Tunnelumbau
in Wittighausen im Jahr 2019
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TUNNELUMBAU 2019
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FOTOGRAFIEN VOM UMBAU
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Da zum Teil rund um die Uhr gearbeitet wurde, schützte man die betroffenen Anwohner mittels Strohwänden vor allzu viel Lärm (links)
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BEI BAHNKILOMETER 131,1 „ALTER“ TUNNEL BIS 2019
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Tunnel-Durchfahrt aus der Lokführer-Perspektive im Jahr 2008 in Richtung Lauda (unten)
Einen Eisenbahntunnel gibt es im östlichen Main-Tauber-Kreis nur einmal. Dabei ist der „Wittighäuser Tunnel“ mit 137 m nicht gerade lang und auch die Überdeckung eher bescheiden. Als letzter der 15 Odenwaldbahn-Tunnel wurde er 1866 fertiggestellt, zeitgleich mit dem dritten Streckenabschnitt selbst von Osterburken nach Würzburg. Einen Tunnel zu bauen verlangte damals viel manuelle Arbeitskraft. Dafür warb man meist Ungelernte aus der näheren Umgebung, Bauern im Nebenerwerb oder auch erfahrene Arbeiter aus den südeuropäischen Gebieten des Habsburger Reiches an. Teilweise hatten diese schon an alpinen Tunnelprojekten gearbeitet. Daneben brauchte man auch Ingenieure und zuliefernde Fachfirmen, beispielsweise für die Ausführung der „feineren“ Arbeiten an den Portalen. Für die Wittighäuser bedeuteten die Bauarbeiten einerseits mit der Vermietung von Wohnraum und der Bereitstellung gastronomischer Angebote Geld zu verdienen, andererseits durch die „Gastarbeiter“ auch Probleme ins Dorf zu holen. Und seien diese nur schwarzhaarig, jung und gut gebaut ... Das ausgebrochene oder gesprengte Gestein verwendete man sinnigerweise gleich wieder
zum Bau der Bahndämme in unmittelbarer Nähe. Diese waren notwendig, um das Gleisbett den geographischen Gegebenheiten anzupassen und es auch hinsichtlich von Hochwasser der nahen Bäche zu schützen. Das Portal wurde, dem Zeitgeist entsprechend, repräsentativ gestaltet sowie mit „romantischen“ Zierelementen und einem großen Steinblock, welcher das Baujahr deutlich sichtbar dokumentiert, versehen. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges hielt ein Truppentransport-Zug während eines alliierten Fliegerangriffs im Tunnel. Da nicht alle Waggons in den geschützen Raum passten, wurden einige davon beschossen – es gab Verletzte, die im Keller des Bahnhofs notdürftig untergebracht wurden. Im Zuge der Elektrifizierung Anfang der 1970er Jahre musste der Tunnel entweder umgebaut oder „aufgegeben“ werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache wissenswert, dass die Deutsche Bundesbahn mit Schreiben vom 25. Mai 1965 die Gemeindeverwaltung über eine geplante „Tunnelaufschlitzung“ informierte. Das Bauwerk war zu dieser Zeit in keinem guten Zustand, vor allem eindringende Nässe machte eine Elektrifi-
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zierung unmöglich. So sollte also das Erdreich über dem Tunnel abgetragen werden, um diesen anschließend als solchen abzubauen. Anstelle der Röhre wäre ein tief eingeschnittener Trog entstanden. Wittighäuser Tunnel ade! Aus diesem Vorhaben wurde zum Glück nichts, obwohl der Gemeinderat dem Vorhaben zugestimmt hatte. Einzig der damit wegfallende Feldweg über dem Tunnelbereich sollte durch eine ebenso gut ausgebaute Variante über die Langenmühle ersetzt werden.
Alternativ zur Aufschlitzung legte man dann nur das Gleisbett tiefer, um Platz nach oben für die Stromleitungen zu erhalten und dichtete die Tunnelwände von innen ab. Eine Besonderheit für den Fahrbetrieb hat sich dennoch aus der beengten Situation ergeben. Speziell Containerzüge können nur ein Gleis benutzen, und zwar das zur Bergseite hin, weil es etwas tiefer liegt und so mehr Durchfahrtsraum bietet. Auch aus diesem Grund wird die Weiche im Bahnhof Wittighausen aufrecht erhalten.
Eine 023er bei der Ausfahrt aus dem Tunnel in Richtung Lauda im September 1972 (links) ©
Reinhard Gumbert
Baujahr-Steinblock und Zierelemente im Jahr 1978 (rechts)
HINTERGRUNDWISSEN TUNNELUMBAU 2019
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Im Rahmen der Sanierung wurden auch die Portale, wie hier das Südportal, erneuert – durch die Aufweitung des Tunnels konnte der Gleisabstand vergrößert werden – man erkennt beim rechten Gleis eine „Welle“ im Gleisbett;
Der Tunnel Wittighausen befindet sich zwischen den Bahnhöfen Wittighausen und Zimmern im Nordosten Baden-Württembergs. Der in den Jahren 1865 und 1866 erbaute Tunnel musste aufgrund der altersbedingten Schäden erneuert werden. 2019 wurde der Tunnel im Rahmen einer Sanierung an die heutigen technischen Anforderungen angepasst.
diese diente der Erhöhung der Durchfahrtshöhe, welche bei manchen Güterwaggons, z.B. mit Containern, erforderlich war
Der Tunnel Wittighausen liegt auf der zweigleisigen, elektrifizierten Strecke zwischen Neckarelz und Würzburg-Heidingsfeld West. Er verbindet die Region Rhein-Neckar mit Mainfranken. Der alte Tunnel wurde 1865/1866 erbaut und hatte nach über 150 Jahren das Ende seiner technischen Nutzungsdauer erreicht. Durch Umwelteinflüsse wie Tropfwasser und Frost sind Schäden entstanden, die im Rahmen der Modernisierungsarbeiten behoben wurden. Zudem entsprach der Tunnelquerschnitt und der Gleisabstand nicht
mehr den technischen Anforderungen. Durch die Modernisierung und Verbreiterung des Tunnels kann auch künftig ein zuverlässiger Eisenbahnverkehr gewährleistet werden. Die Aufweitung des Tunnelquerschnitts von 3,55 auf vier Meter wurde in bergmännischer Bauweise durchgeführt. Der Tunnel erhielt eine circa 40 Zentimeter dicke, wasserabweisende Betoninnenschale. Diese Schale bietet einen größeren Schutz vor Wassereintritt und Verwitterung. Im Rahmen der Sanierung wurden zudem die Tunnelportale und die unmittelbar an den Tunnel anschließenden Stützbauwerke in den Voreinschnitten erneuert. Die Bauarbeiten wurden von Oktober 2018 bis Dezember 2019 durchgeführt, wofür die Bahnstrecke von Januar bis September 2019 gesperrt werden musste. In dieser Zeit wurde zwischen Lauda und Kirchheim ein Schienenersatzverkehr für die Pendler und Bahnreisenden eingerichtet. Umwelt und Natur Die Bauarbeiten erforderten gewisse Eingriffe in die Natur und Landschaft. Im Rahmen eines Landschaftspflegerischen Begleitplans (LBP) wurde ein umfangreiches Konzept entwickelt, um Beeinträchtigungen zu vermeiden bzw. zu minimieren und auszugleichen. Das Konzept wurde in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden und der Gemeinde Wittighausen erarbeitet. Zudem wurden eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung und eine Fauna-FloraHabitat (FFH)-Vorprüfung durchgeführt.
Zeitplan
Fakten und Zahlen
Eine Informationsveranstaltung in der Aula der Grundschule in
Oktober 2018 – Januar 2019 Vorbereitende Arbeiten Seit Oktober 2018 wurde die Baustelle vorbereitet, das Baufeld freigemacht und Baustelleneinrichtungsflächen sowie Baustellenzufahrten und Baustraßen errichtet, die Vegetation zurückgeschnitten. Die Arbeiten fanden ohne Sperrung der Strecke statt. Januar – September 2019 Sanierung und Aufweitung des Tunnels Im ersten Schritt wurden der Oberbau und die Portale zurückgebaut, anschließend der Tunnel aufgeweitet und die neue Innenschale eingebaut. Die neuen Portale wurden hergestellt, die Bodenvernagelung in den Einschnitten durchgeführt und die Gleise verlegt. Während der gesamten Bauphase war der Streckenabschnitt voll gesperrt. Am 11. September 2019 wurde der erneuerte Tunnel in Betrieb genommen. September – Dezember 2019 Restarbeiten Nach dem Ende der Sperrpause wurden noch einige Restarbeiten durchgeführt. Dazu gehörten beispielsweise der Rückbau von Baustelleneinrichtungsflächen und die Durchführung von Ausgleichsarbeiten. Diese Arbeiten schränkten den Zugverkehr nicht ein.
• der Tunnel liegt auf der zweigleisigen, elektrifizierten Strecke zwischen Neckarelz und Würzburg-Heidingsfeld West • Länge 138 m • insgesamt wurden rund 7000 m³ Beton im gesamten Projekt für Tunnel, Stützwände und Mastfundamente verbaut • es wurden 718 Längenmeter Gleis erneuert – da es sich um eine zweigleisige Strecke han- delt, sind das 1436 m • pro Gleis wurden etwa 1150 Stahlschwellen verbaut – insgesamt also etwa 2300; hierfür wurden die Schwellen aus dem Bestand ver wendet, lediglich etwa 100 beschädigte wurden ausgetauscht • 12580 Tonnen Ausbruch beim Vortrieb • etwa 5000 Tonnen Schotter wurden bewegt • Kosten ungefähr 20 Millionen Euro
Unterwittighausen stellte den aktuellen Stand der Projektes vor (Mai 2019)
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EINBLICKE IN DIE TECHNIK FOTOGRAFIEN VOM UMBAU
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Vorbereitungsarbeiten – die Gleise und Schwellen werden entfernt (Januar 2019) Abbrucharbeiten am Nordportal (Februar 2019)
Abbrucharbeiten am Nordportal (Februar 2019) Abbruch- und Sicherungsarbeiten am Südportal – vom alten Portal ist noch ein kleines Fragment links des Bohr-Fahrzeugs erkennbar – zur besseren Erreichbarkeit des Geländes über und hinter dem alten Portal wurde der Tunneleingang zugeschüttet und als Rampe benutzt (Februar 2019)
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Sicherungsbohrungen – man erkennt den Unterschied der Querschnitte von altem und neuem Tunnel (Februar 2019) Auf der Südseite ist das alte Portal komplett entfernt, der Hang darüber mittels diverser Rückverankerungen gesichert und ein Stück Überdeckung in Richtung Tunnelmitte freigelegt – auch hier ist die Dimension des neuen Tunnels gut zu sehen (Februar 2019)
Im Tunnel wird das Mauerwerk des alten Tunnelquerschnittes entfernt – im Anschluss daran werden die Ausbruchflächen mit Bewehrung gesichert (März 2019) Exemplarische Darstellung des alten und neuen Querschnitts mit Sicherungsstangen im Firstbereich am Übergang vom anstehenden Gestein zur Tunnelaußenschale (April 2019)
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Aufbau der Luftbogenstrecke für den späteren Bereich hinter den Tunnelportalen (April 2019) Herstellung der Stützbauwerke in den Tunnelvoreinschnitten, bestehend aus mehreren Bewehrungslagen und Spritzbetonschichten (April 2019)
Aufweitung der Tunnelvoreinschnitte durch Abbruch der alten Stützwände inklusive der Oberleitungsmastfundamente (April 2019) Blick vom Nordportal – zu sehen sind die gleichzeitigen Arbeiten zur Herstellung der neuen Stützwände sowie der Aufbaufläche für den Tunnelinnenschalwagen (April 2019)
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Aufbau des Bewehrungswagens, mit den blauen Brettern, sowie des Tunnelinnenschalwagens aus Holz (Mai 2019)
Blick auf den Tunnel aus Richtung Sßden – noch ohne Innenschale (Mai 2019) Der Schalwagen aus Holz dient zur Betonage der Tunnelinnenschale (Mai 2019)
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GroĂ&#x;aufnahme des Schalwagens aus Holz (Mai 2019) Der sogenannte Bewehrungswagen wird in den Tunnel geschoben (Mai 2019)
Betonage eines bewehrten Gewรถlbeblockes (Juni 2019) Blick auf die fertig betonierte Tunnelinnenschale (Juni 2019)
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Die Oberleitungsmasten wurden mit vormontierten Radspannern ausgestattet (Juni 2019) Einbau der Tiefenentwässerung im nördlichen Voreinschnitt zum Ableiten der anfallenden Oberflächenwässer (Juli 2019)
Blick auf den Schalwagen und Nachbehandlungswagen im Inneren des Tunnels (Juli 2019)
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Schalwagen inklusive der Tunnelinnenschalenbewehrung (Juli 2019) Blick auf den Tunneleingang aus Richtung SĂźden (Juli 2019)
Blick auf ein fertig betoniertes Widerlager – im Hintergrund sind die Tunnelaußenschale und ein Teil der sogenannten Tunnelinnenschalenbewehrung zu sehen (Juli 2019) Blick aus Richtung des südlichen Tunnelportals (Juli 2019)
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Gleisarbeiten im nรถrdlichen Voreinschnitt mit Blickrichtung Bahnhof (Juli 2019) Einbau der Stahlschwellen und Gleise im Tunnel (August 2019)
Schotterstopfarbeiten zur Feinjustierung der Gleislage (August 2019) Letzte Arbeiten am Sßdportal inklusive Herstellung der Kabelkanäle und Randwege (August 2019)
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Regionalzug in Richtung Lauda über der ebenfalls neu errichteten Wittigbachbrücke zwischen Bahnhof und Nordportal (September 2019) Regionalzug in Richtung Würzburg bei der Ausfahrt aus dem Nordportal (September 2019)
Drohnen-Aufnahme des Nordportals – die Arbeiten am Tunnel sind beendet, die Baustelle mit Werkstattzelt oben links und Baubürocontainern rechts wurden in den folgenden Wochen abgebaut (September 2019) Der Schluss-Stein des alten Tunnelportals mit Jahreszahl wurde im Rahmen einer Öffentlichkeitsveranstaltung an die Gemeinde Wittighausen übergeben – heute steht er im Pfarrgarten der Kirche Unterwittighausen
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WITTIGHÄUSER HEFTE 33 Januar 2020 Herausgeber: Gemeinde Wittighausen Redaktion und Gestaltung: Edgar Braun, Unterwittighausen und Höchberg office@grafik-braun.de Texte: DB Netz AG außer Edgar Braun: Seiten 4/5 Fotografie: DB Netz AG außer Reinhard Gumbert: Seite 5 oben links; Edgar Braun: Seite 5 oben rechts; Jürgen Weber: Seiten 4/5 unten Mitarbeit: Frank Fries, Würzburg (DB Netz AG); Jessica Hückl, Frankfurt (DB Netz AG); Georg Schulz, Frankfurt (DB Netz AG); Elke Schuler, Oberwittighausen
Die Herstellung dieser Broschüre wurde großzügig unterstützt durch die DB Regio Bayern in Würzburg.
www.wittighausen.de