Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 03/12 | Mai 2012 | 7,20 Euro
www.politik-kommunikation.de
Mobil Wie die mächtige Automobil-Lobby ihre Interessen durchsetzt PUBLIC AFFAIRS 30
Agil Wie die Großmacht China ihre Kultur zur Imagepflege einsetzt INTERNATIONAL 58
Alles Fake Wenn Bürgerdialog nur PR ist
Inhalt
politik&kommunikation 3/12 – Mai 2012
14 Nur mal drüber reden
30 Ein Auto für jeden
58 Von Peking bis Schweden
Der Bürgerdialog der Bundeskanzlerin ist mehr Regierungs-PR denn ein Angebot zur Partizipation – sagen Kritiker. Zu unverbindlich sei die Aktion.
Die Automobilbranche ist immer noch das Herzstück der deutschen Wirtschaft, und ihre Akteure sind gut vernetzt – p&k analysiert die Machtstrukturen in der Verkehrspolitik.
China will seinen Einfluss in der Welt ausbauen. Wichtiger Teil der Strategie sind die Konfuzius-Institute – p&k zeigt, wie die „sanfte Machtausdehnung“ funktioniert.
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36 Die Flottenlobby mit dem Propaganda-Kino Rüstungs-Campaigning im Kaiserreich von Marco Althaus 38 Gesetz des Monats Neue Regeln zur frühen Beteiligung der Bürger an großen Bauvorhaben von Julia Haneke
54 Stammeskriege Polit-Machtkämpfe in Schottland von David Torrance 58 Sanfte Machtausdehnung „Konfuzius-Institute“ sollen Chinas kulturellen Einfluß erweitern von Falk Hartig
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Meldungen FDP-Chef kommt auf fünf Prozent, Piraten klagen in Karlsruhe
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12 Direktwahl der Ministerpräsidenten? Pro und Kontra von Hans Herbert von Arnim und Georg Schmid 14 Manege frei Die Bürgerdialoge der Politik von Christina Bauermeister 20 Gewinnerthema Euro-Krise Die Euro-Krise zeigt die Grenzen politischer Kommunikation von Max A. Höfer 22 Top-down hat ausgedient Flache Hierarchien für bessere Politik von Mark T. Fliegauf 23 „Netzwerke konsequent abgelehnt“ Interview mit Volker Reinhardt über den Machttheoretiker Machiavelli von Sebastian Lange ������ �������
24 Die fetten Jahre sind vorbei Die Wulff-Affäre hat Folgen für das Polit-Sponsoring von Christina Bauermeister 30 Die Radler greifen an Das Politikfeld Verkehr von Felix Fischaleck 2
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40 Kompakt ������
42 Rhetorik ������
44 Kompakt 45 „Macht macht sexy“ Interview mit Ursula Kosser über Macht und Sex in der Politik von Felix Fischaleck 46 Bücher und TV �������������
48 Kompakt 50 Mann mit Ambitionen Über einen Einsteiger in das Lobbygeschäft der Hauptstadt von Björn Müller 52 Leiht uns euren Glanz Stars für Obama und Romney im US-Wahlkampf von Björn Müller
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60 Die Karrierekurve Michael Steiner 62 Personen und Karriere Team Bundespräsident steht Dettmer leitet BWE 66 Ossis Welt Das Politikbilderbuch 68 Gala Die wichtigsten Events 71 Politikkalender Die Top-Termine im Mai und Juni 72 Mein Lieblings... p&k befragt Bundestagsabgeordnete nach dem, was ihnen lieb ist 73 Porträt in Zahlen Norbert Röttgen ��������
Redaktionstagebuch Liebling des Monats Falsche Freunde Essay von p&k-Chefredakteur Sebastian Lange 74 Letzte Seite 3 5 6
pol it ik & kommunikation | Mai 2012
Fotos: Marco Urban; Klalter Stahl/ flickr.com; Marco Urban
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Liebling des Monats: Norbert Lammert Wenn wieder einmal eine Sitzung des Bundestags ansteht oder gar eine der vielen Bundesversammlungen, die Norbert Lammert zu leiten hat, dürften sich alle Beteiligten freuen: Der zweite Mann im Staat hat bekanntlich Humor und damit einen gewissen Unter-
haltungswert. Na gut, ein wenig selbstverliebt ist er auch, doch sind das wohl die meisten Akteure im politischen Betrieb. Vor allem aber ist Lammert eins: ein Kämpfer für ein starkes Parlament, der keine Probleme damit hat, auch mal anzuecken. So waren die
pol it ik & kommunikation | Mai 2012
Fraktionschefs von Union und FDP, eigentlich der ganze Ältestenrat „not amused“, als Lammert in der Euro-Debatte zwei Abweichler zu Wort kommen ließ, denen ihre Fraktionen keine Redezeit einräumen wollten. Damit hat der Christdemokrat ein so klares Zeichen für
die Freiheit des Mandats gesetzt, dass der Versuch der Fraktionschefs, Auftritte von Abweichlern künftig zu unterbinden, zum Scheitern verurteilt war. So wird der politische Streit in Deutschland zumindest nicht gänzlich in die Talkshows verlagert.
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Essay
Falsche Freunde
VO N S E B A ST I A N L A N G E
I
n dem durch die Verfilmung berühmt gewordenen Roman „Der Pate“ von Mario Puzo gibt es die Szene, in der der Bestatter Bonasera den Mafiapaten Vito Corleone bittet, die Schändung seiner Tochter zu rächen. Corleone tut erst beleidigt – ist er denn ein schnöder Verbrecher? –, als Bonasera ihm aber seine „Freundschaft“ zusichert, zeigt der Pate sich großzügig: „Du sollst Gerechtigkeit haben. Eines Tages, und dieser Tag wird vielleicht niemals kommen, werde ich Dich bitten, mir dafür einen Gefallen zu tun. Bis dahin betrachte diese Gerechtigkeit als Geschenk.“ Was lernen wir daraus? Der Pate ist eigentlich ein ganz Lieber, der will nur Freundschaft. Er nimmt später auch nur eine geringe Gegenleistung in Anspruch, als Bonasera Corleones von Maschinengewehrkugeln durchsiebten Sohn vor der Au�ahrung ein wenig hübsch machen soll, damit Mama Corleone nicht zu entsetzt ist. Diese Schlüsselszene aus „Der Pate“ verdeutlicht das Grundprinzip des Networkings, wie es auch in der Politik täglich zur Anwendung kommt, nur in unblutiger Form. Das simple Prinzip des „Eine Hand wäscht die andere“ wird gleichermaßen in der Management-Literatur immer wieder als Erfolgsrezept beschrieben, und so ist es kein Wunder, dass der AWD-Gründer und bekannte Politikerfreund Carsten Maschmeyer sich in seinem Buch „Selfmade“ ebenfalls über das Networking auslässt. „Goßartige Menschen haben großartige Netzwerke“ lernen wir da, und konkret vermittelt Maschmeyer Erkenntnisse wie diese: „Networking ist ein Sparkonto, auf das man zunächst viel einzahlen muss, um später davon abzuheben.“ Wenn der eine Networker – „Freund“ im Sinne Corleones – dem anderen einen wichtigen Menschen vorstellt, entstünden „Kontaktschulden“. Der eine hat beim anderen also einen gut, und wenn dieser Tag vielleicht auch niemals kommen wird, so ist doch irgendwann die Gegenleistung fällig. 4
Für Politiker fangen genau da die Probleme an: Wenn sie, wie Christian Wulff, sich mit solchen Freunden einlassen, stehen sie immer im Verdacht, Schulden auf ihrem Networking-Konto zu haben. Wenn der Freund mal dringend eine Bürgschaft, Genehmigung oder auch nur eine Empfehlung benötigt, wird es den Politiker zumindest eine Erklärung kosten, warum er in der Angelegenheit nichts für ihn tun kann. Es kann unangenehm sein, einem Freund etwas abzuschlagen. Für schwache Charaktere ist es da zur Korruption nicht allzu weit. Das landläufige Lob des Networkings gehört also auf den Prüfstand: Für Politiker, Lobbyisten und Journalisten gehören Kontaktpflege und Informationsaustausch zunächst einmal zum Job, andernfalls könnte keiner von ihnen seine – legitime – Aufgabe erfüllen. Kompliziert aber wird es, wenn der Politiker dem Lobbyisten womöglich einen Gefallen tut, damit dessen Unternehmen Arbeitsplätze schafft; wenn der Journalist mal auf eine Enthüllung über einen Politiker verzichtet, weil dieser stets so gute Informationen aus der Partei liefert – was ja auch dem Leser, der Öffentlichkeit dient. In einem Netz kann man sich verstricken, und nur für den Einsiedler in der Wüste ist es leicht, integer zu sein. Für den Durchschnitts-Menschen aber bedeutet es zuweilen große Anstrengung. Diese aber lohnt sich, wenn man Überzeugungen sein Eigen nennt und morgens noch in den Spiegel schauen will. Und vor allem ist die Anstrengung vereinbar mit Networking – dieses will nur richtig verstanden sein. Ist es nicht das Konstruktionsprinzip eines Netzes, dass einzelne Verbindungen reißen dürfen? Der integre Networker traut sich, eine Rechnung auch mal nicht zu bezahlen, wenn der Preis zu hoch ist. Das muss erlaubt sein bei einem Geschäft, bei dem die Gegegenleistung erst später, und dann auch noch einseitig bestimmt wird. Bei Leuten wie Vito Corleone ist das zugegebenermaßen schwierig. Wer aber wirklich glaubt, der Pate wolle vor allem Freundschaft – der ist dann eh zu doof für Politik und Business. pol it ik & kommunikation | Mai 2012
Fotos: vectorportal.com
Der Fall Wulff regt zum Nachdenken über die Grenzen des NETWORKING an. Wichtigste Erkenntnis: Mit dem Paten kann man nicht befreundet sein.
© 2012 McDonald’s
. . . t n n e k r e u a B Was der
Josef und Caroline gehört einer der rund 90.000 Höfe in Deutschland, die McDonald’s mit 100 % bestem Rindfleisch beliefern. Sie kümmern sich mit viel Sorgfalt um ihre Rinder. Darum gönnen sie sich auch selbst mal gerne was von McDonald’s. Denn sie wissen, dass da alles so gut ist, wie es schmeckt. www.mcdonalds.de • Oder gleich den Code scannen und sofort mehr erfahren.
Kompakt Kompakt
Journalisten sehen seine Wirtschaftskompetenz skeptisch: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). U M F R AG E
FDP-Chef schafft die fünf Prozent nalisten Ex-Finanzminister und Womöglich-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD). Ihm attestierten 81 Prozent der Befragten ökonomisches Fachwissen. Auf Platz zwei kommt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit 74 Prozent, gefolgt von Hermann Otto Solms (FDP) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bitter für Rösler: Sogar der Linken-Politikerin und Kaptitalismuskri-
CDU
JUGENDORGANISATIONEN
C-Netz gegründet
Streit ums Taschengeld
Um den Erfolg der Piraten zu kontern, haben CDU-Politiker einen netzpolitischen Verein gegründet. Mit dem neuen Verein C-Netz will die Union Lobby für das Internet sein und Ideen für eine bürgerliche Netzpolitik entwickeln. Gründungsmitglieder von C-Netz sind unter anderem CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sowie die Präsidentin des Bunds der Vertriebenen, Erika Steinbach. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Tauber und Thomas Jarzombek wurden als Sprecher gewählt. Ein erstes Ziel des Vereins ist es, Vorschläge zum Urheberrecht im Internet zu erarbeiten. Doch die Netzgemeinde spottet bereits über „Merkels Möchtegern-Piraten“.
Die Finanzierung der Jugendorganisationen der Parteien ist in die Kritik geraten. Grund ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin von Mitte März. Darin heißt es, es gebe keine eindeutige Rechtsgrundlage für die staatlichen Zuschüsse an Parteijugendorganisationen. Sie seien womöglich „verkappte Parteienfinanzierung“. Bis jetzt erhalten die Partei-Jugendorganisationen Mittel aus dem Kinder- und Jugendplan (KJP) des Bundesfamilienministeriums. 2011 bekamen allein die Jungsozialisten (Jusos) 454.000 Euro für ihre Arbeit, die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend jeweils 164.000 Euro. Nur die Linke muss bisher ihre Jugendorganisation Solid fast ausschließlich selbst finanzieren, da das Ministerium wegen angeblich linksextremistischer Positionen nicht zahlt. Nach dem Urteil wollen nun alle im Bundes-
http://c-netz.info/
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tikerin Sahra Wagenknecht trauen die Medienvertreter mehr Wirtschaftskompetenz zu als dem Vizekanzler. Wagenknecht spricht jeder siebte Teilnehmer Kompetenz zu (14 Prozent). Die nicht repräsentative Umfrage wurde Anfang März via Internet durchgeführt. Das Institut hatte die Journalisten nach der Kompetenz von 20 Bundespolitikern bei Wirtschafts- und Finanzthemen gefragt.
tag vertretenen Parteien einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten, wie die Finanzierung durch das Familienministerium sauber geregelt werden kann. Dazu der Juso-Bundesvorsitzende Sascha Vogt: „Sollte die Förderung nicht mehr gezahlt werden, müssen wir alle Bildungsveranstaltungen streichen. Wir könnten dann nur noch klassische Gremienarbeit finanzieren.“ pol it i k & kommunikation | Mai 201 2
Foto: Marco Urban
Zumindest bei der Wirtschaftskompetenz schafft es FDP-Chef Philipp Rösler über die Fünf-Prozent-Hürde. Mit genau fünf Prozent belegt der Bundeswirtschaftsminister allerdings den letzten Platz unter prominenten Politikern in einer Umfrage der Doeblin Wirtschaftsforschung. Die Erhebung fußt auf einer Befragung von 80 Wirtschaftsjournalisten verschiedener Medien. Am besten bewerteten die Jour-
ST U D I E
VERBÄNDE
Zeitarbeit schadet Demokratie
Keine Lust auf Social Media
Die moderne Arbeitswelt fördert die Unzufriedenheit mit der Demokratie. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Diese ließ dazu die Universität Bamberg 1633 Arbeitnehmer befragen. Die Umfrage ist Teil des Forschungsprojekts „Agenda Moderne Personalpolitik“ der Stiftung. Dessen Ziel: Für Unternehmen Ansätze zu finden, wie sie Arbeit effizient und sozial organisieren können. Dabei fragten die Forscher auch nach der Haltung der Teilnehmer zur Demokratie. Nur rund ein Viertel der Zeitarbeiter und ein Fünftel der geringfügig Beschäftigten sind mit der Demokratie zufrieden. Dagegen schätzen 42 Prozent der Bürger, die in Vollzeit arbeiten,
diese Staatsform. Ursache der Frustration ist das als ungerecht empfundene Wirtschaftssystem: Über 60 Prozent der Zeitarbeiter und geringfügig Beschäftigten beklagen in der Umfrage, dass in der Wirtschaft keine Chancengleichheit herrsche. Menschen in unsicheren oder prekären Arbeitsverhältnissen sehen hier ein Versagen der Politik und damit der Demokratie. Laut der Studie schwinden die Identifikation mit dem Unternehmen, die Arbeitsmotivation und in der Folge auch das gesellschaftliche Engagement. Nach der Umfrage würden bei einer Bundestagswahl rund 10 Prozent weniger Zeitarbeiter und geringfügig Beschäftigte an die Urnen gehen als Normalbeschäftigte.
Wie zufrieden sind Sie mit der Demokratie in Deutschland? Art des Beschäftigungsverhältnisses
sehr
eher
teils/teils
eher nicht
ganz und gar nicht
Vollzeit unbefristet:
8
34
36
14
8
Vollzeit befristet:
5
29
39
19
8
Teilzeit unbefristet:
4
21
43
20
12
Teilzeit befristet:
5
26
39
22
8
Geringfügig beschäftigt:
3
19
45
19
14
Zeitarbeiter:
6
22
26
25
21
Angaben in Prozent der Befragten, Quelle: Bertelsmann
Fotos: WWF; Privat(3); www.marco-urban.de; Privat(2); www.marco-urban.de
TENEXPER P T IP
Röttgen hält sich Verbleib in Berlin offen: Kann das seine Karriere nachhaltig beschädigen?
Wolfgang Ismayr (Uni Dresden)
Ulrich Sarcinelli (Uni KoblenzLandau)
Ulrich von Alemann (Uni Düsseldorf)
Die Verbände in Deutschland nutzen die sozialen Medien kaum für ihre externe Kommunikation und Kampagnen. Das geht aus einer Studie hervor, in der die Politikberaterin Ulrike Propach und der PR-Experte Jens Fuderholz mithilfe einer Online-Umfrage und Experteninterviews Trends in der Verbandskommunikation aufzeigen. Lediglich ein Viertel aller Verbände besitzt demnach einen Verbandsaccount. Im Social-Media-Bereich überlassen die Verbände das Feld überwiegend den Nicht-Regierungsorganisationen, so Ulrike Propach. Kampagnen über die Sozialen Medien durchzuführen, ist bei den meisten Verbänden lediglich mittel- und langfristig oder gar nicht geplant. Die Autoren fanden zudem heraus, dass im Vergleich zu 2009 das Wissen der Verbände um Gesetzgebungsprozesse nochmals nachgelassen hat. In der Debatte um die Einführung eines Lobbyregisters sind sich die Verbandsvertreter aber einig: Laut der Umfrage lehnt die Mehrheit eine freiwillige Variante ab. www.verbändestudie.de
Karl-Rudolf Korte (Uni DuisburgEssen)
Wichard Woyke (Uni Münster)
Uwe Jun (Uni Trier)
Peter Lösche (Uni Göttingen)
Grass-Gedicht sorgt für Diskussionsstoff: Sollten sich Intellektuelle öfter in die Politik einmischen? Piraten werden immer populärer: Können sie sich dauerhaft im Parteiensystem etablieren? Lafontaine vor Comeback als Parteichef: Kann er die schrumpfende Partei nochmals zu alter Stärke führen? Ukraine verfolgt Oppositionspolitiker: Hat das Land unter diesen Umständen Chancen auf einen EU-Beitritt?
pol it ik & kommunikation | Mai 2012
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Kompakt
NGOS
PARTEIEN
Dialog-Schwächen
Piraten klagen in Karlsruhe
KO R R U P T I O N
Schlechtes Zeugnis Deutschland gibt bei der Korruptionsbekämpfung kein gutes Bild ab. Zu diesem Schluss kommt die beim Europarat angesiedelte Staatengruppe gegen Korruption (Greco) in ihrem aktuellen Bericht. Dieser überprüft eine bereits 2009 aufgestellte Mängelliste für die Bundesrepublik. Bei nur vier von 20 Punkten zeigen sich Fortschritte. Schwachpunkt ist unter anderem die rechtliche Grauzone in Bezug auf die Abgeordnetenbestechung. Zwar ist Stimmenkauf in Deutschland stra�ar, Abgeordnete dürfen sich jedoch für Dienstleistungen bezahlen lassen. Ebenfalls nicht zufriedenstellend ist für die GrecoGruppe, dass Parteispenden erst ab einer Höhe von 50.0000 Euro ausgewiesen werden müssen. 8
Die Piratenpartei Höhe der Eigenmittel hat beim Bundesvereiner Partei aus Mitfassungsgericht eine gliederbeiträgen und Klage gegen die staatSpenden erreichen. liche ParteienfinanParteien mit viezierung eingereicht. len Mitgliedern und Sie will vor allem eine großen FirmenspenAbschaffung der rela- Der zweite Senat des Verfassungsgerichts den tangiert diese tiven Obergrenze bei Obergrenze kaum; staatlichen Zuschüssen erwirken. Diese für Kleinparteien ist sie ungünstig. Aus wurde erst 2011 in das Parteiengesetz auf- Sicht der Piraten bekommen sie wenigenommen. Sie deckelt Zuschüsse auf ger Geld, als ihnen eigentlich zustünde. die Höhe der Eigeneinnahmen einer Par- Das sei nicht demokratiefreundlich, so tei. Zurzeit erhalten Parteien 70 Cent pro Pressesprecher Christopher Lang. „Von abgegebene Wählerstimme und 38 Cent dem jetzigen Gesetz profitiert insbesonfür jeden gespendeten Euro. Diese Zuwen- dere die NPD aufgrund ihrer langjährigen dungen werden gekappt, sobald sie die Existenz und ihren mächtigen Helfern.“
AUSBILDUNG
Traineeships nicht standardisiert Der Berliner Think-Tank für Politikberatung Polisphere hat in einer Traineestudie Kommunikationsagenturen über ihre Ausbildung befragt. Ein Ergebnis: Die Traineeships verlaufen noch immer nicht nach einheitlichen Standards. Von den 31 befragten Unternehmen wird das Trainee-Programm vor allem als „Training on the job“ verstanden. Positiv: Mehr als
die Hälfte der Befragten (56 Prozent) bieten ihren Mitarbeitern inzwischen einen festgelegten Ausbildungsplan an. Die Mehrheit der Trainees ist jung, weiblich und verdient im Durchschnitt 1500 Euro brutto monatlich. Außerdem kann rund die Hälfte der Berufseinsteiger nach der Ausbildung mit einer Übernahme rechnen.
DIREKTE DEMOKRATIE
Bilanz der Volksbegehren Der Verein „Mehr Demokratie“ hat tenquoren und dem Verbot freier UnterAnfang März wieder seinen Volksbe- schriftensammlungen, heißt es in dem gehrensbericht vorgestellt. Bericht. Regionale Unterschiede Danach wurden voriges Jahr machen es den Bürgern einiger mit 18 direktdemokratischen Bundesländer schwerer als andeVerfahren zwei mehr als noch ren: In Hamburg brauchen Initiim Jahr zuvor initiiert. Davon ativen nur fünf Prozent der Stimhaben vier die Hürde von der men, in Baden-Württemberg Initiative zum Volksbegehhingegen 16,6 Prozent für ein ren geschafft und drei weitere Volksbegehren. „Mehr Demokrakamen zum Volksentscheid: tie“ zufolge gäbe es mehr BegehDie Berliner „Wasserverträge“, ren, wenn die scharfen RegelunHessens Referendum zur gen überarbeitet würden. „Je faiMichael Efler Schuldenbremse und Stuttgart rer die Bedingungen, desto mehr 21. Das Problem vieler Initiativen sei die Bürger beteiligen sich“, so VorstandsspreKombination aus zu hohen Unterschrif- cher Michael Efler.
pol it i k & kommunikation | Mai 201 2
Foto: Bundesverfassungsgericht/ David Klein; deutscher Tierschutzbund; Privat
Die Kommunikation deutscher NGOs ist verbesserungswürdig. Dies ergab die Studie „Dialog-T“ der überparteilichen Initiative „Pro Dialog“. Die Studie ging der Frage nach, wie professionell NGOs reagieren, wenn sich interessierte Bürger mit der Bitte um Informationen an sie wenden. „Pro Dialog“ untersuchte die Kommunikationsfähigkeit von 50 deutschen NGOs in den Kategorien Reaktionszeit, Kanal, Ansprache, Qualität und DialogTierschützer in Aktion bereitschaft. Das Ergebnis: Keine Organisation zeigte ein sehr gutes, und deutlich weniger als die Hälfte ein überzeugendes Antwortverhalten. Am besten schnitt die internationale Menschenrechtsorganisation Fian ab, gefolgt von der Hilfsorganisation Care und dem Deutschen Tierschutzbund.
Kompakt
Foto: erikamann mep/ flickr.com
Aufgedeckt: Früh übt sich Die Piraten schwekeine Spaßpartei“, ben derzeit auf kommentierte HenWolke sieben – ning Lübbers – Lanoder doch eher auf desvorsitzender in Wolke zwölf? Denn Sachsen-Anhalt – auf stolze zwölf Proden Vorschlag. zent kommen die Nur: Wie weckt man Freibeuter in den DemokratiebegeisteUmfragen, und mit rung bei der Jugend zwölf Jahren – so die von heute? GeleForderung des Lansen wird in diesem desverbands SachAlter ja bekanntlich sen-Anhalt – soll die „Bravo“ – und die man künftig wähwidmete 2008 mit len dürfen. Frei Barack Obama erstKinder sollten mitentscheiden nach dem Motto mals einem Politiker „Früh übt sich“ wolein Poster. Politiker len die Piraten den Nachwuchs für die mit Bravo-Starschnitt-Qualitäten gibt Demokratie begeistern. Nun ist es ja es hierzulande leider nicht wie Sand nicht gerade so, dass in den Kinderam Meer. Bei den Piraten allemal nicht. zimmern zuhauf Poster von Angela Auf dem gleichen Parteitag forderten Merkel oder Guido Westerwelle hänsie übrigens, das Tanzverbot an Feigen würden. Die Helden sind andere: ertagen abzuschaffen. Ein Vorschlag, Bushido, Robert Pattinson, vielleicht der bei den spaßwütigen 12-Jährigen noch irgendein Fußballer wie Mario sicher gut ankäme – wenn sie denn in Götze, aber Politiker? Die Piraten mei- die Disko dürften. Doch das lässt sich nen es auf jeden Fall ernst: „Wir sind bestimmt auch noch ändern.
CDU
Neue Plattform Unter dem Titel „CDU Plus“ hat die CDU Deutschland ihre neue Dialogplattform gestartet. CDU Plus verbindet das Mitgliedernetz und die interaktiven Angebote der CDUHomepage unter einem Dach. Darüber hinaus können sich auch Nichtpartei-Mitglieder anmelden. Nach Angaben der Partei haben sich 28.600 Benutzer registriert, knapp 1000 davon haben kein Parteibuch. IN EIGENER SACHE
Korrektur In der März-Ausgabe berichtete p&k auf Seite 9 über die Mitgliederentwicklung der Parteien. In der Grafik hatte sich bei der FDP ein Zahlendreher eingeschlichen. Richtig ist, dass die Liberalen zu Jahresbeginn 63.123 Mitglieder zählten, Anfang 2011 waren es noch 68.523.
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Politik
Direktwahl der Ministerpräsidenten? Am 13. Mai wählen die Bürger Nordrhein-Westfalens einen neuen Landtag. Ginge es nach Hans Herbert von Arnim, würden sie den künftigen Ministerpräsidenten direkt wählen. Georg Schmid ist strikt gegen eine solche VOLKSWAHL.
Pro
Kontra
VON HA N S H E R B E R T V O N A R N I M
VON GEORG SCHMID
ie Direktwahl des Ministerpräsidenten würde ihm hohe demokratische Legitimation verschaffen. Mit Ministerpräsidenten wie Horst Seehofer oder Volker Bouffier, die noch nie an der Spitze einer Wahlliste eine Landtagswahl gewonnen haben und ihr Amt allein der Partei verdanken, wäre es vorbei. Direkt gewählte Ministerpräsidenten sind unabhängiger von ihrer Partei und lassen sich nicht mehr so leicht zu rein parteipolitischen Blockaden im Bundesrat veranlassen, wie das jetzt häufig vorkommt. Da die Mehrheitsfraktionen dann nicht mehr ihre Hauptaufgabe in der Stützung „ihrer“ Regierung sehen, ist das ganze Parlament frei, den direkt Gewählten und seine Regierung wirklich zu kontrollieren. Bisher ist nur die Opposition dazu wirklich bereit, kann im Parlament aber jederzeit überstimmt werden. Auch bei der Gesetzgebung wird das Parlament zu einer selbstbewussten eigenen Potenz. Damit wird echte Gewaltenteilung hergestellt. Der Landtag wird – entgegen dem ersten Anschein – also keineswegs geschwächt, sondern erheblich gestärkt. Selbstverständlich können Regierungsmitglieder dann nicht mehr dem Parlament angehören und auch noch Abgeordnetendiäten mitnehmen – ein Faktum, das nicht gerade dazu beiträgt, führende Landespolitiker für die Direktwahl zu begeistern. Die wichtigste Funktion der Bundesländer ist die Verwaltung. Selbst Bundesgesetze werden von den Ländern und Gemeinden ausgeführt. Liegt es dann nicht nahe, die Spitze der Exekutive – genau wie in den Städten – direkt vom Volk wählen zu lassen? Haben wir mit der Direktwahl der Oberbürgermeister, etwa in München, nicht gute Erfahrungen gemacht? Auch wenn der Ministerpräsident einer anderen Partei angehört als die Landtagsmehrheit, droht keine Blockade. Das zeigt die Erfahrung in den Großstädten. Ein kluger Ministerpräsident wird ohnehin die Fraktionen in seiner Regierungsmannschaft angemessen berücksichtigen und so die Kooperationsbereitschaft erhöhen.
ie Sehnsucht nach einem charismatischen Herrscher mag in einer Mediendemokratie verlockend sein – am Gemeinwohl orientierte Entscheidungen befördert sie nicht. Mit der Direktwahl des Ministerpräsidenten würde nicht die Demokratie gestärkt, sondern ein künstlicher Gegensatz zwischen Parlament und Regierung entstehen. Die letzten Haushaltsverhandlungen in den USA zwischen Präsident Obama und dem amerikanischen Kongress sind ein mahnendes Beispiel für politischen Stillstand und institutionelle Selbstblockade in einer präsidentiellen Demokratie. Und würde die Direktwahl eines Regierungschefs zwangsläufig zu mehr Akzeptanz führen? Umfragen der vergangenen zwei Jahrzehnte belegen, dass die meisten Länderregierungschefs – im übrigen über Parteigrenzen hinweg – deutlich höhere Zustimmungswerte genießen als der jeweilige US-Präsident. So sind nahezu zwei Drittel aller Bayern mit der Arbeit von Ministerpräsident Horst Seehofer zufrieden bis sehr zufrieden – Werte, von denen Barack Obama nur träumen kann. Die CSU bräuchte eine Direktwahl nicht zu fürchten, sinnvoll ist sie gleichwohl nicht. Stattdessen würden Vorteile der parlamentarischen Demokratie beseitigt werden. Regierungskontrolle besteht nicht in erster Linie im Widerspruchsgeist, sondern in der Gestaltungskraft des Parlaments. Die Volksvertretung würde durch den Entzug ihrer Wahlfunktion einer entscheidenden Kraftquelle beraubt. Gleichzeitig würde sie Legitimationskraft gegenüber der Regierung verlieren. Und dies zum Schaden der Bürger: Parlamente und gerade auch Regierungsfraktionen sind keine Claqueure. Vielmehr bringen sie unendlich viele Anliegen aus ihren Stimmkreisen ein, verbessern Regierungsvorlagen und diskutieren die Regierungspolitik täglich mit den Bürgern. Der direkt gewählte Regent wäre einer wirksamen Kontrolle durch das Parlament enthoben. Eine strikte Trennung zwischen Parlament und Regierung würde diese tägliche Zusammenarbeit im Großen wie im Kleinen auf einem Schlag beenden. Mehr Bürgerbeteiligung sieht anders aus.
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Hans Herbert von Arnim
Georg Schmid (CSU)
ist Professor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er setzt sich seit langem für eine Direktwahl der Ministerpräsidenten ein.
ist seit dem Jahr 2007 Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag. Davor war er vier Jahre lang Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern.
pol it ik & kommunikation | Mai 2012
Fotos: Bernd Schälte / Landtag NRW; Karl Hoffmann; CDU
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Energiewende. Wir fördern das. Fokussierung auf erneuerbare Energien, Klimawandel, Ressourcenschonung und Risikominimierung – es gibt viele Motive für die Energiewende. Die KfW hat im Jahr 2011 mit mehr als 22 Mrd. EUR den Umwelt- und Klimaschutz gefördert und somit vielen Einzelnen ermöglicht, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Ganz gleich, ob Sie die Steigerung der Energieeffizienz Ihres Hauses anstreben oder Ihr Beitrag im Bau einer Offshore-Anlage besteht: Wir fördern das.
Mehr Informationen erhalten Sie unter www.kfw.de/energiewende
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Politik
Top-down hat ausgedient Was Unternehmen wie IBM oder Google schon lange praktizieren, hat die Politik bislang noch nicht erreicht: TRANSFORMATIONALE FÜHRUNG, die ohne steile Hierarchien auskommt.
VO N M A R K T. F L I E G A U F
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Eiserne Hierarchien geglättet Doch die vermeintliche Orthodoxie der Unternehmensführung ist seit geraumer Zeit ins Wanken geraten. So haben hierarchische Stellung und formale Macht als Führungsgrundlagen zunehmend ausgedient, weil sich der betriebswirtschaftliche Erfolg im neuen Jahrtausend vornehmlich aus „Humankapital“ speist. Heißt im Klartext: Das Wohl und Wehe von Firmen wie Google, Siemens oder SAP hängt in nie dagewesenem Ausmaß vom technischen Know-How, der Kreativität und der Innovationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter ab. Und die wachsende Bedeutung des Individuums hat für eine „unternehmerische Demokratisierungswelle“ gesorgt, welche einst eiserne Hierarchien merklich geglättet hat. Das Ergebnis ist ein nachhaltiger Wandel hin zu transformationaler Führung. Transformational Führende geben Lösungen nicht in Top-Down-Manier vor, sondern bilden vielmehr einen Dialograhmen, in dem Zukunftsperspektiven entwickelt, Werte 12
Fingerzeig der Kanzlerin – Angela Merkels Führungsstil ist ein technokratischer
ausgehandelt, und eine Übereinstimmung zwischen den Interessen der Führungskraft und den Bedürfnissen der Geführten gesucht werden. Die Führungsperson übernimmt vornehmlich eine motivierende und orientierende Funktion und geht weit über eine rational betriebene, autoritär begründete Machtausübung hinaus. Stattdessen wird die Ausbalancierung von verschiedenen Werten, die Moderation zwischen Individuen und Gruppierungen, die für bestimmte Werte einstehen, und die Einordnung von unterschiedlichen Wertvorstellungen in ein geteiltes Wertesystem, zu einer, wenn nicht zu der zentralen Führungsaufgabe. Das lehrte schon Sam Palmisano, der ehemalige Lenker von IBM. Kaum zum Vorstandsvorsitzenden gekürt, initiierte Palmisano einen 72-stündigen Webchat, an dem knapp 140.000 Mitarbeiter teilnahmen. Ziel war die Erarbeitung eines unternehmensspezifischen Wertekatalogs, der noch heute als normative Richtschnur des IT- und Computergiganten dient. Der wertorientierte Diskurs transformationaler Führung ist inhärent im politischen Prozess angelegt, im Zuge des transaktionalen Führungsdiktums über die letzten Jahre jedoch sträflich vernachlässigt worden. Nun gilt es diesen normativen Diskurs wiederzubeleben. Das Beispiel IBM, das im vergangenen Quartal einen Netto-Profit von über fünf Milliarden Dollar verbuchte, macht deutlich, wie wertvoll wertevolle Führung sein kann. Mark T. Fliegauf lehrt Führung an der LMU München und war Associate der Stiftung Neue Verantwortung im Projekt „Public Leadership“. Er hat Politikwissenschaften in München, Tokio und Harvard studiert.
pol it ik & kommunikation | Mai 2012
Fotos: Marco Urban; Privat
aben Werte in der Politik ausgedient? Die Frage liegt nahe, denn auf der einen Seite ist die Berliner Politik in den vergangenen zwölf Monaten von erstaunlichen moralischen Verfehlungen erschüttert worden. Auf der anderen Seite beobachten wir einen nationenübergreifenden Trend zur staatslenkenden Technokratisierung, welcher Angela Merkels szientistischen Führungsstil ebenso umfasst wie die Sachzwang-Politik Mario Montis in Italien und Lucas Papademos’ in Griechenland. Diese Entwicklung beruht nicht zuletzt auf der Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Führungs- und Strategiekonzepten, die Unternehmens- und Politikberater im vergangenen Jahrzehnt in die Politik eingebracht haben. Doch jene Konzepte rekurrieren beinahe ausnahmslos auf ein transaktionales Verständnis von Führung: Der Führende entscheidet, reguliert und kontrolliert, und der Untergebene folgt im Gegenzug entweder um einer Entlohnung willen oder um Sanktionen zu entgehen. Außenminister Guido Westerwelle hat dieses Führungsverständnis auf die ebenso simple wie naive Formel gebracht: „Es geht nicht darum, das Populäre zu machen, sondern das Richtige zu tun. Und dann muss man dafür sorgen, dass es populär wird.“ Eine Vorstellung, die auch Karl-Theodor zu Guttenberg vor seinem unrühmlichen Abgang aus der Politik verinnerlicht hatte. Denn ebenso wie für Westerwelle bestand für den Ex-Verteidigungsminister Führung vor allem darin, „Richtungen vorzugeben und Unbequemes gegen Widerstände durchzusetzen.“
INTERVIEW: SEB A ST I A N L A N G E
Fotos: Elan Ruskin; Privat
p&k: Herr Reinhardt, warum ist der
Denker Machiavelli heute noch so populär? Volker Reinhardt: Machiavelli ist der Tabubrecher unter den politischen Denkern, er ist ein Querdenker und Provokateur. Er hat schon zu Lebzeiten Anstöße gegeben. Nicht nur Denkanstöße, sondern auch Anstößigkeiten. Was ist so anstößig bei Machiavelli? Er hat ein extrem negatives Bild vom Menschen. Der Mensch ist für ihn durch und durch destruktiv. Er will immer mehr Macht, Einfluss, Genuss und Besitz. Damit stößt er jedoch an Grenzen, denn die anderen folgen ja denselben Antrieben. Die andere Hauptanstößigkeit Machiavellis besteht darin, dass er Moral als untauglich für die Politik betrachtet. Er geht davon aus, dass sich Politiker in ihrem politischen Handeln von der im Privatleben gültigen Moral konsequent ablösen müssen. Wäre Machiavelli heute noch ein guter Berater für Politiker? Ja, und er war es schon immer. Bald nach seinem Tod empörte sich das christliche, konfessionalisierte Europa über seine Lehre, Machiavelli wurde zur Inkarnation des Bösen in der Politik. Trotzdem wurde er gelesen, er war der heimliche Ratgeber der Mächtigen in Europa. Da passt es gut, dass eine seiner Hauptregeln besagt, dass Politik vor allem die Kunst der Täuschung ist. Nach Machiavelli dürfen, sollen Politiker sich sogar ein Image zulegen, das mit der Realität nichts gemein hat. Als ethisch denkende Menschen werden wir nicht damit einverstanden sein, aber bei nüchterner Betrachtung ist es so. Wahlkämpfe etwa sind doch nichts anderes als gigantische Maschinerien zur Erzeugung eines schönen Scheins, von dem die Wähler sich nur zu gern einlullen lassen. Machiavelli wäre also der perfekte Kampagnenmanager für eine Partei? Oder ein Enthüllungsjournalist, der die Machenschaften der Mächtigen mit luzider Transparenz nach außen tragen würde. Als Person war er übrigens absolut unbestechlich. Nützliche Netzwerke hat er konsequent abgelehnt. Er sah sich zu Recht als den schlecht bezahlten, uneigennützigen Staatsdiener, dessen Verdienste eigentlich nicht honoriert wurden, der aber in seiner unwandelbaren Loyalität zum Staat nicht wankt. pol it ik & kommunikation | Mai 2012
„Netzwerke konsequent abgelehnt“ Politik als Kunst des schönen Scheins – Machiavellis Lehren sind zeitlos gültig. p&k sprach mit VOLKER REINHARDT, der jetzt eine Biografie über den Denker veröffentlicht hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel agiert zuweilen so, als würde Machiavelli als Ratgeber im Kanzleramt sitzen: Sie handelt pragmatisch, ist nicht gerade idealistisch und weiß, wie man Konkurrenz aus dem Weg räumt. Wäre der Meister zufrieden mit ihr? Vermutlich, in dieser Hinsicht ja, denn damit folgt sie sicherlich seinen Regeln. Eine seiner großen Entdeckungen lautet ja, dass Politik ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hat, und diese scheint die Kanzlerin zu verstehen. Allerdings mussten die eigenen Gesetze der Politik dem Staat zugutekommen. Ob das heute der Fall ist, müssen spätere Historiker entscheiden. Nach Machiavelli ist es wichtig, die Launen Fortunas, der Glücksgöttin, im Auge zu behalten. Merkel hat nach dem Unglück von Fukushima, scheinbar prinzipienlos, mal eben ihre Energiepolitik auf den Kopf gestellt. Hätte Machiavelli applaudiert? Vermutlich hätte er gelobt, dass die Kanzlerin in diesem Fall eine Gelegenheit am Schopfe gepackt hat. Denn Fortuna wird von einer weiteren mythologischen Gottheit begleitet, die nicht minder unberechenbar ist: von der günstigen Gelegenheit. Beide treten zusammen auf. Die Po-
litik hat in diesem Fall die Gelegenheit ergriffen, die darin bestand, dass die Öffentlichkeit zutiefst beunruhigt war und ein Politiker sich populär machen konnte. So unberechenbar Fortuna auch ist – sie bietet mindestens einmal eine Gelegenheit. Wer diese nicht ergreift, der wird ihr ewig nachtrauern. Lehrt Machiavelli letztlich politischen Opportunismus? Persönlich war er kein Opportunist, im Gegenteil: Er hat zwar versucht, sich mit seinen Schriften der florentinischen Herrscherfamilie der Medici anzudienen, doch auf eine so kritische und für diese unannehmbare Weise, dass die Abstoßungsreaktion vorhersehbar war. Machiavelli sieht den perfekten Politiker nicht opportunistisch, aber geschmeidig und anpassungsfähig; in dem Sinne, dass er auf veränderte Situationen und Konstellationen reagieren kann, ohne dabei das große Ziel aus den Augen zu verlieren. Und das Ziel entscheidet alleine über die Rechtmäßigkeit der Zwecke. Ziel ist die Größe, Stärke und Dominanz des Staats. Das erlaubt einen Opportunismus im kleinen Stil, nicht aber im großen. Opportunismus im Großen wäre, wenn einem Politiker Privatangelegenheiten wichtiger sind als die des Staats. Dann wäre auch das politische Handeln nicht erlaubt. Der Zweck heiligt auch moralisch verwerfliche Mittel, aber nur, sofern diese den Staat stärken. Der Denker Machiavelli ist zum personifizierten Bösen geworden. Welches Bild haben Sie vom Menschen gewonnen? Ich glaube, dass er ein sehr gewinnender Mensch war, der außerordentlich überzeugungsmächtig reden konnte. Seine vielen diplomatischen Missionen wurden immer sehr gelobt. Er war ein vor Witz überströmender, sarkastischer und ironischer Mensch. Er war auch mutig, unbestechlich, und übrigens ein großer Liebhaber des schönen Geschlechts. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass er uneinsichtig war, was eigene Fehler betraf.
Volker Reinhardt (Jahrgang 1954) ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg in der Schweiz. Vor kurzem ist im Verlag C.H. Beck seine Machiavelli-Biographie „Machiavelli – oder die Kunst der Macht“ erschienen. Reinhardt verfasste bereits Werke über die Borgia und Michelangelo. 13
Praxis
�������� Rhetorik spielt in der Politik eine große Rolle. Menschen zu überzeugen und für eine gemeinsame Sache zu gewinnen, ist Grundlage erfolgreicher Politik. In p&k finden Sie jeden Monat BEISPIELE, praktische TIPPS und hilfreiche ANALYSEN rund um das Thema.
In unserer Wortwolke sind die meistbenutzten Wörter der Rede groß hervorgehoben
REDE DES MONATS: JOACHIM GAUCK Berlin, 23. März, Deutscher Bundestag: Der neu vereidigte Bundespräsident Joachim Gauck hält seine mit Spannung erwartete Antrittsrede. Sie ist geprägt von einem staatstragenden Ton. Über die zukünftige Gestalt „unseres Landes“ spricht Gauck in seiner knapp 20-minütigen Rede. Der 72-Jähige fordert darin eine aktive und solidarische Gesellschaft, die niemanden aufgrund der Herkunft oder des Glaubens ausgrenzt. Zentrale Werte sind für den neuen Bundespräsidenten Freiheit und Gerechtigkeit. Freiheit 14
bezeichnet Gauck als sein „Lebensthema“. Sie sei für ihn eine notwendige Bedingung von Gerechtigkeit. Was Gerechtigkeit bedeutet, vor allem soziale Gerechtigkeit, ließe sich nur in intensiver demokratischer Diskussion und Debatte klären. Umgekehrt sei das Bemühen um Gerechtigkeit unerlässlich für die Bewahrung der Freiheit, so Gauck. Darüber hinaus bekennt sich der 11. Präsident der Bundesrepublik auch klar zu Europa: „Wir wollen mehr Europa wagen“ lautet die Botschaft. Europa, so Gauck, sei für seine
Generation Verheißung gewesen, für die heutige Jugend dagegen längst aktuelle Lebenswirklichkeit. Nicht nur in Europa gelte: Einzig und allein die repräsentative Demokratie könne dafür sorgen, dass Gruppen- und Gemeinwohlinteressen ausgeglichen werden. Zum Schluss seiner Ansprache bittet der neue Bundespräsident um Vertrauen — in seine Person, aber auch in die politisch Verantwortlichen, „in alle Bewohner dieses wiedervereinigten und erwachsenen Landes“ und letztlich „in sich selbst“. pol it ik & kommunikation | Mai 2012
RHETORIKCHECK DER TIPP Lassen Sie sich nicht unterbrechen. Viele Menschen haben die Angewohnheit, andere ständig zu unterbrechen, auch wenn diese gerade erst ein oder zwei Sätze geredet haben. Dafür gibt es ein einfaches Rezept: Sagen Sie einfach freundlich, aber laut und deutlich: „Warten Sie bitte, lassen Sie mich das noch kurz zu Ende bringen…“ oder „Warten Sie bitte, einen Satz noch…“. Viele Menschen merken oft gar nicht, dass sie andere Menschen unterbrechen. Deshalb ist es manchmal nötig, sie darauf hinzuweisen. Durch die oben gezeigte Art und Weise können Sie wieder das Wort ergreifen, ohne den anderen anzugreifen.
DAS ZITAT
„Am meisten nützt eine Rede, die sich in kleinen Abschnitten in die Seele einschleicht.“
Fotos: Marco Urban; Privat; Marco Urban; wikimedia.org
LUCIUS ANNAEUS SENECA
pol it ik & kommunikation | Mai 2012
DAS BUCH Kari Palonen: Rhetorik des Unbeliebten. Lobreden auf Politiker im Zeitalter der Demokratie. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2012, 209 Seiten, 34 Euro.
Der finnische Politologe Kari Palonen untersucht in seinem Buch, mit welchen rhetorischen Strategien Politiker verteidigt werden. Zunächst geht es jedoch um die Frage, warum Politiker heutzutage ein nur geringes Ansehen genießen. Palonen vertritt die These, dass insbesondere Journalisten „Politiker-Bashing“ kultivieren. Ausgehend von seinen Studien zu Max Weber und der Begriffsgeschichte der Politik analysiert der Autor anschließend eine Auswahl von Lobreden auf Politiker von 1896 bis 2003. Dabei stellt er einige wiederkehrende Argumentationsmuster heraus, zu denen vor allem der Verweis der Redner auf die Professionalität, die Unentbehrlichkeit und den Eigenwert der Politik gehören. Der Leser erfährt auf den 209 Seiten, dass Lobreden auf Politiker maßgeblich dazu beitragen, die Demokratien in Westeuropa vor einer ernsthaften Krise zu bewahren.
Hannelore Kraft
Von der Kraft der Begegnung spricht Hannelore Kraft auf dem Parteitag der NRW-SPD Ende März recht viel. Sie möchte die Batterien ihrer Partei wieder aufladen. Aufladen für einen Wahlkampf, den sie mit „Herzblut und mit Freude“ gestalten will. „Ihr wisst, ich bin für klare Kante. Ich sag, was Sache ist.“ Doch stimmt das wirklich? Was die Betonungen, Lautstärke und Körpersprache angeht: Ja! Doch der saloppe Tonfall und der gewollt volksnahe Duktus drohen die inhaltlichen Aussagen zu überlagern. Frau Krafts Rhetorik ermöglicht zwar Empathie und fordert sie sogar ein: „Wir sind Kümmerer, nah bei den Menschen…und kämpfen geschlossen und gemeinsam, beherzt und leidenschaftlich…mit NRW im Herzen!“ Jedoch: Es fehlen inhaltliche Pointierungen und bildhaft wirkende Kernbotschaften.
M I M I K , G E ST I K , KÖ R P E R SPRACHE
L E B E N D I G E R A U S D RUCK
REDEAUFBAU
Frank Hartmann Frank Hartmann ist Rhetorikcoach- und Medientrainer in Berlin und analysiert für p&k die rhetorischen Fähigkeiten unserer Politiker. Sie erreichen ihn unter: info@hartmann-rhetorik.de
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International
Symbolfigur chinesischer Kultur: Konfuzius
Mit Pandas und Konfuzius VON FALK H A R T I G
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ls die chinesische Führung Anfang April 16 Webseiten sperrte, um der weiteren Verbreitung von „Internetgerüchten und Lügen“ entgegen zu wirken, wurde wieder einmal deutlich, wie Regierungskommunikation innerhalb Chinas funktioniert – oder eben auch nicht. Diese „notwendige Säuberungsak16
tion“ (so das Parteiorgan „Volkszeitung“) folgte, nachdem Ende März im Internet tagelang Gerüchte die Runde machten, wonach es in Peking im Zuge interner Parteimachtkämpfe zu einem Putsch gekommen sein sollte. Die Mutmaßungen waren auch deshalb so wild, weil die alleinherrschende Kommunistische Partei ihre Untertanen traditionell darüber im Unklaren lässt, was ihre Führer so trei-
ben. Diese Intransparenz, auch und gerade in Personalfragen, führt nach wie vor dazu, dass Chinesen den Status innerhalb der Führungsmannschaft daran ablesen, wer in den Fernsehnachrichten auftaucht und wer nicht. Während Peking daheim mit den altbewährten Kommunikationsmitteln kommunistischer Prägung agiert, also einerseits Schweigen und andererseits pol it ik & kommunikation | Mai 2012
Fotos: Youths/ Dreamstime.com; QUT
Wegen der Menschenrechtslage ist CHINA Kritik ausgesetzt – doch gelingt es der asiatischen Großmacht immer besser, mit der chinesischen Kultur international für ihr Image zu werben.
Zensur und Gängelung der Medien, zeigt sich die Volksrepublik auf internationaler Bühne erstaunlich kreativ, wenn es darum geht, mit der Weltöffentlichkeit zu kommunizieren, um das Image des Landes zu verbessern. Für seine Public Diplomacy, also die Kommunikation mit der Bevölkerung anderer Länder, nutzt Peking prinzipiell die gleichen Instrumente wie andere Regierungen, also die klassischen Medien und das Internet, Kulturveranstaltungen, Austauschprogramme oder Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele 2008 in Peking oder die Weltausstellung 2010 in Shanghai.
Geballte Medienmacht Seit dem Jahr 2009 hat die chinesische Regierung rund 8,7 Milliarden US-Dollar in die vier großen staatlichen Medienbetriebe investiert: die Nachrichtenagentur Xinhua, den Fernsehsender CCTV, den Radiosender CRI und die englischsprachige Tageszeitung „China Daily“. Die Zeitung hat seit 2009 eine eigene USAusgabe und veröffentlicht seit Dezember 2010 eine europäische Wochenausgabe. Im Juli 2009 startete CCTV sein arabisch-sprachiges Programm und sendet nun in fünf Fremdsprachen (auch in Englisch, Russisch, Spanisch und Französisch). CRI berichtet sogar in 43 Fremdsprachen und Dialekten. Die Agentur Xinhua hat weltweit rund 400 Korrespondenten in 117 Büros, bis 2020 sollen es bis zu 180 Außenposten werden. Außerdem verfügt sie seit Sommer 2010 über einen eigenen englischsprachigen Fernsehsender. Mit ihren Angeboten bedient die Agentur, die direkt dem Propagandaministerium untersteht, weltweit rund 80.000 Kunden. Erfolgreich ist Xinhua insbesondere in Entwicklungsländern, da die Agentur ihre Dienste wesentlich günstiger anbietet als die westliche Konkurrenz. Und können Kunden gar nicht bezahlen, dann liefert Xinhua Inhalte, Ausrüstung und technische Unterstützung auch gratis. Allerdings steht diese Medienoffensive vor allem im Westen im Verdacht, bloßes Propagandainstrument der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu sein. Während die chinesischen Medien als Public-Diplomacy-Instrumente nicht auf der ganzen Welt überzeugen können, sind zwei andere Instrumente der chinesischen Charme Offensive erfolgreicher: Das propol it ik & kommunikation | Mai 2012
minenteste Instrument sind die 360 Konfuzius-Institute und die 500 „KonfuziusKlassenzimmer“ an Schulen, die der interessierten Öffentlichkeit in aller Welt die chinesische Sprache und Kultur vermitteln sollen. Ende 2011 zählten die Institute weltweit rund eine halbe Million Kursteilnehmer, laut offiziellen Angaben fanden 10.000 Kulturveranstaltungen mit 7,2 Millionen Besuchern statt. Das Besondere an den Instituten ist ihre Struktur als Joint Ventures zwischen chinesischen und internationalen Partnern. Dabei stellt die internationale Seite Räumlichkeiten und örtliche Mitarbeiter, China schickt Sprachlehrer, meist einen Vize-Direktor, Lehrmaterialen und zahlt einen Teil des Budgets. So erhalten die Institute jährlich durchschnittlich 100.000 US-Dollar, außerdem können sie zusätzliche Projektgelder beantragen. Allerdings müssen die internationalen Partner auch investieren: zunächst in die Räumlichkeiten und lokalen Kräfte, und auch bei den Projektmitteln werden die Kosten zwischen chinesischen und internationalen Partnern geteilt. Noch eklatanter ist die internationale finanzielle Beteiligung an Chinas Public Diplomacy bei Chinas so genannter Panda-Diplomatie. Während Riesenpandas, die es nur in China gibt, bis Mitte der 1980er Jahre an wichtige oder wohlgesinnte Länder verschenkt wurden, werden sie heute unter strengen Auflagen im Rahmen von wissenschaftlichen Kooperationen an zahlungskräftige Zoos ausgeliehen. Rund eine Million Dollar pro Jahr muss ein Zoo für ein Pandapaar zahlen, das für zehn Jahre ausgeliehen wird. Dazu kommen für viele Zoos Umbaukosten in Millionenhöhe, und allein die Verpflegung der Tiere mit Bambus schlägt pro Jahr mit rund 150.000 Euro zu Buche. Offiziell geht es zwar um tiermedizinische Kooperationen und die Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Art durch Nachwuchsgewinnung, aber die enorm positive Image-Wirkung ist dabei durchaus einkalkuliert. 2009 bekam der Zoo im australischen Adelaide zwei Pandas und verzeichnete im ersten Jahr einen Besucherzuwachs von 70 Prozent. Der Edinburgher Zoo vermeldete im Dezember 2011, dem ersten Monat mit Pandas, gar einen Besucheranstieg von 200 Prozent. Doch auch wenn die Pandas Besuchermagneten sind, können sie die teilweise enormen Kosten für die Zoos nicht immer ein-
spielen. So leidet der Zoo in Adelaide an einer Schuldenlast von 24 Millionen Australischen Dollar, was auf die Beherbergung der Bären zurückzuführen ist. Aus chinesischer Sicht allerdings sind die Pandas ein absoluter Erfolg. Die Besucher im Ausland sind begeistert, beschäftigen sich nicht mit so lästigen Themen wie Menschenrechten oder dem Dalai Lama, und selbst die sonst so chinakritischen Medien geraten bei den Bären mehrheitlich in Verzückung. Die PandaDiplomatie mag auf den ersten Blick skurril erscheinen – sie ist Teil einer Strategie. So konnte zum Beispiel der kanadische Premier Stephen Harper diesen Februar auf einer China-Reise verkünden, dass Kanada 2013 zwei Pandas bekommen wird. Harper wurde mit den Pandas nicht nur dafür belohnt, dass er sich vom China-Kritiker zu Beginn seiner Amtszeit zum China-Freund gemausert hat, sondern wohl auch, weil sich China in Kanada enorme Rohstoffvorkommen sichern konnte, die für die Entwicklung des Landes immens wichtig sind.
Die Kritik bleibt Insgesamt zeigen Konfuzius-Institute und Panda-Diplomatie eines ganz deutlich: China nutzt die durchaus bestehende globale Faszination der chinesischen Kultur überaus geschickt, indem es sich internationale Partner ins Boot holt und so von deren Expertise, Infrastruktur und Prestige profitiert. Noch entscheidender aus chinesischer Sicht ist allerdings, dass es im Ausland zahlreiche Partner gibt, die bereit sind, Chinas Public Diplomacy mitzufinanzieren und sich dafür im Heimatland, siehe Konfuzius-Institute, mitunter heftiger Kritik ausgesetzt sehen. Allerdings können noch so süße Pandas und noch so viele Konfuzius-Institute nicht wettmachen, was die Regierung zu Hause beschädigt. Denn jede noch so kreative Außendarstellung bleibt erfolglos, wenn in China nach wie vor Internetseiten gesperrt, Medien zensiert oder Dissidenten verhaftet werden.
Falk Hartig ist Sinologe und Journalist. Er lebt in Brisbane. Er schrieb „Die Kommunistische Partei Chinas heute“ (Campus Verlag, 2008).
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