Human Resources Manager

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MAGAZIN FÜR HUMAN RESOURCES MANAGEMENT • AUGUST/SEPTEMBER 2011 • WWW.HUMANRESOURCESMANAGER.DE • ISSN 1869-5116 • EUR 11,40

Thema Motivation …

Träume nicht Dein Leben, lebe Deine Träume!

Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat verloren!

Du kannst es schaffen!

Qualität kommt von Qual! Sorge Dich nicht, lebe!

Hinfallen ist keine Schande, nur liegen bleiben!

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt!

Quäl Dich, du Sau! Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Sei Du selbst!

Wir werden nicht von den Umständen geschaffen. Wir sind Schöpfer der Umstände!

Auf einem rollenden Stein wächst kein Moos!

Es ist immer zu früh, um aufzugeben!

Es geht immer weiter!

Jede Minute hast du eine neue Chance, dein Leben zu verändern!


I n h a lt

01 13 A u s g a b e

Aktuell

11 Meldungen 12 Erreichbarkeit Ein Plädoyer für eine neue Unternehmenskultur 14 V orsorge fürs Alter Trotz Niedrigzinsen bleibt die betriebliche Altersversorgung beliebt 18 M ammutaufgabe Heidi Denz vom BND über das Recruiting der Behörde und den anstehenden Umzug nach Berlin 20 S tandpunkt Machiavellis „Der Fürst“ bleibt auch nach 500 Jahren aktuell 22 B eratung boomt Change-Kolumne: Nico Rose über die Zukunft des Coachings

Ti t e L : M o t i v a t i o n 25 Übersicht 27 Prolog

Reinhard K. Sprenger sieht Führungskräfte in der Pflicht, demotivierende Faktoren im Unternehmen auszuschalten Seite 34

28 Mehr Engagement Debattenbeitrag in neun Thesen 31 K opf, Bauch, Hand Wie Motivation entsteht: Psychologe Hugo Kehr im Interview

34 V ordenker Motivation wird oft überbewertet, sagt Reinhard K. Sprenger 39 I ndividuelles Gehalt Die Schwierigkeit, variable Vergütungssysteme zu entwickeln 43 D ialogfähig Zu einem gelungenen ChangeProzess gehört Kommunikation 47 N achwuchsfragen Unternehmen müssen sich mehr auf die Auszubildenden einstellen 50

Zufriedenheit als Ziel Die ITK Engineering AG zählt zu den besten Arbeitgebern

53 Firma im Wandel Ulf Werkmeister über die Leistungskultur bei Unilever

57 Unbegrenzte Vielfalt Der Markt für Teambuilding-Maßnahmen wird immer größer 60 G estresst Wenn zu viel Motivation zum Burnout führt 63 S pielerisch motivieren Immer mehr Unternehmen setzen auf Gamification 65 Epilog

Im Fokus

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Selbstvermarktung

Blogs bringen für Unternehmen ein großes Potenzial mit sich

68 E ffizienzsteigerung Kompetenzmanagement-Modelle werden immer beliebter 72 S chluss machen Warum sich individuelles Trennungsmanagement auszahlt

H u m a n

R e s o u r c e s M a n a g e r

Fotos: Campus Verlag/ Sabine Felber, Literaturtest

Bessere Chefs


I n h a lt

bessere Teamarbeit

besseres Verständnis

Von Schafe hüten bis Floß bauen: Der Kreativität sind bei Teambuilding-Maßnahmen kaum Grenzen gesetzt Seite 57

Immer mehr Unternehmen stellen ihre Anforderungen an die Mitarbeiter in einem Kompetenzmodell dar Seite 68

A n a ly s e

94   M edienforum Lesenswertes rund ums Personalmanagement

76 Weltumspannend Faktoren für gelungenes internationales Employer Branding

96   Termine

80 E xpertenwissen Die Fachlaufbahn: Karriere für Spezialisten

84 S ensible Daten Die Nutzung privater IT stellt die Unternehmen vor neue Probleme

Laufbahn

86 Backgroundcheck Kurt Schönberger, The Walt Disney Company

110   B PM-Termine 2013 Die nächsten Veranstaltungen

112   Neumitglieder

98   A ktuelle Urteile 100  Streitfaktor Urlaub Aktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

Verband

104   I nterna Der BPM wählt im Juni ein neues Präsidium

88 H ire & Fire Die wichtigsten Wechsel im Bereich HR Management

Recht

108   N achgefragt Personaler über Motivation

Fragebogen

114   E nergien freisetzen Thomas Belker, Personalchef bei Obi

R UB R I KEN

3   Editorial 10   K olumne: Home Office 90   Impressum

105   A nkündigung Personalmanagementkongress

106   L eadership Joachim Sauer und Alexander Cisik über Führung in der Krise

Praxis Sieben Gedanken

Foto: Udo Geisler

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Onboarding von Führungskräften

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AKTUELL

GEFRAGTES PROBLEMKIND Die Niedrigzinsen setzen den Betriebsrenten zu. Gleichzeitig ist in der Eurokrise aber das Interesse daran gestiegen.

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ie betriebliche Altersversorgung (bAV) ist in Schwierigkeiten: Die gespannte Lage an den Kapitalmärkten macht Unternehmen zu schaffen. „Die Eurokrise und das Niedrigzinsniveau sind kurzfristig eine Herausforderung für die Kapitalanlage“, sagt Thomas Jasper, Leiter der bAV-Beratung beim Beratungsunternehmen Towers Watson in Deutschland. Pensionskassen und Lebensversicherer tun sich schwer damit, im aktuellen Marktumfeld genügend Rendite zu erwirtschaften, um ihren Pensionszusagen gerecht zu werden. Eine konservative Anlagepolitik, wie sie die meisten betreiben und auch betreiben müssen, bringt derzeit kaum etwas ein.

Darüber hinaus ist zuletzt der Rechnungszins gesunken, jene Größe, mit der Unternehmen ermitteln, wie viel Geld sie heute schon für künftige Verpflichtungen vorhalten müssen. Der Grund: Die Renditen deutscher Staatsanleihen sind kleiner geworden. Und diese dienen wiederum als Grundlage für die Ermittlung des Rechnungszinses. Der Ausfinanzierungsgrad der Pensionspläne von Dax-Unternehmen ist deshalb im ersten Halbjahr 2012 um rund 3,6 Prozentpunkte gesunken, zeigt die bislang aktuellste Untersuchung von Towers Watson. Im Klartext: Unternehmen müssen mehr Kapital für künftige Pensionsverpflichtungen zurücklegen, was ihre Bilanzen stärker belastet. Auch von anderer Seite ist die bAV unter Druck. Die EU-Kommission überlegt, die Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa, genannt Solvency II, auf bAV-Einrichtungen wie Pensionskassen auszuweiten. „Das hätte dramatische Auswirkungen“, sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft 14

Foto: Marcin Robert Balcerzak / Dreamstime

Kleine Renditen

Beliebt: Rund 17 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben eine bAV abgeschlossen.

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AKTUELL

Große Wertschätzung Trotz aller Schwierigkeiten schauen bAV-Experten optimistisch in die Zukunft. „In Deutschland setzen Unternehmen auf die langfristigen Zyklen des Kapitalmarkts. Leistungen, die in 35 Jahren fällig sind, werden in Phasen angesammelt, die völlig anders sind als die heutige“, sagt Jasper von Towers Watson. Die aktuellen Probleme bei der Kapitalanlage und mit dem Niedrigzinsniveau sollten sich also früher oder später wieder geben. Und sich so kaum auf langfristige Pensionszusagen auswirken. Auch Arbeitnehmer lassen sich von den schlechten Nachrichten in den vergangenen Monaten offenbar nicht abschrecken. Ganz im Gegenteil: „Die bAV ist in der Wertschätzung der Mitarbeiter stark gestiegen“, sagt Jasper. „Sie können sich nicht mehr allein auf die gesetzliche Rente verlassen und haben durch die Finanzkrise ein Stückweit das Vertrauen in die Finanzindustrie verloren.“ Der Vertrauensvorschuss gegenüber dem Arbeitgeber sei im Vergleich dazu gewachsen, die bAV somit eine zunehmend gefragte Ergänzung zur gesetzlichen Rente. Derzeit haben rund 17 Mio. Arbeitnehmer in Deutschland eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen.

An Lebensrealität anpassen Für Unternehmen wird eine attraktive Altersversorgung immer wichtiger, um Fachkräfte zu gewinnen und an sich zu binden. In einer Umfrage von Towers Watson unter rund 150 Arbeitgebern hielten 67 Prozent eine bAV für ein wichtiges Mittel, um Mitarbeiter für sich zu begeistern. Die angebotene Lösung sollte dabei den Bedürfnissen der Arbeitnehmer entgegenkommen. „Flexibilität ist ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität der bAV“, sagt Jasper. Die Altersversorgung sollte an die Lebensrealität 16

der Arbeitnehmer angepasst sein. Diese sollten etwa wählen können, ob sie ihre Betriebsrente auf einen Schlag oder in mehreren Raten ausgezahlt bekommen. Daneben sei wichtig, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern ihre bAVLösung verständlich und transparent vorstellten, betont Thomas Jasper von Towers Watson. Dann tauge eine gute Altersvorsorge auch als Mittel zur Mitarbeiterbindung. Julia Groth

»Arbeitgeber könnten überlegen, ob sich eine bAV in dieser Form noch lohnt.« Klaus Stiefermann, Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung

Das Kreuz mit den Rückstellungen Seit dem Jahr 2002 haben Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch darauf, dass Arbeitgeber Teile ihres Gehalts in eine Betriebsrente einzahlen. Große Konzerne haben ihren Mitarbeitern allerdings auch davor oft schon Betriebsrenten zugesagt, und zwar aus eigenem Geld. Diese sogenannten Direktzusagen sorgen inzwischen für milliardenschwere Rückstellungen in den Bilanzen der Unternehmen. Allein in den Dax-Konzernen summierten sich die Pensionsverpflichtungen nach Auswertungen der Unternehmensberatung Towers Watson Mitte 2012 auf 281 Mrd. Euro. Weil die Unternehmen für die Betriebsrenten haften, müssen sie dafür entsprechende Rückstellungen in der Bilanz bilden. Früher war die Sache einfach: Man berechnete den Geldbetrag, den man in Zukunft für die Erfüllung des Rentenanspruchs brauchte, kalkulierte pauschal sechs Prozent Ertrag auf das in der Firma angesparte Kapital und berechnete so den Barwert für künftige Zahlungspflichten. Danach wären etwa für 1.000 Euro, die in zehn Jahren fällig sind, unter Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen 558 Euro an Rückstellungen nötig gewesen. Seit 2010 muss sich die Höhe der Rückstellungen an einem marktgerechten Zins bemessen. Das schafft Probleme: Erstens schwanken die Rückstellungen nun je nach Marktsituation. Zweitens sind die Zinsen zuletzt gesunken und liegen für neue Geldanlagen aktuell bei deutlich unter sechs Prozent. So fällt die Abzinsung viel niedriger aus. Kalkuliert man etwa mit einem Zins von nur noch drei Prozent, wären für 1.000 Euro Rente in zehn Jahren 744 Euro an Pensionsrückstellungen nötig. Derzeit sinkt der Rechnungszins auf breiter Front – und das erhöht rechnerisch die heutigen Pensionslasten in der Bilanz der Konzerne. Olaf Wittrock

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Foto: Privat

betriebliche Altersversorgung (ABA). Unternehmen müssten ihre Pensionszusagen dann nämlich mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegen als bisher. Die ABA geht davon aus, dass deutsche Unternehmen den Eigenmittelbedarf für Pensionskassen um insgesamt 35 bis 45 Mrd. Euro erhöhen müssen. „Dieses Kapital ist aus Sicht von Unternehmen totes Kapital“, sagt Stiefermann. „Arbeitgeber könnten dann überlegen, ob sich eine bAV in dieser Form noch lohnt.“ Die Besonderheiten der Betriebsrenten gegenüber herkömmlichen Lebensversicherungen würden von der EU-Kommission vernachlässigt, kritisiert er. Etwa die Tatsache, dass Arbeitgeber für ihre Pensionsversprechen haften. Und dass im Insolvenzfall der Pensionssicherungsverein einspringt.


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Woher kommen die Energien des Menschen? Der Psychologe Hugo Kehr über Motivation aus Sicht der Forschung

Fotos: Privat;

Der Kern der Persönlichkeit

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Herr Kehr, vor wichtigen Fußballspielen sagt der Trainer: Wir sind hoch motiviert. Unternehmensvertreter betonen, wie wichtig motivierte Mitarbeiter sind. Und in der Freizeit sind wir zum Beispiel motiviert, endlich Gitarre spielen zu lernen. Was ist das eigentlich, Motivation? Bei der Motivation geht es um Fragen wie: Woher kommen die Energien und Kräfte eines Menschen? Und wohin werden Sie gelenkt? So könnte man das vereinfacht sagen. Ist die Motivation immer zielgerichtet? Nein. Es kann auch sein, dass eine Motivation gar nicht gelenkt wird. Es ist sicherlich besser, wenn sie ein Ziel hat. Aber sie muss es nicht unbedingt haben. Aber Motivation steht in einem engen Verhältnis zu Zielen? Ja, das schon. Wir unterschieden in der Psychologie zwischen Zielen und Motiven. Ziele sind ein positiver Zustand in der Zukunft, etwas, das man erreicht haben möchte. Sie ziehen einen. Und Motive sind dabei die treibende Kraft. Sie schieben, sind aber zunächst einmal richtungslos. Motivation kann also aus unterschiedlichen Quellen entstehen.

Sie kann aus Zielen entstehen, aber auch aufgrund eines angeregten Motivs. Es gibt zahlreiche Modelle und Theorien zur Motivation. Trotzdem hat man das Gefühl, dass immer noch nicht alles geklärt ist. Woher kommt diese Faszination an dem Thema Motivation? Wir hatten kürzlich einen Jesuitenpater zu Gast, der Professor für Philosophie in München ist, und der bezeichnet die Motivation als den Kern der Persönlichkeit. Alles andere gruppiert sich mehr oder weniger um die Motivation herum. Woher kommen die Energien des Menschen und wo gehen sie hin? Diese Frage ist für Religionswissenschaftler, Philosophen oder Psychologen sehr zentral. Und mich persönlich fasziniert die Idee des Unbewussten. Jenseits unserer bewussten Ziele und unserer Selbsteinschätzung gibt es noch Triebkräfte, die im Verborgenen liegen. Die sind nicht zu verstehen, aber sie haben eine große Kraft, wenn man sie zu nutzen weiß. Sie haben selbst schon die Motive erwähnt. Als die wichtigsten gelten das Leistungs- das Macht- und das Anschlussmotiv. Wie verhält sich das Motiv zur Motivation? 31


Eine – etwas schlichte – Definition von Motivation ist auch: Motivation ist der Zustand angeregter Motive. Die Motive schlummern im Unbewussten, die sind uns nicht immer vollständig bewusst. Manchen von uns sind die überhaupt nicht bekannt. Die Anregung dieser Motive geschieht unwillkürlich. Deshalb kann es sein, dass man sich motiviert oder demotiviert fühlt, und gar nicht genau weiß, woran das liegt. Nehmen wir an, jemand hat Spaß daran, schwierige Aufgaben und Projekte anzugehen. Was braucht so ein Mensch, um hoch motiviert zu sein? Wenn jemand immer wieder Spaß daran hat, knifflige Aufgaben zu lösen, auch wenn es mal Mehrarbeit bedeutet, dann gehen wir davon aus, dass derjenige vermutlich ein starkes Leistungsmotiv hat. Es wäre natürlich zweckmäßig, wenn man dieser Person auch herausfordernde Ziele geben würde und sie nicht vor langweilige Aufgaben setzt. Was können äußere Anreize in Form von Belohnungen bei solchen Menschen bewirken? Für leistungsmotivierte Menschen ist eigentlich der stärkste Anreiz eine interessante und herausfordernde Aufgabe, bei der er oder sie sich beweisen kann – eher schwer, auf keinen Fall zu leicht. Und wichtig ist ebenfalls Feedback. Feedback vor allem von solchen Leuten, die sie als Experten schätzen. Sie wollen hören, was sie gut gemacht haben und wo sie sich noch verbessern können. Das erleben Leistungsmotivierte als starken Anreiz. Natürlich freut sich jeder, wenn er 5.000 Euro mehr bekommt, weil er etwas geschafft hat. Aber Geld hält gerade Leistungsmotivierte weniger bei der Stange als zum Beispiel das spezifische Feedback oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, was es ihnen erleichtert, knifflige Aufgaben zu lösen. Bei welcher Gruppe von Menschen spielen denn materielle Anreize eine größere Rolle? Wann machen Belohnungen für die Erreichung von Zielen mehr Sinn? Hierbei hilft es vielleicht, wenn ich unser Modell, mit dem wir arbeiten, kurz erläutere: das 3K-Modell. „3K“ steht für die drei Komponenten der Motivation. Und das sind bildhaft ausgedrückt: Kopf, Bauch und Hand. Kopf meint unsere expliziten Motive und Ziele, das, was mir rational sinnvoll erscheint. Die Fragen lauten hier: Was will ich, was ist mir wichtig? Der Begriff Bauch umfasst 32

»Ziele sind oftmals stark sozial determiniert.« das Emotionale und das Unbewusste, also die impliziten Motive. Was erfüllt mich, was mache ich gerne? Wenn die impliziten Motive angeregt werden, dann erlebe ich das als eine emotionale Reaktion. Das können zum Beispiel negative, aber auch positive Emotionen sein. Die dritte Komponente, die Hand, ist ein Sammelbegriff für unsere Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen. Was kann ich gut? Wo habe ich die Fähigkeiten, die ich brauche? Die drei Motive, Leistungs-, Machtund das Anschlussmotiv, sind erstmal im Bauch-Bereich. Die Forschung zeigt, dass viele Menschen ihre impliziten Motive nicht kennen. Und wenn jemand seine Motive nicht kennt, dann richtet er sich bei der Bildung von Zielen nach anderen. Ziele sind oftmals stark sozial determiniert, durch das, was meine Vorgesetzten mir sagen, mein Partner oder, was die Kinder wollen. Das alles beeinflusst meine Ziele. Wir wissen aber auch, dass, wenn die Ziele nicht zu den eigenen Bauchmotiven passen, ich erstens, schlechter vorankomme bei der Zielverfolgung. Und dass zweitens, selbst wenn ich diese

Hugo Kehr Der Motivationsforscher Hugo M. Kehr leitet den Lehrstuhl für Psychologie an der TU München. Hauptergebnis seiner Arbeit ist das 3K-Modell der Motivation. Mit seinem Team untersucht Hugo Kehr Phänomene rund um das 3K-Modell, etwa intrinsische Motivation und Flow, Volition sowie die Wirkung von Visionen. Hugo Kehr ist außerdem Geschäftsführer der Kehr Management Consulting GmbH, die Unternehmen in motivationsbezogenen Fragen berät und für sie Führungstrainings entwickelt.

Ziele erreiche, sich keine Beglückung oder Zufriedenheit einstellt, sondern es wird einfach abgehakt. Es bleibt kalt, da entsteht nichts. Und wie ist das, wenn Ziele nicht erreicht werden, die durch die Bauchmotive unterstützt wurden? Das kann einen dann runterziehen. Es entsteht eine stärkere emotionale Frustration, als wenn ich Ziele nicht erreiche, die nicht durch Bauchmotive emotional verankert sind. Um noch mal auf meine Frage zu kommen: Würden materielle Belohnungen besonders dann Sinn machen, wenn jemand Ziele verfolgen muss, die nicht seinen Motiven entsprechen? Materielle Belohnungen würde ich vor allem dann verwenden, wenn jemand gar nicht motiviert ist – weder vom Kopf noch vom Bauch her. In diesem Fall kann ich versuchen, dass er ein Ziel bildet, weil ich ihm dafür eine Belohnung in Aussicht stelle, tausend Euro Bonus zum Beispiel. Damit erreiche ich allerdings nicht den Bauch, die Motive springen dadurch noch nicht an. Das Ziel bleibt für den Mitarbeiter weiter kalt, er muss sich dazu überwinden. Erst wenn zwischen Kopf und Bauch Übereinstimmung besteht, zwischen dem, was mir wichtig ist, und dem, was mir Spaß macht, dann bin ich intrinsisch motiviert. Und wenn dann noch die Fähigkeiten dazu kommen, also die Hand-Komponente, dann haben wir einen speziellen Fall der intrinsischen Motivation, dann erleben wir das, was wir „Flow“ nennen. Was kann man tun, wenn die Ziele und die Motive nicht übereinstimmen, Belohnungen aber nicht weiterhelfen? Dann braucht die Person Willensstärke. Sie muss sich überwinden. Ist es das, was man Volition nennt? Richtig. Wenn man es sich etwas plastisch vorstellt, dann gibt es zwei verschiedene Typen von Willensstärke. Zum Beispiel kann jemand Ziele haben, die ihm wichtig sind, die aber keinen Spaß machen und nicht durch die Motive unterstützt werden. Diese kalten Ziele müssen aber trotzdem irgendwie angetrieben werden. Und das geht durch den Willen über beispielsweise positive Fantasien – oder negative Fantasien, nach dem Motto: Wenn ich das nicht bald anfange, kriege ich richtig Ärger. Das wären Willensstrategien. Der andere Fall wäre: Der Bauch meldet sich, die impliziten Motive werden

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Foto: Privat

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angeregt und es entstehen emotionale Reaktionen. Die passen mir aber im Moment überhaupt nicht in den Kram, weshalb sie unterdrückt werden. Ist die Diskussion um Volition eine Erweiterung zu den Motivationstheorien oder hat sie diese sogar ein Stück weit verdrängt? Man hat in den letzten Jahren häufiger über Volition gelesen und dass Willensstärke eigentlich das ist, was erfolgreiche von weniger erfolgreichen Menschen unterscheidet. Bei den klassischen Motivationsmodellen herrscht ein wenig Stillstand. Die sind nicht so wirklich durch die Forschung bestätigt worden. Die Volitionsforschung ist relativ neu und das schwappt jetzt gerade in die Praxis rein. Es ist sicher nicht verkehrt, wenn man sagt: Wenn Menschen viele volitionale Strategien haben, sind sie im Vorteil gegenüber denjenigen, die sie nicht haben. Dazu gehört zum Beispiel, Furcht zu unterdrücken oder unangenehme Ziele verfolgen zu können. Es geht darum, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen und einen neuen Versuch zu wagen, um Durchhaltevermögen. Allerdings glaube ich, dass Willenskraft beziehungsweise volitionale Stärke immer nur die zweitbeste Lösung ist. Ich brauche Willen ja nur, wenn Kopf und Bauch nicht übereinstimmen, wenn ich Ziele verfolge, die mir unangenehm sind. Es wäre nachhaltiger, wenn ich Ziele habe, die besser zu mir und meinen Motiven passen. Kann man lernen, ein Motiv zu entwickeln oder ist das angeboren?

Die Frage, wo Motive herkommen, ist nicht letztlich geklärt. Bei der Entstehung von Motiven gibt es sicherlich genetische Faktoren, die da eine Rolle spielen. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass diese impliziten Motive sich besonders stark in den ersten Lebensjahren herausbilden. Allerdings, was erlernbar ist, ist der Umgang mit diesen Motiven, zum Beispiel, dass man sich Ziele sucht, die gut zu den eigenen Motiven passen. Dazu braucht es Selbsterkenntnis, die Fähigkeit, seine Emotionen zu kennen und auf diese zu achten. Lernen kann man auch, sich durch positive oder negative Fantasien zu motivieren. Willenskraft lässt sich trainieren und üben. Das ist jedoch weniger nachhaltig als die Ziele an den Motiven auszurichten. Und wenn sich im Unternehmen keine Aufgaben oder Ziele finden lassen, die zu den eigenen Motiven passen, ist das für einen Mitarbeiter ein echtes Problem. Das stimmt.Wenn man aber mal genauer hinschaut, dann haben fast alle Aufgaben ein Befriedigungspotenzial für alle drei Motive. Das muss man manchmal aber erst einmal erkennen. Da spielt sicherlich auch die Idee des „Framing“ hinein, also die Art und Weise, wie bestimmte Dinge formuliert, in welchen Kontext sie gestellt werden. Mit etwas Abstand bekommt dann vieles einen Sinn. Oft werden ja auch Anreize eingesetzt, damit ein Mitarbeiter Ziele entwickelt, die er ansonsten nicht verfolgen würde. Dadurch wird extrinsische

Motivation erzeugt. Sobald die Anreize aber wegfallen, ist auch die Motivation weg. Anreize können allerdings unter Umständen auch so gesetzt sein, dass sie Motive anregen, denken Sie etwa an Statussymbole, die das Machtmotiv ansprechen. Da gibt es dann zum Beispiel für den Vertriebsmitarbeiter die goldene Anstecknadel, die nur wenige haben. Ist es trotz der Unterschiedlichkeit der Menschen möglich, allgemeine Bedingungen zu nennen, die in einem Unternehmen gegeben sein müssen, damit alle Mitarbeiter motiviert arbeiten können? Dass die Menschen unterschiedlich sind, damit muss man sich abfinden. Das kann man nicht ignorieren. Was man aber als Arbeitgeber machen kann, auch wenn man die Ziele und Motive des Mitarbeiters nicht genau kennt, ist, die Arbeitssituation des Mitarbeiters gemeinsam zu optimieren. Also Fragen zu stellen rund um die oben erwähnten drei Komponenten: Was machen Sie gerne an dem, was sie tun? Wo gibt es Spaßbremser? Wo entstehen Bauchschmerzen? Was finden Sie wichtig? Wo gibt es Zielkonflikte? Wir nennen das die 3K-Prüfung. Die Führungskraft sollte diese Fragen systematisch stellen und dann auch zuhören. Gut, wenn es da eine Vertrauensbasis gibt, damit der Mitarbeiter weniger Scheu hat, auch mal über tiefgehende Themen zu reden. Das Interview führte Jan C. Weilbacher

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IM FOKUS

WIR AN DIE WELT Einst waren Blogs nur mit Tagebuch-Charme versehene Sprachrohre für Menschen, die glaubten, etwas mitzuteilen zu haben. Das ist lange her und längst entdecken auch Unternehmen sie zunehmend für sich.

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eit etwa einem halben Jahr hat die GEA Group auf ihrer Karrierewebseite nun auch einen Blog. Den ersten Beitrag hat Cornelia Hulla, Head of Corporate Human Resources, am 16. August veröffentlicht. Das war einen Tag nach ihrem Amtsantritt. Cornelia Hulla hatte sich vorgenommen, ihre ersten hundert Tage als Personalchefin bei dem Düsseldorfer Unternehmen mit regelmäßigen Blog-Beiträgen zu begleiten und so „das Geheimnis von GEA“ zu ergründen, wie sie damals schrieb. Heute – etwa zwei Dutzend Artikel später – ist sie nicht mehr die Einzige, von der dort Zeilen zu lesen sind. Eine Seltenheit sind Mitarbeiter-Blogs, egal ob Azubi- und HR-Blog oder als gänzlich offenes Format, 2013 nicht mehr. Einer der ersten seiner Art in Deutschland war der Blog des Tiefkühlkostherstellers Frosta, dessen erster Beitrag am 30. Juni 2005 online ging. Und auch der Azubi-Blog der Festo AG ist nur wenige Monate jünger. Am bekanntesten und inzwischen wohl auch am umfangreichsten ist sicherlich der Mitarbeiter-Blog der Daimler AG. Nach nicht ganz sechs Jahren bringt er es auf 480 Autoren und rund 770 Beiträge.

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Die Nachfrage steigt Aber so richtig ins Rollen kommt das Thema erst jetzt, meint Henner Knabenreich, der Unternehmen bei ihrem Personalmarketing-Auftritt im Internet berät und eine steigende Nachfrage nach diesem Social-Media-Kanal feststellt. „Es dauert manchmal seine Zeit, bis so etwas bei der breiten Masse in den Köpfen ankommt“, so der 44-Jährige – ein Punkt, den Blogs mit Karriereseiten und Facebook-Auftritten gemein haben. Erklären lässt sich das vielleicht dadurch, dass Unternehmen bislang noch den Aufwand scheuen, der mit Blogs verbunden scheint. Einen Blog ins Leben zu rufen ist dabei nicht das Problem und auch kein relevanter Kostenfaktor im Vergleich zu einer Unternehmenswebseite. Die eigentliche Herausforderung ist, die Mitarbeiter als Autoren zu begeistern und Strukturen zu schaffen, die einen regelmäßigen 66

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IM FOKUS

Viele Firmen nutzen inzwischen Blogs als Kommunikationskanal, sei es um potenzielle Auszubildende anzusprechen oder um sich generell auf eine etwas andere Art als Arbeitgeber und Unternehmen zu präsentieren. Einige Beispiele haben wir zusammengetragen: 1. Daimler AG: „Das Daimler-Blog“ (blog.daimler.de). – 2. edding AG: „edding Azubiblog“ (azubiblog.edding.de) – 3. Frosta GmbH: „FRoSTA-Blog“ (frostablog.de) – 4. GEA Group: „Das Geheimnis von GEA“ (gea-people.com/blog) – 5. Festo AG: „ausbildungsblog.de“ (ausbildungsblog.de) – 6. Schmitz-Werke GmbH: „schmitz-Azubis“ (azubis. schmitz-werke.de) – 7. SMA Solar: „Sonnenallee. Der SMA Mitarbeiter-Blog“ (sma-jobblog.com)

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Informationsfluss sichern – denn ein Beitrag pro Woche sollte es schon sein. „Die Unternehmen übersehen hier aber, dass der große Vorteil eines Blogs natürlich der ist, dass man die Arbeit auf viele Schultern verteilen kann“, sagt Knabenreich. Wenn ein Blog redaktionell gut organisiert ist, kann er durchaus ein Selbstläufer werden. Und dann fungiert er auch als Aushängeschild. Beispiel Daimler-Blog. Der habe direkte Auswirkungen auf die Online-Reputation und die Arbeitgeberattraktivität, sagt Uwe Knaus, der bei dem Konzern für das Corporate Blogging und die Social Media Strategie in der Unternehmenskommunikation verantwortlich ist. „Mit dem Blog sind unsere Werkstore 365 Tage im Jahr geöffnet.“ Durch einen gut gemachten Mitarbeiter-Blog lassen sich Einblicke in das Unternehmen in einer Vielfalt, Aktualität und vor allem auch Authentizität geben, wie es beispielsweise mit einer Karrierewebseite allein nicht in der Tiefe zu erreichen wäre. „Zudem kann ich Informationen über einen Blog viel stärker emotionalisieren. Es ist ein Vorteil, wenn Mitarbeiter über das schreiben, was sie gerne tun, als wenn es der Personaler in einer Stellenanzeige zu erklären versucht“, erläutert Jan Kirchner, der mit seinem Unternehmen atenta Social-Media-Strategien für Unternehmen entwickelt. Der 33-Jährige sieht noch einen weiteren Punkt, der Blogs besonders macht: die Freiheit, die sie bieten. „Das Tolle an Blogs ist, dass man selbst definieren kann, was man macht, ob mit Videos, Fotos oder nur mit Text. Alles ist möglich, man muss nur den Gestaltungswillen mitbringen“, so Kirchner. Vor allem sind Blogs meist losgelöst vom eigentlichen Unternehmensauftritt und unabhängig von jeglichem Reglement, das Facebook und Co. ihren Seiten auferlegen. Blogs sind eigenes Hoheitsgebiet, wie es Jan Kirchner formuliert. Ein Punkt, dem auch Henner Knabenreich zustimmen würde. Für beide ist klar, dass Mitarbeiter-Blogs fester Bestandteil der Unternehmenskommunikation werden. „Ich wüsste nicht, was da besser funktionieren würde“, sagt Knabenreich.

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Sven Pauleweit

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ESSAY

GLOBALER KAMPF UM RELEVANZ Internationales Employer Branding als Beruf oder das Leben mit dem Culture Clash – ein pragmatischer Erfahrungsbericht für Fortgeschrittene

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n großen Konzernen werden regelmäßig top-down zentrale Impulse gesendet. Senior Executives bemerken hierbei mitunter augenzwinkernd, dass sich Anstöße zur Zentralisierung beziehungsweise Dezentralisierung zyklisch abwechseln. Ein vergleichbar junges Phänomen ist es, dass in immer höherem Maße auch das Employer Branding hiervon betroffen ist: HR ist in den vergangenen zehn Jahren immer stärker in den Fokus der globalen strategischen Planung des Managements geraten. Daher konnten viele Erfahrungen mit internationalem Employer Branding gesammelt werden. Obwohl diese Projekte zwangsläufig so unterschiedlich sind wie die dahinter stehenden Unternehmen, gibt es einige Learnings, die allgemeinen Charakter haben. So kompliziert im Zusammenhang der aktuell dynamischen Entwicklung von HR-Kommunikation eine internationale Herangehensweise erscheint, so wichtig ist gleichzeitig die Professionalisierung und Internationalisierung von HR-Kommunikation im Konzernverband. Die zentrale Frage lautet daher nicht, ob man ein internationales Employer Branding vorantreiben soll, sondern wie man dies organisiert und vor allem: Wie die Zentrale beziehungsweise die einzelnen Verantwortlichen mit ihrem globalen Employer Branding wirklich praktische Relevanz erarbeiten können.

Globalität gleich Vereinheitlichung? Sobald Employer Branding in den Fokus der Zentrale gerät, ist dies mehr oder weniger stark mit Vereinheitlichung verbunden. Daher sollte zunächst strategisch betrachtet werden, ob man im Einzelfall einen primär globalen Ansatz überhaupt angehen sollte – existieren doch erstaunlich gute Lösungen, bei denen vorerst oder permanent hauptsächlich dezentral gefahren wird. Die Entwicklung der Praxis zeigt aber deutlich, dass für viele Unternehmen ein fortschreitend internationaler An76

satz von Employer Branding Sinn macht. Dies ist auch konstruktiv, solange das Projekt den herrschenden Unternehmens- und Einflussstrukturen gebührend Rechnung trägt.

Konzernhistorie als Hindernis Wenn man Beispiele von international hervorragend funktionierenden Arbeitgebermarken sucht, landet man spontan bei den weltweit an die Spitzen der Arbeitgebercharts geschossenen Google oder Apple: Marken ohne „lähmende Historie“ die auf einer konsistenten Philosophie beruhen und scheinbar den Spirit ihrer Start-up-Phase erhalten haben. Obwohl so immens erfolgreich, hatte Google vor etwa fünf Jahren noch gar keine zuständige Abteilung, um die in Europa „nebenbei“ anfallenden Employer-Branding-Ehrungen entgegen zu nehmen. Die meisten Marken können leider nur davon träumen, per se ein Lebensgefühl auszustrahlen und dieses mit der nahezu vollständigen Marktdurchdringung ihrer Produkte in den Bewerbermarkt zu transportieren. Die meisten großen Konzerne haben hingegen historisch und nicht linear gewachsene Marken, sehen sich also mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine fehlende Konsistenz ihrer Ausstrahlung auf Arbeitnehmer auszugleichen. An dieser heiklen Stelle tritt in der Regel das Employer Branding hinzu. Wenn historisch gewachsene nationale Marken es bereits schwer haben, wird es auf internationaler Ebene, wo diverse Bewerberprofile, Regionalkulturen und Branchen zu berücksichtigen sind, noch unübersichtlicher.

Internationale EVP als Quadratur des Kreises Es liegt auf der Hand: Je mehr unterschiedliche Adressaten man anspricht, desto komplizierter wird es, die

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Foto: Andresr | Dreamstime.com

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perfekte Nachricht zu senden. Die Employer Value idealen Punktes, an dem die Zentrale EntscheidungsProposition (EVP) ist das werblich verwendbare, also kompetenzen lokal belässt, ist ein entscheidender Erüberschaubar komplexe Markenversprechen, um das folgsfaktor des Projekts. herum sich Marketing-Stories spinnen. Hierbei ist es elementar, dass die EVP wirklich prägnant ist. Bei der Umschiffen interner Klippen konzernweiten Ansprache externer Zielgruppen gerät Die wichtigsten Hindernisse eines Projekts lauern mitman zwangsläufig in einen massiven Interessenkon- tlerweile kaum noch im mangelnden Wissen über den flikt: Auf der einen Seite stehen Vorgang des Employer Branding, häufig vollkommen verschiedene sondern fast immer im Handling der nationale Organisationen die sehr konzernweiten Zusammenarbeit, angepasst an ihre nationalen Märkder „internen Politik“. Es ist daher ten agieren. gerade für langfristige Projekte eleAuf der anderen Seite die vermentar, einfache Projektbestandeinheitlichende globale Employerteile früher zu implementieren und Branding-Strategie, die immer auch Haken einzuschlagen, bevor es beim das Potenzial zur Schwächung der weiteren Aufstieg zwangsläufig zu jeweils national erarbeiteten Ziellängeren Diskussionen kommt. genauigkeit hat. An dieser KonfliktBeispielsweise kann man mitunlinie wird es nicht selten schwierig. ter relativ einfach ein gemeinsames Empirie ist bei einem internationalen Besonders bitter ist dabei die TatEmployer-Branding-CD durchsetEmployer-Branding-Projekt zwar ein sache, dass man mit seinen redlichen zen, bevor man im Ringen um eine wichtiger Baustein. Doch sie kann keine mangelnde interkulturelle Komzentralen Plänen mitunter gerade die gemeinsame EVP mitunter viele petenz ausgleichen. Die Ansprache engagiertesten lokalen Player gegen Detailprobleme lösen muss. von Zielgruppen mit unterschiedlichem sich aufbringt. Darüber hinaus könkulturellen Hintergrund ist stets eine nen sich diese häufig noch mit plauHoch entwickelte Locals können große Herausforderung. siblen Argumenten wehren. zur Herausforderung werden Wenn in einem Konzernkonstrukt Eine Lösung ohne Alternative: viele bezüglich des Geschäfts (und damit der Kultur und Die Toolbox Zielgruppe) sehr unterschiedliche nationale Einheiten Es ist also allein durch die Komplexität der Aufgabe ge- zusammengefasst werden und diese dazu bereits selbst setzt, dass man im Falle von internationalem Employer einen hohen Entwicklungsgrad im Bereich Employer Branding keine spitze Positionierung gegenüber einer Branding erreicht haben, wird es häufig schwer. konkreten Zielgruppe fahren kann. Daher kann man Viel besser stehen die Chancen des zeitgerechten Abzwangsläufig nicht jeden Verwendungszusammenhang schlusses eines Projekts bei homogenen Business-Kulerschöpfend bedienen, sondern muss zunächst eher turen und einem im Vergleich zur Zentrale recht niedrieine Klammer um die gesamte relevante HR-Kommu- gem Employer-Branding-Entwicklungsstand innerhalb nikation bilden. der Länder-Gesellschaften. Fürchten Sie im Zweifelsfall Die einzige in der Praxis lebensfähige Organisations- also eher die arrivierten lokalen Employer-Brand-Verform ist daher eine Art Toolbox. Sie enthält Elemente, antwortlichen als die überforderten Recruiter, die sich die für alle HR-Akteure aller Länder verbindlich sind, bisher noch nicht um das Thema Employer Branding räumt darüber hinaus aber auch lokale Spielräume ein. kümmern konnten. Je pragmatischer diese Toolbox sich im Alltag erweist, desto einfacher ist ihre verbindliche Implementierung: Sanfte Einflussnahme durch Serviceangebote Ein zentraler Server mit einfach nutzbaren, individua- Häufig steht hinter einer Neuimplementierung belisierbaren Tools und Templates für die alltägliche An- ziehungsweise einem Facelift des globalen Employer wendung schlägt in der Praxis jede noch so gut formu- Branding auch das massive Interesse der Zentrale an lierte gemeinsame Absichtserklärung um Längen. Wie mehr Kontrolle. Zu den deprimierenden Erfahrungen in umfassend die zentralen Vorgaben der Toolbox letztlich derartigen Projekten gehört die Feststellung, dass dewerden, hängt stark von der Struktur des Unterneh- zentrale Einheiten mitunter nur sehr schwer gegen ihre mens ab. eigenen, lokalen Wertmaßstäbe zu überzeugen sind. Der geringste gemeinsame Nenner ist hierbei ein Wenn man nicht einen ungewöhnlich starken Hebel Commitment zu einem gemeinsamen Corporate De- beziehungsweise ein großes Maß an Kontrolle hat, gilt sign (CD). Dies ist manchmal bereits herausfordernd daher: Eine stetig wachsende Einflussnahme durch das genug. Wie weit man sich von dieser Grundlösung in Auftreten als nutzbringender Service-Provider bringt Richtung eines komplett gemeinsamen Auftritts wagen mehr Nachhaltigkeit in den internationalen Ansatz. So sollte, ist hierbei nur individuell zu entscheiden. einfach diese Regel ist, so nachhaltig kann sich ein VerDass die gemeinsamen Wege sich in allen Fällen vor stoß gegen sie negativ auswirken. dem Erreichen einer Maximallösung wieder trennen, wird spätestens beim praktischen Personalmarketing Leben mit dem Culture Clash deutlich: Das Nutzen von Medien ist aufgrund lokal va- Ein wenig Culture Clash gehört zum Grundrauschen riierender Anbieter und Kommunikationsgewohnheiten von internationalen Konzernen. Die Praxis zeigt, dass kaum sinnvoll zu zentralisieren. Das frühe Auffinden des die generelle Einstellung der nationalen Akteure zu eiF E B R U A R / M Ä R Z

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A N A LY S E

Die Zielgruppen im Blick Empirie ist bei internationalen Projekten ein wichtiger Baustein – vor allem um Entscheidungen auf der Grundlage von „objektiven“ Daten zu treffen. Generell tun gerade Konzerne gut daran, sich früh zu informieren, wohin die kommende Elite sich bewegt, da sie in der Nachjustierung vergleichsweise langsam sind. Darüber hinaus sollten groß angelegte Kampagnen auf jeden Fall im Vorfeld fundiert werden. Die größte empirische Finesse kann allerdings nicht mangelnde interkulturelle Kompetenz oder gar unzureichende Diplomatie ausgleichen. Man tut dem Projekt einen großen Gefallen, wenn man Empirie harmonisch einbindet und nicht aufwändige statistische Testverfahren mit schnellen Stehgreif-Entscheidungen kombiniert oder zu viele beziehungsweise die falschen Daten sammelt. Die gleichzeitige Ansprache von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ist oft eine große Herausforderung bei der Entwicklung werblicher Inhalte. Eine häufige kulturbedingte Fehlerquelle ist die Tatsache, dass wir unbewusst die postmaterialistischen Werte unserer Heimat auf andere Regionen beziehen. Obwohl kulturfremde Zielgruppen unsere Nachricht dann dekodieren können, also verstehen, ist die Wirkung auf das Unternehmensimage regional mitunter aber deutlich unterschiedlich. Moderne Markenkommunikation muss prägnant sein und leicht aufgenommen werden können, um sich gegen den enormen Wettbewerb durchzusetzen. Gerade diese Durchsetzungskraft verlässt sich häufig unbewusst auf einen gemeinsamen kulturellen Background von Sender und Empfänger. Dies zeigen empirische Untersuchungen oft mit unbarmherziger Deutlichkeit. Man steht hier – sehr verkürzt dargestellt – nicht selten vor der gefährlichen Frage, wie viel kommunikative Feinheit man noch über Bord werfen kann, um es am Ende allen Nationalkulturen recht zu machen. Die Bildung sinnvoller regionale Cluster – wie „Westeuropa“ versus „Osteuropa“ oder postmaterialistische „westliche Kulturen“ versus „Emerging Countries“ ist hier mitunter die einzige Möglichkeit, pragmatische Entscheidungen zu treffen.

Wie erreicht man internationale Relevanz? Es ist verstörend, dass in nicht wenigen Fällen die hochentwickelte globale Arbeitgebermarken-Strategie in der lokalen Praxis des Konzerns kaum Relevanz hat oder sogar auf lokaler Ebene explizit ausgeklammert wird. Falls es Geheimrezepte gegen diesen Misstand gibt, lauten diese sicher für jedes Unternehmen unterschiedlich. Dennoch zeigen alle Projekte, dass interne Diplomatie und ein Gespür für ein dosiertes Durchsetzungsvermögen der Projektleitung die wichtigsten Elemente für das 78

Gelingen eines internationalen Employer-Branding-Projekts sind. Wie geschickt der Prozess im Unternehmen vor Projektbeginn strategisch angelegt wird, entscheidet häufig schon, wie weit man letztendlich vordringen kann. Dem gegenüber kann der operative Projekt-Launch kaum pragmatisch genug geplant werden. Besonders die Ausgewogenheit zwischen breit diskutierten und zentral getroffenen Entscheidungen sowie ein sicheres Gespür für informelle Strukturen sind hier mehr als hilfreich. Bei letzterem Punkt sind Projektleiter mit umfassender Konzernerfahrung natürlich häufig im Vorteil, da sie es einerseits vermeiden, schlafende Hunde zu wecken und andererseits kreativ zielführende Allianzen schließen können. Internationale Projekterfahrung hilft, einzelne Projektphasen harmonisch aufeinander abzustimmen, um jeden Schritt so fundiert wie nötig und so pragmatisch wie möglich zu halten. Insbesondere der Umgang mit größeren „basisdemokratischen“ Diskussionsrunden und die Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Empirie erweisen sich sonst häufig als Stolpersteine. Auch die Philosophie der Zentrale ist ein Erfolgsfaktor – im Falle des globalen Employer Branding ist das Selbstverständnis eines auf guten Service zielenden Dienstleisters langfristig deutlich erfolgsversprechender als das des globalen Marken-Lenkers. Denn ob ein Projekt wirklich erfolgreich ist, merkt man lange nach dem Knallen der Sektkorken nämlich erst, wenn die Zentrale den im Bereich Employer Branding wichtigsten Ritterschlag erhält: lokale und damit auch praktische Relevanz.

Oliver Viel HR-Consultant kontakt@oliverviel.com

• Seit Anfang 2011 Tätigkeit als freier Berater für nationale und internationale HR-Projekte in Konzernen • Von 2001 bis 2010 im Management internationaler Dienstleister im Bereich HR-Strategie und Employer Branding tätig

Thomas Teetz Deutsche Telekom AG thomas.teetz@telekom.de

• Seit 2009 in der Konzernzentrale der Deutschen Telekom AG mit Verantwortung für das strategische Projekt „Global Employer Branding“ • Von 2000 bis 2009 war er in leitenden Positionen im HR-Bereich und dabei unter anderem verantwortlich für das Employer Branding einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie eines internationalen Logistikkonzerns H U M A N

R E S O U R C E S

M A N A G E R

Fotos: Privat

nem globalen, zentral gesteuerten Employer-BrandingAnsatz in der Regel schon zu Projektbeginn deutlich wird. Es lässt sich erfahrungsgemäß nicht immer verhindern, temporär über die Comfort Zone einzelner national agierender Kollegen hinaus zu gehen.


LAUFBAHN

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AMERIKANISCHE ARBEITSWELTEN

Kurt Schönberger Head of HR Northern Europe, The Walt Disney Company (Germany) GmbH

BACKGROUNDCHECK

antworten sollte. Doch die Firma „kam nicht so richtig aus dem Knick“, wie er sagt. Und entpuppte sich vor Ort als nicht so attraktiv wie gedacht. Also zog es den Personaler, noch bevor er seine erste Führungsposition richtig ausüben konnte, weiter. Ein Headhunter vermittelte ihn als Leiter für Personal und Recht zu IP Deutschland, einem Vermarkter für Medienwerbung, der heute zur RTL Gruppe gehört. Ein Dreh um 180 Grad: „Die Mitarbeiter bei IP waren natürlich völlig anders als bei Esso.“ Und es war die Zeit der ersten Internetblase. Eine kreative, schnelllebige und spannende Zeit, sagt Schönberger. Mit dem Umzug des Unternehmens nach Köln sah sich der gebürtige Stuttgarter aber nach einer neuen Aufgabe um. „Ich war Ende dreißig und wollte längerfristig in einer Stadt leben, in der ich mich wohl fühlte.“ Diese Stadt wurde München. Nach einem kurzen Umweg über ein Konglomerat für Luxusgüter – „da wurde mir aber schnell klar, dass das nicht passt“ – landete der Personaler als Direktor HR für Deutschland, Österreich und der Schweiz bei Disney. Damals war die Personalarbeit unterentwickelt: „Nur der Disney Channel hatte eine HR-Managerin, für die anderen gab es nur einen Kollegen für die Gehaltsabrechnungen.“ Das ist heute anders. In dem Unternehmen, das in Deutschland vor allem im Zeitschriften- und Fernsehmarkt tätig ist, ist Schönberger aktuell als Personalchef Nordeuropa für mehr als 500 Mitarbeiter in der DACH-Region und in Skandinavien zuständig. Viele davon sind, erzählt er, schon länger dabei. Denn Disney unternehme sehr viel, um für seine Mitarbeiter langfristig attraktiv zu bleiben. Die eher lockeren Umgangsformen, die auf die amerikanische Herkunft wie auf die Branche zurückzuführen sind, tun ihr Übriges dazu. Genauso wie eine Sache, die Schönberger bei vielen seiner Kollegen antrifft: Eine sehr enge, emotionale Bindung zur Marke Disney. Kathrin Justen

Wie HR Manager wurden, was sie sind

Kurt Schönberger • Seit 2001: Head of HR, The Walt Disney Company • 2000–2001: Director HR Northern Europe, Richemont Northern Europe • 1998–2000: Head of HR & Legal Affairs, IP Deutschland

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Foto: Privat

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ie Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: Pluto. Das sei seine liebste Disney-Figur, sagt Kurt Schönberger und lacht. „Weil der so herrlich doof ist.“ Die Vorliebe für den Haushund von Mickey Mouse ist aber nicht der Grund, warum es ihm so gut bei der Walt Disney Company gefällt. Interessante, abwechslungsreiche Aufgaben, Internationalität und ein Team, das an einem Strang zieht, das sind für den 54-Jährigen die wichtigsten Faktoren für einen tollen Job. All das hat der Personaler offensichtlich bei Disney gefunden, denn er ist schon im zwölften Jahr für den Medien- und Unterhaltungskonzern aus den USA tätig. „Wenn man so lange bei einer Firma ist, gibt es nur zwei mögliche Gründe dafür: Entweder es ist wirklich gut oder man kriegt nichts anderes“, erklärt er augenzwinkernd. Und Letzteres ist doch sehr unwahrscheinlich, wie der Blick auf den Karriereweg des gelernten Juristen zeigt. Während der Referendariatszeit und bei einem Praktikum in New York realisierte Schönberger zwei Dinge. Erstens, dass er gern bei einem USUnternehmen arbeiten wollte, weil er „fasziniert vom amerikanischen Unternehmensumfeld“ war. Und zweitens, dass er nicht dauerhaft als Jurist tätig sein wollte. Als Jurist sei man zwar Wegweiser mit gewichtiger Stimme, aber die Entscheidungen träfen andere, sagt er. Er wollte entscheiden. Und die verschiedenen Bereiche eines Unternehmens kennenlernen. Esso, die deutsche Tochter des amerikanischen Mineralölunternehmens Exxon, passte mit ihrem Rotationsprogramm für Führungsnachwuchs daher gut. So begann Schönberger seine Karriere mit einer juristischen Tätigkeit, wechselte nach der Wende als Leiter einer Betriebsniederlassung nach Rostock und landete schließlich in der Personalentwicklung. „Mir war damals gar nicht so recht klar, was das überhaupt ist“, erinnert sich der Personaler. „Aber ich hatte einen hervorragenden Vorgesetzten als Mentor, der mir die Personalarbeit schmackhaft gemacht und deren Wertigkeit gezeigt hat.“ Dieser Mentor sei mit der Zeit sogar zu einem väterlichen Freund geworden. Von Esso aus ging es zu einem Joint Venture von Exxon Chemical und Shell Chemical, für das Schönberger die Bereiche HR, IT und Finanzen ver-




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