Ausgabe 08/12 | Dezember 2012 | Helios Media Gmbh | Issn 1612-7668 | www.pressesprecher.com
Magazin für Kommunikation
presse sprecher PR-Manager
verdienen
64.185 €
im Jahr
Thema Geld
INHALT
08 202
presse sprecher 08/ 12
0 Agenda
„Absolute Mehrheit“: Während das Gros der Medien Kritik am Politainment-Format übt, gelingt es Prosieben-Liebling Stefan Raab Jugendlichen Politik näher zu bringen.
06 Agenda 06 Meldungen PRVA Staatspreis, Unternehmenswerte, Transparenz in Dax 30-Unternehmen 0 Kritisiert Stefan Raab versucht sich am Polit-Talk. Seine Sendung „Absolute Mehrheit“ spaltet die Nation. 4 Start-Up Zwei Berlinerinnen zeigen, wie man auch ohne PR-Strategie erfolgreich ein Unternehmen aufbauen kann. 6 Bekocht Fünf pressesprecherLeser gewannen ein privates Dinner bei Moderator Jörg Thadeusz.
18 Titel
28 Offen Anja Kohl darüber, warum Geld kein Tabu mehr ist, es vielen dennoch schwer fällt, darüber zu sprechen. 33 Wertvoll Die PR kann für ein Unternehmen einen enormen Wertbeitrag leisten. Warum es wichtig ist, diesen zu messen. 32 Analysiert Der Psychologe Peter Walschburger über den Stellenwert von Geld in unserer Gesellschaft. 4
8 Titel
Geld regiert nicht nur die Welt, sondern auch die PR. Wie sich der Stellenwert der Unternehmenskommunikation in konkreten Zahl ausdrückt und warum trotzdem niemand darüber spricht.
Coverfoto: dreamstime.com[M] Fotos: ProSieben / Willi Weber
20 Krise Das Budget der Zeitungen wird immer knapper. Auch die PR muss lernen, umzudenken.
INHALT
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46 Praxis
Das Auge gilt als das aufnahmefähigste Sinnesorgan. Wie wir unsere Körpersprache dazu einsetzen können andere nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell zu überzeugen.
36 Praxis 36 Die Meinungsführer Die meinungsstärksten Foren über Autos. 38 Bücher 40 Gemeinnützig Die Zahl der Stiftungen nimmt zu. Dabei unterscheiden sie sich in ihrer Form ebenso wie in ihrer PR. 44 Elektronisch MLP setzt auf eine digitale Kundenzeitschrift. Welche Vorteile dies für Corporate Publishing bietet. 46 Visuell Warum es wichtig ist, mit der eigenen Körpersprache zu überzeugen und worauf PR-Manager achten sollten.
50 Karriere 50 Meldungen 52 Seitenwechsler Was PR-Manager von Journalisten lernen können und umgekehrt. 56 Wechsel
60 Termine 62 Verband 60 Kommunikationskodex Der DRPR verabschiedet Standards für PR und Kommunikation.
Karikaturen Fotos: Stefan Verra; Fuzzbones | Dreamstime.com
6 Verhandelt Leistungsschutzrecht für Presseverleger. 62 Gefördert Der BdP präsentiert das Young Professionals Network. 64 Herzlich willkommen Der Bundesverband begrüßt seine Neumitglieder. 52 Karriere
Vom Journalismus in die PR und zurück: Was beide Branchen voneinander lernen können und warum sie sich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden.
66 Was war, was kommt Vergangene und künftige BdP-Veranstaltungen
70 Kein Kommentar 5
AGENDA
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Hohe Einschaltquoten, Spekulationen im Vorfeld und ein großes Medienecho: Raabs Sendung „Absolute Mehrheit“ spaltet die Nation. Dabei kann der Moderator besonders bei Jugendlichen punkten. Denn seine Show ist vor allem eins – PR für Politik.
k l a T t i l Po otal T
TEXT LUCIA DETTMER
Ein braunes, rundes Sofa, davor ein Perserteppich, im Hintergrund die stilisierte Skyline Kölns – in dieser Studioatmosphäre empfängt Stefan Raab die Gäste seiner TV-Show „Absolute Mehrheit“. Einer Polit-Talkshow, so scheint es auf den ersten Blick. Doch wer genauer hinschaut, der erkennt: Hier ist alles anders. Der überdimensionierte Bundesadler, der über dem Sofa hängt, lächelt. Kaum einer der Teilnehmer trägt eine Krawatte und auch sonst wirkt die Atmosphäre weniger steif, weniger ernst als von Maybrit Illner und Co. gewohnt. Nach Wok-WM, Turmspringen und Eurovision Song Contest hat sich Prosieben-Liebling Stefan Raab an den Polit-Talk gewagt und sich damit Kritik eingefangen. „Raab schlägt sich selbst“, titelte Focus Online, „Nur öder Politquatsch bei Stefan Raab“, das „Handelsblatt“. Dabei gelingt dem Moderator das, was Pädagogen und die Bundeszentrale für politische Bildung seit Jahren versuchen: Jugendliche mit Politik vertraut zu machen. So twitterte etwa eine junge Zuschauerin kurz vor der Sendung: „Ich werde heute meine erste Politiktalkshow schauen, und nur Stefan Raab bringt mich dazu.“ Schon im Vorfeld hatte es Spekulationen über die Teilnehmer gegeben. Erst beschwerte sich 10
der Grüne Volker Beck öffentlich über eine Ausladung, dann sagte Bundesminister Peter Altmeier öffentlich ab, schließlich nannte Bundestagspräsident Norbert Lammert die Sendung „absoluter Unfug“ – so viel Wirbel vorab wie bei Stefan Raabs „Absolute Mehrheit“ gab es um eine Politshow schon lange nicht mehr. Mit Wirkung: ,79 Millionen Zuschauer schalteten ein, als der Moderator zum Talk lud. Das sind rund 8 Prozent aller Fernsehzuschauer im Alter von 4 bis 49 Jahren – und ein weiterer Beweis dafür, dass Raab auch am späten Sonntagabend ein Garant für gute Quoten ist. Dabei driften die Meinungen über den Sinn und Zweck der Show auseinander. Im Interview mit Spiegel Online gab der Moderator an, das neue Format
»Ich bin kein Raab-Freund, aber er macht das auf seinem Niveau ganz munter und ich habe ein paar Mal herzlich gelacht«
Von links: Thomas Oppermann, Wolfgang Kubicki, Verena Delius, Stefan Raab, Michael Fuchs und Jan van Aken
AGENDA
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sei „eine Herausforderung, weil ich durchaus glaube, dass man die jungen Zielgruppen mit solchen Formaten wieder für Politik interessieren kann“. Kritiker entgegnen jedoch, dass der Inhalt dabei zu kurz komme. „Raab gab sich zwar schlagfertig, doch sein Talk blieb oberflächlich. Auch andere Talkshows haben ihre Schwächen, aber ‚Absolute Mehrheit‘ ist in jedem Fall am Schwächsten“, sagt Politikwissenschaftler und Kolumnist Jörg-Uwe Nieland. Dabei hatte der Sender eine „Neuerfindung
des Polit-Talks“ angekündigt. „Die Sendung ist unterhaltsam, bunt, aber auch ein wenig langweilig“, findet Walter van Rossum. Der Journalist und Autor hat sich bereits in mehreren Büchern dem Thema Polit-Talk gewidmet. „Ich bin kein Raab-Freund, aber er macht das auf seinem Niveau ganz munter und ich habe ein paar Mal herzlich gelacht.“ Schon der Vorspann der Show erinnert an frühere Gameshows des Entertainers. „3 Themen, 5 Meinungen, 00.000 Euro“, lautet der Slogan der Show, von der niemand so recht zu wissen scheint, welche Lücke sie im Programm schließen soll. Die geladenen Gäste CSU-Politiker Michael Fuchs, Thomas Oppermann von der SPD, Wolfgang Kubicki (FDP), Jan van Aken von der Partei Die Linke sowie die Unternehmerin Verena Delius diskutierten dabei über gleich drei Themen: Steuern, Energie und Internet. Nach jedem Themenblock konnten die Zuschauer via Telefon-Abstimmung entscheiden, wer in die nächste Runde kommt. Wer am Ende der Show mehr als 50 Prozent der Zuschauerstimmen für sich gewann, hat die „Absolute Mehrheit“ und bekommt 00.000 Euro – ein Gewinn, der dann gespendet werden soll. „Es waren die falschen Talkshowgäste und zu viele Themen auf einmal, da ging es nur um Phrasen und Stimmungsmache. Drei Themen in einer Show behandeln zu wollen, ist ein Konstruktionsfehler“, sagt Nieland. Die Gefahr sei dabei, dass eine falsche Botschaft gesendet werde – denn die Zuschauer stimmten
nach Sympathie ab und nicht nach Sachkenntnis oder Stärke der Argumente in der Diskussion. So zeigte sich auch, dass die Gäste bei Raab mit anderen Eigenschaften überzeugen mussten als bei der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz. Während der konservativ wirkende Fuchs und die zurückhaltende Delius schnell aus dem Rennen flogen, überzeugten Kubicki und van Aken das Publikum mit pro-
»Herr van Aken, stehen Sie eigentlich auf Sarah Wagenknecht?« fessioneller Gelassenheit. „Es ist interessant, dass der Mann von den Linken eine solche Chance hatte, in den üblichen Politshows wäre er die Beute der Mehrheit geworden“, sagt van Rossum. Persönlichkeit, so scheint es, zählt bei Raab mehr als der Diskussionsinhalt. Um bei „Absolute Mehrheit“ zu überzeugen, bräuchte es einen „gewissen Charme mit angedeutetem Kompetenzhintergrund“, so der Journalist. Und obwohl es sich keines der deutschen Leitmedien nehmen ließ, über Raabs Show zu berichten, fällt auf, wie wenig
Fotos: ProSieben / Willi Weber; Privat
TENEXPER NG M E IN U
Heiko Kretschmer Hans Bellstedt Geschäftsführer VorstandsHans Bellstedt mitglied und Ethikbeauftragter Public Affairs der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (de‘ge‘pol)
es dabei um Inhalte ging. „In den Kritiken wurde meistens vergessen zu erwähnen, wie wenig nachhaltig die Sendung ist. Kaum einer erinnert sich noch an die Themen oder die Argumente der Sendung, sondern lediglich an die Floskeln von Raab“, sagt Nieland. So begrüßte der Moderator Michael Fuchs etwa mit „Fuchs, wer hat die Gans gestohlen?“ und fragt van Aken provokant: „Herr van Aken, stehen Sie eigentlich auf Sarah Wagenknecht?“ Unterhaltsame Sprüche, die man von Raab gewohnt ist, die jedoch auch Kritik auf sich ziehen. „Prosieben und Stefan Raab haben in vielerlei Hinsicht die besten Grundvoraussetzungen. Allerdings fehlt das richtige Ziel: jungen Menschen mithilfe politischer Kontexte in ihrer Lebenswirklichkeit auf Augenhöhe zu begegnen. Es sollte nicht weiterhin davon ausgegangen werden, dass jeder Zuschauer dumm ist“, erklärt Andreas Schöpf, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Redaktion und Alltag, die das Jugendportal der Bundeszentrale für politische Bildung, Fluter, produziert. Auch Marie Kollenrott, Kreisvorstandssprecherin für den Wahlkreis Göttingen und Landtagskandidatin bei Bündnis 90/Die Grünen, sieht die vereinfachte Darstellung politischer Themen kritisch: „Es kann gut sein, dass die Sendung
Ralf Welt Clemens Draws Frank Behrendt Leitung Politische Vorstand fischer- Geschäftsführender GesellschafAppelt Kommunikation ter von dimap bei team m&m communications
Würden Sie Ihrem Mandanten empfehlen, bei „Absolute Mehrheit“ mitzumachen? Kann „Absolute Mehrheit“ zur Konkurrenz von Illner und Co. werden? Kann man durch die Sendung junge Leute für Politik begeistern? 11
AGENDA
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„Man sollte nicht versuchen, lustiger zu sein als der Moderator“
»Herr Raab macht vorsätzlich Unterhaltung, und das finde ich in Ordnung, während Illner und Konsorten so tun, als ob sie ernsthafte Politik machen.« gerade jüngere Leute anspricht. Meine Erfahrung ist jedoch, dass sich auch Jugendliche ernsthaft mit Themen auseinandersetzen wollen.“ Prosieben zeigt sich derweil gelassen gegenüber der Kritik – und punktet mit Transparenz. Auf der eigens eingerichteten Webseite veröffentlicht der Privatsender eine Übersicht aller Medienberichte, sowie Kommentare aus den sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Und steht auf diese Weise offen dazu, dass das Gros der Zuschauer das Politainment-Format negativ beurteilt. Denn trotz der kritischen Stimmen scheint der Sender seinen eigenen Ansprüchen gerecht 12
geworden zu sein. „Herr Raab macht vorsätzlich Unterhaltung und das finde ich in Ordnung, während Illner und Konsorten so tun, als ob sie ernsthafte Politik machen“, sagt van Rossum. Für manche Zuschauer sei die Vereinfachung von Inhalten von Vorteil, um zumindest einen ersten Eindruck von politischen Themen zu bekommen, so der Journalist. „Raab will Illner und Co. nicht kopieren. Es geht darum, den Leuten auf einem ganz einfachen Niveau einen Einstieg zu bieten“, sagt Enno Lenze, Pressesprecher der Piratenpartei Berlin. „Für viele Leute sind die Politik und ihr eigenes Leben zwei Welten, aber denen dann überhaupt zu zeigen, dass das miteinander zusammenhängt, finde ich sehr wichtig“, sagt Lenze. Ein bisschen Spaß, ein wenig Politik, ein wenig Gewinnspiel – mehr sollte von der Raab-Sendung nicht erwartet werden. Gelingt es dennoch, jungen Leuten auf diese spielerische Art Politik näher zu bringen, ist dies umso besser. Ende Januar ist die zweite Auflage der Sendung geplant. Dann wird sich zeigen, ob das Medieninteresse an Raabs neuestem Projekt anhält und auf lange Sicht mehr bieten kann als seichte Unterhaltung.
Beispiel im Bundestag oder in Interviews, unterhaltsam sind und Positionen und Pointen nebeneinander stellen können, ohne unglaubwürdig zu erscheinen. Diese Personen würde ich persönlich gerne und oft in solche Formate schicken. Wer das jedoch nicht kann, der sollte der Sendung besser fernbleiben. Wie kann ein Gast in Raabs Sendung überzeugen und am Ende die absolute Mehrheit erhalten? Zunächst sollte man nicht versuchen, lustiger zu sein als der Moderator. Entscheidend ist, dass man die schnellen Wechsel zwischen Spaß und Ernst, zwischen Lacherfolg und seriösem Statement hinbekommt. Aus meiner Sicht muss ein Gast in dieser Talkshow in erster Linie schnell und flexibel sein. Denn gerade das junge Publikum, das bei Raab primär angesprochen wird, ist auf Tempo eingestellt. Man muss pointiert agieren, darf aber trotzdem nicht unseriös werden. Inwiefern muss man als Politiker aufpassen, dass man während und nach einem Showauftritt nicht nur noch als „Gag“ wahrgenommen wird? Die Herausforderung für Politiker, wenn sie sich in ein solches Format begeben, besteht darin, eine Balance zwischen Unterhaltsamkeit und Seriosität zu finden. Wenn Politiker an Shows teilnehmen, müssen sie immer schauen, dass sie diese Balance herstellen. Andernfalls laufen sie Gefahr, auf dem medialen Glatteis von Spaß, Unterhaltung und Humor auszurutschen und zum Gespött zu werden. Gibt man sich zu albern, dann droht das Schicksal, dass man in einer Spaßkultur verheizt wird und schwere Imageschäden erleidet. Bleibt man zu ernst und trocken, gilt man als ‚Spaßbremse‘. So ist es etwa Barack Obama vor zwei Jahren bei Jon Stewart in der „Daily Show“ ergangen. Insofern ist tatsächlich die Balance entscheidend. Interview Anna Heptner
Andreas Dörner ist seit 2004 Professor für Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Er arbeitet außerdem als freiberuflicher Politik- und Kommunikationsberater. 2001 ist sein Buch „Politainment“ erschienen.
Fotos: ProSieben / Willi Weber; Privat
Stefan Raab hat gut lachen: Er gilt für Prosieben als Quotengarant
pressesprecher: Stefan Raab will mit seiner TV-Show „Absolute Mehrheit“ eine neue Art des PolitTalks etablieren. Inwiefern kann das Format tatsächlich das Interesse von jungen Menschen an der Politik steigern? Andreas Dörner: Die Quote war gut, die Presse eher schlecht. Grundsätzlich hat die Show das Potenzial, Jugendliche zu erreichen und damit auch deren Interesse an Politik zu steigern. Allerdings bin ich nach der ersten Sendung noch skeptisch, ob sie in dieser Form gut und innovativ genug ist, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Vieles wirkte noch steif und konventionell. Die Differenzqualität zu den herkömmlichen Talkshow-Formaten war nicht besonders greifbar. Man wird noch schrauben müssen. Gestaltet man die Sendung noch ein bisschen spritziger und jugendgemäßer, kann sie durchaus auf Dauer bei jungen Leuten erfolgreich sein. Sie haben in Ihren Forschungsarbeiten einen Begriff für die Verbindung von Unterhaltung und Politik definiert: Politainment. Wie lässt sich das am Beispiel von „Absolute Mehrheit“ erklären? Mit Politainment ist eine unterhaltsame Rahmung politischer Kommunikation gemeint. Sie erfolgt meist im Einverständnis zwischen Medien und politischen Akteuren. Beide Seiten profitieren von der Zusammenarbeit. Die Medien steigern durch die Präsenz der Politiker die Quote und die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung. Gleichzeitig bekommen die Gäste Zugang zu einem großen Publikum, das sich sonst nicht so sehr für Politik interessiert. Erklärtes Ziel von Raabs Sendung ist es, eingefahrene Wege zu verlassen. Die Unterhaltung steht im Vordergrund und die Kombination von Talk- und Gameshow stellt eine ehrlichere Variante des Politainments dar als herkömmliche Polit-Talks. Mit der Möglichkeit des Votings will man außerdem das junge Publikum an Bord holen. Wann empfiehlt es sich, als Gast in die Sendung zu kommen? Das hängt immer vom Typus des politischen Akteurs ab. Überzeugend wirken jene, die sich nicht verstellen müssen, um unterhaltsam zu sein. Diejenigen, die auch sonst, zum
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TITEL
presse sprecher 08/ 12
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THEMA GELD
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Die Medienbranche ist in der Krise. Was bedeutet das für die Public Relations? Sieben Thesen.
Die Krise als Chance
TEXT WENDELIN HÜBNER
Die Lage ist ernst. Das Geld zum Zeitungmachen wird immer knapper. Unter Deutschlands Medienmarken hat eine gnadenlose Auslese begonnen, namhafte Blätter werden eingestellt oder müssen radikal sparen. Der Herbst 202 markiert zwar keineswegs das Ende des Journalismus. Doch Medienmacher haben einen Umbruch zu managen, der Auswirkungen hat auf die Art, wie Journalismus produziert und konsumiert wird. Veränderungen, die auch die Arbeit von PR-Leuten betreffen werden. Um gewappnet zu sein, sollte die PR-Branche daher aus der Schieflage, in der sich Teile der Medienbranche befinden, Rückschlüsse für ihre eigene Zukunft ziehen – und ihre neuen Chancen nutzen.
----------------1 Nicht mehr Inhalte sind gefragt, sondern bessere Viele Medien haben im Internet jahrelang publiziert nach dem Mot20
to: Viel hilft viel. Will sagen: Je mehr Content, desto mehr Klicks, desto mehr Werbeeinblendungen, desto mehr Einnahmen. Hier noch eine 2.24 Bilder lange Nackedei-Klickstrecke, dort noch ein überflüssiges DSDS-Quiz. Dummerweise hat das billige Infotainment die journalistische Relevanz von Online-Medien in vielen Fällen herabgesetzt. Jetzt, wo Verleger händeringend nach Online-Bezahlmodellen suchen, rächt sich das. Der Leser hat sich an die Kostenloskultur des Netzes weitgehend gewöhnt (zumindest, was Informationen angeht, trifft das zu; Geld ausgegeben wird bei iTunes, in App-Stores oder für E-Books). Den Preis, den Leser für schnellen Nachrichtenkonsum zu bezahlen bereit sind, sind die lästigen Werbebanner, die sie überall erschlagen. Es wird womöglich ein Weilchen dauern, bis der Leser ausreichend Vertrauen gesetzt hat in ein neues journalistisches Relevanzversprechen im Internet, bis er bereit ist, für bestimmte Content-Segmente zu zahlen. Auch für die PR gilt: Nicht mehr Inhalte sind gefragt, sondern bessere. Journalisten sollten nicht mit unzähligen, nichts sagenden Pressemitteilungen bombardiert,
sondern durch wenige, originelle Geschichten überrascht werden. Das gilt auch für das Bespielen von Unternehmens-Webseiten und Social-Media-Kanälen. Menschen haben wenig Zeit und brauchen gut aufbereitete, einordnende Informationen. Marken, die ihrem Content mehr Substanz einhauchen, erfahren mehr Aufmerksamkeit durch Kunden und Journalisten.
----------------2 PR-Schaffende werden zu ContentProduzenten Durch die jüngsten Sparmaßnahmen in den Verlagen werden in den nächsten Monaten verstärkt Journalisten in die PR drängen. Das kommt der Branche zugute; PR bedeutet immer weniger das Platzieren von einzelnen Botschaften, sondern zunehmend das Entwickeln und Erzählen von Geschichten, das Produzieren von gut gemachtem Content wie Filmen, Fotos, Infografiken, Interviews.
Erfahrene, kreative Journalisten können der PR-Branche helfen, zum nützlichen Content-Lieferanten zu werden. Inhalte, die unter Zeitdruck stehenden Redaktionen helfen, schnell und zielgerichtet zu arbeiten, werden ihre Abnehmer finden (was nicht bedeuten muss, dass Redaktionen dadurch ihre Unabhängigkeit aufgeben). Und wenn Verlage auch online verstärkt auf Bezahlmodelle setzen, wird es auf weniger flüchtigen, dafür mehr analytischen Journalismus ankommen. Unternehmen, die oftmals Hüter einer Fülle von Daten sind, könnten sich hier als willkommene, hilfreiche Zuarbeiter erweisen.
----------------3 PR braucht Spezialisten Die Sparzwänge in den Redaktionen haben dazu geführt, dass viele Redakteure in die Rolle des Generalisten gedrängt wurden. Jetzt können sie vieles, aber nichts so richtig: ein bisschen Agenturmeldungen zusammen schubsen, ein
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bisschen Bildbearbeitung, ein bisschen Video-Schnitt. Das Ergebnis: Mittelmaß, Einheitsbrei, kaum Kreativität. Es gibt Medien, die haben ganze Journalisten-Generationen verhunzt. Weil sie ihnen Agenturhörigkeit eingebläut und eigene Recherche als Zeitverschwendung abgetan haben. Wenn Online-Medien aber mit gründlich recherchierten, intelligent aufgeschriebenen und ansprechend aufbereiteten Online-Geschichten Geld verdienen wollen, müssen sie wieder Raum schaffen für Spezialisten: Der Reporter bleibt Reporter, der Fotoredakteur bleibt Fotoredakteur. Das Ergebnis wird ein besserer Journalismus sein. Natürlich braucht es aber auf Leitungsebene Figuren, die von allen Bereichen Kenntnisse haben, am besten auch von Medienökonomie. Ein Prinzip, das auch für die PR-Branche gelten muss. Eine PR-Abteilung oder -Agentur sollte besetzt sein mit einigen wenigen Generalisten und mehreren Spezialisten. Wer bestimmtes Knowhow intern nicht zur Verfügung hat, sollte es extern einkaufen. Das spart Zeit und kostet meist weniger Geld, als wenn sich eigene Mitarbeiter regelmäßig in neue Themen einarbeiten, die ihnen womöglich nicht liegen oder gar ihre Kernkompetenzen verwässern.
----------------4 PR braucht Content-Strategen Medien müssen sich regelmäßig mit der Frage auseinandersetzen, was für ein Bild der Leser von ihrer Marke hat. Die Wahrnehmung von Marken wandelt sich rascher als manch ein Verlagsmanager denkt. Wenn die „Frankfurter Rundschau“ ihren Mantelteil aus Kostengründen in Berlin produzieren lässt, schwindet das Vertrauen der Leser. Starke Marken bauen dagegen Vertrauen nachhaltig auf. Das gelingt auch Unternehmen, sofern sie über ihre Online-Kanäle exzellente Inhalte verbreiten. Dazu bedarf es ContentStrategen, die die übergeordneten Kommunikationsziele eines Unternehmens identifizieren und den PR-, Marketing- und Social-Media-Abteilungen vorgeben. Dazu 22
DURCHSCHNITTLICH SIND
12 VOLLZEITKRÄFTE MIT PRAUFGABEN BETRAUT. 17,3 BEI UNTERNEHMEN; 7,1 BEI INSTITUTIONEN UND 4,5 PERSONEN IN VEREINEN UND VERBÄNDEN. (QUELLE: PROFESSION PRESSESPRECHER 2012)
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müssen keine teuren Agenturen beauftragt werden; es geht darum, vorhandene Ressourcen besser zu nutzen, Inhalte enger abzustimmen und langfristiger zu planen.
----------------5 Lehrer und Verkäufer haben ausgedient Journalisten rümpfen gerne die Nase über Unternehmen, die sich dem Dialog mit ihren Kunden verweigern. Dabei besteht für viele Zeitungen die Leser-Kommunikation bis heute im Abdrucken von einer Handvoll Leserbriefen. Die Krise der Medien rührt auch daher, dass sie in vielen Teilen an ihren Lesern vorbeischreiben. Dabei bietet das Publizieren im Internet zahlreiche Möglichkeiten, den Leser mit einzubeziehen. Ein Online-Artikel könnte etwa durch Leserhinweise ergänzt und aktualisiert werden; in der Realität werden aber auch von den Online-Medien Leser-Kommentare weitgehend ignoriert. Unternehmen haben den Medien in puncto lebendiger Kundendialog oft sogar etwas voraus; immer mehr PR-Abteilungen bespielen mittlerweile ganz selbstverständlich die Social-Media-Klaviatur. Der Paradigmenwechsel in der Kundenkommunikation – ausgelöst durch Facebook, Twitter, Blogs – bestätigt sich: Wer als Kommunikator arbeitet, sei es als Journalist, sei es als PR-Manager, darf nicht wie ein Lehrer oder Verkäufer auftreten, sondern muss sich auf Augenhöhe mit seinen Gesprächspartnern befinden. Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, Inhalte zu transportieren und mit
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dem Rezipienten in den Dialog zu treten. Content-Produzenten müssen gewillt sein herauszufinden, was Kunden wirklich interessiert. Wer nicht bereit ist für diesen Dialog, gerät auf die Verliererstraße, das gilt für Medien wie für Unternehmen.
----------------6 Medien und PR sind aufgefordert zur Transparenz Journalisten müssen sich regelmäßig mit der Frage auseinandersetzen, ob sie sich bestechlich machen durch die Einladung zu einer Pressereise oder die Annahme eines Geschenks. Einige Redaktionen haben entsprechende Kodizes, die aufschlüsseln, was ein Mitarbeiter annehmen darf und was nicht. Die Realität ist, dass Einladungen und Geschenke oft die notwendige Vorraussetzung für Berichterstattung sind. Redaktionen sollten daher offenlegen, welche Beiträge oder Recherchereisen durch Einladung von Unternehmen und Verbänden ermöglicht wurden. Sie sollten ihren Lesern erklären, warum das Budget für Recherchen manchmal nicht reicht, und sie einbeziehen in der Frage, welche Berichterstattung es wert ist, sie durch PR-Abteilungen finanzieren zu lassen. Solche Transparenz schafft Glaubwürdigkeit für die Medienmarke, aber auch für das Unternehmen, das die Recherche finanzierte. Journalisten und PRLeute sind aufgefordert, an diesem Punkt gemeinsam den Dialog zu suchen mit Lesern und Kunden. So entkräften sie deren (berechtigten) Verdacht, Unternehmen wollten sich wohlwollende Berichterstattung erkaufen und Medien seien korrumpierbar.
----------------7 PR braucht ein besseres Verständnis von Technologie Das Dilemma der Zeitungsbranche besteht zu einem Gutteil darin, dass einige Verleger glaubten, sie könn-
ten das Internet aussitzen. Aber das Internet geht nicht wieder weg. Dafür hat es die Art, wie Menschen Informationen aufnehmen und verbreiten, grundlegend verändert. Eine Mischung aus Hochmut, Ignoranz und Naivität hat Zeitungsmacher zu lange blind gemacht für die Potenziale, die das Internet und seine Verbreitungswege für Zeitungsmarken mit sich bringen. Jetzt versuchen einige, Versäumnisse aufzuholen, und engagieren SEO-Spezialisten, bauen IT-Entwicklungsabteilungen auf, gründen Social-Media- und iPad-Redaktionen. In einigen Fällen womöglich zu spät. PR-Verantwortliche sollten tunlichst vermeiden, den gleichen Fehler zu machen, und rechtzeitig jedwedes Know-how heranziehen, das für das Verständnis der digitalen Mechaniken nötig ist. Klar, das kostet Geld, ist aber allemal günstiger, als zu einem späteren Zeitpunkt alle Versäumnisse auf einen Schlag aufholen zu müssen.
----------------Fazit Der Untergang des Abendlandes ist noch fern. Aber die Zyklen, in denen sich Technologien wandeln, werden immer kürzer. Darauf muss sich die Medien- und Kommunikationsbranche fortan besser einstellen. Wer lamentiert, verliert. Wer sich aufrafft, Lösungen zu finden, ist auf einem guten Weg. Journalisten und PR-Schaffende kommen außerdem nicht umhin, sich mit Kostenmanagement auseinanderzusetzen. Und vor allem müssen sich beide Branchen regelmäßiger ungemütlichen Selbstprüfungen stellen, sich Fragen nach ihrem Selbstverständnis und ihrer Relevanz beantworten. Ansonsten gucken sich in ein paar Jahren wieder alle erschrocken an und fragen: Wie konnte es nur so weit kommen?
Wendelin Hübner lebt als freier Journalist in Berlin und ist Gründer der Redaktionsagentur Markengeschichten. www.markengeschichten.de
Foto: Privat Illustratioinen: www.dreamstime.com[M]
TITEL
PRAXIS
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Das Auge ist das aufnahmefähigste Sinnesorgan des Menschen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Körpersprache zu überzeugen.
„Menschen sind Augentiere“
TEXT STEFAN VERRA
Barack Obama oder Mitt Romney. Für wen hätten Sie sich entschieden? Viele hätten wohl für Obama gestimmt. Aber: Was hat der Präsident tatsächlich gesagt, so dass wir ihm voller Vertrauen das mächtigste Amt der Welt gönnen? Wenn wir ehrlich sind, wissen wir es nicht genau. Wir kennen zwar Wahlversprechen wie die Gesundheitsreform und die Schließung von Guantanamo, aber mehr ist den meisten nicht bekannt. Auch wenn Obama nicht alle Versprechen in seiner ersten Legislaturperiode gehalten hat, böse sind wir 46
deshalb nicht. Denn wir haben uns schon vorher entschieden: Obama ist uns sympathisch. Wir haben ihn positiv im Gehirn abgespeichert und lassen deshalb Gegenteiliges nur sehr schwer zu. Wir sehen eine Person, nehmen deren Signale wahr und treffen blitzschnell eine Entscheidung: Wirkt dieser Mensch eher gefährlich oder trägt er zu meiner Sicherheit bei? Anders gesagt, fühle ich mich von ihm verstanden? Diese Entscheidung wird extrem schnell getroffen. Wir erblicken eine Person, und schon nach
250 Millisekunden haben wir ein Urteil gefällt. Ab diesem Zeitpunkt sind wir bereit, abzuwehren oder offen zu sein. Das passiert vor-bewusst – noch bevor wir es bewusst überhaupt erklären können. Die Erklärung liefert unser Bewusstsein aber immer nach. Indem es von nun an bevorzugt jene Aussagen aufnimmt, die in die erstgetroffene Entscheidung passen. Deswegen fällt es Obama-Sympathisanten schwer, sich an negative Aussagen von ihm zu erinnern. Das heißt: Bevor es uns bewusst ist, haben wir eine Entscheidung getroffen. Und diese bestimmt, wie wir die Inhalte der Worte dieser Person wahrnehmen. Konrad Adenauer drückte es so aus: „Meine Meinung steht fest. Irritieren
Sie mich nicht durch Tatsachen!“ Bevor Sie also mit Ihren Worten punkten können, muss zunächst einmal Ihre Erscheinung überzeugen. Das Gegenüber sollte Sie schon positiv einordnen, bevor Sie anfangen zu reden. Frei nach Niccolò Machiavelli: „Bevor Sie gut sind, müssen Sie gut erscheinen.“ Wie kommen wir nun zu dieser ersten Grundsatzentscheidung?
Augen liefern Gehirn die meisten Daten
Dafür braucht unser Hirn Informationen. Diese bekommt es über die fünf Sinnesorgane: Augen, Haut, Ohren, Nase und Mund. Pausenlos werden über diese Kanäle Daten geliefert. Dabei ist die Datenmenge höchst ungleichmäßig auf diese Organe verteilt. Das heißt, nicht jeder Kanal liefert die gleiche Menge an Informationen. Über welches der Sinnesorgane gelangt die größte In-
PRAXIS
Illustrationen: Stefan Verra
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formationsmenge ins Gehirn? Es sind die Augen. Pro Sekunde sind es circa 0.000.000 Bits. Das entspricht ungefähr einem Datenvolumen von 0.000 Buchseiten. Diese Menge beinhaltet das bewusst und das unbewusst Gesehene, wobei die unbewussten visuellen Eindrücke den weitaus größeren Teil ausmachen. Das zweitaufnahmefähigste Organ ist die Haut. Die Datenmenge, die die Rezeptoren der Haut ans Hirn weiterleiten, liegt bei rund .000.000 Bits. Also nur ein Zehntel der Informationen, die über die Augen ankommen. Die Ohren kommen erst an dritter Stelle, mit bescheidenen 00.000 Bits. Ähnlich aufnahmefähig ist übrigens die Nase. Um es zu verdeutlichen: Der Inhalt Ihrer Worte ist dem Hirn ähnlich wichtig wie das Deo, das Sie benutzen. Wir sind also tatsächlich „Augentiere“. Die unglaublich große Datenmenge, die wir visuell aufnehmen, trägt den größten Anteil dazu bei, wie wir unsere Umwelt einschätzen. Und auf die Augen wirkt nun mal die Körpersprache. Die erste Einschätzung basiert zum größten Teil auf visuellen Informationen. Daraus folgt eines der wichtigsten Prinzipien der Körpersprache: Territorialverhalten. Das Erste, was Menschen von einem anderen Lebewesen erblicken, ist die Silhouette. Das war für die Urmenschen wichtig. Denn vor einem Säbelzahntiger wegzulaufen war wichtiger als vor einem Marienkäfer. Je größer ein Lebewesen ist, desto mehr Bedrohung geht potenziell von ihm aus. Jetzt werden Sie sagen: „Ein Skorpion kann auch gefährlich sein.“ Stimmt, aber bis sie den gesehen haben, ist die Elefantenherde schon über Sie drübergelaufen. Beim Menschen ist das ähnlich: Große Menschen können im ersten Moment bedrohlicher wirken. Aber Sie vermitteln im ersten Augenblick auch mehr Kompetenz und Sicherheit. Kann es Zufall sein, dass der weitaus größte Teil aller amerikanischen Präsidenten größer war als der na-
tionale Durchschnitt? Frauen suchen weltweit bevorzugt Männer, die größer sind als sie selbst. Größe verspricht eben Kraft und Sicherheit. Wenn ein Säbelzahntiger daherläuft, erhoffen Sie sich von Vitali Klitschko einfach mehr Hilfe als von dem ,54 Meter großen Sänger Prince. Nun können Menschen an ihrer Größe nicht viel ändern. Aber wir können den Raum definieren, den wir einnehmen. Je mehr Raum wir einnehmen, desto höher ist die Aufmerksamkeit, die wir bekommen. An zwei Extremen kann man das gut erkennen. Ein sehr breitbeiniger Stand vermittelt allen anderen Anwesenden: „Ich nehme mehr Raum ein, als mir zusteht.“ Das ruft in den allermeisten Fällen sofort negative Gefühle hervor. Zudem muss man wissen, dass Menschen immer dann breitbeinig stehen, wenn sie drohen umzufallen. Zum Beispiel auf einem Boot bei Wellengang oder in einem wackligen Bus. Auch bei drohenden Angriffen stellen wir uns breitbeinig auf. So gibt es Berufsgruppen, die das bevorzugt machen, zum Beispiel Polizisten und Türsteher. Wenn ein Mensch nun häufig in seinem Leben „um seinen Stand kämpfen muss“, kann es sein, dass diese Haltung zu seiner bevorzugten wird. Wenn jemand also sehr breitbeinig dasteht, vermittelt das immer auch, dass diese Person im Moment um den eigenen Stand kämpfen muss. In vielen Situatio-
DATENMENGE, DIE SINNESORGANE PRO SEKUNDE AUFNEHMEN KÖNNEN SINNESORGAN
BITS/SEC
ANTEIL
Augen
10.000.000
89 %
Haut
1.000.000
8,9 %
Gehör
100.000
0,9 %
Geruch
100.000
0,9 %
Geschmack
1.000
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Quelle: Tor Norretranders
nen, in denen es darum geht, Menschen für sich zu gewinnen, ist das eine nachteilige Haltung. Das Gegenteil ist der Fall bei sehr engem Stand. Beine und Schuhspitzen eng beieinander zeigt an, dass sich diese Person nicht traut, Raum in Anspruch zu nehmen. Damit kann man vielleicht sympathisch rüberkommen, weil nicht gefährlich, aber Kompetenz und Sicherheit werden so nicht ausgestrahlt. Kein Stand ist also per se gut oder schlecht. Die zentrale Frage ist immer: Was will ich kommunizieren?
Halten Sie eine Pressekonferenz ab oder führen Sie ein Interview, sollten Sie daher versuchen, zwei Dinge zu vermitteln: Ich bin standfest und nehme gleichzeitig niemandem etwas weg. In den oben genannten Situationen wäre ein hüftbreiter Stand mit leicht (!) nach außen gewendeten Fußspitzen eine gute Position.
»Ein sehr breitbeiniger Stand vermittelt allen anderen Anwesenden, dass ich mehr Raum einnehme, als mir zusteht«
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PRAXIS
presse sprecher 08/ 12
Wenn ein Unternehmen tolle Ergebniszahlen präsentiert oder eine Firma ein Wahnsinnsprodukt auf den Markt bringt, ist es wichtig, Journalisten und Kunden zu überzeugen. Der Sender der Botschaft muss Begeisterung ausstrahlen, um Begeisterung zu ernten. Denken Sie an den Spruch des Heiligen Augustinus: „Wer nicht brennt, kann nicht entzünden.“ Das heißt nicht, dass Sie auf dem Tisch tanzen müssen. Aktivität sollten Sie aber schon signalisieren. Wichtig sind dabei die Hände. Je höher die Hände, desto mehr Aktivität strahlen Sie aus. Die Bandbreite reicht von herunterhängenden (Inaktivität) bis hoch über dem Kopf fuchtelnden Händen (übertriebene Aktivität = Hysterie). Wenn ein Fernsehmoderator etwas Weltbewegendes präsentiert, dabei aber seine Hände teilnahmslos an den Seiten hängen lässt, glauben wir seinen Worten weniger, als wenn er seine Hände etwas höher hält – ungefähr auf Gürtelhöhe. Achtung: Die Hände weiter oben (Brusthöhe) vermittelt ein Schutzbedürfnis. Beobachten Sie gute TV-Moderatoren – meist haben sie eine oder sogar beide Hände im „aktiven Bereich“. Der zweite Körperteil, der Aktivität versprechen sollte, sind die Augen. Achten Sie darauf, Ihre Augen, Augenbrauen und Stirn bei wichtigen Punkten Ihrer Rede oder Ihres Vortrags riesengroß zu öffnen. Mit dieser Offenheit öffnen Sie auch andere Menschen. Halten Sie die Hände im aktiven Bereich und setzen Sie Ihre Augen bewusst ein. Sie versprechen mehr Aktivität und wirken begeisternder.
Sichtbarkeit von Augen, Mund und Händen
Die Augen sollten nicht nur riesengroß, sondern, wie die Hände, auch „sichtbar“ sein. Das Hirn Ihres Gesprächspartners verlangt das. Das liegt daran, dass nicht alle Körperteile in unserem Gehirn gleich 48
»Achten Sie auf Sichtbarkeit von Augen, Mund und Händen. Sie wirken damit offener und vertrauenswürdiger« „prominent“ repräsentiert sind. Manche Körperteile aktivieren im motorischen und sensorischen Kortex ein größeres raumzeitliches Erregungsmuster als andere. Prinzipiell gilt: Je besser wir einen Körperteil bewegen können und je sensibler wir mit ihm umgehen, desto mehr ist er im Hirn präsent. Augen, Mundbereich und Hände sind besonders gut abgebildet. Für die Kommunikation gilt deswegen: Wir suchen diese Körperteile unbewusst auch bei unserem Gegenüber. Ein Beispiel: Ihr Gegenüber trägt eine Sonnenbrille. Wie wirkt diese Person auf Sie? Sie werden den Blick in die Augen missen, denn daraus zieht das Gehirn wichtige Informationen, um diese Person einzuschätzen. Achten Sie also darauf: Auch wenn breite Bügel bei Brillen im Allgemeinen hip sein mögen, von zu vielen Blickwinkeln kann man die Augen nicht sehen. Gönnen Sie Ihrem Gesprächspartner den Blick auf Stirn und Augen.
Die Mundpartie spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Lippen sollten unbedingt sichtbar sein. Der freie Blick auf die Lippen erhöht die Verständlichkeit der Worte. Schließlich lesen wir viele Worte von den Lippen ab und unsere Augen wandern im Gespräch permanent zwischen Mund und Augen unseres Gegenübers hin und her. Halten Sie also die Hand beim Sprechen nicht vor den Mund. Auch bei Präsentationen im Sitzen sollten Sie aufpassen, dass der Laptop nicht das Gesicht verdeckt. Das Zuhören wird so unnötig erschwert. Achten Sie deshalb auf Sichtbarkeit von Augen, Mund und Händen. Sie wirken damit offener und vertrauenswürdiger.
Wann wir uns abwenden
Wollen Sie wissen, ob Ihr Gegenüber an Ihren Ausführungen interessiert ist? Achten Sie auf dessen Sinnesorgane. Wie eingangs erwähnt, hat unser Hirn fünf Zugangskanäle. An diesen Organen lässt sich ablesen, wie aufmerksam das Gegenüber ist. Ein Beispiel: Kinder schauen einen Film oft mit großen Augen und offenem Mund an. Sie sind ganz begeistert und wollen viele Informationen aufnehmen. Wenn der Bösewicht die Szene betritt, verdecken sie Mund und Augen blitz-
schnell. Ein Mehr an Informationen ist in diesem Moment nicht erwünscht. Auch Ohren und Nase wenden wir in unangenehmen Situationen ab. Diese Organe sind zwar nicht sehr beweglich. Aber wir können den Kopf wegdrehen oder halten uns die Ohren zu. Sogar die Haut kann Aufschluss über Interesse oder Desinteresse liefern. So verdecken wir bei einem Gefühl des Unbehagens sensible Hautpartien, zum Beispiel die Arm-Innenseiten oder den Hals. Wir drehen dann jene Hautareale nach außen, die unempfindlicher sind. Bevor Sie jetzt jedoch in Ihrer Umgebung jede Geste tiefenpsychologisch analysieren: Körpersprache muss immer als Gesamtheit gesehen werden. Verschränkte Arme können natürlich ein Signal der Zurückhaltung sein. Es kann aber auch einfach bedeuten, dass das Gegenüber friert oder einen Fleck verstecken will. Um Körpersprache richtig zu deuten, müssen mindestens drei Signale in die gleiche Richtung deuten.
Stefan Verra ist Experte für Körpersprache und Dozent an der Steinbeis Hochschule Berlin. Für zahlreiche Medien analysiert er Mimik, Gestik und Haltung von prominenten Persönlichkeiten. Zudem ist er Autor des Buches „Die Macht der Körpersprache im Verkauf“. www.stefanverra.com
Illustration: Stefan Verra Foto: Studio Trizeps - Langoth & Falln Josef Fallnhauser
Begeisterung ausstrahlen
presse sprecher 08/ 12
FROHE FEIERTAGE UND EINEN GUTEN RUTSCH! DER NÄCHSTE PRESSESPRECHER KOMMT ANFANG FEBRUAR. 70
Foto: Sarah Heuser
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