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Wie der Investigativjournalist Jan C. Wehmeyer arbeitet und Pressestellen sieht.
Behörden zur Auskunft zwingen
Weshalb das Informationsfreiheitsgesetz ein wichtiges Recherchetool ist.
Wie der Investigativjournalist Jan C. Wehmeyer arbeitet und Pressestellen sieht.
Weshalb das Informationsfreiheitsgesetz ein wichtiges Recherchetool ist.
Wie sich Kleinstädte wie Achim in ihrer Kommunikation aufstellen.
Bude smart – wie fantastisch ist das denn?
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Medienarbeit hat vereinfacht gesagt zwei Komponen ten. Zum einen die proaktive Seite, bei der es darum geht, eine Organisation und deren Themen zu posi tionieren. Zum anderen gilt es, Presseanfragen zu beantwor ten. Was aber ist gute Öffentlichkeitsarbeit?
Das Urteil von Journalist*innen ist für die Bewertung ent scheidend. Wie lange dauert es, bis eine Kommunikationsab teilung antwortet? Inwieweit geht sie auf die gestellten Fra gen ein? Sind die Presseverantwortlichen bereit, auch mal im Hintergrund Informationen zu geben und etwas zu erklären?
Eine hilfreiche Orientierung liefert das Sprecher-Ranking der Zeitschrift „Wirtschaftsjournalist:in“, das in diesem Jahr Thomas Voigt von der Otto Group vorne sieht. Auf den hinte ren Plätzen finden sich seit Jahren Tech-Konzerne wie Apple und Google wieder. Der Negativpreis die „Verschlossene Aus ter“ von der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche ging an Tesla – völlig zu Recht, wenn man die Berichterstattung um die Werkseröffnung in Grünheide und Elon Musks Umgang mit Medien verfolgt.
Unternehmen, die kaum etwas sagen, machen ihre Kom munikationsabteilungen und die dort tätigen Sprecherinnen und Sprecher klein. Die Lust, mit Medien zu arbeiten, sich mit Redaktionen zu challengen und positive Berichterstattung zu generieren, für die man kämpfen muss, dürfte für die meisten Kommunikator*innen ein wesentlicher Grund gewesen sein, diesen Beruf zu wählen. Ich habe zumindest noch niemanden getroffen, der sich für einen Kommunikationsjob entschieden hat, um Medienberichterstattung zu verhindern.
Das ist eher das Business von Medienanwälten. Ihr Ziel ist es, rechtswidrige Berichterstattung zu verhindern oder sie rich tigstellen zu lassen. Den Ruf, ein besonders harter Vertreter der Anwaltszunft zu sein, hat sich Ralf Höcker erarbeitet. Er ist aktuell für die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schle singer tätig. Im Interview spricht Höcker über seine Strate gien und wie er seine Rolle definiert. Manchmal kreuzen sich Höckers Wege mit denen des Investigativjournalisten Jan C. Wehmeyer. Vor kurzem soll es zwischen beiden einen heftigen Disput gegeben haben. Wehmeyer hat mit seinen Recherchen für „Business Insider“ die RBB-Affäre maßgeblich ins Rollen gebracht. Mit uns hat er über spannende Aufhänger, Antwort fristen und Quellenschutz gesprochen – und über den RBB. Ein weiteres Thema ist das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das es Bürger*innen ermöglicht, Behörden zur Auskunft zu zwingen. Für Medien erweist sich das IFG als ein hilfrei ches Recherchetool. Um die Auskunftsbereitschaft von staatli chen Institutionen ist es nicht nur im Coronakontext schlecht bestellt. Darüber hinaus geht es um die Pressearbeit von Klein städten. Wann benötigen sie eine hauptamtliche Person für diese Aufgabe?
Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!
Volker Thoms, Chefredakteur
3 Editorial 7 Sprecherspitze 10 Meldungen 12 PR Foto 76 Kolumne 78 Wechselbörse 79 Impressum 86 Feedback
6 Kommentar
Unternehmen wie die Deutsche Bahn versuchen, lustig zu sein. Sie trivialisieren damit ernst hafte Probleme.
8 Zugang/Abgang
Moderna holt eine Kommu nikationschefin. Thilo Cablitz verlässt die Berliner Polizei und spricht jetzt für eine Senatsverwaltung.
14
Jan C. Wehmeyer und sei nem Team sind mit „Business Insider“ zuletzt einige aufmerk samkeitsstarke Enthüllungen gelungen. Wie kommt er an Informationen?
20
K-KONGRESS 2022
Das Event in Bildern.
TITEL: MEDIENARBEIT
22
Der Einfluss von Kommunikation auf die Medienberichterstattung ist größer als jemals zuvor.
24
Mehr Transparenz
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zwingt Behörden, Auskunft zu geben. Journalisten profitie ren davon.
28
Das richtige Bild
„Zeit“ Fotochefin Malin Schulz gestaltet die Optik der Wochen zeitung maßgeblich mit. Welche Prioritäten setzt sie bei Inter viewfotos?
30
Zahlen und Fakten
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Das WM-Dilemma
In wenigen Tagen rollt in Katar der Ball. Unangenehme Themen klammern die Hauptsponsoren gerne aus.
36
Der Medienanwalt
Interview mit Ralf Höcker über rechtswidrigen Journalismus, Strategien und seine eigene PR Kompetenz.
42
Blick ins Lokale
Kai Purschke ist der erste Pressesprecher der Stadt Achim überhaupt. Was macht seine Arbeit aus?
46
Lohnt sich das? Kleinstädte müssen mit ihren Bürgern kommunizieren und sie informieren. Wann braucht man einen hauptamtlichen Pressever antwortlichen?
48
Die Medienperspektive Sechs Journalisten sagen, was Kommunikationsabteilungen besser machen könnten. Offen bar so einiges.
50
KOM fragt Regine Kreitz von der Stiftung Warentest und Jonas Numrich von Coca Cola beantworten Fragen zur Medienarbeit.
PRAXIS
52
Gast beim VfB Daniel Caroppo ist Sprecher der DAK – und VfB Stuttgart Fan. Wie die Kommunikation des Vereins läuft, schaute er sich aus der Nähe an.
54
Knifflige Autorisierung Giuseppe Rondinella über die Herausforderung, Journalis tinnen und Journalisten zu interviewen.
56
Energiekrise
Unternehmen müssen Ener gie sparen. Wie finden sie die Balance zwischen Erwartungen der Angestellten und wirtschaft lichen Zwängen?
60 Evaluation
Die Auswertung von Medien berichterstattung hilft dabei, die Kommunikation künftiger Projekte zu verbessern.
64
Communicative Organization
Ulrike Germann und Eberhard Seitz plädieren dafür, Mitarbei tende und Kunden noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen.
68
Kurz vorgestellt Anjoula Hummel von Segmenta Futurist:a beantwortet den Agenturfragebogen.
70
Döpfner und Rabe
Wie kommunizieren Springer Chef Mathias Döpfner und Bertelsmann CEO Thomas Rabe? Beide haben Luft nach oben.
74 Mal was Neues
Der Wechsel in eine andere Branche kann neue Motivation freisetzen. Wie klappt der Über gang?
80 Verband Mitgliederversammlung, K Kongress, „Hautnah“Interview.
„Ich
Selber checken auf: VogelCheckt.de
Journalistinnen und Journalisten gestehen sich ungern ein, dass sie von PR beein flusst werden. „Aber es ist sicherlich so, dass nahezu alles, was PR ist, bei uns keine Berücksichtigung findet“, sagte beispiels weise dpa Chefredakteur Sven Gösmann kürzlich in einem KOM Interview. Er hat insofern Recht, als Produkt PR in Nachrich tenformaten selten Platz findet. Ausnahmen gibt es immer: Wenn Apple ein neues iPhone oder Tesla eine neue Modellreihe vorstellt, ist das ein großes Thema.
Lässt man den investigativen Journalismus außen vor, scheint Medienberichterstattung stärker von professioneller Kommunika tion beeinflusst zu sein als jemals zuvor. Nachrichtenagenturen wie dpa muss man hier ausdrücklich einschließen. Sie wirken als Multiplikator und bestimmen die News. Was nicht mundgerecht als PR serviert wird, findet oft nicht statt.
In der Realität sieht die Berichterstattung folgendermaßen aus: Eine Politikmeldung basiert darauf, dass in der Bundespresse konferenz eine Regierungssprecherin über die kritische Infrastruktur informiert. Eine SPD Politikerin hat dem ehemaligen ukraini schen Botschafter eine falsche Berufswahl vorgeworfen, was Oppositionsparteien wiederum zu Statements auf Twitter & Co. veranlasst. Ein führender Sportartikelher steller verkündet, dass er die Kooperation mit einem Musiker beendet. Eine Mitteilung dazu gibt es auf der Unternehmenswebsite. Eine Krankenkasse hat über die psychi sche Gesundheit von Jugendlichen eine Studie veröffentlicht, die nun häppchen weise in der regionalen Berichterstattung erscheint. Krankenhausverbände fordern eine Maskenpflicht im Innenraum, was per Pressestatement an die Medien ging. Im Sport berichtet eine prominente Tennis spielerin über ihre Schwangerschaft und ihre Rückkehr. Eine NGO wirft Katar im Vor feld der Fußball WM vor, Menschenrechte zu verletzen. Im Promi Teil ätzt eine Schau spielerin über Klimaaktivisten. Heidi Klums Halloweenkostüm ist ebenfalls Thema. Quelle: Instagram. Ergänzende Recher chen und Einordnung finden bei derartigen Nachrichten nur noch selten statt. Den Kern bilden PR Inhalte.
Für Organisationen sind Social Media und andere eigene Kanäle wichtiger geworden. Sie stellen eine zentrale Quelle dar, an der sich Medien wortwörtlich bedienen. Zu oft. Mehr Recherche wäre gut. • vt
Malin Schulz ist Art Direktorin bei der „Zeit“ und hat die beiden Fotos der geschassten RBB-Intendantin Patricia Schlesinger für das Titelinterview in der Wochenzeitung mit ausgewählt. Worauf kommt es bei Aufmacher bildern an? Wie viel Einfluss haben die Interviewten auf den Fotoprozess?
Interview JEANNE WELLNITZFrau Schulz, wie kam es zum Fotoshooting mit Patricia Schlesinger?
Schulz: Als die verantwortliche Redakteurin Cathrin Gilbert der Bildchefin Amélie Schneider sagte, sie bekomme das Exklusiv interview, haben wir überlegt: Wer könnte das am besten foto grafieren? Das Foto ist bei unserer Wochenzeitung ein wich tiger Teil der Geschichte und die Auswahl der Person, die das Foto schießt, ist schon die erste inhaltliche Entscheidung. Und die Entscheidung fiel dann auf Gene Glover, der für die „Zeit“ auch schon Jürgen Trittin, Annegret Kramp-Karrenbauer und Joachim Gauck abgelichtet hat.
Schulz: Gene Glover ist fachlich sehr präzise, hat eine unglaub liche Beobachtungsgabe und Wärme. Er hat uns außerdem sein Studio für das Interview zur Verfügung gestellt. Das hat den Vorteil, dass er als Fotograf Zeit für das Foto hat und nicht nach dem Gespräch sagen muss: „So, nun stellen Sie sich einmal vor diese Hauswand.“ So saß Schlesinger auf dem Sofa, auf dem auch schon Julian Reichelt fotografiert wurde. In diesem Fall wurde das Foto jedoch nicht während des Gesprächs gemacht, sondern davor. Weshalb?
Schulz: Das war eine Absprache, ist aber keine Regel. Während des Gespräches kann man einfach kein gutes Porträt machen. Das Foto entsteht aus einer Begegnung zwischen zwei Men schen, also zwischen Gene Glover und Patricia Schlesinger.
Am 8. September erschien die „Zeit“ mit zwei Porträts von Patricia Schlesinger. Es ist das erste Interview nach ihrer Entlassung als Intendantin des RBB. Die Bilder schoss der freie Fotograf Gene Glo ver 15 Minuten vor dem Interview, das ebenfalls in seinem Fotostudio stattfand. Nachdem die selbstbewusste Pose des Aufmacherbildes in den sozialen Medien für Aufregung sorgte, twitterte die Art Direktorin der „Zeit“: „Selbstverständlich hat Patricia Schlesinger die Fotos zu ihrem Interview nicht selber ausgesucht, sondern wir, die Redaktion.“
Eigentlich hätte doch Patricia Schlesinger ein Interesse daran haben müssen, nach dem Gespräch fotografiert zu werden, damit es kongruent ist zu dem, was sie gesagt hat, oder?
Schulz: Im Studio waren nur Patricia Schlesinger, Cathrin Gil bert und der Fotograf. Daher kann ich nichts über die Situa tion selbst sagen, weil ich nicht dabei war. Ich kann nur all gemein sagen, dass man manchmal die Fotos vorher macht, weil die Personen dann einfach noch wacher und konzen trierter sind und nach einem Gespräch oft müde aussehen.
Sie haben dann die Fotoauswahl getroffen. Gab es auch Bilder, die eine andere Anmutung hatten?
Schulz: Ja. Eines dieser anderen Bilder, das eine nachdenkliche Frau Schlesin ger zeigt, findet sich auch in der gedruck ten Ausgabe. Es gehört zu unserem Job, eine Geschichte zu erzählen. Und diese beiden Bilder taten dies.
Welche war das aus Ihrer Sicht?
Schulz: Patricia Schlesinger ist eine selbstbewusste, gestandene Frau, der die Kamera vertraut ist. Wir wollten keine Geschichte erzählen, die sie nicht selbst erzählt hat. Was wir aber bestimmt nicht wollten, war das inszenierte Bild einer Büßerin. Es geht bei einem Porträt darum, der Person gerecht zu werden. Hat sie denn beim Shooting andere Posen, die der Buße nähergekommen wären, angeboten?
Dürfen Fotografierte bei der Bildauswahl generell nicht mitreden?
Schulz: In der Regel werden Fotos nicht autorisiert. Es gibt sehr seltene Ausnahmen von der Regel, die mit der Chefredaktion abgestimmt werden. Was geschieht, wenn jemand darauf besteht, ein Bild freizugeben?
Schulz: Das wird vorher geklärt. Das schließt die Option nicht aus, im Kon fliktfall ein Interview auch mal abzusa gen – oder zur Not mit Archivbildern zu arbeiten.
Werden beim Shooting vom Medium Posen vorgegeben?
ist Mitglied der Chefredaktion bei der „Zeit“. 2016 hat Chefredakteur Giovanni de Lorenzo die Art Direktorin in die Chefredaktion aufge nommen und damit den hohen Stellenwert des visuellen Journalismus illustriert. Das 30-köpfige Art Department setzt sich aus der Bildredaktion, dem Design Department und der Infografik zusammen. Malin Schulz bildet mit Haika Hinze eine Doppelspitze.
Schulz: Ein Mensch verändert sich nicht über Nacht und ist auf einmal eine andere Person. Patricia Schlesinger ist eine starke Persönlichkeit und genau so hat sie sich uns auch präsentiert. Und das ist auf diesen Fotos zu sehen. Hat Sie die Resonanz überrascht?
Schulz: Wir sind daran gewöhnt. Wir beziehen nicht jede Aufre gung auf uns. Manchmal verrät sie uns auch einfach etwas über die Erwartungen von Menschen. Die Frage müsste also zurück gehen: Welche Fotos wurden denn erwartet?
Es hat vor allem auch die Kommunikationsbranche interessiert. Die Frage war: Hat denn niemand Frau Schlesinger beraten?
Schulz: Bei Menschen aus der Politik sind manchmal Presse sprecher dabei und es gibt natürlich viele aus der Unterhal tungsindustrie, die es gewohnt sind, über ihr eigenes Bild zu bestimmen. Aber wir machen Journalismus. Das Bild von Pat ricia Schlesinger hat eine große Wertigkeit. Es ist kein trashi ger Abschuss und entspricht ihrer Persönlichkeit.
Schulz: Wir geben nichts vor, sondern arbeiten mit dem, was von den Men schen selbst kommt. Da machen wir kei nen Unterschied zwischen einer Figur des öffentlichen Lebens wie Frau Schle singer und einer unbekannten Person wie Lieschen Müller aus Castrop-Rau xel, die wir zum Thema Gaspreisbremse vor einem Supermarkt fotografieren. Was würden Sie Kommunikationsfachleuten raten, die ihre CEOs zum Interview begleiten?
Schulz: Viele Bilder von Vorstandsvor sitzenden und CEOs sehen gleich aus: gleiche Kleidung, gleicher Gesichtsaus druck. Das ist Werbeoptik. Da wird zwar nichts falsch gemacht, aber wir merken auch, dass unsere Leserschaft darauf mit dem Gefühl reagiert: Ich sehe den Men schen überhaupt nicht. Natürlich sollen sie auch nicht mit Turnschuhen, ungekämmt und mit Tränen in den Augen am Schreibtisch sitzen, um möglichst authen tisch zu sein.
Ihr Rat lautet also?
Schulz: Kommunikation sollte zulassen, dass die Fotografierten sich wirklich zeigen können. Das ist mein Büro. So bin ich. Sie müssen sich auf den Fotografen oder die Fotografin einlassen können, um einen Moment aus der Situation heraus zu schaf fen, der wirklich zu ihrer Rolle passt. Eine Foto-Situation ist wie eine Bühne und auf dieser sollten wir alle ein Stück weit loslassen. Am Ende geht es um Vertrauen. •
ist Redakteurin des Magazins „Human Resources Manager“ und schreibt regelmäßig für KOM.
ladungen schreiben.“ Was ist mit Social Media? „In den sozialen Netzwerken sind wir bislang auf Facebook, was ich ebenfalls betreue. Außerdem bespiele ich die Internetseite der Stadt“, fasst Purschke seine Aufgaben zusammen. Er sei „kein persönlicher Referent“, „kein Protokollant“ oder „Adjutant“ des Bür germeisters. Purschke spreche für die Stadt. Mit den einzelnen Verwaltungs bereichen definiere er die Themen. Eini ges komme aus den Abteilungen oder Purschke macht selbst Vorschläge, was für die Öffentlichkeit interessant sein könnte. Anderes ergibt sich aus der aktuellen Lage. Der Pressesprecher ist zusätzlich Mitglied in verschiedenen Krisenstäben. Gäbe es einen Katastro phenfall, wäre er zentraler Ansprech partner der Stadt Achim für die Medien. Doch auch ohne Katastrophen befin den sich viele Städte im Dauerkrisen
modus. Als der Ex-Journalist im Januar anfing, war Corona das dominierende Thema. Dann kam der Krieg in der Ukra ine. Die Unterbringung von Geflüchte ten wurde zu einer kommunalen Auf gabe. Aktuell zwingt die Energiekrise Städte zu Einsparungen bei Strom und Gas. Die gilt es zu erklären. Themen, die die Bundespolitik bestimmen, wir ken sich oft lokal aus. Probleme in der Umsetzung zeigen sich hier in der Praxis.
Heißt konkret: Die Stadt verkündete beispielsweise kürzlich, dass sie nachts die Straßenbeleuchtung ausschalten werde, was die Nachrichtenagentur dpa zu einer deutschlandweiten Meldung
machte. Sonntags bis freitags in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr bleibt es dun kel. In den anderen Nächten von 1 Uhr nachts bis 5 Uhr morgens.
Purschke sagt, er erhalte etwa 20 Presseanfragen pro Monat. Die Stadt in Niedersachsen besitzt eine weitge hend intakte Medienlandschaft, wie sie in Regionen in Ostdeutschland längst nicht mehr zu finden ist, weil die Lokal zeitungen sich auf größere Städte kon zentrieren. In Achim gibt es zwei Lokal redaktionen mit einer Auflage von etwa 12.000 Exemplaren. Dazu mehrere Anzeigenblätter und ein Bürgerradio, die regelmäßig über Achim berichten. Wichtig für die Region sind zudem der NDR und das Magazin „Buten un Bin nen“ von Radio Bremen, dazu die Nach richtenagentur dpa.
Warum braucht Achim einen Presse sprecher? Die Antwort ist einfach: Vor her fühlten sich die Menschen in der Stadt schlecht informiert. Die Lokal medien kritisierten die Verwaltung. Die „Kreiszeitung“ listet in einem Arti kel einige Beispiele auf, was in der VorPressesprecher-Zeit kommunikativ schieflief. Nach einem Heizungsausfall an einer Grundschule habe die Stadt widersprüchliche Angaben gemacht, ob Unterricht stattfinden könne oder nicht. Über Straßensperrungen oder Schließungen von Bädern und Biblio thek sei ungenügend informiert wor den. Menschen standen vor verschlos senen Türen und wurden wütend. Es klingt trivial. Nur wer mehrfach zu spät zur Arbeit kommt, weil die Straße vor der Haustür plötzlich gesperrt ist oder man eine Umleitung fahren muss, kann über fehlende Informationen nicht mehr lachen.
Auch in der Verwaltung machte sich Frust breit. Pressearbeit wurde auf das reguläre Pensum einfach draufgesat telt. Macht mal! Allerdings besitzt nicht jeder Verwaltungsangestellte die Fähig
„Der Erfolg ist für unsere Angestellten sichtbar.“
Kai PurschkeDas temporäre Ausschalten der Straßenbeleuchtung war der dpa eine Meldung wert. Jetzt bleibt es in Achim nachts teilweise dunkel.
keit, einen Pressetext schnell und für die Medien brauchbar runterzuschrei ben. „Viele Mitarbeitende brauchten sehr lange dafür und taten sich damit schwer. Dann hat es irgendwann keiner mehr gemacht beziehungsweise immer seltener oder es wurde nicht zeitnah genug informiert“, erklärt Purschke, der die Situation als Journalist jahrelang von außen beobachtete und kritisierte. „Jetzt sprechen die Kollegen mit mir, müssen mir nur Stichpunkte nennen –etwa zu Straßensperrungen. Ich mache daraus eine Meldung, die dann oft weit gehend unverändert in der Zeitung lan det. Der Erfolg ist für unsere Angestell ten sichtbar.“ Beinahe jeden Tag gibt es inzwischen eine Meldung oder Ankündi gung auf der Achimer Website und damit in der Lokalpresse.
Was sind die Herausforderungen für eine Stadt wie Achim? Besonders schwierig sei es, junge Menschen zu erreichen, berichtet Purschke. Das Pro blem haben größere Städte, Parteien und Unternehmen ebenfalls. Achim wächst. Einige Firmen produzieren hier. Die Nähe zu Bremen hilft. Politisch gehörte
es in den vergangenen Jahren zu den Schwerpunkten, das Schul- und Kitaan gebot zu verbessern. Für Familien, die sich ein Einfamilienhaus mit Garten wünschen, werden Kleinstädte immer dann interessant, wenn Infrastruktur und Anbindung an Zentren passen und Arbeitsplätze vorhanden sind.
Achim ist seit Mai auf Facebook ver treten – ein erster Schritt zu einer direk ten Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern. Der Account hat aktuell rund 640 Follower. Das Problem mit Facebook: Junge Menschen sind hier kaum noch unterwegs. Die tummeln sich auf Instagram oder Tiktok und schauen Youtube-Videos. Auf Twitter findet sich ein Account der Stadt, der aber von der Stadt nicht betrieben wird und bei dem nicht klar ist, wann und wie der über haupt angelegt wurde.
Purschke denkt darüber nach, es mit Instagram zu probieren. Das Problem sei die fehlende Zeit, um Beiträge pro fessionell zu moderieren. In Achim hat man sich deshalb entschieden, erst ein mal einen Kanal konstant zu bespielen und nicht überall gleichzeitig zu starten,
nur um dann festzustellen, dass dafür die Ressourcen nicht reichen.
Wie fällt in Achim das Zwischen fazit nach etwa einem Jahr Pressespre cher aus? Der erste Stadtrat Daniel Moos hebt zwei Aspekte hervor: „Lokalmedien haben jetzt einen festen Ansprechpart ner und wir informieren proaktiv die Presse. Zum anderen ist vielen Mitar beitern in der Verwaltung eine Last von den Schultern gefallen, weil sie wissen, dass sich jemand professionell um die Pressearbeit kümmert.“ Unter den rund 90 in der Kernverwaltung tätigen Mit arbeitern sei ein neuer Spirit entstan den. Pressesprecher Purschke meint, einigen Angestellten seien womöglich die Befürchtungen genommen worden, überhaupt in der Zeitung aufzutauchen. Sie fänden das inzwischen sogar gut und freuen sich, dass ihre Arbeit sichtbar ist.
Insofern sorgt der Pressesprecher indirekt für bessere Stimmung. Als Ver waltungsmitarbeiter ständig von Lokal medien und Bürgerinnen und Bürgern vorgehalten zu bekommen, wie schlecht die Stadt informiere, dürfte alles andere als motivierend sein. •
Die Verbraucherpreise steigen in vielen Bereichen. Energiesparen ist das Gebot der Stunde – auch am Arbeitsplatz. Wie kann die Kommunikations abteilung die Belegschaft für den bewussten Umgang mit Energie sensibilisieren?
Von SVEN LECHTLEITNERÜber ein zu kaltes oder zu war mes Büro kann schon mal Streit ausbrechen, wenn sich mehrere Personen hier aufhalten. Ein geöffnetes Fenster sorgt meist nach kur zer Zeit für gemischte Stimmung. Wäh rend manche die Heizung sofort wieder hochdrehen möchten, wollen andere am liebsten den ganzen Tag lüften. Frische Luft! Das Empfinden von Menschen fällt äußerst unterschiedlich aus, wenngleich die Wohlfühltemperatur hierzulande in Innenräumen im Allgemeinen bei 20 bis 22 Grad liegt. Diesen Herbst und Win ter wird es jedoch vielerorts ein paar Grad kälter sein. Die Bundesregierung hat Energiesparmaßnahmen ab Septem ber beziehungsweise Oktober beschlos sen. Unter anderem ist für öffentliche Gebäude eine maximale Raumtempera
Sind im Winter die Büros wieder leer wie zur Coronazeit, weil Unternehmen Energie sparen müssen?
zu Hause ausgesprochen. Diese sei dann positiv, wenn Büros nicht geheizt und stattdessen daheim Räume genutzt wür den, die sowieso beheizt würden. Aber spart Homeoffice wirklich Energie?
Für den promovierten Wissenschaft ler Waldemar Marz kommt es auf eine differenzierte Betrachtung an. Der wis senschaftliche Mitarbeiter am Ifo Zen trum für Energie, Klima und Ressour cen hat während der Coronapandemie erforscht, ob das Homeoffice Emissi onen im Verkehr reduziert hat. Seine Simulation zeigt, dass sich kurzfristig durchaus Einsparungen ergeben, aber diese mittel- bis langfristig nicht so groß sind wie häufig angenommen. Hinter grund ist, dass Menschen bei langfris tigem Homeoffice im Schnitt weiter weg von Innenstädten ziehen und län gere Pendeldistanzen in Kauf nehmen, um von günstigerem Wohnraum auf dem Land zu profitieren. Diese Theo rie lässt sich laut Marz auf den Ener gieverbrauch übertragen. Kurzfristig dürfte das Homeoffice Energiekosten im Unternehmen reduzieren. Mittelbis langfristig lässt sich auf diese Weise am Gesamtenergieverbrauch wenig aus richten, da Menschen ihren Wohnraum vergrößern und somit mehr Energie ver brauchen würden.
nicht nur bei Emissionen einen Effekt, sondern gelte bei den eingesparten fossi len Brennstoffen eins zu eins. Ratsam ist es daher, Beschäftigte einzelner Gebäu deteile oder Büroetagen ins Homeoffice zu schicken oder Arbeitsplätze zusam menzulegen, um leere Räumlichkeiten komplett runterzufahren.
Wie sieht es in der Praxis aus?
tur von 19 Grad vorgesehen. Dazu kom men Einsparungen bei ästhetischer Beleuchtung. Private Arbeitgeber dür fen vorgeschriebene Mindesttemperatu ren übergangsweise um ein Grad absen ken. Gasmangel und steigende Kosten zwingen Wirtschaft wie private Haus halte zu Sparmaßnahmen.
Als Mittel zum Zweck ist unter ande rem das Homeoffice im Gespräch. Es war schon einmal die Antwort auf eine Krisensituation, als pandemiebedingt Kontakte im Beruf reduziert werden sollten. Jetzt soll das Homeoffice also beim Energiesparen am Arbeitsplatz helfen. So stellt es sich jedenfalls Bun deswirtschaftsminister Robert Habeck vor. Medienberichten zufolge haben er und Kabinettskollegen sich im Sinne der Energiebilanz für mehr Arbeit von
Damit mobiles Arbeiten einem Unternehmen hilft, Energie zu spa ren, kommt es auf die Ausgestaltung an. „Wenn nur jeder zweite Angestellte im Homeoffice ist, ein Büro geheizt wird, das andere nicht, spart das nicht viel“, sagt Wissenschaftler Marz. Gleiches gilt, wenn Homeoffice an abwechseln den Tagen stattfindet – also einen Tag sind alle vor Ort, am anderen arbeiten sie von zu Hause. Die Einsparungen seien dann ebenfalls gering. Was mehr brächte, wäre, wenn Menschen einen ganzen Monat oder eine Woche nicht ins Büro kämen. Dann könnte es im Büro auch mal zwölf Grad kalt sein. Das habe
„Wir sehen, dass durch mobiles Arbeiten viele unserer Bürogebäude nicht ausgelastet sind“, sagt Jürgen Schirm, Leiter Interne Kommunikation bei der Deutschen Bahn. Es gebe kaum Bereiche, in denen die Mehrheit der Angestellten tatsächlich täglich im Büro sei; Ausnahmen seien lediglich betriebs relevante Einrichtungen wie Betriebs zentralen oder Leitstellen. Seit der Pan demie gehört mobiles Arbeiten bei der Bahn zum Alltag. In vielen Bereichen wird das Unternehmen daher je nach Situation Gebäudeteile und Stockwerke stilllegen.
Auf diese Weise lassen sich Hei zungs- und Stromkosten sowie der Auf wand für das Facility Management redu zieren. Das soll auf freiwilliger Basis in bestimmten Gebäuden umgesetzt wer den. Aktuell gibt es einen Vorläufer: den Silberturm in Frankfurt am Main. Dort beschäftigt die Bahn ihre IT-Sparte. Einige Etagen bleiben bereits geschlos sen. Auch für manche Gebäudeteile der Büros in Berlin am Hauptbahnhof ist das geplant. Wer einen Platz braucht, kon zentriert sich auf die noch zur Verfü gung stehenden Räume – und bekommt dann auch einen, Desksharing macht es möglich. Was Schirm bei der Kommuni kation wichtig ist: „Wir schicken damit niemanden ins Homeoffice. Die Leute
„Die Leute haben weiterhin die Möglichkeit, zwischen Homeoffice und dem Büro vor Ort zu wählen.“
Jürgen Schirm, Deutsche Bahn