DIversity is the Key • Polychrom • Perspektiven zur Diversität in Start-ups

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PERSPEKTIVEN ZUR DIVERSITÄT IN START-UPS



Vorwort

Diversity is the key Prof. Barbara Kotte

Das Forbes Magazine bezeichnet das ideale Team eines Start-ups wie folgt: Ein Hipster, ein Hacker und ein Hustler. Gründungsberatungen empfehlen Ähnliches: Eine/n Designer/in als Kreativmotor, eine/n Entwickler/in und eine/n Marketer/in. Nicht ohne Grund ist deshalb zumindest an jeder dritten Start-up-Gründung ein Designer beteiligt und in nahezu jedem Start-up ein Designer beschäftigt. Und hier steht absichtlich Designer und nicht Designerin, denn Frauen sind nur bei 13,9 % der Gründungen Partner – laut Deutschem Start-up Monitors 2017. Oder anders gesagt: Der durchschnittliche Gründer ist männlich, weiß und genau 35,1 Jahre alt. In dem Entwicklungsteam von Facebook arbeiten 84 % Männer, bei Google sind 70 % der Angestellten männlich. Sie bestimmen, wie wir in Zukunft kommunizieren, welche Services entwickelt und welche Probleme bearbeitet werden. Bedürfniswelten von anderen werden weitestgehend ignoriert, die digitale Zukunft wird aus nur einer Perspektive geschaffen. Und das, obwohl in Zeiten von Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit vor allem die Summe möglichst unterschiedlicher Teile als Schlüssel zur Bewältigung unwägbarer Zukunftsszenarien gilt. Entrepreneurship spielt an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst eine große Rolle. Insbesondere Studierende der Fakultät Gestaltung gründen oft erfolgreich direkt aus dem Studium heraus. Kein Wunder – sie sind Designerinnen und Designer und Start-ups bieten Ihnen viele Möglichkeiten. Aus diesem Grund sehen wir es als unsere Aufgabe an, dazu beizutragen, dass die Diversität in Start-ups zunimmt und ein stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass Teams mit unterschiedlichen Hintergründen – bezogen sowohl auf Herkunft wie auch auf Geschlecht – zu einem größeren Erfolg führen. Sie können Innovationen entwickeln, die nicht nur einen Teil der Gesellschaft weiterbringen und die für unsere Zukunft relevant sind. Wir möchten Venture Capital Geber ermutigen, in divers aufgestellte Unternehmen zu investieren. In ihrem eigenen Interesse, denn diese Start-ups sind laut einer McKinsey-Studie ›Why Diversity matters‹ erfolgreicher als ihre Konkurrenz. Frauen gründen laut Female-Founders-Monitor 2018 langfristig stabile Start-ups und wollen möglichst schnell aus eigener Kraft profitabel sein. Trotzdem werden nach wie vor weniger als 10 % des Venture Capital in Gründerinnen investiert. Es wird höchste Zeit, dass sich all dies ändert. Noch ist Deutschland im Vergleich zu China und den USA kein Start-up-Land. Wir haben die Chance, es besser, anders, diverser, innovativer und gerechter zu gestalten als die großen Vorreiter. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir das große Potential von Menschen, die aus der ganzen Welt nach Deutschland gekommen sind, nutzen können. Wir müssen unsere Arbeitswelt so gestalten, dass sie für verschiedene Lebensentwürfe funktioniert. Wir müssen unser Bildungssystem erneuern, um unsere Kinder zu freien und vernetzten Denkern auszubilden und besonders müssen wir das Thema Diversität besprechen und sie als Innovationsfaktor begreifen. Das Projekt wurde gefördert mit gleichstellungspolitischen Mitteln der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst. Dafür möchte ich mich – auch im Namen des ganzen Teams – bedanken.

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Polychrom

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Vorwort

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Einleitung

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Berlin Valley

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Blinkist

038

Cacao de Paz

048

FinMarie

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Hildesheimer Gesprächsrunde


Inhalt

072

Legal OS

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SINGA

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SitEinander

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RKW

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Ré­su­mé

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Impressum


Einleitung

In das Masterstudium starten mit dem Thema ›Start-ups und Diversität‹ Jennifer Baaske und Imke Ganteför

Starten. Vielfalt. Ziele. Mit diesen Begriffen kann nicht nur das Thema dieses Buches beschrieben werden, sondern auch der Beginn des Masterstudiums Gestaltung an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst. Die Studierenden im 1. Mastersemester treffen im Pilotprojekt zum ersten Mal mit ihren verschiedenen Kompetenzen aufeinander und stellen sich einer gemeinsamen Thematik. Unter der Leitung von Prof. Barbara Kotte unterstützten wir den Kurs im Rahmen unserer Tutorinnentätigkeit und so begann das Seminar im Wintersemester 2018/19 zu dem Thema ›Startups und Diversität‹. Starten. Am Anfang steht immer eine Idee. Die Idee, an das abgeschlossene Bachelorstudium ein Masterstudium anzuknüpfen oder eine Idee, die den Grundstein für die Gründung eines Start-ups bietet. Beide Wege sind zu Beginn mit großen Hürden und Stolpersteinen gepflastert. Das kann eine Eignungsprüfung genauso sein, wie ein anzufertigender Businessplan. Sind die ersten Schritte gemeistert und hält man motiviert an der Idee fest, steht einem eine anstrengende, aber aufregende Zeit bevor. Der Beginn des Pilotprojekts basiert ebenso auf einer Idee: Der Idee, auf die Meinungen zur Vielfalt in Start-ups Einfluss zu nehmen. Aus diesem Grundgedanken heraus sind dieses Buch und die dazugehörige Website entstanden. Auf dem Weg zum finalen Medium wurde viel recherchiert und Interviews sowie Gesprächsrunden gehalten. Es war kein einfacher Weg, aber wir haben als Kurs viel daraus gelernt. Vielfalt. Es stand nicht nur die Vielfalt in Gender, Herkunft, Fähigkeiten, Glauben und vielem mehr in Start-ups in Bezug auf Innovation und Produktivität im Vordergrund, sondern die Vielfalt des Kurses war für uns genauso wichtig. Diese Vielfalt fand sich vor allem in den verschiedenen Kompetenzfeldern der Studierenden. Von

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Pilotprojekt

Grafikdesign, Digitalen Medien, Advertising Design, Branding Design, Industriedesign bis hin zu Architektur/Innenarchitektur, Metallgestaltung, Farbdesign, Lichtdesign, Modedesign und Produktdesign war alles vertreten. Die Altersspanne der Teilnehmenden lag zwischen 23 und 47 Jahren. Aufgrund dieser Diversität war es uns möglich, die verschiedenen Medien zu erstellen. Zusätzlich zu den Fähigkeiten brachten die Studierenden ihre unterschiedlichen Erfahrungen in das Thema mit ein. Von Erfahrungen aus Praktika oder der Arbeit in Start-ups bis hin zu eigenen Gründungsvorbereitungen für das eigene Start-up, waren vielfältige Erlebnisse mit dabei. Dazu kam, dass wir neben den Studierenden aus Deutschland auch Studierende aus China und dem Iran mit im Kurs hatten, die mit ihren kulturellen Hintergründen das Thema anders beleuchten konnten und sich auch für die Start-ups aus ihrem Heimatland interessierten. Ziele. Für die Studierenden ist es das Ziel, das Masterstudium erfolgreich abzuschließen. Ein Start-up hat das Ziel, wirtschaftlichen Erfolg zu erlangen. Das Ziel des Seminares ist hingegen nicht konkret messbar, denn die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Formen von Vielfalt ist so vielschichtig wie das Thema selbst. Wir sprechen uns ganz klar für eine gelebte Vielfalt in Start-ups, aber auch innerhalb der Gesellschaft aus und es ist unsere Intention, unseren Teil dazu beizutragen, auf die Bedeutung und Aktualität von Diversität hinzuweisen. Es geht uns darum, Gründerinnen und Gründer, bestehende Unternehmen und die Gesellschaft für das Thema Diversität zu sensibilisieren und ihr Bewusstsein für Diversität zu steigern. Potentiale von Vielfalt sollen nicht nur erkannt, sondern auch genutzt werden. Daher wünschen wir uns, dass Diversität nicht nur bewusst eingesetzt wird, sondern Teil der Start-up-Kultur und unserer Gesellschaft wird.

Quelle: Female Founders Monitor (Hrsg.: Bundesverband Deutsche Startups e.V.)

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Das sind wir Das Team

Wir kommen aus

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China

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Iran

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Deutschland


Unser Alter

Unsere Kompetenzen

Advertising Design, Architektur, Branding Design, Digitale  Medien, Farbdesign, Grafikdesign, Illustration, Industriedesign, Innenarchitektur, Lighting  Design, Metallgestaltung, Modedesign, Produktdesign








Fakten – Berlin Valley

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Teamgröße Frauen Männer Nationalitäten Weintraube

Berlin Valley, VNKF Media GmbH, Gustav-Meyer-Allee 25, 13355 Berlin, www.berlinvalley.com

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7 Fragen an ...

Josefine Köhn-Haskins

Was sind deine Kompetenzen, die du in das Unternehmen mit einbringst? Redaktion/Journalismus, Sprachen (Englisch, Deutsch), Programme/Tools/Social Media, Optimismus, Empathie, Verständnis für Andere, Ideen, Fachkompetenz. Was findet man als erstes, wenn man deinen Namen googelt? LinkedIn. Welche Probleme/Hindernisse gab es bei deiner Einstellung in das Unternehmen? Eine Wohnung zu finden. Welcher Herausforderung müsst ihr euch aktuell im Unternehmen stellen? Mitarbeitersuche, Umstrukturierung. Wenn euer Unternehmen ein Obst oder Gemüse wäre – welches wäre es? Eine Weintraube – saftig und knackig und mit hochprozentigem Potenzial. Wer kocht bei euch den Kaffee? Lennart, weil er die App hatte, leider ist er inzwischen nicht mehr bei uns. Führe ein Gedankenexperiment durch: Wenn dir alle Möglichkeiten offen stünden, wie würdest du euer Team im Hinblick auf Diversität erweitern? Ich würde uns noch globaler ausrichten, evtl. Personen einstellen, die chinesisch sprechen. Denn der nächste Wandel wird auf globaler Ebene stattfinden.

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Interview

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Berlin Valley

Wir sind Berlin Valley Berlin Valley, ein deutsches Start-up Magazin mit Sitz in Berlin Mitte, hat seit 2014 einen festen Platz in der Gründerszene. Hier wird herausragenden Gründern, Vordenkern und Investoren eine Plattform gegeben – über Firmenkultur, Geschäftsstrategien oder Recruiting zu berichten. Die Liebe zu einzigartigen Ideen und innovativen Technologien ist, was alle bei Berlin Valley vereint, so auch Josefine Köhn-Haskins. Josefine ist hier Redakteurin. Zuvor hat sie für zahlreiche namhafte Tageszeitungen und Magazine geschrieben und war für 15 Jahre als Korrespondentin in den USA tätig. Entgegen manifestierter Rollenbilder ist ihr Mann mit den Kindern zuhause, während sie als Redakteurin arbeitet.

Barbara: Das Masterstudium an der HAWK Hildesheim ist Design fachübergreifend aufgebaut, so können integrierte Projekte entstehen. Wir sind sehr froh darüber, dass ca. ein Drittel der Studierenden einen internationalen Hintergrund mitbringen. Das Thema Diversität ist von uns zunächst breit dargestellt worden, reduziert sich in unserer Umgangsform letztendlich sehr stark auf das Geschlechter-Thema. Wir arbeiten jetzt an einer on- und offline Publikation, machen die ganze Redaktion dazu und müssen uns in diesem Kontext auch selber eine Meinung bilden. Dabei ist uns wichtig, dass wir nicht nur nach außen strahlen, sondern auch in der Hochschule nach innen wirken, damit das Projekt eine Nachhaltigkeit in der Ausbildung hat.

Interview Prof. Barbara Kotte Flora Taubner Imke Ganteför

Spannend! Ich bin froh, dass dieses Geschlechter-Thema durch Diversität und auch Digitalisierung auf eine andere Ebene gehoben wird. Dass nicht nur das Frauenquoten-Thema ist, sondern auch um New-Work geht, insgesamt um mehr Kultur, Miteinander und Inklusion.

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Interview

Flora: Josefine, seit wann ist Diversität ein Thema für das Magazin, oder auch für dich ganz persönlich?

Berlin Valley entstand dadurch, dass der Gründer und Herausgeber ein Start-up gegen die Wand gefahren hat und daraufhin angefangen hat, erfolgreiche Gründer zu fragen, wie sie es geschafft haben. Ob Diversität bei der Gründung ein Thema war, weiß ich nicht. Es ging vor allem darum, Start-ups und Erfolgsgeschichten vorzustellen. Tatsache ist, dass Frauen in der Start-up-Szene immer noch unterrepräsentiert sind. Nur acht Prozent aller Start-ups werden von reinen Frauen-Teams gegründet, 20,1 Prozent von gemischten Teams. Bei Berlin Valley achtet unsere HR-Leiterin allerdings sehr auf Diversität und hat den internationalen Hintergrund des Teams auch als einen Pluspunkt im Bewerbungsgespräch erwähnt. Das fand ich spannend. Ihr ist eine gute Mischung tatsächlich wichtig. Andererseits: Kürzlich haben sich sehr viele Mädchen bei uns beworben, so dass unser Herausgeber angemerkt hat, dass er sich mehr technisch versierte Jungs im Team wünschen würde. Tatsächlich besteht unsere Redaktion heute ausschließlich aus Frauen – erst kürzlich kam für Sonderprojekte ein Mann dazu. Imke: Sind Männer technisch versierter, oder ist das ein Klischee?

Josefine: Das weiß ich leider nicht. Wir hatten eine Praktikantin, die in Stanford Mathe und IT studierte und dazu noch schreiben konnte, das war natürlich super. Bei meinen Kindern kriege ich mit, dass MINT Fächer für Mädchen nicht mehr das totale Aus-Thema sind. Ich glaube, es geht immer mehr in die Richtung, da muss man ansetzen. Imke: Wie könnte man die Frauen unterstützen, dass sie sich mehr für den Bereich der MINT Fächer interessieren?

Begeistern, stärken und Programme anbieten. Wir haben den Stereotyp in unseren Köpfen. Mädchen können gut schreiben, Jungs toll bauen. Viele Eltern versuchen das auszugleichen und schenken ihren Jungs Puppen. Laura Dornsheim hat in einem Gastartikel für uns geschrieben: »Solange es Prinzessinnen-Shampoos für Mädchen gibt und Explorer Shampoos für Jungen, solange hat sich in den Köpfen noch nicht wirklich etwas gewandelt«. Ich finde, man kann rosa tragen und trotzdem Mathe mögen. Eine Freundin ist in New York erfolgreich in

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Berlin Valley

der Krebsforschung tätig. Einmal kam sie mit einem Kranz aus Gänseblümchen in das Institut, weil sie am Tag zuvor auf einem Open Air Konzert war. Ihr Professor hat sie daraufhin zur Seite genommen und sie darauf hingewiesen, dass das nicht geht. Warum denn eigentlich nicht? Dieser weibliche, ästhetische Aspekt ist doch sehr wichtig, gerade was den Design- und Architekturbereich angeht. Denn ich glaube, unsere Städte würden anders aussehen, wenn mehr Frauen mitgedacht und mitgebaut hätten. Flora: Der durchschnittliche Gründer ist weiß, männlich, 35.1 Jahre alt. Sollten wir das ändern? Warum ist das so? Was denkst du?

Ja natürlich, denn das ist stereotypes Denken in den Köpfen. Für eine Geschichte in der letzten Ausgabe habe ich mit vielen Gründerinnen gesprochen und bin der Tatsache nachgegangen, warum es nicht so viele Gründerinnen gibt wie Gründer. Man kann es nicht an einem Punkt festmachen. Klar, spielen die klassischen, biologischen Voraussetzungen eine Rolle. Es liegt aber schon daran, dass in all unseren Köpfen, egal ob Frau oder Mann, noch dieser Stereotyp vorherrscht, wie die Welt auszusehen hat. Ich glaube, es dauert noch lange und man muss überall ansetzen. Ich habe mit einigen Frauen gesprochen, die ausgerechnet die Babypause dafür genutzt haben, sich ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Sie haben sich das knallhart durchgerechnet und sich in den 14 Monaten Elternzeit über Ersparnisse und Kindergeld finanziert. Flora: Das ist ja schon fast ein Tipp an Frauen, die Babypause zu nutzen.

Ja, total, obwohl es natürlich auch anstrengend ist. Aber es geht eben auch anders herum. Bei mir ist der Mann zu Hause und ich bin diejenige, die arbeitet. Als ich in Berlin nach einer Wohnung gesucht habe, haben mich ganz viele Vermieter komisch angeschaut und gefragt »Was macht Ihr Mann?«, obwohl ich nicht so schlecht verdient habe. Es hat sich so angefühlt, als hätte ich Minuspunkte dafür bekommen, dass mein Mann bei uns in der Familie der Hausmann ist. Ich glaube, als Frau ist man in einer schlechteren Verhandlungsposition als ein Mann. Vielleicht, weil man sich nicht so viel traut, nett sein und nett wirken will. Flora: In Bewerbungsgesprächen wird meist eine Frage zur Familienplanung gestellt. Diese Frage wird Männern oft gar nicht gestellt. (Anmerkung der Redaktion: Diese Frage ist im Bewerbungsgespräch nicht erlaubt – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), § 1/§ 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen)

älter sind, da kann man das inzwischen auch als Pluspunkt mit hineinschreiben. Einmal ging es mir selbst so, dass ich in einem Bewerbungsgespräch mit einer jungen Frau, Anfang dreißig und mit Kinderwunsch, gedacht habe: »Jetzt bist du meine einzige Kollegin, aber nach drei Monaten bist du weg und das Unternehmen hat nicht genug Geld um noch jemanden einzustellen.« Wir haben sie dann schon eingestellt, aber ich dachte mir dann schon: »Jetzt hast du selbst schon die Schere im Kopf.« Imke: So gesehen scheint es nicht verkehrt mit mehreren zu gründen?

Oder es müssen von Anfang an mehr Möglichkeiten geboten werden, Familie und Beruf zu vereinbaren. In den USA bekommt man nicht wie in Deutschland 14 Monate Elternzeit und Elterngeld. Ich finde es natürlich gut, dass man bei seinem Kind zuhause bleiben kann und die Frauen haben Zeit, etwas für sich aufzubauen. In den USA geht das nur, wenn man ein gutes Netzwerk mit anderen Frauen hat. Denn Urlaub bekommt man nicht in der Zeit. An meinem ›Due Day‹ habe ich noch an der SUNY Newpaltz Deutsch unterrichtet. Man kann sich zwar frei nehmen, aber dann wird man auch nicht bezahlt. Nach der gesetzlichen Regelung bekommt man in großen Unternehmen zehn Tage und dann steht man wieder da. Dadurch war ich gezwungen, mir ein Netzwerk mit anderen Müttern aufzubauen und das war wie eine Großfamilie, weil wir gegenseitig auf unsere Kinder aufgepasst haben und dadurch hatten sie viel mehr Freunde. Imke: Gibt es etwas, von dem du sagst, da müsste die Politik ansetzen und etwas ändern?

Ich glaube mit ›New-Work‹ und dieser Flexibilität geht es schon in die richtige Richtung. Dann kann man sagen: »Ok, ich bekomme mein Baby, will aber nicht ganz raus aus dem Job, arbeite einen Tag, an dem mein Mann zuhause bleiben kann.« So etwas gibt es oft nicht, warum nicht? Oder man teilt sich mit einer Freundin den Job, das sollte möglich sein und unterstützt werden, auch von politischer Seite. Es ist wichtig, dass man ein bisschen offener ist und sich Konzepte überlegt, die gut funktionieren können. Dazu gehört auch, dass mehr die Leute gefragt werden, die davon betroffen sind.

Mir wurde diese Frage jetzt gar nicht gestellt, aber ich wurde für meinen aktuellen Job auch von einer Frau interviewt. Ich habe aber auch schon drei Kinder, die schon ein bisschen

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Interview

Barbara: Eine Professur kriegt man nicht ohne, dass man sich auf eine Art und Weise mit Gender beschäftigt hat. Auch viele Forschungsförderprogramme sind daran gebunden, dass Diversität enthalten ist. Wäre es vorstellbar, Diversität zur Auflage staatlicher Förderungen zu machen?

Ich glaube, man kann einem Unternehmen nicht wirklich vorschreiben, wen sie einstellen, obwohl es wahrscheinlich wünschenswert wäre. Es gibt verschiedene Charters, die Unternehmen unterschreiben können und auch damit werben. Aber ob wirklich von staatlicher Seite etwas als verpflichtend vorgeschrieben werden sollte, weiß ich nicht. Eine Frauenquote, eine Diversitätsquote? Die Motivation sollte nicht aus Pflichten oder Verboten heraus resultieren. Barbara: Dahinter steckt ein wirtschaftlicher Gedanke. Divers aufgestellte Unternehmen sind im Schnitt wirtschaftlich sehr viel erfolgreicher, 33 % sagt die McKinsey Studie ›Why diversity matters‹. Also eigentlich müsste ein Venture Capital-Geber lieber sein Risikokapital einem Unternehmen geben, von dem er weiß, dass die Chancen um ein Drittel höher liegen, dass es erfolgreich sein kann.

Stimmt, dazu gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. Aber welcher Venture-Capitalist auf Diversität schaut, das weiß ich leider nicht. Es gibt bestimmt welche, denen es wichtiger ist als anderen. Flora: Wir haben uns mit Herrn Burgdorf von der Sparkasse Hildesheim/Goslar/Peine unterhalten. Er sagt von sich, er würde nur nach Kompetenzen und dem Businessplan gehen und dabei Gender oder

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Diversität nicht berücksichtigen. Sollte er das tun?

Tut er das wirklich? Wenn wir von dem ›unconscious bias‹ (unbewusste Voreingenommenheit) ausgehen, dass du diejenigen bevorzugst, die so sind wie du selbst, spielen bei Herrn Burgdorf auch noch andere Entscheidungskriterien eine Rolle. Etwa haben sehr lange nur sehr wenige Frauen in großen Orchestern mitgespielt. Erst als eingeführt wurde, dass alle Bewerber hinter einem Vorhang vorspielen müssen, wurden häufiger weibliche Musiker ausgewählt. Vielleicht sollte man das bei Bewerbungsgesprächen auch mal machen (lacht) und wirklich mal einen Vorhang dazwischen hängen, um den ›unconscious bias‹ etwas einzudämmen. Flora: Wie wichtig ist die Digitalisierung für Start-ups und müssen Frauen ihr mehr Bedeutung geben?

Die meisten Start-ups die erfolgreich werden, sind Start-ups, die sich mit einem Digitalisierungsthema oder einem digitalen Produkt beschäftigen. Blockchain und künstliche Intelligenz sind die nächsten großen Themen, bei denen die Frauen die Chance haben, genauso erfolgreich zu sein wie die Männer. Wenn man mal 100, 50 oder auch 10 Jahre zurückblickt, da waren es immer die Ingenieure, die Männer, die Innovationen vorangetrieben haben. Blockchain ist noch in der Entstehungsphase und es werden gerade Modelle gebildet, um die sich neue Geschäftsmodelle entwickeln. Bitcoin


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und Ethereum sagt euch vielleicht etwas. Dabei geht es nicht nur um Kryptowährung, sondern auch darum ein dezentrales System aufzubauen. Da muss man gucken, dass da die Frauen an der Front mitmachen. Imke: Wenn Frauen starten, dann häufig mit wenig Geld, weil sie sich seltener als Männer über einen Business Angel oder Venture Capitalist finanzieren. Wir fragen uns, woher es kommt, dass sie mit weniger Geld starten. Erhalten Frauen weniger Förderung?

Ich glaube, es liegt an zwei Sachen. Einmal, wenn man sich die Gründungszahlen anschaut, sieht man, Frauen gründen nicht unbedingt weniger als Männer, aber wenn sie gründen, dann gehen sie mehr in die Selbstständigkeit. Sie werden dann Beratende oder machen einen Buchladen auf oder haben irgendeine coole, aber oft wenig technische Idee, wie organische Babymode. Dabei entsteht kein großes Team, sie machen das für sich selbst. Zudem lässt sich Beruf und Familie so gut vereinbaren. Außerdem zeigen sie nicht die Risikobereitschaft, die Männer haben, wollen nicht so dominant sein und haben, glaube ich nicht so einen starken Drang nach Macht. Ich habe mit einer Investorin gesprochen, die sagte, dass jede Frau, die sich bei ihr im Venture-Fond bewirbt, auch die Chance bekommt, sich vorzustellen, weil es generell so wenige Frauen sind. Also liegt es einmal an den Frauen selbst und dann natürlich auch daran, dass sie mit weniger hoher Wahrscheinlichkeit Kapital bekommen. Ich habe dazu mal eine Studie rausgesucht: »Bei identischen Inhalten und Präsentationen erhalten männliche Gründer mit einer 40 % höheren Wahrscheinlichkeit eine Wagniskapital Finanzierung als Frauen.« Das ist eine Studie von der National Academy of Science und dem MIT Cambridge.

Das eigentlich Witzige an dieser Studie ist, dass nicht nur Männer mehr Wagniskapital kriegen als Frauen, sondern dass gut aussehende weiße Männer mehr Wagniskapital kriegen. Es ist wahrscheinlich so, dass die Venture Capitalists sich eher mit jemandem identifizieren, der ihnen ähnlich ist, weil sie da eher das Gefühl haben, dass man den Gegenüber versteht, sich in ihn hineinversetzen kann oder ihm vertraut. Dieser ›unconscious bias‹ ändert sich nur langsam. Imke: Hast du den Eindruck, dass Frauen sich sonst unterschätzen? Dass sie ihr eigenes Innovationspotential nicht hoch genug einstufen?

Das glaube ich bestimmt. Männer zeigen viel mehr Ellenbogen und denken mehr an sich, nicht so sehr an die Anderen. Das ist etwas, was mir schon oft aufgefallen ist. Frauen wollen mehr alle mitnehmen, während Männer eher fokussiert an ihr Ziel denken und nicht so sehr daran, wen sie da beiseiteschieben. Flora: Gibt es zum Thema Frauen in Start-ups Dinge, Neuerungen, die den Weg ebnen, es leichter machen oder Motivation schaffen?

Es gibt wahnsinnig viele Netzwerke, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Angefangen von der Weiberwirtschaft, einem der ältesten Netzwerke hier in Berlin, aber auch ganz vielen kleinen Initiativen. Die Frauen haben gemerkt, dass man sich gegenseitig unterstützen sollte.

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Interview

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Interview

Oft ist es so, dass man unter Frauen mal bitchig oder neidisch ist. Ich merke schon, dass sich gerade in den Start-up-Kreisen die Frauen immer mehr zusammentun, Netzwerke bilden und dabei sogar von den Männern unterstützt werden, denn sie wollen da auch mitmischen. Vor einem Monat war ich in München bei der Karrieremesse ›her CAREER‹. Da gab es ein neues Forum, wo Männer ihr Business an Frauen pitchen durften.

Deutschland als in Berlin und kam dann nach München und dachte sich: »Nein, das geht nicht. Zu konservativ und zu weiß.« Im Vergleich wird in Amerika Vielfalt mit mehr Selbstverständnis gelebt. Vor allem in Schulen, auf Messen und Konferenzen. Wobei bei den Start-up-Konferenzen mittlerweile auch hier eine gute Mischung eingekehrt ist.

Flora: Kann der Sexismus kippen, sodass Frauen Männer ausschließen und Männer Diskriminierung erleiden? Wie bewertest du das, wenn Frauen nur Frauen pitchen?

Imke: Wenn man jetzt wie ihr ein sehr diverses Team hat, wie wirkt sich das auf den Arbeitsalltag oder die Unternehmenskultur aus?

Ich finde Frauen sollten diejenigen pitchen, die sie gut finden. Natürlich kommt das auf dein Netzwerk an, aber diese ›OldBoy‹-Networks pitchen nur die, die sie kennen. Weil wen man nicht kennt, den pitcht man nicht.

Erst mal sorgt das für ganz viel Gesprächsstoff, auch für Gespräche, die über die Arbeit hinausgehen. Durch den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund habe ich das Gefühl, dass die Leute höflicher miteinander umgehen. Natürlich kann es auch Missverständnisse geben. Wir haben jetzt niemanden, der nicht schon länger in Deutschland gelebt hätte.

Flora: In Deutschland sind 10 % der Gründenden im Ausland geboren, aber in Amerika sind es 30-50 % die sich selbstständig machen. Du hast 15 Jahre in den USA gelebt, wie divers hast du die USA wahrgenommen im Vergleich zu Deutschland?

Es fängt schon damit an, wie man sich bewirbt. In Amerika muss bei der Bewerbung kein Foto dabei sein. Hier in Deutschland wurde bei meiner ersten Bewerbung gefragt, warum nirgends steht wie viele Kinder ich habe und ob ich verheiratet bin. In Amerika macht man das nicht, damit niemand benachteiligt werden kann. In den USA waren Leute aus England, Australien, Indien, Asien im Team und das war ganz normal. Man gewöhnt sich daran und Diversität ist nichts Außergewöhnliches mehr. Das bemerkt man auch hier in Berlin inzwischen. Amerika war schon immer ein Zuwandererland, ein Melting Pot. Mein Mann zum Beispiel war vorher auch in keiner anderen Stadt in

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Flora: Uns interessiert, wie Diversität das Arbeitsklima beeinflusst. Für 66 % der Arbeitnehmer in Deutschland ist eine ausgewogene Work-Life-Balance ein Garant für Diversität, wie genau kann ein flexibles Arbeitszeitmodell die Diversität im Unternehmen fördern?

Es gibt viele junge Mütter, die sich einen Teilzeitjob wünschen würden und diesen nicht finden. Andererseits gibt es auch Unternehmen, wo dann die Männer sagen, sie müssen heute um vier gehen, weil sie das Kind aus dem Kindergarten abholen wollen. Es kommt wirklich auf das


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Unternehmen an. Obwohl familienfreundliche Arbeitszeiten mittlerweile schon zum guten Ton gehören. Unternehmen werben sogar damit und zum Glück kann ich mir mittlerweile auch durch Mitarbeiterbewertungen online ein ganz gutes Bild davon machen, ob das Unternehmen auch tatsächlich familienfreundlich ist. Flora: Inwiefern spielt oder sollte Diversitätsmanagement bei der Gründung eines Startups eine Rolle spielen?

Ganz am Anfang bist du da mit deiner Gründungsidee. Erst mal denkt jeder Gründende, er kann das alles alleine machen. Dann braucht man irgendwann Programmierer oder andere Experten. Da ist es dem Gründenden wahrscheinlich erst einmal egal, wo man herkommt. Hauptsache man kann gut programmieren. Dann kommt erst der Gedanke, wie setze ich meine Strukturen auf? Und nachdem die Strukturen aufgesetzt sind, sucht man nach den richtigen Personen und ich glaube in diesem Schritt denkt man dann über Diversitätsmanagement nach. Tatsache ist: Start-ups, die von Frauen gegründet oder mitbegründet wurden, erwirtschaften für jeden Dollar der Finanzierung 43 Cent, während es bei Männerteams nur 31 Cent sind. Und das ist nur einer von vielen Gründen, die für mehr Diversität sprechen. Darum ist es so wichtig, dass ihr darüber schreibt. Neben Gender und Nationalität spielt auch das Alter in Sachen Diversität eine wichtige Rolle. Bei uns ist es ganz gut gemischt. Jemand, der Erfahrung mitbringt, sollte dann aber nicht abgehoben sein, dass er glaubt, alles zu wissen und von den anderen nichts mehr lernen kann. Es müssen also beide Seiten offen sein. Von Start-ups höre ich häufig, dass sie zwar Senior Level Positionen einstellen, dann aber sehr hohen Nachholbedarf dahingehend sehen, dass Senior-Level Mitarbeitende, die aus großen Unternehmen wechseln, erst lernen müssen, mit agilen Strukturen umzugehen.

Flora: Verhindert die Differenz der Strukturen oder der Digitalisierung Kooperationen zwischen Start-ups und Unternehmen?

Das ist etwas, woran wir arbeiten. Das große Ziel hinter NKF und Berlin Valley ist es, Brücken zwischen Start-ups und großen Unternehmen zu bauen. Bei einigen größeren Unternehmen ist da schon Offenheit. E.on, Telekom, oder Springer haben sogar ihre eigenen Acceleratoren- und Incubatoren-Programme. Bei der Telekom können die Angestellten für drei Monate eine Art Sabbatical machen und bekommen die Chance, ihre Idee weiterzuentwickeln. Wenn das Start-up dann in das Unternehmen passt, wird es dort weiterentwickelt. Möglich ist auch, dass es nichts wird und die Angestellten in ihre alte Stelle zurückgehen, dafür aber ein bisschen Gründererfahrung gesammelt haben. Ich glaube, den Unternehmen wird es immer wichtiger, dass die Leute auch mitdenken. Die Arbeitskräfte nicht nur das tun, was ihnen aufgetragen wird, sondern dass sie selber ein bisschen Gründungsgeist haben und ihr eigenes Projekt entwickeln wollen. Imke: Unsere letzte Frage, was wünscht du dir für eine konkrete Veränderung für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass man nicht mehr darüber diskutieren muss, dass man alle Menschen gleich behandelt. Egal welche Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft oder Religion.

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Fakten – Blinkist

120 Teamgröße 36 Nationalitäten Kokosnuss Blinks Labs GmbH, Sonnenallee 223, 12059 Berlin www.blinkist.com

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6 Fragen an ...

Michael Martin Becher Was ist deine Aufgabe in dem Unternehmen? Ich bin, wenn man es klassisch deutsch sagen möchte, Personalleiter und wenn man es neudeutsch sagen möchte, Director People and Organisation. Mein Team ist gemeinsam mit mir für die strukturelle Entwicklung des Unternehmens und alle weiteren Personalbelange verantwortlich. Was hast du gelernt bzw. studiert? Ich selbst arbeite seit zehn Jahren im Personalbereich und habe bereits in verschiedenen Unternehmen Erfahrungen sammeln können, unter anderem bei der Deutschen Post, Amazon und Booking. com. Allerdings bin ich fachfremd, denn ich habe was ganz anderes studiert. Als gelernter Diplom-Geograph habe ich nie in meinem Beruf gearbeitet. Während meines Studiums bin ich im Personalbereich tätig gewesen und immer dabei geblieben. Wenn du ein Obst oder Gemüse wärst – welches wärst du? Eine Kokosnuss – über die zehn Jahre, die ich im Personalwesen arbeite, konnte ich relativ viele Eindrücke gewinnen. Dadurch bin ich ziemlich abgehärtet, das heißt, ich habe mir eine relativ harte Schale aufgebaut. Nichtsdestotrotz arbeite ich im Personalbereich, weil mir die Menschen im Unternehmen sehr wichtig sind, und das würde dann den weichen Kern ausmachen. Wer kocht bei euch den Kaffee? Jeder, der gerne Kaffee trinken möchte. Wenn dir alle Möglichkeiten offen stünden, wie würdet ihr das Team in Hinblick auf Diversität erweitern? Es ist schwierig eine konkrete Antwort darauf zu geben, weil es von der Unternehmensentwicklung abhängig ist. Ein ausschlaggebender Aspekt dafür ist der Standort des Unternehmens – bleibt es bei Berlin oder kommen noch Standorte aus Teilen der Welt hinzu? Darüber hinaus ist der gesellschaftliche Faktor wichtig – die Präsenz und die Werte des Unternehmens. Dementsprechend leider keine konkrete Antwort. Hast du einen Leitgedanken oder einen guten Rat? Was man Start-ups mitgeben kann? Leidenschaft ist für mich bei der Unternehmensgründung und beim frühzeitigen Einstieg und Aufbau in ein Start-up sehr relevant. Fehlt bei der Thematik die Leidenschaft, ist das Engagement, das Unternehmen voranzutreiben, stark eingeschränkt. Bei sehr jungen Unternehmen in den Anfangsjahren sollte die eigene Idee insgesamt im Vordergrund stehen; sich zu spezialisieren und nur den Fokus auf ein Feld zu setzen, hemmt die Entwicklung. Mein Rat ist also: Wenn du ein Unternehmen gründest, such dir ein Thema aus, bei dem du mit ganzer Leidenschaft dabei bist.

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Interview

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Blinkist

Wir sind Blinkist Blinkist ist ein Start-up, das 2012 in Berlin von vier Gründern ins Leben gerufen wurde. Das Team umfasst 120 Mitarbeiter aus insgesamt 36 Nationen. Gemeinsam arbeiten sie an einer App, die täglich 15-minütige Audioaufnahmen und Kurzzusammenfassungen zu Sachbüchern veröffentlicht – sogenannte Blinks. Damit hat jeder Mensch, die Möglichkeit zu lernen und sich weiterzubilden. Blinkist hat seinen Sitz in Berlin Neukölln – typisch Start-up in einem alten Fabrikgebäude eines Innenhofes. Das Innenleben entspricht auch den Erwartungen eines Start-ups: Kreativität und Produktivität sind hier deutlich zu spüren. Neben den vielen Mitarbeitern läuft einem auch mal ein Hund entgegen. Das Gespräch führen wir mit Michael Martin Becher, dem Leiter des People and Organisation Teams. Er verschaffte uns Einblicke in ein schnell wachsendes Start-up.

Grundsteine für ein Gründungsteam entstehen während der Ausbildung, durch Freundschaften und im gemeinsamen Job. Wie divers war der Zugang zu anderen Fachbereichen/Geschlechtern/Nationalitäten während deiner Ausbildungsund Arbeitszeit? Hättest du dir mehr Veranstaltungen gewünscht, die verschiedene Disziplinen und Menschen zusammenbringen?

Interview Katharina-Sara Lifke Michael Goebels Julia Schmidt

Durch die Natur meines Geografie Studiums bin ich mit vielen unterschiedlichen Kulturen in Berührung gekommen. Während meines Studiums bin ich sehr viel gereist, auch verpflichtend, und konnte somit diverse Zeiten im Ausland verbringen, sodass für mich persönlich sehr viele Schnittstellen zu Kulturen entstanden sind. Es sind nicht nur unterschiedliche Kulturen, sondern auch verschiedene Hintergründe und Ansichtsweisen. Als ich 2003 mein Studium angefangen habe, war das Erasmus-Programm sehr beliebt und dadurch gab es relativ viel Austausch, gerade auch bei mir im Studiengang. Die Konzentration lag aber auf wenig verschiedene Länder. Es gab viel Kontakt Richtung Russland, Spanien und Kanada. Eine breitere Diversität hätte ich mir damals schon gewünscht, um mit anderen Menschen in Berührung zu kommen. Dennoch wird dieses Programm von Universität zu Universität

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Interview

unterschiedlich gehandhabt. Aber das wäre etwas gewesen, was ich mir gewünscht hätte. Am Anfang einer Existenzgründung hat man meistens genug zu tun mit Bürokratie, Organisation und finanziellem Druck. Die wenigsten Gründer machen sich im Vorfeld darüber Gedanken, ob ihr Team divers genug aufgestellt ist. Ab wann und inwiefern wird Diversität bei deinen Entscheidungen ein Kriterium?

Diversität kann sich entwickeln, muss es aber nicht. Aber es ist auf jeden Fall ein Thema, selbst wenn man ein Unternehmen mit vier Leuten gründet. Unterbewusst legt sich jedes Gründerteam einen Grundstein mit Entscheidungen, die ausschlaggebend für die Entwicklung der Unternehmenskultur sind. Diversität fördert auch diesen Prozess durch Einflussnahme. Am Anfang macht man sich keine Gedanken darüber wie schaffe ich es, ein möglichst diverses Unternehmen aufzubauen. Es sind so wenig Leute am Unternehmen beteiligt, dass man andere Schwerpunkte setzt. Die Suche nach kompetenten Mitarbeitern für den jeweiligen Zeitpunkt ist relevanter. Sobald das Unternehmen eine gewisse Größe erreicht hat, wenn es viel mehr um die Zusammenarbeit geht, wird Diversität als Thematik präsenter. In unserem Fall gehen wir in Richtung Internationalisierung des Produktes. Für ein internationales Produkt werden dementsprechend unterschiedliche Internationalitäten benötigt, die sich am Projekt beteiligen. Als deutsche Bürgerin oder deutscher Bürger ist man wesentlich eingeschränkter, was das Denkverhalten von Menschen aus Indien, China oder Australien betrifft. Erst dann kann das Produkt entsprechend realisiert werden. Ein weiterer Punkt ist die Positionierung der Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter. Wir machen eine App zum Lernen, deswegen sollen auch unsere Mitarbeiter die ständige Möglichkeit haben, sich fortzubilden. Wir glauben daran, dass eine zwischenmenschliche und eine interkulturelle Entwicklung

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von Vorteil sein kann. Aus diesem Grund arbeiten wir im nächsten Jahr verstärkt an dieser Thematik und möchten einen noch stärkeren Fokus darauflegen. Hat sich zu Anfang das Gründungsteam gut aufgestellt gefühlt? Hätte eine Frau im Gründungsteam positiven Einfluss gehabt?

Das Gründungsteam besteht aus vier jungen, dynamischen, weißen Männern – es ist also nicht das Vorzeigemodell, wenn es um Diversität geht. Allerdings sind nur noch drei Gründer im Unternehmen tätig. Alle drei Gründer sind sehr stark mitarbeiterorientiert und haben einen starken Fokus darauf, dass wir hier ein internationales Team aufbauen. Das Thema stößt bei ihnen auf ein starkes Interesse, woraufhin sie ihr Engagement zeigen. Auch wenn wir kein diverses Gründerteam haben, ist das Team sehr stark an diesem Thema interessiert. Wie setzt sich euer Team im Hinblick auf Diversität zusammen? Und wie kam es zu dieser Zusammensetzung?

Bei 120 Mitarbeitern ist die Mehrzahl der Mitarbeiter weiblich, allerdings haben wir noch eine klassische Arbeitsverteilung. Im Marketingteam und im People and Organisation Team haben wir beispielsweise einen hohen Frauenanteil, während im Engineering Bereich hauptsächlich Männer arbeiten. Dieses Jahr haben wir damit angefangen, an einer besseren Durchmischung in den einzelnen Teams, zu arbeiten. Mittlerweile konnten wir es schaffen, einige neue Mitarbeiterinnen für das IT-Team zu


Blinkist

gewinnen. Mit aktuell 36 unterschiedlichen Nationalitäten im Unternehmen, sind wir schon divers aufgestellt. Es gibt kein Team, in dem ausschließlich Leute aus einem bestimmten Land arbeiten, sie sind multikulturell durchmischt. Das Thema Altersdiversität, sowie andere Arten der Diversität, sind Themen, mit denen wir uns in den nächsten Jahren noch intensiver auseinandersetzen müssen. Wie setzt sich das Team zusammen, wenn ihr an einem Blink arbeitet?

Für die Blinks ist unser Content Team verantwortlich, das wiederum mit einem Pool aus Freelancern zusammenarbeitet. Der Prozess funktioniert folgendermaßen: Wir haben eine Mitarbeiterin, die sich um die Titelauswahl kümmert. Sie ist sehr stark in Kontakt mit Verlagen, Autoren und recherchiert, was Bestsellerlisten und Ähnliches angeht. Aus allen Büchern, die jede Woche publiziert werden, sucht sie sich mindestens zehn Titel heraus. Nach der Auswahl wird ein mehrstufiger Prozess gestartet. Zum einen gibt es einen Freelancer in der Regel, der das Buch zunächst lesen muss, um in der Lage zu sein, einen Blink zu schreiben. Daraufhin entsteht eine fachliche Zusammenfassung des Buches. Beim ersten Qualitätscheck werden gewisse Richtlinien für den Blink geschrieben. Diese Information geht an einen zweiten Freelancer, der sich fachlich im Gegensatz zum ersten Freelancer mit der Thematik kaum auskennt. Eine bewusste Entscheidung, um eine inhaltliche Veränderung zu verhindern. Stattdessen ist seine Aufgabe, das Ganze sprachlich leicht verständlich aufzubereiten, damit man der Zusammenfassung folgen kann. Als dritten Schritt haben wir wieder einen Qualitätscheck und die Vertonung des Inhalts. Die Blinks gibt es meistens als Text- und als Audioformat und mit dem finalen Qualitätscheck wird der Blink in unser System eingeschweißt. Wie lange dauert so ein Prozess?

Der Standardprozess dauert sechs bis zehn Wochen. Es gibt

auch einen Fast-Track Prozess, wenn wir zum Beispiel Bücher haben, wofür wir exklusiv Blinks erstellen dürfen. In diesem Fall dauert es zwei Wochen. Das Buch bekommen wir bereits vor der Veröffentlichung, sodass mit der Bekanntgabe ein Blink bereitsteht. Wie gewinnt ihr Partner für euch? Wie wird euer Angebot seitens Verlage angenommen? Haben diese Befürchtungen vor der Digitalisierung?

Wir treten nicht in Konkurrenz mit Verlagen und Autoren. Wir produzieren keine eigenen Bücher und Inhalte, sondern arbeiten mit dem Inhalt, der uns zur Verfügung gestellt wird. Es ist ein Argument für den Kauf des Buches. Menschen haben oft eine gewisse Schwelle ein Buch zu kaufen und es durchzulesen. Die Frage nach dem eigenen Mehrwert steht immer im Vordergrund. Bei fiktionalen Büchern ist es die Freude am Lesen, wohingegen nicht fiktionale Bücher zum Lernen oder aus Interesse gelesen werden. Wir helfen den Leuten bei der Kaufentscheidung, ob eine grobe Zusammenfassung reicht oder ob es sich lohnt, richtig in das Thema einzusteigen. Aktuell gehen wir auf Verlage zu. Möchte man in unterschiedlichen Märkten erfolgreich sein, müssen sich diese Märkte in den Menschen im Unternehmen widerspiegeln. Wer sind Ihre Kunden? Werden Ihre Kunden in Ihrem Team abgebildet?

Unsere Kunden sind ebenfalls relativ divers aufgestellt – ein großer Teil unserer Kunden sind Frauen, was sich in der Mitarbeiterstruktur

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Interview

wiederfindet. Nach unserer Kundenanalyse zu urteilen, sind es Leute, die wenig Zeit haben – sie sind erfolgreich, reisen, sind unterwegs und arbeiten viel. Sie versuchen Zeitfenster, die sie zwischendrin haben, aktiv zu nutzen. Das ist das Gute an unserem Produkt, denn ein Blink dauert etwa fünfzehn Minuten. Ein adäquater Aufwand, um sich mit einer Sache zu beschäftigen, ohne, dass man zu stark in das Thema hereingezogen wird. Viele unserer Kunden nutzen unsere App für den Arbeitsweg oder eine Businessreise. In der Zeit hören sie sich zwei oder drei Blinks an. Es könnten Themenbereiche sein, die möglicherweise für das nächste Geschäftsessen oder für das nächste Meeting interessant sein könnten. Es ist eine andere Art sich vorzubereiten, man gewinnt zusätzliches Nebenwissen zur Standardvorbereitung. Unser Ziel ist es natürlich, dass unsere App für einen möglichst diversen Kundenstamm interessant ist, da wir möglichst vielen Menschen die persönliche Weiterentwicklung ermöglichen wollen. Ein Mensch anderer Herkunft hat eine ganz andere Kultur gelebt und damit auch andere Sichtweisen und Standpunkte entwickelt. Diese Unterschiede fördern neue und innovative Ideen. Gerade der Diskurs zwischen den unterschiedlichen Menschen bringt die Funken zum Sprühen, lässt Altes abstauben und es neu hinterfragen. Seid ihr euch diesem Wettbewerbsvorteil durch Diversität bewusst? Oder überwiegt die Angst vor möglichen Konfliktpotenzial?

Im Grundsatz bewegt man sich immer im Wettbewerb. Das ist in der heutigen Zeit mit einer globalen Wirtschaftsstruktur schwierig abwendbar, würde ich sagen. Wir als Unternehmen sind aber sehr positiv gestimmt, was unser Produkt angeht und deshalb konzentrieren wir uns hauptsächlich auf uns und unser Produkt. Wir möchten den Leuten gerne eine möglichst positive Erfahrung mit unserem Angebot geben. Dementsprechend ist für uns Konkurrenz nicht der Fokuspunkt, sondern unser Produkt und die App, aber auch der mit einhergehendem Content. Wie kann sich Diversität auf das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur auswirken? Ich sehe bei Blinkist selber, dass unsere Mitarbeitenden sehr viel Offenheit mitbringen, Neues zu lernen. Obwohl wir mittlerweile 120 Leute sind, ist unser Arbeitsklima extrem positiv und alle kennen sich im Großen und Ganzen. Kommt man in die Küche oder in die Kantine passiert es häufig, dass Leute aus völlig unterschiedlichen Abteilungen mit verschiedenen Hintergründen zusammen beim Mittagessen sitzen. Und dann wird sich nicht über die Arbeit unterhalten, sondern über ganz andere Themen. Ganz oft werden politische und Genderthemen diskutiert – davon wird ganz stark voneinander gelernt und profitiert und man kann es auch in viele andere Themenbereiche übertragen. Wir haben eine sehr offene Kommunikationspolitik, auch was Konflikte angeht. Wir wissen, dass es durchaus Konfliktpotential mit sich bringt, wenn viele unterschiedliche Leute an einem Arbeitsplatz arbeiten. Wir haben bei mir im

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Fachbereich Mediatoren, die da unterstützend tätig sind, wenn es zu Konflikten kommt. Das ist bisher glücklicherweise super selten passiert. Unsere Angestellten machen in der Regel die Dinge selber mit sich aus und kommunizieren ganz offen. Auch besitzen wir hier die Offenheit, andere Standpunkte zu akzeptieren. Was macht eure Unternehmenskultur einzigartig? Welche Ziele verfolgt das Unternehmen, abgesehen vom Markterfolg?

Das Ziel ist, dass Menschen die Möglichkeit haben sollen, konstant zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Wir wollen mit der App ermöglichen, dass so viele Leute wie möglich Zugang zu Wissen bekommen. Wenn man das Geld hat, sich immer wieder neue Bücher zu kaufen, heißt es nicht, dass man zum Lesen auch immer die Zeit hat. Auch wollen wir Wissen vermitteln, wo das Lesen vielleicht sogar verpönt wird. Wir bekommen in unserer Blase gar nicht mit, dass Lesen auch ein negativ behafteter Begriff sein kann. Heutzutage hat ein Großteil der Menschen ein Smartphone und hat die Möglichkeit sich die App herunterzuladen. Unsere App bietet eine Free Version, wo man den ›Blink des Tages‹ zur Verfügung gestellt bekommt. Den kann man sich aber nicht selbst aussuchen. Darüber hinaus haben wir unterschiedliche Abonnement-Möglichkeiten, wenn man die App im Ganzen nutzen möchte. Bei Unternehmen mit besonders ausgeprägter ethnischer Vielfalt steigt die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, um 33 % (McKinsey-Studie ›Why Diversity Matters‹ von 2015) Unternehmen, die auf Vielfalt setzen, sind häufig kreativer, innovativer und erwirtschaften so mehr Gewinn. Habt ihr Erfahrungen sammeln können, die diese Aussagen bestätigen?

Ich kenne die Studie tatsächlich und finde sie sehr spannend. Ich glaube aber allerdings, dass mir die Ergebnisse und die Argumentation, die dabei zustande kommt, ein bisschen zu flach ist. Ich bin davon überzeugt, dass Diversität ein Faktor sein kann. Ich glaube aber nicht, dass rein nur Diversität genau diesen Effekt der Profitabilität erzielt. Was diesen Effekt erzielt, meiner Meinung nach, ist die Gesamtkultur des Unternehmens. Die Diversität trägt dabei einen


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guten Teil dazu bei. Es nützt aber nichts, unterschiedliche Kulturen in einem Unternehmen zu haben, wenn das Unternehmen nicht definiert hat, wie eine Zusammenarbeit funktioniert. Dazu gehört auch das Definieren der gemeinsamen Ziele und Werte. Verschiedene Kulturen sind total wichtig und sind ein guter Treiber. Jedoch ist das nur ein Aspekt produktiver und erfolgreicher Zusammenarbeit.

glauben, dass wir persönlich davon profitieren. Wir glauben auch, dass die Zukunft nicht so aussieht, dass Deutsche mit Deutschen arbeiten und Engländer mit Engländern. Sondern, dass wir zusammen ein viel besseres Zusammenleben und natürlich auch ein viel besseres Produkt kreieren können.

Siehst du ungenutztes Potential durch fehlende Diversität in eurem Start-up?

Start-ups können auf unterschiedliche Weise miteinander kooperieren. Zum Beipiel im Bereich Marketing, Forschung und Entwicklung, Coworking, Office-Sharing, Lieferverträgen etc. Welche Kooperationen nutzt ihr? Wie seid ihr zu diesen gekommen?

Auch das würde ich spezifisch vom Unternehmen abhängig machen. Ich glaube, es ist generell gut, wenn ein Unternehmen divers ist, allein aus persönlichen Aspekten. Ich glaube aber auch, wenn ich Produzent eines lokalen Produktes wäre und mir Diversität nur für die Produktivität wichtig wäre, dafür brauche ich in dem Fall keine Diversität. Es geht in erster Linie um die Produktion und um den Verkauf im Supermarkt. Diversität ist eher auf die Angestellten in einem Unternehmen angesetzt, die davon persönlich profitieren können. Ich glaube, dass es falsch ist, mit Diversität ausschließlich auf Produktivität abzuzielen; zu sagen: »Wir möchten divers sein, damit wir produktiver sind.« Wir möchten im Unternehmen divers sein, weil wir daran

Im Start-up-Bereich ergibt sich immer die erste Kooperationsstufe über das Gründernetzwerk. Wir haben einen guten Pool an Investoren, über die wir sehr stark mit anderen Startups und anderen Unternehmen in Kontakt gekommen sind. Über dieses Netzwerk haben wir generell einen sehr starken allgemeinen Austausch, aber auch Wissensaustausch. Wir versuchen mit dem, was wir machen, unsere Mitarbeitenden zu unterstützen. Dies passiert durchaus über den Aufbau von Netzwerken und Kooperationen mit anderen Unternehmen und deren Angestellten. Wir haben für unsere Mitarbeitenden ein ›Learning Budget‹, das jeder Mitarbeitende zur Verfügung gestellt bekommt. Dies kann jeder individuell für sich nutzen, indem man zum Beispiel auf Tagungen geht oder sich eine Mitgliedschaft in einem Netzwerk finanziert. Je nachdem was derjenige glaubt, was ihm wichtig in der persönlichen Weiterentwicklung ist. Über dieses Budget und über

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Interview

Veranstaltungen oder Schulung, die dadurch besucht werden, bekommt jeder Mitarbeitende grundsätzlich die Möglichkeit, sich ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Wir stehen in starkem Austausch mit anderen Start-ups in Berlin. Das gibt uns die Möglichkeit zu schauen, was in anderen Unternehmen im Personalbereich gemacht wird. Wir versuchen, uns sehr viel Feedback von ihnen zu eigenen Projekten einzuholen, die wir im Unternehmen starten wollen. Da geht es dann um Fragen, welche Erfahrungen andere Start-ups gesammelt haben, wie der Verlauf der Umsetzung war. Andersherum bekommen wir Anfragen aus anderen Unternehmen zu Themenbereichen, um denen ein Feedback dazu zu geben. Wie ist dein Netzwerk aufgestellt? Würdest du es als divers aufgestellt bezeichnen?

Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Aus meinem persönlichen Netzwerk kann ich sagen, dass viele unterschiedliche Leute dabei sind, sowohl kulturell, aber auch was andere Themen angeht. Das kommt einfach aus meiner beruflichen Laufbahn heraus. Was das Unternehmen angeht – schwierig zu beantworten. Da müsste man, glaube ich, jeden einzelnen Angestellten zu seiner Meinung befragen. Wie relevant ist das Design bei euch im Unternehmen?

Tatsächlich ist es so, dass Design für uns im Unternehmen ein sehr wichtiges Thema ist. Deswegen haben wir auch ein separates Designteam, dass nicht in eine andere Abteilung integriert ist, sondern als eigenes Team fungiert. Das Team setzt sich nur mit Themen auseinander, bei denen auch User Experience eine sehr große Rolle spielt. Die App und das dazugehörige Design haben im Laufe der Jahre sehr stark an Bedeutung gewonnen. Wir haben mittlerweile ein Team von acht bis zehn Leuten, die sich um das ganze Design kümmern. Dies ist ein sehr divers aufgestelltes Team, sowohl was Kulturen als auch Erfahrungen angeht. Auch ist dieses Team geschlechtsspezifisch sehr durchmischt. Unser Designteam hinterfragt auch gerne Dinge und äußert sich manchmal auch kritisch gegenüber der Umsetzung. Aber ich denke, dass das unser Produkt ausmacht. Ich glaube, dass man das an unserer App und an der Webpräsenz sehr gut erkennen kann, dass wir ein sehr gutes Designteam haben. Wie sieht deiner Meinung nach eine ideale Gründungsteam-Konstellation aus?

Ich glaube, die ideale Kombination gibt es nicht, weil man als Gründungsteam in der Regel nicht alles abfangen kann. Sonst wäre das Gründungsteam so groß, dass man direkt ein kleines Unternehmen hat. Ich glaube, das hängt sehr stark vom Thema und von dem Produkt oder der Dienstleistung ab. Aber auch hängt es von dem ab, was man mit seinem Start-up bewegen möchte. Was ich wichtig für ein Gründungsteam finde, ist, dass sich die Gründenden darüber einig

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sind, was sie machen möchten. Auch, dass es einen guten Konsens gibt, was die Zusammenarbeit angeht. Vor allem ist es essentiell wichtig, in der Lage zu sein, unterschiedliche Themen voranzutreiben. Es nützt einem Gründungsteam in der Regel nichts, wenn drei oder vier Leute aus demselben Fachbereich kommen. Es sollte schon so sein, dass man jemanden in der New Economy, jemanden mit BWL-Hintergrund und jemanden mit IT- und Engineering-Kenntnissen hat. Gegebenenfalls wäre es noch wichtig, jemanden mit der Erfahrung von Produktwissen und Produktentwicklung zu haben. Ich glaube, dass es von Vorteil sein kann, wenn man verschiedene Nationalitäten, Frauen, Männer und verschiedene Altersgruppen im Gründungsteam hat. Ich glaube aber nicht, dass es ein Zwang oder ein Muss ist, um erfolgreich zu sein. Das Wichtigste als Gründende ist, dass man weiß, ab welchem Zeitpunkt man Aufgaben abgeben muss und sich dafür die richtigen Leute sucht. Ab diesem Zeitpunkt wird es dann sehr viel interessanter zu schauen, wen man sich an Bord holt. So ist glaube ich, die Einstellung des Gründungsteams relevanter, als die Diversität im Gründungsteam.


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Geschlechterverteilung bei deutschen Start-up-Gründungen Quelle: Female Founders Monitor (Hrsg.: Bundesverband Deutsche Startups e.V

85,4 % männlich

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14,6 % weiblich


Fakten – Cacao de Paz

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Teamgröße Frauen Männer Nationalitäten Kakaofrucht

Cacao de Paz, yes future Gmbh, Völklinger Straße 46, 38116 Braunschweig www.yes-futu.re

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6 Fragen an ...

Marie Christall und Kristof von Anshelm

Was sind eure Kompetenzen, die ihr ins Unternehmen einbringt? Marie: Die schöpferische Tatkraft als Kommunikationsdesignerin und Skills als Designerin beim Konzepten und Geschichten entwickeln. Kristof: Die vielseitigen Erfahrungen mit Veränderungsprozessen und Changemanagement als Transformationsdesigner. Welche Probleme oder Hindernisse gab es bei der Gründung eures Unternehmens? Marie: Die rechtlichen Geschichten, in die wir uns einarbeiten mussten. Aber auch die Strukturen, Abläufe und Entscheidungsprozesse innerhalb eines Unternehmens. Welchen Herausforderungen müsst ihr euch aktuell im Unternehmen stellen? Aktuell die Anlieferung des Rohkakaos. Die Zuladung hat nicht funktioniert. Unsere Lieferung liegt im Hafen von Catagena und wir wissen nicht, wann unser

Kakao ankommt. Wenn euer Unternehmen ein Obst oder Gemüse wäre – welches wäre es? Natürlich eine Friedenskakaofrucht, die den Genießern ›love, peace and chocolate‹ bringt und sich für politische und soziale Themen einsetzt. Wer kocht bei euch Kaffee? Marie: Kristof ist unser Kaffee Pro im Team. In Sachen richtige Bohne, Röstung und Mahlgrad kennt er sich aus. Kristof: Für das leibliche Wohl bei den gemeinsamen Treffen versorgt meist Marie unsere Bande mit Kaffee und Leckereien vom Bäcker. Wenn euch alle Möglichkeiten offen stünden, wie würdet ihr euer Team im Hinblick auf Diversität erweitern? Eine Person mit Fähigkeiten im Vertrieb und jemanden, der unsere Social Media Betreuung übernimmt.

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Interview

Zwei der Gründungsmitglieder von Cacao de Paz: Kristof von Anshelm und Marie Christall

Der Ursprung der Yes Future GmbH liegt in Braunschweig. Das Herzensprojekt Cacao de Paz wurde vor zwei Jahren von selbstständigen Kommunikations- und Transformationsdesignern zusammen mit dem Agrarethiker Dr. Uwe Meier gegründet. Ihre Mission: Sie kaufen zu einem Festpreis Rohkakao von kleinen kolumbianischen Landwirtschaftsbetrieben aus Regionen, die durch Krieg zerrüttet sind und wo die Menschen früher ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Koka finanzierten. Der Rohkakao aus den Dschungelgärten wird in einer Schokoladenmanufaktur im Spreewald verarbeitet und durch die Lebenshilfe Braunschweig einzeln verpackt und versendet. Ein Projekt, das Diversität ausstrahlt. Entdeckt haben wir das Projekt auf der Crowdfunding Plattform Startnext. Dort haben sie erfolgreich Geld für die zweite Kakaolieferung gesammelt. Wir haben zwei Gründungsmitglieder, Kristof von Anshelm und Marie Christall, zu einem Gespräch in unsere Seminarräume der HAWK in Hildesheim eingeladen.

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Cacao de Paz

Wir sind Cacao de Paz

Grundsteine für ein Gründerteam entstehen während der Ausbildung, durch Freundschaften und im gemeinsamen Job. Wie hat sich eure Gründungskonstellation gefunden?

Interview Sandra Boß

Kristof: Marie und ich sind aus zwei unterschiedlichen Design Agenturen, VON A UND Z und dem Studio NEA. Marie arbeitet mit Sina und ich mit Sarah zusammen. Wir kennen uns seit einigen Jahren und haben schon für unterschiedliche Projekte zusammengearbeitet. Dr. Uwe Meier ist Agrarethiker und kam mit seiner Idee den Friedenskakao in Kolumbien zu suchen auf uns zu. Er wollte uns zuerst beauftragen, ein Konzept für seine Vision zu erarbeiten: Kolumbianische Kakaobauern und -bäuerinnen beim Aufbau einer friedlichen Existenz unterstützen und aufzeigen, wie Globalisierung auch fair gestaltet werden kann. Daraus ist die Idee entstanden, sich gemeinsam in das Abenteuer zu stürzen. Mit unserem Manifest für das Start-up ›Cacao de Paz‹ haben wir an einer Ausschreibung teilgenommen und einen Preis gewonnen. Der beinhaltete ein paar Coachings für Start-ups und danach haben wir zusammen die Yes Future GmbH gegründet.

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Interview

Marie: Sina und ich kennen uns vom Studium Master of Communication Arts an der HBK Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Während einer gemeinsamen Projektarbeit haben wir festgestellt, dass unsere Zusammenarbeit gut funktioniert und haben uns nach weiteren gemeinsamen Projekten und Aufträgen direkt nach dem Studium selbständig gemacht. Über die Jahre ist daraus natürlich auch eine enge Freundschaft entstanden. Ich verbringe mit ihr ja fast mehr Zeit als mit meinem Mann (lacht). Was war die größte Hürde bei der Gründung?

Kristof: Wir haben alle Hürden genommen... es gibt uns ja noch (lacht). Im Ernst, wir wollten eher starten, aber alles dauert länger, als man denkt. Die letzte und bleibende Hürde ist das Finanzielle. Wir haben bisher nur investiert und tausende Arbeitsstunden reingesteckt. Bis wir für unsere Arbeit einen Mindestlohn bekommen, ist es reines Engagement, aber das ist eine Entscheidung, die für uns alle okay ist. Wir wollen damit irgendwann Geld verdienen, aber es ist vor allem ein Herzensprojekt. Marie: Das Vertragsthema ist nicht zu unterschätzen. Eine große Hürde waren die rechtlichen Geschichten, in die wir uns einarbeiten mussten. Wir haben uns bewusst Hilfe geholt und mit einem Anwalt alle Formen der Unternehmensgründung durchgespielt. Klar war, dass wir keine finanzielle Abhängigkeit von Investoren wollten, damit wir in unseren Entscheidungen autark sind. Und natürlich wollten wir auch gut abgesichert sein, da wir ja im Lebensmittelbereich agieren. Wer übernimmt welche Aufgabe im Team?

Kristof: In einem der Start-up Workshops haben wir den Busfaktor kennengelernt. Da stellt man sich die Frage: »Was passiert, wenn soundso vom Bus überfahren wird und wie schlimm ist das für ein Unternehmen?« Etwas gruselig, aber ein spannendes Gedankenspiel. Wer übernimmt welche Aufgaben, wenn einer ausfällt? Marie: Wir haben für alles, was anfällt, einen Hauptverantwortlichen und eine Stellvertretung... wegen dem Busfaktor (lacht). Sarah übernimmt häufig das Texten, Sina und ich sind für das Design verantwortlich und Kristof ist der Finanzmanager. Uwe bringt die jahrzehntelange Berufserfahrung in der Agrarethik mit und liefert uns das Know-how für die Arbeit in Kolumbien.

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Cacao de Paz

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Interview

Am Anfang einer Existenzgründung hat man meistens genug zu tun mit Bürokratie, Organisation und dem finanziellen Druck. Die wenigsten Gründenden machen sich im Vorfeld darüber Gedanken, ob ihr Team divers genug aufgestellt ist. Ab wann und inwiefern wird Diversität bei euren Entscheidungen ein Kriterium?

Kristof: Unsere Konstellation hat sich so ergeben. Die Frage ist, wie man Diversität definiert. Wir sind zwar zwei Männer und drei Frauen, aber das Geschlecht hat für mich nicht unbedingt direkt etwas mit Diversität zu tun. Vier von uns sind Designschaffende und ticken sehr ähnlich. Also auf jeden Fall haben wir keine Entscheidung bewusst getroffen, um mehr Diversität zu schaffen. Marie: Die Konstellation hat sich zusammengefügt: Wir fünf waren da, jeder macht, was er kann und dann war klar, dass wir so zusammenarbeiten. Ein Mensch anderer Herkunft hat eine ganz andere Kultur gelebt und damit auch andere Sichtweisen entwickelt. Ethnische Unterschiede schaffen eine Umgebung mit vielen Standpunkten, was sich auf die Unternehmenskultur auswirkt. Wie wirkt sich Diversität auf das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur aus?

Kristof: Ich empfinde uns nicht als divers. Alle sind aus Braunschweig, naja ich aus Bielefeld. Vielleicht sind wir im Durchschnitt 35,1 Jahre alt. Wir sind alle weiß, aus der Mittelschicht des Bildungsbürgertums und haben studiert. Die Diversität, die wir haben, ist die der unterschiedlichen Persönlichkeiten und die nervt total. (lacht) Im Arbeitsalltag ist es egal wo einer herkommt. Wenn Menschen aber grundsätzlich andere kulturelle Erfahrungen im Arbeitsablauf

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machen und deswegen im Arbeitsalltag anders agieren, dann ist das Unternehmen divers. Es kann immer neue Wege eröffnen, wenn man unterschiedliche Ansichtsweisen hat, weil man selbst gar nicht auf diesen Weg gekommen wäre. Durch die Diversität der Persönlichkeiten entstehen Reibungen. Das ist anstrengender, aber ein qualitativer Schritt nach vorne. Marie: Nicht zu unterschätzen ist die Konstellation mit gleichberechtigten Gründenden. Wir ticken in vielen Dingen ähnlich, aber in manchen Dingen gehen unsere Meinungen auch auseinander. Da herrscht dann Unruhe und wir diskutieren. Umso größer das Konstrukt des Unternehmens, desto wichtiger ist eine Kommunikationsstrategie: »Wie komme ich zu einer Entscheidung bei unterschiedlichen Persönlichkeiten, mit der sich am Ende alle gut fühlen?« Euer Start-up Projekt unterstützt kleine Landwirtschaftsbetriebe in Kolumbien, ihr arbeitet mit einer Manufaktur im Spreewald und der Lebenshilfe Braunschweig zusammen, daher herrscht ja eine ›gelebte‹ Diversität in eurem Start-up. War das bewusst?

Kristof: Nein. Wir haben Vertriebswege gesucht. Wir haben die Landwirtschaft Betreibenden in Kolumbien zwar vor Ort besucht, um uns von der Qualität der Dschungelgärten und des Rohkakaos zu überzeugen, aber wir führen – auf Augenhöhe und zu fairen Konditionen – ein klassisches Handelsgeschäft.


Cacao de Paz

Die Manufaktur im Spreewald bietet uns die Verarbeitung der doch kleinen Mengen unseres Rohkakaos an. In der Lebenshilfe Braunschweig arbeiten Menschen mit psychischer Erkrankung, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance hätten. Intensiven Kontakt haben wir mit diesen Menschen nicht. Sie verpacken die Schokolade und wir sind froh, dass die Lebenshilfe uns diese Arbeit abnimmt. Eine bewusste Entscheidung mit Blick auf Diversität war das nicht. Eher eine Entscheidung für weiteres soziales Engagement. Wirkt sich eurer Meinung nach Diversität erfolgreich auf ein Unternehmen aus?

Kristof: Wie sich das auswirken könnte? Ich habe keine Ahnung, da kann ich nur spekulieren. Ich lebe und arbeite in einer totalen Bubble und wie gesagt: Unser Start-up empfinde ich nicht als divers. Wie würdet ihr euer Team im Hinblick auf Diversität erweitern?

Kristof: Wir könnten eine spanisch sprechende Person gebrauchen. Wir arbeiten mit Kolumbien und sprechen kein bzw. kaum Spanisch. Marie, du bist auch Gründerin einer Grafikagentur. Hast du das Gefühl, dass Frauen in dieser Position anders behandelt werden als Männer?

Marie: Ja, ich habe schon das Gefühl, dass wir uns vor neuen Kunden, vor allem Männern, stärker behaupten und mehr erklären müssen. Wir werden auch oft in die Schublade ›junge Mädels‹ gesteckt, obwohl wir Anfang dreißig und bereits über sieben Jahre im Geschäft sind. Das kommt zum Glück, wenn nur am Anfang so vor. Sobald die Fronten geklärt sind, spielt es keine Rolle mehr. Aber ich denke das Geschlechterthema spielt leider noch überall eine Rolle, es ist ein gesellschaftliches Problem.

Marie: Eine Person mit Fähigkeiten im Vertrieb und jemanden, der unsere Social Media Betreuung übernimmt.

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Nachholbedarf fĂźr deutsche Unternehmen in Sachen Diversity Quelle: PageGroup Diversity Management Survey


Flexible Arbeitsmodelle

Toleranz und Offenheit

Genderspezifische Fรถrderung


Fakten – FinMarie

03 03 00

Teamgröße Frauen Männer Brokkoli

FinMarie, Kurfürstendamm 194, 10707 Berlin www.finmarie.de

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6 Fragen an ...

Karolina Decker

Was ist die Aufgabe eures Unternehmens? Was macht ihr? Finanzielle Beratung von Frauen für Frauen. Was ist deine Aufgabe in dem Unternehmen? CEO. Was hast du gelernt bzw. studiert? Ich bin seit zehn Jahren in der Finanzbranche tätig. Wenn du ein Obst oder Gemüse wärst welches wärst du? Brokkoli, weil er gesund ist. Wer kocht bei euch den Kaffee? Ich. Wenn dir alle Möglichkeiten offen stünden, wie würdest du das Team in Hinblick auf Diversität erweitern? Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich Frauen im Team haben will. Leider ist es nicht so einfach, Frauen für ein Start-up zu begeistern.

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Interview

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FinMarie

Wir sind FinMarie Auf dem Kurfürstendamm inmitten Berlins befindet sich das Satellite Office, ein Co-Working Space zwischen Ferragamo und Versace. In diesem, einige Etagen über dem Trubel der Hauptstadt, haben sich viele verschiedene Start-ups und Unternehmen angesiedelt, die sich die Arbeitsräume teilen. Der Innenraum wirkt sehr luxuriös und hochwertig, beinahe wie in einem Luxushotel. Am Ende eines der vielen Gänge befindet sich das Büro von Karolina Decker, CEO von FinMarie. Ihr Start-up ist eine Finanzplattform von Frauen für Frauen. Ihr Unternehmen funktioniert als Hybrid-Modell: Auf der einen Seite werden komplette Online-Lösungen, auf der anderen Seite persönliches Finanzcoaching angeboten. Schon vor der Start-upGründung konnte Karolina Decker bereits zehn Jahre Erfahrungen in der Finanzbranche sammeln. Grundsteine für ein Gründungsteam entstehen während der Ausbildung, durch Freundschaften und im gemeinsamen Job. Wie divers war der Zugang zu anderen Fachbereichen/Geschlechtern/ Nationalitäten während deiner Ausbildungsund Arbeitszeit? Hättest du dir mehr Veranstaltungen gewünscht, die verschiedene Disziplinen und Menschen zusammenbringen?

Interview Katharina-Sara Lifke Michael Goebels Julia Schmidt

Ganz am Anfang habe ich versucht, mit ganz vielen verschiedenen Leuten über meine Idee zu sprechen. Vor allem um Feedback zu bekommen, das ist ganz wichtig. Je mehr Feedback, desto besser. Denn dadurch kommen meist auch richtig gute Ergebnisse heraus. Viele Veranstaltungen zu besuchen ist an sich eine gute Idee, um Kontakte zu knüpfen. Allerdings ist es so, dass es da auf die Leute ankommt, die man dort trifft. Manche von denen wollen etwas mitgründen, manche sind unsicher, manche überlegen gerade. Daneben ist das Studium ein guter Startpunkt. Ganz viele Start-ups haben sich bereits in ihrem Studium gefunden und angefangen.

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Interview

Leider ist diese Möglichkeit für mich schon zu spät, ich habe keine Möglichkeit mehr ein Gründungsstipendium zu bekommen. Deswegen muss ich durch Netzwerke, durch meine Arbeit und durch meinen vorherigen Job im Banksektor Leute suchen. Kurz zusammengefasst: Richtig gute Leute für ein Start-up zu finden ist wichtig. Am Anfang einer Existenzgründung hat man meistens genug zu tun mit Bürokratie, Organisation und finanziellem Druck. Die wenigsten Gründerinnen und Gründer machen sich im Vorfeld darüber Gedanken, ob ihr Team divers genug aufgestellt ist. Ab wann und inwiefern wird Diversität bei deinen Entscheidungen ein Kriterium?

Von Anfang an. Mein Produkt verfolgt den Sinn, dass es für Frauen geeignet ist. Ich glaube, ein Mann würde das nicht so gut verstehen wie eine Frau, die zum Beispiel Mutter geworden ist oder eine Karriere anstrebt. Deswegen war es für mich von Anfang an wichtig, weibliche Mitgründerinnen zu haben. Wie setzt sich euer Team im Hinblick auf Diversität zusammen? Und wie kam es zu dieser Zusammensetzung?

Ich kenne meine alte Kollegin schon eine lange Zeit, ich habe sie einfach angerufen und gefragt, ob sie nicht Lust hat, mitzumachen. Was meinst du, würde ein Mann in deinem Team verändern?

Wahrscheinlich würde er einen anderen Blick auf verschiedene Aspekte mitbringen, wie zum Beispiel auf das Strategische und Operative. Er würde wahrscheinlich mehr auf Risiko gehen.

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Darauf sind wir in unserer Recherche auch gestoßen, dass Männer insgesamt viel risikobereiter sind als Frauen. Würdest du das bestätigen?

Jein. Wir haben viele Studien darüber gemacht und haben mit ganz vielen Frauen gesprochen. Wir haben herausgefunden, dass Frauen nicht risiko-avers, sondern risiko-aware sind. Das heißt, wenn Frauen wissen, wie sie das Risiko einschätzen sollen, entscheiden sie. Meist sagen Frauen von Anfang an: »Nein, das will ich nicht. Das ist mir ein zu hohes Risiko.« Frauen machen das, weil sie es nicht verstehen. Aber wenn sie das Ziel verstehen und das gut erklärt bekommen, dann gehen sie auch eher ein Risiko ein. Unsere Kundinnen, die das wissen, gehen ein höheres Risiko ein und sind sich dessen auch bewusst. Bei einer Gründung ist dies aber etwas anderes. Da überlegen viele Frauen ziemlich lange, wie auch bei mir. Denn ich bin von einem sicheren Job bei der Deutschen Bank in eine Gründung gegangen. Zudem bin ich Mutter von zwei kleinen Kindern und habe einen ausländischen Hintergrund. Damit bin ich extrem untypisch als Gründerin. Eure Kundinnen sind dann vermutlich auch alles Frauen?

Nein, ich habe auch Männer als Kunden. Die männlichen Kunden fühlen sich auch angesprochen und gut beraten. Du hast gerade schon deinen diversen Hintergrund angesprochen. Du hast ausländische Wurzeln, Kinder und du bist eine Frau. Hast du das Gefühl, damit einen Wettbewerbsvorteil zu haben? Holst du damit vielleicht mehr Frauen ab?

Schwer zu sagen, weil jede Frau eine andere Lebenssituation hat und damit auch andere Erwartungen und Ziele. Aber du wärst damit sicher auch ein gutes Vorbild! Deine Umstände und die Gründung spricht sicher vielen Frauen Mut zu, risikobereiter zu werden.

Ja sicher, aber ich finde, es bräuchte schon im Studium gute


FinMarie

Vorbilder. Im Studium ist man mutiger, als mit Mitte 30. Deshalb sollte man in der Zeit Chancen nutzen, wie ein Erasmus-Programm. Dies habe ich damals einmal gemacht. Würde ich ein zweites Leben haben, würde ich so etwas mehr nutzen! Hast du Probleme, als reines Frauen-Start-up ernst genommen zu werden?

Ja. (lacht) Das ist gerade wahrscheinlich auch in der Finanzbranche des öfteren so...

Ständig! Damals war ich darüber böse und traurig, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Die Finanzbranche ist von Männern dominiert und das ist leider so. Als 34-jährige Mutter werde ich nicht als fachkompetent wahrgenommen, obwohl ich diese Fachkompetenz besitze. In der Finanzbranche gibt es hauptsächlich Männer, die bereits über 50 sind. Als junge Frau dagegen ist es sehr schwer da durchzukommen. Was könnte man dagegen tun, um das zu verändern?

Keine Ahnung. Ich glaube, ich müsste dafür zehn Jahre älter sein und ein großes Geschäft damit führen. Aber bisher kann ich nur das machen, was ich am besten kann, wie eine Firma zu gründen und Kunden anzusprechen, damit das ganze Projekt nach vorne gebracht wird. Wenn das zwei Jahre gut läuft, kann es sein, dass ich ernster genommen werde. Ein anderes großes Problem sind die Investoren, was bei vielen Start-ups ein Thema ist. Es gibt ganz wenig weibliche Investoren, die in weibliche Unternehmen investieren. Männliche Investoren investieren in Frauenprojekte nur selten. Wie wünschst du dir, wie Frauen und Finanzen zusammenkommen sollen? Momentan ist es eher so, dass Finanzen Männersache sind.

richten, wie ›mindthegap‹ in Berlin. Ich wünsche mir einen Tag, an dem all diese Initiativen zusammenarbeiten und sich nicht weiter als Konkurrenz betrachten. Wie kann sich Diversität auf das Arbeitsklima in der Unternehmenskultur auswirken?

Es gibt Studien, die zeigen, dass sich divers aufgestellte Unternehmen besser entwickeln. Unser großes Ziel als FinMarie ist es, einen Fond zu bauen, in dem wir nur in Unternehmen investieren, in denen es diverse Teams und mehr Frauen in den Führungspositionen gibt. Das hat natürlich ganz viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Nachhaltigkeit ist noch nicht Thema Nummer eins bei Investitionen. Viele Leute, die gerade mit dem Vermögensaufbau anfangen, denken nicht über Nachhaltigkeit nach. Welchen Vorteil Diversität mit sich bringt, konnten wir auch der McKinsey-Studie ›Why Diversity Matters‹ entnehmen. Unternehmen mit ethnischer Vielfalt erzielen bis zu 33 % bessere Ergebnisse. Hast du Erfahrungen sammeln können, die diese Aussage bestätigen?

Ja, ich habe eine ähnliche Studie der Boston Consulting Group zu dem Thema gesehen. Da hat sich auch gezeigt, dass die Performance diverser Unternehmen um drei bis fünf Prozent höher als bei anderen Unternehmen liegt.

Gute Frage. Ich wünsche mir persönlich, dass alle Frauen, die etwas mit Finanzen zu tun haben, zusammenhalten. Es gibt ganz viele Initiativen, die sich an Frauen und Finanzen

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Interview

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Siehst du ungenutztes Potential durch fehlende Diversität im Start-up?

Mein Start-up ist immer noch klein. Ich versuche Frauen zu finden, die mitmachen wollen. Jedoch ist das nicht einfach. Es gibt sicher ganz viele tolle Frauen, die irgendwo sind, aber sich nicht auf dem Podium befinden. Start-ups können auf unterschiedliche Weise miteinander kooperieren, zum Beispiel durch Marketing, Forschung, Entwicklung oder Co-Working. Gibt es Kooperationen, die du nutzt und wie bist du dazu gekommen?

Unser erster Kooperationspartner war ›growney‹, ein Robo-Advisor aus Berlin. Wir kooperieren mit denen, weil sie sichere, klare und transparente IT-Lösungen, aber auch Anlage-Strategien für unsere Kundinnen anbieten. Wir kooperieren auch mit ›Finanzdiva‹, einem Magazin aus München. Dahinter steckt die Buchautorin Katja Eckardt. Wir kooperieren aber auch mit anderen aus der Finanzwelt, zum Beispiel mit der App ›Zuper‹. Das ist eine Finanz-App für Männer und Frauen. Wie sieht deiner Meinung nach das perfekte Gründerteam für ein Startup aus?

Ich schaue da auf FinMarie. Wir sind drei Leute: Eine mit Finanzkompetenz, eine mit Marketing-

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kompetenz und eine als Chief Operating Officer. Das sind die drei Bereiche, die man zu Anfang, im Falle von FinMarie, abdecken sollte. In jedem Fall sollten es aber Menschen aus verschieden Kompetenzen sein. Und wie würde für dich das ideale Finanzunternehmen aussehen?

Ein Unternehmen, welches den Kundinnen und Kunden richtig zuhört und sie unterstützt. Ein Unternehmen, welches die Arbeit nicht auf einer Provision basiert, sondern von Anfang an das Augenmerk auf die Unterstützung der Zielgruppen legt. Also persönlich, transparent und klarer Ausdruck, ohne Banking-Jargon. Wie machst du deine Anlagenkonzepte für Frauen attraktiv?

Dadurch, dass ich mit den Frauen persönlich spreche. Ganz viele Frauen, die sich für FinMarie entscheiden, kommen tatsächlich aufgrund meiner vorherigen Beratung. Frauen wollen sich in erster Linie mit mir treffen, sich beraten lassen und mehr über diese Produkte erfahren. Wenn sie dann soweit sind, sind sie auch bereit Geld zu investieren. Wir machen auch Workshops und Meet-up Events für Frauen, in denen wir über die Finanzwelt sprechen und sie erklären. Wir sind auch in Zusammenarbeit mit den Universitäten in Berlin und Warschau, wo wir in Vorträgen das Thema Finanzen erklären.


Verteilung nach Branche mit min. 5 % Anteil

»Gründerinnen haben häufiger einen Hintergrund in sozialen und kreativen Fächern, jedoch seltener in MINT-Fächern. Frauen gründen häufiger im Bereich E-Commerce oder Bildung, Männer häufiger im IT- oder Software-Bereich. Gründerinnen bewerten die Innovativität ihres Start-ups zurückhaltender als Gründer.«

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Quelle: Female Founders Monitor (Hrsg.: Bundesverband Deutsche Startups e.V.) in Prozent


Überblick

Hildesheimer Gesprächsrunde Die Gründerwoche Deutschland ist ein Ableger der Global Entrepreneurship Week, eine weltweite Aktionswoche. In dieser Woche finden zahlreiche Veranstaltungen rund um das Thema Gründung statt. Wir, das Masterpilotprojekt mit dem Thema ›Diversität in Start-ups‹, haben im Rahmen der Gründerwoche eine Gesprächsrunde mit Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Bereichen zu dem Thema Diversität geführt. Unsere Gesprächspartner/innen waren Prof. Dr. Stephanie Rabbe, Professur für Entrepreneurship und Unternehmensgründung an der HAWK in Hildesheim; Jan Uphoff, Mitarbeiter bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft HI-REG; André Burgdorf, Gründerberater der Sparkasse Hildesheim/Goslar/Peine und das Gründerduo von ›Urban Invention‹ Amelie Künzler und Sandro Engel. Alle Teilnehmenden sind fest in der Gründungsszene verankert. Die HI-REG steht für alle Interessierten im Landkreis Hildesheim, die sich selbstständig machen wollen, als Ansprechpartner zur Verfügung. Hauptsächlich begleiten sie den Prozess der Unternehmensgründung, aber auch der Unternehmensentwicklung und Festigung. Ein Netzwerk aus 21 Institutionen, wie zum Beispiel die Banken, Kammern und Hochschulen, bieten den Existenzgründenden durch Seminare eine gemeinsame Plattform, um ihre Idee auf den Markt zu bringen. Zu dem Netzwerk gehört zum Beispiel auch die Sparkasse. Die Sparkasse Hildesheim/Goslar/Peine hat für den Standort Hildesheim in dem Unternehmenskundenbereich mit Herrn Burgdorf einen Spezialberater für Existenzgründungen an ihrer Seite. In erster Linie ist Herr Burgdorf dabei Ansprechpartner bei Finanzierungsfragen, begleitet die Existenzgründenden aber auch in den ersten drei Jahren ihrer Selbstständigkeit. Die Sparkasse Hildesheim/Goslar/Peine finanziert ebenfalls die Stiftungsprofessur für Entrepreneurship und Unternehmensgründung an der HAWK, geführt durch Prof. Dr. Stephanie Rabbe. Frau Rabbe verantwortet zusammen mit Maria Leye und Prof. Dr. Christoph Kolbeck die komplette akademische Gründungsförderung. Sie sind somit die ersten Ansprechpartner für die Zielgruppe studentischer Gründungen, ähnlich wie die HI-REG. Das Gründerduo ›Urban Invention‹ ist zum Beispiel das Resultat aus solch einer studentischen Gründung. Sandro Engel und Amelie Künzler haben 2012 im Rahmen ihres Studiums erste Projekte gemeinsam

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Hildesheimer Gesprächsrunde

durchgeführt und 2014 kam es dann zur ersten Firmengründung. Alle ihre Gründungen beschäftigen sich im Kern mit Gamification, das heißt, spielerische Ansätze in nicht spielerische Kontexte einbinden. Mit dem aktuellen dritten Unternehmen beschäftigen sie zurzeit zehn Mitarbeitende und vertreiben weltweit. Ziel der Gesprächsrunde war es, ein Meinungsbild und einen Überblick über die tatsächliche Lage in der Gründungsszene zum Thema ›Diversität in Start-ups‹ zu bekommen. Dabei wurden die Themen Finanzierung und Investoren, das Bewusstsein der Diversität, die Entwicklung der Diversität, der Kontakt zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen, Förderungsmöglichkeiten, das Thema Digitalisierung und der Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Gründungsszene behandelt. Mit dem Begriff Diversität kann jeder etwas anfangen, gemeint ist eine Vielfalt aus Herkunft, Alter, sexuelle Orientierung (Gender), Weltanschauung, aber auch persönliche Eigenschaften. Wird Diversität bewusst im Alltag wahrgenommen? Wie wird sie gelebt und gibt es Hürden? Diese Fragen wurden unter anderem gestellt. Das Fazit von allen Gesprächsteilnehmern war, dass Vielfalt wahrgenommen wird oder da ist, mal bewusst, mal unbewusst. Vielfalt ist für Sandro und Amelie ein ständiges Thema. Nicht nur bei der Mitarbeiterfindung, sondern auch bei Entscheidungsprozessen, in denen sie versuchen, alle Meinungen mit einzubeziehen. Wenn unterschiedliche Perspektiven gemeinsam an etwas arbeiten, kommt meistens etwas Gutes dabei heraus. Laut McKinsey Studie soll Diversität tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil bringen, da die Unternehmen, die Vielfalt nutzen, kreativer und innovativer sind. Die akademische Gründungsförderung der HAWK besteht aus den folgenden fünf Bausteinen: Sensibilisierung, Beratung, Lehre, Forschung und Netzwerk. Das oberste Ziel ist die Unterstützung von Gründungsvorhaben aus der Hochschule heraus. Die unterstützende Basis dafür bildet an der HAWK die Gründungslehre. Die Kurse sind für alle Studiengänge, Bachelor und Master, offen. So sind die Teams im Idealfall schon von Anfang an entsprechend divers. Im Unternehmen gilt: Je vielfältiger die Teams sind, desto eher ist ein Unternehmen auch am Markt oder nah an der Zielgruppe. Vielfalt spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Fähigkeiten und Kompetenzen der einzelnen Personen wider. Gründungsteams haben am Anfang meistens eine Größe von zwei bis vier Personen. Diversität muss hier insofern vorhanden sein, dass alle relevanten Fähigkeiten für das Gründungskonzept vorhanden sind. Ein interessanter Punkt dabei ist auch, dass in Gründungsfragebögen von Investoren oder anderen Finanzierungsmöglichkeiten häufig ein Bewertungskriterium die Diversität im Team ist. Es wird geschaut, ob alle für die Idee relevanten Kompetenzen und Fähigkeiten im Team vorhanden sind. Idealerweise sind das eine technische Expertise, eine wirtschaftliche Expertise und vielleicht noch jemand aus dem Bereich Design – User Interface, Web, Marketing. An der Stelle wird die Diversität schon ein bisschen gefordert.

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Überblick

Die Geschlechteraufteilung der Teams ist dabei zum Beispiel von der Seite der studentischen Gründungen eher gemischt, jedoch ist der gleiche Fachbereich vertreten. Auch hier wird die Frage nach den Kompetenzen schon aufgeworfen und durch Matchmaking das Team möglicherweise divers erweitert. Ähnliche Konzepte wie das Matchmaking, also der direkte Aufruf von Start-ups nach Mitstreitenden, sind die Netzwerkveranstaltungen der HI-REG. Es wird nicht explizit nach Mitstreitenden gesucht, aber während der Seminare bilden sich aus Gesprächen mögliche Teams heraus. Diversität kann jedoch auch eine Hürde mit sich bringen, gerade durch die persönliche Vielfalt der Teammitglieder. Es muss immer zu Anfang einer Teambildung geklärt werden, wer die Idee hatte, wem das Geschäftsmodell gehört und wer die Idee auf den Markt bringt. Die Gefahr besteht, dass ein Team nicht harmoniert oder unterschiedliche Interessen verfolgt. Die Aufgaben und das Ziel müssen klar definiert werden und das Team sorgfältig gewählt sein. Es ist empfehlenswert, dieses schriftlich zu fixieren, damit später keine Streitpunkte entstehen können. Die Bank zum Beispiel hat ein Bewertungskriterium, wie risikorelevant bestimmte Projekte sind oder ob die Nachfolge geklärt ist. Und an der Stelle ist zu erwähnen, dass Start-ups häufig unbeabsichtigt nicht sehr divers aufgestellt sind. Diversity Management ist eine Strategie, die etablierte Unternehmen jetzt erst ins Visier nehmen. Start-ups sehen sich zu Beginn der Gründung mit so vielen Aufgaben konfrontiert, dass Diversität erst mal kein Thema für sie ist, ebenso wie Nachhaltigkeitsmanagement und Digitalisierungsmanagement. Es ist wichtig und passiert vielleicht auch ganz automatisch, aber systematisch darauf eingehen, das kann sich ein Start-up in der Anfangsphase gar nicht leisten. Diversität passiert oft auf eine natürliche Weise. In dem Moment, in dem sich das Geschäftsmodell erweitert oder auch neue Bereiche hinzukommen, wird sich das Team neu aufstellen und dann vielleicht auch die Frage stellen: Haben wir die nötigen Fähigkeiten? Sind wir divers genug? Eine weitere Schwierigkeit bei der Gründung sind die bürokratischen Hürden in Deutschland. Die bürokratische Sprache in Formularen und Anträgen ist dabei sowohl für Studierte, als auch verstärkt für Gründende anderer Herkunft oder Bildungsstand, eine Hürde. Dabei kann Sprache allgemein auch als Hürde gesehen werden. Laut HI-REG gibt es immer wieder Gründende, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, aber eine gute Idee haben und diese sicherlich auch gut umsetzen könnten. Jedoch scheitern sie dann bereits daran, einen Businessplan zu schreiben. Für diejenigen, die eine Gründung unterstützen und fördern möchten, ist es wichtig, solche Hürden auszumachen, um dort ihre Unterstützung anbieten zu können. Es ist nötig zu erkennen, welche Gründerinnen und Gründer welche Informationen brauchen. Als Beispiel sei

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Hildesheimer Gesprächsrunde

diese These genannt: Frauen gründen anders als Männer. Sollte es also Veranstaltungen speziell für Gründerinnen geben, um eine Plattform für Themen wie zum Beispiel die Familiengründung zu bieten? Ein weiteres Beispiel stellen ausländische Studierende dar, die in Deutschland gründen wollen. Die HAWK in Hildesheim führt zurzeit ein Projekt zu diesem Thema durch, um ausländischen Studierenden an der Hochschule zu erklären, wie man sich in Deutschland selbstständig macht. Auch die HI-REG bietet eine Informationsveranstaltung für international Studierende an. An der HAWK sind von den Gründenden, die den Kontakt zu Frau Rabbe suchen, 80 % Studentinnen, davon die Mehrzahl aus dem Bereich Gestaltung. Das sehen allerdings nur wenige, hier stellt sich also die Frage der Sichtbarkeit. An der HAWK am Standort Hildesheim sind die Studiengänge teilweise sehr stark von Frauen belegt, wie zum Beispiel im Studiengang Restaurierung oder im Bereich der Gesundheitsberufe. Am Technologiestandort in Göttingen mit Wirtschaftsingenieurwesen und Plasmalasertechnologie sieht das schon ganz anders aus, hier sind die Frauen unterrepräsentiert. Das Thema Gründerinnen, vor allem in den MINT Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), müsste schon früher behandelt werden. Seit einem ¾ Jahr gibt es in Hildesheim das EXPLORE Sciencenter. In den Raumlaboren der Volkshochschule können Schülerinnen und Schüler frei forschen und sich ausprobieren. In verschiedenen Kursen können sie grundlegende Fähigkeiten erlernen, die sie zum naturwissenschaftlichen Entdecken brauchen. Bei eigenen Ideen und Fragen darf sogar die eigene Forschung betrieben werden. Die Motivation, das Interesse und die Begabung von Kindern und Jugendlichen für die MINT Fächer wird somit gesteigert und ein wichtiger Beitrag zur Nachwuchsförderung geleistet. Das JUNIOR-Projekt, das bereits seit vielen Jahren von der HI-REG begleitet wird, bietet ebenso eine wertvolle Möglichkeit, Jugendlichen einen Einblick ins Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Schüler/innenteams werden über ein Schuljahr von einer Unternehmenspatin/einem Unternehmenspaten betreut und gründen eine Schüler/ innenfirma, die den ganzen Gründungsprozess durchläuft, angefangen bei der Entwicklung eines Produktes, über dessen Umsetzung sowie Vermarktung und Absatz. Dort sind die Gründungsteams tatsächlich sehr bunt und auch stark durch Mädchen vertreten. Einen ebenso wichtigen Beitrag zur Förderung des Nachwuchses leistet der Wettbewerb ›Jugend forscht‹. Langfristig sollen Jugendliche für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik begeistert und bei ihrer beruflichen Orientierung unterstützt werden. Viele der Teilnehmenden werden auf Landes- und

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Überblick

Bundesebene geschickt, hier wurde der Wettbewerb 1969 durch die Sparte ›Schüler experimentieren‹ erweitert. Auch für Herrn Burgdorf spielt das Thema Wirtschaft in der Schule eine wichtige Rolle. Wenn das Thema Selbstständigkeit in der Schulbildung keinen großen Stellenwert hat und die Kinder nicht gerade Berührungspunkte in der Familie zu Unternehmerinnen/Unternehmern oder Selbstständigen haben, erschließt es sich ihnen auch nach der Schule meistens nicht. Frauen schätzen ihr eigenes Innovationspotential geringer ein als Männer. Was das Thema der Finanzierung betrifft, ist es Herrn Burgdorf wichtig, dass die Gründenden eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen, welche Gründerinnen geringer eingehen. Es ist schwierig, wenn die erste Planung vielleicht nicht geklappt hat, dann noch einmal Kapital zu bekommen. Die Gründenden sollten ein gesundes Mittelmaß finden zwischen Risiko und Chance. Und wenn es doch nicht geklappt hat, gründen Männer eher noch ein zweites oder drittes Mal, im Gegensatz zu Frauen. In Deutschland gibt es allerdings noch keine Kultur des Scheiterns. Wenn es einmal nicht geklappt hat, schrecken viele davor zurück, einen weiteren Versuch zu starten. Und das ist verkehrt. Das Scheitern kann schließlich die unterschiedlichsten Gründe haben. Und dann sollte ein Unternehmen auch den Mut haben und wieder aufstehen, um neu zu beginnen. Frauen starten häufig mit weniger Geld als Männer. 2017 gingen nur 2 % Risikokapital an reine Frauenteams. Das heißt, Frauen planen weniger häufig mit externem Kapital. Es ist allerdings schwierig mit Eigenkapital zu starten, um die ersten Schritte zu meistern und sich dann erst um eine Finanzierung zu kümmern. Kann klappen, muss aber nicht. Es ist wichtig, sich frühzeitig um Fremdkapital zu bemühen, um auch gut aufgestellt zu sein. Es ist schließlich schade, wenn das selbst investierte Geld nachher weg ist. Die 2 % Risikokapital haben natürlich auch eine Kehrseite. Um wie viel Geld haben Frauen denn gebeten? Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen bei Investoren in Pitches schlechter abschneiden als Männer. Das liegt unter anderem auch daran, dass es sich bei den Investoren meistens um Männer handelt, die wiederum ihr Geld lieber an andere Männer weitergeben. Das ist ein großes Thema und für eine afroamerikanische Investorin in den USA Anlass, explizit nur in die Start-ups in Amerika zu investieren, die nicht von weißen Männern geführt werden. Es ist wichtig, sich zu informieren, wer einem gegenübersitzt und wer gerade Geld verteilt. Möglicherweise pitchen viel mehr Frauen, haben das Geld aber einfach nicht bekommen. Amelie hat Vorfälle dieser Art auch in ihren eigenen Kreisen beobachten können, dass Gründerinnen meistens vorsichtiger sind. Ihrer Meinung nach hat das auch etwas mit der Gesellschaft zu tun. Studien zeigen, dass Mädchen dazu erzogen werden, vorsichtiger zu sein und das manifestiert sich natürlich. Es ist wichtig, Jungen wie Mädchen in der Erziehung entsprechend zu unterstützen, um später als Erwachsene/r mit Selbstvertrauen an Projekte heranzutreten. ›Urban Invention‹ hat eine Zeit lang mit einem etablierten Mittelstandsunternehmen zusammengearbeitet. Eine Kooperation zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen kann eine Herausforderung sein. Hier treffen zwei Welten aufeinander. Das fängt laut Sandro schon bei der Kommunikation an, die nicht auf Augenhöhe stattfindet, da die etablierten Unternehmen sich höherstellen als das Start-up. Auch der Austausch war eine Hürde: Die Start-ups kommunizieren wie selbstverständlich digital über Messenger, Dropbox, Skype etc. Etablierte Unternehmen kommunizieren eher über Emails und Festnetztelefon. So entstehen Probleme, die die Zusammenarbeit nur erschweren, die aber eigentlich funktionieren kann, wenn beide Seiten einen Schritt aufeinander zugehen. Verschiedene Kulturen treffen aufeinander. Etablierte Unternehmen, Familienunternehmen denken in Generationen, also in 30-Jahre-Schritten. Unterbreitet der Junior eine Idee, die aus dem digitalen Bereich kommt, kann das zu Schwierigkeiten führen. Diese Generationskonflikte sind im Hinblick auf Altersdiversität

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Hildesheimer Gesprächsrunde

hochspannend! Es gibt auch Start-ups, bei denen die Gründenden um die 30 Jahre Berufserfahrung haben und sich jetzt Digital Natives an die Seite holen, um auch diese Fähigkeiten nutzen zu können. Momentan ist die Zusammenarbeit zwischen den Generationen noch nicht etabliert. Gewisse Studien besagen, dass 70 % der Start-ups und 40 % der etablierten Unternehmen gerne kooperieren würden. Das deckt sich noch nicht ganz. Jedoch gibt es Hürden und zwar die Sprache. Nicht die Fremdsprache, sondern die Sprache der Unternehmenskulturen – Start-ups mit ihrer hippen Kultur und etablierte Unternehmen mit Dresscodes. Da gibt es Fachdisziplinen, die noch nie miteinander gesprochen haben oder sich einfach nicht verstehen. Ein wichtiger Punkt für Start-ups ist die Digitalisierung. Für die Sparkasse fließt die Digitalisierung mit in die Risikobewertung ein. Wenn sich ein Unternehmen dort nicht gut aufstellt oder nicht zeitgemäß ist, wird diesem Unternehmen am Ende ein anderes Risiko beigemessen als dem gleichen Unternehmen, welches sich bei der Digitalisierung breiter aufstellt. Und das wirkt sich am Ende auf den Zinssatz aus. Bei den Start-ups ist die Digitalisierung in der Regel jedoch selbstverständlich. Diese müssen ihr Geschäftsmodell nicht neu erfinden oder umdenken. Das ist auch bei ›Urban Invention‹ der Fall, Digitalisierung ist hier das Geschäftsmodell. Es ist kein Trend und kein Thema, über das diskutiert werden muss. Das ist es nur dann, wenn zum Beispiel die Faxnummer oder die Festnetznummer verlangt wird. Die Digitalisierung wird auch zur Marketingstrategie genutzt. Bei ›Urban Invention‹ bestehen die Produkte zu 50 % aus physischen Objekten und zu 50 % aus etwas Digitalem. Amelie und Sandro sind viel auf Messen unterwegs, bei der Kundin/beim Kunden vor Ort mit Präsentationen. Einfach, weil es dem Produkt zugutekommt und das Erleben hilfreich ist, um das Produkt zu verstehen. Das können die digitalen Medien nicht leisten. Beide Strategien sind wichtig. Wie bereits erwähnt, kommen Start-ups meistens aus dem digitalen Bereich. Für Unternehmen mit klassischen Geschäftsmodellen ist das häufig nicht der Fall. Dort können digitale Instrumente jedoch hilfreich sein, um ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Wettbewerbern zu schaffen. Die Digitalisierung kann auf diesem Wege also ein Grund dafür sein, das Team zu erweitern, um die fehlenden Kompetenzen auszugleichen – somit wird Diversität wieder zum Thema. Seitens der Hochschule ist eine Entwicklung in Bezug auf Diversität zu erkennen. Die Generation, die jetzt gründet, wird auch Businessmodel Generation genannt. Schnell werden aus Ideen Geschäftsmodelle gezaubert, viel selbstverständlicher wird zu den Themen Diversität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit mitgedacht und dieses Gedankengut auch nach außen transportiert. Start-ups haben ein besonderes Mindset, eine individuelle Haltung. Anders als etablierte Unternehmen, die sich permanent im Transformationsprozess befinden, um mit den Veränderungen mithalten zu können. Diversität ist daher auch eine Frage von Rahmenbedingungen und des Mindsets. Und obwohl das viele Start-ups bereits mitbringen, wird das Thema Diversität noch nicht ausreichend berücksichtigt. Eine Entwicklung in die richtige Richtung ist erkennbar, eine Sensibilisierung jedoch nötig.

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Fakten – LegalOS

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Teamgröße Frauen Männer Nationalitäten Banane

Legal OS GmbH, Köpenickerstraße 145, 10997 Berlin www.legalos.io

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6 Fragen an ...

Lilian Breidenbach Was ist deine Aufgabe im Unternehmen? Mein Aufgabenbereich ist die Entwicklung der Business Strategie und der Product Delivery. Welche Probleme oder Hindernisse gab es bei der Gründung deines Unternehmens? Bei der Gründung war die größte Herausforderung, den Fokus nicht zu verlieren. Wir mussten uns vor Augen halten, wohin wir wollen, damit alle in die gleiche Richtung arbeiten können. Das war ein schwieriger Prozess, da am Anfang natürlich noch nicht klar ist, was man aus seinen Ideen macht. Daraufhin mussten die Arbeitsprozesse und Verantwortungsbereiche klar definiert und verteilt werden. Das sind wohl Probleme, vor denen alle Gründerinnen und Gründer stehen. Wir hatten zum Glück einen sehr guten Teamcoach, mit dessen Hilfe wir kleinere Reibereien untereinander aus der Welt schaffen konnten. Das würde ich jedem Gründungsteam empfehlen, besonders wenn es sehr divers ist. Welchen Herausforderungen musst du dich aktuell im Unternehmen stellen? Unsere Vision steht: Wir haben uns ein System mit vielen Problemen gesucht, das wir nun umstrukturieren und optimieren wollen. Das ist unser großes Ziel, doch auf dem Weg dahin müssen wir Produkte bauen, die andere kleinere Probleme lösen. Das machen wir auch, aber wir dürfen eben den Fokus auf das große Ganze nicht verlieren, auch wenn wir mit den Produkten Umsatz erzielen. Wir wollen kein Software as a service-start-up sein. Uns selbst zu unserem gesetzten Ziel zu navigieren ist eine langfristige Herausforderung. Wenn dein Unternehmen ein Obst oder Gemüse wäre – welches wäre es? Ein Bündel Bananen. Wer kocht bei euch Kaffee? Alle. Führe ein Gedankenexperiment durch: Wenn dir alle Möglichkeiten offen stünden, wie würdest du dein Team im Hinblick auf Diversität erweitern? Da wir eine Tech-Firma sind, brauchen wir auf jeden Fall jemanden, der sich in diesem Bereich gut auskennt. Man sollte auch jemanden haben, der sich mit Geschäftstätigkeiten

auskennt. Ob es der BWLer aus St. Gallen oder jemand aus dem Bereich Wirtschaftspsychologie ist, ist egal. Man kann alles lernen. Produktentwickler/innen an Board zu haben, ist immer von Vorteil. Wenn ich mir als konkrete Ergänzung zu unserem derzeitigen Team drei Menschen aussuchen könnte, wären das a) ein/e gut geschulte/r, aber immer noch frei denkende/r CEO, die/der unsere Tech-Strategie vorantreibt, b) ein/e geborene/r Verkäufer/in, die/der das leidenschaftlich gerne macht und c) ein gestandener Anwalt/eine gestandene Anwältin,die/der unsere Perspektive auf das Thema einnehmen und uns in der strategischen Entwicklung anleiten kann.

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Interview

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Legal OS

Wir sind Legal OS Legal OS ist ein junges Start-up im Legal-Tech-Bereich, welches 2017 in Berlin gegründet wurde. Das Ziel des Unternehmens ist es, eine Datensammlung zu Rechtsgrundlagen zu schaffen, die es auch Laien ermöglicht, rechtlich wirksame Verträge zu generieren. Das System liefert gezielt Antworten und weist auf weitere Eventualitäten oder Zusammenhänge hin. Dadurch werden Prozesse innerhalb von Unternehmen vereinfacht und das Verhältnis zu den Mitarbeitern verbessert. Legal OS hat seinen Sitz hinter dem Berliner Ostbahnhof, auf der anderen Seite der Spree. Ein wenig versteckt in der 3. Etage eines Hinterhauses treffen wir auf Lilian Breidenbach, Mitgründerin des Start-ups. Es ist aufgrund der Jahreszeit bereits dunkel, als wir eintreffen, doch in den Büroräumen wird noch fleißig gearbeitet und diskutiert. Wir fühlen uns ein wenig wie Eindringlinge in einem entspannten, doch effizienten Arbeitsraum. Lilian nimmt sich gerne die Zeit für uns und alle unsere Fragen.

Grundsteine für ein Gründungsteam entstehen während der Ausbildung, durch Freundschaften und im gemeinsamen Job. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Interview Sandra Boß Michaela Beuscher

Lotta und ich sind gemeinsam in Berlin aufgewachsen und für mich war immer schon klar: Wenn ich mit jemanden gründe, dann mit Lotta. Wir haben uns schon immer sehr gut ergänzt. Ich setze mich gerne inhaltlich mit Dingen auseinander und Lotta ist mehr extrovertiert und super im Networking. Jake habe ich dann im Studium kennengelernt und damals schon viel und gerne mit ihm zusammengearbeitet.

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Interview

Hättet ihr euch mehr Veranstaltungen gewünscht, die verschiedene Disziplinen und Menschen zusammenbringen?

Innerhalb meiner Ausbildung war es sehr divers, da ich ein Liberal Arts Studium in den USA absolviert habe. Dort habe ich zwei Jahre lang alles, außer Kunst, studiert. Das war auch meine Absicht, da ich mich mit 18 Jahren noch nicht für den Rest meines Lebens festlegen wollte. Natürlich haben dort vor allem US-Amerikaner/innen studiert, aber die Herkunft der Studierenden war trotzdem relativ divers. Die Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche gehörte zum Alltag. Die Fähigkeit, verschiedene Disziplinen zu verknüpfen ist das, was ich vor allem aus dem Studium mitgenommen habe. Durch das Studium entwickelt man bestimmte Denk- und Sichtweisen, die einem Perspektiven für das eigene, weitere Leben aufzeigen. Da ich aber nie die Beste in einer bestimmten Disziplin war, musste ich verschiedene Fachbereiche in meine Abschlussarbeit integrieren und das war gut. Am Anfang einer Existenzgründung hat man meistens genug zu tun mit Bürokratie, Organisation und finanziellem Druck. Die wenigsten Gründer machen sich im Vorfeld darüber Gedanken, ob ihr Team divers genug aufgestellt ist. Ab wann und inwiefern wird Diversität bei euren Entscheidungen ein Kriterium?

Ich glaube, Berlin hat seine eigene Gründerkultur, die sich von den USA oder Großbritannien unterscheidet. Zwar sind

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Unternehmen wie Rocket Internet sehr von den USA geprägt worden, denn vieles von dem, was sich in den USA bewährt hat, wurde in Deutschland kopiert. Dadurch kamen fast alle Gründenden aus dem BWL Bereich. Das war lange das Berliner-Gründer-Feeling, inzwischen hat sich das aber gewandelt. Für uns war immer klar, dass wir mit unserem Vorhaben nur erfolgreich werden, wenn wir diverse Perspektiven einbringen. Insofern war Diversität für uns von Anfang an ein Thema und wir haben sehr ausgewählt entschieden, wen wir in unser Team aufnehmen. Wie setzt sich euer Team im Hinblick auf Diversität zusammen? Und wie kam es zu dieser Zusammensetzung?

Wir sind, was Nationalitäten und Fachbereiche angeht, sehr divers aufgestellt. Unsere Teammitglieder kommen aus Deutschland, England, den USA, den Niederlanden, Luxemburg, Uruguay und Italien und bringen ganz unterschiedliche Fähigkeiten mit. Wir sind Programmierer, Designer, Business Developer und Juristen, die wir liebevoll unsere Wissensarchitekten nennen. Viele von uns haben lange Zeit im Ausland gelebt und dort Erfahrungen gesammelt, die unserem Unternehmen nun zu Gute kommen. Die Altersspanne reicht bei uns von 22 bis 40 Jahren.


Legal OS

Wir haben einerseits sehr junge Leute, die eine tolle Energie mitbringen und andererseits auch schon Leute mit Erfahrung, die uns weiterbringt. Als junge Gründerin ist es manchmal schwierig, sich gegen ältere Mitarbeiter zu behaupten, daher ist das Alter in Zusammenhang mit dem jeweiligen Charakter auch manchmal ein Ausschlusskriterium. Zu dieser Diversität kam es auf ganz natürliche Weise. Einen unserer Mitarbeiter hat Lotta z.B. am Sonntagmorgen im Berghain kennengelernt und am nächsten Tag stand er bei uns auf der Matte. Es war sehr viel Glück mit im Spiel. Möchte man in unterschiedlichen Märkten erfolgreich sein, müssen sich diese Märkte in den Menschen im Unternehmen widerspiegeln. Wer sind eure Kundinnen und Kunden? Werden sie in euerem Team abgebildet?

Wir sind ein sehr internationales, englischsprachiges Team, haben aber derzeit nur deutsche Kundinnen und Kunden. Wir bekommen merkwürdigerweise kaum Bewerbungen von Deutschen. Dabei spielt die Nationalität unserer Mitarbeitenden für mich keine Rolle. Ich lege den Fokus auf die fachliche und soziale Kompetenz der Personen, die sich bewerben. Sie müssen sich selbstständig in unser Team integrieren und autonom arbeiten können. Jedes Teammitglied besitzt ein Vetorecht gegen neue Bewerbende. Insofern spiegeln wir unsere Zielgruppe im Moment noch nicht wider. Ein Mensch anderer Herkunft hat eine ganz andere Kultur gelebt und damit auch andere Sichtweisen und Standpunkte entwickelt. Diese Unterschiede fördern neue und innovative Ideen. Gerade der Diskurs zwischen den unterschiedlichen Menschen bringt die Funken zum Sprühen, lässt Altes abstauben und es neu hinterfragen. Wie kann sich Diversität auf das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur auswirken?

Ich glaube, es gibt zu viel und zu wenig. Wenn man Menschen klont, können sie zwar gut zusammenarbeiten, aber bringen eben immer nur eine Perspektive ein. Das kann sehr negative Auswirkungen haben, wenn beispielsweise ein großes Unternehmen nur weiße, männliche Programmierer hat, bekommen die Algorithmen bestimmte Unconscious Bias. Auch in kleineren Unternehmen, wie unserem, kann das zu Problemen führen, da alle Teammitglieder selbstständig Entscheidungen treffen müssen. Wenn alle mit der gleichen Kultur und dem damit verbundenen Wertekanon aufgewachsen sind, führt das zu einer sehr einseitigen Perspektive und dadurch fehlt vielleicht ein gewisser Grad an Kreativität. Wir haben aber auch gemerkt, dass zu viel Diversität auch Probleme mit sich bringt. Die Aufgabe, die wir als Gründende haben, ist es, gewisse Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten. Wenn die eine Person nur gut arbeiten kann, wenn sie absolut leise ist und die andere nur, wenn sie laut Musik hört, dann funktioniert die Zusammenarbeit nicht. Das Gleiche gilt für zu unterschiedliche Werte. Wenn jemand nicht zu unserer

Arbeitsweise passt, nützt es nichts, wenn er oder sie die passenden Skills mitbringt. Diversität fördert einerseits Kreativität und Zusammenarbeit, kann aber auch leicht ins Negative kippen, wenn man nicht mehr auf einen gemeinsamen Punkt kommt. Bei Unternehmen mit besonders ausgeprägter ethnischer Vielfalt steigt die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, um 33 % (McKinsey-Studie ›Why Diversity Matters‹ von 2015). Unternehmen, die auf Vielfalt setzen, sind häufig kreativer, innovativer und erwirtschaften so mehr Gewinn. Habt ihr Erfahrungen sammeln können, die diese Aussagen bestätigen?

Unser Unternehmen befindet sich derzeit noch in einem Stadium, in dem es zu früh ist, diese Frage zu beantworten. Aber was ich sagen kann ist, dass wir als Team aufgrund unserer unterschiedlichen Hintergründe sehr viele verschiedene Perspektiven mitbringen und daher uns gegenseitig inspirieren, anders zu denken und kreativ zu sein. Seht ihr ungenutztes Potential durch fehlende Diversität im Start-up?

Ja, auf jeden Fall ist da noch Potential. Vielleicht fehlt unserem Team tatsächlich der klassische BWLer. Unser Team will organisch weiterwachsen und das gemeinsame Interesse am Ziel ist da ausschlaggebend. Eine Balance zwischen den Geschlechtern fänden wir schön. Start-ups können auf unterschiedliche Weise miteinander kooperieren. Zum Beispiel im Bereich Marketing, Forschung und Entwicklung, Co-Working, Office-Sharing, Lieferverträgen etc. Welche Kooperationen nutzt ihr? Wie seid ihr zu diesen gekommen?

Unsere offensichtlichste Kooperation sind unsere Räumlichkeiten. Sie sind eine Initiative von dem Start-up ›Das Dach‹, das diesen Raum für andere Start-ups, die im Bereich des systemischen Wandels arbeiten, zur Verfügung stellt. Wir sind die ersten, die dieses Angebot nutzen,

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Interview

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Legal OS

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Interview

da meine Mutter zum Gründungsteam gehört. Ansonsten kooperieren wir noch wenig mit anderen Start-ups, da wir die Sorge haben, uns in den vielen Möglichkeiten zu verlieren und am Ende nichts Konkretes für unser eigenes Produkt zu schaffen. Wie ist euer Netzwerk aufgestellt? Würdet ihr es als divers aufgestellt bezeichnen?

Wir sind relativ gut vernetzt, insbesondere mit ehemaligen Gründerinnen und Gründern, die in ihrem Metier erfolgreich waren und uns nun unterstützen. Die meisten Bekanntschaften sind durch bereits vorhandene Kontakte entstanden. Lottas und meine Familie sind in Berlin verwurzelt und vernetzt, Lottas Vater beispielsweise ist Professor für Produktdesign an der Universität der Künste in Berlin. Meine Eltern haben u.a. selbst verschiedene Start-ups gegründet. Dadurch waren wir in Berlin von vornherein gut aufgestellt und haben z.B. auch das Exist Gründer Stipendium der Technischen Universität Berlin gewonnen. Wir finanzieren uns ausschließlich durch Fremdkapital, anders können wir unsere Vision nicht umsetzen. Organisches Wachstum war für uns keine Option, da dies zu lange dauern würde. Als Frauen haben wir bis auf ein, zwei dumme Sprüche keine schlechten Erfahrungen gemacht. Ich persönlich glaube nicht, dass die Möglichkeiten der externen Finanzierung von unserem Geschlecht abhängig sind. Für die meisten der Investoren, auf die wir getroffen sind, war der Inhalt unseres Geschäftsmodells ausschlaggebend.

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Wie sieht eurer Meinung nach eine ideale Gründerteam-Konstellation aus?

Wir hatten ein relativ starkes Gründerteam, in dem Sinne, dass wir drei aus verschiedenen Fachbereichen kommen. Allerdings fehlt es uns, bis auf Jake, ein wenig an Arbeitserfahrung, wir kamen quasi direkt aus dem Studium. Ansonsten kommt es ganz darauf an, was man gründet. Man muss nicht alles können, aber man muss Verständnis für den Bereich mitbringen, in dem man gründet. Es ist gut, Generalisten aus verschiedenen Bereichen dabei zu haben, die lernbereit sind und anpacken können. »Stubborn but coachable« lautet bei uns die Devise. Expertinnen und Experten kann man sich im Laufe der Zeit mit ins Boot holen. Das gilt für Gründerinnen und Gründer, die zum ersten Mal gründen. Ein Traum ist es natürlich, Leute dabei zu haben, die schon zum x-ten Mal gründen, aber das ist unrealistisch. Ein gemeinsamer Wertekanon, auf den man sich einigen kann und Vertrauen untereinander, ist am Anfang das Wichtigste.


Legal OS

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Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Start-ups Quelle: Bitkom Research Umfrage


arbeiten auf andere Weise mit Start-ups zusammen

entwickeln gemeinsam neue Produkte.


Fakten – SINGA

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Teamgröße Frauen Männer Nationalitäten Obstsalat

SINGA Deutschland, Oranienstraße 183, 10999 Berlin www.singa-deutschland.com

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7 Fragen an ...

Fabian Thun und Georges Stutzmann

Was sind eure Kompetenzen, die ihr ins Unternehmen mit einbringt? Fabian: Kommunikation, Personalentwicklung, Vorbereitung von Workshops, die intrinsische Motivation zu leben; generell wird die Diversität von allen im Team gelebt. George: Kommunikation, Pflege interkultureller/transkultureller Beziehungen. Was findet man als erstes, wenn man eure Namen googelt? LinkedIn, Facebook, Singapur. Welche Probleme/ Hindernisse gab es bei Gründung des Unternehmens? Man muss gut überlegen und konkret entscheiden, welche Geschäftsform die richtige ist. Welche Probleme es gab, können wir nicht sagen, da wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dabei waren. Welcher Herausforderung müsst ihr euch aktuell im Unternehmen stellen? Die der Finanzierung. Wenn man zum Beispiel Gelder von außen heranholt, muss ein Programm schon fertig geplant sein, Förderinstanzen geben kein ›Spielgeld‹ und so ist es schwierig, etwas auszuprobieren, schwierig, innovativ zu sein ohne Spielraum. Wir müssen uns strategisch aufstellen, um neue Projekte/Programme auszuprobieren, dafür müssen wir die richtige Zeit finden und Vertrauen gewinnen. Diversität wird zwar verlangt, auch

beispielsweise von der Politik, aber es gibt keine Strukturen dafür, der Weg dahin ist mühselig und wird nicht unterstützt. Wenn ihr als Unternehmen ein Obst oder Gemüse wäret, welches und warum? Ein Obstsalat. Eine Banane schmeckt richtig gut und ein Apfel schmeckt auch richtig gut. Aber wenn man beides zusammen isst, mit noch einer Ananas dazu, dann gibt es eine Geschmacksexplosion. Diese Diversität macht den Obstsalat erst richtig gut. Wer kocht bei euch den Kaffee? Meistens ich (Geschäftsführer), da ich häufig Kaffee trinke und dann mache ich den auch für die anderen. Die Teetrinker kochen sich ihren Tee selbst. Führt ein Gedankenexperiment durch: Wenn euch alle Möglichkeiten offen stünden, wie würdet ihr euer Team im Hinblick auf Diversität erweitern? Wir würden die Zielgruppen mehr in den Prozess mit einbinden, denn diese wissen ganz genau, was die Leute brauchen. Wir binden sie jetzt zwar auch schon in den ganzen Ideenfindungsprozess mit ein, aber wenn wir mehr Geld hätten, würden wir das verstärkt tun und evtl. eine ältere Person, eine Rentnerin/einen Rentner, mit einstellen, da diese mehr Erfahrung hat.

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Quelle: PageGroup Diversity Management Survey

Hat sich Ihr Unternehmen in den letzten zwei Jahren mit dem Thema Diversity Management beschäftigt?



Interview

Wir sind SINGA

SINGA ist eine Organisation, die 2012 in Paris gegründet wurde. Mittlerweile gibt es SINGA-Organisationen weltweit, aber jede hat die gleiche Philosophie: Es geht darum Begegnungen auf Augenhöhe zu schaffen. Einheimische, Geflüchtete, neuankommende Menschen finden ein Umfeld, das gemeinsame unternehmerische, soziale und kulturelle Projekte ermöglicht. SINGA befindet sich in Kreuzberg an der belebten Oranienstraße. Typisch für Berlins Innenhöfe, ändert sich die Atmosphäre von der Straße voller Bistros und Geschäften schlagartig: Es wird kühl, still und konzentriert. Man spürt, das hier vielfältig gearbeitet wird. Wir sind gespannt, was uns im 3. Hinterhof, 3. Aufgang im 3. Obergeschoss erwartet. Wir sprechen mit Fabian Thun, Geschäftsführer von SINGA Deutschland, sowie Georges Stutzmann. Dieser arbeitet für acht Monate auf freiwilliger Basis für das SINGA-Sprachcafé-Programm, welches für Einheimische und Neuankommende eine Plattform bietet, um sich auszutauschen.

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SINGA

Diversität ist bei euch nicht nur Thema, sondern ist der Grund, weshalb es euch gibt. Die meisten Gründer von Start-ups sind Männer, Durchschnittsalter 35 Jahre, weiße Hautfarbe. Warum sollten wir das ändern?

Interview Flora Taubner Imke Ganteför

Was wir immer ganz klar sagen, in unserer ganzen Öffentlichkeitsarbeit, ist, dass Diversität immer Innovationen hervorrufen kann, dadurch, dass verschiedene Ideen und ganz andere Sichtweisen aufeinanderprallen. Bei den Programmen, die wir starten, kommen Leute von überall her zusammen und da ist ein unglaubliches Potential durch die verschiedenen Sichtweisen. Aber wir leben das auch sehr in unserem Team. Unser sehr kleines Team besteht aus Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, mit unterschiedlichen Hintergründen, was die Herkunftsländer angeht. Diversität ist für mich nicht nur das Herkunftsland und Geschlecht, für mich ist das auch immer Arbeitserfahrung, beispielsweise in Jahren. Ich finde, wenn jemand ganz neues dazukommt, als Praktikant meinetwegen und schon 20 Jahre im Business ist, dann kann trotzdem etwas entstehen, was auch Diversität in dieser Hinsicht ist. Wir versuchen das bei uns immer sehr wertzuschätzen.

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Interview

Wie ist das Verhältnis der Geschlechter bei euch im Team?

Wir sind jetzt sechs Leute im Team (in Berlin), davon aktuell zwei Frauen. Das Team ist dadurch geschrumpft, dass die Gründerinnen und Gründer nun teilweise nur noch Gesellschafter/ innen sind und sich operativ herausgezogen haben. Dadurch hat sich auch dieses Verhältnis der Geschlechter etwas verändert. Aber wenn wir Leute rekrutieren, ist das schon etwas, worauf wir achten – jetzt gar nicht mal aus einem politischen Grund, sondern einfach, weil ich das Gefühl habe, dass die Stimmung im Team besser ist, wenn es gut durchmischt ist. Wie wirkt sich die Diversität auf das Arbeitsklima aus? Ist ein divers zusammengesetztes Team in dieser Hinsicht begrüßenswert?

Die Stimmung ist entspannt, es gibt keine Hierarchien, man ist mehr auf Augenhöhe miteinander. Immer wenn Menschen zusammenkommen, entsteht auch eine eigene Kultur. Wir alle kennen das, es gibt immer Menschen, die nicht dazugehören und wir alle finden Leute, über die wir lästern können. Das Interessante an Kultur ist, dass es so ein fließender Prozess ist, es kommen verschiedene Kulturen zusammen und es entsteht etwas. Es entwickeln sich eigene Regeln. Könnt ihr euch vorstellen, dass bestimmte Probleme und Komplikationen durch Diversität entstehen? Oder findet ihr es generell erstrebenswert, sich divers aufzustellen?

Ich bin mir sehr sicher, dass es immer gut ist, sich divers zusammenzusetzen. Vielleicht muss man manche Dinge mehr aushandeln als andere, aber selbst wenn Personen aus der vermeintlich gleichen Ecke sind, weil sie beide das gleiche Alter haben oder die gleiche Hautfarbe, gibt es Dinge, die zwischenmenschlich passen können oder nicht, und das hat wenig mit der Herkunft zu tun. Ich denke, wenn ich in einem Team arbeiten würde, in dem alle so aussehen würden wie ich, genauso alt sind wie ich und das gleiche Bildungsniveau hätten, dann würden

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ganz andere Sachen mich richtig nerven. Es würde also auch zu Komplikationen kommen, es liegen nur vielleicht andere soziale Themen auf dem Tisch – oder unterm Tisch. Ihr bringt in euerem Business Lab unterschiedliche Leute zusammen – das heißt, die Diversität ist automatisch gegeben. Kommuniziert ihr sie auch als einen Wirtschaftsfaktor und Argument für eine Gründung?

Es ist hauptsächlich Thema nach außen hin, würde ich sagen. Ich glaube, wir tragen dazu bei, das Thema öffentlich wirklich bekannter zu machen. Dass ein Team, das so unterschiedliche Erfahrungen zusammenbringt, einfach viel bessere Sachen hervorbringt, das kommunizieren wir auch. Also als ein wirtschaftliches Argument?

Ja, genau. Wir nennen uns immer inklusiver Inkubator, Inklusion wird ganz groß geschrieben, das ist unsere Stärke. Es gibt in Berlin zig Inkubatoren, aber das ist das, was wir richtig gut machen. Dass wir es einfach schaffen, die verschiedenen Leute von überall her zusammenzubringen. Das ist für uns deshalb spannend, weil sich Unternehmen in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt mit diesem Thema auseinandersetzen und dann heißt es ›Diversity Management‹. Bei euch ist der Ansatz ein ganz anderer.

Der Grund, weshalb die drei Gründer zusammengekommen sind, ist, etwas zu schaffen, bei dem es inhaltlich um Diversität geht. Wir arbeiten mit der Diversität in der Startup-Szene, es ist unser Anliegen, sie praktisch umzusetzen und das Thema für das Berliner Ökosystem zu öffnen. Ein Gedankenexperiment: Wie sieht eine gute Gründerkonstellation aus?

Je diverser, desto besser. Die Teilnehmer/innen unseres Programmes kommen aus Peru, Frankreich, Syrien, Spanien, Libanon und dem Irak. Zu Beginn hatten wir hauptsächlich Leute aus Syrien und wir merken, dass die Energie dann eine ganz andere ist, wenn mehrere Nationalitäten teilnehmen. Das, was wir daraus nun lernen, ist, dass es genau das ist, was wir wollen: Eine absolute Offenheit. Je vielschichtiger die Teilnehmenden und ihre Hintergründe, desto besser. Wir haben 2015 gegründet mit dem Fokus auf das Zusammenbringen von ankommenden Geflüchteten und Einheimischen. Aber auch diese Grenzen wollen wir aufbrechen, es können wirklich alle teilnehmen und das Gute ist, dass wir diese starken Verbindungen zur syrischen Szene haben.


SINGA

Wenn man sich mit Diversität beschäftigt, stößt man unweigerlich auf das Thema Verhältnis von Mann und Frau. Frauen sind in Start-ups noch immer unterrepräsentiert. Wie nehmt ihr die Rolle der Frau im Start-up wahr? Habt ihr Frauen in Start-ups begleiten können?

Wir hatten bereits einige weibliche Teilnehmerinnen und wollen jetzt den Fokus darauf legen, noch mehr Frauen anzusprechen. Das ist nicht so einfach, weil wir auch davon leben, uns nach den Bewerbungen zu richten. Es gibt die Idee, einen Kubator speziell für Frauen zu gestalten, was Diversität auf der Geschlechterebene zwar erstmal einschränkt, aber wir haben das Gefühl, dass das ein Raum ist, der gewollt ist. So eine Art Safe Space, in dem sich Geschlechter getrennt austauschen können. Das sind alles Experimente. Wir versuchen ganz viele Dinge auszuprobieren, wir merken, in unserem doch so offenen Inkubator kommen nicht allzu viele Frauen rein, die sich bewerben. Wir müssen schauen, ob Frauen, die aus dem Nahen Osten kommen, verstärkt danach suchen, unter Frauen zu sein. Generell ist es so, dass Frauen in Start-ups unterrepräsentiert sind. Habt ihr eine Idee, warum das so ist? Werden sie weniger gefördert oder liegt das Problem bei der Frau selbst?

In Frankreich sind Frauen in Start-ups ganz gut vertreten, auch in Führungspositionen. Ich kann mir vorstellen, dass viele Frauen nicht so risikofreudig sind wie Männer, was nicht daran liegt, dass es Frauen sind. Es liegt vielmehr daran, dass es im sozialen Aufwachsen immer wieder Hinweise darauf gibt, dass man es als Frau nicht so weit bringen kann und das konditioniert einen natürlich. So wie einem als Mann auch eine Rolle diktiert wird. Wenn man z. B. nicht das Alphatier und die Führungsperson ist, dann hat man auch manchmal seine Schwierigkeiten, weil es erwartet wird. Deswegen glaube ich, dass einem da immer noch ganz viel mitgegeben wird und da gibt es einfach noch viel zu tun. Das ist ein ganzer Prozess. Je mehr Vorbilder es in der Gesellschaft gibt, sowohl Frauen als auch Leute, die nicht in Deutschland geboren sind, desto weniger Gründe gibt es zu sagen, du kannst es ja gar nicht schaffen. Ich finde, da sind wir auf einem sehr guten Weg mit unserer Arbeit, aber auch innerhalb der Gesellschaft tut sich viel, wenn auch langsam.

Ich persönlich finde, dass diese Willkommenspolitik im Hinblick auf wirtschaftlichen Profit immer einen etwas bitteren Beigeschmack hat. Wie seht ihr das?

Mein Eindruck von der Politik ist, dass sie selber da sehr hinterherhinkt und nicht Treiber im Land ist oder gar großes Vorbild sein kann. Ich kann mich noch an die bayerische Landtagswahl erinnern, da saßen nur weiße, alte Männer, die über Gleichberechtigung, Frauen und Migranten sprachen. Wie kann so eine Gruppe da Vorbild sein? Gab es eine Veränderung in der Politik, die euch in eurer Arbeit unterstützt hat, sie beispielsweise vereinfacht hat?

Politik wirkt sich bei uns immer stark auf die Förderungen aus. Welche Fördertöpfe was fördern, hängt viel von politischen Agenden ab. Was wir merken und was wir schon zu Beginn auch angetrieben haben, ist, dass man nicht den Fokus auf den Status Flüchtling legt, sondern einfach die Leute, die nach Deutschland kommen, an ihrer Motivation, ihren Talenten und ihren Qualifikationen packt, anstatt sie einer Kategorie zuzuordnen. Ich glaube, dass

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Interview

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es da immer mehr Akzeptanz gibt, erst mal alle so zu nehmen, wie sie sind, mit dem, was sie gut können und was sie beisteuern wollen, anstatt von einer politischen Kategorie auszugehen. Ich habe das Gefühl, das lese ich immer mehr in solchen Förderausschreibungen, was ich als positiv empfinde. Was gibt es für Förderungen, allgemein und im Hinblick auf Diversität?

Ich kenne keine Fördertöpfe, die darauf ausgerichtet sind, dass wir uns als Organisation diverser ausrichten sollten und dann eine Förderung erhalten, das habe ich noch nicht gefunden und davon habe ich noch nicht gehört. Aber es gibt natürlich viele Fördertöpfe (die Robert-Bosch-Stiftung, zum Beispiel), die sehr daran interessiert sind, die Gesellschaft mehr teilhaben zu lassen und die dafür arbeiten, die Gesellschaft offener für Diversität zu machen. Wäre das denn eine Möglichkeit, die Diversität zu fördern? Wenn es beispielsweise ein Förderangebot für eine diverse Ausrichtung gäbe?

Das wäre eine Möglichkeit. Aber das Förderprogramm, von dem ihr sprecht, ist eher für Teams, die sich nicht im Vorfeld mit Diversität beschäftigt haben und eine Förderung als eine Art Motivation sehen, sich zu einem späteren Zeitpunkt damit zu befassen, sprich Diversity Management betreiben – dann wäre so ein Topf sicherlich interessant. Ich sehe es eher auf der gesellschaftlichen Ebene, dass man z. B. Vorbilder mehr feiert. Ich merke es einfach, dass das Thema in der letzten Generation noch so ein bisschen belächelt wird. Und es gibt einfach überhaupt keinen Grund mehr, das zu belächeln, weil vollkommen klar ist, dass jeder alles schaffen kann, wenn er nur den richtigen Support bekommt. Ihr sagt ganz klar, dass das größte Problem die Einstellung von außen ist, ihr seht für euch gar nicht so sehr die Probleme hinsichtlich bürokratischer, politischer oder finanzieller Art. Ihr habt kompetente Leute, die können was, die haben Ideen und ihr braucht einfach nur mehr Akzeptanz. Es geht euch sehr viel um das Mindset, richtig?

Ja schon, wobei es im Hinblick auf Menschen mit Geflüchteten-Status natürlich immer Dinge gibt, die einfacher sein könnten. Wir sehen, was funktioniert und das müssen andere Menschen eben einfach auch verstehen.

Was funktioniert konkret? Kannst du das jemandem erklären, der es nicht sieht, nicht versteht?

Je diverser das Team ist, desto kreativer, desto innovativer ist es und es macht auch einfach mehr Spaß. Man sollte Menschen und ihr Potential erkennen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft usw. Wie sieht es mit der sprachlichen Barriere in Deutschland aus? Müssen gute Deutschkenntnisse vorhanden sein oder reichen Englischkenntnisse aus? Wie hoch sind da die bürokratischen Hürden?

Was unsere Programme angeht, der Inkubator z. B. ist sowieso auf Englisch, von daher ist das nicht so das Problem. Aber ich weiß, dass es sehr schwer ist im Umgang mit den Behörden, wenn das Deutsch sehr gebrochen ist. Und gebrochenes Deutsch ist eigentlich schon sehr gutes Deutsch, da muss man überhaupt erst einmal hinkommen. Von Seiten der Stadtverwaltung besteht da ein riesen Verbesserungspotential, weil die meisten einfach kein Wort Englisch sprechen. Was man von politischer Seite anstoßen könnte, ist, dass die Leute von der Stadtverwaltung viel mehr geschult werden, und wenn sie wenigstens einen Englischkurs erhalten. Ihr habt die politische Situation, als die Geflüchteten kamen, in positiver Hinsicht genutzt. Kennt ihr Leute, die eine ähnliche Arbeit leisten wie ihr?

Also in unserer Sozialunternehmerblase gibt es eine ganze Menge. Diese machen das auch nicht mit einem falschen HelfersyndromBeigeschmack. Leider gibt es in der Wirtschaft unglaublich viele Leute, die sagen: »Wir stellen jetzt auch Flüchtlinge ein!« Und dann haben sie einen, der ist dann 15 Jahre Flüchtling. Das ist für mich eigentlich kein positives Beispiel, das ist dann eher aus einer opportunistischen Haltung heraus. Dass jemand wirklich bewusst diese Leute aufnimmt, weil dieser deren Potential nutzen will, gibt es viel zu

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Interview

selten, zumindest was die Kommunikation angeht. Ohne diese Unterscheidung von ›Wir‹ und ›Die‹ fallen mir gar nicht so viele Beispiele ein. Ich finde, auf eurer Webseite kommuniziert ihr sehr gut, welche Erfolgsgeschichten schon aus eurer Arbeit resultiert sind.

Es gibt ja schon öfters mal Geschichten von Menschen, die als Geflüchtete ihre Erfolgsgeschichten bei uns gefeiert haben. Zum Beispiel ein Mädchen aus Syrien, die in einem Sportteam erfolgreich wurde. Aber manchmal wird das dann so romantisiert und falsch kommuniziert und benutzt. So nach dem Motto: ›Es gibt sie auch, die, die unseren Ansprüchen genügen.‹ Aber das darf nicht so oberflächlich bleiben. Wenn so jemand zu uns kommt, ist es klar, dass es für uns besonders bequem ist, man muss aber auch daran arbeiten, dass wir uns auch um die Leute kümmern, die schon vorher da waren und dass wir uns selbst anpassen müssen. Das fehlt mir oft in der Kommunikation. Man sagt dem deutschen Arbeitsmarkt nach, dass dieser besonders auf den Lebenslauf Wert legt. Oft werden im Ausland absolvierte Ausbildungen und Titel in Deutschland nicht anerkannt. Das stellt für Zugewanderte oft ein sehr großes Problem dar. Diese müssen quasi bei null anfangen.

Das ist natürlich auch etwas, was sich in der Start-up Szene sehr stark verändert hat. Hier wird oft in den Ausschreibungen gar nicht nach dem Lebenslauf gefragt, sondern es dreht sich fast alles um die richtige Motivation und das Zwischenmenschliche bei einem Bewerbungsgespräch bzw. bei einem Treffen. Dann ist es auch vollkommen egal, ob man studiert hat oder nicht. Das ist etwas, das hat sich, zumindest in dieser Blase, sehr stark verändert. So gesehen kann die Start-upSzene auch ein Vorbild sein für den restlichen Arbeitsmarkt. Auf eurer Webseite werden unten zum Teil namhafte Partner von SINGA aufgelistet. Wie genau fördern diese euch bzw. was macht diese Partnerschaften aus?

Also das ist ganz unterschiedlich. Das geht von privaten Stiftungen, beispielsweise welche, die Programme finanziell fördern, über Agenturen, die zum Beispiel ›Design-Thinking‹ anbieten, die Trainings geben und mit uns die Programme durchplanen, bis zu Partnern, die uns Räume oder Netzwerke zur Verfügung stellen. Dann gibt es noch Organisationen, die sehr ähnliche Arbeit machen, wie wir es tun, mit denen wir unser Wissen austauschen. Also da sind wir sehr breit aufgestellt. Und was genau verlangen diese Partner dann als Gegenleistung von euch?

Zum Beispiel eine große Stiftung, wie die BOSCH Stiftung, die kommuniziert das natürlich auch, mit wem sie kooperiert.

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Aber aus unserer Sicht tut sie dies sehr vorbildlich. Diese Stiftung macht allgemein sehr gute Arbeit bei dem Thema Diversität. Man hat nicht das Gefühl, dass sie dies aus einer Art Entertainment Gedanken heraus machen. Man spürt da schnell, wenn etwas nur oberflächlich beigesteuert werden will, damit sie sich dann etwas auf die Fahne schreiben können. Diese Gedanken gibt es auch noch viel zu oft. Dann fühlen sich manche Leute toll, wenn sie Flüchtlingen die Wände gestrichen haben, aber das brauchen wir nun wirklich nicht. Bei unserer Recherche ist herausgekommen, dass viele Unternehmen keinen Mehrwert darin sehen, mit Start-ups zu kooperieren und dieser Option eher verschlossen gegenüber stehen. Wie sehen eure Erfahrungen diesbezüglich aus?

Echt? Das überrascht mich sehr. Unsere Erfahrungen sind eher positiv. Unsere Erfahrungen mit Start-ups sind natürlich etwas Anderes. Ich kenne jetzt nur die Beispiele wie VW, Lufthansa oder Metro, die Start-ups fördern, diese dann aber auch reihenweise aufkaufen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass irgendwelche mittelständigen, deutschen Unternehmen die Sprache der Start-ups auch oft gar nicht verstehen und daher Berührungsängste haben. Zu einem Start-up gehört auch immer eine ordentliche Portion innovativer Ideen und die Nutzung von digitalen Kommunikationswegen. Wie sieht es bei euch aus mit klassischen Unternehmensgründungen? Beratet ihr auch Menschen, die einen klassischen Handwerksbetrieb eröffnen wollen?

Wir machen keine Beratung für Selbstständige. Wir brauchen schon einen gewissen Teil an Innovation. Zum Beispiel hatten wir einen Catering Service, der es geschafft hat, sich mit ganz viel Design Thinking Arbeit, User Journey und Usability, ganz anders aufzustellen. Durch unsere innovativen Methoden können wir oft ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man seine Zielgruppe klar definieren und auch mit der passenden Strategie erreichen muss. Kommunikation muss ja auch immer gestaltet werden. Kommuniziert ihr bei euch auch die Rolle des Designs in Start-ups?


SINGA

Absolut. Wir holen uns das meiste Wissen auf diesem Gebiet von außen. Zum Beispiel haben wir einen Partner namens C-Labs, die sich genau darauf spezialisiert haben. Unsere Kompetenz liegt darin, Menschen zu verbinden und den passenden Rahmen zu schaffen, aber der Inhalt kommt sehr stark von außen. Wir bringen das alles zusammen. Dies ist übrigens ein sehr innovativer Ansatz. Eine ausgewogene Work-Life-Balance öffnet auf vielen Ebenen die Tür für ein diverses Team. Wie sieht es bei euch in Sachen Work-Life-Balance aus? Habt ihr beispielsweise Gleitzeiten, seid ihr flexibel in Sachen HomeOffice und Büroarbeit?

Wir haben schon eine Art Kernarbeitszeit, aber wir sind immer offen, wenn einer mal etwas von Zuhause aus erledigen möchte. Solche Dinge müssen natürlich immer in einem gewissen Rahmen verlaufen, aber wir sind immer offen für neue Umstände. Wenn beispielsweise George sagen würde, er möchte gerne zwei Wochen von Frankreich aus arbeiten, dann würde sich sicherlich ein Weg finden.

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Fakten – SitEinander

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Teamgröße Frauen Männer Nationalitäten Mirabelle Orange

SitEinander, Charlottenstraße 2, 10969 Berlin www.siteinander.de

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5 Fragen an ...

Henrike-Marie und Anna-Lena Gerber

Was ist die Aufgabe eures Unternehmens? Eine App für gegenseitige Kinderbetreuung anzubieten. Diese bringt Eltern zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Was ist eure Aufgabe im Unternehmen? Anna-Lena: Produkt-Entwicklung, Fundraising, Konzepte. Henrike-Marie: Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Partner. Allerdings sind die Aufgabenbereiche nicht fest zugewiesen, die Grenze verschwimmen etwas. Was sind eure Kernkompetenzen? Anna-Lena: Zuerst habe ich eine Erzieher-Ausbildung und dann Internationale BWL studiert und mich dabei auf Entrepreneurship und Gründungskurse fokussiert. Henrike-Marie: Ich habe bei einem Familien-Reiseveranstalter gearbeitet. Danach habe ich mich für ein Dual-Studium entschieden im Bereich Tourismus und BWL. Anschließend habe ich in verschiedenen Start-ups gearbeitet und ein Zwischenstudium im Design Thinking gemacht. Wenn ihr ein Obst oder Gemüse wärt, welches und warum? Anna-Lena: Ich finde, dass du, Henrike, eine Mirabelle bist, da diese etwas Träumerisches und Weibliches hat. Henrike-Marie: Anna, du bist auf jeden Fall eine Powerfrucht. Da würde eine Orange gut passen. Wer kocht bei euch den Kaffee? Hier im Coworking Space macht immer jemand Kaffee. Der steht dann schon meistens fertig bereit.

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Quelle: PageGroup Diversity Management Survey

Wie verteilen sich die Geschlechter in deutschen GrĂźnderteams?



Interview

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SitEinander

Wir sind SitEinander SitEinander ist eine App, mit der sich Eltern digital vernetzen können, um sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung zu unterstützen und zu organisieren. »Ich sitte für dich und du sittest für mich«, ist das Motto. Anstatt für teures und unflexibles Babysittern zu zahlen, helfen Eltern sich einfach gegenseitig und die App unterstützt sie dabei. Mit nur einer Anfrage kann man alle potentiellen Sitter aus seinem Elternkreis erreichen und somit schnell eine Betreuung finden. In Berlin, nahe dem Checkpoint Charlie, an der Charlottenstraße findet man SitEinander, welches im Coworking-Space ›The Place‹ ansässig ist. Versteckt in einer Einfahrt, die wie eine Lieferzufahrt erscheint und neben einem belebten Berliner Café liegt, findet man den Eingang. Das Gebäude wirkt wie eine alte Lagerhalle für unterschiedlichste Dinge und man würde kaum erwarten, so viel Kreativität an einem Ort zu finden. SitEinander wurde von drei Schwestern gegründet und wir sprechen heute mit zweien von ihnen. Anna-Lena Gerber, zuständig für Product und Business Development und Henrike-Marie Gerber, die für Public Relations und Partner verantwortlich ist.

Grundsteine für ein Gründerteam entstehen während der Ausbildung, durch Freundschaften und im gemeinsamen Job. Wie divers war der Zugang zu anderen Fachbereichen/Geschlechtern/Nationalitäten während eurer Ausbildung?

Anna: Meine Erzieherausbildung hat ja nicht so viel mit der Gründung zu tun, aber da hätte ich mir schon mehr Männer gewünscht. Bei dem internationalen BWL Studium war es schon sehr international und vor allem gab es eine gute Mischung aus Frauen und Männern. Interview von Julia Schmidt, Katharina-Sara Lifke Michael Goebel

Henrike: Ich habe zunächst in eine andere Richtung studiert. Richtung BWL/Tourismus und da war es ganz anders. Wir waren ca. 30 Frauen und zwei Männer im Studium.

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Interview

Die wenigsten Gründer machen sich im Vorfeld darüber Gedanken, ob ihr Team divers genug aufgestellt ist. Ab wann und inwiefern wird Diversität bei euren Entscheidungen ein Kriterium?

Anna: Das ist bei uns tatsächlich noch kein Thema. Wir haben erst einmal alle Fähigkeiten in unserem Gründerteam, die notwendig sind, aber dazu muss man sagen, dass wir als drei Schwestern begonnen haben. Dadurch sind wir ja sehr homogen, wir sind drei Frauen und kommen aus dem gleichen Umfeld. Seitdem wir unseren vierten Mitgründer mit an Bord haben, merken wir, dass es total was bringt, wenn man noch eine ganz andere Perspektive mit im Team hat. Einerseits weil er ein Mann ist, andererseits, weil er auch ein ganz anderer Typ ist. Henrike: Ich würde dazu noch sagen, dass wir bei uns im Team unter Diversität nicht nur das Thema Mann und Frau verstehen, sondern auch, wie die Sichtweisen sind, die Einstellung zu einer Sache, welche Arbeits- und Studienhintergründe vorhanden sind. Dadurch ergänzt man sich, und nicht durch den Unterschied Mann – Frau. Wie setzt sich euer Team im Hinblick auf Diversität zusammen? Und wie kam es zu dieser Zusammensetzung?

Henrike: 75 Prozent Frauen und 25 Prozent Männer. Wie wir uns kennengelernt haben? Ihr wisst ja, wie das mit dem Storch und den Babys ist (lachen). Ben hatte durch die Arbeit in einem anderen Coworking-Space von uns gehört und wollte unbedingt mitmachen. Das war ein super Glück für uns, denn hier sucht jeder einen Entwickler oder einen CTO und wir hatten das Glück, dass er uns gefunden hat. Wie kamt ihr als Schwestern auf die Idee, zusammenzuarbeiten und gibt es da ein gewisses Konfliktpotential?

Anna: Die Grundidee kam von mir schon während des Studiums, da mussten wir einen Businessplan für ein Alltagsproblem schreiben und ich hatte schon in mehreren Babysitter Agenturen gearbeitet und dann kam mir die Idee dazu. Am Anfang habe ich noch mit einer Kommilitonin daran gearbeitet, die aber nicht so Lust auf eine Gründung hatte. Als wir dann gemerkt haben, dass unser Businessplan gut geworden ist und die Leute, die davon mitbekommen haben, die Idee gut fanden, hatte ich den Drang dazu, den Plan umzusetzen. Ich wollte mich dann bei dem Berliner Start-up Stipendium bewerben, aber man brauchte dafür drei gründende Personen. Da habe ich dann meine Schwestern gefragt, weil die sich auch im Bereich Kinderbetreuung auskennen und wir schon immer gerne Projekte zusammen gemacht haben. Sie wollten sofort mitmachen. Henrike: Das hat einfach alles gepasst. Anna hat die Erzieherausbildung als Backround und den Businessplan geschrie-

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ben. Ulrike, unsere große Schwester, ist selbst Mutter und es ist gut, die Zielgruppe mit im Team zu haben. Ich kam grade aus dem Design Thinking Studium, in dem man mit der Methode auch genau so etwas macht, wie z. B. bei einer Start-up Gründung zu helfen. Aber es gab auf jeden Fall Konfliktpotential. Gerade am Anfang. Bis wir uns einigermaßen eingegrooved haben und wir unsere Kommunikationsschwierigkeiten in den Griff bekommen haben, Privates und Dinge für das Start-up zu trennen, hat es bestimmt die ersten drei bis vier Monate gebraucht. Anna: Man ist ja viel emotionaler. Ich reagiere bei Henrike ganz anders als bei Außenstehenden, aber das lernt man irgendwann. Ich sehe das wirklich als Vorteil. Wir haben schon oft als Argument gehört, dass es als Familie nicht funktioniert, aber wir haben dadurch eigentlich nur Vorteile gesehen, weil man viel stärker zusammenhält und sich auf jeden Fall aufeinander verlassen kann. Was ganz wichtig ist, dass es kein Misstrauen gibt, woran Start-ups oft scheitern. Wann kam der Punkt, an dem ihr dachtet, jetzt brauchen wir jemanden, der an dem Design arbeitet und wie kamt ihr mit dieser Person zurecht?

Anna: Die App ist jetzt ein erstes Produkt und das Design würde uns wahrscheinlich jeder Designer um die Ohren hauen und sagen: »Ist nicht so super.« Wir haben keinen Designer im Team, wir haben ab und zu mal mit einem Freelancer zusammengearbeitet, der uns ein Logo oder ein paar Icons gemacht hat, aber am Anfang haben wir alles selbst gemacht. Wir haben uns mit Stift und Papier hingesetzt, mit leeren App Mockups und haben einfach gezeichnet, wie wir uns das so vorstellen. Man lernt so viel durch das Gründen, weil man so viel selber machen muss, wenn kein Geld da ist. Wir haben uns dann Programme besorgt, mit denen man Apps bauen kann und auch verlinken, sodass man das auch mit den Nutzenden testen kann. Henrike: Am Anfang hat man einfach auch überhaupt kein Geld und man kann sich nicht für jede Aufgabe jemanden holen, der das für einen erledigt, auch wenn man es professionell haben möchte. Es war dann Anna, die sich ganz viel selber in Sachen Design und Mockups beigebracht hat. Wenn man es sich nicht leisten kann, muss man es halt selber machen.


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Anna: Was ich auch gedacht habe, nachdem wir dann mal versucht haben, mit einem Freelancer zusammenzuarbeiten, war, dass man es selber viel besser und leidenschaftlicher macht, weil man selber besser weiß, was man machen möchte und wofür man es macht. Man sollte sich auch nicht auf andere verlassen, sondern auch einfach mal selber probieren. Henrike: Wir leben zum Glück jetzt in einem digitalen Zeitalter, in dem man alles lernen kann, was man möchte. Man kann sich zu Hause hinsetzen, macht einen Klick und kann innerhalb von Stunden oder ein paar Tagen etwas erlernen. Anna: Ich muss auch dazu sagen, dass die Zeichnungen, die wir gemacht haben, uns dabei geholfen haben, bei Pitches zu gewinnen. Unser Entwickler hat es dann tatsächlich doch anders umgesetzt, als wir es gezeichnet haben. Das lag am Anfang vielleicht auch an der Kommunikation und ich würde es mir jetzt auch anders wünschen. Es ging aber erst einmal darum, so schnell wie möglich an den Markt zu gehen und Nutzerinnen und Nutzer einzusammeln, um von möglichen Geldgebenden ernst genommen zu werden. Es funktioniert noch nicht so, wie wir es uns wünschen, aber dass wir jetzt schon so viele Anwender haben, ist der Beweis, dass so etwas wirklich gebraucht wird.

Möchte man in unterschiedlichen Märkten erfolgreich sein, sollten sich diese Märkte in den Menschen des Unternehmens widerspiegeln. Wer sind eure Kunden? Spiegeln sich eure Kunden in eurem Team wider?

Henrike: Unsere Kunden sind junge Eltern, vor allem in Großstädten, denen ein soziales Netzwerk fehlt, welches ihnen bei der Kinderbetreuung hilft. Wir sagen ja auch immer den Leitspruch: »It takes a village to raise a child« und wir wollen eben auch den Eltern helfen, die kein soziales Netzwerk in ihren Städten haben und vielleicht auch selber keine Großeltern oder eine Familie haben, die sie unterstützen Anna: Unsere Zielgruppe sind Eltern zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahren mit jungen Kindern ab zwei bis acht Jahren. Henrike: Das sind Familien, die Lust haben, sich mit anderen zu vernetzen, Lust auf gegenseitige Kinderbetreuung haben und sich bewusst auch mal Zeit für sich nehmen. Liegt denn der Fokus wirklich bei den Großstädten wie Berlin, München und Hamburg oder ist eure App schon deutschlandweit verbreitet?

Henrike: Wir dachten zuerst, dass es vor allem in Großstädten gebraucht wird, weil dort oft nicht die ganze Familie vor Ort ist. Dort wird es auch viel genutzt, aber es wird auch in kleineren Städten genutzt und das mehr, als wir zu Beginn erwartet hätten. Zu der Frage, ob sich unser Team in der Zielgruppe widerspiegelt, da haben wir unsere große Schwester,

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die ja selbst zwei Kinder hat, was auch richtig gut ist, weil sie dann viel besser und näher an die Eltern herankommt. Anna: Ich glaube, sie ist sogar unsere Hauptnutzerin (lachen). Sie postet wirklich oft eine Sitanfrage in der App, weil sie durch uns irgendwelche Events hat und man muss auch dazu sagen, sie war längere Zeit alleinerziehend und das ist eine unserer Hauptzielgruppen. Ich glaube, in Berlin sind fast 40 Prozent aller Eltern alleinerziehend und das ist wirklich schon eine sehr große Zahl. Das sind dann einfach die, die am meisten Bedarf haben. Henrike: Es sind auch ganz oft Eltern, die wieder ins Berufsleben einsteigen wollen, aber die meisten können das einfach nicht, denn wir haben eine große Kitakrise in Deutschland. Ihr hattet auch eine Testphase, in der ihr erst mal ausprobiert habt, ob das Ganze überhaupt angenommen wird, auch mit Testeltern. Habt ihr die angeschrieben, waren das Bekannte oder wie ist das zu Stande gekommen?

Anna: Es ist wirklich wichtig, dass man es immer erst mal testet, bevor man etwas entwickelt. Und genau das haben wir gemacht. Wir sind mit der Idee an sich schon publik gegangen. Wir haben eine Facebookseite gemacht und hatten auch ein Erklärvideo, wie die App aussehen könnte und darauf haben wir dann ganz viel Feedback bekommen. Wir haben anschließend ein Pilotprojekt geplant und haben gesagt: »Wir vernetzen euch oder ihr habt vielleicht sogar schon Gruppen und wir begleiten euch dabei, gründen WhatsApp Gruppen mit euch.« Wir tracken die Punkte alle manuell mit Excel, also das, was die App jetzt übernimmt. Zwei Monate haben wir das gemacht. Und das einzige, was wir in dieser Phase an Geld für Marketing ausgegeben haben, war Geld für Flyer, die wir in Berlin verteilt haben. Wir haben das dann mit 50, 60 Familien durchgeführt, es waren aber viel mehr, die mitmachen wollten. Henrike: Wir haben vielleicht 30 bis 40 Euro für Flyer ausgegeben, haben dann zwei Tage lang die Flyer verteilt und hatten am Ende ca. 250 Familien, die mitmachen wollten. Da haben wir dann gesehen, dass so etwas wirklich gebraucht wird. Henrike: Das ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her und ich weiß gar nicht, ob das so zu der Frage passt, aber was für uns ganz spannend war, ist, dass wir eigentlich nur testen wollten, ob das mit der gegenseitigen Kinderbetreuung gut klappt und sich Eltern, die sich schon kennen, zusammen anmelden. Aber dann haben uns 90 Prozent von den Eltern, die sich anmelden wollten geschrieben: »Hey, ich würde voll gerne mitmachen bei eurem Pilotprojekt, aber ich kenne noch gar keine Eltern, die direkt in meiner Nachbarschaft wohnen. Könnt ihr uns nicht zusammenbringen zum Kennenlernen, damit wir

das zusammen machen können?« Dadurch entstand dann die zweite große Idee, die wir jetzt in unsere App eingebaut haben. Die Funktion, dass Eltern, die sich noch nicht kennen, sich kennenlernen können und so zusammenkommen. Anna: Es gibt eine Karte in der App, auf der man sieht, welche Gruppen es in der Nähe gibt und man kann selber auch welche erstellen, um andere Eltern kennenzulernen. Henrike: Und noch mal ein Schlusswort dazu – hätten wir das damals nicht getestet, dann wäre unsere größte Hauptidee zu der App nicht entstanden. Deshalb ist es wirklich wichtig, vorher auch mal zu testen, denn so kommt man auf Sachen, auf die man vorher einfach nicht gekommen wäre. Ein Mensch anderer Herkunft hat eine ganz andere Kultur gelebt und damit auch andere Sichtweisen entwickelt. Ethnische Unterschiede schaffen eine Umgebung mit vielen Standpunkten, was sich auf die Unternehmenskultur auswirkt. Wie wirkt sich Diversität auf das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur aus?

Anna: Ja. Unser Designfreelancer, mit dem wir für ein paar Wochen zusammengearbeitet haben, stammt aus der Türkei und hat Englisch gesprochen. Aber eigentlich steht das für uns gar nicht zur Diskussion. Wenn jemand gute Arbeit leistet, dann spielt es für uns überhaupt keine Rolle, woher er kommt. Es ist ja auch so, dass man unterbewusst dazu neigt, jemanden einzustellen, den man mag und der einem ähnlich ist. Uns ist das natürlich alles bewusst und wir wollen, sobald wir in der Situation sind, dass wir Leute einstellen können, uns möglichst divers aufstellen. Henrike: Auch für unsere Kunden ist das wichtig, denn für Leute, die vielleicht erst nach Deutschland gekommen sind, ist dies ein nützliches Tool sich hier neu zu vernetzen. Wir haben auch vor, mit Geflüchteten zusammenzuarbeiten, die ebenfalls diese Unterstützung brauchen und sich so hier besser integrieren können. Anna: Was wir ganz bewusst in unserer Kommunikation nach außen machen, oder wenn wir vor Investoren pitchen, ist, dass wir versuchen, diese Stereotypen aufzubrechen, z. B. sprechen

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wir nicht von der alleinerziehenden Mama, sondern von dem alleinerziehenden Papa, oder der Frau, die auf Geschäftsreise geht, während der Mann als Hausmann zu Hause bleibt. Es wird immer gesagt, dass die Männer mehr für die Erziehung machen sollen und dann ist es auch wichtig, dass man sich auch mal an diese richtet. Henrike: Aber jetzt noch mal intern. Auch wenn wir noch sehr klein sind, mit vier Mitarbeitern und wir alle aus Deutschland kommen, haben wir uns trotzdem angewöhnt, dass unsere Unternehmenssprache Englisch ist. Das heißt, wenn wir miteinander kommunizieren oder etwas dokumentieren, dann tun wir das auf Englisch, weil wir schon davon ausgehen, dass irgendwann jemand ins Team kommt, der Deutsch eben nicht als Muttersprache beherrscht und sich so gleich einfinden kann.

beschäftigt und nicht die Männer. Ich glaube einfach, dass solche Ideen meist aus der eigenen Not herausentstehen und dementsprechend auch oft die Gründende geschlechtlich dazu passen. Wenn es darum geht, Gelder zu bekommen von Investoren, dann weiß man auch, dass dort der Männeranteil noch einmal höher ist, als in den Start-ups selber. Natürlich investiert man vielleicht auch eher in Sachen, die man selber benutzen würde und gebrauchen kann. Ihr habt ja auch schon das Thema Investoren angesprochen. Habt ihr Probleme mit Vorurteilen, dass man euch vielleicht nicht ernst nimmt?

Ihr habt eben schon über das Thema Mann und Frau gesprochen. Wenn man sich so die Startup-Szene anschaut, dann ist es meist so, dass Männer eher im Bereich Technik gründen und soziale Projekte eher von Frauen gegründet werden. Wie bekommt ihr das mit?

Anna: Seitdem das mit SitEinander richtig begonnen hat, sodass wir auf Investoren treffen, haben wir ja Ben mit dabei. Einerseits werden wir schon ernst genommen, weil wir ihn als Mann mit im Team haben, der schon mal ein großes Netzwerk mitgegründet hat und dort der CTO war, aber andererseits haben wir den Vergleich nicht.

Anna: Wir bekommen das auch mit und wir sind ja auch ein Start-up, das sich wieder mit einem frauentypischen Thema auseinandersetzt – die Kinderbetreuung. Aber auf eine technische Art. Ich glaube der Grund dafür ist, dass wir uns mit einem Problem auseinandersetzen, das uns Frauen

Henrike: Ich würde sogar sagen, dass wir es vielleicht etwas schwerer haben, weil wir noch so jung sind und wir deshalb noch mehr überzeugen müssen, weil die Investoren sich fragen,

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ob wir überhaupt schon genug Erfahrung haben. Ansonsten würde ich als Frau sagen, dass gerade in Berlin Frauen beim Gründen sehr gefördert werden. Ein Mensch anderer Herkunft hat eine ganz andere Kultur gelebt und damit auch andere Sichtweisen entwickelt. Ethnische Unterschiede schaffen eine Umgebung mit vielen Standpunkten, was sich auf die Unternehmenskultur auswirkt. Seid ihr der Meinung, dass sich Diversität auf das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur auswirkt?

Anna: Ja. Es ist natürlich auch möglich, dass dadurch mehr Reibungspunkte entstehen. Aber, wenn man es dann schafft diese zu überwinden, dann wird daraus sicher ein cooles Team. Bei Unternehmen mit besonders ausgeprägter ethnischer Vielfalt steigt die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, um 33 % (McKinsey-Studie ›Why Diversity Matters‹ von 2015). Unternehmen, die auf Vielfalt setzen, sind häufig kreativer, innovativer und erwirtschaften so mehr Gewinn. Habt ihr Erfahrungen sammeln können, die diese Aussagen bestätigen?

Start-ups können auf unterschiedliche Weise miteinander kooperieren. Zum Beispiel im Bereich Marketing, Forschung und Entwicklung, Co-Working, Office-Sharing, Lieferverträge etc. Welche Kooperationen nutzt ihr? Wie seid ihr zu diesen gekommen?

Henrike: Also aus eigener Erfahrung können wir es noch nicht vergleichen, da wir noch so klein sind, aber mit dem, was wir zuvor gesagt haben, macht das auf jeden Fall Sinn. Je diverser du bist, desto kreativer bist du. Du kommst auf mehr Ideen und desto mehr kannst du dich auch in deine Zielgruppe hineinversetzen.

Henrike: Wir kooperieren ganz viel und das ist auch das Erste, was ich jedem als Tipp geben würde, sich von Anfang an Netzwerke aufzubauen, Hilfe zu holen und sich auszutauschen. Wir sind jetzt seit kurzem mit ähnlichen digitalen Angeboten in Kooperation und haben mit denen ein Elternnetzwerk gegründet. Das ist ein Verband mit allen digitalen Angeboten. Man denkt vielleicht am Anfang, dass das gefährlich ist, weil es Konkurrenz ist, aber gerade im Markt der Familien, der riesig groß ist, kann man sich alles teilen und davon profitieren, sich zu helfen und auszutauschen.

Seht ihr ungenutztes Potential durch fehlende Diversität in eurem Start-up?

Wie sieht eurer Meinung nach die ideale Gründerteam-Konstellation aus?

Anna: Auf jeden Fall. Um nochmal auf dieses Frauenthema zurückzukommen; dadurch, dass wir ganz viel mit Müttern zu tun haben, hören wir sehr oft, dass sie durch die Elternzeit und gerade, wenn sie zurück in den Beruf wollen, häufig benachteiligt werden. Da ist ganz viel ungenutztes Potential, denke ich. Wir sehen das ja an unserer großen Schwester. Wenn sie arbeitet, dann arbeitet sie so richtig effektiv. Sie arbeitet jede freie Minute, sie arbeitet schnell und richtig gut. Ich glaube, dass man als Mutter lernt, die Zeit richtig zu organisieren und zu nutzen. Aber das erkennen leider noch nicht viele Arbeitgeber/innen.

Anna: Drei Schwestern und ein Mann (lachen). Also ich würde sagen, dass wir vielleicht nicht das perfekte Gründerteam sind, weil wir in den Kompetenzen sehr ähnlich sind, aber das kann man nicht so pauschal sagen. Das kommt völlig auf das Produkt an. Also für uns wäre es super, wenn einer UX/ UI Designer wäre und einer Techniker. Eine Person für den Bereich Business und vielleicht noch eine vierte, die sich im Bereich Psychologie und Pädagogik auskennt, wäre auch sehr von Vorteil.

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SitEinander

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Diversität lohnt sich Studie‚ Delivering through diversity‘ (Hrsg.: McKinsey)



Interview

Wir sind RKW Wehende Flaggen. Lange verglaste Fassaden. Eine imposante Empfangshalle. Der etwas kühle und glatte erste Eindruck soll sich schnell relativieren. Das RKW Kompetenzzentrum sitzt im dritten Stock eines großen Glasgebäudes und wirkt durch die verwinkelten Gänge deutlich wärmer. Dort angekommen werden wir von Johannes und Natalia herzlich in Empfang genommen. In lockerer Atmosphäre bei Gebäck und Kaffee erfahren wir, dass das RKW eine wissenschaftliche Forschungs- und Entwicklungsinstitution ist. Dieses wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und arbeitet gemeinnützig. Das RKW entwickelt in den Themenfeldern Unternehmensentwicklung und Fachkräftesicherung, Gründung und Innovation Instrumente, Ansätze und Strategien, die Unternehmen befähigen, sich selbst zu helfen. Aus der Vorstellungsrunde hat sich bereits ein Gespräch zum Thema Vielfalt entwickelt, sodass wir fließend in das Interview übergehen können.

Wie seid ihr zum Kompetenzzentrum gekommen?

Johannes: Ich habe hier in Frankfurt meinen Master in Wirtschaftsgeografie absolviert und währenddessen im RKW als Werkstudent gearbeitet. Vor zwei Jahren bin ich dann mit dem Projekt ›INQA-Check‹ fest ins Team eingestiegen. Bei dem Check handelt es sich um ein Instrument, welches Unternehmen helfen soll, Vielfalt im Betrieb zu erkennen und deren Potentiale zu nutzen.

Interview Marius Remmert

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Natalia: Ich bin schon etwas länger im RKW. In den insgesamt zwölf Jahren habe ich hier verschiedene Stationen durchlaufen. Ganz am Anfang war ich im internationalen Bereich des RKW tätig, wo es um das Thema ›Corporate Social Responsibility‹ ging. Nach ca. vier Jahren bin ich zur Innovations-Abteilung gewechselt und hatte hauptsächlich mit dem Projekt ›Förderprogramm Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand‹ zu tun. Das RKW hat im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Evaluierungsstudien durchgeführt, um die wirtschaftlichen Effekte von den abgeschlossenen geförderten FuE-Projekten zu erfassen. Seit zwei Jahren bin ich


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Interview

nun an der Global Entrepreneurship Monitor Studie beteiligt, die wir in Kooperation mit der Leibniz Universität Hannover durchführen. Ich selbst habe BWL und VWL, sowohl in Polen als auch in Deutschland, studiert. Daraufhin habe ich in Warschau zum Thema Innovationssysteme promoviert. Man sieht bereits anhand der vielen Publikationen, dass ihr euch intensiv mit dem Thema Diversität beschäftigt habt. Wann seid ihr zum ersten Mal darauf gestoßen. Ab wann wurde es für euch wichtig?

Johannes: Den eigenen Themenschwerpunkt ›Diversität‹ hat das RKW seit 2012. Das Thema Internationalisierung und Integration spielte aber vorher bereits eine wichtige Rolle. Natalia: Ich hatte ebenfalls von Anfang an viel mit dem Thema Diversität zu tun. Mein erstes Projekt hat sich im Bereich CSR-Strategie, auf sowohl deutsche als auch polnische Unternehmen, konzentriert. Dementsprechend ist mir der Aspekt der Vielfalt im ökologischen, sowie im wirtschaftlichen Bereich, aber auch im generellen Umgang mit Menschen im Arbeitsalltag begegnet. Ergebnisse der Studie von Ernst & Young bestätigen, dass gemischte Teams in Unternehmen größere Erfolge erreichen können. Es hängt aber auch viel von der Unternehmensstrategie selbst ab. Ich würde nicht pauschal sagen, dass jedes Unternehmen ›Vielfalt‹ benötigt. Vielleicht kann ein Unternehmen auch sehr erfolgreich sein, wenn es nicht zielgerichtet auf Vielfalt setzt. Aber global gesehen bin ich natürlich auch für Vielfältigkeit und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Unternehmen, die eine Diversity-Strategie gezielt verfolgen, tatsächlich deutlich erfolgreicher sind als die anderen. Johannes: Gerade, wenn wir schon bei der EY-Studie sind, müsste man auch die von Boston & Consulting hinzuziehen. In dieser umfangreichen Studie geht es darum, welchen Einfluss Vielfalt in der Führungsebene auf Innovationsfähigkeit hat. Sie ist aus dem letzten Jahr und kommt zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich Migrations- und Ausbildungshintergrund sowie Geschlecht und Alter. Bei drei der vier haben sie statistisch nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit gibt, also wie viel Umsatz durch neu eingeführte Produkte und Dienstleistungen erzielt wird. In kleineren Unternehmen, in denen eine geringere Zahl an Personen arbeitet, verschiebt sich dieses Thema jedoch weg von einem starren Blick auf Quoten in Führungspositionen, weil man keine statistische Größe hat. Wenn ein Unternehmen nur zehn Leute beschäftigt, ist es auch irgendwo dem Zufall überlassen, wer in welche Positionen kommt.

für Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern ebenfalls händelbar zu machen. Für uns bedeutet Vielfalt im Betrieb, dass am Arbeitsplatz unterschiedliche Blickwinkel, Fähigkeiten und Bedürfnisse zusammenkommen. Es geht darum, wie das Unternehmen, wie Führungskräfte die einzelnen Mitarbeitenden wahrnehmen und verstehen. Nämlich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Hintergründen, unterschiedlichem Aussehen und unterschiedlichem Geschlecht so in den Betrieb integriert werden, dass sie ihre Perspektiven und Erfahrungen mit einbringen können. Eine Erfahrung, die wir gemacht haben, ist, dass es auch ganz unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie man mit dem Thema im wirtschaftlichem Kontext umgehen kann. Auf der einen Seite gibt es die Möglichkeit, es aus einer Antidiskriminierungs-Perspektive zu sehen: Welche Personen- und Gesellschaftsgruppen sind in bestimmten Positionen weniger repräsentiert und wie man dagegen vorgehen könnte. Welche Perspektive nehmt ihr ein?

Johannes: Wir nehmen ganz bewusst die Betriebs-Perspektive ein, die auch Aufgabe unseres Projekts war. Es ist ein wirtschaftlicher Schaden zu diskriminieren, weil man dadurch bestimmte Personengruppen freiwillig ausschließt, auf diese nicht zurückgreifen kann und so auf deren Humankapital verzichtet. Wenn eine Führungskraft in der Rekrutierung nur auf bestimmte Phänotypen anspringt und beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund nicht zum Vorstellungsgespräch einlädt, ist das ein großer wirtschaftlicher Fehler. Natürlich hat das Ganze auch eine gesellschaftspolitische Relevanz und das ist manchmal schwierig auseinanderzuhalten. Wir haben uns jedoch dazu entschlossen, im Umgang mit Unternehmen auf wirtschaftliche Argumente zurückzugreifen. Argumente, die Unternehmen im Tagesgeschäft tangieren. So kann man Vielfaltsthemen besser platzieren. Du hast vorhin den ›INQA-Check‹ erwähnt. Warum benötigen Führungskräfte in Unternehmen eine Anleitung für Vielfalt? Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass man jeden so nimmt wie er/sie ist?

Also wird Vielfalt messbarer, umso größer das Unternehmen ist?

Johannes: Das ist zumindest meine These. Aber natürlich ist es die letzten zwei Jahre unsere Aufgabe gewesen, das Thema

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Johannes: Es braucht keine Anleitung für ›Vielfalt im Betrieb‹, sondern es braucht Vielfaltsbewusstsein. Gerade in kleineren Betrieben funktioniert es nicht, eine bestimmte Quote von


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unterschiedlichen Kategorien in der Belegschaft einzuführen und damit automatisch innovativer und kreativer zu sein. So einfach ist es nicht. Wenn ein Unternehmen ein diverses Team besitzt, braucht es eine Unternehmenskultur, die mit dieser Vielfalt umgeht. Eine Kultur, die auf gegenseitiger Wertschätzung und Offenheit beruht. In einem unserer Workshops ist ein Satz gefallen, der den Kern von unserem Projekt trifft: »Vielfalt im Betrieb sollte nicht als Gefahr oder große Herausforderung thematisiert werden, sondern vielmehr als eine Rahmenbedingung, mit der Führungskräfte umgehen müssen.« Wenn Führungskräfte Mitarbeitende einsetzen und weiterentwickeln, müssen sie gleichzeitig wissen, wer diese Personen sind und was sie können, damit das ganze Unternehmen von ihren Fähigkeiten profitieren kann. Wir möchten Unternehmen dabei helfen, solche Potentiale zu erkennen und diese dann für sich zu nutzen. Natalia: Eine Sache möchte ich ergänzen: Ich glaube aufgrund des Fachkräftemangels können es sich viele kleine oder mittlere Unternehmen nicht leisten, bewusst eine Diversity-Strategie in ihrem eigenen Unternehmen einzubinden und zu verfolgen. Viele dieser Unternehmen sind froh, wenn sie überhaupt gut qualifizierte Arbeitskräfte finden. Ich kann mir vorstellen, dass viele Diversität im Unternehmen haben, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, weil natürlich die Qualifikationen von potentiellen Mitarbeitenden die wichtigste Grundlage für die Einstellung war. Du sprichst über Vielfaltsbewusstsein und hast es gut auf den Punkt gebracht, dass etwas Erfolgreiches daraus entstehen kann, wenn viele verschiedene Hintergründe miteinander verschmelzen. Uns stellt sich da die Frage, warum der Ist-Zustand oftmals anders aussieht. Warum sind viele Gründer weiß, männlich und um die 35 Jahre alt und eben nicht vielfältig?

Natalia: Die GEM-Studie zeigt, dass Migrantinnen und Migranten in Deutschland häufiger Unternehmen gründen als Nicht-Migrantinnen und -Migranten. Besonders interessant ist, dass sie nicht deshalb gründen, weil sie keine anderen Möglichkeiten haben, um erwerbstätig zu sein, sondern weil sie Chancen auf dem Markt sehen und diese ausnutzen wollen. Menschen

mit Migrationshintergrund tragen also nicht nur über ihre überdurchschnittliche Gründungshäufigkeit, sondern auch über die Qualität ihrer Gründungen (bezogen auf die Gründungsmotivation) zur deutschen Wirtschaft bei. Natürlich stehen sie auch vor sehr vielen Herausforderungen, vor denen Deutsche ohne Migrationshintergrund nicht stehen. Nach Sicht unserer befragten Expertinnen und Experten scheint ein ziemlich großes Problem der Zugang zu Finanzierungsmitteln zu sein. Es ist häufig so, dass die Gründenden mit Migrationshintergrund keine langjährige Beziehung zu ihrer Hausbank haben, oft werden ihre Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt und sie müssen erneut studieren oder eine Ausbildung absolvieren. Auch sprachliche Defizite kommen manchmal dazu, was Benachteiligungen bei Verhandlungen mit den Banken nach sich ziehen kann, sodass sie geringe Chancen haben einen Kredit für die Gründung eines Unternehmens zu bekommen. Johannes: ›Start-up‹ selbst ist ein schwieriger Begriff, weil er unterschiedliche Interpretationsspielräume zulässt. Beispielsweise gründen viele Deutsche mit Migrationshintergrund in der Gastronomie, also Restaurants, Imbisse, Catering Services. Das sind ja zumeist auch Neugründungen. Allerdings zählen diese nicht mit herein, wenn man Start-ups nur als technologische oder innovative Unternehmen zusammenfasst, wie das oft getan wird. Ähnlich ist es mit Gründern ab 50, die momentan in Deutschland die quantitative Mehrheit der Unternehmensgründungen ausmachen. Im Bereich Technologie und Innovation wird die Aussage: »Weiß, männlich, 35 Jahre« gut hinkommen. Schaut man sich dazu die MINT-Studiengänge in Hinblick auf den Aspekt Geschlechtervielfalt an, überrascht es nicht, dass die Gruppe, die in den Studiengängen am größten repräsentiert ist, auch in der Unternehmenslandschaft in diesem Sektor widerspiegelt wird. Es hängt also viel davon ab, mit welchen Menschen man in dieser Ausbildungsoder Studienphase umgeben ist. Und wenn das viele weiße Männer sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Unternehmen, das man danach gründet, ähnliche Strukturen aufweist. Wenn wir nun noch der Frage nachgehen: »Warum ist das möglicherweise ein Problem?« Vielleicht wird so auch Potential verschenkt, weil vielfältige Perspektiven oder unterschiedliche Herangehensweisen fehlen. Wenn ein Unternehmen sehr homogen aufgebaut ist, bedeutet das wahrscheinlich auch, dass die meisten Mitarbeitenden eine ziemlich ähnliche Idee haben, wie sie Probleme angehen und Produkte entwickeln. Aus der ›Diversity-Perspektive‹ gesprochen, wäre es also wichtig, sich selbst andere Blickwinkel mit ins Boot zu holen. Die Überlegung ist nämlich: »Wie out-of-the-box kann man denken, wenn vier Leute im Raum an einer Aufgabe sitzen, die alle das gleiche studiert haben, alle aus dem gleichen Land oder sogar der gleichen Region kommen, gleich alt sind und seit dem Studium zusammenarbeiten?« Also kann man bereits aus einer strategischen, am Erfolg orientierten Sicht überlegen, sich gezielt Leute ins

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Team zu holen, die komplett anders ticken und vielleicht auch ganz andere Ideen haben. Weil sie vielleicht aus einer ganz anderen Industrie kommen. Frauen gründen auch häufiger in den Bereichen E-Commerce oder Bildung. Wie könnte man eurer Meinung nach mehr Frauen in dem MINTBereich fördern?

Natalia: Die Frage, warum weniger Frauen als Männer Unternehmen gründen, haben wir auch in der GEM-Studie gestellt. Nur die Hälfte der Expertinnen und Experten hat zugegeben, dass es die notwendige soziale Infrastruktur für Frauen in Deutschland gibt. Leider ist es immer noch so, auch in Deutschland und in vielen anderen Ländern, dass das Thema Kinderbetreuung hauptsächlich in den Händen von Frauen liegt. Männer machen zwar immer häufiger Elternzeit, aber hauptsächlich übernehmen das doch die Frauen. Das bedeutet oft eine Doppelbelastung, um das Berufsleben zusammen mit dem Privatleben unter ein Dach zu bringen. Wie gerade schon angesprochen wurde, gibt es auch immer noch zu wenig Frauen, die im MINT-Bereich studieren und später auch arbeiten wollen. Das zeigen auch Statistiken, in welchen Bereichen Frauen meistens gründen: Das sind vor allem Dienstleistungen, häufig im Sektor Gastronomie. Wenig diese hochtechnologischen innovativen Start-up Unternehmen. Und ein dritter wichtiger Aspekt, auf den die Expertinnen und Experten in der GEM-Studie aufmerksam gemacht haben: Es fehlt an motivierenden Rollenvorbildern für Frauen. Es wäre sehr schön, wenn erfolgreiche Frauen, die es geschafft haben, ein tolles Unternehmen zu gründen, häufiger in der Öffentlichkeit darüber sprechen könnten. Nach den Ergebnissen der GEM-Studie spielt das Thema Vielfalt in Deutschland, vor allem in der Grundschule, keine Rolle. In den Ländern, die in der GEM-Studie beteiligt sind, ist die Situation nur in Puerto Rico schlechter bewertet. Der Mangel an Aufklärung in diesem Bereich wird schon seit der Veröffentlichung des ersten GEM-Berichts sehr in Deutschland kritisiert. Momentan haben nur zwei Bundesländer, Bayern und Baden-Württemberg, das Fach Wirtschaft in ihre Lehrpläne eingeführt. Vielleicht könnte man bereits im Kindergarten mit Experimenten zu naturwissenschaftlichen und technischen Themen anfangen, um das Interesse bei den ganz Kleinen zu wecken und zu zeigen, was später für Möglichkeiten in der Berufswahl offenstehen und auch Mädchen in den MINT-Bereichen arbeiten können. In der GEM-Studie kam auch heraus, dass mehr Frauen als Männer Angst vor dem Scheitern haben und weniger an ihre Qualifikationen glauben. 80 % der Expertinnen und Experten haben jedoch keine geschlechterspezifischen Unterschiede gesehen. Wie können so unterschiedliche Wahrnehmungen entstehen?

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Natalia: Natürlich kann man nicht pauschal sagen, dass eine Person, die keine Angst vor dem Scheitern hat und die sehr an ihre eigenen Fähigkeiten glaubt, automatisch ein Unternehmen gründen kann. Da sind noch viele andere Faktoren entscheidend. Aber es stimmt, die Männer schneiden besser bei diesen Aussagen ab. Ich glaube hier spielen die Strukturen von Gründungen bei Frauen eine große Rolle. Denn sie gründen häufig in Teilzeit, sie konzentrieren sich nicht nur auf das Unternehmen, sondern möglicherweise noch auf die Kinderbetreuung. Oder sie gründen im Nebenerwerb. Auch der Zugang zum Kapital ist ein Argument. In den früheren GEM-Studien hat die Universität Hannover die Teilnehmenden befragt, wie sie die Gründung ihres Unternehmens finanzieren werden. Das Ergebnis war, dass Frauen häufiger bei ihren Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten nach dem Kapital fragen. Im Vergleich dazu verhandeln Männer häufiger mit der Bank. Auch das hängt mit den Strukturen zusammen: Wachstumsorientierte Start-ups werden eher von Männern gegründet. Frauen gründen dagegen häufiger mit weniger wachstumsambitionierten Unternehmen, für die sie auch nicht so viel Kapital benötigen. Damit sind diese Unternehmen aber auch weniger attraktiv für Banken. Johannes: Was auch ein Grund sein könnte: Die Lebensphase von etwa Ende Zwanzig bis Mitte Dreißig ist sicher eine Zeitspanne, in der viele Frauen davor zurückscheuen ein großes Risiko einzugehen, indem sie eine sehr unsichere Erwerbstätigkeit aufnehmen, wenn sie sich gerade mit Familienplanung beschäftigen. Viele bevorzugen da eher die Sicherheit eines festen Einkommens, als sich freiwillig in ein dynamisches, aber auch sehr risikobehaftetes Umfeld zu begeben. Natalia: Das ist ein sehr wichtiges Thema, was die GEM-Studie in früheren Jahren auch belegen konnte. Frauen, die ein eigenes Unternehmen gründen, sind häufig älter als männliche Gründer. Sie wollen nach dem Studium lieber als Angestellte arbeiten. Wenn sie Kinder bekommen, sind sie oft auch ein oder zwei Jahre zu Hause. Erst wenn die Kinder älter sind, denken sie darüber nach, eine Gründungsidee zu realisieren. Man muss aber auch sagen, dass die Gründerquote in Deutschland, unabhängig von der Gender-Thematik, sehr stark von der Arbeitsmarktsituation abhängig ist. Es gibt sehr viele


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Länder, die volkswirtschaftlich ähnlich sind wie Deutschland, in denen die Gründungsquote allerdings viel höher ist. In Deutschland betrug 2017 die Gründungsquote 5,3 %. Die Gründungsquote im GEM-Bericht ist definiert als die Quotensumme des Anteils all jener 18–64-Jährigen des betreffenden Landes, die ›werdende Gründer/innen‹ oder ›Gründer/innen junger Gründungen‹ sind, bezogen auf die Gesamtheit der 18–64-Jährigen. Im Vergleich zu Ländern wie Kanada, Holland und den USA ist das sehr niedrig. Bei uns bevorzugen es die Menschen generell, einen Job als Festangestellte zu haben. So verdienen sie häufig mehr Geld, haben bessere Entwicklungsmöglichkeiten, brauchen kein Eigenkapital und fühlen sich sicherer in dieser Position. Das hat auch viel mit der Kultur der zweiten Chance zu tun, die in Deutschland einfach nicht eingelebt ist. In den USA ist es ganz normal, nach dem Scheitern einer Unternehmensgründung kurze Zeit später einen neuen Versuch zu unternehmen. In Deutschland ist es den Menschen dagegen häufig peinlich. Noch einmal zu versuchen ein Unternehmen aufzubauen, kommt kaum in Frage.

Johannes: Das lässt sich auch anhand von Unterschieden in den wirtschaftlichen Strukturen in Deutschland und den USA vergleichen. In Deutschland laufen Unternehmensfinanzierungen oft über Hausbanken. In Amerika wird dagegen viel über Shareholder finanziert, Kapital wird sozusagen über Investoren, die Interesse an dem neuen Unternehmen haben, eingesammelt. Die Kultur der IT-Start-ups mit schnellen Unternehmensgründungen, die sehr schnell wachsen, ist ja momentan in aller Munde. Natürlich ist das auch für viele attraktiv, weil es viele Chancen birgt. Aber wenn man das mit einem klassischen deutschen mittelständischen Unternehmen vergleicht, hat dieses natürlich ganz andere Traditionen. Gerade in der deutschen Industrie gibt es langlebige Unternehmensstrukturen, dementsprechend auch hohe langfristige Investitionen, zum Beispiel in der Ausbildung. Und das fördert eher inkrementelle Innovation. Radikale Innovation ist das klassische Silicon Valley Start-up-Denken: Eine innovative Idee verursacht eine Disruption und bringt wahnsinnig viel Geld ein, das Unternehmen geht durch die Decke. Inkrementelle Innovation beschreibt dagegen die stetige Verbesserung von Prozessen. Beispielsweise eine Maschine, die immer effizienter gemacht wird. Durch diese beständige Optimierung kommt es auch zu Qualitätsgewinnen.

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Interview

Für diesen längerfristigen Prozess ist die deutsche Volkswirtschaft bekannt, und dies ist auch einer der Gründe für den Wohlstand, gerade im deutschen Mittelstand. Entschließen sich Frauen deshalb seltener zu einer Gründung, da sie vor solch langfristigen Prozessen, die mit langfristigen Investitionen einhergehen, zurückschrecken oder fehlt womöglich auch die richtige Förderung?

Natalia: Ich glaube beides spielt eine sehr große Rolle. Die Gründe sind auch hier vielfältig. Biografien können durch die Elternzeit Lücken haben. Oft sind Frauen nicht so gut vernetzt wie Männer. Das Netzwerk und der Austausch mit den Anderen, besonders mit Vorbildern erfolgreicher Gründerinnen, ist immer noch zu selten. Es gibt sehr viele Projekte, Initiativen, auch seitens des Wirtschaftsministeriums, die versuchen, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Zum Beispiel das Projekt ›FRAUEN unternehmen‹, bei dem es darum geht, dass sich erfolgreiche Frauen im Rahmen einer Veranstaltung treffen und austauschen. Johannes: Es gibt ein Förderprojekt vom BMFSFJ, in denen es speziell um Geflüchtete als Gründerinnen geht und das sie dabei unterstützt, sich hier eine Existenz aufzubauen. Was aber getan werden kann, damit die Gründungsszene

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vielfältiger wird, ist sicherlich nicht an einem einzigen Ansatz festzumachen. Politische Bildung und Sensibilisierung durch Projekte in er Schule, die sozusagen direkt solche Themen angehen, sind wichtig und viele gibt es bereits. Auch außerhalb von Schulen gibt es Projekte, die Themen wie Vielfalt in der Gesellschaft oder im Unternehmen behandeln, um zu zeigen, dass es bei Vielfalt nicht um Kategorien wie A, B, C, sondern um das Miteinander geht. Wir haben das ›Vielfaltsbewusstsein‹ getauft. Ob das jetzt der glücklichste Begriff ist oder nicht, es erklärt vielleicht etwas konkreter, was eigentlich gemeint ist. Unsere Gesellschaft ist vielfältig und wird vielfältiger. Wer sich damit nicht auseinandersetzt, der setzt sich auch nicht mit der Aktualität auseinander, sondern versucht sein bisheriges Weltbild aufrecht zu erhalten und Neues auszublenden. Also müsste man ein Bewusstsein für Vielfalt schaffen?

Johannes: Ja. Traurigerweise sind die Wahlergebnisse rechter Parteien genau dort am höchsten ausgefallen, wo es am wenigsten Migrationen in Deutschland gibt. Das zeigt in meinen Augen ganz offensichtlich, dass fehlende Berührungspunkte dazu führen, dass sich kein Bewusstsein bildet. Das Problem lässt sich auch übertragen. Wenn du nie eine Frau triffst, die ein erfolgreiches Unternehmen gegründet hat, dann denkst du wahrscheinlich auch, dass es das nicht gibt. Es geht darum, Begegnungen zu schaffen und sich mit dieser vielfältigen Gesellschaft auseinanderzusetzen und Erfahrungen zu sammeln. Wenn ich es beispielsweise nur gewohnt bin, im Unternehmen mit weißen Männern zu arbeiten und auch meine Vorgesetzten ältere, weiße Männer sind, ist es natürlich ungewohnt, wenn dann eine jüngere Frau Chefin wird.


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Dieses Bild wird in der Wahrnehmung weitergetragen?

Johannes: Genau. Wenn es in der Unternehmenskultur üblich ist, dann ist es letztendlich völlig egal, wer deine Chefin oder dein Chef ist. Dann geht es nur darum: »Wie ist der Chef?« und »Ist es ein guter oder schlechter Chef?«, und nicht: »Wie sieht er aus?«, »Wie heißt er?« oder »Ist es eine Frau?« Eine letzte Frage: Was wünscht ihr euch als Veränderung für die Zukunft?

Natalia: In Bezug auf Gründungen der Unternehmen durch Frauen würde ich mir wünschen, dass sich die sozialen Infrastrukturen mit guten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, noch weiter verbessert. Es gibt beispielsweise seit 2003 ein Gesetz, dass jedes Kind einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat. Ich kenne aber sehr viele Familien in Frankfurt, die Probleme haben, einen Platz zu finden, wodurch oftmals die Frau zu Hause bleibt. Das lässt sich noch nachbessern. Auch wünschenswert wären mehr Teilzeitstellen für Männer, die dadurch mehr Zeit für ihre Kinder hätten. Das Thema MINT haben wir zwar auch schon genügend besprochen, aber auch da sollte noch mehr gefördert werden. Dass man die Frauen bzw. die Mädchen in der Grundschule oder sogar bereits im Kindergarten für diese Themen begeistert. Bezüglich der Gründungen durch Personen mit Migrationshintergrund könnte ich mir vorstellen, dass die Finanzierungsangebote von konventionellen Kriterien zur Beurteilung der Finanzierungswürdigkeit von Gründungsvorhaben gelöst werden müssen. Weiterhin muss die Gründerdynamik der Zuwandernden durch Förder- bzw. Bildungsmaßnahmen verstärkt werden.

Johannes: Ich möchte euch noch auf eine wichtige Diversity-Studie hinweisen. Ely und Thomas von 2001. Sie haben nachgewiesen, dass Vielfalt in Teams dann diese positiven Effekte haben kann, wenn die Unternehmenskultur Vielfalt akzeptiert und fördert. Dass quasi jeder – pathetisch gesprochen – so sein kann, wie er oder sie ist. Wenn das gewährleistet ist, dann wird ein Unternehmen davon profitieren. Wenn das nicht so ist, kannst du Quoten einführen und Diversity-Checks machen... Wenn das nicht Teil der Unternehmenskultur ist, das Unternehmen also nicht vielfaltsbewusst ist, um bei unserem Begriff zu bleiben, dann werden auch keine positiven Effekte dabei herauskommen. Dann führt es eher dazu, dass es Konflikte gibt. Im schlimmsten Fall begegnet man sich dann mit Argwohn und Ausgrenzung. Dann ist Vielfalt kein Erfolgsfaktor, sondern ein Risiko. Ich würde mir wünschen, dass die Vielfalt in Unternehmen mehr gelebt wird. Natalia: Ein wichtiger Punkt, den Johannes da anspricht. Man kann kein Unternehmen dazu zwingen, die Vielfalt in einem Unternehmen zu beleben. Voraussetzung ist, dass die Vielfalt zunächst einmal erkannt, wertgeschätzt und richtig gemanagt wird.

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Ein Wort noch Prof. Barbara Kotte

Vor mehr als zehn Jahren wurde die Charta der Vielfalt als Arbeitgeberinitiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen gegründet. Damit ist das Thema Diversität hoch aufgehängt. Die Schirmherrschaft des Vereines, der dahinter steht, hat niemand geringeres als Dr. Angela Merkel übernommen. Doch in Start-ups, den jungen Unternehmen also, die unsere Zukunft bestimmen, ist das Thema Diversität eher durch Zufall bestimmt. Das sollte sich ändern. Wir sind zwar nicht die einzigen, die sich dafür einsetzen, dass unsere Zukunft so gestaltet wird, dass sich alle Facetten unserer Gesellschaft darin wiederfinden. Doch wir hoffen, dass wir einen Beitrag dazu leisten können, dass das Thema Vielfalt mehr Aufmerksamkeit bekommen hat – to be continued.

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Impressum

Redaktion Polychrom Wir freuen uns über Feedback an polychrom.fg@hawk.de Auch online unter www.polychrom.online www.instagram.com/polychrom.online

Projektleitung Prof. Barbara Kotte Redaktion Flora Taubner, Jennifer Baaske, Imke Ganteför, Michael Goebel, Laura Reckewerth Gestaltung Sandra Boß, Julia Schmidt, Katharina-Sara Lifke Infografiken Imke Normann Illustration XiTing Gu Fotografie Tian Wu, KatharinaSara Lifke Alle Fotos sind im Rahmen des Kurses entstanden. Mit Ausnahmen von S.31 Blinkist, S. 33 Blinkist, S.39 Kristof von Anshelm und Marie Christall, S. 121 RKW. Cover Marius Remmert, Sebastian Schlattmann

Website Julia Schmidt, Tahmineh Sezavar, Arian Sadafi Social Media Steven Herbers, Sebastian Schlattmann, Michaela Beuscher, Marius Remmert Podcast Florian Ahrens Autoren Prof. Barbara Kotte, Jennifer Baaske, Imke Ganteför Schriften Tinos, Space Mono, Montserrat Druck gutenberg beuys feindruckerei gmbh Druckvorstufe Projektlabor der HAWK – Tatjana Rabe Lektorat Sandra Johnson, Katharina-Sara Lifke, Julia Schmidt

Ein Projekt der erste Auflage: 2019




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