Human Resources Manager

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MAGAZIN FÜR HUMAN RESOURCES MANAGEMENT    DEZEMBER 2014 / JANUAR 2015    WWW.HUMANRESOURCESMANAGER.DE    ISSN 1869-5116    EUR 11,40

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Thema Mobilität


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HR.Payroll.Benefits.


Editorial

Man muss was daraus machen

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igentlich ist es paradox: Einerseits werden die Technologien, die uns das Arbeiten erleichtern und mit Hilfe derer wir die größten Distanzen überwinden, immer ausgereifter. Andererseits sind wir aber auch für den Job mehr und mehr unterwegs. Mobilität prägt unsere Arbeitswelt. Die Zahl der Berufspendler ist in den vergangenen Jahren gestiegen, vor allem sind die Arbeitnehmer im Durchschnitt länger zur Arbeit unterwegs als früher. Und im Zuge der Internationalisierung vieler Unternehmen nehmen die Geschäftsreisen in andere Länder zu. Video- und Telefonkonferenzen können da nur bedingt Abhilfe schaffen. Nicht zu vergessen sind die vielen Konferenzen und Tagungen, die wie Pilze aus dem Boden sprießen und zu denen sich stets zahlreiche Führungskräfte und Experten aufmachen, um sich auszutauschen. Wir haben uns daran gewöhnt, immer häufiger für den Beruf im Flugzeug, in der Bahn oder im Auto zu sitzen. Diese Mobilität erleichtert vieles. An die Nachteile hat man sich auch gewöhnt: Lange Staus, Streiks der Lokführer und Warteschlangen am Check-in-Schalter gehören dazu. Zu unserem Leben gehört mittlerweile ebenfalls das Arbeiten von unterwegs. Irgendwann wird es den meisten völlig absurd vorkommen, jeden Tag zu denselben Zeiten im Büro zu sitzen – und wenn man doch rein kommt, hat man keinen festen Schreibtisch mehr, sondern nur noch den immer gleichen Rollcontainer mit den eigenen Habseligkeiten. Die Möglichkeit

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von zuhause zu arbeiten gehört ebenfalls zu dieser mobilen Arbeitswelt. Auch wenn der Anteil der Menschen, die das Home Office nutzen, zuletzt nicht gestiegen ist, so ist doch allein die Chance es zu tun, eine Freiheit, die es früher nicht gab. Ob die neuen Möglichkeiten von allen als Freiheit wahrgenommen werden? Für manche wird es ein Segen sein, weil sie nun eventuell Job und Privates besser unter einen Hut bekommen. Doch nicht jeder Mitarbeiter kann mit der Aufhebung der Trennung zwischen Job und Privatem umgehen. Sie setzen sich keine Grenzen und sind somit Ausbeuter und Ausgebeuteter in einem – oder fühlen sich von den E-Mails nach Feierabend unter Druck gesetzt. Die Entwicklung hin zu einer mobilen Arbeitswelt lässt sich aber nicht mehr aufhalten. Es kommt vielmehr darauf an, was wir aus der Veränderung machen. Das gilt insbesondere für Führungskräfte und Personalmanager. Müssen zum Beispiel Mitarbeiter, die weite Wege zur Arbeit pendeln, jeden Tag ins Büro? Sollte der Vorgesetzte wirklich darauf bestehen, dass man seine Mails, die er nach 20 Uhr schickt, schnellstmöglich beantwortet – sozusagen „asap“? Und lässt sich nicht die Bereitschaft der jungen Leute im Ausland zu arbeiten mit einem professionellen Expatriate Management fördern? Man kann einiges machen – nur leugnen kann man den Megatrend Mobilität nicht.

Jan C. Weilbacher Chefredakteur jan.weilbacher@humanresourcesmanager.de

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06 14 10 Zahlen und Zitate 13 Standpunkt Das neue Elterngeld Plus fordert von Unternehmen mehr Flexibilität 14 Wachstum durch Familienpolitik Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig im Interview 18 Alles besser durch die Quote? Geschlechtergerechtigkeit braucht auch flexible Modelle für Väter 20 Hauptsache neu Nicht die Innovation ist das oberste Ziel, sondern die Wirkung Titelthema: Mobilität 23 Übersicht 24 Prolog 27 In Watte gepackt Wie Unternehmen ihren Expatriates den Auslandseinsatz versüßen 31 Die reale und die virtuelle Welt Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer IAO, über die mobile Arbeitswelt 35 Immer unterwegs Wie es sich als Pendler so lebt und wie hier HR helfen kann 36 Wo bleibt der Zug? Psychologin Antje Ducki über die Folgen des ständigen Pendelns 41 Mal fix einen neuen Auftrag Das Geschäft mit Microjobs boomt 44 Exklusivität war einmal Stefan Vorndran vom Deutschen Reiseverband über die Trends bei Geschäftsreisen 47 Öfter mal was Neues Bei Jobrotation steht der Know-howGewinn im Vordergrund

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Die ungeliebten Retter Honorarärzte helfen bei Versorgungslücken, aber ihr Einsatz ist personalstrategisch umstritten 55 Hilfe beim Kofferpacken Wie Relocation Services Unternehmen bei Auslandsentsendungen unterstützen 58 Zwischen Prestige und Effektivität Porsche-Personalvorstand Thomas Edig über Nachwuchsgewinnung, Produktivität und Statussymbole 62 Epilog Im Fokus 64 66

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Steigende Anforderungen Was macht eigentlich ein Compensation & Benefits-Manager? Veredeltes Metall Im Gespräch mit Autor und Personalchef Gunnar Dachrodt über HR in der Stahlbranche Zeit zu handeln Personaler sollten Vordenker der digitalen Entwicklung ihrer Unternehmen sein

Menschen 74 Personen & Karriere Die wichtigsten Wechsel 77 Herausfordernde Aufgaben Klaus Weigeldt von der Pin Mail AG im Porträt Analyse 80 84

Mehr Strategie wagen In Verwaltungen ist strategisches Personalmanagement rar gesät Perspektivwechsel für die Marke Wie Employer Branding Teil der Unternehmensstrategie wird

3  Editorial  8  Kolumne: Home Office  110 Fragebogen: Stefan Ries von SAP 4

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Ziemlich analog Führungskräfte sind noch nicht ausreichend auf die Digitalisierung vorbereitet

Praxis 88 Bücher Lesenswertes rund um HR 90 Sieben Gedanken Diversity Management 91 Meine digitale Welt Jürgen Sorg kombiniert gerne Digitales mit Analogem 92 Termine Recht 94 Aktuelle Urteile 96 Plötzlich alles anders Was das Ende der Rentenversicherungsbefreiung für Unternehmensanwälte bedeutet Verband 100 Väterorientierung Ergebnisse der Umfrage des BPM und des Familienministeriums 102 Die richtigen Kompetenzen Essay: Neuorientierung in Sachen HR Business Partner 104 Nachgefragt Hat das klassische Büro ausgedient? 106 Rückblick Der 2. BPM Change Tag 107 Ausblick Der 5. BPM Arbeitsrechtstag 108 Termine 109 Neumitglieder

76  Impressum

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Fotos: Ingo Cordes; rechts: Bundesregierung/Denzel; Laurin Schmid (2)

Meinung

In dieser Ausgabe


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Am Wendepunkt Väter und Familienpolitik – beides hatte in der Vergangenheit nicht gerade viele Berührungspunkte. Familienministerin Manuela Schwesig will das ändern und endlich eine echte partnerschaftliche Aufgabenverteilung für Eltern ermöglichen.

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An der Spitze

Porsche hat in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum hingelegt und ist einer der profitabelsten Autobauer der Welt. Der Erfolg von Porsche ist auch der Arbeit von HR zu verdanken. Personalvorstand Thomas Edig über Nachwuchsgewinnung und Effizienz.

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Im Aufbau

Klaus Weigeldt ist Personaler aus Leidenschaft. Bei der Pin Mail AG will er viel bewegen und vor allem die Kommunikation im Unternehmen stärken.

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meinung

Väterfreundlichkeit als wahrer Motor der Frauenquote Väter im Fokus

Eine gesetzliche Frauenquote für Führungspositionen wird nichts bringen, wenn man die Zielgruppe der Väter außer Acht lässt. Sowohl Paare als auch Unternehmen profitieren nämlich von flexiblen Arbeitsmodellen für Väter. Von Volker Baisch

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Geändertes Rollenverständnis Im Gegensatz dazu wählt eine steigende Zahl an Paaren einen partnerschaftlichen Ansatz. Nicht nur Mütter, sondern auch die Väter stecken beim Beruf zurück. Nächste Schritte auf der Karriereleiter werden immer öfter ausdiskutiert, berufliche Belange mit familiären Interessen abgewogen. Für einen Wechsel des Arbeitgebers ist weniger ein höheres Gehalt als erstens interessantere Aufgaben und zweitens flexible Arbeitszeitlösungen und ein Verständnis für Familie von Belang. Interessanterweise erkennen solche Doppelverdiener-Paare Frauenquoten als nur teilweise wichtig an. Grund für die neue Partnerschaftlichkeit ist vor allem ein geändertes Rollenverständnis der Väter. „Moderne Väter“ haben heute den Anspruch, aktiv am Familienleben teilzuhaben. Statt das Leben um die Karriere herumzubauen, stellen Väter immer

„ Väter stellen immer häufiger das Privatleben und ihre Kinder ins Zentrum ihrer Lebensplanung.“ häufiger das Privatleben und ihre Kinder ins Zentrum ihrer Lebensplanung. Zeit mit der Familie auch in der Woche wird immer wichtiger. Solange sie in eine Vollzeitstelle zurückkehren können, ist Teilzeitarbeit circa drei bis vier Jahre nach der Elternzeit der Wunsch vieler Väter schlechthin. Laut einer Meinungsumfrage der Besser betreut GmbH und der Väter gGmbH sind es sogar drei Viertel der Männer, die zeitweise dazu bereit wären. Acht von zehn Müttern würden den Teilzeitwunsch ihres Mannes unterstützen, zwei Drittel ihre eigene Arbeitszeit im Gegenzug erhöhen. Übrigens wünschen sich laut einer „Brigitte“-Studie vom letzten Jahr auch die Männer erfolgreiche Frauen an ihrer Seite, die genauso viel verdienen wie sie. www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Foto: ANN-CHRISTINE KRINGS PHOTOGRAPHY

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ann eine gesetzliche Quote eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit alleine lösen? Sicherlich nicht alleine. Denn wie viele andere Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren daran gescheitert sind, Frauen verstärkt in Führungspositionen zu heben, berücksichtigt auch die sogenannte Frauenquote ausschließlich die weibliche Perspektive. Dabei springen die Männer den Frauen zunehmend zur Seite. Durch ein geändertes Rollenverständnis stellen immer mehr Väter Forderungen nach mehr Zeit für die Familie. Diese Perspektive wird in der Vereinbarkeitsdebatte bisher größtenteils ausgeblendet. Doch eine Frau in Führung braucht vor allem die Unterstützung ihres Mannes daheim. Mehr Väterfreundlichkeit erwächst zum Karrieremotor für Frauen. Eine geänderte Arbeitskultur mit flexiblen Arbeitsmodellen auch für Väter ist dazu von Nöten. Den Nutzen erkennen bereits heute die Personalverantwortlichen. Hintergrund für die Debatte um eine geänderte Arbeitskultur ist die immer noch schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter. Während eine berufliche Auszeit bei Frauen anerkannt ist, müssen Männer für mehr Zeit für die Familie in den meisten Fällen bei ihren Arbeitgebern kämpfen. Während zwei Drittel der berufstätigen Mütter in Teilzeit arbeiten, sind es bei den Vätern nur etwa sieben Prozent.

Gerade einmal 14 Prozent der Frauen mit Kind arbeiten in Vollzeit, bei den Männern liegt der Wert über 90 Prozent. Das alte Rollenmodell verfestigt sich nach der Geburt eines Kindes sogar, weil Männer deutlich mehr verdienen als Frauen. Zudem prägen veraltete Rollenbilder und väterfeindliche Unternehmen laut einer aktuellen repräsentativen Studie von A.T. Kearney bis heute die Arbeitswelt.


Foto: Sam Stefan / Flickr CC 3.0

Obwohl bis heute zwischen diesen Wünschen und der Wirklichkeit eine große Diskrepanz besteht, scheint es derzeit ein Umdenken in der Wirtschaft zu geben, wie die aktuelle Befragung des Bundesverbandes der Personalmanager zur Väterförderung zeigt. Rund zwei Drittel der befragten Personalverantwortlichen wollen Vätern in Zukunft verstärkt flexible und mobile Arbeitsmodelle anbieten. Familienfreundlichkeit bedeute aber nicht automatisch Väterfreundlichkeit, so das Ergebnis. Viele Männer fühlen sich durch familienfreundliche Angebote oft gar nicht angesprochen.

Der langfristige Nutzen von solchen väterfreundlichen Angeboten übertrifft die kurzfristigen Kosten um Längen. Familienfreundliche Maßnahmen für Väter erhöhen die Produktivität der männlichen Angestellten. In Familienzeiten bilden Väter zudem neue Führungskompetenzen aus. Nicht zuletzt steigert Väterfreundlichkeit auch das Arbeitgeberimage. Vor allem vor dem Hintergrund des demografisch bedingten Fachkräftemangels sowie den veränderten Erwartungen der Generation Y an die Arbeitswelt müssen Unternehmen im Sinne einer nachhaltigen Personalentwicklung die Chancen hinter einer verstär-

Daran setzt das Väternetzwerk der Väter gGmbH seit 2011 an. Ziel ist es, Unternehmen für die Vaterschaft zu sensibilisieren und Vorbilder für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Vätersicht zu schaffen. Solche fehlen bis heute in der Berufswelt. In Hamburg, Frankfurt und Berlin nehmen Commerzbank, Lufthansa, Deutsche Bahn, Axel Springer, HSH Nordbank, Otto sowie E&Y teil. Ab 2015 startet das nächste Väternetzwerk mit weiteren sechs Unternehmen in Düsseldorf, darunter ERGO und Vodafone.

kten Fokussierung auf die Väter erkennen. Väterorientierte Personalpolitik wird in Zukunft der Garant für Fachkräftebindung und -gewinnung sein.

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Veränderung der Arbeitskultur Ob eine politisch bestimmte Frauenquote in Führungspositionen an den bisherigen Verhältnissen alleine etwas ändert, wenn man die Zielgruppe der Männer nicht aktiv einbezieht, darf zumindest bezweifelt werden. Eine veränderte Arbeitskultur, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowohl für Mütter als auch für Väter unterstützt, ist der Schlüssel für eine partnerschaftliche Ver-

änderung der Arbeitswelt. Nicht nur Väter, nein, auch Frauen und auch die Unternehmen selbst profitieren. Allein dass sich in Schweden das Jahreseinkommen der Frau für jeden Elternzeit-Monat eines Vaters im Durchschnitt um 7 Prozent erhöht, zeigt die Relevanz von Väterfreundlichkeit für die Frauenquote-Debatte.

Volker Baisch Volker Baisch ist Geschäftsführer der Väter gGmbH, einer gemeinnützigen Unternehmensberatung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf speziell für Väter. Die Gesellschaft verfolgt das Ziel, Konzepte zur Veränderung der Unternehmenskultur zu entwickeln, von denen Frauen und Männer gleichermaßen profitieren.

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Wir sind heute unentwegt in Bewegung, räumlich wie geistig. Das fordert vor allem auch die Arbeitswelt. Stillstand kann und will sich da kaum einer mehr leisten. Es gilt, flexibel zu bleiben. Und offen – für neue Karrierewege und Arbeitsformen.

Mobilität

Foto: www.thinkstock.com

Inhalt

Prolog

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Deutsche Angestellte gehen nicht gern ins Ausland. Was Unternehmen tun, um sie dennoch davon zu überzeugen

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Real-virtuelle Arbeitswelt: Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer IAO, spricht über Flexibilität und Erreichbarkeit

31

Unterwegs in der Pendlerrepublik: Wie HR helfen kann, Pendler zu entlasten

35

„Deutlich höhere Erschöpfungswerte“: Psychologin Antje Ducki über die Folgen ständigen Pendelns

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Microjobbing-Apps sind auf dem Vormarsch. Aber was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?

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Mobile und Car Sharing: Der Geschäftsreise-Experte Stefan Vorndran analysiert die aktuellen Trends

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Für Generalisten und Spezialisten: Bei Jobrotationen geht es in erster Linie um den Wissensgewinn

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Honorarärzte werden vor allem dann geholt, wenn Not am Mann ist. Beliebt sind sie aber nicht. Warum eigentlich?

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Eine Auslandsentsendung bringt allerlei Fragen und Schwierigkeiten mit sich. Relocation Services können hier helfen

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Stetig bergauf: Im Gespräch mit Porsche-Personalvorstand Thomas Edig über die Mobilität der Zukunft

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Epilog

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Wer in unserer heutigen Arbeitswelt permanent mobil sein muss, kennt meistens auch viele Flughäfen. Aber welcher ist der schönste, größte, älteste? Auf den folgenden Seiten finden Sie dazu diverse Rankings.

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Microjob-Dienste wie Streetspotr und AppJobber vermitteln Unternehmen Arbeitskräfte für Minuten-Aufträge. Gezahlt wird der Gegenwert eines Schokoriegels. Das Geschäft boomt, auch weil für die Nutzer bislang noch der Spaß im Vordergrund steht. Von Thomas Trappe

Die Jobs liegen auf der Straße

– Christian Salle ist also von Anfang an dabei – gibt es solche Angebote in Deutschland. Sie vereinen technische Mobilität meist junger Menschen mit deren Wunsch, bei Gelegenheit einen kleinen, wirklich kleinen, Geldbetrag zu verdienen. Unternehmen schreiben ihre Microjobs aus, Nutzer können diese or zweieinhalb Jahren gab Christian Salle im Schauspiel per App ansteuern und abarbeiten. Ein Beispiel: Als diese Zeilen Frankfurt nicht nur den Polizisten Blocher in Dürrengeschrieben wurden, waren gerade 1,50 Euro abzusahnen. In der matts Physiker, sondern er übernahm im gleichen Stück Cafeteria der TU Berlin sollte geschaut werden, ob „dort spezielle noch zwei weitere Rollen. Ziemlich anstrengend. Und so Coffee-to-go-Becher stehen und diese auch ausgeteilt werden“. kam diese simple Ablenkung damals ganz gelegen: Speisekarten Ein Angebot, das man ablehnen kann – ein Student der TU, der abfotografieren, für einsfünfzig Lohn pro Foto. Erfolgsgeschichten sowieso gerade einen Kaffee zum Mitnehmen holen will, sieht das beginnen anders, und als solche will Salle das auch nicht verstanden aber vielleicht anders. Damit ist schon viel erklärt, weiteres sagt wissen. Ja, er mag diese Microjob-Sache wirklich sehr, aber sicher eine Streetspotr-Umfrage von 2012. 72 Prozent der Nutzer seien nicht nur wegen des Geldes. „Es ist ein Hozwischen 18 und 29 Jahre alt, weitere 17 bby mit dem Nebeneffekt eines relevanten Prozent zumindest unter 39 (siehe Kasten Taschengeldes“, sagt er. Christian Salle ist Seite 43). haupt- und freiberuflicher TheaterschauMan kann außerdem von technikaffispieler, mit Engagements in Berlin, Hannonen Nutzern ausgehen. Technisch unbever und Frankfurt. Und nebenher ist er einer darfte Smartphone-Nutzer können auch von 280.000 Nutzern der App Streetspotr, auf durchaus eine Stunde damit zubringen, der Unternehmen „Microjobs“ vergeben. die Streetspotr-App überhaupt zum LauSalle ist nicht irgendwer im Streetspotr-Kosfen zu bringen, die Zeit wurde persönlich mos: Sondern zweiter in der User-Rangliste. gestoppt. Soll heißen: Streetspotr müssen tatsächlich Lust haben zu tun, was sie da Junge, technikaffine Nutzer tun. „Es ist wie eine Schnitzeljagd, eine sehr kurzweilige Art, sich was dazuzuverDie Nürnberger Streetspotr GmbH ist dienen und seine Stadt neu kennenzulernen“, sagt Christian Salle. Marktführer unter den App-Anbietern für Microjobs, der zweite große Name in Die Frage, ob Streetspotr und Co. nicht doch der Wegbereiter für einen neuen Deutschland ist AppJobber. Seit April 2012 Niedrigstlohnsektor sind, muss trotzdem gestellt werden, und einschlägige Experten finden darauf durchaus wenig euphorische Antworten. Zunächst aber ein Blick Christian Salle Streetspotr-User auf Dorothea Utzt, die dank Streetspotr

Foto links: www.thinkstock.com; rechts: Privat

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„Es ist wie eine Schnitzeljagd.“

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Für manche Aufgaben gibt es kein Geld Das Prinzip ist heute das gleiche wie damals beim BMW-Auftrag, nur gibt es jetzt wesentlich mehr Auftraggeber. Rund 250 derzeit, darunter Red Bull und Sony, auf einen Anbieter kommen damit 1.000 Nutzer. Für jeden Job kriegt Streetspotr 50 Prozent Provision vom Auftraggeber. Das Unternehmen wächst. „Wir wollen expandieren“, sagt Dorothea Utzt, im kompletten deutschsprachigen Raum und in Großbritannien ist man schon vertreten, gerade kam Polen dazu. Im Frühjahr dieses Jahres stiegen die KfW-Bank und ein Investor mit einer „hohen sechsstelligen Summe“ in das Unternehmen ein. 14 Mitarbeiter werden derzeit beschäftigt, dazu ein paar Studentenjobs. Dass Dorothea Utzt Lohndumping unterstütze, glaubt sie nicht. „Der Spaß steht absolut im Vordergrund“, sagt sie. „Wem es nur ums Geld geht, der wird sich nicht bei uns anmelden.“ Im Schnitt zehn Euro monatlich verdiene ein Nutzer, maximal seien pro Jahr 1.500 Euro drin. Und ein exzessives Nachfrage-Angebot-System sei sowieso ausgeschlossen. Jeder eingestellte Job werde überprüft, darauf, ob er rechtlich und moralisch vertretbar ist und ob eine Mindestsumme gezahlt wird. „Wir schaffen einfach nur Zugang zu einem Markt, den es ohne unsere Technik gar nicht geben würde“, sagt Utzt. Sprich: BMW würde nicht auf die Idee kommen, eigene Mitar-

„Der Spaß steht absolut im Vordergrund.“ Dorothea Utzt Streetspotr

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„Angebote wie Streetspotr können als Nischenprodukt bestehen.“ Franz Kühmayer Zukunftsinstitut

beiter loszuschicken, um die Tiefgaragen der Republik zu beschauen. Christian Salle gehört zu den Intensivnutzern von Streetspotr. Für jeden erfolgreich ausgeführten Job bekommt man nämlich bei Streetspotr Punkte. Je mehr Punkte, desto höher der Rang. Manche Jobs, bis zu zehn Euro bringen die, kann man auch nur mit einer bestimmten Punktzahl annehmen. Und es gibt auch Aufgaben, für die es Punkte, aber kein Geld gibt. Zum Beispiel einen Park oder einen Dom zu fotografieren. Das ist die Sightseeing-Funktion von Streetspotr, Christian Salle schätzt die sehr. Kürzlich lernte er so ihm unbekannte Ecken Hamburgs kennen. Auch die Chatfunktion lobt Salle. Sie ermöglichte es ihm, als er 2012 noch in Frankfurt lebte, dort viele neue Leute kennenzulernen. Man kann Salle abnehmen, dass Streetspotr für ihn keine Notlösung ist, und genauso gilt das wahrscheinlich für die Polizisten, die Ex-Unternehmensberater und Bahn-Angestellten, die Geschäftsführerin Dorothea Utzt als Intensivnutzer beispielhaft nennt. Doch sie weiß auch um das Streetspotr-Gegenstück aus den USA, die App Gigwalk. 650.000 Nutzer hat diese, bedient werden 6.500 Städte in ganz Nordamerika. Das Geldverdienen steht hier deutlich im Vordergrund, und für viele Nutzer ist es der Zweit- oder eben auch Drittjob. Dort ist zu beobachten, was Kritiker von Microjobbing als dessen Gefahren anführen: Zergliederung von Arbeit und damit verbunden die Auslagerung der einfachsten Tätigkeiten an Billiglöhner. „Das alles folgt dem klassischen Prinzip der Arbeitsteilung in immer kleinere Einheiten“, sagt Franz Kühmayer, der Microjobbing „nicht für ein zukunftsfähiges Modell hält“. Der Informatiker und Physiker ist Strategieberater in Wien und Mitglied des ThinkTanks Zukunftsinstitut. Da beschäftigt er sich mit der Zukunft der Arbeit. Beim Microjobbing stehe immer die Frage im Vordergrund, wie Produktivität gesteigert werden könne bei gleichzeitiger Senkung der Lohnkosten, sagt er. Über kurz oder lang laufe dies, wenn irgendwie möglich, immer auf Automatisierung hinaus – oder Auslagerung von Tätigkeiten in Billiglohnländer. Beispiele seien Power-Point-Dienstleister in Indien oder Programme, die aus Rohdaten schon heute journalistische Texte herstellen können. „Auf lange Sicht haben solche Microjobs in Europa deshalb keine Chance zu bestehen.“ Örtlich gebundene Tätigkeiten freiwww. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Foto: ADRIAN SCHMIDT PUPLICITY PHOTOGRAPHY; Privat

sehr viel Geld verdient. Ihr gehört nämlich das Unternehmen. 33 Jahre alt ist Dorothea Utzt, studiert hat sie Germanistik auf Lehramt, in diesem Beruf aber nicht gearbeitet. Nach einem kurzem Ausflug in den Journalismus gründete sie 2007 zusammen mit zwei Bekannten eine Firma, die sich auf App-Programmierungen spezialisierte. Apps kamen damals gerade erst auf den Markt, Dorothea Utzt und ihre Kollegen waren unter den Pionieren. Sie kümmerte sich, bis heute, um das Marketing ihres Unternehmens. Die Idee zu Streetspotr entstand aufgrund eines Auftrags von BMW. Der Autobauer wollte sämtliche Tiefgaragen in Deutschland „mappen“ lassen, Öffnungszeiten, Parkebenen, Preise – Utzts Firma sollte sagen, wie man das am besten umsetzen könnte. „So entstand die Idee, das mit der Crowd zu machen“, also mit Hunderten von Smartphone-Nutzern. Es wurde 2011 dann nicht nur eine App entworfen, sondern auch das gleichnamige Unternehmen gegründet.


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Die Streetspotr-User lich lassen sich schlecht nach Indien auslagern. „Angebote wie Streetspotr können als Nischenprodukt bestehen, aber nicht als gesamtwirtschaftlicher Trendsetter“, schätzt Kühmayer.

Das Marktprinzip zählt

ins Bild: Auch hier ist der Zugang für mobile und technikaffine Menschen privilegiert, zum Lohn eines Taschengeldes. „Das marktwirtschaftliche Prinzip steht bei solchen Angeboten im Vordergrund“, meint Werner Eichhorst, stellvertretende Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Was natürlich auch heiße, dass gute Qualität wohl auch weiter einen guten Preis erlösen wird. „Bei unspezifischen Arbeiten kann durch Microjobbing aber durchaus Lohndumping befördert werden.“ Eichhorst glaubt genauso wenig wie Kühmayer, dass es sich „dabei um ein großes Phänomen“ handle. Zumal die kleinteilige Organisation von Arbeit „immer auch einen Koordinierungs- und Kontrollaufwand bedeutet, für den wieder Personal eingestellt werden müsste“. Microjobbing käme damit schlicht nur für sehr überschaubare Teile der Wirtschaft in Frage. Christian Salle, der Schauspieler, kann wohl sicher sein, dass sein Berufsstand so schnell nicht durch Microjobber ersetzt wird, und er wird deswegen mit Vergnügen weiterhin „die fünf Euro einsammeln, die auf der Straße liegen“. Seinen Ehrgeiz stachelt derzeit aber die Nummer eins in der Streetspotr-Rangliste an. Er kennt den Mann – „leibhaftig“. Und er will ihn von der Spitze verdrängen. Die Konkurrenz schläft nicht, schon gar nicht unter Microjobbern.

· 89 Prozent der Streetspotr-Nutzer sind zwischen 20 und 39 Jahre alt, nur jeder Hundertste ist älter als 60. · 70 Prozent der Nutzer sind Männer, derzeit steigt aber der Frauenanteil etwas. · Fast jeder Dritte besucht eine Universität oder Fachhochschule, jeder Vierte macht eine Lehre oder Ausbildung. · Die mit Abstand beliebtesten Jobs unter den Microjobbern sind Mystery-Shoppings, Location-Checks und Kreativ-Spots.

Allerdings sollten Microjob-Dienste nicht völlig als irrelevant beiseite geschoben werden, ergänzt er. Es lohnt ein Blick auf andere Dienstleister, die nicht auf dem Smartphone, aber doch örtlich flexibel wahrgenommen werden können. Neu ist hier, dass zunehmend auch Tätigkeiten verschleudert werden, für die trotzdem eine akademische Ausbildung nötig ist. Manch ein Journalist zum Beispiel sieht sich zunehmend bedroht durch Angebote wie Textbroker, bei denen Schreibaufträge vergeben werden. Profis würden für einen Text, der die Länge des vorliegenden hat, knapp 50 Euro brutto bekommen. Anfänger in etwa 10. Das sind völlig neue Maßstäbe des Dumpings, mit denen auch Übersetzer und andere Geisteswissenschaftler konfrontiert werden, und künftig potenziell jede andere Berufsgruppe, in der es ein Arbeitskräfte-Überangebot gibt. Streetspotr passt da durchaus

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Im Fokus Compensation and Benefits Manager

Fokus auf Menschen und Zahlen

Spezialisten wie Compensation & Benefits-Experten sind inzwischen sehr gefragt. Höchste Zeit, sich einmal näher mit dieser HR-Rolle zu befassen. Von Kathrin Justen

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ergütungsstrategien, Pensionsund Ruhestandsmanagement und Marktbeobachtung – das sind laut einer Studie von TowersWatson aus dem vergangenen Jahr die Hauptthemen, mit denen sich Compensation & Benefits-Experten befassen. Daneben gibt es noch Aspekte wie Job Grading, Benefits Management und variable Vergütung. Langeweile kommt da bestimmt nicht auf. Zumal diese Spezialisierung noch gar nicht so alt ist. Erst vor gut fünfzehn Jahren gewann das Thema Vergütung innerhalb von HR an Bedeutung. Und wird immer wichtiger: Laut Vergütungsexperte Joachim Kayser (siehe Interview rechts) sind die Anforderungen an die Comp & Benler, wie sie sich selbst oft nennen, zuletzt wieder drastisch gestiegen. Vergütung werde mehr und mehr von oben nach unten definiert, es gäbe viel mehr regulatorische Dinge, die es zu beachten gelte, wie den Deutschen Corporate Governance Kodex.

Attraktive Gehälter

Regine Pohlmann Sie ist Leiterin Compensation & HR-Controlling bei der Otto Group.

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Es ist also ein komplexes Thema, bei dem viel in Bewegung ist. Darüber hinaus sind die Verdienstmöglichkeiten recht ansprechend: Mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung kann man meist schon zwischen 50.000 und 60.000 Euro verdienen, später in Leitungsfunktionen entsprechend mehr: Laut einer Erhebung der Beratung

hkp/// group für die Jahre 2013/14 lag die Grundvergütung für einen Abteilungsleiter Compensation & Benefits in einem DAX-Unternehmen bei 112.000 Euro, in einem mittelgroßen börsennotierten Unternehmen bei 109.000 Euro. Man kann also sagen, dass es eine attraktive Rolle ist. Auch, weil man enormen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat. Es geht schließlich darum, Vergütungssysteme zu erarbeiten, die im Endeffekt auf die Unternehmensziele einzahlen.

Quereinstieg gewünscht Und wie gelingt der Einstieg als Comp & Benler? Klar ist: Den einen Zugangsweg gibt es nicht. Auch wenn es inzwischen spezifische Weiterbildungsangebote gibt und manch angehender HRler schon in seinem Studium einen entsprechenden Schwerpunkt setzt. Es gibt aber auch nicht selten – und das wird von Experten durchaus als begrüßenswert erachtet, um das Silo-Denken innerhalb von HR aufzulösen – Quereinsteiger. Die Werdegänge sind vielseitig, das zeigen auch unsere drei Kurzporträts von Compensation & Benefits-Managern in Führungspositionen auf dieser Doppelseite.

Foto: Privat

Vorgezeichnet war es nicht, dass Regine Pohlmann im Bereich Compensation & Benefits landen würde. Noch nicht einmal die Personaler-Laufbahn hatte sie zu Beginn ihrer Karriere im Kopf. Sie studierte Mathematik auf Lehramt, aber nach dem zweiten Staatsexamen entschied sie sich dazu, dem Schuldienst den Rücken zu kehren. Nach drei Jahren in der IT eines Versicherungsunternehmens und einer Promotion im Bereich der empirischen Bildungsforschung startete sie dann bei Otto. Zunächst arbeitete Pohlmann dort an der Schnittstelle zwischen Einkauf und IT, wechselte dann in die Personalentwicklung für den Einkauf und kam so nach und nach in Kontakt mit allen Bereichen der operativen Personalarbeit. Die Zahlenaffinität ließ dabei nie nach: „Mit der Zeit entwickelte sich das Thema Vergütung zu meinem Steckenpferd.“ Jetzt ist Pohlmann bei der Otto Gruppe für HR Controlling und Vergütung im Bereich Konzern Personal verantwortlich, sie kümmert sich beispielsweise um eine übergreifende Vergütungspolitik, Vergütungsmodelle und Benchmarks. „Mein gesamter Werdegang ist durch die Standbeine Menschen und Zahlen geprägt. Mal wog das eine schwerer, mal das andere“, sagt sie. Und für die Zukunft kann sie sich auch vorstellen, das Standbein „Menschen“ nochmal stärker zu belasten.

Vielseitig und komplex

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Der Funktion treu geblieben

interview

„Eher bodenständig“

Fotos: Lauri nSchmid (2); Julia Nimke

Joachim Kayser ist Senior Partner bei der auf Performance- und Talent Management sowie Vergütung spezialisierten Unternehmensberatung hkp/// group.

Herr Kayser, wie wichtig ist der Compensation & Benefits-Experte fürs Unternehmen? Man schätzt die Expertise dieser Spezialisten, auch in der Geschäftsleitung. Allerdings erleben wir auch häufig, dass die Führungsebenen meinen, sie könnten über diese Expertise hinweg regieren und verändern durchdachte Dinge. Frustrationstoleranz gehört also zu den erforderlichen Eigenschaften für solch eine Aufgabe. Welche weiteren Fähigkeiten sind erforderlich oder beobachten Sie? Typischerweise haben diese Fachleute sehr viel Expertenwissen und sind sehr im Systemdenken geschult. Sie sind keine Schnellschießer oder Traumtänzer, eher bodenständig und an Fakten interessiert. Hinzu kommt idealerweise ein umfassendes Verständnis fürs Geschäft. Außerdem muss man Netzwerker sein, Altes in Frage stellen können und natürlich zahlenaffin sein. Und da man als Compensation & Benefits-Manager eine interne Zulieferfunktion innehat, muss man es aushalten können, dass man nicht am Endkunden arbeitet. Was sind die Kernaufgaben eines Compensation & Benefits-Managers? Einmal sind es reine Vergütungsvergleiche: Was zahlt man in der Funktion A bei uns, was zahlt der Markt? Das ist für viele das Hauptgeschäft. Dann gibt es diejenigen, die Stellenbewertungssysteme machen, eine wichtige Aufgabe, weil daraus weitere Personalinstrumente gespeist werden. Und die Königsklasse ist es, Vergütungssysteme zu erarbeiten. Und was steht im Bereich der Benefits im Fokus? Da kümmert man sich um Themen wie Versicherungen, Dienstwagen oder Altersversorgung. Gerade Letzteres ist ein Thema, dessen Komplexität enorm zugenommen hat. Früher gab es nur ein System, abgeleitet aus der Beamtenwelt. Das ist in die Kritik geraten. Hier mussten und müssen sich die Experten Neues einfallen lassen. Es gibt also einen dramatischen Wandel in dieser Rolle. Und dramatisch dsoll ezem ber anspruchsvoll 20 1 4  /   j anuar 2015 heißen: und attraktiv.

Schlüsselkompetenz Kommunikation Fragt man Christian Thomas danach, was ein guter Compensation & Benefits-Manager mitbringen muss, nennt er natürlich die Affinität zu Zahlen, genauso wie arbeitsrechtliches Know-how und Spaß an Systemen und Prozessen. Aber eigentlich entscheidend ist für ihn die Kommunikationsstärke: „Systeme zu bauen ist nicht so schwierig, auch endlich. Aber diese hinterher in die Organisation zu bringen und die Menschen davon zu überzeugen, das ist die viel größere Herausforderung.“ Vielleicht denkt er auch so, weil er selbst einen eher ungewöhnlichen Hintergrund für einen Vergütungsexperten hat: Er ist studierter Psychologe und hat zunächst lange Jahre in der Personalentwicklung bei der Lufthansa Service Holding und Lufthansa Cargo gearbeitet. Doch dabei wollte er auf Dauer nicht bleiben. Über eine Station im Bereich Personalgrundsatzfragen bei der Lufthansa Cityline kam er schließlich im Mutterkonzern an, zunächst als Leiter Personalpolitik und Vergütung, seit Juli diesen Jahres als Leiter Compensation und Benefits der Deutschen Lufthansa. „Vor zwei Jahren habe ich noch nicht gedacht, dass ich einmal Compensation & Benefits machen würde“, sagt Thomas. „Aber das sind spannende Themen, die das Unternehmen bewegen und mit denen man das Unternehmen bewegen kann.“

Sie ist eine Vergütungsexpertin der ersten Stunde. Seit 18 Jahren ist Antonella Poklepovic bereits im Bereich Compensation & Benefits tätig und hat die zunehmende Ausdifferenzierung und Spezialisierung dieser HR-Rolle daher ziemlich gut mitbekommen: „Damals gab es noch nicht so viele Firmen, die diese Funktion tatsächlich hatten. In den letzten zehn Jahren hat sich das massiv geändert.“ Darüber hinaus sei früher alles sehr zahlengetrieben gewesen. Das ist es natürlich in weiten Teilen immer noch, aber es spielen auch Aspekte eine Rolle, die große Anlehnungen an die Personalentwicklung haben, wie Poklepovic sagt. Ein Bereich, den sie auch kennt, denn ihr war es immer auch wichtig, das „Gesamtkonstrukt HR zu verstehen“. Eingestiegen ins Vergütungsmanagement ist sie bei Sony Europe. Dann folgten Stationen bei Sony Ericsson, Microsoft und Infineon. Seit knapp drei Jahren ist Poklepovic nun Head HR Compensation & Benefits beim Pharmaunternehmen Novartis. Sie bleibt der Funktion treu, auch wenn sie die Branchen wechselt. Und hat dabei noch einen weiteren Karriereleitfaden: „Ich wollte immer das Unternehmen und seine strategische Ausrichtung verstehen, die Produkte und das Management, um eine adäquate Vergütungsstrategie zu verfolgen.“ Auch wenn sie wieder wechseln sollte, würde sie das so angehen: Ins Große und Ganze reinschauen, aber die Spezialisierung beibehalten.

Christian Thomas

Antonella Poklepovic

Er ist Leiter Compensation & Benefits Konzern bei der Deutschen Lufthansa AG.

Sie ist Head HR Compensation & Benefits bei der Novartis Pharma GmbH.

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Klaus Weigeldt  Menschen

Staffelläufer Es hat eine Weile gedauert, bis Klaus Weigeldt in seinem Traumberuf angekommen ist. HR ist quasi die zweite Karriere des Pin-Personalleiters. Rückblickend erscheint ihm diese Wahl aber konsequent. Von Sven Pauleweit

Foto: Laurin Schmid

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in wenig ist die Anspannung noch zu spüren, als Klaus Weigeldt im Büroflur um die Ecke biegt. Er hat sich gerade für die nächsten anderthalb Stunden aus einer Geschäftsführungssitzung entschuldigt. Es wird eine von vielen sein dieser Tage bei der Pin Mail AG, deren Personalchef der 47-Jährige ist. „Zum Ende des Jahres stehen die Budgetplanungen für das kommende an“, sagt er. Das ist es also, worüber hinter der unscheinbaren Tür verhandelt wird, die Weigeldt gerade hinter sich geschlossen hat. Der Konferenzmarathon kommt nicht von ungefähr. Dem Brieflogistiker sind unerwartet einige Aufträge weggebrochen, die bereits voll disponiert waren. In einem Gewerbe, in dem bei hohen Umsätzen nur geringe Margen erzielt werden und

d ezem ber 20 1 4  /   j anuar 2015

„Ich hatte vor neun Monaten nicht eine Sekunde das Gefühl, dass die Personalleitung bei Pin ein leichter Job werden würde.“

die fixen Personalkosten mit Abstand der größte Posten auf der Ausgabenseite sind, bedeutet das eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Und eine Trendwende, denn eigentlich lief das Geschäftsjahr bis dahin gut. Hätte er es nicht angesprochen, so wäre die Unruhe vor Ort nicht aufgefallen. Die Pin Mail hat den Sitz in Alt-Moabit in Berlin. Von der Straße führt ein beschrankter Weg vorbei an hohen Bauten in Backsteinoptik, die in ihrer Gleichförmigkeit an preußische Kasernen erinnern. Im letzten Haus auf der linken Seite, kurz bevor sich der Bürokomplex eindrucksvoll dem Spreeufer öffnet, liegen die Räume, in denen gerade verhandelt wird. Gut hundert der insgesamt

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Menschen  Klaus Weigeldt

Kleine Geschichte der PIN Mail AG rund 1.200 Pin-Mitarbeiter arbeiten hier. Zu sehen sind kaum welche. Es ist schon nach Feierabend und die gefühlt viel zu früh einsetzende Novemberdunkelheit verstärkt zudem den Eindruck der Ruhe. Auch Klaus Weigeldt wirkt jetzt deutlich entspannter. Beunruhigt ist er ohnehin nicht. Solche Herausforderungen reizen ihn. Das war auch einer der Gründe, warum er sich für den Posten bei Pin entschieden hat. „Gewerbliches Umfeld, Niedriglohnbereich, Krisen in der Vergangenheit, mangelndes Vertrauen in die interne Kommunikation, das durch die digitale Entwicklung rückläufige Briefgeschäft“, zählt er auf. „Ich hatte vor neun Monaten nicht eine Sekunde das Gefühl, dass die Personalleitung bei Pin ein leichter Job werden würde. Ich hatte mit solchen Themen zum Teil auch noch nie zu tun. Eine große Frage ist, wie wir von einer Vergangenheit, die so war, wie sie war, in eine Zukunft kommen, die anders sein muss, weil die Vergangenheit so nicht mehr funktionieren wird. Das mitzugestalten ist eine der größten Herausforderungen für mich, aber auch eine faszinierende.“ Als Klaus Weigeldt im März 2013 zu Pin Mail kam, war die Position des Personalleiters schon einige Zeit vakant und der Dialog zwischen Unternehmensführung und Belegschaft quasi abgerissen. So weitermachen wollte Pin nicht, ist er überzeugt, auch weil sich das Unternehmen trotz aller Schwierigkeiten zu einem der erfolgreichsten privaten Briefdienstleister im europäischen Vergleich entwickelt hatte.

Schwierige Zeiten Doch was war da passiert? „Das Unternehmen hat sich in den Jahren zuvor mit den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen und ums Überleben gekämpft“, sagt Klaus Weigeldt, der damals noch nicht an Bord war. Der Sumpf, den er meint, das war der 2006 begonnene und 2008 schließlich gescheiterte Versuch, das im lokalen Raum der Berliner Großstadt funktionierende Briefgeschäft auf die gesamte Bundesrepu-

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Die Pin Mail AG wurde im Frühjahr 1999 als Pin intelligente Dienstleistungen AG gegründet und nahm im August den Zustellungsbetrieb auf. 2006 wurde das Unternehmen von den Verlagen Axel Springer, WAZ und Holtzbrinck aufgekauft und in die Pin Group integriert. Nachdem das Vorhaben, mit der Pin Group der Deutschen Post bundesweit Konkurrenz zu machen, für zahlreiche Tochterunternehmen in der Insolvenz endete, ist die Pin Mail AG seit 2008 Tochter der Holtzbrinck-Gruppe und seit 2009 auch der TNT Post. Im November 2007 schloss die Gewerkschaft Verdi mit dem Arbeitgeberverband Postdienste einen Tarifvertrag mit einem Mindestlohn von 9,80 Euro, der vom Arbeitsministerium für allgemeingültig erklärt wurde und Pin in finanzielle Schwierigkeiten brachte. 2010 erklärte das Bundesverwaltungsgericht den Mindestlohn für ungültig. Heute liegt das tariflich vereinbarte Einstiegsgehalt bei der Pin Mail AG bei 8,96 Euro. Unternehmenschef ist derzeit Axel Stirl.

blik auszudehnen und der Deutschen Post Konkurrenz zu machen. Heute ist von der Gruppe, zu der zu Hochzeiten fast hundert Tochterunternehmen gehörten, faktisch nur noch die Pin Mail übrig. Das war die erste Krise. Die eigenen Haare, das waren Verzicht auf Lohnerhöhungen, starke Akquise im Berliner Mittelstand, Zusammenhalt und aufopferndes Engagement der Mitarbeiter. 2013 gab es dann eine weitere Krise in einem wirtschaftlich eigentlich sehr guten Jahr. „Da hat es unheimlich gekracht zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat – mit Streik, Aussperrungen und allem Drum und Dran“, erzählt Klaus Weigeldt. Und als der Gewinn wieder anstieg, hatte das Unternehmen vielleicht den Fehler gemacht, die Mitarbeiter nicht schnell genug ausreichend zu beteiligen. Das Lohnproblem hat sich mit einem Tarifvertrag mit Verdi gelöst, der den Mindestlohn vorweggenommen hat. Damals sei das offensichtlich intern sehr umstritten gewesen, sagt Klaus Weigeldt, „heute sagen nun eigentlich alle, dass es eine gute Sache

war, weil es nach innen die Streitigkeiten befriedet und uns nach außen aus der potenziellen Schusslinie genommen hat, bevor der Vorwurf aufkommen konnte, dass wir uns hier in Berlin am Rande der Sittenwidrigkeit bewegen“. Ein anderes Thema, das Klaus Weigeldt und sein Team noch heute und sicher auch noch länger beschäftigt, ist eine gerichtliche Entscheidung aus dem letzten Jahr, die das Unternehmen an feste Arbeitszeiten bindet. Das ist einerseits problematisch für das unternehmerische Agieren im Tagesgeschäft, zum anderen plant Pin das Geschäft auch auf andere Bereiche auszudehnen in Richtung City-Logistik. Die Infrastruktur dafür ist da, aber es fehlt eben an flexibleren Arbeitszeitregelungen. „Wir haben mit dem Betriebsrat im Sommer für eines der 17 Briefdepots für zwei Jahre Sonderregeln mit mehr Flexibilität in der betrieblichen Arbeitsorganisation vereinbart. Ich finde, das ist eine Riesenleistung auch des Betriebsrates, dass sie uns in der Geschäftsleitung da gefolgt sind und auch soweit vertrauen“, sagt Klaus Weigeldt. Seitdem werden in diesem Depot Pilotprojekte geplant, in denen ausprobiert werden kann, welche anderen Dienstleistungen in Zukunft auch zu Pin passen. „Zu erklären, dass sich stark verändernde Rahmenbedingungen oder täglich schwankende Sendungsmengen nicht nur ein Problem der Geschäftsleitung sind, sondern unsere gemeinsame Herausforderung, das ist tägliche Arbeit.“ Die Kombination aus Personalarbeit und interner Kommunikation hat sich der Vater von drei Kindern auch in seine Rolle festschreiben lassen, um sich nicht immer erklären zu müssen, wenn er versucht, die Kommunikation im Unternehmen zu verbessern. Dass ihm das am Herzen liegt, ist Klaus Weigeldt deutlich anzumerken, auch und vielleicht gerade weil die Unternehmensführung eine Änderung der alten Verhältnisse will. Doch das angelernte Verhalten auf beiden Seiten ist nur schwer aufzubrechen. Klaus Weigeldt hofft, in Zukunft vielleicht wieder mehr im Unternehmen, www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


in den auf die Stadt verteilten Standorten, unterwegs zu sein. Direkten Zugriff via E-Mail hat er vielleicht auf 200 Mitarbeiter. Kommunikationsstrategien aufzusetzen, ist so schwierig und geht nur über die Führungskräfte vor Ort.

Langer Weg zu HR

Foto: Laurin Schmid

Um einen Job zu finden, der ihm, wie er sagt, so entspricht wie dieser, musste Klaus Weigeldt einen langen Weg hinter sich bringen. Seine Jugend hat er zusammen mit drei älteren Brüdern in der Bonner Beamtenvorstadt Meckenheim verbracht. „Ich bin wie fast alle dort nicht unternehmerisch geprägt aufgewachsen, es gab immer viel Sicherheit“, erinnert sich der Sohn eines Ministerialbeamten. Dazu gehört auch, dass arbeitende Mütter dort in den 70ern und 80ern eher die Ausnahme waren. Die Entscheidung für ein Jurastudium war eine pragmatische. „Ich hatte einen ganz klaren Plan. Ich musste irgendetwas machen, bei dem ich noch jahrelang meinen Leistungssport ausüben konnte. Ich habe dem sehr viel untergeordnet. Ich wollte alles solange offen halten, wie es geht.“ Sein Sport, das war die Leichtathletik, genauer gesagt 100-, 200- und 400-Meter-Lauf. Für den Sport ging er mit einem Stipendium auch 1988 für drei Semester an die University of Oregon, dem Mekka für die amerikanische Leichtathletik, was er aber erst vor Ort mitbekam. Die Reise war auch eine Flucht wegen des Frusts über das Jurastudium, das so gar nicht seins war. „Ich hatte gemerkt, es gibt noch einen Strohhalm, noch einmal auszubrechen, ohne etwas Verrücktes zu machen, und das war ein Stipendium und vielleicht Olympia.“ Abgeschlossen hat er sein Studium 1993, aufgeben wollte er nicht. Mit Barcelona 92 wurde es nichts – der Spagat zwischen Studium und Olympia-Training, der konnte nicht funktionieren. Für Klaus Weigeldt eine bittere Enttäuschung. Aber sehr lehrreich für seinen weiteren Lebensweg. 1994 ging er zusammen mit seiner späteren Frau Carolyn wieder in die USA, diesmal nach Washington D.C. Seine Frau

d ezem ber 20 1 4  /   j anuar 2015

„Ich hatte gemerkt, es gibt nur noch einen Strohhalm, noch einmal auszubrechen, ohne etwas Verrücktes zu machen, und das war ein Stipendium und vielleicht Olympia.“

Klaus Weigeldt Bevor Klaus Weigeldt seinen Job als Leiter Personal und interne Kommunikation antreten konnte, hat er erst einmal eine Woche als Praktikant in einem Depot gearbeitet und saß auch auf dem Fahrrad. Eine Erfahrung, von der er heute noch profitiert. Zudem hat er gerade eine Ausbildung als systemischer Business Coach abgeschlossen. Auch das sei hilfreich fürs Personalmanagement, sagt er.

studierte Kunstgeschichte, er bereitete die Promotion vor. Das war mit die beste Zeit seines Lebens, wie er sagt, „weil dort auch der Grundstein für eine wundervolle Familie gelegt wurde“. Allerdings zeichnete sich auch eine Zukunft als Jurist immer klarer ab. Beide gingen danach nach Berlin. Die Referendarszeit fand er sogar spannend, aber dennoch wurde es immer klarer, dass Klaus Weigeldt weder Anwalt noch Richter werden wollte. „Ich hatte dann irgendwann eine schwierige Entscheidung zu treffen, was meine Karriere angeht. Ich habe in den Anwaltsjobs viel gelernt, aber ich war letztlich nicht bei mir selbst.“

Mit Herzblut bei der Sache Anders wurde es erst, als Klaus Weigeldt bei dem Startup Foris einstieg. Abenteuerlich, so beschreibt er es – Börsengang am Neuen Markt mit 15 Leuten, Büros unter anderem im Empire State Building, beinahe Konkurs. Aber er hat gemerkt, dass dieses Berufsleben wirklich für ihn funktionierte, es etwas war, bei dem er mit Herzblut dabei sein konnte. Bis 2002 war Klaus Weigeldt bei dem Prozessfinanzierer und als leitender Angestellter am kompletten Aufbau des Unternehmens beteiligt. Bei seinem zweiten echten Job – seine Zwischenspiele in Kanzleien klammert Klaus Weigeldt bewusst aus – kam er schließlich zum Personalmanagement. Ursprünglich eingestiegen als Leiter der Rechtsabteilung bei dem Finanzdienstleister Skandia überzeugte er seine Vorgesetzten davon, ihm die Personalleitung zu übertragen, als diese vakant wurde. Zum Ende, als er 2013 einen guten Punkt zum Ausstieg gefunden hatte, war er als Chief Human Resources Manager verantwortlich für 800 Mitarbeiter. Das Know-how kam vor allem durch die tägliche intensive Arbeit, angefangen in den turbulenten Jahren bei der Foris AG. „Ich bin ein echter Quereinsteiger, wahrscheinlich fehlt mir bis heute immer noch etwas Handwerkszeug. Ich verlasse mich auch gern auf andere, die dabei allerdings zuweilen neugierige Fragen und Nachfragen über sich ergehen lassen müssen“, sagt Klaus Weigeldt und lacht. „Ich brauche diese Einbettung ins Team, diesen Impuls durch die Menschen. Ich war auch immer ein besserer Staffelläufer als Einzelläufer.“


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Analyse

Essay Führungskräften mangelt es oft noch an Digitalkompetenz Unternehmen und deren Manager müssen sich mit den Einflüssen und Konsequenzen der digitalen (R)Evolution auseinandersetzen. Führungskräfte sind jedoch oft unzureichend auf die Anforderungen von Führung im Zeitalter der Digitalisierung vorbereitet. Dies betrifft sowohl den Führungsstil als auch die Beherrschung entsprechender Medien. Von Thorsten Petry

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s steht außer Frage, dass die Digitalisierung einen profunden Einfluss auf Unternehmen bedeutet. In der zweijährlichen IBM CEO-Studie haben in 2012 technologische Veränderungen sogar erstmals die Marktfaktoren von Platz 1 der Gründe für Wandel in Unternehmen verdrängt. Wenn dies 1.700 CEOs und Geschäftsführer so sehen, dann muss wohl etwas dran sein. Ob die Digitalisierung als revolutionäre oder evolutionäre Veränderung zu betrachten ist, kann dagegen sicherlich unterschiedlich gesehen werden. Auf der einen Seite sind die Einflüsse tiefgreifend, auf der anderen Seite handelt es sich um eine Entwicklung, die sich schon seit einigen Jahren abzeichnet und nicht von heute auf morgen erfolgt. Der Siemens-Chef Joe Kaeser spricht daher von einer „Revolution, aber einer, die evolutionär vonstattengeht und sich über Jahre hinziehen wird“.

Einfluss der Digitalisierung auf Führung Wichtig zu erkennen ist, dass es beim Thema Digitalisierung nicht nur um neue Technologien geht und es auch kein reines IT-Thema ist. Die hinter Schlagworten wie Cloud Computing, Internet der Dinge, Industrie 4.0, Big Data, Enterprise 2.0 und Social Media stehenden Veränderungen betreffen nicht nur Geschäftsmodelle, Produkte, Dienstleistungen und Prozesse, sondern haben auch Einfluss auf die Art der Führung von Unternehmen. Auch Führung verändert sich (r)evolutionär.

„ Der SiemensChef Joe Kaeser spricht von einer Revolution, aber einer, die evolutionär vonstattengeht.“

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Die Studie Führung 2.0 Im Rahmen einer Online-Studie wurden im Frühjahr 2014 156 Führungskräfte und Personaler deutschsprachiger Unternehmen vom Lehrstuhl Organisation & Personalmanagement an der Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain befragt. Ziel der Erhebung war es, zu ermitteln, welche konkreten Erwartungen an (gute) Führungskräfte sich im Zeitalter von Digitalisierung und Social Media ergeben und inwieweit diese Erwartungen heute bereits erfüllt werden. Die Studie fand nach 2012 zum zweiten Mal statt.

Dies wird auch von der aktuellen INQA-Studie „Führungskultur im Wandel“ bestätigt. Als Fazit der auf 400 Tiefeninterviews basierenden Studie formuliert der INQA-Themenbotschafter und ehemalige Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger: „Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in deutschen Unternehmen. Entscheidungsfähigkeit und Macht werden zunehmend auf Teams oder Projektgruppen verlagert. Der einzelne Kopf wird Teil von Kooperationsnetzen. Geführte erwarten zunehmend eine andere Menschenführung, Führungskräfte sind zunehmend auf der Suche nach einem anderen Verständnis von Führung und beide wollen eine neue Führungskultur.“ Aber was sind die zentralen Charakteristika dieser neuen Führungskultur im Zeitalter der Digitalisierung? Hierfür liefert Willms Buhse einen Ansatz. Auf Basis einer Analyse diverser digitaler Geschäfts(modell)innovationen hat er vier zentrale Chawww. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


Hohe Ansprüche Erwartungen an Führungskräfte Angaben in Prozent

Offene Kommunikation

66

Regelmäßiges offenes Feedback

49

Fördern von Selbststeuerung

46

Offenheit für Kritik

45

Authentizität

32

Akzeptanz von Fehlern

31

Innovationsfähigkeit

28

Umsetzungsstärke

26

Transparenz

25

Fachexpertise

21

Moderationsfähigkeiten

19

Sicherer Umgang mit sozialen Medien

16

Mängel aktueller Führungskräfte

Foto: andreasschlote

Angaben in Prozent

Offene Kommunikation

35

Sicherer Umgang mit sozialen Medien

30

Regelmäßiges offenes Feedback

29

Transparenz

28

Offenheit für Kritik

26

Charisma

20

Fördern von Selbststeuerung

19

Authentizität

16

Umsetzungsstärke

14

Moderationsfähigkeiten

14

Innovationsfähigkeit

14

Fachexpertise

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Offenheit ist der Top-Erfolgsfaktor und Medienkompetenz eine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Führungskraft im digitalen Zeitalter. Quelle: Petry (2014): Studie „Führung 2.0 2014“

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rakteristika der Digitalisierung herausgearbeitet: Offenheit, Vernetzung, Partizipation und Agilität. Die Komplexität und Dynamik der Digitalisierung erfordert es, Informationen offen zu legen, nicht nur Daten und Maschinen, sondern auch Wissens- beziehungsweise Intelligenzträger zu vernetzen, die verfügbare Erfahrung und (kollektive) Intelligenz zu nutzen und agil auf Veränderungen zu reagieren. Ergänzen könnte man in diesem Modell noch die Vertrauenskultur, denn ohne eine solche ist Offenheit und damit dann auch Vernetzung, Partizipation und Agilität nicht möglich.

Offenheit als Kernanforderung im digitalen Zeitalter Diese Charakteristika zeigen sich direkt oder indirekt auch in einer aktuellen Führungs-Studie der Hochschule RheinMain. Dabei kommt der Offenheit eine exponierte Stellung zu. Im digitalen Zeitalter muss eine Führungskraft offen kommunizieren, offenes Feedback geben und auch selbst offen für Kritik sein (siehe Abbildung). Zeitgemäße Führung ist somit vor allem eine offene Führung (Open Leadership). Leider gibt es nach Ansicht einer großen Mehrheit der Befragten (78 Prozent) aktuell nur wenige Führungskräfte in den Unternehmen, die diese Anforderungen auch erfüllen. Zwölf Prozent sagen sogar, es gibt gar keine. Wenig verwunderlich wird die wichtigste Erwartung der offenen Kommunikation auch als häufigster Mangel angesehen (siehe Abbildung). Es besteht scheinbar noch ein Einstellungs- beziehungsweise Kompetenzmangel im Hinblick auf das Idealbild einer offenen Führung. Wer über Jahre gelernt hat, dass Wissen Macht bedeutet, dass Vertrauen gut, aber Kontrolle besser ist und dass wichtige Entscheidungen im stillen Kämmerlein

getroffen werden, für den ist eine Umstellung auf eine offene sowie vertrauensvolle, vernetzte, partizipative und agile Führung sehr schwer. Dies benötigt Zeit und eine entsprechende Unterstützung beziehungsweise Begleitung.

Medienkompetenz als Basisfähigkeit Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist, dass Medienkompetenz zwar keine zentrale Erwartung an eine Führungskraft ist, dass der sichere Umgang mit sozialen Medien aber trotzdem als zweithäufigster Mangel aktueller Führungskräfte aufgeführt wird. Es scheint so zu sein, dass es sich um einen Hygienefaktor beziehungsweise eine Basisfähigkeit handelt, die auf einem ausreichenden Niveau vorhanden sein muss, die darüber hinaus aber nicht prägend für eine gute Führungskraft ist. Auch im digitalen Zeitalter geht es bei guter Führung letztlich vorwiegend um den Stil beziehungsweise die Kultur und nicht um das Beherrschen irgendwelcher Tools. Trotzdem muss eine Führungskraft im digitalen Zeitalter auch entsprechende digitale und soziale Medien adäquat einsetzen können. Hier besteht scheinbar noch ein erheblicher Mangel beziehungsweise ein Bedarf an Kompetenzbildungsmaßnahmen.

„ Im digitalen Zeitalter muss eine Führungskraft offen kommunizieren und selbst offen für Kritik sein.“

Thorsten Petry Er ist seit 2009 Professor für Organisation & Personalmanagement an der Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain und seit vielen Jahren als Managementberater, Projektleiter, Trainer und Referent tätig. Seine Forschungsfelder sind die Bereiche Strategie, (Re-)Organisation und Personal sowie aktuell insbesondere der Einfluss der Digitalisierung auf diese Themenfelder.

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letzte seite seite  Stefan Ries

Herzblut für HR Stefan Ries Chief Human Resources Officer, SAP

SAP ist ein guter Arbeitgeber, weil… wir erfolgreich und zukunftsweisend sind – ob in der Mitarbeiterführung, der Erschließung neuer Marktsegmente oder der Verpflichtung, mit Hilfe von Technologie die Welt zu verbessern. Der Wandel zum Cloud-Unternehmen ist… eine Herausforderung. Wir verzeichnen jedoch bereits heute mehr Cloud-Nutzer als jedes andere Unternehmen auf der Welt. Die IT-Arbeitswelt der Zukunft… bleibt spannend und ist sehr vielfältig, ein Arbeitsumfeld geprägt durch stetigen Wandel und heute wie morgen absolut unverzichtbar. Wenn ich nicht Personalmanager geworden wäre, dann hätte es auch… ein Verwaltungsjob beim FC Bayern München sein können – zum Spieler fehlte leider das Talent. Ruhe und Ausgleich zum Berufsalltag finde ich… in der Familie und beim Sport.

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An meinem Job gefällt mir besonders… die Vielfalt. Bei SAP arbeiten Menschen aus 150 verschiedenen Nationen. Und unsere 260.000 Kunden schätzen das, denn für ihre individuellen Geschäftsanforderungen halten wir bei SAP einen entsprechend heterogenen Talentpool vor. Eines der inspirierendsten Bücher für mich ist… „Danger in the Comfort Zone“ von Judith Bardwick. Zu SAP bin ich zurückgekehrt, weil… HR bei SAP mit am Tisch der Entscheider sitzt und ich Herzblut für das Personalwesen habe. Als Personalmanager sollte man vor allem… niemals das Geschäft aus dem Blickfeld verlieren. HR leistet heute einen signifikanten Beitrag zum Geschäftserfolg eines Unternehmens und muss daher immer eine Vorreiterrolle einnehmen. Bei Egon Zehnder habe ich insbesondere gelernt,… dass ein guter Berater in der Personalbranche mehr ist als nur Headhunter. An Bill McDermott beeindruckt mich,… dass er durch und durch Geschäftsmann ist und gleichsam den Mitarbeiter in den

Mittelpunkt stellt. Er beweist, diese beiden Eigenschaften sind verträglich und absolut notwendig, um ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Sport bedeutet für mich… manchmal Wettkampf, immer Entschleunigung. Ich sortiere meine Gedanken und justiere neu auf das Wesentliche, ob beim Tennis oder beim Joggen am Neckar. Eigenschaften, die ich an Menschen besonders schätze… und gerne auch einfordere: Ehrlichkeit und Mut. Mein erstes eigenes Geld verdiente ich… mit dem Austragen von Zeitungen in meiner Heimatstadt Konstanz. Ein Top-Talent ist für mich… ein ganz besonderer Schatz: Er will gefunden, geöffnet und gefördert werden.

Stefan Ries Seit April 2014 leitet er als Chief Human Resources Officer das globale Personalwesen von SAP. Er war bereits von 2002 bis 2010 für den Softwarekonzern im Personalwesen tätig und mit verschiedenen regionalen und globalen Führungsaufgaben betraut. Danach arbeitete er drei Jahre als Principal Consultant für Egon Zehnder. SAP hat mehr als 68.000 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug 2013 knapp 17 Milliarden Euro.

www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Foto: Microsoft Deutschland GmbH

Walldorf ist nicht der Nabel der Welt, aber… unsere Zentrale für weltweit 67.000 Mitarbeiter und einer der erfolgreichsten Entwicklungsstandorte der SAP. Allein in Walldorf arbeiten 80 verschiedene Nationalitäten unter einem Dach.


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Neu: Das Fidelis Benefit Management System, kurz: Ben.Man. Um gute Mitarbeiter zu finden und zu binden, ist mehr Gehalt ein schlechtes Geschäft. Besser für alle sind Benefits, also Arbeitnehmerzusatzleistungen, denn die meisten sind steuerfrei. Doch wo bekommt man gute Benefits her? Ganz einfach. Von Ben.Man. Jetzt kann endlich auch der Mittelstand das Benefit Management System der DAX-Konzerne nutzen: Ben.Man analysiert Ihre Benefit-Situation, konzipiert die Optimierung, beschafft alle Benefitleistungen und präsentiert sie in Ihrem Look auf Ihrem Portal. Ihre Mitarbeiter können sich ihren individuellen Benefit-Mix zusammenstellen. Und Bewerber sehen gleich, wie sehr sie Ihnen am Herzen liegen. Info: fidelis-hr.de/ben.man

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