausstellung aber trotzdem, denn maßgeblich werden Meister Franckes Andachtsbild »Christus als Schmerzensmann« aus dem Jahre 1435, George Grosz » John, der Frauenmörder« und verschiedene Bilder Joe Colemans gegenüber gestellt. Besonders Coleman, der schon 2007 in den Berliner Kunstwerken seine Kuriositäten und kleinstteiligen Bilder zeigte, sorgt mit seiner popkulturellen Affirmation aller Zirkusse, Monster und sonstiger bürgerlicher Horrorgespenster für den nötigen Unterschied. Aber auch sonst hat man sich nicht lumpen lassen und mit Jenny Holzer, Mario Asef, Thomas Kunzmann, Richard Serra, Cindy Sherman, Die Tödliche Doris u. a. das nötige Salz in die erkenntnisbringende Suppe gestreut. »MAN SON 1969. VOM SCHRECKEN DER SITUATION«, Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle, Hamburg, 30. Januar bis 26. April 2009 George Grosz, John, der Frauenmörder, 1918, Öl auf Leinwand, 86,5 x 81,2 cm, © Hamburger Kunsthalle/ bpk, Photo: Elke Walford
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VOR UND ZURÜCK:
AUF HIGHHEELS DURCH DIE WIRTSCHAFTSKRISE Das mit der Finanzkrise entwickelt sich ja langsam zu einer richtig guten Sache. Auch für das kommende »Rezessionsjahr« sind die Aussichten nicht die schlechtesten, denn: Alles neu macht die Krise! Nicht erst seit den ersten Selbstmorden verzweifelter Investmentbanker führt man absurd anmutende Gespräche mit befreundeten Finanzexperten, die am Küchentisch undurchsichtige Gebilde aus Feuerzeugen, Zigarettenschachteln und Salzstreuern zur Veranschaulichung von Kreditsystemen basteln. Und auch auf Partys konnten die neuen negativen Gespräche endlich das vollkommen überflüssige Gequatsche über die unzähligen Beziehungskrisen in verdreckten Clubtoiletten ablösen. Verstehen tut all das wohl immer noch kaum einer. Davon sind scheinbar auch die Medien betroffen: Auch im letzten wirtschaftsredaktionsfreien Radiosender wird schon jetzt ganz selbstverständlich und in scheinbar unabwendbarer Zusammengehörigkeit vom »Rezessionsjahr 2009« gesprochen. Nebenbei werden die großen »angeschlagenen Firmen« aber gleich wieder »gerettet«. Also keine Sorgen machen und weiter geht´s mit Koks und KarmaKapitalismus und den anderen ganz persönlichen Finanzspritzen. Gerade Berlin ist ja krisenerprobt und geht in solchen Fällen einfach weiter raven. Den Huren des Gastronomiebetriebs werden die Rinderfilet- und Cremant-Reste so schnell nicht ausgehen, irgendjemand steckt ihnen immer einen Getränkebon zu. Denn Clubs wird es weiter geben, jetzt da Investoren ihre Bauprojekte verschieben und die Zwischennutzer und Szene-Onkels den Immobilienbesitzern den klammen Arsch retten, bevor man wieder in den der Globalplayer kriecht. Bis dahin gilt es das Positive zu sehen: Kleinkultur fördern ist total super für das Image. Die Kundschaft der Erlebnisgastronomie will auch weiterhin ihre Existenzangst unter der Diskokugel wegtaumeln und wartet auf die neue Superdroge. Zumindest kann man im kommenden Jahr auf die Rückkehr von EXTACY hoffen. Nachdem der Markt zuletzt so sehr von den Krisenzüglern gereinigt war, dass die Meute zielorientiert und ganz unkritisch das eingestanzte eiserne Kreuz übersah. Schwarzmarkttheoretiker vermuten die Gründe bei der Olympiade in China oder bei einer geheimen Absprache zwischen den Extacyherstellern, die die Preise für das platte Glück wieder hochtreiben wollen. Auch vollkommen egal, wo doch das Geld ausgeben plötzlich soviel Spaß macht wie nie zuvor: Täglich einen geilen Latte Macchiato, mit dem Taxi auf die Hochzeitsparty, als Geschenk eine gute Flasche Single Malt, Freitags neue Schuhe kaufen für Samstag und warum nicht einfach mal einen echten Handwerker bestellen, der die Waschmaschine repariert. Macht nichts, dass wir nicht auf der Gästelis-
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EXTACY ist beim Feiern noch immer die meistverbreitete Droge. Die Preise sind mit 5 Euro für eine Pille in den letzten Jahre stabil niedrig geblieben. Doch zuletzt ist das Angebot auf Grund von Razzien in grenznahen Großküchen rapide zurückgegangen, daher steigen die Preise in nächster Zeit vermutlich.
te stehen und niemanden an der Bar kennen, Geld ist ja sowieso nur so ein komisches, nicht reales Zeugs, das auf meinem Küchentisch mal von Korken, mal von Kuchenkrümeln dargestellt wird. Dann doch lieber gleich: Weg damit. Erst recht, wenn man kurz hoffte, dass »die« uns vielleicht einen Scheck über 500 Euro schenken wollten. Doch dummerweise machen »die« das mit dem Konsumgutscheinen doch nicht, sondern erhöhen kurzerhand das Kindergeld und kürzen dabei die Bezugsdauer. Toll, schließlich werden in diesem Jahr dermaßen viele Kinder im Bekanntenkreis geboren, dass es einem wie eine sektenmäßige Verschwörung vorkommt. Gebären für den Aufschwung. Hat ja schon mal geklappt. Im Zuge der ganzen Verunsicherung und Verdrängung wird vermutlich auch die Mode der Wirtschaftswunderjahre wieder kommen. Große Knöpfe und Krägen, Trümmerfrau-Kopftuch, Highheels für die neue Weiblichkeit. Dann muss man sich zumindest kein Karo-Hemd mehr kaufen. Der andere Trend – wenn auch nicht neu – schwappt derzeit von Textildiscountern rüber in die letzte Großraumdisse, in der man mittlerweile auch unter dem Motto »20er Jahre« mit Ganovenvon LAURA E W E RT Schnautzer und Pokertisch die Fake-Dekadenz feiert. ILLUSTRATION Tofutango »Merry Crisis« stand auf den top-schicken Agentur-Weihnachts-E-Cards. Sorry, dass wir die Verträge dieses Jahr nicht verlängern können. Wenn denn untergehen, dann bitte mit eingefrorenem Grinsen im Champagnerrausch und Designerfummel. Natürlich aus Biobaumwolle von einem lokalen Designer. Denn die Konsumrevolution und die Mikro-Ökologisierung sind nun auch in Kleinbürgerhaushalten angekommen. Mittlerweile ist der softe Kapitalismus der neuste Schrei. Das Irgendwie-Links-Sein ist vom Bekenntnis zum Trend geworden. Jeder ist allzeit bereit für das große Quiz zur Kapitalismuskritik. Marx schreibt man mit x, das weiß jeder der schon mal eine TV-Box bedient hat. Und auch wieder ganz schick ist die Fähigkeit zur Selbstversorgung. Mutti hat Vati zum Feste einen Autarkiekurs geschenkt. Hier kann er wieder lernen wie man Kartoffeln anbaut, welche Kräuter fast wie Rucola schmecken und wie man einem Hasen die Kehle durchschneidet. Und nachdem sich die super Missy-Girls im letzten Jahr zuerst etwas widerwillig weiß-grauen Eigenschleim in den Mund schmierten, fangen sie jetzt plötzlich an zu stricken. Erstmal mit einem Schal beginnen und sich dann langsam zum Woll-Dildo hocharbeiten. Im Zweifelsfalle Kunst draus machen, denn der Markt sei krisensicher, sagt man ja. So wie man auch sagt, die Talsohle sei noch nicht einmal abzusehen. Netzwerk! Zusammenhalt! Mikro-Systeme! schreit der Neo-Hippie da vorlaut. Hat er ja immer gesagt. Ähnlich vorlaut und dazu jedoch noch diskursablehnend, sind die vielen möchtegern-individuellen Studenten-Wichser. Bei denen ist ja schon länger nicht mehr viel Entwicklung zu erwarten. Sie werden weiterhin dummbräsig fragen, wer noch mal Dutschke war, sich in übervollen Hörsälen die Nägel auf der aktuellen Ausgabe der Welt lackieren und sich und ihre angepassten NeinSager-Freunde auf dem nächsten Campus Open Air feiern. Wenn´s gut läuft, spielen da sogar »Wir sind Helden« und geben lockere Parolen gegen die Krise durch, die man sich dann aufs T-Shirt druDie Collagen auf den Seiten 11, 21, 43,cken kann: Marx ist voll okay und Kapitalismus böse. Denen kann man ja glauben, die kommen aus 57 & 58 bestehen aus Ergebnissen der Google-Bildersuche und setzen sich ausKreuzberg und wollen mit dem dicken Musikbusiness ja auch nichts zu tun haben. zufällig gewählten Stichworten aus den einzelnen Artikeln zusammen.Alles wird merkwürdig in diesem Rezessionsjahr, gar widersprüchlich. So ist das mit der selbst erfüllenden Prophezeiung. Und was das alles damit zu tun hat, dass man wieder House Musik hören kann, finden wir auch noch raus.
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ZIERAT ZITAT
Bedeutungsflickenteppiche überall, Authentizität nirgends: endlich beerdigen Hipster die greise Gegenkultur. von HELGE PETERS
Echte Metaller sind ein seltener Anblick geworden. Die Jeanskutte mit dem Manowar-Rückenaufnäher erzählt von Bierschweiß, Headbang und Gitarrenfolter; allerhand mythisierendes Starkemännertum. Gemeinschaft, Bestimmung, Eindeutigkeit! Subkulturen wie Metal strotzten vor pathetischer Gegenidentifikation. Wo ist es eigentlich hin dieses Bedürfnis, Teil einer devianten Jugendbewegung zu sein? Hieß subkulturelles Handeln noch bis weit in die Neunziger, die jeweils passenden Zeichen eines mehr oder weniger klar definierten Referenzsystems zu kombinieren und sich damit als Teil einer Gemeinschaft zu identifizieren, herrscht heute mit dem Vormarsch des Hipsters allerortens symbolischer Eklektizismus. Die nerdy Hornbrille hier, das Holzfällerhemd da, hallo Hermes-Halstuch, tschüss Truckerkappe. Rekontextualisierung regiert. Ein Shirt von Slayer verwies früher auf die Zugehörigkeit zum Metal mit seinen gemeinschaftlichen Riten und Werten, einem abgrenzbaren Kanon von Bands und vor allen Dingen den Ausschluss derer, die über all dies nichts wussten. Getragen vom Hipster bedeutet das gleiche Shirt im besten Falle den Verweis auf den historischen kulturellen Komplex Metal im Medium der Ironie. Oder einfach gar nichts mehr. Das fortgesetzte Spiel mit den Zeichen entwertet ihre ursprüngliche Bedeutung. Die Kulturtechnik des Remix, die mit dem Sample im Hip Hop ihren Durchbruch hatte, verließ die Musik und durchdringt nunmehr jeden identitätsrelevanten Bereich der Lebenswelt. Im Global Trend Report gibt sich das »Vice Magazine« die größte Mühe, Styledifferenzen der Fashionistas zwischen Montreal und Stockholm abzubilden, allein es will nicht so recht gelingen, denn sie erscheinen – bei aller Unterschiedlichkeit im konkreten Sample – durch ihre konsequen-
te Methodik des Remix marginal. Zwischen Williamsburg und Schlesischem Tor hat der Hipster längst eine global verstandene Grammatik gefunden und wirft sich auf Partyfotowebsites in ironische Glamposen; wir sind jetzt alle ein bisschen gleicher als Vogue. Die Trendproduktion erfährt eine radikale Enthierarchisierung, Beschleunigung und spatiale Entgrenzung. Mit Wordpress und Digicam im Anschlag auf den Straßen der Welt unterwegs wird jeder zum Trendscout. Horizontal vernetzte Street Fashion Blogs zeichnen in nahezu Echtzeit lokale Impulse auf, die global rezipiert, geremixt und mit neuer Bedeutung aufgeladen erneut in die Welt hinausgetragen werden. Damit verlieren die an vertikal strukturierter Trendkommunikation niederer Frequenz orientierten klassischen Printprodukte aus dem Fashionund Musiksegment ihre Gatekeeperfunktion. Das ist alles ganz schön unübersichtlich und lässt sich unmittelbar als schwindelerregend beschleunigte Abfolge völlig arbiträrer und sinnentleerter Trendimperative lesen, die zu rezipieren dem Subjekt unter Strafe der Exklusion eine dramatisch erhöhte Flexibilität und ein ständig neues – symbolisches und eben auch monetäres – Reinvestment in die eigene Identität abverlangt. Und schon sehnen sich einige nach den guten alten Zeiten der Gegenkultur zurück, als Symbole noch beständige Ordnung schafften und Gesten eindeutig waren. Von Kids United bis Love, Peace & Unity herrschte der Glaube an die Unausweichlichkeit der eigenen Botschaft. Vielmehr noch: es gab eine klar zu identifizierende und in den sozialen Kontext einzuordnende Message. Das Give Peace A Chance der Hippies lässt sich ebenso elegant aus dem Zustand der Mehrheitsgesellschaft erklären wie das No Future des Punk. Die aktuelle Uneindeu-
FOTOS Peter Beste (peterbeste.com)
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»DIE ZEICHENWELT DER GEGENKULTUR KANN WIDERSPRUCHSLOS ZUM LEITMOTIV DER PRÄSIDENTSCHAFTSKAMPAGNE EINES BARACK OBAMA WERDEN.«
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tigkeit einem spätkapitalistischen Third Way der Popkultur nach dem Ende des Systemkonflikts in die Schuhe zu schieben, liegt nahe. Folgerichtig leitartikelt das konsumkritische »Adbusters Magazine« mit dem Titel »Hipster: The Dead End Of Western Civilization« und beklagt den plötzlichen Abriss der stetigen Abfolge de-
vianter Jugendkulturen in der westlichen Zivilisation. Der Hipster eigne sich Symbole an, ohne ihre rebellische Bedeutung zu respektieren, es mangele ihm an Authentizität und gebührendem Abstand zur Verwertungslogik. Dabei wird schlicht übersehen, dass es nie eine Authentizität oder Autonomie der Gegenkulturen gab, die auf eine Mainstream Society als conditio sine qua non ebenso angewiesen waren, wie dieselbe auf die Innovationsschübe und das kulturelle Kapital, das die Gegenkulturen hervorbrach-
ten. Die Geschichte der Gegenkulturen ist die Geschichte ihrer Nutzbarmachung. So betrachtet waren die Cultural Studies, immerhin aus marxistischer Tradition stammend, wenn auch akademische Begleitmusik der Gegenkulturen, zu kaum einem Zeitpunkt viel mehr als Hilfsdisziplin des Marketings. Der Vorwurf an die Hipster, die Bedeutungszusammenhänge der Counter Culture ins Leere laufen zu lassen, gilt doch vielmehr der postmodernen Tendenz zur Referenzlosigkeit der Zeichen, der die von den Adbusters betrauerten Gegenkulturen noch an der Wiege das Lied von der Umwertung der Werte sangen. Dabei betreiben die Hipster nichts weiter als eine Überidentifikation mit den kommunikativen Strategien der ehemals gegenkulturellen Avantgarde: Collage und Detournement, ehemals subersive Interventionen, werden exzessiv als nur mehr popkulturelle Spielerei zweckentfremdet. Ironischer Weise entleert diese Aneignung der Strategie der ironischen Überidentifikation sie ihres subversiven Gehalts. Irgendetwas muss also stimmen am oft bemühten Bild des Ironic Hipster. Mit devianter Ästhetik lässt sich nun keine Politik mehr begründen, denn Politik ist vollständig ästhetisiert. Die Zeichenwelt der Gegenkultur kann widerspruchslos zum Leitmotiv der Präsidentschaftskampagne eines Barack Obama werden. Dabei sollten die Adbusters und andere Fans der Subversion nicht trauern. Ihr Vorwurf einer Meaningless Consumption heißt einfach nur das Ende der quasipolitischen Identifikation in abgeschirmten gegenkulturellen Zirkeln, das überfällige Ende des überkommenen Narrativs der kleinen gegenkulturellen Bewegung versus den bösen kommerziellen Mainstream. Diese Erzählung war schon immer einlullender Quatsch und in der Konsequenz konterrevolutionär, weil ihr die Begrenzung des Anspruchs der Befreiung auf den jeweils eigenen Dunstkreis eignete. Endlich ist die Kultur befreit vom Zwang, etwas meinen zu müssen. Die Kritik wäre zu befreien vom Zwang, in den üblichen symbolisch eindeutig markierten Kreisen mit all ihrer käsigen, angedrehten Authentizität verrotten zu müssen. Denn Subversion gedeiht am besten dort, wo sie nicht vermutet wird.
Die dritte Auflage des Buchs »True Norwegian Black Metal« ist jetzt erhältlich. Die erste und zweite Auflage waren schnell vergriffen. Alle Bücher wurden vom Autor signiert und werden innerhalb von zwei Tagen nach Bestellen geliefert. »True Norwegian Black Metal« enthält 126 Fotografien, die sich mit dem norwegischen Black Metal beschäftigen, dazu eine Einleitung von Metalion vom »Slayer« Magazine, Essays vom Herausgeber Johan Kugelberg und Peter Beste, drei ausklappbare Zeitleisten von Tara G Warrior und 32 exklusive Seiten über Black Metal im Alltag inklusive seltener und obskurer Fotografien, Flyer, Briefe und Interviews. Hardcover, 208 Seiten, $ 55 plus Versandkosten. Die Deluxe Edition erscheint in einer Auflage von 666 Stück. Sie kommt in einem handnummerierten Siebdruckumschlag, einem siebgedruckten Black MetalLogoposter, sowie einem signierten 8 x 10 Druck. $ 290 im weltweiten Versand. peterbeste.com Vom 20. März bis zum 30. April kann man die Black Metal Bilder von Peter Beste in der Pool Gallery in Berlin (Tucholskystraße 38) bewundern.
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EVERYBODY’S DARLING IS EVERYBODY’S DEPP
Je unübersichtlicher man die Welt da draußen wahrnahm, desto energischer wurde die Debatte geführt: Deutsche Feuilletonaktivisten empfehlen seit geraumer Zeit das Zurück zu bürgerlichem Benimm und Höflichkeit um sich die Komplexitäten zu strukturieren. Wo auch immer dieser Ort gewesen sein mag, unser Autor BJÖRN LÜ D T K E überprüft mit den alten Klassikern wie man als moderner Mensch den Umgang mit den Anderen überlebt.
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PROLOG Zu fortgeschrittener Stunde im Club. Ich tanze gerade schön vor mich hin, bis mich jemand am Arm packt und an sich heran zieht – mich sozusagen anhält – und ich mit dem Tanzen aufhören muss:
ER: ’TSCHULDIGUNG, ICH WILL DICH JA NICHT STÖREN … ICH: WARUM TUST DU’S DANN? ER: ICH WOLLT’ JA NUR FRAGEN OB DU NOCH ’NE KIPPE HAST … ICH: ICH DACHTE, DU WOLLTEST MICH NICHT STÖREN?! ER: MANN, BIST DU UNHÖFLICH!
Neulich bei meinem besten Freund zum Frühstück in Berlin MITTE. Er hat Besuch von Anja aus München, ich kenne sie kaum. Er hat mich schon etwas vorgewarnt, Anja redet sehr viel. Ich merke bald, dass das untertrieben ist. Sie plappert. Über dieses und jenes, zum Teil sogar sehr unterhaltsam. Aber Anja gehört zu der Sorte, die nicht viel nachdenkt, bevor sie was sagt. Auf einmal schaut sie an mir hoch und runter. Wir sitzen an einem Tisch, sie schaut tatsächlich auch darunter, um alles sehen zu können: »Modern bist du ja nicht gerade angezogen, fast schon konservativ.« Sie weiß, dass ich in der Mode tätig bin und nimmt an, dass ich was davon verstehe. Meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten war leider noch nie mein Ding. Sie schiebt schnell hinterher: »Aber bei dir sieht es gar nicht so spiessig aus!« Wie bitte? War das jetzt ein Kompliment oder ein Affront? Okay, ich trage meine Hosen manchmal etwas zu kurz, meine Sakkos sind aus Opa-Cord und den Hut dazu versteht auch nicht jeder. Aber wenn hier einer am Tisch unmodern angezogen ist, dann bin das bestimmt nicht ich. Innerlich zerreisst es mich. Was erlaubt die sich eigentlich? Auf solche Attacken folgt bei mir normalerweise sofort eine Reaktion. Das ist körperlich, ich kann oft gar nichts dagegen tun. Diese Reaktion äussert sich dann in patzigen Sprüchen oder Sarkasmus. Auf beides verzichte ich aber, weil ich die nette Situation beim Frühstück nicht gefährden will. Ich ärgere mich darüber, dass sie drauf losplappern darf, ich mir aber aus Höflichkeit auf die Zunge beisse. Anja scheint sich keine Gedanken darüber zu machen, ob ihr Geschnatter bei mir gut ankommt. Der Gastgeber versucht, vom Thema abzulenken: »Wie schmecken euch denn die Meeresfrüchte? Ich war mir nicht ganz sicher, ob ihr das zum Frühstück mögt …« Anja: »Die schmecken suuuper! Bjöhöörn. Willste nich’ auch ma’
MITTE ist ein Stadtteil von Berlin. Nach der Wende gab es hier besetzte Häuser, Off-Theater und Kellerclubs, dann kamen die Hipster und jungen Designer. Heute bevölkern die Julias und Konstantins aus Düsseldorf mit braunen Stiefeln, iPhone und BWL-Studium die Straßenzüge nördlich des Hackeschen Marktes.
Der Berliner ALEXANDERPLATZ ist ein Phänomen: Er hat in der Geschichte der Hauptstadt immer wieder eine wichtige Funktion eingenommen: Von Kämpfen der Märzrevolution über die zentralinstallierte Relevanz in der DDR und später den Kundgebungen 1989 bis zum freitäglichen Treffpunkt der Jumpstyler heute. Trotzdem hat es der Alexanderplatz, trotz massivster Konzentrationen auf seinen Um-, Ab- und Weiterbau nach dem Krieg, nie wieder geschafft, auch nur ansatzweise anziehend auszusehen.
probier’n?« Ich lehne dankend ab. »Och, warum denn nich’? Schmeckt eeeecht lekkkkaaaa!« Nein, danke. Wirklich nicht. »Magste denn keine Meeresfrüchte?« Stimmt, ich hasse vor allem Tintenfisch. »Ohhhh, der Björn. Ganz schön pingelich mit dem Essen, was?« Sie tut es schon wieder. Es entfacht eine Diskussion um meine vermeintlich skurrilen Essgewohnheiten. Pommes Schranke schmeckt mir halt besser. Ich sehe mich Anja machtlos ausgeliefert. Reagiere ich, stehe ich automatisch als unhöflich da. Tue ich es nicht, lasse ich mich als Sonderling abstempeln. Wie schafft sie es, die Situation so zu verkehren? Sie scheint auf mein Taktgefühl zu vertrauen, und das ärgert mich. Bin ich zu empfindlich? Adolph Freiherr von Knigge1 schreibt in seinem Buch Über den Umgang mit Menschen: »Mit sehr empfindlichen, leicht zu beleidigenden Leuten ist es nicht angenehm umzugehen.«2 Da gebe ich ihm Recht. Die Sorte mag ich auch nicht. Aber Anja rät er: »Enthülle nie auf unedle Art die Schwächen deiner Nebenmenschen …«3 und »Suche keinen Menschen … in Gesellschaft lächerlich zu machen.«4 Aha, immerhin haben wir jetzt den Beweis, dass ich nicht alleine an der Situation schuld bin. Es gilt einen schmalen Grat zwischen Ehrlichkeit und Zurückhaltung zu bewandern, aber für beide Parteien! Im Umgang mit ungehobelten Menschen rät Knigges Nachfahre Moritz Freiherr Knigge: »Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund!«5 Endlich, meine Legitimation für Krawall: Wenn die Ungehobelten das Feuer eröffnen, darf ich verbal zurück schiessen. Aber das führt unweigerlich zu Stress, vor allem bei mir. Und den will ich eigentlich vermeiden, denn wer hat schon Lust, ständig zu streiten. Vor allem, wenn man nur mal kurz zur Post will: Auf dem ALEXANDERPLATZ treffe ich auf einen Typen, der das gleiche Talent hat wie Anja – er ist ungehobelt, ich gehe aber als Rüpel aus der Situation. Vielleicht ist er ihr Bruder. Er trägt ein T-Shirt, das ihn als Mitglied einer Tierschutzorganisation ausweist: »Du magst doch Tiere, oder?« Ich weiß inzwischen, dass die Jungs, gut 1 Ich bin mir anfangs nicht sicher, ob sich Knigges Postulate auf das Berlin des 21. Jahrhunderts übertragen lassen. Im Laufe meiner Lektüre merke ich jedoch, dass seine Schriften zum großen Teil auch heute noch aktuell sind. Die Menschen scheinen sich seit dem 18. Jahrhundert kaum verändert zu haben … 2 Knigge, Adolph Freiherr von: Über den Umgang mit Menschen. Frankfurt a.M. 2008, S. 95. 3 Ebd., S. 40. 4 Ebd., S. 56. 5 Knigge, Moritz Freiherr: Eine Frage, Herr Knigge. Bergisch Gladbach 2008, S. 313.
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geschult, auf alles eine Antwort wissen. Ehe man sich versieht, verhaspelt man sich in Rechfertigungen. Ich antworte genervt mit einem barschen »Nein« und gehe weiter. Er folgt mir und versucht, doch noch eine Reaktion aus mir herauszukitzeln: »Ach so einer biste, von der janz coolen Sorte … Du könntest mir wenigstens in die Augen schauen, wenn ich mit dir rede!« Hä? Er will mir was aufschwatzen, ich habe hier um nichts gebeten. Und moralisch erpressen lasse ich mich schon gar nicht! Mir platzt der Kragen. Ich keife ihn an, dass ich hier wohne und ständig von Pack wie ihm angequatscht werde. Ich will nur in Ruhe zur Post, meine beschissenen Pakete loswerden! Er zieht einen Mundwinkel zu einem abschätzenden Grinsen hoch und empfiehlt mir, mich mal locker zu machen … Auch, wenn ich mein Verhalten für gerechtfertigt halte, elegant ist es nicht. Der alte Knigge weiß dazu nichts. Ich nehme an, im 18. Jahrhundert gab es noch keine Tierschutzorganisationen. Ich schlage in einem aktuelleren Werk seines Nachkommen nach: »Appelle an unser Gewissen und unsere Fähigkeit, mit anderen Menschen mitzuleiden, machen es oft nicht leicht, sich solchen Ansprachen zu entziehen … Letztendlich bleiben nur zwei praktikable Möglichkeiten: Werden Sie Mitglied, oder wechseln Sie die Straßenseite!«6 Geht’s noch? Ich soll in Zukunft einen Umweg machen, wenn ich zur Post will? Ich fühle mich hilflos. Ich will ja gar nicht jedem gefallen – Everybody’s Darling is Everybody’s Depp. Eigentlich finde ich es gut, den Typen wissen zu lassen, dass er mir auf den Sack geht. Trotzdem habe ich keine Lust, bei jeder ähnlichen Gelegenheit in die Luft zu gehen. Mir deucht, es liegt tatsächlich an mir, in solchen Situationen Ruhe zu bewahren. Michel de MONTAIGNE, ein Philosoph des 16. Jahrhunderts weiß dazu: »Die Dummheit ist eine schlechte Eigenschaft; aber sie nicht ertragen zu können, sich darüber grün und blau zu ärgern, wie es bei mir vorkommt, das ist eine Krankheit anderer Art, die kaum weniger lästig ist als die Dummheit; und dies ist es, was ich jetzt anprangern will.«7 Wenn ich also der Klügere sein will, muss ich nachgeben. Einfach gelassen lächelnd weiter gehen, ohne mich angegriffen zu fühlen. Das wäre schön.
6 Ebd., S. 39f. 7 Zitiert nach: Knigge, Moritz Freiherr: Eine Frage, Herr Knigge. Bergisch Gladbach 2008, S. 196.
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Ach, wäre ich doch so cool wie Jackie O.8 Die hat sich ihrerzeit auch einiges von der Presse gefallen lassen müssen, obwohl sie nicht darum gebeten hat, die meist fotografierte Frau der Welt zu sein. Die Paparazzi haben sie auf Schritt und Tritt verfolgt. Sie war sich aber der Tatsache bewusst, dass sie eh nichts dagegen tun kann. Ihr Leitspruch, mit ihren Verfolgern umzugehen lautete: »Never complain, never explain!« Ich halte die frühere First Lady durchaus für ein Vorbild was Contenance und Stil betrifft. Ich werde es in Zukunft einfach so halten wie sie. Soweit die Theorie, aber wie schaffe ich das im Berlin von heute? Langsam verstehe ich, warum Jackie immer so große Sonnenbrillen getragen hat. Sie wirken als Schutzschild. Wenn mein »Angreifer« nicht erkennen kann, ob ich ihn überhaupt sehe, dann kann er mir hinterher nicht vorwerfen, ich hätte nicht reagiert … Jackie macht sich mit der Brille ein Stück weniger angreifbar. Eine Sonnenbrille allein wird mir aber nicht helfen. Kopfhörer! Schneckennudelgrosse Kopfhörer! Spätestens seit Prinzessin Leia in Star Wars auch modisch akzeptiert: Helft mir Obi Wan Kenobi, ihr seid meine letzte Hoffnung! Prinzessin Leia muss sich dem bösen Imperium gegenüber genauso machtlos gefühlt haben wie ich dem Pack am Alex. Kleine Ohrstöpsel taugen da nix. Die Dinger müssen gut sichtbar sein! Wenn ihr also demnächst einen Typen mit Kopfhörern auf den Ohren gelassen grinsend beim frühstücken seht, dann bin das ich.
Michel de MONTAIGNE lebte im 16. Jahrhundert und hat uns den Essay beschert. Mit seinen »humanistischen Selbstversuchen« werden heutzutage Bachelor-Studenten gequält, Poesiealben vergewaltigt und Neunmalkluge noch mal aufgewertet. Tatsächlich kann man in seinen »Gesammelten Essais« aber eine Menge über die tiefgreifende Skepsis eines individuellen, modernen Denkers und seiner Zeit erfahren.
8 Jacqueline Bouvier Kennedy Onassis war die Frau von John F. Kennedy. Nach seinem Tod heiratete sie den damals reichsten Mann der Welt, den griechischen Reeder Aristoteles Onassis. Die Presse nannte sie fortan Jackie O., was sie allerdings hasste.
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Exorzismus und Besessenheit erschienen S A BINE LENORE MÜLLER bis vor kurzem als Relikte archaischer, tief ideologisierter Zeiten und Kulturen. Hexenjagden und die Bilder von Mädchenkörpern, geschüttelt durch unerklärliche Mächte gehörten für sie bis vor kurzem ins Horrorfilmgenre, ins Repertoire naiver Vorstellungen über das Mittelalter oder die Abartigkeits-Portfolios bayrischer Provinzdörfer. Sie überprüft im Folgenden, ob das vielleicht nur die Vorurteile einer naiven Kulturwissenschaftlerin sind, die von der Idee verführt wurde, menschliches Fühlen und Handeln sei bedeutungsstiftend.
EXORCISE THIS!
oder: wie besessen sind wir eigentlich?
Ist die Haltung »leben und leben lassen« unhaltbar gegen- Laut Selbstauskunft ist der über einem realexistierenden, personifizierten Bösen? Die Bilder EUCHARISTISCHE und Tonbandmitschnitte des Exorzismus der Anneliese Michel, LIEBESBUND »eine Vereidie z. B. auf youtube zugänglich sind, haben mich ziemlich aufge- nigung jener Gläubigen, wühlt, und das, so will dieser Artikel verdeutlichen, war auch der welche einen lebendigen Sinn und Zweck ihrer Entstehung. Auf der Suche nach Informa- Glauben an die wirkliche und tionen zum Thema Besessenheit und Exorzismus, kommt man wesenhafte Gegenwart des an Anneliese Michel und der Geschichte, die sich mit diesem hochgebenedeiten GottesNamen verbindet, nicht vorbei: Einer angehenden jungen sohnes Jesus Christus im Lehrerin aus einem Dorf in Bayern, die streng katholisch allerheiligsten Sakramente erzogen wurde und Epilepsie hatte – an beidem leidet des Altares pflegen wol– erscheint die Jungfrau Maria und fragt, »ob sie be- len.« Übersetzt heißt das, reit sei, ihre Leiden vor allem für die deutsche Ju- dass wir es mit einem Haufen gend, aber auch für Deutschland aufzuopfern«.1 Erz-Katholen zu tun haben, Das klingt mehr nach Goebbels, aber E. Bas- deren Ziel es ist, möglichst tian wird’s schon wissen: Der ist ein kon- wenig Spaß im Leben zu servativer Katholik, der seine Homepage haben, so steht unter §4 in (»Anneliese Michel – die Dämonen den Statuten (so etwas wie müssen aussagen«) praktischerwei- ein Verhaltenskodex für se mit einer Propagandaseite des den echten Liebesbundler) EUCHARISTISCHEN LIEBESBUNDES folgendes geschrieben: verlinkt, einer katholischen Sek- »Daß sie im übrigen ein »DER DER DER DES GANZE DEUTSCHLANDte, die unter anderem Opfer, Sühne und Leiden als Liebesbeweise stilles, zurückgezogenes VERFÜHRT HAT, JA JA DER IS AUCH NOCH DRIN!«Christis interpretiert und den Papst nicht katholisch genug fin- Leben führen und dem heuti(Anneliese Michel/ Dämon während des Exorzismus)det. Was steckt also hinter dem ganzen Höllenspuk? Da wird ein gen Zeitgeiste, besonders dem Mädchen über Monate unter den Augen von Familienangehöri- Geiste der Vergnügungssucht, gen, dem Verlobten und mehrerer Priester so lange dem großen vollständig entsagen Exorzismus des Rituale Romanum unterzogen, bis sie auf 31 kg wollen.« Statt Sex, Drugs & abgemagert und bis zur Unkenntlichkeit entstellt stirbt. Rock ’n’ Roll heißt das also: Während dieser Sitzungen läuft ein Tonband mit, auf dem Beten, Jesus, Knäckebrot. die verzerrten Stimmen der Dämonen aufgezeichnet werden, Immerhin gibt es ab und zu das arme Mädchen ist nämlich nicht von irgendwelchen bösen Wallfahrten – und damit man Geistern besessen, sondern gleich von der ganzen High Society züchtig und empfängnislos der Antagonisten des Christentums: Luzifer, Judas, Kain, Nero, bleibt, schlafen Buben und Hitler und ein gefallener Priester namens Fleischmann2 und die Mädels natürlich in haben einiges zu sagen. Während der Exorzismussitzungen fun- getrennten Zimmern. Mit giert Anneliese als Medium, durch das sich die Dämonen äußern. den Händen über der Und was fordern sie? Betet mehr Rosenkränze, lasst die Priester Decke! 1 Bastian, Wolfgang E., „Anneliese Michel – die Dämonen müssen aussagen“, anneliese-michel.de.ms/, 18.12.2008 2 Siegmund, Georg (Hg.), Goodman Felicitas (übers.) Anneliese Michel und ihre Dämonen: Der Fall Klingenberg in wissenschaftlicher Sicht, Christiana Verlag, 2006.
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nicht an der Uni Theologie studieren (das macht sie nur ketzerisch), schafft die Handkommunion ab und kniet ordentlich nieder beim Beten, sonst kommt ihr alle in die Hölle, ihr Schwachköpfe. Und »die Rotznase aus der gehen wir nicht fort« – das ganze mit viel Knurren und Fluchen, zwischendrin immer wieder ein »Sie Scheißkerl!« in Richtung des Priesters – relativ höfliche Dämonen, die ihre Gegner siezen. Erzkatholische Dämonen, denn sie reden »im Auftrag von der daaaaaa! (Maria)«3 und stellen sich gegen die Modernisierungsforderungen des zweiten vatikanischen Konzils. Drohend, schnaubend und auf die Qualen ihrer Verdammnis verweisend, stellen sie sich in den Dienst des Katechismus, sind im Auftrag Mariens in Anneliese aufgeschlagen, sollen den »Stolz einer gefallenen Menschheit dämpfen, die in einmütiger Schlechtigkeit sich selbst zu einer Einheit in der Art von Babel machen möchte«4 – klare Ansage an alle Nichtkatholiken: Das Böse gibt’s wirklich, es spricht und wir sind da um Dich davor zu beschützen, komm zu uns und wir befreien Dich von all Deinen Ängsten und Bedrückungen! Und wer nun denkt, Anneliese Michel sei ein Einzelfall, der mag insofern Recht haben, als dass nach 1976 der »große Exorzismus« offiziell verboten wurde, das heißt, es darf niemand zu Tode gebracht werden und die Dämonen dürfen auch nicht mehr direkt angesprochen werden. Andererseits fordert Papst Benedikt mehr Exorzisten für alle, in Polen wird gar ein Zentrum gebaut wird, wo über 50 Exorzisten ausgebildet werden sollen. Für religiöse Menschen, die sich mit unerklärlichen psychologischen Phänomenen konfrontiert sehen, mag der Gedanke besessen zu sein, ein gültiges Erklärungsmodell sein. Nicht oder weniger Religiöse würden zunächst den Arzt aufsuchen – der allerdings gehört einem anderen ideologischen Lager an: der Schulmedizin. Genau hier zeigt sich, wie wichtig es wäre, Foucaults Schriften zu Macht und/im Diskurs unters Volk zu bringen. Der Begriff »Diskurs« – seit den 70er Jahren inflationär gebraucht – hängt dem Leser vielleicht schon aus den Ohren raus, ist in weiten Kreisen der Gesellschaft aber nie angekommen. Die Idee, dass Wahrheit immer eine verhandelbare, diskursiv erzeugte ist, unterschiedliche Ideologien und Erklärungskonzepte sich die multi-mediale Bühne teilen und mehr oder minder erfolgreich um das Auslegungsmonopol, unsere Stimmen, Meinungen kämpfen, ist für viele, besonders wenn sie Fundamentalisten sind, schwer vorstellbar. »Die tun nichts, die wollen bloß Deine Seele!« – und das betrifft nicht nur die Religionen. Denn betreibt die Wissenschaft, wenn sie die Idee der Verhandelbarkeit von Wahrheit ins Hirn eines tiefgläubigen, christlich sozialisiertem Erstsemestlers pflanzt, nicht selbst auch eine Form von Exorzismus, jedenfalls wird es sich für den Betroffenen, der bis zu diesem Punkt glaubte, Gott sei die Wahrheit und offenbare sich exklusiv im heiligen Geist, wohl eine Weile lang so anfühlen. Selbiges gilt für das shoppingsüchtige Fashiongirl, das sich verschuldet hat und nun in der Therapie lernen muss, dass Lagerfeld und Dior keine Götter sind, für den Neonazi, der in der Jugendstrafanstalt zum ersten Mal nahe gelegt bekommt, dass Ausländer verkloppen vielleicht doch nicht so cool ist. Die Idee der Besessenheit und der Austreibung scheint die kollektive Fantasie zu beflügeln. Filme, wie Stigmata (1999), The Exorcism of Emily Rose (2005), Requiem (2006) rücken das Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit, sie erzählen in Grundzügen die Geschichte Anneliese Michels, vollziehen filmisch das Austreibungsritual nach, ohne jedoch das Phänomen der Besessenheit in seiner kollektiven Dimension zu begreifen5. Jedes »Ich« trägt sein »Anderes« in sich. Das am Kern des Selbst das Fremde steht, ist nicht erst eine Erfindung des französischen Theoretikers Jacques Lacan, oder der post-strukturalistischen Psychoanalyse. Es ist die Logik der Binarität, die Tücke des Subjektes, dass derjenige, den ich als meinen Feind betrachte, mehr über mich auszusagen weiß, als mir vielleicht lieb ist. Die Existenz und Beschaffenheit des Satans – und die Angst davor wird von Kanzeln gepredigt – und die Dämonen SLAVOJ ŽIŽEKreden über die Kirche. SLAVO ŽIŽEK, bringt es auf den Punkt: »Es geht also darum, einen Bereich der irreduziblen Anspricht mehrere Sprachen,dersheit im Ich selbst, einer absoluten Kontingenz und Unverständlichkeit anzuerkennen«6 Mit diesem Anerkenist quasi permanentnen haben wir aber so unsere Probleme. Dass die heutige BRD eine Konsequenz der Geschichte ist, diese gleichsam unterwegs und erscheint des-beherbergt – also nicht nur der Adenauer sondern auch der Hitler und der Ulbricht und auch der Friedrich Wilhelm wegen vielen als der letztenoch darin stecken, ist kein angenehmer Gedanke. Solange wir jedoch nicht bereit sind anzuerkennen, dass der HitUniversalgelehrte diesesler immer noch irgendwo tief drinnen in jedem deutschen Staatsbürger, Passträger sein Heil schnarrt, wird er uns Planeten. Er stapftwohl weiterhin aus den Reihen der NPD und der Neonazis daran erinnern müssen. Dämonen sind nicht dazu da, dafröhlich über die Grenzenmit wir mit dem Finger darauf zeigen oder sie austrieben, sondern um kollektiv verstanden und bewältigt zu werden. von Pop- und Hochkultur,Dabei hat die Menschheit doch schon Erfahrung mit ego-zerschmetternden Momenten, wie Bruce Mazlish es ausPostmoderne unddrückt: die kopernikanische Wende, die die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums verdrängte, DARWINS TheoMaterialismus, Psychologierien, die die Vorstellung göttlicher Abstammung durch eine Verknüpfung mit dem Tierreich ersetzten, und Freuds
und Philosophie hinweg. Gerne übertönt er dann mit seinem Organ auf Veranstaltungen andere Mitdiskutanten, daher ist es ein größerer Genuss seine Bücher zu lesen, als ihn live zu sehen.
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3 Tonbandmitschnitte, verwendet in: Helge Cramer: Satan lebt – die Rückkehr des Exorzismus, Erstausstrahlung im WDR 27. 03. 2006, online: youtube.com/watch ?v=iffskp526io&feature=related, 18.12.2008 4 Katechismus der Katholischen Kirche, Revidierte Ausgabe, Oldenburg 2003, S. 57 5 In Exorzismus-Filmen, Requiem bildet die Ausnahme, scheint ganz nach dem Beispiel des Exorcist (1973) die „Aufklärung zu unterliegen, doch nicht, um einem beliebigen Okkultismus Platz zu machen, sondern um die dogmatischen Lehren der katholischen Kirche und vor allem deren Vorstellung eines personifizierten Bösen nachhaltig zu bekräftigen.“ Siehe: Mathhias Hurst, „Der Exorzist: Ästhetik und sozialhistorische Implikationen eines Kino-Erfolgs.“ In: Kick, Hermes Andreas, Engelhardt, Dietrich von et a. (Hg.) Besessenheit, Trance, Exorzismus. Affekte und Emotionen als Grundlagen ethischer Wertebildung und Gefährdung in Wissenschaften und Künsten, LIT:Münster, 2004, 7-24. 6 Žižek, Slavoi, Die Tücke des Subjekts, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 2001, S. 65.
HEIKE BEHREND UND UTE LUIG haben sich damit beschäftigt, wie sich Geisterbessenheit in Afrika mit der Moderne und Machtstrukturen verknüpft. Sie haben weitreichend untersucht, wie sich die Geschichte des Kontinents und seine spezifischen Erzählungen mit wirtschaftlichen Umbrüchen auf das Verständnis von übersinnlichen Phänomen in den verschiedenen Kulten auswirkt.
Zum 200. Geburtstag von CHARLES DARWIN freuen sich die Buchläden und Magazine dieser Welt, dass sie ihre Auslagen und Seiten mit allerhand Material füllen können. Sein 1859 erschienenes Werk »Die Entstehung der Arten« hatte die Evolutionstheorie begründet, die bis heute noch christliche Fanatiker, linke Gutmenschen und die arabische Welt aus dem Gleichgewicht bringt.
Idee, der Mensch sei nicht »Herr im eigenen Haus«, sondern Sklave der undurchschaubaren Operationen seines Unterbewussten, haben gründlich für Skepsis gegenüber dem Selbst und seinen Wahrheiten gesorgt7. Die Post-bewegungen – Post-moderne, das post-humane Zeitalter, bestimmt durch Mensch-Maschine Verknüpfungen, oder Theorien der Post-Identität jedenfalls, konzipieren den Menschen als »Terminal multipler Intersektionen«8 – räumlich also, womit Besetzbarkeit/Besessenheit ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken dürfte. »Eine faszinierende Erfahrung der Moderne jedenfalls ist es, dass sich Besessenheitskulte weltweit verbreiten, nicht nur in Afrika, Asien und der Karibik sondern mitten in New York, Toronto und in Europa«. So finden sich laut BEHREND UND LUIG christliche »Geister« namens Hitler und Mussolini, oder King Bruce (nach Bruce Lee) im nördlichen Uganda und führten Krieg gegen die Regierung. Die Besessenheit dient in gewissen Fällen als eine Herausforderung der historischen Tradition des mainstreams eines Stammes oder eines Volkes, eine Erfahrung die dazu da sei »die Lücken des historischen Bewusstseins zu füllen« (Behrend und Luig, 121). Doch auch im westlichen Kontext sei die Erfahrung, von externen Mächten besessen zu sein, die sich als Bilder von Mächten, passiones, äußern, üblich: »Im Kontext der Liebe sprechen wir davon, von der geliebten Person besessen zu sein« (ebd.). Und obwohl der »Tod Gottes«, den Menschen vielleicht ins Zentrum des Universums gerückt, die Welt um ihn in leblose, manipulierbare Objekte reduziert hat, so erfährt doch schon jedes Kind, das in der spätkapitalistischen Überflussgesellschaft aufwächst, was es heißt, von externen Objekten, und den Emotionen die sie auslösen »besessen« zu sein. Es an der Zeit, der eigenen Besessenheit ins Auge zu blicken – spätestens die Finanzkrise und die Ökokrise dürften uns ja mit der Frage konfrontieren, wie viele von den Geistern die wir riefen, wir wirklich noch brauchen, ob und wie wir sie wieder loswerden, das heißt, ob die Menschheit einen weiteren Selbstexorzismus, der womöglich einer ökologischen Entschärfung gleichkäme, zu überstehen in der Lage ist, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.
7 Scott Bucatman, Terminal identity. The virtual subject in Postmodern science fiction. Duke University Press, Durham and London, 1993., 7- 8) 8 Baudrillard, Jean, »The Ecstasy of Communication« In: The Anti-Aesthetic ed. Hal Foster (Port Townsend, Washington: Bay Press, 1983, S. 128 (meine Übersetzung)
ANTIFA VETERANEN Bereits im letzten Heft beschäftigten wir uns mit der Linken in Deutschland. In einem ausführlichen Interview kamen dabei Vertreter verschiedener linker, parlamentarischer wie außerparlamentarischer, Strömungen zu Wort. In dieser Ausgabe möchten wir die Auseinandersetzung fortsetzen. Diesmal haben wir uns mit zwei linken Zeitungsmachern getroffen, die nicht nur durch ihre unterschiedliche Herangehensweise zeigen, dass es »die deutsche Linke« nicht gibt, sondern dieser Sammelbegriff eine heterogene Ansammlung von Personen und Gruppen mit ausdifferenzierten Meinungen, Werten und Umgangsweisen beschreibt. Wir sprachen mit Klaus Steiniger, dem Chefredakteur eines kleinen kommunistisch-sozialistischen Blattes, dem »RotFuchs« und uns mit ihm über die DDR unterhalten. Desweiteren haben wir Thomas Simon getroffen, der als junger Antifaschist in der fränkischen Provinz zu Beginn des Jahrtausends ein antideutsches Magazin namens »Brüche« herausgab, das mit seinem klaren Bekenntnis zu Israel und den USA für viel Wirbel in der deutschen Linken sorgte und den Bruch zwischen Antideutschen und klassischen Antiimperialisten vorantrieb. Er erzählt uns von Polizeischutz und dem Leben als »antideutscher Schreihals« (so betitelte ihn die örtliche NPD) im Kontext der postpubertären Abgrenzung junger Männer in Herzogenaurach.
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»ES GIBT LEUTE, DIE DER MEINUNG SIND, MAN HÄTTE SCHIESSEN MÜSSEN.«
Klaus Steiniger ist Chefredakteur des »RotFuchs«, der »Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland«. Er wurde 1932 geboren und schon sein Vater war überzeugter und von den Nazis verfolgter Kommunist. Nach dem Krieg studierte er Jura und wurde mit 23 Jahren der jüngste Staatsanwalt der DDR. Er lernte noch Ernst Busch kennen und war lange Jahre als leitender Redakteur beim Neuen Deutschland tätig. Die DDR kommt seiner Meinung nach im Post-Wende-Narrativ viel zu schlecht weg. B E R N D LU K A S und A RTUR S CHOCK haben sich mit ihm über die größte Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung, die Notwendigkeit sie durch eine Mauer zu schützen, einen ganz normalen Geheimdienst und die späte Rache der BRD unterhalten. Das Ergebnis ist ein Einblick in die folkloristische Welt der DDR-Nostalgie.
FOTOS Johannes Büttner
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Die Stasi, also das MINISTERIUM FÜR STAATSSICHERHEIT, ist nach wie vor ein beständiges Thema in der Nach-Wiedervereinigungs-Rezeption der DDR. Die einen (konservative Kräfte) finden sie mindestens so schlimm wie Hitler, wohingegen die anderen (Sozialisten der alten Schule), die Beschränkung der Freiheit und Spitzeleien im Sinne der guten Sache total in Ordnung finden. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
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rotfuchs.net
Ma r c o l o
MS aS13 or lvad
Email: bbv@gmx.ch
Bezug unter: www.hood.de GSSgangstreetstyle
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SIE WAREN DIE ANTIDEUTSCHESTEN … von JONAS GEMPP
Ich treffe Thomas Simon, einen durchtrainierten Hünen mit harten Gesichtszügen, aber offenem und sympathischem Wesen, an einem tristen Berliner Novembertag in seiner Wohnung im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Anfang der 00er-Jahre brachte Simon mit einem Freund eine Zeitung mit dem Namen »Brüche« heraus, die genau dreimal erschien und sich an einem Teil der deutschen Linken orientierte, der sich als ANTIDEUTSCH definierte. Auch wenn er betont heute mit aktiver, Politik nicht mehr viel zu tun zu haben,Die ANTIDEUTSCHEN sind hängen als nostalgische Bekenntnisse noch immer die Fahnen Israels und der US Marines an der Wand. Sie entstammen einer Zeit,definitiv die meistgehassals es in Deutschland regelmäßig zu Schlägereien auf linken Demonstrationen kam, untereinander wohlgemerkt. Die Israel-Fahneteste linke Strömung. Die war zweierlei: politisches Bekenntnis und Antithese zu einer als zutiefst antizionistisch und antisemitisch wahr-beliebtesten Vorwürfe g enommenen Linken, die ihre alten Feindbilder pflegte, verkürzte Kapitalismuskritik übte, bei jeder Gelegenheithier mal als Aufzählung: Israel verdammte und im Mief steinzeitlicher Hausbesetzer- und Folklorestrukturen verharrte wie ein autistisches Kind.Rassisten, Sexisten, Wenn man sich mit Thomas Simon über diese Zeit unterhält, fällt rückblickend ziemlich oft der im ersten Moment arrogantKriegstreiber, Neoliberale, klingende Satz: »Aber wir hatten ja recht!« Denn seine Geschichte als junger Antifaschist in Bayern, der uneingeschränkt solida-Verkappte Rechte, risch mit Israel war und eine strikte pro-amerikanische Haltung einnahm, ist geprägt von Distinktionsbemühungen, konkurrierendenMillionärskinder, Spalter, Ideologien, der Suche nach Wahrheit, einer mehr oder weniger harten Theorieschule und postadoleszentem Ban-ImperialistenFreunde, denwesen. Parade-Deutsche, Spiesser, Vor allem im studentischen Milieu bildeten sich zu dieser Zeit linke Zusammenschlüsse, die sich wortreich überNeocons, Studenten, ihre Adorno- und Postone-Lektüre ausließen und einen Gegenentwurf zu den klassischen Antiimperialisten bildeten, dieDrogenopfer. durch Sektiererei, Theoriefeindlichkeit und Antihedonismus glänzten. Trotz oder wegen dieser Sozialisation spielte die Abgrenzung zur klassischen bundesrepublikanischen Linke eine große Rolle. Die Veränderung ging zurück auf den Beginn der 90er Jahre: Der realexistierende Sozialismus nahm ein unrühmliches Ende und die Welt war nicht mehr so einfach dichotom aufzuteilen. China, Nordkorea und Kuba waren die letzten verbliebenen Bastionen eines großen Missverständnisses und Magazine wie die »Bahamas«, »Konkret« und die Ende der 90er als Reaktion auf die innerlinken Konflikte neu ge gründete »Jungle World«, nahmen eine mehr oder weniger gemäßigte antideutsche Linie ein. Das waren die Voraussetzungen für eine abenteu erliche Geschichte, die von einer linken Sozialisation erzählt und gegen Ende wie der fatalistisch-arrogante S h o w d o w n zweier Twens in Bayern gegen den Rest der Welt anmutet. Vor Selbstbewusstsein strotzend wird aus dem Distinktionsgedanken ein so elitäres wie identitäres Tool um die Verhältnisse zu bewältigen. Wir haben Thomas Simons Geschichte von der politischen Adoleszenz in der fränkischen Provinz und der Entstehung eines verhassten antifaschistischen Magazins protokolliert: ir waren in Herzogenaurach Ende der Neunziger eine der größten Antifa Gruppen bundesweit. Ich wurde aus Nürnberg sozusagen beauftragt diese Gruppe mit aufzubauen, was auch recht gut gelang. Dadurch, dass dieDIE INITIATIVE SOZIALISNeonazi-Szene sehr groß und gefestigt war, schraubte sich die Spirale der Gewalt ziemlich schnell auf ein fürTISCHES FORUM FREIeine Kleinstadt doch sehr hohes Niveau. Nahezu wöchentlich kam es zu gezielten körperlichen Angriffen auf beiden Seiten. Die Hö-BURG (ISF) ist ein in die Jahre hepunkte waren eine brennende Nazigarage, ein Brandanschlag auf mein Auto und ein Flugblatt mit meinem Gesicht und der Bild-gekommener, kommunistiunterschrift »der linksradikale Rädelsführer Thomas Simon«. Zudem riefen NPD und Anti-Antifa zu einer Demo gegen den linkenscher Zusammenschluss, Terror auf, bei der es zu Verletzten auf beiden Seiten kam. der, wenn er nicht so Bis zum Jahr 2001 waren wir in der Traditionslinken sehr beliebt, denn wir waren viele und bekannt dafür »alles wegzuräu-undogmatisch, kritisch und men«, also aktive Anti-Nazi-Arbeit zu leisten. Den Wendepunkt markierte ein Ausflug zu einer Konferenz zum Thema »Antideut-aufgeklärt wäre, Marx- und sche Wertarbeit« der INITIATIVE SOZIALISTISCHES FORUM FREIBURG (ISF) 2001. Wir fuhren dort mit der gesamten Gruppe hin und dasAdorno-Ikonen herstellen war das Aha-Erlebnis, denn die Leute dort hatten einfach Recht, und so kam was kommen musste: Die komplette Gruppe wurde an-würde. So verlegen sie im tideutsch. Unser theoretisches Wissen war zu diesem Zeitpunkt noch recht gering. Wir hatten das bis dahin mit Militanz kompen-hauseigenen Verlag Stansiert und kaum waren wir angekommen, mussten wir uns plötzlich in diesen antideutschen Zusammenhängen mit diversen Vor-dardwerke der antideutschen würfen wie Theoriefeindschaft etc. auseinandersetzen. Literatur.
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Kurz darauf fuhr ich auf ein Hardcore-Festival, zu dem Zeitpunkt war ich noch veganer STRAIGHT EDGER, dort traf ich dann Florian aus Würzburg und es entstand der Entschluss, eine Mobilisierungs-Internetseite der Traditionslinken zum Rudolf-Hess-Gedenken, respektive zu den Gegenaktivitäten, zu löschen, da das Bündnis sich entschlossen hatte, keine Israel-Fahnen zu dulden. Der Artikel, in dem wir die Intention der Löschung erklärten, hieß ERKLÄRUNG ZUR ABSCHALTUNG EINER INTERNET-SEITE und war die Geburt der »Brüche«. In der Folge wurden wir zwar reflexartig als Ultrarassisten beschimpft aber zu Beginn wollten uns ältere Antideutsche noch als ihre Jugend »heranzüchten«, es gab also auch durchaus positives Echo auf unser Auftreten. Veranstaltungen von uns mit »Bahamas«-Autoren wie Tjark Kunstreich oder Clemens Nachtmann, die vor 150 Zuhörern referierten, schindeten Eindruck, denn sie zeigten, dass wir einiges auf die Beine stellen konnten. Aber für uns gab es nur unsere Linie, keine Kompromisse. Wir wollten uns von keinem irgendwas erzählen lassen und es interessierte uns schlichtweg nicht, ob ein Justus Wertmüller vor 20 Jahren gemeinsam mit Gremliza im Wald im Anti-AKW-Camp gehockt hat oder andere persönliche Gründe für irgendwelche Grabenkämpfe. Deren Verstrickungen in ihre eigene linke Vergangenheit und der ganze Szenequatsch waren uns egal. Daher mochte man uns in diesen Kreisen ziemlich schnell auch nicht mehr. Das war für uns sehr überraschend und gleichzeitig für die Linke entlarvend, denn auf einmal kamen da ein Achtzehnjähriger und ein Zwanzigjähriges daher und mischten den ganzen Laden auf. In der ersten »Brüche« schrieb mein Herausgeberkollege Florian über die antisemitische Volksgemeinschaft, aber es war neben der inhaltlichen Auseinandersetzung auch ein wichtiges Style-Ding. Zu dem Zeitpunkt hatten wir mit der Linken abgeschlossen. Die und Nazis behandelten wir nach dem Motto »Pack schlägt sich, Pack verträgt sich«. Nur weil beide an einem unterschiedlichen Punkt starteten, änderte das eben nichts an der Tatsache, dass das Ziel das gleiche war: nämlich Deutschland, vermittelt durch den Faschismus. Wir haben die Linken und Nazis theoretisch gleichgesetzt. In der Praxis haben wir natürlich keine Linken verprügelt, wenn es nicht sein musste, also war es schon ein anderer Umgang, da die bayerische Antifa aus falschen Beweggründen durchaus mal das Richtige gemacht hatte. Das war halt einfach um 2000 herum und da war die linke Szene absolut nicht progressiv und das hat sie sich ja bis heute zielstrebig bewahrt. Dann begannen diverse Antifa-Gruppen sich zu spalten und die Lager teilten sich auf in Antiimps und Antideutsche. Wir haben uns dann an der »Bahamas« und dem »ISF« orientiert. Aber auch die antideutsche Linke verlor sich in persönlichen Animositäten und Blödsinnigkeiten, wie z.B. der Frage, wie der Name Itzhak Rabin nun richtig geschrieben werden muss. Dadurch dass wir auf alles und jeden pfiffen, waren wir allerdings auch extrem unabhängig, denn wir mussten uns bei niemandem anbiedern. Die Frage an diesem Punkt war dann, was aus der Theorie heraus überhaupt noch Sinn macht. Denn aus dem Kapitalismus kommt man, als in sich selbst prozessierendes Subjekt, nicht so einfach raus, gerade das macht ja die Totalität des Kapitals aus. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, die Krise zu provozieren, um dann zu hoffen, dass sich alle Subjekte zerstören, neu aufbauen und zu progressiven Menschen entwickeln. Aber praktisch stabilisiert sich der Kapitalismus durch die Krise und schafft eben keine solche, die er nicht in sich selbst, über seinen Krisenlöser Faschismus, lösen kann. Daher war unsere Frage: Was machen wir jetzt? Und die Lösung war: Wir machen eine Zeitschrift. Wir fanden uns und unsere Attitüde damals schon richtig geil. Es war Rumgeprolle mit Theorie. Und wir lachten uns ins Fäustchen, dass sich alte Politrecken nicht fragten, wie zwei junge Hüpfer in ihrem kurzen Leben all das gelesen haben sollen, worauf sich theoretisch bezogen wird. Doch das spielte in Wahrheit keine Rolle, denn der Materialismus ist im Wesen einfach und erklärt sich, das ist ja das Schöne und ein Merkmal von Wahrheit, von selbst. Es wurde uns aber auch leicht gemacht, denn die Schwächen der Linken schrien gen Himmel und man musste sie eigentlich nur auf den Punkt,
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STRAIGHT EDGE ist ein Phänomen bzw. eine Subkultur, die Konsumverzicht predigt. Die einzige Droge, die ein Straight Edger konsumieren darf, ist die Musik (Hardcore). Drogen, Alkohol und Promiskuität sind nicht gerne gesehen. Zum Ausgleich für die vermeintliche Spießigkeit wird der Körper zutätowiert. ERKLÄRUNGEN sind der außerparlamentarischen Linken liebstes Spielzeug. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, wird eine Verlautbarung rausgehauen, die sich mit Stehpissern im besetzten Haus und anderen Basisbanalitäten beschäftigt oder man arbeitet sich im Zweifel einfach an den Antideutschen ab.
sprich auf ihr Wesen zurückführen. Und dies taten wir auch. Die Ideologiekritik, die wir übten, war immer sehr an die linken Lebensumstände und Diskussionen geknüpft. Von diesen hatten wir die Schnauze voll und so entstanden eben jene drei Ausgaben der »Brüche«. Die Produktion dieses Magazins war ein extremer Aufwand, denn durch unsere Art hat uns natürlich keiner unterstützt, daher mussten wir alles selber machen. Für uns war es tatsächlich einfach so, dass wir nichts mehr mit der Linken zu tun haben wollten. Es war nicht unsere Absicht, die Linke zu reformieren, sondern wir wollten sie vernichtend kritisieren. Konstruktive Kritik gab es für uns nicht. Nachdem klar war, dass positive Bezugspunkte unmöglich sind und demnach die Orientierung an negativen historischen Wahrheiten notwendig ist, konnte es also nur noch um die Aufrechterhaltung der Möglichkeit zur Emanzipation gehen und darum, die Aufklärung gegen ihre Feinde zu verteidigen; diesen Krieg führte und führt Israel damals wie heute stellvertretend für alle fortschrittlichen Menschen. Alles andere als eine bedingungslose Solidarität mit Israel hatte und hat mit Antifaschismus nichts zu tun! Diesen Erkenntnissen folgte der Hass der Antiimps. Mein Auto war in dieser Zeit einfach jedes Wochenende kaputt. Ständig waren die Reifen zerstochen oder ähnliches. Das war eine ständige Bedrohungssituation und wenn wir weniger als fünf Mann waren, konnten wir nirgends hingehen. Daraufhin kam es zum anfangs erwähnten Brandanschlag auf mein Auto; ich wurde in die Liste der gefährdetsten Personen des LKAs aufgenommen und hatte ein Jahr lang einen Mannschaftswagen der Polizei vor dem Haus meiner Eltern stehen. Selbst mit Leuten, die uns verteidigten, haben wir uns angelegt. Das lief dann nach dem immergleichen Schema ab: »Wir finden es ja schon ganz gut was ihr so macht, aber …« Das Aber hörten wir uns selten an, wir waren nicht dort um falsche Bedenken zu hören, sondern um zu sehen ob jemand mitmacht. Und diesen Stil perfektionierten wir. Wir waren auf Bündnistreffen, wo Leute dann mit Tränen in den Augen den Raum verließen. Es sollte ein neues Bayern-Bündnis geben, mit neuen, jungen Leuten, die eher in die antideutsche Richtung gingen, aber wie sollte es anders sein, das Treffen endete mit Gewaltandrohung. Darauf sind wir nicht stolz, es soll nur den desolaten Zustand der Leute, gegen die wir argumentiert haben, aufzeigen. Allen, die sich ernsthaft mit unseren damaligen Positionen – die im Übrigen die gleichen wie meine heutigen sind, Wahrheit ist nun mal Wahrheit und ändert sich nicht, solange die Welt sich nicht ihrer Grundkonstitution geändert hat – befassen möchten, denen lege ich die Lektüre zweier Texte ans Herz, die auch heute noch aktuell sind. Zum einen »Das Konzept Materialismus«1 des »ISF« und zum anderen »Wir sind unserer Meinung«2 der »Antideutsch-Kommunistischen Gruppe Leipzig«.
1 isf-freiburg.org/isf/beitraege/isf-konzept.materialismus.html 2 trend.infopartisan.net/trd0902/t250902.html
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»OH, YOU HATE YOUR JOB? WHY DIDN’T YOU SAY SO? THERE’S A SUPPORT GROUP FOR THAT. IT’S CALLED EVERYBODY, AND THEY MEET AT THE BAR.« (Drew Carey)
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IST DOCH LOGEN, WIR SIND AUF DROGEN.
Wenn es um Doping geht, ist in den Medien zumeist vom Radsport die Rede. In der Berichterstattung schwingt die offene Verachtung über eine verkommene, unmoralische Sportart mit. Sanktionen wie das Einstellen von TV-Berichterstattung und Sportfördergelder werden diskutiert. M ATTHIAS APPENZELLER hat sich angeschaut, ob es in dieser Debatte überhaupt ein wahr oder falsch geben kann.
Die wichtigsten Rennen des internationalen Profiradsports werden, von Olympia abgesehen, nicht von Nationalmannschaften, sondern von Unternehmen finanzierten Teams bestritten, eignen sich also wenig für die nationale Erbauung. Der fähnchenschwenkende Durchschnittsdeutsche konnte sich dementsprechend in der jüngeren Vergangenheit oft am Frühstückstisch zurücklehnen, die BZ hinlegen und über vollgepumpte Radler schwadronieren, wenn mal wieder ein Dopingtsunami über das Land schwappte. Kein prominenter Vorzeigedeutscher ist so tief in den Abgrund gestürzt worden, wie der ehemalige Tour-de-France-Gewinner Jan Ullrich und mit ihm gleich der gesamte Radsport. Von der alternativ-grünen taz, über das Lehrerblatt Süddeutsche Zeitung bis zur FAZ ist man sich einig: Sportliche Ethik ist eine Tugend, Verstöße dagegen werden mit Ausschluss aus der medialen Kuschelgemeinschaft sanktioniert und die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender entdecken die Sippenhaft, indem sie eine ganze Sportart vom Bildschirm verbannen. Betrachtet man die Geschichte des modernen Dopings, dann stellt man fest, dass der Radsport eine wichtige Rolle im Entwickeln und Testen neuer Substanzen zur Leistungssteigerung spielte und spielt. So lässt sich der erste Dopingfall der modernen Sportgeschichte auf das Jahr 1860 datieren: Ein Radfahrer wur-»MIR IST DIE TOUR EINES RADFAHRERS BEKANNT, DER DREI TAGE NUR VON COCAWEIN SICH de dabei beobachtet, wie erNÄHREND, AM ERSTEN TAG 172 KM, AM ZWEITEN 150 KM UND AM DRITTEN 143 KM ZURÜCKÄther auf ein Stück ZuckerLEGTE; FERNER DIE TOUR ZWEIER OFFICIERE, WELCHE IM VORIGEN SOMMER DIE MÄDELERträufelte. Allerdings dauerteGABEL IM BAYRISCHEN ALLGÄU ERSTIEGEN UND EBENFALLS 3 TAGE NUR VON COCAWEIN es dann noch mal fünfzig Jah-GELEBT, BEZIEHUNGSWEISE COCAZIGARETTEN DAZU GERAUCHT HATTEN.« (R. Rabenstein,1887) re bis Mediziner in der Lage waren, ein Verfahren zum Dopingnachweis zu entwickeln. Warum die meisten Reaktionen mehr oder weniger prominenter Medienmenschen, Politiker und dem dazugehörenden Unterbau, dem Gejaule eines verlassenen Geliebten ähneln, mag mit einem grundlegenden Missverständnis zu tun haben: der romantisierenden Projektion auf den Sport als Ort von Tugend und Moral, wo sich der edle Athlet mit Seinesgleichen misst. Der moderne Profisport ist aber nichts anderes als (gut-)bezahlte Lohnarbeit mit einer umfassenden medizinischen Betreuung, der alle Mittel recht sind. Zu Beginn der Professionalisierung des Radsports war der Gebrauch von Aufputsch- und Schmerzmittel eine Reaktion der Sportler auf unmenschlich lange Radrennen. Distanzen von 600 km waren bei Eintagesrennen keine Seltenheit und Etappen bei der Tour de France waren bis zu 500 km lang. Auch die populären Sechstagerennen wurden vor hundert Jahren ihrem Namen gerecht: Sie bedeuteten für die Fahrer ein sechs Tage und sechs Nächte langes Rennen auf der Bahn, ohne nennenswerte Unterbrechung. Um die Anforderungen der Veranstalter zu erfüllen, war die Inanspruchnahme von Medikamenten vorprogrammiert. Insbesondere Kokain, Äther und Koffein erfreute sich der Beliebtheit bei den Fahrern. Während des Rennens wurde schwarzer Kaffee getrunken, der mit
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»WIR SIND PROFESSIONELS, WIR SIND KEINE SPORTLER« (Rudi Altig, Radprofi)
Während nach der Einnahme von MDMA die Arme gerne zur Musik in die Luft gehoben werden, gehen beim Koksen gerne auch mal die Mundwinkel nach unten. KOKAIN ist nach Alkohol und Marihuana die Volksdroge Nummer drei und hat, obwohl sie weder übermäßig teuer noch alleine für einen elitären Zirkel zugänglich ist, ihren Glamschimmer immer noch nicht ganz verloren.
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zunehmender Renndauer mit KOKAIN und Strychnin versetzt wurde. Gegen Atembeschwerden wurden Nitroglyzerin-Tabletten genommen und gegen Schmerzen Heroin. Nicht selten waren die Fahrer am Ende eines Rennens völlig weggetreten, griffen Zuschauer an oder bemerkten erst Kilometer vom Ziel entfernt, dass sie über selbiges im wahrsten Sinne des Wortes hinausgeschossen waren. Es wurde mit allem herumexperimentiert, was im Ruf stand Schmerzen zu stillen oder schneller zu machen: Von Ephedrin über Amphetamine bis zu Adrenalin. Die ersten Radsportler begriffen sich auch weniger als Sportler, die um Ruhm und Ehre fuhren, sondern als Arbeiter auf dem Rad, die unter schwierigen Verhältnissen (heute würde man wohl von prekären Arbeitsverhältnissen sprechen) das tägliche Brot verdienten. Sie kamen aus der Arbeiterschicht, weshalb ihnen bei Versagen nicht die Rückkehr in den Schoß gut situierter Familien bevorstand, sondern Maloche in Bergwerken und Fabriken. Mögen sich die allgemeinen Verhältnisse bei weitem verbessert haben, so ist eine Existenz als Profisportler heute meist alles andere als ein Leben auf der Sonnenseite, Sam van Rooy formulierte dies vor ein paar Jahren als junger belgischer Profi so: »(…) sie fahren gern, sie leben für den Radsport und die meisten genießen auch sehr das typische Interesse, das dem Radsport in unserem Land, oder lasst mich sagen im größten Teil Europas, entgegengebracht wird. Aber: Für neun von zehn Profis ist es vor allem eine bange Existenz mit wenig Sicherheit« Außer in einigen Sportarten, in denen wenige sehr viel Geld verdienen (Fußball, Tennis, Formel 1), sehen sich die Athleten im Profisport gezwungen, in einem relativ kurzen Zeitfenster möglichst viel Geld zu verdienen. Meist ruinieren sie sich bei diesem Versuch die Gesundheit. Denn was in der Diskussion um Doping und Gesundheitsschädigung oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass der Hochleistungssport an und für sich alles andere als gesund ist. Nicht selten endet eine Sportlerkarriere in der Invalidität. So werden wohl die wenigsten der ca. 500 Radprofis Europas langfristig ihre Existenz durch das Rennenfahren sichern können. Ähnlich ist das bei den Schwimmern, Kugelstoßern oder Biathleten. Der Anreiz sich zu dopen ist in diesen Sportarten naturgemäß nicht gering. Denn nur ein Olympiaerfolg spiegelt sich auch auf dem Konto wieder. Aber auch die Sportförderungspolitik in Deutschland kann als ein Anreiz zum Dopen interpretiert werden. Sportarten, die erfolglos in der Versenkung verschwinden, bekommen keine finanzielle Unterstützung des Bundes. Da sah sich schon der eine oder andere Sportler von seinen Funktionären dazu genötigt zur Spritze oder zur Pille zu greifen. In den siebziger und achtziger Jahren wurde in der bundesrepublikanischen Politik ganz offen über die Notwendigkeit medizinischer Programme diskutiert, um der realsozialistischen Übermacht etwas entgegensetzen zu können. In Ländern wie der Sowjetunion und der DDR wurden Dopingmethoden vom Staat entwickelt und umgesetzt.
Die Moral und Ethik im Sport ist also durchaus an staatliche und gesellschaftliche Interessen gekoppelt und Doping ist dann eben nicht gleich Doping, sondern firmiert gerne unter dem Label »Nahrungsergänzung« und »Regenerationsunterstützung«. Die Entwicklung des medizinischen Tunings im Radsport war im zwanzigsten Jahrhundert eng mit der Entwicklung der pharmazeutischen Industrie verknüpft: Von Amphetaminen in den 60ern, über Anabolika in den 80ern, bis zu Epo in den 90er-Jahren. In all den Jahren wurde Doping, wenn nicht geduldet, so zumindest nicht»ICH HABE GEHÖRT, ICH SOLL EINE TRANSFUSION MIT DEM BLUT thematisiert. Es entstand eine Art schweigen-MEINES VATERS GEMACHT HABEN. DAS IST ABSURD. DANN WÄRE (Alexander Winokurow) de Übereinkunft zwischen dem Rennsport undICH POSITIV AUF WODKA GETESTET WORDEN.« den Medien. Nur wenn es einer übertrieb, wie Tom Simpson, der nach einem Kollaps infolge seines Alkohol- und Speedkonsums bei der Tour de France 1967 starb, horchte die Öffentlichkeit auf. Es ist aber selten die Gesundheit der Sportler, die im Mittelpunkt der Dopingdiskussion steht, sondern es sind moralische, erzieherische oder politische Erwägungen. So bringt es Stefan Voll, Leiter des Hochschulsportzentrums an der Universität Bamberg auf den Punkt: »Denn Helden werden noch immer im Sport geboren, und Märchen werden auf den Spielfeldern der Welt Wirklichkeit. Die Faszination, alles erreichen zu können und der uneingeschränkte Schmied seines eigenen Schicksals zu sein, beschert dem Sport eine nahezu mythische Aura.« So kommt es zur Vermischung von Sport, Ethik und Ökonomie. Um auf dem deregulierten Arbeitsmarkt bestehen zu können, greift der eine oder andere auch mal zu Helfern wie Kokain oder Speed und die frustrierte Hausfrau auf Antidepressiva darf in keinem Artikel zur Materie fehlen. Im Falle des Profisports ist es durchaus umstritten, was denn nun die Gesundheit der Sportler mehr angreift: Blutdoping oder 40 000 km Radfahren im Jahr? So kann man sich am Bodensee in einer Privatklinik für teures Geld einer Blutwäsche unterziehen, um die Zahl der roten Blutkörperchen EPO ist die Abkürzung für Erythropoietin und so etwas wie die Wunderdroge aller Radfahrer. EPO zu erhöhen, die für den Transport von Sauerstoff verantwortlich sind. Im Fall des Radsportlers solmacht das Blut dick, aber den Fahrer ausdauernd. Ex-Tour-Gewinner Bjarne Riis war einmal so len so die Muskeln mit mehr Sauerstoff versorgt werden, um eine höhere Leistung länger aufrechtzugepumpt mit EPO, dass er laut seines damaligen Betreuers, ob der Gichtanfälle, kaum die Finger zuerhalten, der Gewinn für Ottonormalverbraucher liegt wahrscheinlich im nicht messbaren Bebewegen konnte. reich. Für die Regeneration der Radlerbeine bei dreiwöchigen Rundfahrten allerdings, dürfte der gesundheitlich positive Effekt des »Blutdopings« die gesundheitlich negativen Aspekte der Schinderei überbieten. Das berüchtigte Dopingmittel EPO sorgt übrigens für den selben Effekt, allerdings kann es bei übermäßigen Gebrauch auch schon mal zu Thrombosen kommen, weshalb Radprofis auffallend häufig des nächtens durch die Hotelflure hüpfen, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Ähnlich wie in der Drogenproblematik allgemein, eröffnet die Illegalisierung von Dopingmitteln dem Schwarzmarkt lohnende Perspektiven. So existieren ganze Netze von Medizinern, Apotheken
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und Betreuern, die Mannschaften und Sportler versorgen. Glücklich kann sich da derjenige Sportler schätzen, in dessen Umfeld professionelle Akteure agieren, denn nicht selten wird gepfuscht oder der Athlet greift selbst zur Spritze. Diese Vermengung aus Unwissenheit und Gewinnsucht verläuft leider gelegentlich auch tödlich. Insbesondere wenn dazu noch skrupellose Ärzte oder Betreuer ins Spiel kommen. So wurde dem berüchtigten Pot Belge ein Gemisch aus Amphetamin, Heroin, Kokain, Ethanol, Koffein, Acetylcodein, Papaverin, Ephedrin, Aspirin, Ethenzamid und Phenacetin – ein Mischkonsum, der den härtesten Raver alt aussehen lässt – verab- »DIE OMERTA IST TOTAL. NEHMEN SIE DAS BEISPIEL ERWAN MANTHÉOUR. reicht, ohne dass der Athlet ER BEHAUPTETE, SEIN SPORTLICHER DIREKTOR HÄTTE IHM EPO GEGEBEN. ER WURDE um die Lebensgefährlichkeit MIT EINEM ZU HOHEN HÄMATOKRITWERT ERWISCHT. SEIN SPORTLICHER DIREKTOR KAM ZU IHM UND SAGTE: ›SCHWÖRE MIR, DASS DU NICHTS GENOMMEN HAST.‹« der Mischung wusste. Im Profisport erkennt man (Jean-Paul Escande, Präsident der Französischen Antidoping-Kommission, La Commission Nationale de Lutte contre le Dopage, von 1990-1996) auch Prinzipien der heutigen Gesellschaft: NUR LEISTUNG UND ERFOLG bringen weiter; nimmt man dafür Mittel, die der gesellschaftliche Konsens als unlauter definiert, wird der Konsument kriminalisiert. Es wird der Hamster bestraft, nicht das Hamsterrad. Und so wie der Junkie zu weiten Teilen mehr an der Illegalisierung der Drogen leidet, als an den Drogen selbst, so leidet der Profisport an der Doppelmoral und an ihn gestellten ethischen Erwartungen weit mehr, als am Doping selber. Denn schlussendlich ist es den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet, was überhaupt als Doping definiert wird. Koffein steht beispielsweise seit kurzem nicht mehr auf der Dopingliste. Dafür zahlreiche andere medizinische Produkte. Bei jedem Arztbesuch muss die Dopingliste abgeglichen werden, Asthmatiker müssen sich ihre Medikamente genehmigen lassen. Der Antidopingwahn treibt auch Blüten, die jeden Bürgerrechtler und Datenschützer auf die Palme bringen sollten. So müssen sich Sportler über Wochen im
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LEISTUNG UND ERFOLG sind die unbedingten Notwendigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft. Ohne Leistung kein Erfolg und wer sich diesem Streben nicht unterwirft, der steht ganz schnell am Rande der Gesellschaft. Daher gibt es eine bunte Palette an Mitteln, die die menschliche Leistungskraft steigern. Im Alltag sind das Ritalin und Antidepressiva, im Sport eben Anabolika, Steroide oder EPO. Die Modifizierung und Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit ist noch ausbaufähig: Gendoping ist ein erster Schritt in die Zukunft.
Voraus über ihre Tagesabläufe im Klaren sein und diese minutiös den AntidopingAgenturen mitteilen. Sollten sie im Falle einer unangekündigten Kontrolle an den angegebenen Orten nicht anzutreffen sein, hat das weit reichende Konsequenzen. Natürlich bleibt die Frage unbeantwortet, welcher Weg stattdessen gegangen werden soll. Denn solange es sportliche Wettkämpfe gibt, wird es auch immer Teilnehmer geben, die sich Vorteile verschaffen wollen. Selbst wenn alle Dopingmittel, unter ärztlicher Beobachtung, freigegeben werden, wird es ein niemals endender Wettlauf im Auffinden und Anwenden von neuen Produkten, Trainingsmethoden und Techniken bleiben. Aber auch»DA BEI DEN PROFISPORTLERN DER SCHWERPUNKT NICHT IM SPORTLICHEN, wenn dies eine erschütternde Er-SONDERN IM SOZIAL-BERUFLICHEN ERFOLG LIEGE, LASSE SICH DOPING IN kenntnis sein mag: Ist es nichtDEREN FALL DURCHAUS VERTEIDIGEN, NUR IM AMATEURSPORT SEI KÜNSTLICHE besser, der Tatsache ins Auge zuLEISTUNGSSTEIGERUNG IN JEDEM FALL ZU VERBIETEN.« (Deutscher Sportärztebund 1927) sehen und zum Wohle der Beteiligten auf überkommene Doppelmoral und Ideologie zu verzichten, und die Dopingpraktiken zu legalisieren, um die Sportler aus den Fängen ihrer als Sportmediziner getarnten Dealer zu befreien? Und ist es, angesichts der in Zukunft möglichen Dopingpraktiken, nicht längst ein Anachronismus sich über ein paar Medikamente im Blut zu echauffieren? Beim Gen-Doping werden die Wirkstoffe mittels Zellgewebe direkt in den Körper gespritzt, um Muskelgewebe wachsen zu lassen. Diese Art des Dopings dürfte nicht nachweisbar sein. Eine Gesellschaft, die auf den Fetisch der Unterhaltung setzt, sollte sich nicht dumm machen lassen von Rufen nach Selbstreinigung, Vorbildfunktion und Natürlichkeit des Sports. Es ist schlicht und ergreifend kapitalistische Normalität was sich in Arenen, Schwimmbecken und auf Rennstrecken abspielt. Ein Sportler, der sich dafür entscheidet, entscheidet sich doch mindestens genauso bewusst für ein schnelles, intensives Leben wie ein Rockstar. Aber wahrscheinlich werden sich auch diese in naher Zukunft einem Dopingtests unterziehen müssen. Als Freund des Spektakels bleibt da nur eins zu sagen: If the show must go on, legalize the dope!
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PIRATES OF PUNTLAND Seit sich vor der Küste Somalias vermehrt Seeräuber herumtreiben, sind Piraterie und ihre Folgen das Thema der Stunde. Während China zum ersten Mal seine Marine außerhalb der eigenen Grenzen einsetzt und die deutsche Bundeswehr sich einmal mehr bei einem heroischen Auslandseinsatz beweisen darf, zeigt FELIX N I C K L A S’ Analyse der Situation eine gewisse Affinität zu Seeräuberromantik.
Jahrzehnte sind vergangen, in denen Somalia von der Karte gerutscht zu sein schien, nachdem es von der UNO als weiterer »Fucked Up Beyond All Recognition«-Fall abgeschrieben wurde. Das Land verschwand daraufhin in dem für Afrika symptomatischem »Fog of War« aus Armut, Aids, Anarchie und bizarren Gewaltexzessen. Doch nun etabliert sich der zersplitterte Staat am Horn von Afrika als moderner Sherwood Forest, als Wiege der ausgleichenden Gerechtigkeit und moderne Mythenschmiede. Neue, wagemutige, aufregende und wunderschöne Piraten aus Puntland beanspruchen unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung. Keine DisneyfranchiseKunstfiguren, sondern wahre, echte Herrscher der Meere oder zumindest des Horns von Afrika. Mit archaischer Punkattitüde pissen sie jedem ans Bein, der ihre Gewässer zu befahren wagt. Doch mit dem geringsten Pro-Kopf-Einkommen weltweit, ist es auch nur ein kleiner Schritt von einem ehrbaren somalischen Fischersmann zu einem postmodernen Freibeuter. Nach dem endgültigen Kollaps des Staates Somalia 1995 und der kompletten Auflösung aller Strukturen, fielen seitdem Jahr für Jahr Flotten an Fischtrawlern aus der gesamten Welt in die nicht kontrollierten Gewässer des Landes ein und über die ehemals reichen Fischgründe Somalias her und plünderten mehr Protein aus dem Meer, als dem Land durch humanitäre Hilfeleistungen zur Verfügung steht. Könnten Piraten im Allgemeinem, die Piraten von Puntland im Speziellen, lesen und würden sie diese Fakten kennen, ihr »Yo Ho Ho« würde über den gesamten Globus schallen. So aber merkten sie es, damals noch als Fischer, nur an den leeren Netzen und ihren hungrigen Familien. Am Horizont zeichnete sich jedoch Hoffnung ab. Hoffnung in Form von gleißenden, das unbarmherzige Sonnenlicht reflektierenden, Supertankern, Frachtern und Yachten, gefüllt mit Dingen und Luxus. Doch vielleicht ging es aber auch nur wie immer und überall auf dieser Welt um Frauen, Geld und Drogen. So begannen die »Yo Ho Ho«-Zeiten vor der Küste Puntlands. Küstenstädtchen wie Haradhere, Eyl und Bosasso, die früher nichts anderes als von Meer und Wüste umgebene Baracken waren, entwickelten sich dank der Piraten zu blühenden Städtchen. Das Geschäft mit der Entführung schien sich zu rentieren und wurde zu einem akzeptierten Wirtschaftszweig. Bis zu zwölf gekaperte Schiffe liegen nun in den Küstengewässern vor Anker und warten darauf von ihren Reedern ausgelöst zu werden. Die Piraten scheffeln so Millionen von Dollar, die per Helikopter einfach über ihren Hütten abgeworfen werden: Ein rentables Geschäft. Während die restliche Welt wegen der Finanzkrise den sogenannten Gürtel enger schnallen muss, erlebt Puntland einen nie da gewesenen Wirtschaftsboom. Natürlich wird das Geld vor allem und wie überall auf dieser Welt in Frauen, Drogen und Autos investiert. Doch in einem Land, in
ILLUSTRATION Tamar Tessler
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dem eine Kalaschnikow so gut wie nichts kostet, ein 46-jähriger ein geriatrischer Greis ist, jedes vierte Kind vor dem fünften Lebensjahr stirbt und alle Hilfsorganisationen aus schierem Entsetzen, mit vor Panik zusammengepressten Augenlidern das Land verlassen haben, herrscht ohne jeden Zweifel ein anderes Wertesystem. Der Nordwesten hat zwar eine semi-funktionierende Regierung, WARLORDS und Selbstmordattentäter aus dem Süden des Landes verwandeln ihren Teil jedoch in einen Moloch der Gewalt. Der Süden wiederum wird von einer Gruppierung regiert, die sich selbst »Union der islamischen Gerichtshöfe« titelt und in der die guten, althergebrachten Tugenden der Sharia, wie Steinigung oder Enthauptungen das öffentliche Leben regeln. Angesichts dieses Clusterfucks aus schierem Irrsinn nehmen sich die Piraten von Puntland, das genau in mitten dieser Apokalypse liegt, wie seriöse Geschäftsmänner aus. Um ihr Equipment zu beziehen, unterhalten sie rege Geschäftsverbindungen in das benachbarte Dschibuti, Nairobi oder Dubai. Dank ihnen sind die Holzbaracken steinernen Häusern mit Generatoren und somit durchgehender Stromversorgung gewichen, Internetcafés öffnen ein 56k-Fenster zur Welt, die ansässigen Händler machen Umsatz und ihre Kinder können die Schule besuchen. Trotzdem werden die Piraten von Puntland von aller Welt gehasst. Nicht wegen der finanziellen Verluste, oder gar den Geiselnahmen bei denen die Geiseln vornehmlich human behandelt und versorgt werden, sondern weil sie die alte Welt mit ihrer für den kalten Krieg hochgerüsteten Marine mit beinahe antiken Granatwerfern und ein paar Kalaschnikows schwach und lächerlich aussehen lassen. Alles was Nato und EU bislang aufgeboten haben, muss wie ein debiler Scherz auf die schönen Piraten von Puntland wirken und ist schrecklich peinlich für die Beteiligten der anderen Seite. Auch die EU Mission Atalanta steht unter keinem guten Stern. Bereits die Namensgebung zeugt von dem grotesken Wahnsinn, der sich bei der Konzeption der Mission in den Köpfen der Beteiligten abgespielt haben muss. Die mythologische Geschichte der Atalanta ist eine beispiellose Abfolge aus Vergewaltigung, willkürlichem Totschlags und Inzucht. Und so werden bis an die Zähne bewaffnete, somalische Skelette in fake Manchester United Trikots bei reichen Industrienationen, russischen Waffenschiebern und von Champagner und Wohlstand dumm gewordenen Luxustouristen weiterhin Furcht und Terror verbreiten, wenn sie mit ihren Mutterschiffen in See stechen und Kurs auf das verheißungsvolle Glitzern am Rande des Horizonts nehmen.
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WARLORDS lassen Heidi Wieczorek-Zeul blöd aussehen: Da sie in neuen Konflikten so was wie die Funktion des lokalen Kriegsherren übernommen haben und ihre Gebietshoheit durch Gewalt sichern, klauen sie auch gerne alle nett gemeinten Hilfslieferungen. Sie finanzieren sich durch Kriege und bauen durch ihn ihre Vormachtsstellung aus, dementsprechend haben sie kein Interesse an der Beendigung der ewigen Krisen, wohl aber an den Paketen und Schmiergeldern des Entwicklungsministeriums.
MAN SIEHT NUR MIT DEM HIRN GUT
J O C HEN OVERBECK erklärt wie sich der französische Luftwaffenpilot Antoine de Saint-Exupéry mit seinem Buch »Der kleine Prinz« tief in die Hirnwindungen der bildungsbürgerlichen Gesellschaft eingeschrieben hat und diese bis heute mit Gutmenschen-Aphorismen terrorisiert.
Es gibt so Sätze, die machen sich selbstständig. Einmal ausgesprochen oder niedergeschrieben, schwirren sie durch den Raum, landen mal hier, mal dort, charakterisieren sich aber in erster Linie dadurch, dass sie nicht mehr einzufangen sind. Im Prinzip sind sie wie Stubenfliegen, und zwar wie die dicken, lauten: Überflüssig, mit einem fatalen Hang zur Vermehrung. Das Internet ist da natürlich ein dankbarer Multiplikator – und so wurde aus einem eher läppischen Kalendersprüchlein aus einem Buch von Antoine de Saint-Exupéry Stubenfliege Nummer eins: »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar«. Junge oder so genannte Junggebliebene schreiben’s unter ihre Einträge in Internetforen, über ihre Blogs, twittern es, geben es anderen als gut gemeinten Ratschlag oder benutzen es als Selbstcharakterisierung. Dass der Satz – die nächste Parallele zur Stubenfliege – nicht nur abgenudelt, sondern auch größter anzunehmender Unsinn ist, spielt dabei keine Rolle, ist aber kaum abzustreiten: Immerhin entwertet Saint-Exupéry mit den paar auf den ersten Eindruck so rund klingenden Worten eben mal alle Bereiche der Kunst, die über optische Rezeption funktionieren. Dass das heute en Vogue ist, ist klar, wurde damit doch ein Trend vorweggenommen, der mittlerweile meterweise die Regale der Buchhandlungen füllt: Anstatt der ernsthaften Auseinandersetzung mit etwas anderem oder sich selbst wird oft propagiert, das Leben und die Welt mit Sprüchen und Listen zu beurteilen. Ratgeberliteratur und Belletristik werden da eins. Im »Kleinen Prinzen« oder Paolo Coelhos »Der Alchemist« stehen also die gleichen Worthülsen wie in »Sorge Dich nicht, lebe!« oder »Simplify Your Life«. Antoine de Saint-Exupérys Kinderbuch – von solchen sollten Menschen über 13, 14 Jahren ohnehin die Finger lassen – müffelt aber trotzdem bedenklich: »Die Menschen, die haben Gewehre und schießen«, steht da, und daraus folgend wird ein Hohelied auf eine Art der Freundschaft gesungen, die beinahe Sektierertum gleicht: Der Erzähler schildert in so einer Art illustriertem Märchen die Gedanken des »kleinen Prinzen«, einem von einem Asteroiden stammenden Jungen, der auf allen möglichen Planeten Eitle, Könige, umtriebige Geschäftsleute, einfältige Laternenanzünder und Säufer trifft, um schließlich auf der Erde zu landen, wo er sich mit einem Fuchs anfreundet, von dem oben erwähntes Zitat stammt. Daraus so eine Art Lebenseinstellung zu begründen, ist schon starker Tobak – die Art Erhöhung des Buches zur Sinnfibel noch mehr. Gut verdient haben dürfte ein kleiner Verlag aus Hessen, der das Buch in 16 deutsche und österreichische Dialekte übersetzte, was natürlich ganz furchtbar ist: Schließen sie bitte einmal die Augen und stellen sie sich oben erwähntes Zitat vor, gesprochen im breitesten Hessisch oder, noch schlimmer, auf Kölsch. Schlimm, ne? Dabei sind die Gründe für die naive Abfeierei wohl nicht nur in der Simplizität des Buches, sondern auch in der Vita des Autors zu finden. Antoine de Saint-Exupéry war eine durchaus schillernde und mutige Person, deren Haupt-
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profession zunächst die eines zivilen, dann die eines Luftwaffenpilotes war, die aber auch diverse Patente für Düsenflugzeuge besaß. Die Schreiberei, die sah er selbst eher als Neben- denn als Broterwerb, auch wenn er von den Tantiemen für seine in den 30er-Jahren erschienen Bücher »Nachtflug« und »Wind, Sand und Sterne« wohl schon ganz gut leben konnte. So emigrierte der Franzose während der faschistischen Jahre des Vichy-Regimes unter Philippe Pétain in die Vereinigten Staaten und kehrte erst wieder zurück, als das früher französische Algerien von den Briten kontrolliert wurde. Am 31. Juli 1944 kam er von einem Aufklärungsflug nicht mehr zurück, womöglich abgeschossen vom späteren ZDF-Sportreporter Horst Rippert. Die Bücher, in denen sich Saint-Exupéry mit seiner eigentlichen Berufung auseinandersetzt, sind übrigens durchaus beeindruckend: »Südkurier« etwa erzählt in warmen, aber immer angemessenen Worten die Geschichte eines befreundeten Piloten und kommt vor allem ohne all das nervende Beiwerk aus. Denn zum »kleinen Prinzen« gibt’s alles: Plüschtiere, Memory-Spiele, Sammelfiguren, Rucksäcke, Strampelanzüge, Trinkflaschen, Teller, Tupperware-Puddingformen, Wandtattoos, Federmäppchen, Brieftaschen, Sammlermünzen, Kosmetikkoffer, Stifte: Die Liste ließe sich noch eine Weile lang fortsetzen und ist im übrigen der beste Beweis dafür dass das mit dem Auge und dem Herzen ganz schöner Unsinn ist: In ihrer Niedlichkeit sind all diese Dinge von einer dermaßenen Penetranz, dass man sie unmöglich übersehen könnte – zur Hölle mit ihnen, zur Hölle mit dem Buch und seiner Omnipräsenz.
Fotos
Johannes Büttner
Assistenz Birte Hoffmann Kolja Mirabichvili Makeup
Lotte Blankenhagel
Models
Björn
Bender
Styling & Kampfmontur Johannes Büttner
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Basti Edlinger
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ZU DUMM ZUM PAAREN
Doofe Tiere gibt es viele und noch mehr doofe Vögel. Doch besonders entsetzt hat S O N JA M Ü L L E R die Dummheit des neuseeländischen Kakapos. Die ist wirklich kaum auszuhalten.
Vögel sind generell nicht besonders schlaue Lebewesen. Straußen beispielsweise haben Hirne, die kleiner sind als ihre eigenen Augen. Hühner disqualifizieren sich schon durch die bescheuerte Kopfbewegung, die sie beim Gehen machen. Wahrscheinlich hat deshalb GUNGA, der unwitzigste Cartoonist der Welt – dessen Hände bitte schnellstmöglich mal jemand mit einem Panzer überfahren könnte – das dämliche Federvieh zum Hauptgegenstand seines erbärmlichen Schaffens gemacht. Aber das nur am Rande. Einer Freundin von mir flog mal eine Art Papagei zu, der in einem wahrscheinlich waghalsigen Fluchtmanöver von zuhause abgehauen war, nur um sich auf den Kopf der nächstbesten Person zu setzen, die vorbei lief, um bloß schnellstmöglich wieder in einem Käfig zu landen. Was für ein dummes Tier. Aber er und selbst Hühner werden in den Schatten gestellt vom außerordentlich lebensunfähigen Kakapo. Der Kakapo ist auch eine Art Papagei, nur ist jener noch bedeutend blöder als das Rosenköpfchen meiner Freundin. Nicht umsonst hat der tolle Autor Douglas Adams in seinem Buch »Die letzten ihrer Art« dem bemerkenswert behirbelten Kakapo ein langes und unterhaltsames Kapitel gewidmet. Dieser plumpe Flatterheini ist nämlich aufgrund seiner Doofheit fast ausgestorben. Kakapos sind große, fette Papageien, die auf Neuseeland leben und sich im Laufe der Evolution das Fliegen abgewöhnt haben. Dies taten sie, um sich endlich mal in Ruhe fett fressen zu können. Keine allzu blöde Idee, mag man denken, zumal sie über ziemlich viele Jahre keinerlei Fressfeinde hatten und recht unbehelligt mit ihren dicken Hintern durch die Gegend watschelten. Die Crux an der ganzen Sache war, dass die Kakapos, als Menschen, Ratten, Hunde, Katzen und allerlei andere Lebewesen, die den plumpen Vögelchen gefährlich werden konnten, Neuseeland entdeckten, keinen blassen Schimmer von Angst hatten. Trifft man auf einen Kakapo, bleibt dieser sitzen und glotzt doof. Man kann ihn hochheben, ohne dass er auch nur auf die Idee käme, sich zu wehren. Die Tatsache, dass die Viecher nicht nur ausgesprochen gemütlich und langsam sind, sondern – warum auch immer – dazu noch stark nach Blüten und Honig duften, macht sie zu einer besonders leichten Beute. So kam es, dass der doof glotzende Kakapo-Bestand plötzlich drastisch schrumpfte, da die Vögel, noch während sie mit Doofgucken beschäftigt waren, einer nach dem anderen vertilgt wurden. Das wäre alles zu verkraften, wenn der Kakapo sich quasi hühnermäßig blitzgeschwind fortpflanzen könnte, aber das kann er nicht. In der Balzzeit gräbt sich das Männchen eine kleine Mulde, die ein großes Areal überblickt, bläst seine großen Luftsäcke am Hals auf und macht ein Geräusch, das besagter Douglas Adams euphemistisch als »die Eröffnungsakkorde von ›Dark Side of the Moon‹» beschrieben hat, das sich aber eher anhört wie die ersten verzweifelten Übungsversuche eines komplett Verrückten auf dem schlimmsten Instrument unter der Sonne: dem Didgeridoo. Kein Wunder, dass die meisten Kakapo-Weibchen derlei Gegrunze nicht gerade attraktiv finden.
GUNGA zeichnet für die Hamburger Morgenpost Comic-Strips. Diese sind in der Regel äußerst unlustig und flach. Gunga hat eine Internetseite (www. gunga.de), auf der ein Mini-Flash-Filmchen abläuft, das einen Igel zeigt, der völlig sinnfrei und im Loop Seifenblasen durch die Gegend schießt. Dazu ertönt ein Geräusch, das an das emphatische Öffnen einer Weinflasche erinnert. Der Clou an der ganzen Sache ist, dass man selbst mit dem besten Werbeblocker das Geschehen nicht stoppen kann.
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Sollte wider Erwarten doch ein Weibchen in der Nähe sein, das sich von derlei Unflat becircen lässt, steht die Art vor dem nächsten Problem: Erstens ist das Männchen wahrscheinlich sehr weit weg, zweitens ist das Weibchen zu Fuß unterwegs, und drittens sind die Balzgeräusche so niederfrequent, dass es quasi unmöglich für das Weibchen ist, das Männchen überhaupt zu orten. Doch damit nicht genug: Falls trotz alledem ein Weibchen auf ein balzendes Männchen trifft, legt es nach der Paarung ein einzelnes Ei – aber nur, wenn ein bestimmter Baum, der Rimubaum, zufällig gerade Früchte trägt. Ein Wunder, dass diese Art überhaupt bis heute überleben konnte! Nach der Bevölkerung NEUSEELANDS durch Fressfeinde, sank der Bestand der possierlichen Fettwänste ergo flugs auf ein Paarundvierzig Stück, was ziemlich schade ist, da man sich gleich in allen Unzulänglichkeiten etwas besser fühlt, sofern man mit dem Finger auf jemanden zeigen kann, der noch weniger drauf hat als man selbst. Seit den Achtzigern versucht man deshalb verzweifelt, die Kakapo-Bestände zu schützen. Dafür hat man ganze Inseln von wilden Katzen, Ratten und Possums befreit, die verbliebenen Kakapos in den Wäldern eingesammelt und ein Zuchtprogramm gestartet. Die Küken, die nicht durchgekommen wären, wurden teils mit Sauerstoffmasken durch die Gegend geflogen und von Hand aufgezogen, und jeder der heute lebenden 90 Kakapos hat einen eigenen Namen. Manche dieser Namen legen die Vermutung nahe, dass sich die menschlichen Retter der dicken Vögelchen an jenen rächen oder sich zumindest über sie lustig machen wollten. Whiskas und Felix heißen beispielsweise so, weil sie ohne fremde Hilfe schnell zu dumm glotzendem Katzenfutter geworden wären. Man sollte nun meinen, dass mit etwas fremder Hilfe wie zusätzlicher Fütterung, falls mal wieder der olle Rimubaum keine Früchte trägt,
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oder aktiver Zusammenführung von Männchen und Weibchen, damit diese sich nicht umsonst die Hacken ablatschen müssen, die Kakapopopulation (schönes Wort, übrigens) die Vogelbestände kontinuierlich steigen. Doch der dumme Vogel boykottiert jegliche Hilfe, so gut er eben kann. Das von Hand aufgezogene Männchen Sirocco beispielsweise interessiert sich null für Vögel und grunzt ausschließlich Menschen an. Und der alte Hahn Richard Henry, der 1975 auf Fjordland gefunden wurde und somit etwas frisches Blut in den doch mittlerweile recht inzestuösen Haufen bringen könnte, weigert sich schlicht seit neun Jahren, überhaupt das innere Didgeridoo anzuwerfen. Es bleibt also spannend.
NEUSEELAND ist eine isolierte Inselgruppe im pazifischen Ozean. Dass sie Mitglied im Commonwealth sind, hat ihnen immer mal wieder die Besuche britischer Bands eingebracht, von deren Einfluss sich heimische Bands hier und da ein Scheibchen abschnitten, aber ansonsten eine der individuellsten Musikszenen der Welt entwickelten, die auch für ihre Fans bekannt ist: »Unser wildestes Konzert war in Neuseeland. Eine wahre Invasion der Stagediver, die totale Anarchie.«, bekannten erst neulich »Franz Ferdinand«.
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I’M MISS WORLD
Vom Feuilleton bis zur Bildzeitung wurde 2008 über Feminismus diskutiert. Das neue Angebot auf dem Magazin- und Buchmarkt goss außerdem Öl in das Feuer so mancher hitziger Diskussion. NIN A S C H O L Z hat versucht herauszufinden, wie viel Sinn diese Diskussionen wirklich machen und was sie überhaupt bedeuten.
Der ehemalige »Spiegel«-Kulturchef MATTHIAS MATUSSEK schreibt durchgeknallte Bücher darüber, wie arm Väter in der Gesellschaft und Deutsche in der Welt dran sind. Er war es aber auch, der im »Presseclub« damit drohte »Sie sind ein ganz linker Finger! Sie mache ich fertig! Sie merke ich mir!«. Zwischen diesen beiden Polen oszilliert er: Ein bisschen innovativ, charmant und witzig, aber auch anstrengend überheblich und unausgegorene Ideen jonglierend.
Das Wort des letzten Jahres wäre fast Feminismus geworden, wenn nicht im Herbst noch die Finanzkrise dazwischen geplatzt wäre. Und tatsächlich schien das Thema in vieler Munde, nicht nur in denen von Alice Schwarzer und MATTHIAS MATUSSEK, die das Thema medienwirksam über die letzten Jahre besetzt hielten und auf Fernsehsofas unter sich ausfochten. Erstaunlich wer sich da alles zu Wort meldete, erstaunlich wie viele unterschiedliche Meinungen und Wahrnehmungen es zu geben schien. Eva Hermann hatte noch nicht ganz ihre Nazimüttergrütze in die Medien ergossen, da war Thea Dorn ihr schon über den Mund gefahren. Mutti Evas Hausfrauenidylle war vielleicht der reaktionärste Schlag, der seit langem zu vermelden war, wurde aber schnell korrigiert durch öffentliche Schelte, den Rauswurf aus den öffentlich-rechtlichen Kuschelstudios, sowie dem versammelten Kopfschütteln aller Aufgeklärten. Kurz darauf ging es in eine ganz andere Richtung weiter und zwar mit Charlotte Roches Feuchtgebieten: Während die einen noch über den literarischen Gehalt des Erstlingswerks der Ex-Lieblingsmoderatorin aller deutschen Indies stritten, berichteten andere schon vom politischen Gewicht des Werks für Mädchen, die eher von der Glamour als von der Emma über ihre Sexualität und die damit einhergehenden Gerüche aufgeklärt worden sind, und – Urban Legends Galore – davon, dass das Buch eigentlich nur 50-jährige Männer kaufen würden, die lieber zu Gestank als zu Deogeruch wichsen, denn Schamhaare gibt es heutzutage weder bei Mutti noch im Porno. Vielleicht den wichtigsten Teil zu dieser Debatte beigetragen hat das neue Hamburger Magazin »Missy«, das vielleicht nicht so ein Medienecho auslöste wie die oben beschriebenen PR-Lottogewinne, aber zumindest eine Debatte anfachte, die manche längst geführt zu haben glaubten, andere aber offensichtlich noch nie geführt hatten: Die Notwendigkeit von Plätzen von und für Frauen. In diesem konkreten Fall also einem Magazin, das nicht nur Ideen verbreitet, sondern im Idealfall auch identitätsstiftende, was anderes ist das im Kapitalismus ja nicht, Arbeitsplätze bietet. Die Existenz des »Missy«-Magazins löste dabei ähnliche Gedanken und Gefühle aus wie der Begriff des Feminismus allgemein: Dieser hat etwas sehr befreiendes, aber gleichzeitig engt er auch ein. Befreiend, weil er, sowohl politisch als auch im ganz Kleinen, wie das Private ja auch genannt wird, die Einsicht eröffnet, dass man als Frau ein gesellschaftliches Mängelwesen mit vielen Möglichkeiten ist, die es sich zu holen und erkämpfen gilt. Einengend, weil man auf einmal ein Label hat, unter dass sich scheinbar alle anderen Wege einzuordnen haben: Man ist weiblich. Darüber, dass Sexualität im kapitalistischen System eben der identitätsstrukturierende Faktor ist, braucht man nicht zu streiten. Schon eher darüber, was einen, jenseits von Fakebart-Ankleben und breitbeinig dasitzen, aus diesem Korsett befreien könnte. Was nicht heißen soll, dass Einzelne diese Praxen aufgegeben sollen, lediglich, dass es doch noch etwas anderes geben muss. Grundsätzlich kann aber Positives vermeldet werden und das macht durchaus auch mal
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Spaß: Die Wahrnehmungen und Realitäten von jungen Frauen verändern und diversifizieren sich in die unterschiedlichsten Richtungen. Das konnte man in Sonja Eismanns Sammelband »Hot Topic – Popfeminismus heute« nachlesen, auch wenn man die Frauenklammer nicht so gerne mag. Sogar Beyoncé muss gerochen haben, dass in Deutschland eine Debatte qualmt und sang aus dem Radio das Lied »If I were a boy« raus, dass ganz simpel in genau die gleiche Kerbe schlägt: Als Frau ist man eben so, als Mann ganz anders. Im Zweifelsfalle kann man sich sowieso auf die Rettung durch die amerikanische Popkultur verlassen und die hat uns auch diesmal nicht im Stich gelassen: Wenn man sich denn schon Menschen unter bloß einem Gesichtspunkt betrachten will, und in diesem konkreten Falle eben unter dem, dass sie die eine und nicht die andere Hälfte der Menschheit ausmachen, dann freuen wir uns doch wenigstens an denen, die uns 2008 so schön gezeigt haben, dass weder das eine F-Wort, noch das andere F-Wort in den Mund genommen werden muss. In Amerika war es eindeutig das Jahr der Tina Fey: Ihre wahnsinnig gute Comedyshow 30 ROCK wurde noch lustiger, noch erfolgreicher. Als Sarah Palin-Impersonatorin im amerikanischen Fernseh-Must-See »Saturday Night Live« gelang ihr mit ein paar wenigen Sketchen, was nur wenige vor ihr geschafft haben: Eine andere Frau für ihre politischen, aber eben auch privaten Einstellungen zu kritisieren ohne überhaupt in die Nähe des Verdachts eines Zickengehackes zu geraten. Nicht nur dafür, aber eben auch dafür, sollten Fey sämtliche Nobelpreise überreicht werden. Am besten hat man darüber dann am nächsten Morgen auf dem »gawker.com«-Ableger »jezebel.com« gelesen. Eine Seite, die sich bestimmten Verkrampftheiten durch ein ebenso bewährtes, wie innovatives Mittel entzog: Klugem Humor. Und wenn der eben nicht ausreicht, kann man immer noch mit schweinischem Humor arbeiten und zumindest mal sehen, was dann passiert. Die Jezebelinnen verloren, neben andauernden Feminismusdebatten, Sexualratgebern und weiblichem Solidaritätsgebahren, auch nicht den Spaß an Lästern, peinlichen Geständnissen der Autorinnen und Gossip und schafften es trotzdem noch anderen Klatschbloggern Listen mit sexistischen, rassistischen und weiteren verletzenden Vergehen vor Augen zu halten. Im Zweifelsfalle war der moralinverseuchte, schwule Perez Hilton dran, der cellulitisgeplagte Sternchen mit Hohn übergoss und über Samantha Ronson seine Anti-Lesben-Homophobie ausschüttete. Und auch im Berliner Clubleben tat sich etwas: Waren bis jetzt die Schwulenclubs die Horte der coolen, heißen Disconacht und zogen in musikbeschallte Lesbentreffs wenige Andere mit ein, hat dieser Zustand jetzt nicht nur im »Kino International« und diversen Orten in Kreuzberg ein Ende und keiner fragt sich mehr ob so unterschiedliche Figuren wie die Frauen aus »L-Word« auch hier mit am Kneipentisch sitzen würden, denn es tanzen noch unterschiedlichere, noch coolere junge Lesben bereits auf vielen Parties. Und die wenigsten halten sich an Peaches-Performances fest. Überhaupt gibt es mittlerweile so viele weibliche Lebensmodelle jenseits der klassischen Mutti, der Jacobscafé-Frau und der ausbrechenden Rebellinnen, dass der Tag, an dem man aufhören kann, von weiblichen Lebensmodellen zu sprechen, vielleicht gar nicht mehr so weit ist. Oder man hört einfach auf?! Hier und jetzt?! Denn noch während andere über eine Berufsquote, nicht nur in deutschen Redaktionen, streiten und damit in jeglicher Krise ihr sozialdemokratisches Fähnchen hochhalten, ist wo anders wieder wirklich was passiert: Das Internet zum Beispiel ist voll mit jungen Frauen, deren Schreibe, Klugheit und Begabung von sehr gut bis wahnsinnig mies reicht – wie beim Rest der Menschheit also auch.
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Am 11. Oktober 2006 startete auf NBC die Comedy Show »30 ROCK«. Tina Fey lieferte darin einen Hintergrundbericht ihres eigenen Lebens als Autorin bei »Saturday Night Life«. Das Produktions-Team der »Tracy Morgan Show« wird von Liz Lemon, gespielt von Fey, geleitet, einer alleinstehenden Frau Mitte dreißig. Ihr Vorgesetzter ist Jack Donaghy, den Alec Baldwin glänzend spielt; er und die skurrilen Mitarbeiter lassen dabei jede Situation aus dem Ruder laufen.
DUO INFERNALE
von J O N A S G E M P P & N I N A S C H O L Z
Wim Wenders hat im vergangenen November mal wieder einen neuen Film in die Kinos gebracht. Das berührt wahrscheinlich die wenigsten, denn den Namen des ach so großen deutschen Regisseurs kennt zwar selbst die Oma des besten Freundes, aber so ziemlich keiner hat jemals einen Film von ihm zu Ende geschaut; von »Buena Vista Social Club« einmal abgesehen, bei dem die Lebensfreude der musizierenden Senioren einigermaßen gelungen abgebildet wurde. Vielleicht dachte sich Wenders in Anbetracht der Tatsache, dass er schon mit dem Weltverbesserer Nr. 1, Bono von U2, so toll zusammengearbeitet hatte: »Mit Musikern und anderen kritischen Köpfen kann ich so gut!« und schnappte sich einfach Campino, Deutschlands »unkonventionellen« Vorzeigeschwätzer; vielleicht war das ganze aber auch nur ein cleverer Schachzug der Produktionsfirma, jedenfalls spielt in seinem letzten Streifen »Palermo Shooting« der greise Ex-Rebell die Hauptrolle und das ist möglicherweise der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Campino hat im Laufe seiner Karriere eine noch eigenartigere Entwicklung als Otto Schily durchgemacht: Er ist vom Anarcho-SpassPunk, Spießer-Alptraum und Fortuna Düsseldorf Fan, über den auf allen Fernsehsofas hockenden Berufsjugendlichen, zum fleischgewordenen Beispiel für saturierte Nervigkeit mutiert. Der kartoffelnasige Sozialdemokraten-Punk mit dem Moralinzungenschlag hat keinen Bock mehr groß zu provozieren und gefällt sich in der Rolle des kritischen Geistes. In Interviews zu seiner Rolle im Wim Wenders Film hebt er ernst den Zeigefinger, regt sich über George Bush und die USA auf. Damit ist er bei Wenders in bester Gesellschaft, wähnte dieser in einem Anfall totaler geistiger Umnachtung die USA nach Bushs Wiederwahl doch bereits am Rande des Faschismus. Hatte Wenders in seinen frühen Schaffensjahren noch Pamphlete für das amerikanische Kino verfasst, schlägt er heute in die umgekehrte Kerbe: Genau wie sein Schauspieler lässt er keine Gelegenheit aus, den Leuten von den Unfreiheiten und dem bösen Krieg zu erzählen. Vielleicht war er aber auch nur an seinem eigenen Traum gescheitert: Früher hatte er die Kopflastigkeit des europäischen Kinos angegriffen, war deswegen nach Amerika gegangen. Heute fällt den meisten Leuten zum Thema kopflastiges Kino zuerst ein Name ein: Wim Wenders. Und genau das schätzen die Feuilletons und all jene an ihm, die eigentlich keinen Film von ihm zu Ende gesehen haben, sondern vorher auf dem Sofa eingeschlafen sind oder mit schlechtem Gewissen auf eine Talkshow umgeschaltet haben. In so einer Talkshows sitzt mit hoher Wahrscheinlichkeit Campino und wenn der dann so ins Reden reinkommt, dann wird einem klar, dass der »Tote Hosen«-Frontmann an einem strukturell ähnlichen Problem leidet wie Wenders: Er hat die kopflose, aber bierreiche Rebellion der Jugendjahre nicht recht verarbeiten können und möchte jetzt so gerne ernst genommen werden. Aber auch lieb gehabt werden und dabei immer noch ein bisschen anders bleibt, ein wahrer Querdenker eben, im positiven Sinne versteht sich. Es bleibt zu befürchten, dass sich an Campinos Omnipräsenz auf deutschen Fernsehbildschirmen und Leinwänden auch in Zukunft nichts ändern wird. Dafür spricht auch die Aussage Wenders’, der in einem Interview mit der »Melodie & Rhythmus« (Aktuelle Titelstory: Die Zonenrocker Puhdys) voll des Lobes für den Künstler Campino ist: »Ich denke, dass er in seinem Leben noch eine ganze Menge Filme machen wird, weil er einfach Talent hat.«
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Illustration Esther Fabianski/ www.estherfabianski.de
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Vertrieb: dnp-music.com
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