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Sieben Gedanken
Mehr. Wert.
Jede Veränderung beginnt mit einem Gedanken. Hier sind sieben zu Vielfalt.
Besser vielseitig
Falten wir einen Bogen Papier in der Mitte. Nun falten wir das Papier erneut und dieses wieder – so lange, bis der Vielfalter sich nicht mehr falten lässt. Wenn wir den Bogen wieder öffnen, entfalten sich angedeutete Vierecke. Sie machen sichtbar, das auf einer scheinbar eindimensionalen Fläche viele Spielräume stecken: Neue Räume, die wir erkennen und nutzen können. Je nachdem, wie ungleichmäßig wir falten (gute Idee!), unterscheiden sich die Seiten. Als Metapher für soziales Miteinander heißt das: Nicht Zuordnungen als solche beschränken uns, sondern ihre Limitierung. Je vielfältiger wir Zugehörigkeit denken können, umso freier und kreativer können wir uns entfalten.
Zusammen stark
Jeder Mensch mit seiner Biografie, seinem Charakter und seinem Lebensentwurf ist einzigartig. Die Idee, gleich zu sein, entsteht aus dem (wichtigen) Blick auf das Gemeinsame. Schauen wir jedoch wohlwollend und interessiert auf die Unterschiede, begreifen wir die Differenzen als Chance für Weiterentwicklung. Entscheidend dabei ist die Brille, durch die wir schauen: Betrachten wir Individuen, oder sehen wir Gruppen, deren Mitgliedern wir zuvor scheinbar übereinstimmende Merkmale zugeordnet haben? Teams profitieren von der Schwarmperspektive: Wenn sich jedes Mitglied individuell einbringen kann, kann die Vielfalt alle stärken.
Gern anders
24 Amtssprachen gibt es in Europa. Doch wird auf diesem Kontinent weit vielfältiger gesprochen. Noch. Denn viele europäische Sprachen sind potenziell gefährdet (etwa Baskisch), bereits gefährdet (wie Rätoromanisch) oder schon ernsthaft gefährdet (beispielsweise Nordfriesisch). Warum das schade ist? Weil zu jeder noch so kleinen Sprache kulturelles Handeln gehört, das eine Bereicherung für den soziokulturellen Raum ist – also für das, was Menschen miteinander erleben. Zu viel Kultur? Gibt es wohl nicht. Das erleben interkulturell agierende Organisationen ständig: Kleinere und größere Perspektivenwechsel fallen leichter, wenn Verschiedenheit all-
täglich ist. Und sie bringen weiter – gerade im Wandel.
Zusammen divers
Tausende von Kartoffelsorten weltweit, weit über tausend Apfelsorten allein in Deutschland – was für eine Auswahl! Linda im Kartoffelsalat, Sieglinde als Rösti, Elstar im Müsli, Jonagold im Kuchen. Dass Lebensmittelkonzerne beginnen, sich Patente zu sichern und den Anbau zu monopolisieren, bedeutet auch, Geschmäcker zu normieren – und das löst nicht von ungefähr Kontroversen aus. Denn Diversität vergrößert das Spektrum und ist allein dadurch ein Gewinn. So auch bei der Personalauswahl: Wo Jüngere und Ältere zusammenarbeiten, wo alle Geschlechter in der Führungsebene vertreten sind, wo unterschiedliche Talente wirken dürfen und das Abweichen von Normen willkommen ist, entstehen spannende Synergieeffekte – menschlich wie wirtschaftlich.
Tierisch menschlich
Im Ökosystem ist alles Leben miteinander verbunden. Je mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben, umso instabiler wird dieser Planet. Verlieren wir wichtige Glieder in der Nahrungskette oder fehlen Bestandteile im Wachstumskreislauf, kommen wir aus dem Gleichgewicht. Ein Grundsatz des systemischen Denkens lautet daher: Bewegt sich ein Teil im Mobile, bewegen sich alle. Unter diesem Aspekt lassen sich auch Veränderungsprozesse in Organisationen und Unternehmen betrachten. Dann stehen nicht nur Produktivität und wirtschaftlicher Erfolg im Vordergrund, sondern auch ganzheitliche Veränderung. Beim Artenschutz für Werte und Vielfalt investieren wir in soziales Handeln und menschliches Miteinander. Auch und gerade im Arbeitskontext.
Schön schlau
Vielfalt heißt: alles Mögliche - und deshalb auch Unvertrautes. Dort wo Ungewohntes wartet, endet unsere Komfortzone. Fremdes ruft im ersten Schritt Abwehr hervor – das vermeldet unsere Amygdala automatisch. Doch wenn wir vom sogenannten Affenhirn, das auf Angstreize reagiert, in die kontrollierbaren Areale unseres Kopfs wechseln, können wir unsere Neugier aktivieren. Sie kultivieren wir, indem wir fragen: Was liegt hinter unserem Tellerrand, welche Möglichkeiten bieten sich noch, wenn wir über uns selbst hinausdenken? Agiles Handeln, New Work, Unusual Business: Nicht zuletzt durch die Pandemie sind wir bereiter, neue Wege zu gehen. Gestalten wir sie offen, inklusiv und integrativ, lehnen wir uns intelligent in eine vielfältige Zukunft hinein.
Gelebte Vielfalt
Gemeinsamkeiten finden, Differenzen anerkennen, Unterschiede aushalten. Manchmal ist das alles andere als einfach. Wenn das Eigene zu weit weg vom Anderen ist. Um uns dann nicht einfältig zu verschließen, brauchen wir eine gute Portion Ambiguitätstoleranz. Also die Fähigkeit, erst einmal zu akzeptieren, was nicht in unsere Normen oder Wertvorstellung passt. Und uns im Rahmen demokratischer Prozesse damit auseinanderzusetzen. Das persönliche Recht auf Vielfalt ist im Grundgesetz verbrieft. Wie gut, dass unsere Judikative sich treu bleibt und sich mit gesellschaftlichen Realitäten weiterentwickelt. Etwa mit dem reformierten Personenstandsgesetz, in dem die Geschlechterkategorien „männlich“ und „weiblich“ um die Kategorie „divers“ erweitert wurden. Ein großer Schritt in Sachen gewollter Vielfalt, der sich mehr und mehr in zeitgemäßen Stellenanzeigen und gendersensibler Sprache zeigt. In Sachen Corporate Identity können Unternehmen in ihrer Kommunikation hier punkten.
Corinna Waffender lebt in Berlin und ist bundesweit analog und digital an Wort und Stelle. Soziales Handeln und Business Unusual sind ihre Schwerpunkte als erfahrene systemische Coachin, Organisationsberaterin und Kommunikationstrainerin.