Wittighäuser Hefte 34 - Sinner's Buch

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Sinner‘s Buch

„Mein Heimatdorf Unterwittighausen“ von Konrad Sinner aus dem Jahr 1962

WITTIGHÄUSER HEFTE 34



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KONRAD SINNER

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ÜBER DIE ERDGESCHICHTE

6 BESIEDLUNGSGESCHICHTE 10 ENTWICKLUNG DER ZENTGERICHTE 13 HERRSCHAFTSVERHÄLTNISSE BIS 1650 18 DIE ZEIT DES BAUERNKRIEGES 20 DER 30-JÄHRIGE KRIEG IN WITTIGHAUSEN 22 WAPPEN UND SIEGEL 25 ENTWICKLUNGEN VON 1650 BIS 1960 34 BEMERKENSWERTE PERSONEN 38 FAKTEN UND ZAHLEN 41 QUELLENVERZEICHNIS 4 2 Impressum / Unterstützung

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PERSON UND BUCH KONRAD SINNER

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Lehrer und Heimatkundler

Nachfolgende Veröffentlichung

Der Katholizismus war ein prägendes Element in der Kindheit von Konrad Sinner in Unterwittighausen, was auch an der engen Verbindung zum Augustinerorden während seiner Schulzeit ersichtlich ist. Nach einigen Jahren bei den Patres in Fährbrück bei Werneck wechselte er auf das Matthias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim, wo er 1957 das Abitur ablegte. Zum Pädagogik-Studium zog es ihn nach Heidelberg. Seine Stationen als Grundschullehrer (Volksschule) waren Uissigheim, Distelhausen, Boxberg und Rauenberg. Am letztgenannten Ort war er für mehr als acht Jahre auch Schulleiter. Bis zu seiner Pensionierung 1996 unterrichtete er in Lauda. Aktiv war der 1935 geborene Rentner in der Franziskanischen Gemeinschaft des Würzburger Käppeles, in Lauda in der Kolpingsfamilie, im Kulturverein und im Kirchenchor von Königshofen. Als Student beschäftigte sich Konrad Sinner intensiv mit der Geschichte des mittleren Taubertals und der Gebiete östlich davon. Eine Abhandlung trägt den Titel „Der Bauernkrieg im Taubertal“ und über seine Heimatgemeinde hat er ebenfalls ausführlich geforscht. Die Entwicklungsgeschichte Unterwittighausens und seiner Umgebung ist in einem umfangreichen Werk zusammengefasst (1962). Hierbei half ihm auch der Vilchbander „Scherbendoktor“ Johann Lutz, mit dem er oft die frühgeschichtlichen Siedlungsplätze in und um Wittighausen aufsuchte.

Der vorliegende Inhalt ist nur ein Ausschnitt aus den Aufzeichnungen von Konrad Sinner.

(überarbeiteter Text aus Wittighäuser Hefte Nummer 15 vom Juni 2012)

Viele Fotografien, aufgeklebte Postkarten und ausgeschnittene Abbildungen waren nicht mehr in einer reproduzierbaren Version vorhanden.

Die Original-Ausführung aus dem Jahr 1962 ist kein Buch im eigentlichen Sinne – vielmehr, den damaligen Möglichkeiten entsprechend, die Zusammenstellung von mit Schreibmaschine geschriebenen Einzelseiten und einem etwas stärkeren Einband. Es geht hier auch weniger um die Ausführung, als vielmehr um den Inhalt. Dabei hat Sinner eine überzeugende Arbeit hinsichtlich der historischen Fakten geliefert. Manche neuzeitlich überprüfbare Stelle ist nicht ganz genau – wohl auch der Tatsache geschuldet, dass ihm bei seinen Recherchen Erzählungen über gewisse Zeiträume nicht immer richtig weitergegeben wurden. Wo möglich wurden diese Inhalte berichtigt. Zudem mussten einige Kapitel komplett wegfallen, gekürzt oder zusammengefasst werden, da sonst der übliche Umfang der Wittighäuser Hefte beträchtlich überschritten worden wäre. Dies betrifft ein Gedicht von Friedrich Rückert, die örtlichen Themen Brandkatastrophen, Pfarrkirche Allerheiligen und Pfarrer, Martin Michel, Martin Dertinger, sein Vaterhaus und einige komplette wörtliche Wiedergaben von Urkunden. Siehe hierzu auch bisherige Wittighäuser Hefte.


1 ÜBER DIE ERDGESCHICHTE

Auf der Erde finden dauernd Umgestaltungen statt. Diese gehen unmerklich vor sich, und nur sehr große Zeiträume zeigen, was sich geändert hat. Gesteinsschichten, Versteinerungen und Erdschichten sind die Zeugen für diese Umgestaltung, und aus ihrer Anordnung von unten nach oben errechnet man die zeitliche Entstehung der Erdoberfläche. Man unterscheidet Urzeit, Frühzeit, Altzeit, Mittelzeit und Neuzeit. Da das Alter der Erde auf etwa 4,6 Milliarden Jahre geschätzt wird, so mag jede dieser Zeiten für ihre Entstehung viele Millionen Jahre gebraucht haben. Muschelkalkgebiet Die Entstehung des Muschelkalks geht zurück in die Triaszeit, die zum Erdmittelalter gehört. Damals war fast ganz Deutschland von einem Meer bedeckt. In dieses Binnenmeer wurde von den umliegenden Kalkgebirgen Schlamm geschwemmt. Unzählige kleine Schnecken, Muscheln und andere große Schalentiere haben durch ihre Ausscheidungen gesteinsbildend gewirkt. Außerdem haben Bodensenkungen und Ver­ dunstung des Wassers weiter noch zur Bildung des Muschelkalks beigetragen. In Versteinerungen erhaltene Weichtiere jener Zeit, die man in den Kalksteinbrüchen findet, sind Zeugen jener Zeit beziehungsweise dieser Entstehung. Man nennt solche Versteinerungen Ammonshorn oder Ammoniten (siehe Foto rechts).

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2 BESIEDLUNGSGESCHICHTE

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Die Vorgeschichte erzählt von Menschen, die ihre geschichtliche Entwicklung nicht in schriftlichen Urkunden hinterlassen haben. Spuren ihres Daseins sind die Gräber ihrer Toten mit den Beigaben und die Wohnstätten mit den Gebrauchsgegenständen. Da das heutige Franken während der ganzen Eiszeit, deren Dauer auf eine Million Jahre berechnet wird, gletscherfrei war, ist es möglich, dass auch hier tief unter der Erde menschliche Überreste aus der Altsteinzeit verborgen liegen (200.000 bis 7.000 v. Chr.). Gefunden wurde lediglich ein Mammutknochen aus jener Zeit beim Bau der Wasserleitung in Vilchband, wie damals Forstwart Lutz aus Messelhausen dem Autor erzählte. Von der jungsteinzeitlichen Bauernbevölkerung dagegen wurden in und um Unterwittighausen Siedlungsreste festgestellt. Professor Ernst Wahle aus Heidelberg hat in den Jahren 1932/33 auf der Wittighäuser Höhe, Gemarkung Vilchband, durch Grabungen und Probeschürfungen ein Steinzeitdorf festgestellt. Über seine Forschungsergebnisse der Besiedlung des Frankenlandes gibt er in dem Buch „Heimatscholle Vilchband“ von Karl Neckermann einen Bericht, dem die folgenden Gedanken entnommen sind, soweit sie mit den Funden in Unterwittighausen zusammenhängen. Die germanischen Volksrechte zählen das Haus mit zur fahrenden Habe. Aber auch die Kelten, die Süddeutschland vor den Germanen bewohnten, haben verschiedentlich ihre Wohnstätten gewechselt. Dasselbe gilt für die Bauernvölker der Jüngeren Steinzeit.

Kriegszüge und Bevölkerungszuwachs mögen die Ursachen gewesen sein. Daraus ergibt sich das ebenso plötzliche Auftreten wie auch Verschwinden der frühgeschichtlichen Siedlungsreste. Selbstverständlich knüpfen jüngere Siedler gerne an die von älteren Geschlechtern geleistete Arbeit an, und so kommt es in manchen Gebieten zu einer Häufung frühgeschichtlicher Urkunden. Altertumsfunde einer Gegend nehmen dadurch oft nur wenige Jahrhunderte einer mehrere Jahrtausende umfassenden Zeitspanne ein. Vorhandene Lücken lassen sich nur ausfüllen, wenn man die Heimat als Teil eines größeren Siedlungsraumes betrachtet und vergleicht. Die Gemarkung Unterwittighausen gehört mit ihrer Nachbarschaft zu einem größeren im Gau in der Gegend von Würzburg gebildeten Siedlungskern. Hier wurden manche Reste frühester bäuerlicher Bevölkerung, die wir überhaupt aus Mitteleuropa kennen, gefunden. Sie reichen bis in das dritte Jahrtausend v. Chr. zurück. Der nächste Fundplatz ist erst wieder in Osterburken und es ist nicht wahrscheinlich, dass zwischen Limes und Tauber nennenswerte Fundstellen dieser Art einmal zutage treten. Die Bauern hatten schon eine sehr entwickelte Töpferindustrie. Sie verzierten ihre Gefäße mit einfach eingeritzten Linien und später mit tiefen, oftmals ganze Flächen bedeckenden Einstichen. Solche Gefäßreste, Steinmesserchen und geschliffene Steingeräte findet man bei Grabungen. Man nennt dieses Bauernvolk die Donauleute. Wir kennen jedoch kein einziges Grab dieser Leute im Umkreis von Wittighausen.


ckelt, wie sie heute erhalten sind. Es sind etwa 200 solcher Hügel bekannt. Sie liegen in Wäldern verborgen, aber auch im Ackerland. Einige Hügelinhalte sind untersucht, andere Hügel liegen aber auch noch als nationale Denkmäler in der Landschaft. Neben dieser Bestattungsform gibt es aber auch aus jener Zeit das ebene Grab unter der Erde (Flachgrab). Ob hier an einen gesellschaftlichen Unterschied gedacht werden kann? Aus einer registrierten Fundliste von Prof. Wahle stammt das Wissen für die auf der Unterwittighäuser Gemarkung gemachten Funde aus den vorgehend benannten Zeiten:

Etwa um 2.000 v. Chr., im spätesten Abschnitt der Jüngeren Steinzeit, nahmen die Indogermanen von ganz Mitteleuropa Besitz. Sie hatten die landwirtschaftlichen Kenntnisse der Donauleute, besaßen aber neben dem Rind als zweites größeres Haustier das Pferd. Sie waren den Donauleuten überlegen und zwangen ihnen ihre Sprache auf. Inhaltlich fährt Professor Wahle fort: Über den Indogermanen erwuchsen in Süddeutschland, also auch in Tauberfanken, die Kelten, in Norddeutschland und Skandinavien die Germanen. Kenntnis über diese Zeit von 2.000 bis 100 v. Chr. gründet sich hauptsächlich auf die Grabhügel, die Bestattungsform der Indogermanen. Diese wurde von den Kelten übernommen und durch die Zeit der Schnurkeramik (späteste Steinzeit), der Bronzezeit (bis 1.000 v. Chr.), ältere Eisenzeit (Hallstattzeit bis 450 v. Chr.) und jüngere Eisenzeit (Latènezeit) zu der Form und Größe entwi-

Spiralkeramik – Am West- und Südrand des Waldes Bergholz, südlich vom Dorf, auf die Gemarkungsgrenze Vilchband und die Gewanne Burg und Heerweg übergreifend. Ausgrabung Oktober 1932 am Hinteren Berg auf dem Acker von Bärenwirt Karl Reinhard. Unmittelbar westlich vom Dorf, gleich nördlich der Straße gegen Zimmern. Stichkeramik – Am Südrande vom Bergholz, einige von Gemarkung Vilchband übergreifende Fundstellen. Grabhügel – Die Oberwittighäuser Gemarkung kann 10 Hügel verzeichnen. In der Unterwittighäuser Gemarkung findet sich ein Hügel westlich vom Dorf am Westrande des Waldes Großer Uhlberg. Außerdem erhalten wir Kenntnis vorstehend bezeichneter Zeit durch Wohnplätze. Diese sind aber nicht in Hüttengrundrissen, sondern nur in gebranntem Lehm, Scherben usw. festzustellen.

Grabbeigaben im Hügel 7, Nummern 1- 4, Gebiet IN DEN WINDEN in Oberwittighausen, ausgegraben 1911: 1 Fußring 2 Ohrschmuck 3 bronzene, massive Fibel 4 Bernsteinring (alle Zeichnungen von Ernst Wahle) © Universitätsbibliothek Heidelberg

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Professor Wahle hat in dem bearbeiteten Gebiet zwölf solcher Plätze genannt, davon die meisten in der hiesigen Gegend: einen in Unterwittighausen auf der Vilchbander Höhe, wo er selbst in den Jahren 1931/32 Probeschürfungen unternommen hatte. Außerdem sagte Forstwart Lutz dem Autor, dass im hiesigen Gewann Lehmgrube Latène­ siedlungen von ihm entdeckt worden seien. Auch würden Ober- und Unterwittighausen Hallstatt­ siedlungen aufweisen. Er erwähnte ferner, dass sich die Siedlungen der Jüngeren Steinzeit haupt­sächlich auf den Löshügeln der fränkischen Hochebene in der Nähe von Wasserquellen befinden, die der späteren Völker im Gegensatz dazu in den Tälern, wo Wasserläufe oder Quellen sind. So auch auf der Gemarkung Unterwittighausen. Er zeigte dem Autor solche Lehmreste von Siedlungsteilen, die er zur damaligen Zeit an der Straße von Vilchband nach Zimmern entdeckt hatte. Seine Feststellungen meldete er den zuständigen Stellen. Sie wurden alle registriert. Aus den Indogermanen erwuchsen in Süddeutschland, also auch hier, die Kelten, in Norddeutschland und Skandinavien die Germanen. Das Keltenvolk war in den letzten Jahrhunderten vor Christus schweren äußeren und inneren Erschütterungen ausgesetzt. Es unternahm Wanderzüge nach Rom, kämpfte gegen das Römische Reich und unterlag um die Mitte des letzten Jahrhunderts vor Christus diesem Gegner. Im hiesigen Gebiet blieben nur Reste dieses Stammes zurück. Zeugen hierfür sind die Viereckschanzen. Während in Bayern und Württemberg diese häufiger anzutreffen sind, finden wir in der Gegend um Wittighausen nur drei registrierte Viereckschanzen. Diese liegen bei Brehmen, Gerichtstetten

und Bütthard (schon bayrisch). Forstwart Lutz sprach außerdem von einer neu aufgefundenen Schanze bei Gerchsheim (Erdburg). Professor Wahle bezeichnet diese Keltenschanzen als eingefriedete Besitzungen von keltischen Großbauern. Die Büttharder Keltenschanze liegt südlich von Wittighausen im Gemeindewald Eichelberg in der Nähe der Straße von Vilchband nach Bütthard. Sie wurde 1907 im Beisein von Konservator Geheimrat Dr. Hock aus Würzburg untersucht (Römisch-Germanische Kommission des Kaiserlich Archäologischen Instituts, Bericht 1906/07, Seiten 42/43): Der Ringwall gehört nach all seinen äußeren Merkmalen und nach den dort gefundenen Sachen der jüngeren Latènezeit an und stellt einen Keltenbau dar aus der Zelt gegen 100 v. Chr. Nach Ansicht der Gelehrten dienten diese Ringwalle oder Wallburgen den Kelten als Zufluchtstätten, Fliehburgen, in der Zeit der Gefahr. Doch mögen diese Ringwalle auch in Friedenszeiten als befestigte Wohnsitze gedient haben, wenn auch nicht der ganzen Bevölkerung, so doch ihren Häuptlingen. Diese keltischen Wallburgen sind gewissermaßen die Vorläufer der mittelalterlichen Ritterburgen, und manch stolze Ritterburg mag auf dem Grunde eines solchen Ringwalles aufgebaut worden sein. Die Funde sind im Luitpoldmuseum (heute: Mainfränkisches Museum) in Würzburg untergebracht. Der Ringwall ist 150 m lang und ebenso breit. Bei der Besichtigung des Ringwalles zeigte Forstwart Lutz dem Autor eine etwa 150 m daneben liegende Stelle, an der sich eine Quelle befunden haben soll. Er selbst hätte bei Grabungen das Holzkreuz gefunden, dessen Gebrauch bei Quellfassungen üblich gewesen sei.


Aus der Gegend dieser Viereckschanzen stammen auch Funde von Keltenmünzen: eine von Brehmen, drei von Kembach, je eine von Königshofen, Messelhausen und Niklashausen. Um die Büttharder Schanze wurden die Keltenmünzen auf den Gemarkungen von Unterwittighausen, Messelhausen und Poppenhausen gefunden. Es ist natürlich ein sehr einseitiges Bild, einen Abschnitt der Frühgeschichte des hiesigen Gebietes vorwiegend durch Einzelfunde von Münzen belegt zu sehen. Aber da diese Münzprägung zu den Besonderheiten des Keltenvolkes in der Spätzeit seiner politischen Selbständigkeit gehört, so hat auch sie für uns den Wert einer geschichtlichen Urkunde (nach Professor Wahle). Eine auf Gemeindegebiet gefundene Keltenmünze mit Vertiefungen ist Privatbesitz von Bauer Eck in Poppenhausen. Der Fundort ist nicht bekannt, da sie ein Erbstück ist. Zwei andere sind von Bauer Jakob Zipf in Unter­ wittighausen auf seinem Acker im Gewann Rauhes Greis gefunden worden. Die Münzen be­stehen aus reinem Gold und haben eine Größe von 7 bis 12 mm im Durchmesser. In der Mitte sind sie etwas eingedrückt, so dass der Eindruck eines Schüsselchens entsteht. Daher auch der hier übliche Name „Regenbogenschüsselchen“. Sie waren wohl schon zu ihrer Zeit sehr kostbar und selten angesehen. Die Sage erzählt, dass man die „Regenbogenschüsselchen“ da findet, wo der Regenbogen auf beiden Seiten auf die Erde aufsteht. In dem Aufbewahrungskästchen von Bauer Eck lag bei dem Schüsselchen ein Zettel von den Vorfahren: Dieses Schüsselchen ist für die Kinder, wenn sie das Gefräsch (Zahnkrämpfe) haben. Man fülle es

mit Wasser und gebe es dem Kinde. Auf die Kelten folgten im Gemeindegebiet etwa 50 v. Chr. die Germanen. Im Jahre 213 n. Chr. ging Kaiser Caracalla über den inzwischen vom Römischen Reich errichteten Limes, um die Germanen, beziehungsweise den hier wohnenden germanischen Volksstamm der Alemannen, zu bestrafen. Die Gegend hier mag wohl auch Aufmarschgebiet derjenigen Germanen gewesen zu sein, welche der römischen Herrschaft zwischen Rhein und Donau um 265 n. Chr ein Ende gemacht haben. Den Beweis für eine Besiedlung in jener Zeit gibt eine römische Münze, die im benachbarten Vilchband 1899 bei Grabarbeiten im Hause des Landwirts Neckermann gefunden wurde (laut Nachlass des verstorbenen Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Johannes Zehnter in Messelhausen) und wohl durch Händler oder Söldner dorthin gekommen sein mag. Sie zeigt das Bild von Kaiser Antonius Pius (88 bis 161 n. Chr.). Nach 260 n. Chr. erstürmten die Alemannen das Kastell und Dorf Osterburken und auch von hier aus werden wohl viele Germanen in das neu eroberte Gebiet eingewandert sein. 496 n. Chr. wurden die Alemannen in der Schlacht bei Zülpich durch den Frankenkönig Chlodwig I. besiegt. Sie mussten jetzt einen großen Teil ihres Siedlungsgebietes, darunter auch die Gegend um Wittighausen, an die Franken abtreten. Nachdem Mitte des 5. Jahrhunderts n. Chr. die Völkerwanderung zu Ende gegangen war, kam es durch die Franken zur bäuerlichen Landnahme und zur Bildung von Dörfern. Ortsnamen und Schriftquellen, Patrozinien, die Form der Gemarkung usw. geben Hinweise auf die Entstehung der heutigen Orte.

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3 ENTWICKLUNG DER ZENTGERICHTE

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Bei den ältesten germanischen Siedlungen war die Anwendung des Hammerwurfes das Maß bei der Festsetzung der Hofstätten, der Regelung der Ackerflur und der Abgrenzung der Siedlung nach außen. Die Franken haben nun die durch Hammerwurf aus Ödland bestehende Grenze beseitigt und eine genaue Markgrenze gezogen.

Gewalt ihm von Pippin übertragen wurde. Wie alle Herzöge wird er wohl diese Gewalt auch auf Gemarkungsregulierungen ausgedehnt haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich bei seinem Aufenthalt im Taubergau auch mit Gemarkungs­ regulierungen beschäftigt hat, und dass in un­serer Gegend die Festsetzung der Gemarkungsgrenzen, die Flurteilung und Festlegung des Ortsetters auf Bonifatius zurückgehen.

Der Badenachgau

Bisher gab es nur Kirchen an den Höfen. Nun gründete Bonifatius die Pfarrkirchen, zu deren Unterhaltung eine Kirchensteuer, der Zehnt, erhoben wurde. Diese anfangs privatrechtliche Abgabe verwandelte Pippin in eine öffentlichrechtliche. Sie war auch für die Unterstützung der Armen bestimmt.

Präfekten teilten die Ackerflur auf. Das Ödland und das verlassene Land wurde als Königsgut zusammengefasst und der Privatbesitz ausgeschieden. Der Königsbesitz wurde entweder durch einen königlichen Hof in Eigenwirtschaft genommen oder in Huben von etwa 30 Morgen mit zugehörigen Wohnstätten aufgeteilt. Diese wurden an eine fränkische Sippe verlost. Der oberste Beamte der Gemarkungsregulierung war der Herzog. Er war also in erster Linie Verwaltungsbeamter und in zweiter Linie Heerführer. Die Bildung von Königsgut dem Main entlang war in älterer Zeit im wesentlichen das Resultat der Würzburger Herzöge Radulf, Hettan I. und Hettan II. Wir kennen zwei große Königshöfe in der Nähe: Sonderhofen und Königshofen. Sie wurden zwecks Gewinnung neuen Kulturlandes und zur Sicherung wichtiger Wege und Flussübergänge angelegt. Wittighausen gehörte zum Badenachgau (Badenachgewe). Der Name bezieht sich offenbar auf einen Bachlauf. Nach dem Tod von Hettan II. rückte etwa 747 n. Chr. Bonifatius an die Stelle der Herzöge, deren

Die Zent Im fränkischen Eroberungsgebiet, also auch im früheren Alemannenland, wurden neun Leute um ihren Führer (Dekan) angesiedelt. Ein fränkisches Dorf umfasste eine oder auch mehrere Dekanien. Je zehn Dekanien bildeten eine Zent, auch Hundertschaft genannt. Dekanien und Zenten waren ursprünglich kriegerische Abteilungen. Schon von der germanischen Urzeit her wurden in der Zent Kriminalfälle leichterer Art erledigt, während die schweren Verbrechen vom Gaugericht abgeurteilt wurden. Dieser gerichtlichen Tätigkeit blieb die Zent das ganze Mittelalter hindurch treu. Der Badenachgau zerfiel in drei Zenten: Gelchsheim (ca. 1578 nach Röttingen verlegt),


Giebelstadt (ca. 1575 nach Albertshausen verlegt) und Bütthard. Alle unterstanden der Herrschaft Würzburg. Unterwittighausen im Badenachgau gehörte zur Zent Bütthard. Diese Zent umfasste die Ortschaften: Riedmühle, Gaurettersheim mit Höttingen, Tiefenthal, Euerhausen, Oesfeld, Allersheim, Gützingen, Gaubüttelbrunn mit zwei Mühlen, Kirchheim und Mühlen (Gyersglocken), Eggenburg und Moos, Lilach, Poppenhausen, Ober- und Unterwittighausen, Vilchband, Simmringen, Bowiesen und Bernsfelden. Die Zentgerichtsordnung 1497 wurde zwischen dem Würzburger Fürstbischof Lorenz von Bibra (1495 bis 1519) und dem Landgrafen Asmus von Leuchtenberg, der Amt und Schloss in Grünsfeld als Würzburger Lehen hatte, eine neue Zentgerichtsordnung vereinbart. Der Zentgerichtsbezirk, die Ortschaften blieben dieselben, bestimmte, dass Bütthard und Unterwittighausen je zwei, Gaurettersheim, Höttingen, Allersheim, Gützingen, Gaubüttelbrunn, Kirchheim, Poppenhausen, Oberwittighausen, Vilchband und Simmringen je einen Schöffen zu stellen hatten. Das Zentgericht sollte abwechselnd in Bütthard und Unterwittighausen stattfinden. Der eigentliche Zentrichter blieb der Bischof, beziehungsweise der Amtmann in Bütthard. Doch sollte auch der Landgraf oder dessen Amtmann in Grünsfeld stummer Zentgraf sein, das heißt Sitz, aber keine Stimme haben. Um diese Zentordnung zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die vorher aufgezählten Orte zwar eine Zent miteinander bildeten, aber der Verwaltung nach

zu ganz unterschiedlichen Ämtern gehörten. Die heute badischen Orte (mittlerweile Verwaltungsbezirk Franken/Heilbronn zu Nordwürttemberg) gehörten nach Grünsfeld, die jetzt bayrischen mit Ausnahme von Allersheim nach Bütthard, die württembergischen nach Mergentheim. In die Zent gehörten die Anklagen: Mord, Diebstahl, Notzucht, Ehebruch, Befehdung, falscher Betrug mit Elle und Maß und Gewicht, Verletzung, Verrückung der Marksteine usw. Über geringere Vergehen erging das Urteil vom Dorfgericht, der Vogtei. Das Gericht bestand aus dem Zentgrafen, be­ ziehungsweise dem Zentrichter, aus 14 aus den verschiedenen Dörfern gewählten Schöffen (Schöpfen), dem Zentschreiber und dem Zentknecht (Büttel). Den Verteidiger musste der Angeklagte aus den Schöffen nehmen. Das Gericht fand in aller Öffentlichkeit statt, unter dem freien Himmel auf einem umplankten Platz. Der Zentrichter saß im Harnisch, den Richterstab in der Rechten, unter dem Zentbaum. Neben ihm saßen die Schöffen. Den Aufzeichnungen nach war der Gerichtsplatz anfangs auf dem Galgenberg, später unter der Linde vor dem Tore. Außerhalb des „peinlichen Gerichtstages“ sollte in anderen zentbaren Belangen alle vier Wochen ein Gericht gelegt werden. Im Laufe der Zeit wurden die Zentgerichte auf fünf beschränkt und zwar innerhalb eines Jahres. Das dritte allwegen ein Hochgericht, Montag nach Lichtmess (Quasimodogeniti = erster Sonntag nach Ostern oder zweiter Sonntag der Osterzeit), am Weißen Sonntag vor Johanni, vor Bartholmai und nach Martini.

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Mit den Ketten und Strang am Galgen, mit dem Schwert, mit dem Rad durch Zerstoßung seiner Glieder, mit dem Feuer, mit dem Wasser, durch lebendig begraben, pfählen, durch seinen ganzen Leib in vier Stücke, der folgend auf die vier gemeinen Straßen zu henken geteilt usw. vom Leben zum Tod gericht und gestraft, oder mit Ruten gestrichen und des Landes verwiesen.

Als Beispiel für ein Zentgericht mag das aus Memmelsdorfer dienen – der Ort grenzt unmittelbar an die Stadt Bamberg – kolorierte Zeichnung im Gerichtsbuch des Vogtes Sebastian Zollner (1589/96)

Die „peinliche Untersuchung“, die „peinliche Halsgerichtsordnung“ Zur Zeit von Kaiser Karl V. war folgende Prozedur durchaus üblich: Eine gerichtliche Untersuchung wurde nicht angestellt. Wo das Geständnis fehlte oder dem Richter nicht ausreichend erschien, hatte er das Recht, das Geständnis durch Folter zu erzwingen. So war es auch Übung bei den Zenten bis ins 17. Jahrhundert: Daumenschrauben, Spanische Stiefel, die Leiter, gedickter Hase ... Nach der Untersuchung kam das Urteil:

Von all dieser Zentherrlichkeit ist in Unterwittighausen nicht mehr geblieben als der Flurname Galgenberg. Er verkündet der Nachwelt, dass auf ihm in alter Zeit das Zeichen der „hochnotpeinlichen Gerichtsbarkeit“ prangte. Der Galgen stand wahrscheinlich am Berg bei der Mühle, wo die drei Gemarkungen von Bütthard, Gützingen und Unterwittighausen zusammenstoßen, also auf dem Berghang zwischen Fritzen- und Hetzenmühle. Die Fritzenmühle ist abgebrochen, ihren Standort erkennt der Wissende nahe der Ortsverbindungsstraße zwischen Unterwittighausen und Bütthard (heute große Aussichtsbank), wo noch der Graben zum Zuleiten des Wassers ersichtlich ist. Der Galgen stand bis etwa 1825, blieb aber in den letzten Jahrzehnten unbenutzt. Leonhard Kemmer aus Bütthard schrieb dazu: Die hohe Gerichtsbarkeit über Leben und Tod stand 1616 dem Fürstbischof von Würzburg zu. Das Holz des Galgens musste der Fritzenmüller stellen. Der Wagner von Bütthard musste ihn aufstellen und die nötigen Räder und die Leiter besorgen. Der Schmied von Bütthard musste die dazu gehörigen Beschläge liefern und beim Aufstellen des Galgens mithelfen. Für diese Leistungen gab ihm dann der Zentherr ein gutes Essen und Trinken.


4 HERRSCHAFTSVERHÄLTNISSE BIS 1650

Bei den germanischen Stämmen waren Steuern unbekannt. Nach der Einführung des Christentums war der Pfarrkirche eine Abgabe zu bezahlen (der Zehnte), die Pippin in eine öffentlich-rechtliche Abgabe umwandelte. Das Lehenswesen Eine Neuerung in dieser Zeit war das Lehenswesen. Der König gab von seinem abgesonderten Königsgut Teile an verdiente Getreue oder an geistliche Stiftungen. Ein Teil dieser Güterverleihungen bestand aus Schenkungen, ein anderer Teil aber aus Lehen (Beneficien), bei denen der König der Eigentümer (Lehensherr) blieb. Die Lehen kamen in großer Zahl vor. Der Empfänger (Vasall) trat zu dem Lehensherr in ein Dienstverhältnis, behielt aber seine persönliche Freiheit. Der Vasall gehörte meist den höheren Ständen an. Von den Vasallen wurden die Lehen dann wieder in kleineren Stücken (Huben) an niedere Leute (Bauern) ausgegeben. Dieser Lehensherr forderte dann oft vom Empfänger den Verzicht auf persönliche Freiheit und den Eintritt in die Hörigkeit. Dafür übernahm er aber den Schutz und den Kriegsdienst seines Untergebenen. Diese Art von Lehenswesen nahm den Bauern allmählich ihre persönliche Freiheit. Von dem ursprünglichen Grundherrn wurde für die Verwaltung seiner Ländereien der Fronhof eingesetzt. Er verwaltete das Salland (selbstbewirtschaftetes Land) und das Zinsland. Das waren die abgegebenen Huben und Lehen.

Die Könige bedienten sich in der Karolingerzeit zur Ausübung ihrer Regierungsgewalt im Königsgut der Vögte. Das gleiche Recht räumten sie auch durch Verleihung der königlichen Immunität den bischöflichen Kirchen ein, die in der Regel auf Königsgut errichtet waren. Die Bischöfe von Würzburg erhielten beispielsweise für ihren weltlicher Besitz, der zerstreut in den verschiedenen ostfränkischen Gauen lag und den Namen Hoch­ stift hatte, schon 752 Immunität. Sie hatten somit eine eigene Gerichtsbarkeit und durften Vögte einsetzen. Nennungen des Ortes Unterwittighausen Dem im Pfarrarchiv (23-Ortsgeschichte Unterwittighausen) hinterlegten „Topographischen Wörterbuch des Großherzogtums Baden“, von Albert Krieger (Heidelberg 1898, Seite 915) ist zu entnehmen: Wittighausen, Ober-, mit Lohmühle, und Unterwittighausen, 2 Dörfer (Tauberbischofsheim). In Verbindung mit Personennamen kommt Wittighausen zum ersten Mal im Jahr 1151 vor: „Cunradus de Wittigehusen“ (Regesta sive rerum boicarum autographa e regni scriniis fideliter in summas contracta, 1822, Band 1, Seite 135). Ratschreiber Hans Kögler in Unterwittighausen erwähnt in seinen Aufzeichnungen einen „Wintherus et Mezza der Witiginhusen et Henricus Reizze“ im Jahre 1242. Im Jahre 1245 kommen die Orte Unter- sowie Oberwittighausen unter den Namen „in villis

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Wittingenhusen inferiori et superiori“ vor, laut Geschichte von Unterfranken, von einem Herrn Jäger (Band III, Seite 393). Im Jahr 1312 kommt der Ort unter dem Namen „villa Wittegehusen“ vor, laut Codex diplomaticus exhibens anecdota Moguntiaca, von V. F. de Gudenus (Göttingen, Band III, Seite 71). Im Jahre 1369 heißt Unterwittighausen „Nyderwytichhusen“ (Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Rosenberg‘sches Archiv in Wertheim). Im selben Jahre und in derselben Quelle wird auch „Oberwytichhusen“ genannt. Im Jahre 1371 nennt das oben genannte Wertheimer Archiv den Ort „Oberwitichhusen“ und desgleichen 1287 eine Stelle im Landesarchiv Karlsruhe. Im 19. Jahrhundert heißt der Ort „Wittihause“, laut Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken (Band XXXIV, Seite 220). Der Sitz dieser Herren mag wohl im heutigen Gewann Schlossberg an der Straße nach Zimmern gelegen haben. Die Herren von Zimmern Ob Cunradus de Wittigehusen von niederem Adel war und ein direktes Lehen aus dem Königsgut inne hatte, oder ob er, was wahrscheinlicher ist, Lehensmann des benachbarten Edelherrn von Zimmern war, geht aus den Notizen nicht hervor. Die Edelherren von Zimmern waren eine alte an-

gesehene und begüterte Familie, deren Stammburg an der Gabelung der Straßen Vilchband/ Messelhausen stand. Im Wappen führte das Geschlecht zwei auseinander stehende Breitbeile auf einem Schild. 1212 wird ein Rudolphus decanus de Cimmere als Urkundenzeuge aufgeführt. Das lässt darauf schließen, dass Zimmern in jener Zeit schon Pfarrei gewesen ist, die womöglich aus einer Eigenkirche der Edelherren von Zimmern hervorgegangen ist. Noch 1336 ruhte ein Geleitbrief auf „Zimmern obendig Grünsvelde“, der uns die Bedeutung der Burg in jener Zeit zeigt. In alten Urkunden trifft man bei den Edelherren von Zimmern den seltenen Vornamen Siboto, beziehungsweise Sigebodo. So übergibt zum Beispiel ein gewisser Sigebodo seinen Besitz an Gütern und eigenen Leuten in Grünsfeld dem hl. Bonifatius zur Gründung der dortigen Pfarrei. Grünsfeld gehörte demnach damals zur Herrschaft Zimmern. Auch bei der Gründung des Klosters Bronnbach werden die beiden Brüder Sigebodo und Dragebodo von Zimmern genannt, von denen die Bronnbacher Mönche schreiben, dass sie von sehr vornehmer Geburt seien, von „praecelso sanguine“. Nach 1210 erscheint ein Siboto von Luden, der anscheinend mit Siboto von Zimmern die gleiche Person ist und vielleicht durch Erbschaft in den Besitz von Lauda gekommen sein mag und dann seinen Wohnsitz dorthin verlegte.


Die Grafen von Rieneck

Wappen des Adelsgeschlechtes derer von Rieneck

Bald darauf, etwa 1213, hat ein Graf von Rieneck auf Burg Grünsfeld die Hinterlassenschaft des Siboto von Luden mit der Herrschaft Zimmern, Lauda und Grünsfeld in Besitz genommen. Wahrscheinlich ist er durch die Heirat einer Erbtochter in den Besitz von Lauda und Zimmern gekommen. Der Name Siboto erscheint nun auch im Grafengeschlecht derer von Rieneck. Dass es keinen männlichen Erben des Siboto gab, geht auch aus der Tatsache hervor, dass das Hochstift Würzburg seine Lehen zurückforderte, die bei dieser Hinterlassenschaft waren. Nachweislich gehörte Unterwittighausen jahrhundertelang zur Herrschaft Grünsfeld. Es teilt somit dessen Geschichte. Die Stammburg der Rieneck liegt auf einer Anhöhe des linken Rheinufers unterhalb Andernach. Daneben steht das neue Schloss Rheineck. Die Rieneck gehörten zu den Hochfreien des Frankenreiches und waren wahrscheinlich ein Zweig der Karolinger. Im 11. und 12. Jahrhundert bekleideten sie das Amt des Stadtpräfekten von Mainz. Einer dieser Präfekten, Gerhard von Rieneck (1071 bis 1108), gab seine einzige Tochter Agnes dem Grafen Arnold von Loon oder Looz, der ebenfalls ein Stadtpräfekt von Mainz war. Ihm fiel nach dem Tode Gerhards im Jahre 1108 das ganze Erbe der Rieneck zu. Er übernahm sogar auch deren Namen. Sein Sohn Ludwig I. (1139 bis 1170), Burggraf und Erzkämmerer von Mainz, erbaute im Sinngau nördlich von Lohr das Schloss Rieneck, welches der Stammsitz der Rieneck wurde, nachdem der Übergang der niederrheinischen Herrschaft

Rieneck an das Erzstift Köln erfolgt war. Um 1213 kam dann, wie schon erwähnt, die Herrschaft Luden-Zimmern an die Rieneck, und um 1300 residierten die neuen Besitzer in der Burg zu Grünsfeld. Die Grafen Rieneck vererbten die Herrschaft in der Folgezeit unter sich. Im 15. Jahrhundert brachte der Lohrer Hausvertrag Unfriede in das Haus Rieneck. 1463 wurde eine Teilung der Herrschaft vorgenommen. Philipp der Ältere erhielt Grünsfeld und Lauda, Philipp der Jüngere Gemünden und den Stammsitz Lohr. Die Grafen von Leuchtenberg Dorothea, die Tochter Philipps des Älteren, heiratete den Grafen Friedrich von Leuchtenberg. Sie übertrug 1502 Amt und Stadt Grünsfeld, um erb-

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Grabmal der Dorothea von Rieneck (1440 bis 1503) in der Stadtkirche von Grünsfeld – sie war die einzige Tochter des Grafen Philipp des Älteren und brachte durch die Heirat mit Friedrich von Leuchtenberg dessen Geschlecht nach Grünsfeld

rechtlichen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, dem Fürstbischof von Würzburg als Lehen. Der Bischof gliederte Lauda als Würzburgisches Amt seinem Hochstift ein und übertrug Grünsfeld dem Landgrafen Johann von Leuchtenberg (Sohn der Dorothea von Leuchtenberg) als Mannlehen. Der Hauptbesitz der Landgrafen zu Leuchtenberg war in Pfreimd in der Oberpfalz.

Teilung der Zent Bütthard Am 1. Oktober des Jahres 1593 wurde zwischen dem Würzburger Bischof Julius Echter von Mes­ pelbrunn und Georg Ludwig von Leuchtenberg ein Vertrag geschlossen über die Teilung der Zent Bütthard, dem ja auch Unterwittighausen angehörte. Die Zentgerichte wurden nach einer früheren Vereinbarung abwechselnd in Bütthard und Wittighausen abgehalten. Bei dieser Teilung kamen nun Gützingen, Höttingen, Gaurettersheim, Allersheim und Gaubüttelbrunn zum Hochstift Würzburg und gingen mit diesem bei der Säkularisation 1803 an Bayern über. An die Herrschaft Grünsfeld des Landgrafen zu Leuchtenberg fielen Vilchband, Ober- und Unter­ wittighausen, Kirchheim und Lilach. Aus dieser Urkunde geht weiter hervor, dass auch die Dörfer Simmringen, Bernsfelden, Poppenhausen, Bowiesen und Röttelsee zur Zent Bütthard gehört haben. Sie wurden von Bischof Julius Echter vorübergehend der Zent Grünsfeld zugeteilt und sind im 17. oder 18. Jahrhundert mit Ausnahme von Poppenhausen Württemberg zugefallen. Auszug aus dem Vertrag zwischen Würzburg und Grünsfeld vom 1. Oktober 1593 über 1. die Auftheilung der Cent Buthart betr. 2. die Compensation des Weinzehentes zu Taube Khönigshofen 3. das Landgericht Herzogthumbs Franckhen 4. die frayschliche obrigkeit zue Grüenßfeldt 5. die Rohrensehische 4 Malter Järlicher Gült 6. dir Auswexlung beederseits Leibaigener Leuth 7. die Verwurrung der Guetter 8. deren von Kizbrun Vellder 9. Vnd den wochen Markht zue Grüenßfeldt


WIR Julius Von Gottes gnaden Bischof zue Würzburg vnd Herzog zue Franckhen, vnd von desselben gnaden Wür Georg Ludwig Landtgraff zue Luchtenberg, Graff zue Halß Bekhenen vnd thuen khundt offentlichen gegen Allermeniglichen für vns, vnser Stüft Nachkommen vnd Erben, alß sich bißhero zwischen vns vnseren Stüft Würzburg vnd Herrschaft Grüenßfeldt etliche nachbarliche Irrungen vnd gebrechen erhalten vnd zugetragen, Zue deren Vergleichung vnd Beilegung wir vns unterschiedlicher Tagesfarrfreundtlich Verainiget vnsere beederseits vorneme Räte dazue deputiert vnd verordnet, die gietliche vuerbindtliche teruliche Handlung gepflogen, etliche Puncten aufs Mittel gerichtet, vnd sindt nach allerseits ervolgeten resolutionen und erclerungen dieselbe vnd alle andere angeregte nachbarliche gebrechen und mißverstendtnus vmd freundtliche und vertrauliche Nachbarlichen ainigkheit willen mit vnseren beederseits gueten wissen, willen vnd belieben hingeleget, verglichen vnd genzlichen vertragen worden Inmassen vnterschiedlich hernach volget: Nemblichen vnd sovil Erstlichen die Zent Budtharth vnd daran gehörige zentbare vnthertanen Mannschafften, Dorffschaften, Weiler, Höfe und Wustungen belangen thuet, weil nach aufgerichter Zentordnung befunden, das sich aus der gehabten gemainschaften mit der appelation vncostens vnd andern allerhandt Vnrichtigkheiten eraignen vnd begeben wöllen. Alß haben wür die sachen freundtlichen erwogen vnd für das best vnd richtig mittel zur aufhebung geschwebter vnd abschneidtung aller könftigen möngel vnd gebrechen erachtet, das solche Zenth Budthart, daran ieder theil vnser die Helfte Zuegestanden in Nammen des Allmechtigen dergestelt geteilt vnd abgesondert, das vns Bischof Juliussen vnd vnse

Nur für drei Jahre war der Fürst von Salm-ReifferscheidtKrautheim in Wittighausen der Landesherr – Reifferscheidt gibt es auch in der Schreibweise Reifferscheid

rem Stüft die nachvolgendte Dorfschaften, Markhungen, vnthertanen vnd Manschaften Buthardt, Güzingen, Höttigen, Geu Rettersheim, Allershaim vnd Gaubuttelbron, vnd daz vnß Landtgraven vnd vnseren Erben ebenermaßen Vilchbandt, Ober- vnd Vnderwittichhausen, Kirchheim vnd Lilach mit ahngeregeter Zentbarlichen obrigkheit vnd was derselben anhengig, an- vnd zugehherig, Kirchheim aber vns dem Landtgrawen allein mit ... Hier endet bei Konrad Sinner der Text aus dem Bayerisches Hauptstaatsarchiv in München, der noch etwas länger sein dürfte. Grünsfeld wird Würzburgisches Amt Im Jahr 1649 sterben die Landgrafen zu Leuchtenberg im Mannesstamm aus. Die Erbschaft Grünsfeld fiel nun als Mannlehen an den Fürstbischof von Würzburg zurück. Grünsfeld wurde von da an ebenfalls Würzburgisches Amt. Im Grünsfelder Schloss nahm jetzt der Würzburger Amtmann mit seiner Verwaltung Wohnung. 1803 kam das Amt Grünsfeld zum Fürstentum Krautheim des Fürsten Salm-Reifferscheidt und im Jahr 1806 zum Großherzogtum Baden.

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5 DIE ZEIT DES BAUERNKRIEGES

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Denkmal von 2001 am Würzburger Schottenanger für den „Pfeifer von Niklashausen“ Hans Böhm an der Stelle seiner

Als Deutscher Bauernkrieg wird die Ausweitung lokaler Bauernaufstände ab 1524 in weite Teile des süddeutschen Sprachraumes bezeichnet.

Hinrichtung am 19. Juli 1476 – gestaltet von Heinrich Schreiber aus Kronach

Pilgerspfad und Böhmerweg

– gestiftet von Klaus Zeitler (ehemals Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, seine Frau stammte aus Wittighausen) – Bronzerelief als Teil einer Plastik aus Buntsandstein

Oberhalb der jetzigen Bahnhofstraße (mittler­ weile Wittigostraße) führt von Unterwittighausen ein Feldweg in Richtung Sigismundkapelle nach Oberwittighausen. Er heißt Pilgerspfad. Ein anderer Weg auf Oberwittighäuser Gemarkung an der Kapelle trägt den Namen Böhmerweg. Diese beiden Namen sagen uns, dass die dem hl. Sigismund geweihte Kapelle im Mittelalter das Ziel vieler Wallfahrer war. Sie sagen uns weiter, dass auch viele böhmische Wallfahrer zur Kapelle kamen, zu dem von den Böhmen besonders verehrten hl. Sigismund. Als Beweis darf eine Münze (in Privatbesitz) gelten, die beim Bau des damaligen Postgebäudes (neben der Bäckerei Bächtle, mittlerweile nur noch Wohnhaus) in Unterwittighausen gefunden wurde. Sie trägt das Bildnis von Kaiser Sigismund, einem Sohn von Karl IV. (Sigismund von Luxemburg, geboren am 15. Februar 1368 in Nürnberg, auch Siegmund genannt, stammte aus dem Hause der Luxemburger. Er war Kurfürst von Brandenburg von 1378 bis 1388 und von 1411 bis 1415, König von Ungarn und Kroatien seit 1387, römischdeutscher König seit 1411, König von Böhmen seit 1419 und römisch-deutscher Kaiser von 1433 bis zu seinem Tod am 9. Dezember 1437 in Znojmo/Tschechien).

Fürstenheer auf der Wittighäuser Höhe Mit den Pilgern aus Böhmen kam auch der Prophet Hans Böhm, „Pfeifer von Niklashausen“ genannt, in diese Gegend. Er ist durch seine Predigten ein geistiger Urheber des Bauernkrieges geworden. Der Verlauf dieses Aufstandes dürfte bekannt sein, und es soll hier nur Erwähnung finden, was Bezug auf Unterwittighausen hat. Lorenz Fries, Marschall und Sekretär des Bischofs von Würzburg (Geschichtsschreiber des Bauernkrieges in Ostfranken), erzählt hiervon einiges. Nach der Schlacht am Sailtheimer Wäldchen sollen sich die fliehenden Bauern nach örtlicher Überlieferung in der Schanze vom Büttharder Wald versteckt haben. Das Bundesheer zog nach dieser Schlacht bei Königshofen am Pfingsttag, den 4. Juni 1525, nach Sulzdorf, wo sich das Bauernheer gesammelt hatte. Als die bei Würzburg versammelten Bauern von Heidingsfeld die Steige hinauf gegen Königshofen zu nahe gegen Sulzdorf kamen, waren die fursten, so desselbigen Pfingstag von Königshofen uf Wittishusen zu gezogen und numer zu Vilband, durch etlich vortrabende kuntschaft bericht, wie die bauern gegen inen zögen, körten sie den nechsten zu inen. Die Bauern stunden bey Sultzdorf in ir Ordnung und stellten sich aufen glich, als wollten sie sich wören; aber alsbalt man sie angrif, da geben sie die flucht und nachdem der platz, daruf sie betreten, weyt und eben war, volten inen die geraisigen nach, handelten mit inen bis ir ab den 5000 erschlagen wurden. Desselbigen tags warden verbrent Buthert, Sulzdorf und Gibelstadt.


Florian Geyer war ein fränkischer Reichsritter, Truppenführer im Dienst des Markgrafen Albrecht von BrandenburgAnsbach und Diplomat – er übernahm im Bauernkrieg 1525 die Führung des „Schwarzen Haufens“ – geboren im Jahr 1490 in Giebelstadt, gestorben am 10. Juni 1525 in Würzburg – Zeichnung von Johann Carl Wilhelm Aarland (1822 bis 1906)

Demnach ist des Fürstenheer also am Pfingstsonntag von Königshofen gegen Wittighausen gezogen, hat dann in Vilchband durch Kundschafter die Nachricht erhalten, dass der Würzburger Bauernhaufen gegen das Fürstenheer heranziehe. Auf diese wichtige Meldung hin hat der Truchseß von Waldburg seine Marschrichtung geändert und den nächsten Weg nach Sulzdorf eingeschlagen. Die Vilchbander Flurbezeichnung Heerweg hat dies festgehalten. Auf der Wittighäuser Höhe bog das Fürstenheer nach Osten ab, dem Heerweg entlang nach der

Lücke zwischen dem Büttharder Wald und dem Unterwittighäuser Bergholz. Von dort zog es weiter in Richtung Gützingen, Allersheim bis nach Sulzdorf. Am gleichen Tage noch erhielten die Bauern nach einem erbitterten Kampf eine vernichtende Niederlage. Es ist möglich, dass es sich dabei um die berüchtigte „Schwarze Schar“ von Florian Geyer gehandelt hat. Mit diesen beiden Schlachten bei Königshofen und Sulzdorf war der Bauernaufstand in dieser Gegend niedergeschlagen.

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6 DER 30-JÄHRIGE KRIEG IN WITTIGHAUSEN

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Der 30-jährige Krieg von 1618 bis 1648 war ein Konflikt um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa, der als Religionskrieg begann.

In diesem Sprüchlein lebt die Erinnerung an eine schreckliche Zeit weiter.

telmarktes Landwehr

Die Schweden in Franken

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Dieser Krieg spielte sich bis 1636 hauptsächlich in Böhmen, in der Pfalz und in Niedersachsen ab. Die Gegend um Wittighausen wurde anfangs wohl von den größten Schrecken verschont.

Das Haus der Familie Alois Deckert in Unterwittighausen hätte bis zu seinem Abriss von diesen fremden Soldaten berichten können. Es wurde im Jahre 1626 erbaut und stand 1962 unter Denkmalschutz. Seine Balken waren aus Eiche und so hart, dass man sich plagen muss, wenn man einen Nagel einschlagen will.

Haus Deckert in der Büttharder Straße in Unterwittighausen im Jahr 1962 – mittlerweile abgerissen; hier befindet sich die rückwärtige

Haus und Bildstock aus jener Zeit

Liefereinfahrt des Lebensmit-

Bildstock aus dem Jahr 1601, leider von der Säule her nicht mehr im Original erhalten

Das änderte sich, als Schweden auf der Seite der Protestanten in den Krieg eintrat. Nach dem Sieg Gustav Adolfs in der Schlacht bei Breitenfeld über Tilly am 7. September 1631 drangen schwedische Truppen über Thüringen nach Franken vor. Deren Herrschaft dauerte zwar nur etwa drei Jahre, aber die Bevölkerung hier musste die Schrecken des Krieges in ihrer schlimmsten Form über sich ergehen lassen. Viele Geschichtsbücher berichten davon. Als im Oktober 1631 das Hochstift Würzburg von den Schweden besetzt wurde, befahl König Gustav Adolf die Erbhuldigung an seine Krone. Damit wurde das Hochstift Würzburg und die zugehörigen Dörfer im staatsrechtlichen Sinne schwedisch. Von Vorfahren, die aus Vilchband stammten, kennt der Autor das Sprüchlein, welches die Eltern ihre Kinder lehrten. Es heißt: „Bet‘ Kindlein bet‘, morgen kommt der Schwed‘, morgen kommt der Ochsenstern, wird das Kindlein beten ler‘n“.


Übersetzung des lateinischen Textes auf der Säule durch Günther Saltin: Es sind zwei Priester, die dieses Zeichen des Kreuzes aufstellten. Männer von einer durch Gebet und gute Werke bestimmten Menschenfreundlichkeit waren sie. Als erster von ihnen ist zu nennen Johannes Benedictus Nolne, von gleichem Rang aber auch Augustinus Klos.1601

Ein Bildstock auf der Höhe gegen Poppenhausen trägt die Jahreszahl 1601. Er ist aus Kalkstein gearbeitet, hat die Maße 240 x 34 cm und die Schrift ist 4 cm hoch. Im Oberteil befindet sich eine Rundbogennische, am Stamm eine zum Teil falsch erneuerte Schrift – siehe Abbildung rechts. Erwähnt werden zwei Priester, die dieses Kreuzzeichen errichteten. Und (Gott) erquicke sie gütig mit seinen Wohltaten. Deren erster war Johannes Benedictus Nolne, der andere Augustinus Klos. Mit dieser Inschrift ist der Flurname Am Herrenbild geklärt, wo der Bildstock steht.

Anmerkungen zum lateinischen Text auf der Säule: * zu „HOS“ : Der Akkusativ Plural von Hic ergibt keinen Sinn. Es handelt sich wahrscheinlich um die Abkürzung von homines. ** Das Wort ist nicht genau zu entziffern. Der Ablativ von oratio = Gebet würde aber passen. Die Inschrift liest sich so, als ob sie auf eigene „Signa crucis“ hinweist, die getrennt von diesem Gedenkstein stehen. Es ist jedenfalls ungewöhnlich, dass die Stifter des Denkmals Hinweise auf ihre eigene Frömmigkeit in Stein meißeln ließen. Vielleicht haben die beiden Priester – eventuell in Zusammenhang mit einer Pestepidemie – Kreuze aufstellen lassen. Eventuell haben dann später Pfarrangehörige diesen Bildstock als Gedenken daran errichtet.

Ein weiterer im Manuskript von Sinner erwähnter Bildstock an der Straße nach Bütthard aus dem Jahr 1641 wurde im Original bei einem Verkehrsunfall zerstört und durch eine Neugestaltung ersetzt.

Wittighäuser Familiennamen, die bis in jene Zeit zurückreichen, sind Deckert, Dürr, Dertinger, Henneberger, Kemmer, Landwehr, Lurz, Konrad, Michel, Popp, Reinhard, Schmitt und Zipf.

100 cm

Durch die Schlacht bei Nördlingen im September 1634 ist der dreijährigen Schwedenherrschaft in Tauberfranken ein Ende bereitet worden. Die Pfarrbücher wurden wohl alle in dieser stürmischen Zeit vernichtet und geben erst wieder ab 1677 von den Namen der hiesigen Einwohner Kenntnis.

Heiliger Bruder Konrad, bitt für uns

SVNT DUO PRSBRI CRV CIS HAEC QUI SIGNA STRU EBANT HOS * (ORATIONE) ** MERITISQUE BENIGNITATIS QVORU IOAN NES BENEDIC TVS NOLNE PRIMUS ATQ VE AVGV S KLOS SI MILITER ERANT 1601 RENOVIERT DURCH VALENTIN LURZ Dorfmüller JOHANN LÖFFLER Pfarrer 1936

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7 WAPPEN UND SIEGEL

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Die beiden Wappen von Unterwittighausen waren wahrscheinlich Tüncherarbeiten in einem Veranstaltungsraum eines örtlichen Wirtshauses oder im Alten Rathaus

Ein Wappen ist ein schildförmiges Zeichen als Hoheitszeichen für einen Staat, ein Land oder eine Stadt. Das Siegel ist eine Form der Beglaubigung von Urkunden mithilfe eines Typars, welches in eine weiche, erhärtende Masse gedrückt wird. Heutiges Wappen (im Jahr 1962) Seit der ersten Jahrtausendwende führt Unterwittighausen das heutige Wappen. Es zeigt einen nach links schwimmenden silbernen Schwan mit rotem Schnabel, die Flügel etwas aufgebläht, auf einem blauen Wappenschild. Woher kommt dieses Wappen? Zu der auf den Vorseiten gegebenen Geschichte der Grafen von Rieneck muss noch erwähnt werden, dass die Familien von Loon und von Rieneck das gleiche Wappen hatten, nämlich fünf goldene Querbalken im rotem Feld und als Helmzier einen ganzen stehenden Schwan mit aufgetanen oder zugetanen Flügeln, wie der Graf von Rieneck eben will. Da nun Unterwittighausen einstmals zu Grünsfeld gehörte, mögen die Herren des Generallandesarchivs diese Helmzier als Vorlage des heutigen Wappens von Unterwittighausen genommen haben. Altes Wappen Ratschreiber Hans Kögler führt in seiner Arbeit über Wittighäuser Siegel und Wappen aus:

Im Jahre 1839 wurde mit Erlaubnis des Großherzoglichen Bezirksamtes, damals in Gerlachsheim, von dem Graveur Gumprich in Karlsruhe ein Farbsiegel gefertigt, das bis 1876 in Gebrauch war. Der Siegelstock ist heute nicht mehr vor­ handen und hatte am Rande die Umschrift „Gemeindeverwaltung“ und im Mittelfeld die Inschrift „Unterwittighausen“. Abdrucke dieses Siegels findet man in den FeuerversicherungsEinschätzungstabellen von 1852 bis 1870 und in den Gemeindeabrechnungsbeilagen aus dem Jahr 1839. Im April 1876, also unmittelbar nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, fertigte der Graveur Ferdinand Triefenbach aus Konstanz ein weiteres gemeindliches Farbsiegel an, das bis Januar 1891 verwendet wurde. Es zeigt in der Mitte ein längliches Mittelfeld mit Krone und der Inschrift „Ü.W.“ sowie am Rande die Umschrift „Gemeinde Unt.Wittighausen“. Zum ersten Mal hat auch das Standesamt sich das gleiche Siegel zugelegt und zwar mit der Umschrift „Standesamt Unter-Wittighausen“. Beschafft und eingeführt wurde dies im Monat September 1879 und mit Verfügung des Großherzoglichen Amtsgerichtes Tauberbischofsheim am 9. August 1888 eingezogen. Anfang Februar 1891 wurde durch den Würzburger Graveur Schmid ein Nachbild von dem ersten und wohl auch ältesten Gemeindesiegel angefertigt, das aber leider nicht gut ausgearbeitet wurde. Den Vorschlag hierzu machte Professor Ehrensberger vom Matthias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim, welcher damals als Pfleger die Archive betreute, und auf das


ursprüngliche Siegel zurückgriff. Ein Stempelabdruck in den Gemeindeakten beweist, dass auch die Gemeindekasse damals ein solches Siegel besaß. Außerdem hat die Gemeinde ein sehr altes Siegel aufzuweisen, es scheint ein Trockensiegel für Oblaten, Wachs oder Siegellack gewesen zu sein mit dem eigentlichen früheren Wappen, welches sicher schon seit Jahrhunderten in Gebrauch war. Das Siegel zeigt auf der linken Seite die Justitia mit Waage und Schwert, während rechts noch eine weitere Figur mit Heiligenschein steht. Der Originalsiegelstock ist heute noch im Archiv der Gemeinde vorhanden. Er trägt die Umschrift „GERICHT SIGHL (oder SIGIIL) IN UNDDERWIDDIHUSEN“. Das Alter dieses Siegels könnte festgestellt werden, wenn es gelänge, Akten ausfindig zu machen, in denen diese Art der Ortsschreibung “Undderwiddihusen“ üblich war, oder in denen eine Verwendung des Siegels nachgewiesen werden kann. Das könnte bei Akten der alten Zentgerichte im Mittelalter sein, die, wie schon erwähnt, abwechselnd in Bütthard und Unterwittighausen abgehalten wurden. St. Michael im Wappen? Ergänzend möchte der Autor hinzufügen, dass eine andere Deutung des Wappenbildes als die der Justitia wahrscheinlicher ist. Sollte das Bild nicht Sankt Michael mit dem Schwert und der Waage und die nebenstehende Figur einen verstorbenen Menschen darstellen? Als Begründung hat er sich Folgendes erzählen

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Weiterhin zeigt das Buch auf, wie die Kunst im Mittelalter Michael immer wieder u.a. als Seelenwäger beim Jüngsten Gericht mit der Waage darstellt.

Sehr altes Trockensiegel mit dem Text „GERICHT SIGHL (oder SIGIIL) IN UNDDERWIDDIHUSEN“ – es zeigt auf der linken Seite die Justitia mit Waage und Schwert, während rechts noch eine weitere Figur mit Heiligenschein steht

lassen: Alfons Rosenberg, Religionsphilosoph und Maler, bekannt durch seine symbolkundlichen Forschungen, hat ein Buch über den hl. Erzengel Michael geschrieben. Das Buch beruht auf Quellen und zeigt Michael als den Hüter des Paradieses mit dem Flammenschwert, sein Erscheinen in den Mythen der alten Völker, als Schützer des jüdischen Volkes, das in ihm den Freund, Helfer und Geleiter im Tode und im Jenseitsgericht sieht. Es spricht von der Geschichte und den Kultlegenden der großen Michaelsheiligtümer der Christenheit (Chonae in Kleinasien, Konstantinopel, Monte Gargano in Süditalien, Mont Saint Michel in der Normandie, St. Michael‘s Mount in Cornwall usw.), von dem Michaelskult der ersten christlichen Jahrhunderte bis in das Mittelalter hinein, von den Wallfahrten, besonders Kinderwallfahrten, zu seinen Heiligtümern, von den beiden Michaelsfesten am 8. Mai und 29. September, letzteres im Zeichen der Waage, und den Symbolzusammenhängen, die in der jungen Kirche selbstverständlich waren, und die das Kirchenjahr in das Naturjahr hineingebettet und dadurch verklärt haben.

Diese begeisterte Verehrung St. Michaels blieb nicht Sache der Innerlichkeit des mittelalterlichen Menschen, sondern sie wirkte sich im sozialen und politischen Bereich aus. Päpste übernahmen die Schatzherrschaft über Michaelsheiligtümer, Fürsten bauten ihm zu Ehren Kirchen. Eine Legende meldet, dass Kaiser Karl eine Wallfahrt nach dem Michaelsheiligtum des Berges Gargano unternommen hat. Tatsache ist, dass er durch einen Brief des Papstes Hadrian I. 788 von der Kraftwirkung der Michaelsverehrung unterrichtet war, und dass er 813 der Synode von Mainz den Vorschlag unterbreitete, das bis dahin nur örtlich gefeierte Michaelsfest am 29. September zum allgemeinen Feiertag der Kirche und damit zugleich zum Reichsfeiertag zu erheben, dem Synode und Papst zustimmten. Sollte diese auf Quellen ruhende Begeisterung, die dieses Buch zeigt, nicht auch die Vorfahren veranlasst haben, ihre Verehrung St. Michaels in den politischen Alltag hinüber zu nehmen und ihn zum Schutzherrn der Gemeinde zu wählen? Wenn dem so wäre, dann hätten wir neben den geschichtlichen und schriftlichen Dokumenten der Wittighäuser Vorfahren auch zwei Charaktereigenschaften derselben gefunden: Begeisterungsfähigkeit und Frömmigkeit. Das alte Gemeindewappen verdiente in seiner Bedeutung wieder in das Gemeindeleben eingebaut zu werden und könnte eine Brücke bilden.


8 ENTWICKLUNGEN VON 1650 BIS 1960

In diesen drei Jahrhunderten änderte sich das Leben der Bevölkerung in Unterwittighausen einschneidend – Freiheiten und Rechte kamen, an die man zuvor nicht glauben konnte. Fortschritt in Arbeit und Technik Wittighausen war um 1650 ein reines Bauerndorf. Die Landwirte befanden sich in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit. Wenn man sich an den verschiedenen Maß-, Münz- und Gewichtssystemen vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein orientiert und andererseits von den vielen Arten der bäuerlichen Abgaben hört, dann wundert man sich, dass überhaupt ein geordnetes Volksleben möglich war, beziehungsweise dass klar wurde, wer was wem und wieviel zu geben und wer etwas zu bekommen hatte. Längenmaße in jener Zeit 1686 gab es beispielsweise 150 verschiedene Rutenmaße in Deutschland: 1 Morgen waren 200 Ruten, 1 Rute 12 Schuhe. Nach der Löser‘schen Umrechnungstabelle, die 1871 aufgestellt wurde, war nach heutigem Maß: 1 Unterwittighäuser Rute 3,5 m 1 Oberwittighäuser Rute 3,6468 m 1810 wurde durch Landesgesetz die badische Rute und der badische Fuß eingeführt und durch Gesetz vom 14. November 1869 die jetzige auf das französische Metersystem aufgebaute Maßund Gewichtsordnung.

Danach waren 1 Quadratrute 9,0 qm 1 Rute 3,0 m 1 Fuß 30,0 cm 1 Zoll 3,0 cm 1 Linie 2,0 mm 1 Punkt 0,3 mm 1 Morgen = 400 badische Ruten zu je 9 qm = 3600 qm = 36 ar Ähnlich verhielt es sich auch mit den Gewichtsund Münzsystemen, die Mitte des 19. Jahrhunderts vereinheitlicht wurden. Der Zehnt (die Abgabe) Was musste in jener Zeit abgegeben werden? Es war der Zehnt. Er bestand in Deutschland schon in der Römerzeit. Der größte Teil Badens gehörte zum römischen Zentland. Im 3. Jahrhundert wurde der Zehnt durch die Alemannen beseitigt, aber um 500 n. Chr. durch die Franken wieder eingeführt. Zuerst war er eine Steuer für kirchliche Zwecke. In den späteren Jahrhunderten zogen ihn die Grund- und Landesherren an sich. Sie übernahmen damit die Verpflichtung, für kirchliche Bedürfnisse aufzukommen. In der Folge nahm er immer mehr eine auf Grund und Boden lastende Reallast an, und als es im 19. Jahrhundert an die Zehntablösung ging, war er keine Steuer mehr, sondern eine mit der Grundherrschaft wohlerworbene privatrechtliche Abgabe. Es gab den großen Zehnt, auch Kornzehnt genannt, der von allen Getreidearten zu entrichten

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war. Die Zentknechte zählten die Garben aus. Der kleine Zehnt war eine Abgabe von Gemüse, Wurzelgewächsen und Obst. Der Blutzehnt umfasste die Abgaben aller in Hauswirtschaft und Feld gezogenen Tiere sowie deren genießbare Produkte, also Eier, Butter, Wachs, Honig, Wolle etc. Diese Abgaben in Naturalien nennt man Gült. Sie mussten an die Herrschaft gegeben werden, der Grund und Boden gehörte. Das waren in Unterwittighausen jahrhundertelang die Herren von Rieneck und von Leuchtenberg. Daneben bestanden noch besondere Abgaben, wie das Besthaupt, Herrenfrohnden, Handlohn, Fastnachtshühner, Schutzhaber etc. Hund‘sche Huben in Unterwittighausen Einem Gültbuch von 1765 ist zu entnehmen, dass auch die Herren von Hund Boden in Unterwittighausen hatten. Es wird von fünf Hund‘schen Huben gesprochen. Geschichtliches über dieses Geschlecht: Das Dorf Wenkheim gehörte in den ältesten Zeiten (1149) zum Bistum Würzburg, das wohl die Grafen von Wertheim damit belehnte. Das Dorf hatte aber auch seinen eigenen Adel, die Herren von Wenkheim und die Herren von Hund von Hundelin, die von Grünsfeld herüber kamen. 1380 werden sie in Wenkheim zum ersten Mal genannt. Die Familie teilte sich in verschiedene Zweige. 1625 starb die männliche Wenkheimer Linie aus und der Ort fiel wieder an die Lehensherren, die Grafen von Wertheim, zurück. Eine Sage erzählt über die Entstehung des Namens: Irmtrud, die Gemahlin des Grafen Isenbard zu Altdorf, verspottete eine arme Frau wegen

der Geburt von Drillingen. Diese verwünschte die Gräfin, sie solle zwölf Kinder auf einmal bekommen. Die Verwünschung ging in Erfüllung. Irmtrud übergab elf davon einem Diener, der sie ins Wasser werfen sollte. Als der Graf dazu kam und den Diener fragte, was er in seinem Korb habe, antwortete dieser, es seien junge Hunde. Da der Graf sie sehen wollte, kam die Sache an den Tag, und die Kinder wurden gerettet. In Achern, wo der Name sehr häufig ist, erzählt man sich dieselbe Sage. Dort wurde die unmenschliche Mutter eingemauert. Die Herren von Hund waren ein sehr weit verzweigtes Geschlecht, das an vielen Orten Besitzungen hatte, so auch in Unterwittighausen. Gült an das Kloster Gerlachsheim Abgaben mussten aber auch an Klöster und Stiftungen entrichtet werden. So bekam das Kloster Gerlachsheim Gült von Unterwittighausen. Geschichtliches über dieses Kloster: 751 von König Pippin in Lauda gegründet (Benediktinerinnen) 1250 nach Gerlachsheim verlegt (Prämonstratenser) 1528 in der Zeit der Bauernkriege zerstört 1724 durch Oberzell wieder mit Mönchen besetzt 1803 Säkularisation (Salm-Reifferscheidt-Krautheim) 1839 an Baden 1875 Taubstummenanstalt 1950 Altersheim


Im Protokollbuch „Protocollum circa Recuperationem monat. Gerlachsheim“, Prämonstr. des P. Christ. Hönninger p.A. priore Cellae dei superiores ord. praem. 1745, Lat. Mscpt., im Pfarrarchiv zu Gerlachsheim, werden die Gerechtigkeiten des Klosters beschrieben. Unter Einkünfte des Klosters heißt es: 1. Gewisse Pfennig-Zinsen, Sommerhühner, Martinshühner, Gänse, Unschlitt, Wachs, Oel, Lammsbäuch zu Gerlachsheim, Kützbrunn, Grünsfeld, Grünsfeldhausen, Zimmern, Distelhausen, Königshofen, Deubach, Balbach, Edelfingen, Schüpf, Deinbach, Lengenriet, Sachsenflur, Buch am Ahorn, Dittigheim, Dittwar, Büttelsbronn, Ober- und Unterwittighausen, Impfingen, Werbach, Böttigheim, Werbachhausen, Bronntal, Unteraltertheim, Großrinderfeld, Oberlauda, Beckstein, Kupprichhausen, Bischofsheim, Heckfeld, Stadt-Lauda, Peimar, Hof Steinbach bei Dittwar. Aktennotiz über landwirtschaftliche Gepflogenheiten jener Jahre: Schweinhuth im Aigelwald Eine Notiz in den Akten des Katholischen Pfarramtes von Pfarrer Schüttinger aus dem Jahr 1735 gilt landwirtschaftlichen Gepflogenheiten jener Jahre: Noch vor 60 Jahren konnte man in vielen Gemeinden den Gänsehirten antreffen, wie er mit seiner schnatternden Schar durch den Dorfausgang zog. Noch weitere 100 und 200 Jahre zurück war aus dem Dorfalltag auch der Schweinehirt nicht wegzudenken. Das Märchen

sagt es ja. Auch Unterwittighausen hatte 1735 seinen Schweinehirten. Es war der Sima. Wir können uns lebhaft vorstellen, wie er jeden Morgen seine borstigen, störrischen Tiere zusammengetrieben hat, um mit ihnen auf die „Aigelhuth“, das heutige Eichholz, zu ziehen. Manchmal mag er wohl voll Neid nach dem Gänsehirten geblickt haben. Die Gänse waren viel schneller. Und wenn der Gänsehirt seine Peitsche brauchte, dann flogen sie auch mal über die Ortsmauer. Das konnte seine widerspenstige Herde nicht, und sie mussten brav durch die engen Tore in der Ortsmauer gehen. Etwas ärgerte nun den Sima, wenn er sich so tagsüber mit seinen Schützlingen abplagte. Er musste dem Pfarrherrn seine Tiere umsonst mithüten. Da fasste er sich ein Herz, ging in den Pfarrhof, von mir 5 Schillinge wegen der hüten verlangend, ich sagte, ich glaubte nicht, dass ich was schuldig war, weil ich von anderer Vieh-Hütern auch nichts gebe und die Pfarre jederzeit dahier frei gewesen sind, heute als den 9. Januar 1736 kommt der Bürgermeister Johann Georg Schmitt in den Pfarrhof, sich und den Schultheiß Johann Georg Dettelbacher entschuldigend und sprach: sie hätten den Sima nicht geschickt, er habe es von sich selbst getan und sei ein zeitlicher Pfarrer weder von der Eichelschweinshut weder vom anderen Hüten etwas schuldig. Signatura Unterwittighausen, den 9. Januar 1736 Georgius Richard Schüttinger, Pfarrer So hat also der Sima nichts bekommen. 1799 hat dann der Bürgermeister versucht, dieses Recht zu nehmen. Aber eine Notiz mit dem Hinweis auf die Zusage von 1736 sagt aus,

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dass dieses Recht aufrechterhalten worden ist. Der Bürgermeister hat die verlangten vier Tatzen nicht bekommen. Unterwittighausen bekommt das Recht der Schafhut Eine Urkunde aus dem Rathaus zu Unterwittighausen gibt uns Kunde von dem der Gemeinde verliehenen Recht der Schaafhut durch den Bischof zu Würzburg (1789): Von Gottes Gnaden Wir Franz Ludwig, Bischof zu Bamberg, und Würzburg, des Heil. Rom. Reichsfürst, auch Herzog zu Franken. Bekennen für Uns und Unsere Nachkommen am Hochstift Würzburg, dass wir auf unterthänigstes Ansuchen Unserer Gemeinde Unterwittighausen Amts Grünsfeld Uns entschlossen haben, die unserer fürstlichen würzburgischen Hofkammer selbigen Orths zuständige Schaafhuth, und den davon abhängenden Pferch von nächstfolgenden Michaelis an auf ewige Zeiten unter nachstehenden Bedingungen gedachter Gemeinde Unterwittighausen in Erbbestand zu überlassen. 1:mo. Solle diese Schaafhuth mit davon abhängenden Pferchrecht jederzeit ein Eigenthum der Gemeind bleiben, und ohne unserer Fürstl. Hofkammer ausdrücklichen Bewilligung an Niemand Verpfändet, Verkaufet, oder auf sonst eine Arth begeben werden. 2:do. Räumen wir auf diese Schaafhuth die nemliche Gerechtsame ein, die uns darauf zugestanden haben. 3:tio. Obwohl wir nicht fest bestimmen, wie viel Stück Schaafe auf diese Schaaf Huth jederzeit sollen gehalten werden, so bedingen Wir doch,

dass niemermehr die Schafhaltung eingehen, sondern jederzeit eine dem Waidgang nachproportionierte Anzahl Schaafviehe, welche zu ermessen Wir unserer Fürstlichen Hofkammer vorbehalten, darauf solle unterhalten werden. 4:to. Zum ewigen Erbbestand Geldt solle die Gemeinde alle jahre auf Michaelis die Summe von Zwey Hundert Vierzig Gulden frk. nebst noch Zwey Reichsthaler für sogenanntes Rüdenhundgeld zu Unserer Amths-Kellerey Grünsfeld in guten zu Verfallzeit landmandatmäßigen Geldsorten ohne mindesten Abzug, oder Nachlaß, er werde verlanget, auch was ursachen es immer seye wolle, bezahlen, auch das gewöhnliche Waidlamm, und Kes für unseren dortigen Amtskellern mit Zwey Reichsthalern alle Jahr abgeben. 5:to. Ist unser ausdrücklicher Wille, daß an dembey dieser Schaafhuth und Pferch herausfallenden Nutzen alle Gemeinds-Nachbarn zu Unterwittighausen Antheil erhalten, und keiner gegen den andern übervortheilet werde, über die Arth der besten Benützung aber lassen wir der gedachten Gemeinde jedoch unter Zuziehung Unseres Amths Grünsfeld, und dann unserer Fürstlichen Hofkammer die freye Anordnung. 6:to. wenn jemand bei den Pferch einen besonderen Vorzug oder Nutzen von Rechtswegen bis daher zu fordern gehabt hat, so Verstehet es sich von selbsten, daß es dabey sein Bewenden fernerhin haben müsse, nachdem wir durch Abschließung gegenwärtigen Erbbestand Contracts niemanden ein praejudiz machen können, oder wollen, noch weniger aber der im Erbstand einthretenden Gemeind etwas Zueignen gedenken, worüber wir Keine freye Disposition haben. 7:mo. Sollte etwann über Kurz oder lang wegen dieser Schaafhuth ein Streit entstehen, so wird


man zwar von Seiten Unserer Fürstlichen Hofkammer der Gemeind mit allen nöthigen Rechtsbehülfen, Urkunden, und was hierwegen immer vorhanden seyn sollte, anhanden gehen, man übernimmt aber Keines wegs Nahmens der Gemeind einen Prozeß zu führen, oder die hierwegen ergehde Kosten Zum Theil oder ganz zu tragen, wie man dann Keinerley Exaction hierüber leistet. All dessen zur Urkund ist gegenwärtiger Brief in duplo ausgefertiget, gehörig unterschrieben, und gesiegelet, sofort gegeneinander ausgewechslet worden, so geschehen Würzburg, den 15.ten Sept. 1789 Siegel ..... Stolz M. A. Sartorius Erbbestandsbrief Schaafhuth zu Unterwittighausen, Amts Grünsfeld gez. Gemeinde Unterwittighausen Urkunde Nr. 1 1789 Sept.15. Die Übergabe der Fürstlichen Hofkammer zu Würzburg Schäferey an die Gemeinde Unterwittighausen betr. Tax 12 Rthlr. Urkunde von 1806 über die Befreiung der hiesigen Bewohner vom Besthaupt etc. Nach dem Unabhängigkeitskrieg der USA und den Parolen der Französischen Revolution war die Unfreiheit des Bauernstandes nicht mehr tragbar, zudem wurden auch mehr demokratische Rechte für die Staatsbürger gefordert. Aus dem Jahr 1806 gibt uns eine Urkunde, die im Rathaus zu Unterwittighausen liegt, darüber Aufschluss, dass der Ort versucht hat, von einem

Teil seiner Abgaben vom damaligen Landesherrn, Fürst zu Krautheim, Altgraf zu Salm-Reifferscheidt, befreit zu werden. Dies gelang auch zum größten Teil. Gesetz zur Bauernbefreiung in Baden 5. Oktober 1820: Aufhebung der persönlichen Leibeigenschaft in Baden durch ein Landesgesetz; ebenso der Herrenfrohnden, Grundzinsen und Grundgülten 14. Mai 1825: andere Abgaben werden aufgehoben, wie etwa Schutzhaber, Fastnachtshühner etc. 28. Dezember 1831: Gesetz zur Beseitigung des Zehnten 15. November 1833: Gesetz zur allgemeinen Zehntablösung in Baden Fortschritte in Unterwittighausen nach Aufhebung der Leibeigenschaft Die Aufhebung der Leibeigenschaft und der übrigen Abgabelasten brachte, wie überall, auch in Unterwittighausen für die Bauern eine große Erleichterung. Die Bearbeitung des Bodens war bis Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts primitiv. Von Vorfahren weiß der Autor, dass seine Urgroßeltern in Oberwittighausen und Vilchband die Ernte mit der Sichel und später mit der Sense gemäht haben. Eigentum an Grund und Boden sowie die aufstrebende Technik brachten nun einen sehr raschen Aufschwung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es für die Ernte die Mähmaschine,

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ist später mit Motorbetrieb eingerichtet worden. Die Zentrifuge, mit der jeder Bauer den Rahm selbst machte, ist heute verschwunden. Seither liefert der Bauer die Milch an die Milchzentrale in Unterwittighausen.

Drescheinsatz mit Dampfmaschine der Firma Michel im Hof der Familie Henneberger (Veidodl) in Unterwittighausen – das Bild aus dem Jahr 1941 oder 1942 zeigt von links Karl Deubel mit Sohn Erwin, Bauer Markus Henneberger, Hermann Müller und Leonhard Sinner; der Name des blonden Kindes ist leider nicht mehr bekannt

etwa 1910 den Binder und heute (1960) arbeiten in Unterwittighausen 15 Mähdrescher. Die vierbeinigen, braven 1 PS werden teilweise oder auch schon ganz durch den Bulldog von 30 PS ersetzt (1960 gab es davon 53 Stück). Die Bauernhöfe sind mit Motoren ausgestattet zum Futterschneiden und anderen landwirtschaftlichen Arbeiten, größere Höfe haben Vielfachgeräte, Mistauflader etc. Der Landmann schreitet nicht mehr über die Felder, den Samen ausstreuend, wie die Dichter sagen. Das alles besorgt heute die Sämaschine. Das Butterfass, das des Autors Großmutter noch vor 50 Jahren stundenlang drehte und dabei seinen Vater und die sechs Geschwister versorgte,

Die Unterkunftsmöglichkeiten für das Vieh sind zum Teil großartig geworden und mit automatischen Tränken und dergleichen versehen. Hühnerhäuser werden eingerichtet. Das Huhn darf sich nicht mehr auf der grünen Wiese sein Futter holen, sondern bekommt jeden Tag seine genaue Zuteilung an Legemehl und Körnern. Nur vereinzelte Bienenstände stehen noch vor dem Dorf oder im Obstgarten. Außer vom Stoh- zum Holzkasten mag sich an diesen wenig geändert haben. Auch der Name „Imme“ statt Bienen ist geblieben. So nannten die Alemannen die Bienen, und das Wort kann als Beweis für die Besiedlung in alemannischer Zeit gelten. Das Getreide wurde vor 100 Jahren noch mit dem Dreschflegel gedroschen. Nachts ab 2.00 Uhr bis in den Morgen hinein ertönte das „tick, tack“ des Dreschflegels und wurde dann tagsüber, wenn die andere Arbeit getan war, fortgesetzt. Diese Arbeit dauerte bis spät in den Winter hinein. Geblieben ist heute nur noch davon das Liedlein „Wie das Finklein das Bäuerlein besucht“ geblieben. In strengen Wintern mag es oft Gast auf der Tenne gewesen sein: Bäuerlein, Bäuerlein, tick, tick, tack, hast ‘nen großen Habersack, hast viel Weizen und viel Kern, Bäuerlein, hab‘ dich gar so gern. Im Jahre 1864 war in Bütthard eine Ausstellung von landwirtschaftlichen Maschinen. Das hieß in jener Zeit jedoch nicht, dass man solche sich


Der 1893 geborene Kilian Dürr aus Unterwittighausen auf einer in den 1930er Jahren modernen Maschine, welche das Getreide schnitt und zu Haufen legte, wie im Vordergrund zu sehen ist

auch anschaffen konnte. Bütthard schaffte sich aber trotzdem in diesem Jahr die erste Dreschmaschine mit Dampfantrieb an. Etwa 1880 erwarb der Urgroßvater des Autors in Poppenhausen auch die ersten Dreschmaschinen. Dieser und sein Großvater erweiterten den Betrieb nach und nach bis zu acht Dreschgarnituren, zuerst mit Dampf- später mit Motorantrieb. Unter- und Oberwittighausen, Poppenhausen, Krensheim und viele Orte bis Eßfeld und Darstadt gehörten zu deren Dreschgebiet. Das Gebrumm der Dreschmaschine gehörte zu den herbstlichen Geräuschen und Tatsachen im Dorf, geradeso wie das Drehen der Kelter, das abendliche Abladen der Kartoffeln, Schweineschlachten, Zwetschgenkuchen und Kerwe. Jeder Bauer hatte die Maschine je nach Größe seiner Landwirtschaft einen halben bis 4 Tage. Die „Maschiner“ hatten gute Zeiten. Es wurde wie zu einem Fest gekocht. Die einzelnen Familie halfen sich gegenseitig aus.

Um 10.00 Uhr und um 16.00 Uhr war große Brotzeit. Dazwischen wurde Bier „ausgetragen“, und die Schulkinder holten sich gerne zu diesem Tag schulfrei. War die Brotzeit vorbei, dann kamen die Schulkinder, um sich ein „Maschinenbrot“ zu holen. Heute löst der Mähdrescher immer mehr die Dreschmaschine ab, auch deswegen, weil der Bauer für diese Arbeit keine Arbeitskräfte mehr bekommt. Löhne von 25 bis 30 Mark pro Tag müssen für diese Arbeit ausgegeben werden. Arbeitskräftemangel ist mit eine Ursache, warum die Technik so rasch in der Landwirtschaft Eingang gefunden hat. Aber auch Annehmlichkeiten kann sich der Bauer heute leisten. Motorräder und Autos stehen in vielen Bauernhöfen. In Unterwittighausen sind außerdem beinahe in jedem Haus ein Radio und zudem 20 Fernsehapparate vorhanden.

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Bauerntracht

Bäuerliche Festtagstracht aus dem Ochsenfurter Gau

Einstmals gehörte Unterwittighausen neben Schönfeld, Ilmspan, Igersheim, Poppenhausen und Vilchband zu den Dörfern des Landkreises, wo die Gautracht (Ochsenfurter Gau) getragen wurde.

– Maria Dürr aus Unterwittighausen im Jahr 1960 – entstanden ist die Aufnahme auf der Treppe (schon mit neuem Geländer) des bäuerlichen Anwesens Dürr in der Baders-

Wie sieht nun diese Tracht aus?

gasse/Froschgasse, mittlerweile steht hier ein Neubau aus den 1970er Jahren

Vor etwa 40 Jahren war es noch schwierig, wenn ein Bauernkind einen Beruf erlernen wollte, das Verständnis fehlte. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. In Wittighausen gibt es Studierende und Absolventen an Universitäten, Gymnasien, Mittelschulen, Handelsschulen, Fachschulen, Lernende in kaufmännischen und technischen Berufen, Arbeitende in Steinbrüchen, Handwerksbetrieben und Fabriken. Alle fahren sie auswärts nach Würzburg, Geroldshausen, Kirchheim, Grünsfeld, Lauda, Mergentheim und bis Wertheim. Im Jahr 1959 wurde im Saal des Gasthofes am Bahnhof auch eine Kleiderfabrik untergebracht (nur einige Jahre in Betrieb, d.Red). In Bezug auf Textilien gibt es in Unterwittighausen keinen Unterschied zwischen Stadt- und Landvolk. Perlon und Dauerwellen nach der zur Zeit herrschenden Mode werden getragen.

Di Kläder sen schö farwich. S‘ Miederle it kuurz. Vora rauf sen zwä Borda, di sen mit Gold- und Silwerfäda g‘stickt. Mit ocht schönne Knöpf von Silwerfäde kann mr‘sch Miederle zuamach. Di Ärmel höwa an dr Schulder grosse Stuba und sen steuf, und bis zun Ällaboucha sen se aa sou g‘stickt wies Mieder. S‘ Mieder ist aus Seide od‘r Sammet und hat alle Farwe und schönne Blömmle. D‘r Schörz is aa aus Atlasseide, hat alle Farwe un schönne Blommemoster. Aussarümm is a Goldborda, vora drou it ausser a Borda a gross M g‘macht. D‘r Rouk it wülles Duach und sicht blau, braun, gröa, odd‘r a schworz aus. Er hat viel klenne Faldale. Zu d‘r Dracht g‘höra wässe Strümpf. Da nei sen schönne Müsterle g‘strickt. Bei d‘r Stiefele sen n‘r die Soule und die Spitzle vora aus Lader; s‘ anner it aus schwarze Stoff und an d‘r Seide schworz o‘gsteppt. Die Hendsche höwa kee Finger. Auf d‘r öüwere Seite sen Muster mit Glosberli g‘stickt. Zun Aufsetze höwe se farwige Döchle g‘hot, a mit Blömmle oder a spitze schwarze Hauwe mit longe Benner. Für‘n Sunndi un‘n Feierdi höwa nachert no Ohraglöckle und schwaare goldene Ketta mit Kreuzle dazu g‘kört. Zun Frisör sen se dort no nit gange. Mästens hat m‘r sich nar‘n Sunndi gekömmt. Zwä bräde Zöpf mit Zea bis Dreissich Ghengale


Ortsansicht Unterwittighausen des Malers J. Eberhart aus dem Jahr 1855 (Motivgröße 31 x 20 cm) – das Bild befindet sich im Besitz der Gemeinde Wittighausen und zeigt einen Blick auf den Ortskern von der Straße nach Vilchband – im Hintergrund erkennt man die Sigismundkapelle, umgeben von Bäumen, sowie etwas rechts davon den Turm der Dorfkirche von Oberwittighausen

hat m‘r sou üwern Koupf gläicht, dass hüwa und drüwa a Eck wi a Dasche rausg‘stanne it. Da hat immer no öbber halfa mössa, und‘s hat manchmal zwä Stund‘ gedauert, grod sou wie heut a bein Frisör ... Eisenbahn, fließendes Wasser, Elektrizität Um 1860 war Unterwittighausen, wie schon erwähnt, mit einer Mauer umgeben. Die Straße zum Bahnhof war noch nicht da. Die Verbindung nach Oberwittighausen wird wohl der einstige Pilgerpfad gewesen sein. 1865 plante man den Bau einer Eisenbahnlinie Stuttgart-Weikersheim-Bütthard-GiebelstadtWürzburg. Giebelstadt und Bütthard lehnten ab, weil sie fürchteten, gutes Feld zu verlieren, die Dienstboten würden durch Angaffen der Züge ihre Arbeit versäumen und den Wirten blieben die Reisenden aus.

Durch diese Weigerung (eher durch geopolitische Überlegungen, d.Red.) wurde 1865 die Strecke Heidelberg-Lauda-Wittighausen-Würzburg in Angriff genommen. Beim Bahnhof Wittighausen fährt der Zug durch einen Tunnel. Die Vorfahren haben durch ihre Zustimmung zur Landabgabe große Weitsichtigkeit bewiesen, die sich heute für Handel und Verkehr zum Vorteil auswirkt. Diese Weitsichtigkeit bewiesen sie auch durch Schaffung anderer gemeindlicher Einrichtungen. 1830 wurde das jetzige Rathaus gebaut. 1876 die heutige Volksschule, 1885 wurde die erste Wasserleitung (Effelter Quelle) geschaffen und 1921 die Riedquelle gefasst, welche danach den Dorfbrunnen überflüssig machte. Die „Dorfweet“ befand sich gegenüber Alfons Hennebergers Haus oberhalb des Anwesens Maag in der Brunnengasse. Elektrisch beleuchtet wurde Unterwittighausen etwa um das Jahr 1910.

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9 BEMERKENSWERTE PERSONEN

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Einige Personen aus oder mit Beziehungen zu Wittighausen wurden in anderen Wittighäuser Heften bereits vorgestellt. Die nachfolgenden Namen dürften vielen Einwohnern jedoch unbekannt sein.

Ott besaß mittlerweile schon mehrere Häuser und ein ansehnliches Vermögen. Er hatte nun das Glück, seine beiden Geschäftsfreunde zu überleben und wurde damit laut gegenseitigem Übereinkommen der alleinige Erbe des Geschäftes und der Vermögen seiner Geschäftsfreunde.

Johann Martin Ott

Als dann Ott selbst, 80 Jahre alt, in Wien ohne Erben starb, war sein Vermögen auf ungefähr sieben Millionen österreichische Gulden angewachsen. Dieses Vermögen wäre wahrscheinlich nicht in die Hände seiner Verwandten gekommen, denn diese hatten nicht die Mittel, um einen teuren Nachlass-Prozess zu führen.

Mit dem Namen Ott ist ein Ereignis verbunden, das in finanzieller Hinsicht erwähnenswert ist. Es ist die Ott‘sche Erbschaft: Den Aufzeichnungen von Leonhard Kemmer (Bütthard) ist zu entnehmen, dass es im Jahr 1880 zu einem Prozess in Wien kam. Es handelte sich um eine Millionen-Erbschaft. Der Prozess dauerte fast vier Jahre und wurde 1884 für die deutschen Erben glücklich gewonnen. Ein Teil des Erbes kam nach Deutschland, viel davon nach Zimmern und Unterwittighausen, wo die nächsten Verwandten lebten. Die Geschichte dieser Erbschaft ist folgende: Der Bauernsohn Johann Martin Ott aus Zimmern erlernte das Handwerk des Uhrmachers und Goldarbeiters. Er ging dann auf Wanderschaft, wie es damals Brauch war, nach Nürnberg, München und Wien, wo er sich letztlich niederließ. Hier war er lange Zeit in einem Goldwaren­ geschäft als Gehilfe tätig. Die Inhaber dieses Geschäftes waren zwei Junggesellen, mit denen er bald eine innige Freundschaft pflegte und Teilhaber wurde. Diese drei Freunde gaben sich gegenseitig das Versprechen, nicht zu heiraten und ledig zu sterben. Es sollte immer einer den anderen beerben.

Da erbot sich ein junger Rechtsanwalt namens Dr. Pany (siehe Artikel: eher Neupaner), die Prozessangelegenheit in die Hand zu nehmen, auf Gewinn oder Verderb. Er übernahm den Prozess im Namen der deutschen Verwandten und gewann. Dafür erhielt er als Honorar die Summe von 1.400.000 fI. Eine Baronin aus der Ansbacher Gegend, die mit den anderen Geschäftsteilhabern verwandt war, erhielt die Hälfte des deutschen Teils der Erbschaft. Fast 2 Millionen Gulden zog der österreichische Staat ein, und über 1 Million das Deutsche Reich als Erbschaftssteuer. Große Kosten machte der Prozess durch Ladung vieler Zeugen nach Wien. Nutznießer in Unterwittighausen waren: – Catharina Schmitt, Privatière – Andreas Schmitt, Landwirt Vormund von Markus Schmitt und Maria Theresia Schmitt


Als Ergänzung zur Originalausgabe der Sinner‘schen Arbeit wurde 2019 im Internet nebenstehender Artikel in der deutschsprachigen Zeitung „Der Deutsche Correspondent“, Baltimore/USA, 16. 9. 1879, gefunden – wie man sieht, gab es auch dort Bemühungen, an das Erbe zu gelangen

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Die großen Steinbauten einiger bäuerlicher Anwesen in Unterwittighausen sind Zeugen jener Erbschaft – eines davon ist das Haus Schmitt in der Ortsmitte, Aufnahme aus dem Jahr 1980

– Maria Theresia Schmitt junior – Maria Theresia Schmitt senior, Landwirtin – Zorn, Metzgermeister Vormund von Georg Michael Schmitt – Markus Schmitt, Bürgermeister – Markus Sebastian Schmitt, Landwirt – Kilian Schmitt, Privatier – ApoIlonia Henneberger, Privatière – Adam Seidenspinner, Landwirt Vormund von Catarina Henneberger, Barbara Henneberger und Johann Georg Henneberger – Eva Henneberger – Georg Ad. Henneberger, Gemeinderechner

– Maria Barbara Zorn, Metzgerin – Martin Zorn, Metzger – Dorothea Reinhard, geb. Konrad, Wirtin – Josef Konrad, Landwirt – Barbara Schenk, Privatière – Markus Schenk, Landwirt – Maria Apollonia Schenk, Privatière – Johann Konrad, Waisenrichter – Maria Margarethe Heymann, geb. Michel, Ratschreibergattin – Johann Sebastian Michel, Landwirt – Barbara Popp, Landwirtsehefrau – Markus Henneberger, Gemeinderat – Georg Philipp Fuchs, Landwirt – Maria Apollonia Fuchs – Valentin Fuchs, Vater und gesetzlicher Vertreter von Johann Valentin Fuchs, Maria Anna Fuchs und Barbara Fuchs – Johann Sebastian Henneberger, Landwirt – Josef Schenk, Landwirt – Ottilie Rappert, Privatière – Johann Georg Rappert, Landwirt – Maria Kunigunde Rappert, Privatière – Andreas Popp, Vormund von Maria Anna Rappert, Kilian Rappert und Helene Rappert je 14.000 fl


Josef Sinner Ein rühmliches Beispiel der Heimatliebe zeigte in den späten 1950er Jahren der in die USA ausgewanderte Josef Sinner. Ein Zeitungsartikel nennt die Einzelheiten: „Rühmliches Beispiel der Heimatliebe“ Josef Sinner vermachte seinem Geburtsort 5.000 Dollar und 38. 000 Dollar dem Bund für Kriegsblinde e.V. UNTERWITTIGHAUSEN. Anfang September erhielt die Gemeindeverwaltung davon Kenntnis, dass Josef Sinner, der bereits in jungen Jahren — Ende des vorigen Jahrhunderts — nach den Vereinigten Staaten auswanderte, in New York im Alter von 86 Jahren gestorben ist und seiner Heimatgemeinde testamentarisch 5.000 Dollar vermachte. Der edle Spender hat bereits vor fünf Jahren seinem Heimatdorf den gleichen Betrag (je zur Hälfte für die politische und kirchliche Gemeinde) für einen gemeinsamen Verwendungszweck zur Verfügung gestellt. Daraus wurde der erste Baustein für die vorbildliche Kinderschule mit Schwesternwohnhaus, Bürgersaal (der auch für Turnstunden Verwendung findet) und die Einrichtung eines kleinen Volksbades. Sinner stammte aus recht bescheidenen Verhältnissen. Er wanderte früh nach Amerika aus und übte hier viele Jahrzehnte den Beruf eines Kochs aus. Allezeit war er ein bescheidener und sparsamer Mensch und ist bis zu seinem Lebensende Junggeselle geblieben.

Die Testamentseröffnung brachte eine weitere große Überraschung: den Betrag von 38.000 Dollar vermachte er dem Bund für Kriegsblinde e.V. in Deutschland, womit er wohl mehr als Worte zu sagen vermögen, sein mitfühlendes Herz gegenüber dem großen Leid der ärmsten Brüder und Schwestern in seinem angestammten Heimatland zum Ausdruck brachte. Wir unterhielten uns mit Bürgermeister Adam Zipf und Ratschreiber Hans Kögler, wie nun die Gemeinde diesen Erbnachlass zu verwenden gedenke. Nun, bis der Betrag erst einmal freigegeben wird, dürften noch sechs bis sieben Monate ins Land gehen. Verwendungszwecke gibt es hier genug. Am sinnvollsten wäre es schon, wenn diese 20.000 DM wieder im besonderen Maße der Jugend zugute kämen und man (wie schon lange geplant) sie für den Schulhausneubau verwenden würde. Der beispielhafte Erbnachlass von Josef Sinner ist etwas Außergewöhnliches. Rundfunk und Nachrichtenagenturen haben sich natürlich auch für alle näheren Einzelheiten interessiert. Soviel ist jedenfalls sicher, der Name Josef Sinner wird in die Annalen der kleinen Gaugemeinde eingehen als ein besonders rühmliches Beispiel der Heimatverbundenheit und -liebe nach rund sechs Jahrzehnten. Martin Michel Über ihn finden Interessierte einige biografische Fakten in den Wittighäuser Heften Nummer 15 und 16.

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10 FAKTEN UND ZAHLEN

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Mit Kriegen zusammenhängende Ereignisse in Unterwittighausen In den Pfarrakten ist zu lesen: Anno 1735, den 29. December, haben 200 Moscowiter oder Russen dahier von dem Rhein heraus kommende einen Rasttag gehalten, einen Todten Soldaten mit anhero gebracht, selbigen ihrer drey mit völliger Montur eingegraben, 2 Stund darnach wieder ausgegraben, nocheinmahl mit der Totenpahr ihrer vier hineingegraben, willens, ihrer nocheinmahl heraus, und sodann das dritte mahl einzugraben, seind aber weg dem Abmarsch davon verhindert worden, der Todt liegt, aus meinem befehl, das Grab dorthin zu machen, hinter in dem Eck gegraben sogenannten Fritzengarten; sie haben ihn eingegraben wie einen Juden, er soll von vielen Schlägen gestorben sein, weil er sich mit Brandwein berauscht hatte. Übrigens waren diese so unbekannte, fremde, sonsten wilde Soldaten die besten Leutt von der Welt, teils aßen sie Fleisch, teils aber nicht und schmälzten die Fastenspeis mit Lain- oder Rüböl, nichts konnten sie deutsch als „gutt Vatter, gutt Mutter“; wenn auch die Speisen noch so schlecht zubereitet wurden, so hieß es „gutt Vatter“; der Most oder Wein schmeckte ihnen am besten, wenn der dritte Teil Wasser darunter war. Fressen haben sie können wie die Gäul. Während des Kriegsgeschehens beim PreußischÖsterreichischen Krieg (Deutscher Bruderkrieg) 1866 zogen auch feindliche Soldaten durch Ober- und Unterwittighausen. Von Vorfahren ist überliefert, dass sich sämtliche Männer der beiden Ortschaften beim Herannahen der feindlichen Soldaten in Bütthard versteckt hatten

und erst nach dem Abzug des Feindes wieder zurückkamen. Mit dieser Erzählung ist auch ein kleines Schmunzeln überliefert über die tapferen Männer, die ihre Frauen ganz allein gelassen haben. Während im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 die Gegend um Wittighausen vom Krieg verschont blieb, hatten die Bewohner im Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945 auch die Gefahren des Bombenkrieges auszuhalten. Gegen Ende des Krieges wurden verschiedene Tieffliegerangriffe auf den Bahnhof, bzw. Züge unternommen. Es gab mehrere Tote durch Beschuss. Bomben fielen in der Nähe der Grenzen- und Neumühle. Unterwittighausen hatte australische Kriegsgefangene; Polen und Belgier wurden in der Landwirtschaft eingesetzt. Auch Russen und Franzosen waren beschäftigt. (Näheres dazu auch im Wittighäuser Heft Nummer 32) Im Jahr 1962: Bewohner, Berufe, Gebäudeanlagen, Dorfstraßen, Gemarkungseinteilungen Unterwittighausen war bereits 1962 kein ausgesprochenes Bauerndorf mehr. Es hatte 1065 Bewohner, darunter etwa 300 Heimatvertriebene. Aufzählenswert waren 110 Bauernhöfe, 4 Kolonialwarengeschäfte, 4 Tüncher, 3 Schlosser, 2 Müller, 2 Bäcker, 2 Metzger, 2 Schreiner, 1 Spengler, 1 Schneidmüller, 2 Frisöre, 2 Fuhrunternehmer, 2 Schneider,


1960 UNTERWITTIGHAUSEN Ortsansicht Kindertagesstätte Aussegnungskapelle Gefallenendenkmal Foto und Verlag Alfred Dittmann Uissigheim 135 x 90 mm Sammlung Markus Hehn

3 Näherinnen, 3 Schuhmacher, 5 Gasthöfe, 1 Kleiderfabrik, 2 Polizisten, 1 Poststation, 1 Arzt, 1 Zahnarzt, 3 Lehrer, 1 Pfarrer. Das gesellige Leben wurde präsentiert durch: Feuerwehr, Sportverein, Kolpingsfamilie, Männergesangverein, Kirchenchor, Musikkapelle, VdK und eine Mädchengruppe. Die damals so genannte Kinderschule (heute Kindertagesstätte) befand sich bis zum Jahr 1957 im Anwesen Ludwig Zipf (heute Wohnhaus Kraus) am Plan. Zeller Schwestern betreuten die Kinder. Wegen hygienischer Mängel erbaute die Gemeinde in den Jahren 1955/57 den Kindern die neue Stätte. Einen großen Gemeinschaftsraum, Gruppenräume, öffentliche Bäder (Wannenkabinen zur individuellen Nutzung) und eine Schwesternstation (Wohnräume der Ordensschwestern, die gleichzeitig auch „Kindergärtnerinnen“ waren) beherbergte damals das Bauwerk.

Der Friedhof lag bis 1830 um die Kirche und reichte, wenn man die Knochenfunde bei Bauarbeiten berücksichtigt, bis hinunter zum Anwesen Rudlof. 1830 wurde das jetzige Gelände am Tiefen Weg angelegt, auch wurde 1948 eine Friedhofskapelle erstellt. In den Jahren 1956/60 entstanden die Siedlungen an der Poppenhäuser Straße und an der Bahnhofstraße (heute Wittigostraße). Um Wittighausen schlängelt sich anmutig durch Wiesen der Wittigbach. In den Jahren 1958 und 1959 kamen Bauhandwerker und verwiesen ihn in ausgemauerte Grenzen. Er wurde reguliert. Durch diese Maßnahme sank der Wasserspiegel, die Wiesen sind teilweise zu Ackerland geworden. In Unterwittighausen gab es 1962 etwa 185 Wohnhäuser, in denen etwa 250 Familien wohnten.

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Alte Familiennamen, die bereits 1677 genannt wurden: Deckert, Dürr, Dertinger, Henneberger, Kemmer, Landwehr, Lurz, Konrad, Michel, Popp, Reinhard, Schmitt und Zipf.

Die ganze Gemarkung umfasst 1152.2579 ha Land.

Die Dorfstraßen hießen 1962: Feldweg-Damm, Untere Froschgasse, Obere Froschgasse, Hauptstraße, Hindenburgstraße, Bahnhofstraße, Plan, Brunnengasse, Badersgasse, Bräugässlein, Alte Schulgasse, Kirchgasse, Schneckengasse, Pfarrgasse, Schneidersgässlein, Hirschgasse, Hundsberg, Beckengässlein, Höfleingasse und Kaiserstraße.

Die Aufteilung ist unter Weglassung der qm folgende:

Unterwittighausen hat sechs Ortsausgänge und zwar nach Vilchband, Zimmern, Krensheim, Poppenhausen, Bütthard und zum Bahnhof. Die Vermessung der Gemarkung auf Grund des Gesetzes vom 26. März 1852 ist vom Großherzoglichen Ministerium des Innern durch Beschluss vom 18. März 1886 angeordnet worden. Die Vermessung hat im April 1910 begonnen und wurde im Dezember 1912 beendet. Sie wurde vom Gemeinderat geleitet und vom Obergeo­ meter Förster ausgeführt.

Diese zerfallen in 4.204 Eigentumsstücke.

6,41 ha Hofreiten 3,10 ha Hausgarten 1,69 ha Gartenland 795,22 ha Ackerland 38,81 ha Wiesen 0,30 ha Ganswiese und Gebüsch 0,20 ha Niederlageplätze 0,08 ha Eisweiher 0,55 ha Steinbrüche und Lehmgrube 219,00 ha Wald / dazugehörendes Gelände 24,04 ha Steinriegel, Ödungen 58,43 ha Freie Plätze, Turnplatz, Kirche mit Platz, Friedhof, Gemeinde- und Feldwege 3,47 ha Bäche, Mühlkanal, Graben, Brunnenplätze Einige Gemarkungsnamen (Pilgerpfad, Schlossberg, Galgen, Herrenbild) wurden in dieser Arbeit bereits erklärt. Andere regen durch die Art ihres Namens zur Forschung an, wie beispielsweise Schäferskirche, Jerusalem, Effelter, Kniebrecher, Weinbergsholz, Balderslag (Baldur), Münchhof (Hausname „S‘ Münche“), Schinderacker, Lichtputzer, Schmachtenberg ...


11 QUELLENVERZEICHNIS

Für ihre Hilfe bei der vorliegenden Arbeit dankt der Autor Konrad Sinner: Ratschreiber Hans Kögler für die Auskünfte und Bereitstellung von schriftlichen Unterlagen Pfarrer Paul Steinbrenner für Urkundenmaterial Oberlehrer Richard Hartwig für die Bilder der Ammoniten und Münzen sowie Informationen zu Martin Michel Oberlehrerin Rosa Michel für ihre Mithilfe bei der Aufnahme der übrigen Bilder, der Aussortierung und Formulierung des Stoffes Benutzte Quellen 1 „Wie alt ist die Erde?“, Josef Hübner, Kamp-Verlag, Bochum, 1953 2 Geschichtsbücher der Schule 3 „Die Inschriften des badischen Main und Taubergrundes“, Metzler‘sche-Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 1942

6 „Chronik von Bütthard“, Pfarrer a.D. Paul Hartung und Leonhard Kemmer, Eigenverlag, 1950 7 Aufzeichnungen von Ratschreiber Hans Kögler, Unterwittighausen, über Wappen und Siegel 8 „Michael und der Drache“, Alfred Rosenberg, Walter-Verlag, Olten und Freiburg, 1956 9 Urkunden und Gemarkungsplan im Rathaus Unterwittighausen 10 Akten Pfarrarchiv Nr. 23 11

„Der Wunderdoktor“ Martin Michel ein Hoffnungsstrahl für alle Kranken, Oberlehrer a.D. Sigismund Lahner, Eigenverlag, Oberwittighausen, 1948

12 Rücksprache mit Forstwart Johann Lutz aus Messelhausen 13 Mündliche Überlieferungen 14 Aufsuchen der geschichtlichen Stätten 15 Lexikon Großer Herder

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„Geschichte der Stadt Tauberbischofsheim und der Amtsbezirks“, Julius Berberich, M. Zöllers Buchhandlung, Tauberbischofsheim, 1895

5 „Heimatscholle Vilchband“, Oberbaurat Karl Neckermann, Eigenverlag, 1937

16 Knaurs Lexikon

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WITTIGHÄUSER HEFTE 34

Wir danken für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Broschüre:

März 2020 Herausgeber: Gemeinde Wittighausen Idee, Recherche und Gestaltung: Edgar Braun, Unterwittighausen und Höchberg office@grafik-braun.de Texte: Konrad Sinner, Unterwittighausen (1962); Überarbeitung von Edgar Braun Fotos: einige sind als Scan der Originalarbeit von Konrad Sinner entnommen, andere aus bisherigen Wittighäuser Heften oder aus dem Internet Mitarbeit: Karin und Hans Lang, Bad Mergentheim, Frank Lurz, Unterwittighausen; Elke Schuler, Oberwittighausen

Kolpingsfamilie Unterwittighausen



www.wittighausen.de


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