politikundkommunikation_september2012

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Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 05/12 | September 2012 | 7,20 Euro

www.politik-kommunikation.de

Digital p&k zieht mit vier Politikern durch die Welt der sozialen Medien. EinWerkstattbericht. POLITIK 20

Oriental J체rgen Hogrefe 체ber das Lobbying im arabischen Raum. Ein Feldbericht. INTERNATIONAL 54

Minilobbyisten Kleinstverb채nde im Portr채t


Inhalt

politik&kommunikation 5/12 – September 2012

20 Digital

22 Minimal

52 Oriental

Die Politik entdeckt die sozialen Medien – mit Skepsis und Begeisterung. p&k schaut vier Abgeordneten über die Schulter im Umgang mit Posts, Tweets und Flickr-Streams.

Auf den ersten Blick skurril, auf den zweiten subtil. Auch viele Kleinstverbände mischen mit in der Politik. Ein Blick auf die Exoten in der Verbändelandschaft.

Der Westen wittert in den Golfstaaten das große Geschäft. Ein Gespräch mit Jürgen Hogrefe über falsches Lobbying und echten Wissensdurst im arabischen Raum.

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30 Die Blackbox Das Politikfeld Gesundheit von Felix Fischaleck

52 „Drei Jahre Feldarbeit zum Vertrag“ Interview mit Jürgen Hogrefe von Björn Müller

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Meldungen Wahlkämpfle für Berlin, Digitales Meckern erlahmt

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12 Rede- versus Arbeitsparlament Pro und Kontra von Thomas Oppermann und Werner J. Patzelt 14 Der Schröder-Effekt Wie werden ehemalige Politiker eigentlich zu erfolreichen Rednern? von Christina Bauermeister 18 Und täglich grüßt die Kanzlerin Porträt über den Leiter des Staatsmusikkorps Volker Wörrlein von Christina Bauermeister 20 Zwischen Verweigerung und Passion Politiker und die sozialen Medien von Matthias Winkelmann ������ �������

22 Im Reich der Minilobbyisten Über die Macht der kleinen Verbände von Marie-Luise Klose 26 „Lobbying auf EU-Ebene ist Champions League“ Interview mit dem EU-Experten Rinus van Schendelen von Felix Fischaleck und Björn Müller 28 Gesetz des Monats Das Energiesteuer- und Stromsteuergesetz 2

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36 Kompakt 38 Die grünen Revolutionäre p&k Historie: Teil 12 von Marco Althaus ������

40 Rhetorik ������

42 Wahlen kämpfen wie die Römer Buchbesprechung: Quintus Tullius Cicero „How to win an election“ von Björn Müller 43 Kompakt 44 Bücher und TV 46 „Kleine Wichmänner“ Interview mit dem Filmregisseur Andreas Dresen von Felix Fischaleck 47 Filmreifes Deutschland Deutschlands neuer Imagefilm von Melina Gehring �������������

48 Kompakt 50 Lobbyisten unter Registrierungspflicht Österreich bekommt eines der strengsten Lobbygesetze Europas von Peter Köppl und Feri Thierry

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54 Die Karrierekurve Garrelt Duin 56 Der Buntstift-Yoga-Komplex Das BMW Guggenheim Lab von Maria Bischoff 58 Personen und Karriere Duin und Groschek neue Minister, Rukwied neuer Präsident 62 Ossis Welt Das Politikbilderbuch 64 Gala Die wichtigsten Events 68 Politikkalender Die Top-Termine im September 70 Mein Lieblings... p&k befragt Bundestagsabgeordnete nach dem, was ihnen lieb ist 72 Porträt in Zahlen Josef Hecken ��������

Redaktionstagebuch Liebling des Monats Das Dressing-Dilemma Essay von p&k-Redaktionsleiter Till Schröder 74 Letzte Seite 3 5 6

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Screenshot: Facebook Fotos: www.baumannstephan.com; Astrid Schmidhuber

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Liebling des Monats: Markus Söder Markus Söder ist wieder auf 180. Das ist er gern. Lange rhetorisch geschult als CSU-Generalsekretär, hat er das Poltern nie verlernt. Falls also sein leidenschaftlich mosernder Parteichef Seehofer oder der nicht weniger begabte Derzeit-Generalsekretär Dobrindt, Schwierigkeiten haben, die Öffentlichkeit in Wallung zu bringen, kann auch er problemlos

einspringen. Klappern gehört zum Handwerk eines Finanzministers ganz Bajuwariens: Erst die Jubiläumsprägungen der neuen deutschen Euro-Münzen verkünden und dann – Exempel statuieren, bei Mama ausziehen, Seil kappen, bis Jahresende ist Griechenland raus aus dem Euro. Das Schöne an seiner Verbalie in der Presse ist ja nicht die Kurzsichtigkeit des

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Arguments (Deutschland würde auf 80 Milliarden Euro sitzen bleiben) oder das Schielen aufs Wählerklientel (die Freien Wähler fischen in den selben trüben EuroGewässern), sondern die klassische Beißreaktion des Gegners: „gewissenloser Krawallmacher“ mäkelt Joachim Poß von der SPD, „Ungeheuerlichkeit“ schallt es von SPD-Vize Steinmeier und sogar

die Schwesterpartei mahnt: „Das Letzte, was man da braucht, sind Ratschläge aus Deutschland“, so Unionsfraktionsvize Meister. Und somit ist es wieder ein Punktsieg für Söder. Konnte halt niemand widerstehen, auch seinen Senf dazuzugeben – und damit Söder erst Aufmerksamkeit zu garantieren. Kommunikationstaktik kann so einfach sein.

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Essay

Das Dressing-Dilemma

VON TILL SCHRÖDER

K

ultur sei die Krönung der Evolution. Die Natur dagegen wusele nur zufallsgesteuert vor sich hin. So die landläufige Abgrenzung des aufrechten Zweibeiners vom Rest seiner Umwelt. Doch eigentlich sind Kulturen nichts weiter als aus Moral und Hierarchie gezimmerte Stützräder für den Überlebenskampf im Sechs-Tage-Rennen des Universums. Ein Wettlauf, an dem alle Teil haben – vom Einzeller bis zum Parteitag. Und, seien wir mal ehrlich, wirkliche Überlebenschancen besitzen doch eh nur Schaben und Asseln. Ein gesicherter Befund, seitdem das Damoklesschwert der atomaren Apokalypse über der Menschheit schwebt. Wenn es ein Wort gibt, das gleichermassen aufgeladen wie unscharf ist, dann ist es Kultur. Kultur ist die sozioökonomische Thermoskanne der Subjektivität. In ihr schwappen wohltemperiert ethnozentrische Wertvorstellungen, zivilisatorischer Impetus und umweltverändernde Hybris. Gerührt, aber bitte nicht geschüttelt. Schliesslich sollte man die verschiedenen Ingredienzien noch in Schlieren sehen können. Die Amerikaner sprachen gern vom Schmelztiegel als Grundmetapher ihrer Gesellschaft. Mittlerweile hat man sich auf die Salatschüssel verständigt. So darf jeder seine Eigenheiten pflegen, statt sie einschmelzen zu müssen. Stellt sich nur die Frage nach dem Dressing, der dem ganzen Salat seine Note verleiht. Um die Deutungshoheit über dieses Dressing fegen immer wieder erbitterte Debatten hinweg. Die einen wollen die eigene Kultur bewahren, indem sie die fremde Kultur ausschliessen. Assimilationsforderungen, Einwanderungsregeln, Radioquote: Wie die Sprachpuristen die Fremdwörter bekämpfen, bemerken diese Exklusivisten gar nicht, wie die Traditionen, die sie bewahren wollen, im sterilen Einerlei des Kulturschutzgebiets veröden. Kultur lebt nun einmal vom beständigen Austausch. Nur wer das Fremde kennt, kann das Eigene pflegen. Die anderen drängen in die fremde Kultur, wollen sie aufsaugen. Aussteiger wie Auswanderer blühen auf in der Diskrepanz zwischen erlernten und erlebten Sitten. Diese Inklusivisten enden nicht selten gleichfalls in einer aseptischen Schutzzone – dem Einwandererghetto, sei es Chinatown oder die Hippiekolonie in Goa. 4

Distinktion ist das Zauberwort der kulturellen Praxis. Ob nun Schmuck zur Schau stellen oder das Unterstützer-T-Shirt mit Parteilogo: Abgrenzung bedeutet Erhöhung des eigenen Ichs und führt recht häufig zu Konflikten, deren Auswüchsen man selten wieder Herr wird. Diese Dynamik der kulturellen Unterschiede, die mit Huntingtons „Kampf der Kulturen“ vor einigen Jahren publizistische Konjunktur erlebte, hat in den 1930er Jahren bereits Karel Čapek trefflich aufs Korn genommen. Sein Klassiker „Der Krieg mit den Molchen“ erkundet detailliert die Fallen chauvinistischer Kulturkommunikation. Die Menscheit entdeckt eine seltsame Molchart, die sich zu allerlei Arbeiten abrichten lässt. Manager wittern ein Riesengeschäft, ein gigantisches „Salamandersyndikat“ entsteht. Das Molchzeitalter scheint angebrochen. Doch bald drehen die cleveren Tiere den Spieß um und bedrohen ihre einstigen Herren. Nicht ohne deren Habitus anzunehmen: „Die Jungmolche waren offenbar für Fortschritt ohne Vorbehalt und verkündeten, auch unter Wasser müsse die Bildung des Festlands voll und ganz nachgeholt werden, Fussball, Flirt, Faschismus und sexuelle Inversion nicht ausgenommen. Die Altmolche hingegen wollten konservativ am natürlichen Molchtum festhalten und nicht von den alten, guten, tierischen Instinkten abgehen. Ihre Losung lautete: Zurück zum Miozän! Fort mit allem, was uns vermenschlichen will!“ Der Kulturkampf ergreift auch die Menschen: Die einen gründen die Internationale Liga zum Schutz der Molche, die anderen fordern: „Ihr Toren! Hört endlich auf die Molche zu füttern!“ Letztendlich drängen die Molche die Menschen in die Berge, indem sie stetig die Küsten für eigenen Lebensraum abfräsen („Wir wollen Euch nichts Böses. Aber wir brauchen Euer Land.“), bis sie sich in einem Anfall zivilisatorischer Verteilungskriege mit künstlich gezüchteter Kiemenpest selbst ausrotten Ob dies nun als kulturpessimistischer oder kulturoptimistischer Schluss zu werten ist, hängt am Grad des Zynismus des Lesers. Und seinem Kulturverständnis. Will er Homogenität oder Heterogenität? Irritiert von der eigenen Vielfältigkeit pendelt die Menschheit bisher unschlüssig zwischen beiden dieser Pole. Da hilft nur Eines: Schüleraustausch, Schüleraustausch, Schüleraustausch.  pol it ik & kommunikation | September 2012

Illustration: Hans Ticha aus dem Buch “Krieg der Molche”, Aufbau-Verlag, 1987

Ohne das Fremde, existiert auch nicht das Eigene. Ein Paradox, dass Nationalisten einfach nicht auf die Reihe kriegen. Und dennoch kapert der Kamp�egriff Kultur immer wieder die politische Debatte.


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Politik

Und täglich grüßt die Kanzlerin VON CHRISTINA BA U E R M E I ST E R

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ie Leidenschaft, mit der Volker Wörrlein seinen Beruf ausübt, wird schon bei der Wahl seines Arbeitsgeräts offenkundig. Der Taktstock des Kapellmeisters der Bundesregierung ist nicht etwa aus Holz, sondern aus Kunststoff. „Die Holzstöcke zerbrechen mir bei meinem schwungvollen Auftakt“, sagt er. Der 61-jährige Franke führt seit dem Regierungsumzug nach Berlin ein Leben zwischen Bundeskanzleramt, Schloss 6

Bellevue und Bendlerblock. 80 bis 100 Protokolltermine hat das Stabsmusikkorps im Jahr. Der Ablauf ist immer der gleiche. Gemeinsam mit dem Wachbataillon marschieren die rund 100 Militärmusiker mit der Harfe im Wappen auf die Staatsgäste zu. Am Kanzleramt stehen die Musiker meist zwischen dem Zeltdach und der rostigen Stahlstatue. Wörrlein blickt auf den Reichstag, wenn er die deutsche Nationalhymne und die des Gastlands dirigiert. Oftmals drängen sich vor dem Kanzleramt hunderte Schaulustige. Ein kurzer

Gruß von Angela Merkel, dann ist das Prozedere nach 20 Minuten wieder vorbei. Danach geht es im Bus zurück in die Julius-Leber-Kaserne. Dort beherrscht das Donnern der Jets vom Flughafen Tegel die Geräuschkulisse. Auf dem weitläufigen Gelände reihen sich graue Kasernenhäuser aneinander, die um eine Mittelachse angeordnet sind. Wörrleins Büro wirkt dagegen recht heimelig, mit Teppich, schwarzer Ledercouch und Radio. An der Tür begrüßt Jagdteckel „Bautz“ die Gäste. Der gut zwölf Wochen pol it ik & kommunikation | September 2012

Fotos: www.baumannstephan.de; Stabsmusikkorps

Als junger Musiker verkaufte er sein Fagott für einen gelben Porsche: VOLKER WÖRRLEIN dirigiert als erster Staatsmusikant bei Empfängen die Nationalhymnen. Im Oktober geht er in Rente.


alte Rüde ist Wörrleins Begleiter in den Ruhestand. Denn am 30. Oktober hängt der für seinen Humor erste Staatsmusikant seine graue Uniform an den Nagel, 43 Jahre nach dem er als Abiturient beschloss, bei der Bundeswehr anzuheuern. 1969 war das, das Militär stand damals bei der rebellierenden Jugend nicht gerade hoch im Kurs. Seinen Grundwehrdienst trat der Mittelfranke aus einem Dorf in der Nähe von Ansbach trotzdem an. Dabei hatte sein Vater für ihn schon einen anderen Job vorgesehen. Eine Nürnberger Firma hatte mit der Entwicklung von Computern begonnen. Doch Wörrlein blieb beim Militär und begann seine musikalische Ausbildung als Fagottist an der Ostsee. Als ihm am Ende das Instrument jedoch kräftig zum Halse raus hing, tauschte er es gegen einen gebrauchten gelben Porsche ein. Alsbald musste der Zweieinhalbsitzer aber einem familientauglichen Modell weichen, Wörrlein hat zwei Töchter. Bis heute, beteuert er, habe er kein Fagott mehr in der Hand gehabt. Sein Lieblingsinstrument sei der Taktstock.

verboten worden. Darum hatten einige pfiffige Afghanen ihre Instrumente eingebuddelt. „So sahen die dann auch aus“, erinnert sich Wörrlein. Der Alltag dort, der tägliche Musikunterricht mit einfachen Notenübungen, unterscheidet sich deutlich von dem, den Wörrlein in der Heimat vorfindet. Ein professionell ausgebildetes Orchester, für das jedes Mitglied ein vierjähriges Studium an seinem Instrument absolviert haben muss. Die musikalisch oft einfach gestrickten Nationalhymnen sind deshalb auch keine große Herausforderung für die Musikfeldwebel, die sich mindestens für zwölf Jahre verpflichtet haben. Im Krisenfall werden die Militärmusiker als Sanitäter eingesetzt, übrigens ebenso

war Christian Wulff. Erst einen Tag vorher erfuhr das Musikkorps von der Liederauswahl des scheidenden Präsidenten. Kein Problem für uns, versichert Wörrlein. Und so mussten die Musiker Anfang März nur gegen die heftig trötenden Vuvuzelas der Demonstranten ankämpfen.

Abschied ohne Zapfenstreich

Unvergessen auch der Große Zapfenstreich zu Ehren von Gerhard Schröder, bei dem das Orchester Frank Sinatras „My Way“ spielte. „Ich hab’ gelacht, er geweint“, schildert Wörrlein die Situation, als der Altkanzler gerührt ein paar Tränen vergoss, während der Dirigent selbst unter dem Kunststo�elm sein typisch schelmisches Grinsen aufsetzte. Nun, am 30. Oktober, wenn er selbst aus dem Amt scheidet, wird es keinen Zapfenstreich geben. Stattdessen ist ein Abschiedskonzert mit 150 geladenen Gästen auf dem Kasernengelände geplant. Und natürlich darf auch er sich etwas wünschen. Erklingen werden „Army of the Nile“, ein schwungvolVerbuddelte ler Marsch des britischen KomInstrumente ponisten Kenneth J. Alford, und „Der Jäger aus Kurpfalz“, originalZu den Aufgaben des Kapellgetreu mit Blashörnern vorgetrameisters gehört es, so mangen. Wörrlein war auch 16 Jahre chem Stück wieder Leben ein- Immer vorn: Wörrlein mit dem Wachbataillon und dem Stabsmusikkorps lang Jagdbeauftragter der Berzuhauchen, auch Nationalliner Bundeswehr. Sein Büro ist hymnen. So soll Kolumbiens ehemaliger die Sportsoldaten wie der Berliner Olymmit Trophäen dekoriert, die größte, ein „unStaatspräsident Alvaro Uribe bei einem piasieger im Diskus Robert Harting. gerader Zehner“, stammt von einem Hirsch, Besuch in Berlin der Bundeskanzlerin zuUm sich fit zu halten, geben die Musiden er im brandenburgischen Lehnitz zum geflüstert haben, so schön wie das Stabsker bis zu 15 Benefizkonzerte, oft am Wo30-jährigen Dienstjubiläum zur Strecke gemusikkorps habe noch niemand die kochenende, wenn keine Protokolltermine bracht hat. Diesem Hobby will er in seinem lumbianische Nationalhymne gespielt. zu erwarten sind. Ansonsten lebt das Jagdrevier, dem Tegeler Forst, im RuheWie spontan sein Job mitunter ist, „Haus-und-Hof-Orchester“, wie Wörrlein stand nun wieder stärker nachkommen. zeigt der Fall der Hymne von Afghanisseine Truppe gern nennt, ganz für die 20 Und wann trifft er Merkel noch eintan im Jahr 2002, als sich der damals frisch Minuten Staatsempfang. Alles andere ist mal? Am 15. Oktober wird der Präsident gewählte Präsident Hamid Karzai zum zweitrangig. In seinem Büro thront oben Panamas in Berlin zu Gast sein, so steht Staatsbesuch ankündigte. Gerade erst auf dem Schrank ein Porträtbild von Joaes jedenfalls in Wörrleins Terminkalenkomponiert, wurde das Tonband mit dem chim Gauck. „Angefangen habe ich mit der. „Da freu ich mich drauf “, sagt der Stück in Kabul einem Piloten übergeben Walter Scheel“. Wörrlein, dessen gräuMann, der nach eigener Erinnerung alle und nach Berlin transportiert. Wörrlein lich schimmerndes Haar antennengeNationalhymnen schon einmal gespielt brachte die Noten dann nach dem Gehör rade nach oben steht, war zwischen 1977 hat. Es ist womöglich das letzte Mal, dass zu Papier. Mit dem Land am Hindukusch und 1979 nämlich schon einmal das, was der Franke vor dem Kanzleramt aufmarverbindet ihn eine ganz besondere Bezieer jetzt ist. In dieser Zeit war das Stabsmuschiert, die zwei Hymnen dirigiert, noch hung: Vor drei Jahren verbrachte der 61sikkorps in Siegburg beheimatet, unweit ein kurzer Gruß der Kanzlerin, bevor er Jährige einige Monate in Kabul, um die von Bonn. die große Staatsbühne für immer verlässt. Militärmusik in dem vom Krieg verwüsDer letzte Bundespräsident, den der Es ist jedoch ein Abschied auf Sichtteten Land wieder aufzubauen. Unter den humorvolle Franke mit einem Großen weite – Wörrlein wohnt gleich neben der Taliban war der Truppe das Musizieren Zapfenstreich den letzten Marsch blies, Kaserne.  pol it ik & kommunikation | September 2012

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Kampagne

Die grünen Revolutionäre Als die Iren 1916 ihre Revolution begannen, hatten sie keine Chance. Aus dem Chaos stieg aber rasant eine Partei auf, die Irland in die Unabhängigkeit führte: Sinn Féin. P&K HISTORIE – TEIL 12 DER SERIE

VO N M A R C O A LT H A U S

I

rland ist ein Pulverfass, man braucht nur ein Streichholz dranhalten“, meinte der Arbeiterführer James Connolly am Vorabend des Osteraufstands 1916. Unsinn, entgegnete Bulmer Hobson von der militanten Untergrundorganisation Irish Brotherhood. „Irland ist ein feuchter Sumpf. Dein Streichholz fällt in eine Pfütze.“ Beide behielten Recht. Es war eine lange, gewundene Zündschnur bis zur Revolution. Das Fiasko war absehbar, als in Dublin am Ostersonntag 1916 der Aufstand gegen die Briten losbrach. Die Irish Brotherhood und Conollys Citzen Army planten mit zehntausend Kämpfern. Nur 1200 kamen. Der Rest ging zur Messe oder genoss ein Guinness. Die Dubliner bewarfen die Rebellen mit Steinen und faulem Obst. Bestenfalls bestaunten Bürger die Barrikaden, als liefe da ein Kinofilm. Nur sechs Tage lang wehte auf wenigen Gebäuden in Dublin die grüne Flagge der Republik. Jenseits der Stadt geschah so gut wie nichts. „Fürchterlich verpfuscht“ nannte Mitkämpfer Michael Collins (Foto) die irrwitzige Rebellion. Die öffentliche Meinung war kein bisschen revolutionär gestimmt. Viele Iren empörten sich: Erins Söhne kämpften an der Westfront freiwillig für die Krone, und diese Extremisten fielen ihnen in den Rücken. Auch hatte London niemanden provoziert. Die alten Probleme – die Rechte der Katholiken, die Konflikte der Bauern mit englischen Landbesitzern – waren gelöst. Von der Wehrpflicht war Irland ausgenommen. Indes ließ der Krieg Industrie und Landwirtschaft brummen. Im Westminster-Parlament hatte die große Iren-Fraktion im Herbst 1914 das Gesetz zur Selbstverwaltung („home rule“) durchgesetzt. War der Krieg vorbei, würde die Insel friedlich in die Autonomie gleiten. Bei so viel Pragmatismus blieben die Herzen 1916 kalt.

Propaganda der Tat Über ihren Rückhalt in der öffentlichen Meinung machten sich die militanten Separatisten keine Illusionen. Nicht ihre Stärke, ihre Schwäche war das Motiv zum Losschlagen. Ostern lieferte die spirituelle Symbolik: Für Patrick Pearse, der sich zum Präsidenten der Republik ausrief, galt es, wie katholische und keltische Märtyrer zu leiden, ja ein „Blutopfer“ zu bringen, damit die Nation auferstehe. Sozialistische Kameraden hofften auf die „Propaganda der Tat“: politische Kommunikation durch Schock und Terror. Die bewaffnete Protestaktion sollte revolutionäre 8

Narrative nähren, die kleinen Triumphe des gerechten Kampfs als Vorbild leuchten. Einer dieser kleinen Triumphe wurde zum Meilenstein der Mediengeschichte. Marshall McLuhan („Das Medium ist die Botschaft“, „globales Dorf“) sah im Osteraufstand die Geburt des Rundfunks. Ein Trupp brach die Räume einer verwaisten Funktelegrafieschule auf. Ihr Ziel: die eingemotteten Sendegeräte. Sie klemmten die Dachantenne an, und über den Äther ging: „Irische Republik in Dublin ausgerufen. Irische Truppen kontrollieren die Stadt. Das ganze Land erhebt sich.“ Es war nur Morsecode, aber nicht für spezifische Empfänger wie ein Schiffs-SOS, sondern Rund-Funk für die Weltöffentlichkeit. 20 Stunden lang brach das Rebellenradio die britische Nachrichtensperre. Noch am selben Abend druckten Zeitungen in New York, wo wichtige Hilfskomitees und Geldgeber der Untergrundarmee saßen, Schlagzeilen über die Revolte. Londons Presse zog erst einen Tag später nach. Auch Deutschland, das den Iren Waffen geliefert hatte, hörte die Signale.

Die Stimmung kippt Wie so oft wirkte die „Propaganda der Tat“ durch die Panikreaktion der Gegenseite. Die Briten griffen brutal durch. Ihre Artillerie legte Dublins Innenstadt in Schutt und Asche. Hunderte Zivilisten fanden den Tod. London verhängte das Kriegsrecht, stellte ohne Gerichtsprozess 15 Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung vor Exekutionskommandos und ließ Tausende verhaften und deportieren. In diesen Wochen veränderte sich die Sicht der Iren auf den Aufstand. Aus Extremisten wurden Patrioten, aus Hochverrat Heldenkult. Ihre Begräbnisse wurden trotz Versammlungsverbot zu Großevents. Kirchen feierten Messen für die Kämpfer. Memorabilia wie Fotos, Postkarten, Trauerabzeichen, Fahnen, Kalender und Liederblätter gingen in Massenproduktion. Trotzig trällerten die Leute selbst vor Militärposten die Aufstandsballade „Who fears to speak of Easter Week?“ Nach der Generalamnestie Ende 1916 stürzten sich die Häftlinge rastlos in die Politik. Davon profitierte auf kuriose Weise die Kleinstpartei Sinn Féin. 1905 gegründet, war Sinn Féin (SF) („Wir selbst“) ein lockeres Bündnis gemäßigter Nationalisten, keine Untergrundorganisation, weder militant noch republikanisch. Parteichef Arthur Griffith war zwar ein prominenter Kritiker Londons. Sein Vorbild war aber die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, die Ungarn Regierung und Parlament zugestand. Zur DurchsetSinn Féin-Wahlplakat zung propagierte er – wie später Gandhi in Indien – zivilen Ungehorsam und den Boykott englischer Waren (übrigens ein irischer Begriff, entstanden aus der Kampagne gegen den Gutsverwalter Boycott 1880). Gewalt lehnte Griffith ab. Mit dem Aufstand hatte die SF nichts zu tun. Trotzdem klebten Politiker und Presse ihm das Etikett „Sinn-Féin-Rebellion“ an. Bald galt jeder als Sinn Féiner, der irgendwie damit sympathisierte. Der diffuse pol i t ik & kommunikation | Septe mber 2012


Fotos: National Library of Ireland Independent Newspapers Collection (2); Privat

Michael Collins (1890–1922) bei einer Wahlkampfveranstaltung im Sommer 1922. Im August starb er im Bürgerkrieg in einem Hinterhalt. Genannt „The Big Fellow“, war Collins Mitkämpfer im Osteraufstand und saß dafür in Haft. Als charismatischer und populärer Redner war Collins für Sinn Féin eine Wahlkampflokomotive. Er war Minister und Oberbefehlshaber der Irish Republican Army (IRA). Mit den Briten handelte er den Vertrag über die Autonomie Südirlands und Teilung der Insel aus. Die heutige Regierungspartei Fine Gael des Ministerpräsidenten Enda Kerry sieht Collins als ihren Gründervater.

Sinn Féinismus sog den gälischen Kulturnationalismus auf, der die sterbende irische Sprache, Literatur, Musik, Tanz und vergessene Sportarten wie Gaelic Football und Hurling wiederbelebt hatte. Irisch sein, Patriot sein, hieß plötzlich Sinn Féin sein – „wir selbst“. Zeitgeist und Zulauf überrumpelten die alten Funktionäre. Jede Woche meldeten sich neugegründete Ortsgruppen; die Regie übernahmen oft Osterkämpfer. Als Parteichef wich Griffith dem radikaleren Éamon de Valera, einziger überlebender Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung (später Premier und Staatspräsident bis 1973). Das Programm nahm nun als Ziel die Republik auf und schloss Gewalt nicht mehr aus. Wachsender Ärger mit dem Staat machte die SF bekannter und populärer. Rasant wuchs 1917-18 eine Massenpartei mit 130.000 Mitgliedern in 1700 Ortsgruppen heran. Beiträge und Spenden füllten die Kasse. Sie finanzierten Profiteams, Automobile, Parteifilme, einen endlosen Fluss von Flugblättern, Plakaten und Pamphleten. Eben noch als „Moskitopresse“ belächelt, schloss das Parteiblatt „Nationality“ nun zu den Auflagen führender Tageszeitungen auf; der Artikeldienst „Sinn Féin Notes“ bediente 40 Regionalblätter. Kleinere Wahlerfolge nährten die nächsten. Die SF war im Aufwind.

Die Anti-Wehrpflicht-Kampagne Der Durchbruch kam 1918. Um die Schützengräben der Westfront aufzufüllen, beschloss London die Wehrpflicht für Irland – und erklärte diese zur Bedingung für eine spätere Selbstverwaltung. Ein überparteilicher Proteststurm brach los. Die katholischen Bischöfe reihten sich ein. Die Gewerkschaften legten das Land per Generalstreik lahm. Aber an der Spitze der Boykottpol it ik & kommunikation | September 2012

kampagne stand die SF. Hunderttausende unterzeichneten den „Anti-Conscription Pledge“ gegen ihre Einberufung. Das Wehrpflichtgesetz war undurchsetzbar; London zog es zurück. Mit diesem Sieg im Rücken ging die SF Ende 1918 in die Unterhauswahl. Sie geriet unter harte Repressionen. Fast die ganze Führungsriege saß in Haft. Clever plakatierte die SF für ihre Kandidaten: „Vote him in to get him out!“ Intensiv warb Sinn Féin um die Neuwähler: Eine Wahlrechtsreform erhöhte die Zahl irischer Wähler seit dem letzten Urnengang 1910 von 700.000 auf zwei Millionen. Wer unter 30 war, wählte zum ersten Mal. Erstmals waren Frauen zugelassen. Die ungebundenen Gruppen strömten der SF in Scharen zu.

Vom Erdrutschsieg zum Niedergang Sinn Féin holte 47 Prozent. Das Mehrheitswahlrecht machte daraus 73 der 105 irischen Mandate im Londoner Parlament. Der Erdrutsch begrub die über 50 Jahre dominante Irish Parliamentary Party (IPP), von 67 Sitzen blieben sechs. Als Partei der Mitte hatte sie im Bündnis mit Englands Liberalen stets viel für Irland herausgeholt, aber das wollten die Wähler nicht mehr hören. Bei ihrem Hauptziel, die Selbstverwaltung auf parlamentarischem Weg zu erreichen, hatte sie am Ende doch versagt. Nach Osteraufstand und Wehrpflichtkrise schien „home rule“ weiter entfernt denn je. Zudem verlor die IPP die Kontrolle über den Ulster-Konflikt: Die nordirischen Protestanten fürchteten, im künftigen Dubliner Parlament marginalisiert zu werden. Paramilitärische Verbände drohten mit Gewalt, sollte „home rule“ kommen. Auf das Dilemma fand die IPP keine Antwort mehr. Wie zuvor versprochen, nahmen die 73 Sinn Féin-Abgeordneten (darunter die erste gewählte Frau im Königreich) ihre Mandate in Westminster nicht an. Sie erklärten sich 1919 in Dublin zum Nationalparlament, dem Dáil Éireann. Sie bestätigten die Ausrufung der Republik von 1916 und beschlossen eine demokratische Verfassung. Was dann folgte – der Unabhängigkeitskrieg mit England, die Teilung der Insel, der Bürgerkrieg bis 1923 – ließ die SF zerbrechen. Aus ihren Flügeln entstanden die heutigen Mitte-Rechts-Großparteien Fine Gael und Fianna Fáil. Als linke Randpartei lebte die SF in Nord und Süd weiter. Sie war der politische Arm der Terror-IRA, bevor sie in den Neunzigern Nordirlands Friedensprozess initiierte. Heute regiert sie in Belfast mit den Feinden von einst. Marco Althaus ist Professor für Sozialwissenschaften an der Technischen Hochschule Wildau bei Berlin.

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Medien

„Kleine Wichmänner“ Das Leben als Landtagsabgeordneter ist kein Zuckerschlecken. p&k sprach mit dem Filmregisseur ANDREAS DRESEN über seinen neuen Film „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“. INTERVIEW: FELIX F I S C H A L E C K

p&k: Zehn Jahre nach „Herr Wichmann von der CDU“ haben Sie einen neuen Film über den Politiker aus Brandenburg gedreht. Wie kamen Sie auf die Idee? Dresen: Ich habe in den letzten Jahren nie wirklich den Kontakt zu Henryk Wichmann verloren. 2009 las ich dann plötzlich in der Zeitung, dass er als Nachrücker in den Brandenburger Landtag einzieht. Das fand ich eine interessante Ausgangssituation: Dass er nicht mehr, wie im ersten Teil, um ein Mandat kämpft, sondern eins hat. Wie hat Herr Wichmann auf ihr Vorhaben reagiert? Er war dazu auf Anhieb bereit, als ich ihm gesagt habe, dass ich gerne eine Langzeitdokumentation über ein Jahr machen würde. Er wusste aus den Erfahrungen des ersten Films, dass ich ihn nicht in die Pfanne hauen werde, auch wenn ich jetzt nicht gerade der klassische CDU-Wähler bin. Inwiefern hat sich Henryk Wichmann im Vergleich zum ersten Film verändert? Mich hat vor allem gefreut, dass er gelernt hat, sehr gut zuzuhören. Das ist schließlich für einen Politiker eine ganz wichtige Eigenschaft. Es gelingt ihm auch gut, zwischen unterschiedlichen Interessenla10

gen zu vermitteln. Henryk Wichmann ist zudem in seiner Heimat – der Uckermark – sehr verwurzelt. Das prägt auch die Art, wie er an Politik rangeht: Er sieht sich als „wandelndes Bürgerbüro“. Sie haben nach den Dreharbeiten gesagt, sie seien verblüfft, wie mühsam politische Arbeit in Wirklichkeit ist. Hatten Sie manchmal Mitleid mit ihrem Protagonisten? Politiker genießen in weiten Teilen der Gesellschaft kein besonders hohes Ansehen. Ich finde das sehr ungerecht. Ich bin persönlich der Meinung, dass 80 bis 90 Prozent der Politiker in diesem Land kleine Wichmänner sind, die sich sehr engagieren. Für mich war es manchmal schon ein mittlerer Wahnsinn, zu sehen, mit was für einer Vielzahl von Problemen Henryk Wichmann konfrontiert ist. Das fing bei einer tropfenden Heizung an... Ist ihr Respekt vor Politikern gewachsen oder hat sich eher Ernüchterung breit gemacht? Sowohl als auch. Ernüchterung ob der Kleinteiligkeit, die in einer Demokratie offensichtlich das Alltagsgeschäft ist. Positiv fiel mir auf, dass außerhalb des Plenums, wenn man in die Cafeteria geht, plötzlich ein ganz normaler kollegialer Ton herrscht. Es gehört zum Alltag, dass ein Abgeordneter der Opposition, wie Henryk Wichmann, mit dem Verkehrsminister der SPD einen Kaffee trinkt und

über die Probleme aus seinem Wahlkreis spricht. Diese Arbeitsebene ist in der Öffentlichkeit leider viel zu wenig bekannt. Haben Sie vielleicht auch selbst Lust bekommen, sich politisch zu engagieren? (Lacht). Nein, auf gar keinen Fall. Ich könnte das nicht. Ich würde angesichts der Vielzahl der Probleme und des Egoismus mancher Bürger verzweifeln. Ich bewundere die Leute, die sich politisch engagieren, und dabei frei von Zynismus bleiben. Durch ihren Film kann man auch den Eindruck gewinnen: Die Bürger nörgeln nur, wollen sich aber selbst nicht engagieren. Wie beurteilen Sie das? Wenn die Bürger auf die Politiker zugehen, geht es meistens um die profanen Dinge des eigenen Überlebens. Beispielsweise in der Großstadt zu leben und zu sagen: Ich will den Flughafen gleich nebenan haben, aber gleichzeitig darf nirgendwo über die Häuser dieser Stadt ein Flugzeug fliegen. Das ist natürlich paradox. Ein Politiker sitzt dabei oft zwischen allen Stühlen und muss vermitteln. Mir erscheint es manchmal so, dass Politik als großer Dienstleistungsbetrieb gesehen wird. Hier muss ein Umdenken in der Bevölkerung einsetzen: Jeder Bürger sollte auch bereit sein, selbst etwas einzubringen und nicht immer nur zu fordern. Angenommen, Sie hätten die freie Wahl: Welchen Politiker würden Sie gerne mal längere Zeit begleiten? Ich bin ja nicht der Spezialist für Politikerporträts. Aber mich hätte es zum Beispiel gereizt, Joachim Gauck in seinen ersten Monaten als Bundespräsident zu begleiten. Um zu sehen, wie ein „normaler Bürger“ in dieses Amt hineinwächst und sich der Alltag dieser Person verändert. Gibt es irgendwann einen weiteren Film über Herrn Wichmann? Das halte ich für möglich. Es hängt natürlich ganz davon ab, was das Leben so mit ihm und mir vorhat. Vielleicht sitzt er ja eines Tages im Kanzleramt…

Andreas Dresen wurde 1963 in Gera geboren. Zu den größten Erfolgen des Filmregisseurs gehören „Sommer vorm Balkon“ und „Wolke Neun“. „Herr Wichmann aus der dritten Reihe“ kommt am 6. September in die Kinos. pol it ik & kommunikation | September 2012

Fotos: Privat

Medien


Medien

Filmreifes Deutschland Deutschland hat seinen IMAGEFILM aus dem Jahr der Fußballweltmeisterschaft 2006 überarbeitet. Weg vom touristischen Augenschmaus hin zur Alltagsdoku hier lebender Ausländer. Im Vergleich zu anderen westlichen Staaten ein neuer Ansatz.

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ede größere Firma hat ihn, den Imagefilm. Ob Messeauftritt oder eigene Webseite: Die Werbung für sich selbst ist längst Teil der Markenstrategie. Auch Nationalstaaten sind seit einigen Jahren auf den Geschmack gekommen und präsentieren sich vermehrt im Kinoformat. Geschickt eingesetzt, sind solche Filme wirkungsvolle Instrumente einer Public Diplomacy, die Interesse am Land weckt und Sympathien einwirbt. Für Deutschland war die Fußballweltmeisterschaft 2006 Initialzündung einer großangelegten filmischen Werbekampagne. „Willkommen in Deutschland – Land der Ideen“ warb mit schönen Landschaftsaufnahmen und prominenten Fürsprechern wie Oliver Bierhoff und Heidi Klum. Nun hat das Auswärtige Amt diesen Film grundlegend überarbeiten lassen. Wieder von der Kölner Produktionsfirma Broadview TV, die schon für den Vorläufer verantwortlich war. Die neue Fassung mit dem Titel „Deutschland – das Land für Ihre Ideen“ stellt das Land als attraktiven Ort zum Leben und Arbeiten dar, nicht zuletzt für hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Die Zielgruppe bleibt, allerdings lautet die Botschaft jetzt: Man kann bei uns nicht nur Urlaub machen oder mit uns Handel treiben, man ist auch herzlich eingeladen, hier zu studieren, zu arbeiten und sich auf Dauer daheim zu fühlen. Der sechsminütige Film setzt auf eine dokumentarische Ästhetik. Er zeigt die Lebenswelten von Deutschen und in Deutschland lebenden Ausländern, die authentisch von Deutschland erzählen. Wir lernen eine russische Mathematikprofessorin im Lehrsaal der Humboldt-Universität kennen, begleiten eine brasilianische Ingenieurin auf ihrem Rundgang durch ein Plus-Energiehaus, schauen ins Atelier eines Künstlers im Schwarzwald und folgen einem japanischen Forscher zunächst in das Labor

eines deutschen Chemiekonzerns – und danach in die Betriebskita. Mit seinem neuen Ansatz, Deutschland nicht als Reiseland, sondern als Ort für berufliche und private Selbstverwirklichung zu präsentieren, geht Deutschland einen Sonderweg im internationalen Vergleich. So existieren von vielen westlichen Nationen lediglich Imagefilme, die im Wesentlichen eine touristische Klientel ansprechen, wie etwa die Filme von Polen,

Der Offenburger Künstler Stefan Strumbel ist einer der Protagonisten des neuen Deutschland-Films

Schweden und Australien. Schwedens „Sweden – Open Skies, Open Minds“ verzichtet gänzlich auf Text und lässt Landschafts- und Städteaufnahmen für sich sprechen. Mit „Polska“ setzt das polnische Außenministerium auf umfangreiche Informationen aus dem Off. Und die „Where the bloody hell are you“-Kampagne Australiens versucht neben atemberaubenden Landschaftsaufnahmen einen humorvollen Tonfall anzuschlagen – was international eine lebhafte Diskussion auslöste: Filmsprache und Sehgewohnheiten zwischen den Kulturen unterscheiden sich eben oft stark. Deutschlands neue Strategie bettet sich in ein multikanaliges Kommunikationskonzept. „Zu den Kommunikationsaufgaben des Auswärtigen Amts gehört auch die Vermittlung eines zeitgemäßen Deutschlandbildes im Ausland. Der

ßig gezeigt. Ausgewählte Botschafter großer Vertretungen können den Film nun individueller gestalten und ihm ein persönliches Grußwort beifügen. Durch die erneute Anbindung an die gemeinsame Initiative von Wirtschaft und Bundesregierung „Land der Ideen“ verspricht man sich außerdem eine große Verbreitung bei deutschen Firmen im Ausland, die so als Multiplikatoren in Sachen Deutschlandbild wirken. Und: Ein weiterer Verbreitungsweg könnte das Inflight-Entertainment großer Fluggesellschaften sein – für den Landeanflug auf das Land der Ideen. Melina Gehring hat als Referentin im Auswärtigen Amt die Überarbeitung des Deutschland-Imagefilms „Deutschland – das Land für Ihre Ideen“ betreut.

Fotos: Privat

VON MELINA G E H R I N G

neue Image-Film soll dazu einen Beitrag leisten“, sagt der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke. Angesiedelt im Auswärtigen Amt, im Referat für Auslandskommunikation der Abteilung für Kultur und Kommunikation, setzt man verstärkt auf Social Media. Neben dem Handbuch „Tatsachen über Deutschland“, dem „Magazin Deutschland“ und zahlreichen von der dpa produzierten Kurzfilmen zu Land und Leuten, geschieht das hauptsächlich über die Webseiten und facebook-Auftritte der Auslandsvertretungen, den frisch relaunchten Internetauftritt www.deutschland.de und den neuen Youtube-Kanal des Auswärtigen Amts. Mit dem Film ging man auch ein neuen Weg der Feinanpassung: Bei den Veranstaltungen zum 3. Oktober in den deutschen Botschaften und Konsulaten wurde bereits der alte Imagefilm regelmä-


BRASILIEN

Persilschein am Amazonas Stimmenkauf hat in Brasilien traurige Tradition: Erstmals kommt nun das Gesetz der „Sauberen Weste“ zum Einsatz. 2010 erlassen senkt es die Hürden zur Verurteilung von Wahlbetrügern: Statt vier Instanzen im langsamen Rechtssystem Brasiliens durchlaufen zu müssen, um Politiker bei Wahlen und aus öffentlichen Ämtern auszusperren, reichen nun zwei Etappen. Erste Erfolge zeitigen die im Oktober anstehenden Kommunalwahlen: Allein im armen Nordosten ermitteln Wahlgerichte gegen Kandidaten in mindestens neun Fällen, so die Tageszeitung „O Estado de S. Paulo“. Bewohnern in der oft von Dürre heimgesuchten Region sei Zugang zu Trinkwasser angeboten worden oder das Begleichen von Stromrechnungen und Rentenkassenbeiträgen. GRIECHENLAND

Stiftungs-Run auf die Akropolis

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Diese Braut sagt nicht nur „Yes“ zur Ehe, sondern wünscht sich auch ein unabhängiges Schottland GROSSBRITANNIEN

Kampf um Schottland Unabhängigkeit oder Verbleib bei Großbritannien – Im Herbst 2014 sollen die Schotten darüber in einem Referendum abstimmen. Gegner und Befürworter buhlen schon jetzt mit Kampagnen um die Gunst der Wähler. Den Anfang machten Ende Mai die Separatisten von der Schottischen Nationalpartei (SNP) und den Grünen mit der Kampagne „Yes Scotland“. Hauptinitiator ist Alex Salmond, Chef der Regionalregierung in Edinburgh und SNP-Parteiboss. Einen Monat später zog das Lager der Loyalisten mit „Better together“ nach. Diesem Bündnis gehören Politiker aller britischen Parteien an. Zudem hat es die Unterstützung von Großbritan-

niens Regierungschef David Cameron. Leiter der „Better together“-Kampagne ist der Labour-Politiker Alistair Darling. Kern von „Yes Scotland“ und „Better together“ sind deren Internetauftritte. Für die „Better together“-Seite engagierten die Loyalisten die US-Firma Blue Steel Digital. Die Amerikaner haben bereits für US-Präsident Barack Obama und den neuen französischen Präsidenten Francois Hollande die Webseiten gestaltet. Beide Kampagnen arbeiten zudem mit klassischen Elementen wie Flyern, Unterstützerbuttons, Zeitungsanzeigen und Plakaten. www.bettertogether.net www.yesscotland.net/ pol it ik & kommunikation | September 2012

Foto: YES Scottland

Griechenland gerät in den Fokus deutscher Politik-Stiftungen. Erstmalig stellt das Land eine Schwerpunktregion dar. Die FriedrichEbert-Stiftung agierte bis 2005 vor Ort - In diesem Mai eröffnete sie ihr Büro in Athen wieder. Nun ziehen die anderen nach, allerdings zum ersten Mal. Die Konrad-AdenauerStiftung eröffnete ebenfalls im Mai, um das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern, wie es heißt. Die Heinrich-Böll-Stiftung entsandte im Juni eine Mitarbeiterin in die griechische Hauptstadt. Dem Engagement in Griechenland schließt sich auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung an. Im Oktober werde ein Büro in Athen eröffnet. Unterstützung gibt es auch von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit, die erstmalig seit 15 Jahren lokale Projekte vor Ort fördert. Ziel der Arbeit aller in Athen sei es, den Dialog zwischen Deutschland und Griechenland auszubauen.


International

RUSSLAND

EUROPA I

Daumenschrauben für NGOs

Dickes Lobbyregister

Neue Gesetze in Russland machen NGOs Druck: Beziehen diese Geld aus dem Ausland, müssen sie sich als „Ausländische Agenten“ registrieren. Mit dem diskriminierenden Status verknüpft sind Geldund Haftstrafen für Mitarbeiter, sollten sie ihre Hilfen aus dem Ausland nicht offenlegen. Ein weiteres Gesetz führt den Tatbestand der Proteste in Russland werden für NGOs künftig schwieriger Verleumdung wieder als Straftatbestand ein und zwar mit bis sident Wladimir Putin in Kraft gesetzt. zu 12.500 Euro Bußgeld. Von den Geset- Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums zen betroffen ist auch die Arbeit deut- unterstützen 58 Prozent der Russen das scher Stiftungen wie der Friedrich-Ebert- Gesetzespaket. Eine klare Vorstellung Stiftung (FES) in Russland. Die Geset- darüber, was NGOs sind, haben aber nur zesvorhaben wurden Ende Juli von Prä- 19 Prozent der Befragten.

Europäisches Parlament und Kommission sind zufrieden: Ein Jahr nach dem Start des Transparenzregisters ziehen beide Institutionen eine positive Bilanz. Etwa 5000 Organisationen hätten sich bereits registriert und verpflichten sich damit auf einen gemeinsamen Verhaltenskodex. Um unlauterer Lobbyarbeit Herr zu werden, sieht dieser eine Abkehr von geheimen Überzeugungsmaßnahmen und ein Transparenzgebot vor. Eine Registrierung verdeutlicht das Bestreben einer Organisation, Einfluss auf Entscheidungsprozesse innerhalb der EU-Institutionen nehmen zu wollen. Dazu zählt die Kontaktaufnahme zu Mitgliedern oder Beamten, Treffen oder Werbemaßnahmen. Das Transparenzregister gilt nicht für den Europäischen Rat.

USA

Fotos: flickr.com; White House Photo by Pete Souza; Imdan/ Dreamstime.com

Deutsche Bank für Romney Bankhaus 86.250 USSpenden deutscher Konzerne an US-PräsidentschaftsDollar für Romney, bewerber dagegen nur 16.575 Barack Obama Mitt Romney Dollar an AmtsinhaDeutsche Bank 16.575 86.250 ber Barack Obama. Die Zahlen stammen Siemens 17.355 3.000 aus einer Analyse Allianz 212 14.950 des Center for ReSAP 9.322 500 sponsive Politics EADS 5.712 2.500 im Auftrag des MaMerck 6.425 0 gazins „WirtschaftsDeutsche Telekom 2.100 3.200 woche“. Unter den Bayer 4.012 1.250 deutschen Großunternehmen stehen Munich Re 4.750 0 der Allianz-Konzern, Fresenius Medical Care 1.500 2.500 die Telekom und Boehringer Sohn 1.750 0 Fresenius Medical VW 1.750 0 Care ebenfalls an der ThyssenKrupp 500 500 Pro-Romney-Front. BMW 250 0 Die meisten anderen Angaben: US-Dollar; Quelle: Center for Responsive Politics für „Wirtschaftswoche“ Konzerne vergeben ihre Spenden jedoch Die Deutsche Bank wünscht sich den bevorzugt an Obama. Angeführt wird dierepublikanischen Kandidaten Mitt Rom- se Liste von Siemens. Das Unternehmen ney als nächsten US-Präsidenten - Diesen spendete 17.355 Dollar für den jetzigen Eindruck erweckt das Spendenverhalten US-Präsidenten, dagegen nur 3000 Dollar der Bank im US-Wahlkampf. Demnach für Romney. spendete Deutschlands bedeutendstes www.opensecrets.org pol it ik & kommunikation | September 2012

EUROPA II

Die Euro-Spione Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) hat seinen Jahresbericht für 2011 vorgestellt. Die wichtigsten Ergebnisse: Mit seinen Untersuchungen hat das Olaf dazu beigetragen, dass 691 Millionen Euro eingezogen wurden und die Gerichte der Mitgliedstaaten Haftstrafen verhängten in einer Gesamthöhe von 511 Jahren. Im Vergleich zu 2010 hat das Olaf deutlich weniger neue Fälle aufgenommen, die Zahl sank von 225 auf 178. Insgesamt hat das Amt im vergangenen Jahr in 463 Fällen Untersuchungen durchgeführt, 208 davon wurden abgeschlossen. Die meisten Fälle betrafen Vergehen von EU-Mitarbeitern, den Landwirtschaftssektor sowie Außenhilfen. Olaf-Generaldirektor Giovanni Kessler sagte: „In Anbetracht der derzeitigen Finanzlage ist der Kampf gegen Betrug und Korruption wichtiger denn je. Er sollte in allen Mitgliedstaaten mit Nachdruck betrieben werden.“ ec.europa.eu/anti_fraud/index_de

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International

„Drei Jahre Feldarbeit zum Vertrag“ Die Länder Arabiens rücken in der globalisierten Welt immer näher, sind für deutsche Unternehmen jedoch meist noch Terra incognita. p&k sprach mit dem Arabien-Kenner JÜRGEN HOGREFE über gekonnte Interessenvertretung in der Region.

INTERVIEW: BJÖ R N M Ü L L E R

p&k: Sie beraten und vertreten Unter-

nehmen in den Golfstaaten. Wie gut schlagen sich hier die Deutschen? Hogrefe: Eher suboptimal. Deutschen Firmen und Stiftungen fehlen oft die Kenntnisse für den Umgang mit anderen Geschäfstkulturen. Amerikaner, Engländer und Franzosen sind uns hier weit voraus. Dabei ist die Ausgangslage günstig. Auch im arabischen Kulturkreis wirkt das Bild der tüchtigen und verlässlichen Deutschen, die exzellente Produkte und Dienstleistungen bieten. Was machen die anderen besser? Auf der Grundlage ihrer Kolonialgeschichte sind sie meist besser präpariert. Wir meinen oft, es reicht aus, wenn wir dort gute Produkte anbieten. Das ist zu wenig. Die Golf-Gesellschaften suchen keine Lieferanten, sondern Partner für Entwicklung. Wir müssen zum Beispiel den Hunger auf Wissen und den Wunsch nach Teilhabe respektieren. Die Pariser Eliteuni Sorbonne hat einen Ableger in Abu-Dhabi. In Katar sind namhafte USUnis vertreten. Deutsche Unis sucht man vergebens am Golf. Die Deutschen verlassen sich immer noch zu sehr auf nur die Qualität ihrer Waren. Das ist falsch? Eindeutig. Ihre Angebote können noch so überzeugend sein; wenn Sie die arabischen Entscheider nicht von Ihren guten Absichten überzeugen, läuft gar nichts. Unsere vorzüglichen Ingenieure und Juristen stranden trotz aller Qualität, wenn sie keine Kulturkompetenz haben. Die alles entscheidende Basis für Geschäfte am Golf ist persönliches Vertrauen. Das muss man sich erarbeiten – am besten durch das Verstehen der Bedürfnisse der

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Das Team von Jürgen Hogrefe: Cinderella ElKhouri, Ahmad Sandid, und Josephin Hillig (v.l.).

anderen Seite. Die Vermittlung dieser Kompetenz ist oft der Kern meiner Beratung in der Region. Welchen Dreh braucht man dann als Westler, um am Golf erfolgreich sein zu können? Dreh ist hier die falsche Annahme. Da steckt die auf Nüchternheit und Effizienz gedrillte westliche Denke dahinter. Sie können hier in den seltensten Fällen Beziehungen und Situationen durch die Macht der Ratio, des klugen Arguments abrupt eine Wendung in „Ihre“ Richtung geben. Für erfolgreiche Arbeit am Golf sind Geduld und Emphase wichtiger, das prozesshafte Denken. Ich bereite für deutsche Firmen oder Institutionen teilweise bis zu drei Jahre das Feld, bis ein Vertrag steht. Haben Sie ein konkretes Beispiel? Die Geschäftskorrespondenz. Nur über E-Mail zu kommunizieren, selbst bei einfachsten Sachverhalten funktioniert selten. Praktisch jede Mail muss hier mit einer höflichen Nachfrage per Telefon verbunden werden. Teilweise vergehen mehrere Wochen, bis eine Rückmeldung kommt. In Deutschland hätte man die Sache schon längst beerdigt. Wenn GolfPartner lange für eine Antwort brauchen, haben Sie dafür Gründe. Die werden sie

einem nicht immer nennen, manchmal würde man sie hier auch nicht verstehen. Also: Geduld und Vertrauen. Es gibt natürlich Handwerkliches, das man berücksichtigen muss. Gilt natürlich immer, aber die Betreffzeile einer Mail passend zu formulieren, ist am Golf noch wichtiger als hier. Dort ist es viel verbreiteter als bei uns, Mails ausschließlich über das Blackberry abzurufen; wenn Sie da Wortmüll und Textschlangen liefern, geht Ihr Anliegen unter. Was für Fallstricke gibt es noch? Wer am Golf erfolgreich sein will, braucht letzlich einen verlässlicher Partner vor Ort. Hier scheitern bereits viele. Es gibt in diesen Ländern zahlreiche Blender, die keinen wirklichen Einfluss besitzen, dies aber vorgeben. Sie können viel Geld versenken, wenn Sie an die falschen Leute geraten. Im schlimmsten Fall werden Sie zur Persona non grata. Ein guter „Sponsor“ hilft einem, Schritt für Schritt ein Netzwerk aufzubauen. Die mangelnde Transparenz der dortigen, noch sehr feudalen Gesellschaften, irritiert und über-

„Ein kleines Präsent dabei zu haben, gehört in Arabien zum guten Ton.“ fordert uns oft. Um sich hier nicht in Sackgassen zu manövrieren, ist es aber wichtig, Stellung Einzelner, auch einzelner Clans, zu Entscheidern in den Herrscherfamilien einschätzen zu können. Der Clan, die Familie spielen eine zentrale Rolle. Was bei uns als Nepotismus gilt, ist dort ein Mittel der sozialen Absicherung. Das Gewirr aus Posten und Zu-

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Fotos: www.baumannstephan.com

Sieht seinen Job zuvorderst als Vermittler zwischen zwei Kulturkreisen: Jürgen Hogrefe im Gespräch

ständigkeiten vollständig zu überblicken, ist uns kaum möglich. Mal gesetzt die Annahme, das Entré gelingt. Wie geht es weiter? Araber sind sehr höfliche Menschen, die klassische Tugenden wie Zuverlässigkeit, Anstand und einen feinen Humor schätzen. Das ist vielen Europäern der Nettigkeit zu viel. Aber man sollte sich schnell an diese Umgangsformen gewöhnen, sonst ist man nicht satisfaktionsfähig. Das offensive Anpreisen der eigenen Leistungsfähigkeit im Stile „meine Frau, mein Auto, mein Haus, mein Boot“, ist dort der sichere Weg in den Untergang.

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Gehört der Umgang mit Frauen auch zu den Fettnäpfchen, in die man treten kann? Eigentlich nicht, da die Welten der Geschlechter immer noch sehr strikt getrennt sind. Selbst bei langjährigen Geschäftspartnern kennt man oft die Ehefrau nicht. Es empfiehlt sich aber, das Thema Frauen als Gesprächsstoff zu meiden – vor allem in der anzüglichen Form. Gottlob gibt es immer mehr erfolgreiche arabische Geschäftsfrauen – auf jeder Ebene. Hier können die selben Standards angelegt werden wie beim Umgang mit männlichen Geschäftspartnern.

Ist die Vorstellung von Geschenkritualen in Beduinenzelten plus Falkenjagd reines Klischee? Nein, die gibt es. Bis dahin ist jedoch meist ein weiter Weg. Standard ist ein Treffen in Hotel-Lobbys oder Meeting Rooms. Die sind, wie shopping malls, öffentlicher Raum – und klimatisiert. Für den Gesprächspartner dort ein kleines Präsent dabei zu haben, gehört in Arabien zum guten Ton. Je persönlicher, desto besser. Als große Auszeichnung gilt übrigens, wenn Sie in den Majlis eingeladen werden, eine Art „Rat der Vertrauten“, für den es im Haus des Geschäftspartners meist einen eigenen Raum gibt. Zum Majlis gehören im Prinzip nur Verwandte und enge Vertraute. Was können Interessenvertreter aus dem Westen mit nach Hause nehmen, wenn es um die Fähigkeiten der Kommunikation geht? Andersartigkeit zu respektieren und gekonnt damit umzugehen, sowie die schöne Erkenntnis, wie angenehm Empathie im Umgang mit anderen Menschen ist. Wir sollten nicht glauben, diesen Kulturkreis mit unserem sozialen Code beeindrucken zu können. Die haben ihre eigenen Regeln und werden diese, Globalisierung hin oder her, nicht an die westliche Norm anpassen.

Jürgen Hogrefe Der selbständige Berater ist bestens vertraut mit Arabien und dessen Menschen. In den 1990er Jahren arbeitete der gelernte Journalist erstmals in der Region, als „Spiegel“-Korrespondent für den Mittleren Osten. Seitdem haben seine beruflichen Tätigkeiten, unter anderem für den Energiekonzern EnBW, ihn immer wieder dorthin geführt. Der 63-Jährige berät inzwischen mit seinem Unternehmen Hogrefe-Consult deutsche Firmen sowie Kultur- und Wissenschaftsinstitute dabei, in Arabien Fuß zu fassen.

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Szene

Der Rückkehrer KARRIEREKURVE: Er gilt als der heimliche wirtschaftspolitische Kopf der SPD. GARRELT DUIN arbeitete sich aus der Provinz nach oben, gab im Streit mit der Parteispitze fast alle Posten auf und stößt nun dank Hannelore Kraft abermals über die Provinz zurück ins politische Geschehen. Die Chronik eines Wiederaufstiegs.

1987

2000

beginnt Duin das Studium der Rechtswissenschaft und Evangelischen Theologie in Bielefeld und Göttingen. Im selben Jahr übernimmt er sein erstes politisches Amt: Stellvertretender Juso-Vorsitzender im Bezirk Weser-Ems, später wird er Mitglied des Bezirksvorstands der Weser-Ems-SPD.

1968 wird Garrelt Duin in Leer (Ostfriesland) geboren. Das Abitur legt er 1987 in Emden ab. Noch als Schüler trifft er die Entscheidung, Mitglied der SPD zu werden.

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Nach Ämtern in der Kommunalpolitik rückt Duin für den verstorbenen Abgeordneten Günter Lüttge ins EUParlament nach.

1998 Mit dem zweiten juristischen Staatsexamen wird Duin als Jurist zugelassen und arbeitet danach als selbstständiger Rechtsanwalt.

pol i t i k & kommunikation | September 2012


2005

Bei der Abstimmung des SPD-Vorstands im Februar 2008 über die Öffnung gegenüber der Linken gibt er die einzige NeinStimme ab.

2012

SEHR WICHTIG

Duin legt sein Mandat im EU-Parlament nieder und zieht im Oktober mit 58,3 Prozent der Erststimmen in den Bundestag ein. Der Wahlkreis Aurich-Ems trug Duin die Kandidatur an, nachdem der damalige Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, Jann-Peter Janssen, zurückgetreten war. Einen Monat später erhält Duin zudem den Posten des SPD-Vorsitzenden in Niedersachsen.

SUPERWICHTIG

2008

ZIEMLICH WICHTIG

Back to the roots: Duin kehrt aus Berlin zurück in die Landespolitik. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ernennt ihn zum Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Lands Nordrhein-Westfalen. Das Bundestagsmandat legt er für die Arbeit in Düsseldorf nieder.

WICHTIG

2009 übernimmt Duin die Verantwortung als wirtschaftspolitischer Sprecher innerhalb der SPDBundestagsfraktion.

Tiefschlag. Duin zieht sich aus der Landespolitik in Niedersachsen zurück. Überraschend gibt er im Mai bekannt, dass er auf dem Landesparteitag nicht mehr als Vorsitzender kandidieren wird. Als Grund gibt Duin an, ohne Landtagsmandat seiner Aufgabe nicht gerecht werden zu können. Zudem ist in der SPD die Rede von Differenzen zwischen Duin und dem SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel.

wird Duin Mitglied des SPD-Bundesvorstands. Ein Jahr später übernimmt er den Parteivorsitz im Weser-Ems-Bezirk.

pol it ik & kommunikation | September 2012

UNWICHTIG

Fotos: Lichtblick/Achim Melde; Ralph Sondermann; Marco Urban; Uni Göttingen; Marco Urban

2001

EIN BISSCHEN WICHTIG

2010

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Die Lobby der Netzbürger

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Wege in politische Berufe

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Zwischen Fraktionszwang und Gewissen

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Die US-Kampagnentrends

Was Politiker von Machiavelli & Co lernen können

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Bei der Arbeit hat Mirco Schwarze nur ein Ziel: das NullEmissionsauto zu bauen. Im BMW Werk Leipzig ist er diesem Ziel mit der Produktion des BMW ActiveE ein gutes Stück näher gekommen. Dieses Elektrofahrzeug ist ein weiterer Beitrag zu BMW E� cientDynamics – einer Technologie, die bisher mehr als 3,4 Millionen Tonnen CO eingespart hat. Und wenn im Jahr 2013 im Werk Leipzig2 der BMW i3 an den Start geht, baut Mirco Schwarze an einem weiteren Meilenstein der Elektromobilität. Dann kann er mit Fug und Recht sagen, dass er nichts erreicht hat. Und doch eine Revolution mit auf den Weg brachte. Die BMW Group ist zum siebten Mal in Folge nachhaltigster Automobilherste ller der Welt. Erfahren Sie mehr über den Branchenführer im Dow Jones Sustainability Index auf

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DAS NULL-EMISSIONSAUTO.

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