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Aktuelle Urteile

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Arbeitsschutz während der Corona-Krise

Ein Essay von

Thomas Köllmann

Der Arbeitsschutz erlebt in Zeiten der CoronaKrise zweifelsohne eine Renaissance. Aufgrund der latenten Bedrohung durch ein „unsichtbares Virus“ stellt sich für Unternehmen stärker denn je die Frage, wie Beschäftigte geschützt werden können.

Mit dem sogenannten technischen Arbeitsschutz sollen Gefahren am Arbeitsplatz vermieden werden. Regelungen zum Arbeitsschutz finden sich sowohl in Gesetzen wie dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und in Rechtsverordnungen (Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) als auch in den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften. Hierin regeln die Berufsgenossenschaften Besonderheiten für die jeweiligen Branchen, die verpflichtend zu beachten sind.

Welche Maßnahmen der Arbeitgeber dabei umzusetzen hat, hängt von den Risiken am Arbeitsplatz ab. Der Arbeitgeber muss das Gefährdungspotenzial der jeweiligen Tätigkeit unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls bewerten, also eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Da am Arbeitsplatz auch die Möglichkeit einer Infektion mit dem Coronavirus besteht, muss konkret geprüft werden, bei welchen Arbeitsabläufen die Risiken dafür besonders hoch sind. Sodann sind Maßnahmen zu ergreifen, um diese Risiken zu minimieren. Die vom Arbeitgeber zu ergreifenden Schutzmaßnahmen sind immer unterschiedlich und hängen von der jeweiligen Situation am Arbeitsplatz ab. Eines sollten alle Maßnahmen aber gemeinsam haben:

Sie müssen den Stand der Technik, der Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse beachten. Hier kommt die Sars-CoV-2 Arbeitsschutzregel ins Spiel, die wichtige Erkenntnisse liefert.

Empfehlungen oder Pflicht zur Umsetzung?

Dabei handelt es sich allerdings weder um ein Gesetz noch um eine Rechtsverordnung. Die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel gilt daher nicht zwingend und es besteht keine Umsetzungspflicht. Allerdings wird der aktuelle Stand der Technik und der Hygiene wiedergegeben, weil die neue Arbeitsschutzregel von Fachausschüssen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erarbeitet wurde. Die Beachtung und bedarfsgerechte Umsetzung der Maßnahmen hat daher in der Praxis einen entscheidenden Vorteil: In diesem Fall ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und der einschlägigen Rechtsverordnungen eingehalten werden. Weicht der Arbeitgeber hingegen von den Empfehlungen ab, muss er im Streitfall beweisen, dass er andere gleichwertige Maßnahmen umgesetzt hat. Es besteht also zwar keine rechtliche Umsetzungspflicht hinsichtlich aller Maßnahmen, doch ist mit Blick auf eine rechtssichere Gestaltung eine bedarfsgerechte Anwendung im Betrieb zu empfehlen.

Überblick über die beschriebenen Schutzmaßnahmen

Ausgangspunkt für alle in der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel beschriebenen Maßnahmen bildet die Erkenntnis, dass das Coronavirus durch Aerosole übertragen wird. Daher geht es in erster Linie um eine Begrenzung der Kontakte zwischen Beschäftigten und die Reduzierung von Viren in der Arbeitsumgebung. Davon ausgehend werden zahlreiche potenzielle Maßnahmen benannt und beschrieben. Ein Überblick: • Gestaltung der Arbeitsumgebung: Einhaltung der Abstandsregeln; Installation transparenter Abtrennungen; spezielle Reinigungs- und Abstandsvorgaben für Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume • Hinweise zum Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen, filtrierenden Halbmasken (zum Beispiel FFP2-Masken) oder Atemschutzgeräten beziehungsweise Gesichtsschutzschilder • Lüftung: Konkrete Vorgaben zur Belüftung von Räumen; Hinweis auf den

Betrieb von raumlufttechnischen Anlagen mit „geeigneten Filtern“ • Einführung von Homeoffice unter Beachtung des Arbeitsschutz- und

Arbeitszeitgesetzes: Die Beschäftigten sollten zumindest auf Arbeitsschutz im Homeoffice hingewiesen und einige wesentliche Punkte sollten erläutert werden (zum Beispiel zur Einrichtung von PC-Arbeitsplätzen im häuslichen Bereich und zur Sicherstellung des sozialen Austausches) • spezielle Regeln zu Dienstreisen und Besprechungen • Reinigungs- und Verwendungshinweise für Arbeitsmittel und Werkzeuge • Anpassung der Arbeitszeit- und Pausengestaltung zur Vermeidung eines

Zusammentreffens mehrerer Beschäftigter • Hinweis auf die angemessene Berücksichtigung möglicher psychischer

Belastungen etwa durch lang andauernde hohe Arbeitsintensität in systemrelevanten Branchen sowie spiegelbildlich Kontaktbeschränkungen und soziale Isolation im Homeoffice

Herausgeber Rudolf Hetzel Torben Werner (V. i. S. d. P.)

Redaktion Sven Lechtleitner Freier Autor und Journalist Heike Thienhaus Freie Autorin und Journalistin Kirsten Altenhoff Projektleitung redaktion@humanresourcesmanager.de

Autoren der Ausgabe Eva Maria Andrades, Friedrike Fabritius Senta Gekeler, Regine Graml Asma Hussain-Hämäläinen Sabine Hentschel, Albert Kehrer Thomas Köllmann, Julia Kusmijtschuk Christoph Metzler, André Niedostadek Jurij Ryschka, Anne M. Schüller Stefan Schwarz, Emmanuel Siregar Matthias Spielkamp Wiebke Stegh, Pascal Verma Lisa de Vries Corinna Waffender

Lektorat Christa Melli www.literatur-und-film.de

Gestaltung Marcel Franke Kristina Haase

Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@quadriga.eu

Abonnement Stefanie Weimann aboservice@quadriga.eu

Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH Benzstraße 12 12277 Berlin

Im Internet www.humanresourcesmanager.de/ magazin

Verlags-/Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 Fax: 030 / 84 85 92 00 redaktion@humanresourcesmanager.de

umfassende Hinweise zu der arbeitsmedizinischen Prävention, gerade bei besonders schutzwürdigen Beschäftigten Regelungen zur Rückkehr zur Arbeit nach einer Sars-CoV-2-Infektion oder Covid-19-Erkrankung

Arbeitsplatzbezogene Risikoermittlung vornehmen

In der betrieblichen Praxis bietet der durchaus umfassende Katalog der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel aber nur erste Anhaltspunkte. Um feststellen zu können, welche Maßnahmen auf dem jeweiligen Arbeitsplatz umgesetzt werden können, ist eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Dazu kann – vereinfacht zusammengefasst – wie folgt vorgegangen werden:

Feststellung der jeweiligen Arbeitsplätze als Bezugspunkt für die Beurteilung: Gleichartige Arbeitsplätze/ Tätigkeiten können zusammengefasst werden Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen: Besteht bei der konkreten Tätigkeit eine erhöhte Infektionsgefahr und woraus ergibt sich diese erhöhte Gefahr? Welche Personen sind besonders gefährdet (Anlehnung an die Hinweise des Robert Koch-Institutes)? Wie hoch ist das potenzielle Infektionsrisiko in Abhängigkeit von den Gegebenheiten des Arbeitsumfeldes (Räumlichkeit, Luftzirkulation, Anzahl Beschäftigte und so weiter)? Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen: Durch welche Maßnahmen kann das Risiko reduziert werden? Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel bietet insofern wichtige Anhaltspunkte, Gleiches gilt für die DGUV-Vorschriften Realisierung der Maßnahmen: Wie lange soll und muss die Maßnahme vorgenommen werden? Wer kontrolliert und dokumentiert die Realisierung der Maßnahme? Überprüfen der Wirksamkeit der Maßnahmen: Wirkt die Maßnahme und kann das Ziel erreicht werden? Dokumentation: Die Gefährdungsbeurteilung und die jeweiligen Maßnahmen sind zu dokumentieren

Einbindung des Betriebsrats

Der Betriebsrat ist beim Erlass von Regelungen zum Gesundheitsschutz zu beteiligen. Diese Mitbestimmung besteht aber nur dort, wo keine abschließenden gesetzlichen Vorgaben bestehen. Folglich ist der Betriebsrat auch bei der Organisation und Realisierung der Gefährdungsbeurteilung

„Der Betriebsrat ist dort zu beteiligen, wo keine abschließenden gesetzlichen Vorgaben bestehen.“

zu beteiligen (zum Beispiel mittels einer Checkliste oder Software). Die Ermittlung und Bewertung der Gefährdungen hingegen erfolgt allein durch den Arbeitgeber. Der Betriebsrat ist erst wieder bei der Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen einzubinden. Da die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel keine abschließenden Vorgaben macht, sondern in zahlreichen Bereichen einen Spielraum eröffnet, ist der Betriebsrat bei der Auswahl konkreter Maßnahmen zu beteiligen. Das gilt beispielhaft für die Gestaltung der Arbeitsplätze, die Umsetzung des Tragens von Gesichtsmasken oder des Belüftens von Räumen ebenso wie für die Einführung von Homeoffice.

To-dos für die Praxis

Gerade in Zeiten steigender Infektionszahlen ist der Stellenwert des Arbeitsschutzes enorm. Neben den branchenspezifischen und sehr detaillierten Vorgaben der Berufsgenossenschaften werden mit der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel weitere konkrete Maßnahmen zum Arbeitsschutz aufgezeigt. Arbeitgeber sind gut beraten, die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel zur Kenntnis zu nehmen und – in Abstimmung mit dem Betriebsrat – bedarfsgerecht umzusetzen. Setzt der Arbeitgeber alternative Maßnahmen um, muss er im Zweifel beweisen, dass ein gleichwertiges Schutzniveau gewährleistet ist. Gerade nach den zuletzt bekannt gewordenen Vorfällen in der Fleischwirtschaft besteht insgesamt ein stärkeres Bewusstsein, das sich auch in zunehmenden Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden niederschlagen kann. Hinzu kommen nicht unerhebliche zivilrechtliche Haftungsrisiken sowie negative Publicity, sollten Beschäftigte am Arbeitsplatz mangels ausreichendem Schutzkonzept an Covid-19 erkranken.

Thomas Köllmann ist Anwalt für Arbeitsrecht bei Rechtsanwälte Küttner (Köln).

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