Mühlen
in der Gemeinde Wittighausen – Geschichte und historische Aufnahmen
WITTIGHÄUSER HEFTE 13
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GOTTFRIED SCHNARRENBERGER
DIE MÜLLERFAMILIE LURZ
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DORFMÜHLE
UNTERWITTIGHAUSEN
12 GRENZENMÜHLE
OBERWITTIGHAUSEN
16 HANDRISS ZUR FELDBEREINIGUNG 1891 18 LANGENMÜHLE
UNTERWITTIGHAUSEN
22 NEUMÜHLE / KASPARMÜHLE 26 ÜBERSICHTSKARTE 27 MÜHLEN DER UMGEBUNG 3 0 Impressum / Unterstützung
Grenzstein am ehemaligen Mühlgraben der Geiermühle in Kirchheim aus der Zeit des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter - schwach erkennbar ist oben die Zahl 1609, in der Mitte das Wappen des Stiftes St. Burkard in Würzburg, links und rechts davon die Buchstaben S und B
UNTERWITTIGHAUSEN
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GOTTFRIED SCHNARRENBERGER DIE MÜLLERFAMILIE LURZ
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Im Oktober 1936 verfasste der Mannheimer Regierungsbaumeister und Oberingenieur eine ausführliche Abhandlung über das Müllergeschlecht Lurz und fertigte einen Stammbaum an, der zwölf Generationen zurückreicht. Hieraus wird deutlich, dass alle Mühlen in Wittighausen mit diesem Namen in Verbindung stehen. Zur besseren Übersicht und in Anbetracht der vielen gleichen Vornamen, sind die Generationen mit römischen Ziffern von I (älteste) bis XIV (jüngste) gekennzeichnet. Ergänzt wird sein Bericht über die Erbfolge der vier örtlichen Mühlen von 1936 bis heute, auch über den Namen Lurz hinaus. Der „Urvater“ aller Lurz-Dorfmüller war Martin Lurz (IV), der um das Jahr 1669 von Hans Herr die Mühle in Unterwittighausen gekauft hatte. Diese war in einem schlechten baulichen und betrieblichen Zustand – wohl eine Folge des 30-jährigen Krieges, so dass er sich zur „Fortführung und Bauhung der öthen Mühle“ vom Stift Haug in Würzburg ein Kapital von 100 Reichstalern leihen musste, wie eine vorhandene Schuldurkunde belegt. Die Wurzeln liegen in Bütthard Schon Martins Vater Georg (III) war beim Eintrag seiner ersten Eheschließung am 27. Februar 1623 in Bütthard als „Molitor“, eine alte Bezeichnung für Müller, tituliert worden, so dass das Müllergeschlecht Lurz heute auf eine fast 400-jährige Geschichte zurückblicken kann. Da Georg Lurz nach 1623 in den Kirchenbüchern
und auch in sonstigen Archivalien in Bütthard nicht mehr genannt wird, ist er wohl schon seit dieser Zeit im nahen Unterwittighausen sesshaft geworden. Nachgewiesen ist dies ab dem Jahr 1650 – für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurden keine Quellen gefunden. Die vor dem Ortskern von Unterwittighausen gegen Bütthard gelegene Mühle (heute Langenmühle) war wohl in Familienbesitz, denn dieses Anwesen wird in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts laut einem Eintrag im Vilchbander Pfarrbuch als „die Lurtzmühle“ bezeichnet, obwohl zu dieser Zeit bereits ein Müller Kraft darauf saß, der die Witwe Katharina des „Hetzenmüllers“ Stephan Lurz geheiratet hatte. Stephan war wohl ein Bruder, vielleicht auch ein Sohn aus erster Ehe des Georg Lurz, der früh verstorben ist, weshalb wohl ein späterer Sohn nochmals den Namen Stephan erhielt. Die Wittighäuser Kirchenbücher beginnen erst um 1677. Andere Quellen vor dieser Zeit gibt es nicht viele und sie wurden auch noch nicht umfassend bearbeitet, so dass noch manche Unklarheit besteht. Georgs Vater Valtin Lurz (II) war ein biederer Leinenweber aus Bütthard, dessen zweite Ehefrau Katharina, geborene Keck, als Witwe 1615 den Bäckermeister Hans Vogt daselbst geheiratet hatte. Der Stammvater des Geschlechtes Lurz (früher auch Lurtz) ist ein gewisser Hans Lurtz (I) gewesen. Er wird in den ältesten im Staatsarchiv in Würzburg vorhandenen Quellen über Bütthard 1571 in einem Zinsregister (U.D.B. 130) und 1574 in einem Erbhuldigungsregister (Standb.
326a), leider ohne Berufsbezeichnung, genannt. Hans ist um 1588 dort verstorben – 1589 wird in einem Herdstättenverzeichnis nur Barbara Lurtz, offenbar seine Witwe, und Valtin Lurtz mit je einer Herdstatt erwähnt. Bei einem üblichen Durchschnittsalter von 50 bis 60 Jahren reicht seine Geburt in die Zeit des Bauernkrieges hinein, der sich für die Landbevölkerung im unweit gelegenen Königshofen an der Tauber und auch im noch näheren Ingolstadt, wo Florian Geyer ein Schloss hatte, besonders tragisch auswirkte. Der Beginn der Dorfmühlen-Erbfolge Die Dorfmühle ging nach dem frühen Tod des ersten Lurz-Dorfmüllers Martin (IV) im Jahr 1684 und dem seiner Witwe Susanna, geborene Landwehr, 1689 zuerst auf deren ältesten Sohn Christoph (V), später auf dessen Bruder Martin (V) über. Von Martin erbte sie sein Sohn Christoph (VI), dem wiederum dessen Sohn Balthasar (VII) nachfolgte. Als der im blühenden Alter von 38 Jahren einer damals stark verbreiteten Seuche (febris putrida) erlag, heiratete seine Witwe Katharina, geborene Schmitt, den aus Eßfeld stammenden Georg Lesch. Dies ist deshalb wichtig, weil beim Umbau der alten Scheune ein Schriftstück gefunden wurde, wonach dieser Bau seinerzeit vom Dorfmüller Lesch erstellt wurde. Diese Ehe blieb kinderlos, weshalb die Mühle auf Balthasars Sohn Sebastian (VIII) überging. Dessen Nachfolger auf der Dorfmühle war sein Sohn Markus (IX), dem Philipp (X), das einzige Kind (ein Bruder starb früh), folgte. Der nächste Erbe hieß wiederum Philipp (XI). Dieser ließ sich
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einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg im mittlerweile erbauten Haus oberhalb der Mühle, an der heutigen Wittigostraße, zur wohlverdienten Ruhe nieder, nachdem er durch den Neubau von Mühlen- und Wohngebäude und einer großen Scheune das Anwesen in einen mustergültigen Zustand versetzt hatte. Danach erbte Bezirksrat Valentin Lurz (XII) Haus und Hof. Müllermeister Maximilian Lurz (XIII) übernahm Mühle und den zugehörigen landwirtschaftlichen Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg. Aus der Ehe mit Ehefrau Walburga (Walli) gingen fünf Kinder (Valentin, Gerhard, Hans, Ulrike und Werner) hervor. Der älteste Sohn Valentin (XIV) führte die Mühle ab 1980 bis zum Ende des Jahres 2010 fort. Verzweigungen des Stammbaumes Aus dem Dorfmüllerstamm Lurz sind im Laufe der Jahrhunderte manche kräftige Äste und Zweige herausgewachsen, die hier kurz aufgeführt werden sollen. Der Enkel Kilian (III) des Stammvaters Hanns Lurtz wurde in Bütthard, wie sein Stiefvater Hans Vogt, Bäcker, Wirt und später auch würzburgischer Schultheiß. Nach einem Vermögensregister zählte Kilian zu den reichsten und angesehensten Bürgern des Dorfes. Der Stamm setzte sich in Bütthard mit Ernst Lurz fort, der, wie seine Nachkommen, das Schreinerhandwerk betrieb. Kilians Sohn Petrus (IV), der um 1651 in Würzburg studierte, war 38 Jahre lang Vogt und Vizeamtmann des Freiherrn von Dalberg in Büchold bei Arnstein in Unterfranken. Drei Söhne von
Petrus studierten in Würzburg – Petrus (V) wurde Amtmann des Stiftes Komburg bei Schwäbisch Hall, Friedrich (V) Militärgerichtsrat in Würzburg und von Eckenbert (V) ist nur bekannt, dass er von 1698 bis 1700 in Würzburg studierte. Die Büttharder Linie scheint im Mannesstamm erloschen zu sein. Die Lurz-Linie Christoph (V) Zweig in Sulzdorf Von dem schon erwähnten zeitweiligen Dorfmüller Christoph (V), der fünf verheiratete Söhne hatte, konnte nur einer, Christoph (VI), Stammvater dreier noch heute blühender Lurz-Zweige werden. Dessen wiederum Christoph (VII) genannter Sohn hatte zwei Söhne - Georg (VIII), der als Bauer nach Sulzdorf heiratete (wo die Familie noch heute vertreten ist), und Christoph (VIII), der nach Ochsenfurt heiratete, wo sich bereits früher ein Onkel als Buchbinder niedergelassen hatte. Christophs Sohn Leonhard (IX) war Seilermeister und Magistrat in Karlstadt am Main, dessen Sohn Karl (X) kam als Postbeamter nach Würzburg. Seine beiden Söhne studierten dort Medizin. Ignaz (XI) war bis zu seinem Tod 1928 Chefarzt am Marienhospital in Osnabrück, Ludwig (XI) war Arzt am Städtischen Krankenhaus in Aschaffenburg. Die Lurz-Linie Jodokus (VII) Zweige in Rimpar, Schönfeld und Grünsfeld Von Jodokus (VII), dem zweiten Sohn des Christoph (VI), von Beruf Weber, stammt die heute noch in Rimpar bei Würzburg vertretene Lurz-
Linie ab, die Schuster, Bauern oder Maurer waren. Ein Sohn des zweiten Dorfmüllers Martin Lurz (V) mit Namen Jodokus (VI) heiratete 1750 in einen Bauernhof im benachbarten Schönfeld, dessen Nachkommen heute noch dort und später auch in Roßbrunn leben. Ein Urenkel des obigen Jodokus namens Franz Martin (IX) nahm an der Badischen Revolution anno 1848 teil, flüchtete daraufhin in die nahe Schweiz sowie nach Amerika und ließ sich später, da er nicht mehr nach Baden zurückkehren konnte, in Roßbrunn nieder. Der Bruder Johann Adam (VII) des Dorfmüllers Balthasar heiratete 1772 eine Müllerstochter Hahner in Grünsfeld und wird so der Gründer der dortigen Lurz-Linie, der eine Reihe von Müllern angehörten. Ein Sohn Barthel (VIII), der in Würzburg Jura studierte, wurde Domänenrat des Fürsten Salm-Reifferscheid in Grünsfeld. Er verstarb ledig. In die Grundmühle nach Rimpar hat auch ein Dorfmüller-Sohn mit Namen Adam (VIII) geheiratet, doch musste er die Mühle wieder verkaufen und zog in die Heimat seiner zweiten Frau nach Neusetz bei Dettelbach, wo Sohn Georg und Enkel Martin als Weber ihren Lebensunterhalt verdienten. Die Lurz-Linie Vitus (V) Zweige in Werbachhausen, Großrinderfeld Von Vitus (V), dem Sohn des ersten Dorfmüllers Martin (IV), stammt eine sehr zahlreiche Nachkommenschaft ab. Zunächst ist hierbei die Linie „Löwenwirt“ zu nennen, deren letzter männlicher Spross, Johann (X), 1871 während des Deutsch-
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Französischen Krieges bei Dijon starb. Der Urenkel von Vitus, Franz (VIII), heiratete nach Werbachhausen. Von ihm stammen Bauern und Handwerker dort und in Großrinderfeld ab sowie weitere Nachkommen in Offenburg, Bühlertal, Mannheim, Heidelberg ... Verbreitung und Herkunft des Namens Lurz Um 1600 und bereits zuvor, als der Stamm der Lurz in Bütthard seinen Anfang nahm, gab es im ganzen Ochsenfurter Gau, soweit feststellbar, keinen weiteren Träger dieses Namens. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Stammvater Hans (I) nach Bütthard zugezogen war. Alle anderen in Ober- und Unterfranken sehr zahlreichen LurzStämme gehen auf das Gebiet zwischen Schweinfurt, Bamberg und Coburg zurück. Besonders verbreitet waren diese im Gebiet der Fränkischen Saale (Grabfeld). Auffallend ist allerdings die Häufung des Müllerhandwerks unter den Berufen. Um 1600 gibt es beispielsweise Lurz‘sche Müller in Seßlach, Oberelldorf, Coburg, Ebern, Lohr bei Ebern, etwas später in Gleusdorf und Kraisdorf und noch später in Frickendorf sowie Unterhohenried bei Haßfurt. Ein Zusammenhang mit der Wittighäuser Linie konnte bisher nicht festgestellt werden.
Gottfried Schnarrenberger, Regierungsbaumeister und Oberingenieur „Die Dorfmüllersfamilie Lurz“, Mannheim, 1936 (verkürzter und teilweise ergänzter Abdruck) – seine Mutter war eine
Das Wort „lurz“ (oder lurzig) soll ursprünglich linkshändig, später linkisch, unbeholfen, gering bedeutet haben; ein lurziger Acker war ein wenig ertragreiches Grundstück. Der Name wird sehr oft Lorz, früher Lortz, geschrieben. So wäre auch die Deutung als Abkürzung für Lorenz denkbar.
Schwester des Dorfmüllers Philipp Lurz (XI) und hatte 1878 in Tauberbischofsheim den Gastwirt und späteren Bürgermeister Gottfried Schnarrenberger geheiratet
UNTERWITTIGHAUSEN DORFMÜHLE
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Lithografie-Postkarte der
Besitzerchronologie (bis 1936 nach Schnarrenberger)
Dorfmühle zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit
vorzeitige Besitzer nicht erforscht
dem von Philipp Lurz (XI) erbauten Wohnteil rechts und dem Mühlenteil links
Martin Lurz (IV) geboren 1642, gestorben 1684
angeschnitten, getrennt durch die Steinstruktur der Mauer und die unter-
Martin Lurz (V) geboren etwa 1670, gestorben zw. 1721-1725
schiedliche Dachdeckung – weiterhin ist die alte, bis in die 1970er Jahre exis-
Johann Christoph Lurz (VI) geboren 1698, gestorben nach 1762
tente Zufahrtsituation von der Wittigostraße (früher Bahnhofstraße) in den Hof
Balthasar Lurz (VII) geboren 1734, gestorben 1772
ersichtlich – am rechten Bildrand das ebenfalls von Philipp Lurz
Johann Sebastian Lurz (VIII) geboren 1766, gestorben 1816
erbaute Wohnhaus Mühlenbesitzer Max Lurz
Johann Markus Lurz (IX) geboren 1796, gestorben 1856
(unten) im Jahr 1978
Georg Philipp Lurz (X) geboren 1819, gestorben 1885 Georg Philipp Lurz (XI) geboren 1851, gestorben 1915 Valentin Lurz (XII) geboren 1880, gestorben 1948 Maximilian Valentin Lurz (XIII) geboren 1918, gestorben 1994 Valentin Lurz (XIV) geboren 1950
Die Ahnenfolge der Dorfmüller-Familie Lurz ist nebenstehend aufgeführt und im Zusammenhang auch im Artikel von Gottfried Schnarrenberger ab Seite 4 nachlesbar. Nicht nur für Wittighäuser interessant ist, dass der zur Zeit des Ersten Weltkrieges gestorbene Dorfmüller Philipp (XI) noch zwei Brüder hatte: Georg (XI), der eine Mühle in Röttingen an der Tauber besaß, und Valentin (XI). Dieser heiratete in den stattlichen Bauernhof der Familie Gleis nach Oberwittighausen; Georg, einer seiner fünf Söhne, wurde Priester (siehe auch das Wittighäuser Heft über die Pfarrer). Von den sechs Söhnen Philipps (XI) blieb Valentin auf der Dorfmühle, Hans betrieb die Mönchsmühle in Tückelhausen, Felix eine Getreidehandlung in Unterwittighausen, Wilhelm eine Gastwirtschaft in Rottendorf und Georg sowie Leonhard wurden Mediziner. Nachfolgend einige Informationen über die „neue“ Mühle selbst, die im Jahr 1886 von Philipp Lurz (XI) erbaut wurde und von der Gebäudestruktur her bis in die heutige Zeit fast unverändert erhalten ist. Wie auch bei der Grenzenmühle bilden Wohnhaus und Mühle eine gebäudliche Einheit, von außen nur erkennbar durch die Mauerstruktur zwischen den beiden Teilen. Bei der Dorfmühle erstreckten sich die technischen Einrichtungen über mehrere Stockwerke, die vom Müller mittels eines speziellen Bremsfahrstuhls schnell erreicht werden konnten. Betrieben wurden die Mahlwerke durch eine ausgeklügelte Transmissionsstruktur, also durch die Übertragung der Wasserenergie (später auch der von Diesel- und Elektromotoren) mittels Wellen, Scheiben und Riemen auf die Abnehmer.
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Max Lurz (oben) und sein Vater Valentin (oben rechts) – zwei Besitzer, welche die Dorfmühle im 20. Jahrhundert prägten Luftaufnahme der Mühle aus etwa den 1960er Jahren
Das Recht auf (Wasser-)Energie ist hinsichtlich der Mühlen ein altes. In einem Text des Bayerischen Landesverbandes für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e.V. heißt es unter anderem: Die Entwicklung der traditio-
nellen Kornwassermühle zum Antriebs- und Maschinenensemble für nahezu alle Gewerbe führte zur Aufnahme des Wasserrechts in die regionalen Mühlenordnungen, die im Detail oft gravierende Unterschiede aufweisen. Die im 16. und 17. Jahrhundert einsetzende Dominanz des Wasserrechts zeigt einerseits das Ende des quantitativen Mühlenwachstums und den Mangel an Wasserkraft innerhalb des Geltungsbereiches der Mühlenordnungen an. Andererseits zwang diese Dominanz zur Verbesserung der Mühlentechnik und weckte damit den Erfindungsgeist. Die Landesherren reglementierten den Ausbau der Wasserkraftanlagen zugunsten der Agrarwirtschaft. Jeder Wassermühle wurde eine maximale Stauhöhe zugewiesen. Der Eichpfahl, auf dem die maximale Stauhöhe markiert war, symbolisiert seither den Kompromiss zwischen agrarischer und gewerblicher Wirtschaft. Die Höchstmarke war die Grundlage eines einklagbaren, verkäuflichen Besitzrechtes, das große Rechtssicherheit genoss und dazu führte, dass Kaufleute ihr Kapital sicher in Mühlen anlegen konnten. Für die Dorfmühle bedeutete dies auch, dass im Zuge der Regulierung des Wittigbaches in den 1950er Jahren der Mühlkanal erhalten werden musste. Innerhalb dieser Baumaßnahme staute man den Bach auf der Höhe des Sportplatzes durch ein Wehr, um so eine ausreichende Wasserzufuhr in den Kanal hinein zu gewährleisten. In den letzten Jahrzehnten wurde die Wasserkraft zur Energieerzeugung nicht mehr genutzt – der Unterhalt der Gesamtanlage stand nicht im Verhältnis zum Ertrag.
Die beiden Fotografien auf Seite 11 zeigen wichtige Teile der Mühle im Jahr 1980, kurz vor der Übergabe von Max Lurz (XIII), im oberen Bild auf dem Schrotgang sitzend, an seinen Sohn Valentin (XIV). Im oberen Bild erkennt man verschiedene Mahleinrichtungen auf dem sogenannten Walzenboden. Neben dem anfangs schon erwähnten Schrotgang, in dem mittels zweier gegeneinander laufender Steine das Korn zu Schrot vermahlen wurde, sieht man links davon in Reihe stehend zwei Walzenstühle, von denen es insgesamt fünf gab, welche zur Mehlproduktion in allen Feinabstufungen benutzt wurden. Ganz am rechten Rand des Fotos ist im Anschnitt ein Transmissionsriemen und die dazu gehörende Holzabdeckung zu sehen, die das Personal vor einer Berührung schützte. Das untere Bild zeigt den sogenannten Mehlboden, in dem die unterschiedlichen, fertig gemahlenen Mehlpulver der Mahlgänge gelagert und abgefüllt wurden. Dem Verbraucher sind in diesem Zusammenhang Produktbezeichnungen für Weizenmehle wie Typ 405 (bevorzugtes Haushaltsmehl mit guten Backeigenschaften), Typ 550 (Vielzweckmehl für feinporige Teige) oder Typ 1600 (für dunkle Mischbrote) geläufig. Der Mühlenbetrieb wurde zum Ende des Jahres 2010 eingestellt. Der Strukturwandel bei den Bäckern wirkte sich auch auf die handwerklich betriebenen Mühlen negativ aus. Kleine Bäckereien mussten aufgeben und große „Backfabriken“ brauchen in kurzer Zeit große Mehlmengen – meist bezogen von großen Mühlen .
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OBERWITTIGHAUSEN GRENZENMÜHLE
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Mühle (Seite 13) mit
Besitzerchronologie (bis 1936 nach Schnarrenberger)
Wohnhaus sowie links davon, in der Bildmitte,
vorzeitige Besitzer nicht erforscht
das alte 1956 abgerissene Wohnhaus – vorne Hermann Lurz mit
Stephan Lurz (IV) geboren vor 1660, gestorben nach 1719
seinen Kindern Hermann und Otto
zwischenzeitige Besitzer nicht erforscht
– das kleine Bild rechts ist um 1920 entstanden und zeigt Hermann Lurz mit
Markus Sebastian Lurz (IX) geboren 1814, gestorben 1880
Ehefrau Edmunde und den Kindern Erna, Hermann und Otto Familienbild unten aus den frühen 1940er Jahren mit
Simon Sebastian Lurz (X) geboren 1838, gestorben 1909 Georg Hermann Lurz (XI) geboren 1879, gestorben 1944
außen Edmunde und Hermann sowie den Kindern Artur, Otto, Hermann und der sitzenden Erna
Sebastian (IX), ein Bruder des Dorfmüllers Markus (IX), hat 1837 durch die Heirat mit der Tochter des Grenzenmüllers, Helena Ringeisen, diese Mühle wieder in Lurz‘sche Hände gebracht, auf der früher schon einmal mit Stephan (IV), einem Bruder des ersten Dorfmüllers Martin (IV), ein Familienangehöriger gesessen hatte.
Otto Lurz (XII) geboren 1914, gestorben 1999
Fünf Söhne von Sebastian und Helena nannten später fünf verschiedene Mühlen der Umgebung ihr Eigen: Simon (X) die väterliche Grenzenmühle in Oberwittighausen, Johann die Taubermühle in Dittigheim, Philipp die Klostermühle in Gerlachsheim, Georg die Neumühle in Unterwittighausen und Jakob die Holzmühle in Bolzhausen – ein wahres Imperium! Simon war es übrigens auch, der aus einer „altertümlichen“ Mühle eine moderne machte, indem er zum Ende des 19. Jahrhunderts ein neues Gebäude (das heute noch existierende große Steinhaus) errichten ließ und es mit zeitgemäßer Technik bestückte. Dies war ihm vor allem auch durch die Mitgift seiner ersten Frau möglich. Als diese starb, heiratete er deren Schwester und konnte auch durch die neue Mitgift wenige Jahre später das Wohngebäude in Verlängerung daneben im gleichen Stil erbauen lassen. Sohn Hermann (XI) führte zusammen mit seiner Frau Edmunde den Mühlenbetrieb fort. Vier Kinder entstammen wiederum dieser Beziehung: die Söhne Otto, Hermann, Artur und die Tochter Erna, die den älteren Einwohnern auch als sozial engagierte langjährige Leiterin der Katholischen Frauengemeinschaft in Erinnerung sein dürfte. Hermann junior und Artur fielen im Zweiten
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Zwei ähnliche Ansichten des Hofes der Grenzenmühle – links die stilisierende farbig angelegte Zeichnung des Künstlers Breidenbach aus dem Jahr 1948 – rechts eine Fotografie aus den beginnenden 1930er Jahren; beide zeigen noch das alte Wohnhaus Auf dem Foto rechts im Vordergrund Hermann Lurz mit seinem jüngsten Sohn Artur, der, noch nicht einmal zwanzig Jahre alt, im Zweiten Weltkrieg fiel
Weltkrieg, Otto kam in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst Ende der 1940er Jahre in die Heimat zurück. Nach dem Tod von Hermann senior im Jahr 1944 führten Mutter Edmunde und Tochter Erna den Betrieb in den Jahren ohne „echten Grenzenmüller“ mit Unterstützung eines Angestellten aus Heidingsfeld. Grenzenmüller Otto (XII) machte übrigens sein Müller-Meisterdiplom zeitgleich zusammen mit dem Dorfmüller Maximilian (XIII), genannt Max. Verschiedene Generationen lebten für Jahrzehnte in der alten und neuen Mühle, bis das alte, nicht mehr zeitgemäße Wohngebäude 1956 (siehe Foto rechts und auf Seite 13 in der Mitte) abgerissen wurde.
Nach einem Schlaganfall des letzten Müllers Otto (XII) im Jahr 1961 musste der Mühlenbetrieb und die anhängige Landwirtschaft aufgegeben werden. Für die Äcker, etwa 13 Hektar, fanden sich Pächter – für die traditionelle Tätigkeit des Müllers niemand mehr. Große Veränderungen gab es auch1965, als die Mühle in einen Hühneraufzucht- und Legebetrieb umgebaut wurde. In den Hochzeiten wuchsen dort mehr als 3000 Hühner und fast 2000 Küken heran. Im Jahr 1978 war auch mit diesem Broterwerb Schluss. Das Anwesen, in dem früher viele Menschen gelebt haben – Knechte, Mägde und nach dem Krieg Flüchtlinge und Vertriebene – steht heute in großen Teilen leer. Im Wohntrakt leben dort die
Nächste Doppelseite 16 /17: „Gemarkung Unterwittighausen, Handriss zur Feldbereinigung“ aus dem Jahr 1891 (Ausschnitt) – dem Lauf des Insinger Baches folgend erkennt man die Lage der Langenmühle, Kasparmühle (Neumühle) und Fritzenmühle – der Einklinker rechts oben ist einem Eichprotokoll von 1896 zur „Anbringung einer Eichmarke“ für die Langenmühle entnommen
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Witwe von Otto, Elli Lurz, sowie deren Sohn und Tochter mit Familie. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges gab es auf den landwirtschaftlichen Höfen, wozu auch die Mühlenbetriebe gehörten, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, welche die Arbeit der Männer übernehmen mussten, die beim Militär waren. Da die Familien auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen waren, wurden sie in der Regel gut behandelt. Auf der Grenzenmühle halfen in den 1940er Jahren unter anderen zwei Franzosen – Simon, ein Bauer (auf dem rechten Bild links) und Jean, ein Müller.
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➊
➋
➌
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➍
Anschauliche Darstellung der Situation im Jahr
– Überlauf des Mühlkanals bei Nichtnutzung
1896 bezüglich Gebäudestruktur sowie des Zu-
der Mühle (5)
und Ablaufs (Mühlkanal) für die Langenmühle
– Insinger Bach (6)
– Wohnhaus (1), Mühlenteil/Wasserrad (2) und
– die Bezeichnungen „Fixpunkt I-III“ dienten
Scheune (3), noch heute im Prinzip erhalten
zur Ermittlung des korrekten Standes der
– Zu- und Ablauf Mühlkanal (4)
Eichmarke
UNTERWITTIGHAUSEN LANGENMÜHLE
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Luftaufnahme des gesam-
Besitzerchronologie (bis 1936 nach Schnarrenberger)
ten Ensembles aus den 1960er Jahren mit Bauern-
vorzeitige Besitzer nicht erforscht
hof Eduard Lurz sowie Sägewerk und Wohnhaus Max Lurz/Peter Eberl
Johann Peter Lurz (VII) geboren 1756, gestorben 1829
– die ursprüngliche Getreidemühle verbirgt sich hinter den beiden
Johann Michael Lurz (VIII) geboren 1795, gestorben 1859
Wohnhäusern
Michael Lurz (IX) geboren 1831, gestorben 1882 Martin Lurz (X) geboren 1862, gestorben 1944 Aufteilung in Sägemühle ... Johann Markus (Max) Lurz (XI) geboren 1897, gestorben 1969 Peter Eberl geboren 1925 ... und Landwirtschaft Eduard Lurz (XI) geboren 1902, gestorben 1975 Albin Lurz (XII) geboren 1944
Die Langenmühle wurde erstmals um 1670 als „Lurtzmühle“ im Vilchbander Pfarrbuch erwähnt. Obwohl zu dieser Zeit ein Müller Namens Kraft darauf saß, war sie im Eigentum der aus Bütthard stammenden Familie Lurz. Dieser Name kam aber nachweisbar erst durch die Heirat des Dorfmüller-Sohnes Peter (VII) mit Susanna Kraft um das Jahr 1780 in die Langenmühle. Der erste gebürtige Langenmüller mit dem Namen Lurz war Michael (VIII) – siehe Gemälde auf Seite 21. Die Langenmühle wurde über viele Jahrhunderte, wie die anderen Wittighäuser Mühlen auch, als Getreidemühle betrieben, die das Korn der Bauern der Umgebung zu Mehl verarbeitete. Erst in den Zeiten des Merkantilismus fand ein qualitativer Wandel statt. Die energietechnische Barriere, die das - begrenzte - Wasserrecht darstellte, wurde durch vielfältige technische Verbesserungen der Gerinne, Wasserräder, Getriebe und Arbeitsmaschinen überwunden. Das Ende der “alten” Mühlen war abzusehen . Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte auf der Langenmühle der Umbau von der ursprünglichen Mahl- in eine Sägemühle durch Martin Lurz (X). Im Zuge seiner Erbfolge wurde das ursprünglich zusammengehörige Anwesen Mitte der 1930er Jahre unter den Brüdern Johann Markus, genannt Max (XI), und Eduard (XI) aufgeteilt: Während Eduard die Landwirtschaft und Viehhaltung weiterführte, ging der Sägemühlenbetrieb auf den älteren Max über. Max errichtete aufgrund der Teilung ein eigenes Wohnhaus (das einstöckige weiße Haus links neben dem alten Wohnhaus auf dem Foto rechts).
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Luftaufnahmen aus dem Jahr 1997 mit dem auch in etwa 2012 aktuellen Baubestand – in der Bildmitte der linken Aufnahme oben Wohnhaus Peter Eberl, darunter das von Bäumen überwachsene Sägewerksgelände, rechts davon Metallverarbeitung Uwe Edelmann, darunter Wohnhaus/ Hof Albin Lurz – das alte Mühlengebäude ist der schmale Querriegel rechts von Wohnhaus und
Der Name Lurz als Langenmüller endet bei ihm, da er keine leiblichen Kinder hatte und seine Stieftochter Angela durch die Heirat mit dem aus Oberbayern stammenden Peter Eberl, der den Sägemühlenbetrieb bis 1967 weiterführte, einen anderen Namen annahm. Ein Teil des Geländes, auf dem Bild (Seite 19) das links vom VW-Käfer, wurde zum Bau eines weiteren Wohnhauses genutzt, das heute von den Eberls bewohnt wird. Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des restlichen ehemaligen Sägewerk-Geländes haben sich seitdem mehrfach geändert. Immer war jedoch ein Gewerbebetrieb vorhanden – heute die Metallverarbeitung Uwe Edelmann.
Scheune unterhalb des grauen Flachdaches – die rechte Aufnahme zeigt zudem die Lage neben dem Insinger Bach, links davon die beiden Wohnhäuser Albin Zipf (jetzt Maria Zipf-Henneberger) und Richard Kroboth (jetzt Uwe Liebenstein), neben der Bahnlinie die Wohnhäuser Emil Igerst (jetzt Rainer Igerst) und Ludwig Lurz (jetzt Susanne Bannert)
Das alte Mühlengebäude mit Mühlrad und das erste Sägewerk sind bis heute erhalten geblieben. Vom Insinger Bach talaufwärts zweigte man einen großen Stichkanal (Mühlbach genannt) ab, der unterhalb der Mühle wieder in seinen ursprünglichen Lauf zurück geleitet wurde. Das so in die Mühle geleitete Wasser trieb ein großes Schaufelrad an, welches die Energie für den Antrieb des horizontalen Schneidegatters, errichtet um 1900 durch die Firma Eirich aus Hardheim, erzeugte. Reichte die Wasserkraft
nicht aus, wurde mit dem Abfallholz eine Dampfmaschine zur Energieerzeugung eingesetzt. In den Tiefen der Mühle befand sich auch die erste Anlage zur Stromgewinnung in Unterwittighausen. Eine Vertikal-Vollgattersäge fand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Platz in einem langen Holzgebäude, das auf dem Foto auf Seite 19 rechts vom VW-Käfer zu sehen ist. Der Transport der zu verarbeitenden Stämme erfolgte bis in die 1940er Jahre durch eigene Pferde – teilweise auch aus der weiteren Umgebung, zum Beispiel Bernsfelden oder Gerchsheim. Ein nach heutigen Maßstäben enormer Aufwand. Neben Sägeholz (Balken und Bretter) wurde von den meist zwei bis drei Mitarbeitern für Autos mit Holzvergaser auch das sogenannte „Tankholz“ produziert. Mit der Übernahme durch Peter Eberl erfolgte eine Vergrößerung der Lagerfläche und die Errichtung einer modernen Krananlage. Das alte Mühlenanwesen mit dem Wohnhaus und den landwirtschaftlichen Gebäuden wurde während des Zweiten Weltkrieges und bis in die
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1950er Jahre hinein von vielen Parteien bewohnt. Neben der bäuerlichen Nutzung waren zum Teil mehrere Familien, Landwirtschaftshelfer und Evakuierte/Flüchtlinge auf mehreren Stockwerken untergebracht. Heute wohnt dort die Familie Albin Lurz (XII). Ein interessantes Detail aus dem Zweiten Weltkrieg: Als der nahe Eisenbahntunnel als Schutzort nicht mehr sicher war hinsichtlich Beschuss durch alliierte Flugzeuge, wurde in den Hang oberhalb des Mühlweges in Richtung Bütthard eine Art „Bunker“ für die Bewohner gebaut.
Die stattliche Person auf dem rechts oben abgebildeten Gemälde aus dem Jahr 1856 zeigt den Langenmüller Johann Michael Lurz (VIII). Auf der Rückseite ist handschriftlich vermerkt: Großvater des Martin Lurz am 21.8.39 M.L. von meinem Vater und Mutter ist kein Bild vorhanden, bin 77 ½ Jahre alt Leider ist die Signatur des Malers nicht gut lesbar. Man kann die Namen Gerhard und Eberhart erkennen. Das Foto von 1922 links oben zeigt Martin Lurz (X), der aus der Mahl- eine Sägemühle machte.
UNTERWITTIGHAUSEN NEUMÜHLE / KASPARMÜHLE
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Das Foto auf Seite 23 zeigt
Besitzerchronologie (bis 1936 nach Schnarrenberger)
die Neumühle nach 1954 mit dem neuen Mühlen-
vorzeitige Besitzer nicht erforscht
Querbau – links zwischen Scheune und Garage das angebaute
Johann Georg Philipp Lurz (X) geboren 1853, gestorben 1901
kleine Haus für die Knechte und Mägde – das eingeklinkte Foto
Georg Philipp Lurz (XI) geboren 1887, gestorben 1979
zeigt Michael Schalk Georg Lurz (XI) und die
Michael Schalk geboren 1913, gestorben 1989
beiden Enkel Ludwig und Georg im Jahr 1943 (unten)
Georg Schalk geboren 1940
Wie Georg Lurz (X) in den Besitz der Neumühle gekommen ist, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls war für zwei Generationen zum Ende des 19. Jahrhunderts der Name des Müllergeschlechtes Lurz maßgebend auf der Mühle am Insinger Bach in Richtung Bütthard. Hier errichteten die Eigentümer auch ein stattliches Wohnhaus und eine anhängige Mühle in solider Steinbauweise. Der Mühlenteil wurde allerdings 1954 noch einmal durch einen großen Querbau erweitert – eine Ausnahme hinsichtlich der anderen Mühlen für eine Baumaßnahme dieser Größe nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf dem Handriss über die Flächen des östlichen Teils von Unterwittighausen aus dem Jahr 1891 (Seiten 16/17) ist der Verlauf des Mühlkanals gut zu erkennen. Er zeigt, dass ihm mehr Wasser zugedacht war als dem eigentlichen Bachbett. Neben der Bezeichnung Neumühle wurde das Anwesen bis um 1900 als Kasparmühle geführt. Ob der Name von einem vormaligen Besitzer stammt, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Der Name Schalk hingegen taucht erstmals 1930 im Zusammenhang mit der Neumühle auf. Der spätere Besitzer Michael Schalk arbeitete seinerseits dort als Geselle, bevor er 1934/35 auf der Müllerschule in Nürnberg seinen Meistertitel erwarb. Danach ging‘s wieder zurück nach Unterwittighausen – vielleicht auch der Liebe wegen, denn im Mai 1938 heiratete er Angelina, die Tochter des Neumüllers Georg Lurz (XI). Ab April 1939 verpachtete dieser die Mühle an seinen Schwiegersohn, der am Zweiten Weltkrieg teilnahm und bis zum Jahr 1948 in Kriegsgefangenschaft war.
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Porträt von Johann Georg Philipp (X), den ersten der Familie Lurz auf der Neumühle (rechts) Fotografie der Neumühle mit dem Dampfmaschinen-Kamin, der während des Zweiten Weltkrieges eingelegt werden musste (unten) – der Anschein eines Industrie-
Ende der 1940er Jahre erfolgte dann die offizielle Übergabe der Mühle an die Eheleute Michael und Angelina Schalk, die einige Jahre später den schon oben erwähnten Neubau/Umbau zur modernen Walzenmühle in Angriff nahmen. Nebenher betrieb die Familie einen gut gehenden Handel mit Getreide und Futtermitteln. Michael Schalk war für etwa zwei Jahrzehnte Obermeister der Müllerinnung Tauberbischofsheim – ihm folgte Valentin Lurz (XIV) von der Dorfmühle nach.
unternehmens sollte vermieden werden
Drei Kinder entstammen der Beziehung von Michael und Angelina: Nesthäkchen Gertrud sowie
die Brüder Georg und Ludwig. Beide erlernten den Beruf des Müllers, obgleich nur einer, der ältere Sohn Georg, die väterliche Mühle übernehmen konnte. Anfangs pachtete dieser die Mühle vom Vater, später wurde er deren Eigentümer. Nachdem Georg den Mühlenbetrieb aufgegeben hatte, widmete er sich dem Speditionsgewerbe.
Mittlerweile befindet sich die Mühle im Besitz der Familie Geiger-Hilk und wird zur Zeit (2012) grundlegend umgebaut und renoviert. Das Foto unten aus den 1930er Jahren zeigt Müllermeister Georg Lurz (XI), die Töchter Angelina und Hildegard sowie Ehefrau Barbara.
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WITTIGBACH B AY E R N
GEIERMÜHLE
BADENWÜRTTEMBERG
GAUBÜTTELBRUNN 26
Lageplan der Mühlen in und um Wittighausen
DAMMBACH
– der Verlauf der Bäche ist dem
EULENMÜHLE
einstmaligen aktiven Mühlenbetrieb angepasst, nicht originalgetreu der heutigen Situation, und soll die Struktur der einzelnen Mühlkanäle darstellen POPPBACH
OBERWITTIGHAUSEN B AY E R N
GÜTZINGEN GRENZENMÜHLE SEEBACH WITTIGBACH
UNTERWITTIGHAUSEN DORFMÜHLE LANGENMÜHLE NEUMÜHLE FRITZENMÜHLE
HETZENMÜHLE INSINGER BACH
B AY E R N
BADENWÜRTTEMBERG
BÜTTHARD
EXISTENT UND VERGANGEN MÜHLEN DER UMGEBUNG
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass schon sehr früh, etwa ab dem Jahr 800, am Wittigbach und seinen Zuläufen Mühlen vorhanden waren.
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Die dort lebende Bevölkerung war in der Zeit zwischen 1000 und etwa 1500 viel größer, als in den zwei Jahrhunderten danach. Durch Hungersnöte, Auseinandersetzungen und die Pest starben viele Menschen – ganze Landstriche wurden entvölkert. Erst um 1700 hatte sich die Zahl der Einwohner wieder erholt. EULENMÜHLE (Gemeinde Kirchheim, Ortsteil Gaubüttelbrunn) Nahe dem Eisenbahnhaltepunkt Gaubüttelbrunn, direkt an der Landesgrenze von Bayern und Baden-Württemberg, steht heute noch eine Scheune, die früher Teil der Eulenmühle war. Die anderen Gebäude des Ensembles wurden in den 1980er Jahren nach einem Brand und als nachfolgende Auflage des Landratamtes abgerissen. Erbaut wurde die Eulenmühle etwa um 1640, was eine Inschrift am Mühlengebäude belegt hatte. Die Aufzeichnungen reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, die Besitzerchronologie der Breunigs bis ins Jahr 1782. Betrieben wurde die Mühle bis in die 1950er Jahre hinein vom ledigen Müllermeister Michael Breunig selbst, danach noch kurzzeitig durch die Müllerfamilie Engert aus Gaubüttelbrunn. Da Michael keine Nachkommen hatte, fiel das Anwesen als Erbe an seinen Neffen Michael Kuhn aus Oberwittighausen. Der Wohnbereich war bis etwa 1960 vermietet.
Handkolorierte Fotografie der
FRITZENMÜHLE (Gemeinde Wittighausen)
Eulenmühle (oben) mit dem Bahnhof Gaubüttelbrunn ganz rechts am Bildrand
Direkt an der Grenze zwischen den beiden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg standen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts am Insinger Bach Reste einer weiteren Mühle, die mittlerweile komplett aus dem Landschaftsbild verschwunden ist. Lediglich ein Wasserlauf ist noch fragmentarisch zu erkennen. Letzter Besitzer war Thaddäus Breunig, der 1831 die Müllerstocher Walburga Keller geheiratet hatte. 1853 wurde die Mühle aufgegeben, da der Baubestand auch aufgrund des feuchten Standortes sehr schlecht war. Die Ehe der Breunigs blieb kinderlos. Nach dem Tod von Walburga zog Thaddäus nach Bütthard und gründete dort mit seiner zweiten Frau eine Familie in der Bachgasse.
– die hintere Scheune steht als einziges Gebäude noch heute Zwei Mühlenarbeiter der Eulenmühle zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der typischen Müllerbekleidung und in stolzer Pose (ganz oben)
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GEIERMÜHLE (Gemeinde Kirchheim)
Titelblatt einer Akte des Bayerischen Staatsarchives in Würzburg über die „Geyerglock
Neben der Firma Hemm Stone, direkt an der Landesgrenze von Bayern und Baden-Württemberg, steht ein Gebäudeensemble, das früher als Mühle in Betrieb war. Der jetzte Besitzer, Ottmar Reinhard, hat die Geschichte der Mühle und ihrer Besitzer recherchiert.
oder Geyermühl“ aus dem Jahr 1773 – darin werden Besitzer sowie Grundstücksverkäufe dokumentiert
Schnitt durch eine Wassermühle „alter Bauart“ mit einer
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Königswelle (4), welche die eigentliche Mahlvorrichtung antreibt – das Korn kommt von oben
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über ein Vorrats- und Einlauf-
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behältnis (3) und wird nach dem Mahlvorgang als Mehl
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durch ein Rohr (5) zum Zwischenlager (6) geleitet – der Antrieb erfolgt über eine mit dem (nicht abgebildeten) Wasserrad verbundene hölzerne Antriebswelle (1) und dem daran angebrachten Kammrad (2)
Ein sicherer Nachweis ist ab etwa 1500 möglich – eine Zeit, in der Kirchheim zu Dreiviertel dem Ritterstift St. Burkard und zu einem Viertel der Familie Geyer gehörte. Bis zum Dreißigjährigen Krieg werden in einem Buch von Dieter Michael Feineis, bis 2010 Pfarrer in Klingenberg am Main, verschiedene Besitzer, unter anderem die Namen Göbel (1550), Langmantel (1550), Schmitt (1570), Bopp (1584) und Scheffner (1622) angegeben. Erst nach diesem epochalen Krieg gibt es durchgängig Unterlagen zu Besitzverhältnissen. So ist belegt, dass bis 1680 Johann Melchior König „molitoris in mola Geierani“, also Müller in der Geiermühle, war. Um 1840 verkaufte ein Nachkomme Königs die Mühle an Christoph Sturandt, der schon acht Jahre zuvor Land daneben erworben hatte. Sturandt vergrößerte die Mühle 1844. Der entsprechende Setzstein des Steinhauses ist heute noch erhalten. Ab etwa 1860 war Michael Betzel Eigentümer der Mühle, die er schon 1869 an Johann Dietz weiter veräußerte. Ein interessantes Detail für Unterwittighausen am Rande ist, dass im Zuge der Vererbung 1932 u.a. auch Franz und Barbara Pfeuffer, Gastwirtspaar der „Eisenbahn“, Michael
Kolorierte Postkarte (oben) der Geiermühle mit Scheune aus den 1940er Jahren; darüber im Hintergrund die Hallen des Steinbruchs Zustand der Geiermühle im Jahr 1980 (unten), kurz vor der Umgestaltung durch Ottmar Reinhard
und Maria Hussy sowie Engelbert und Margarete Metzger Teile der Erbengemeinschaft waren. Diese Erben verkauften die Mühle 1933 an Katharina Endres. 1936 gab sie Grundstücke oberhalb des Mühlgrabens an die Marmor Industrie Kiefer AG ab, die im Zuge der Neuanlage eines Steinbruchs die Brücke vor der Mühle verbreitern und verstärken ließ. Katharinas Sohn Johann war ab Anfang der 1950er Jahre der nächste Eigentümer, gefolgt von Paul, seinem Bruder. Danach kommt der heutige Besitzername Reinhard erstmals zur Mühlenchronik hinzu. Ottmars Vater Artur kaufte das Anwesen 1975 und gab es 1982 an ihn weiter. Aus der Mühle wurde ein Wohnhaus, wobei die Grundform und Teile im Erdgeschoss erhalten blieben. HETZENMÜHLE (Marktgemeinde Bütthard) Am Insinger Bach zwischen Bütthard und Unterwittighausen steht die Hetzenmühle, die bis 1964 in Betrieb war und vom Ursprung her auf das Jahr 1583 zurückgeht, als der Würzburger Fürstbischof Julius Echter die Kornmahlstätte errichten ließ. Die Besitzerfamilie Haaf (die letzen drei Müller genealogisch rückwärts aufgezählt: Peter, Leonhard und Michael) versorgte während des Zweiten Weltkrieges die Bevölkerung mit Mehl. Danach wurde nur noch Schrot gemahlen und an die landwirtschaftlichen Betriebe der Umgebung verkauft.
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WITTIGHÄUSER HEFTE 13
Wir danken für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Broschüre:
März 2012 Herausgeber: Gemeinde Wittighausen
Angela und Peter Eberl, Wittighausen
Idee, Gestaltung, Texte und Recherche: Edgar Braun, Unterwittighausen und Höchberg office@grafik-braun.de
Gertrud Gramlich, Bütthard
Mitarbeit: Angela und Peter Eberl, Unterwittighausen; Gertrud Gramlich, Bütthard; Erwin Guggenberger, Unterwittighausen; Peter Haaf, Bütthard; Paula Köder, Bütthard; Lioba Landwehr, Igersheim/Harthausen; Karin und Hans Lang, Unterwittighausen; Elli Lurz, Oberwittighausen; Frank Lurz, Unterwittighausen; Hans Lurz, Unterwittighausen; Ottmar Reinhard, Kirchheim; Elke Schuler, Oberwittighausen; Margot Väth, Würzburg; Ulrike Wortmann, Warendorf
Hans Lurz, Wittighausen
Susann und Ralph Geiger-Hilk, Wittighausen
Frank Lurz, Wittighausen
Gerhard Lurz, Lauda-Königshofen Ingrid und Ottmar Reinhard, Kirchheim Ludwig Schalk, Wangen/Allgäu Margot Väth, Würzburg Ulrike Wortmann, Warendorf
Fotografie: historische Privataufnahmen; mit Ausnahme Seite 11 von Hans Lurz, Unterwittighausen; mit Ausnahme Seite 20 von Frank Lurz, Unterwittighausen Dorfmühle in Unterwittighau-
Historischer Plan Seite 16/17: „Gemarkung Unterwittighausen, Handriss zur Feldbereinigung“ 1891, Gemeindearchiv
sen als Aquarell-Zeichnung eines unbekannten Künstler, wahrscheinlich um 1950 entstanden