Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 04/13 | Juli / August 2013 | 7,20 Euro
www.politik-kommunikation.de
Interessant Cemile Giousouf ist die erste muslimische Bundestagskandidatin der CDU POLITIK 14
Riskant Die Gr端nen gehen im Wahlkampf auf Attacke. Ein Besuch im Basislager. KAMPAGNE 26
Bild, Blogs und Glotze Die wichtigsten Meinungsmacher im Wahljahr
Inhalt
politik&kommunikation 4/13 – Juli/August 2013
14 Interessant
26 Riskant
42 Relevant
Sie ist die erste türkischstämmige Bundestagskandidatin der CDU: Cemile Giousouf (35) tritt im Wahlkreis 138 HagenEnnepe-Ruhr-Kreis an. Dritter Teil unserer Serie über spannende Kandidaten.
Die Grünen wollen unbedingt verhindern, dass der Wahlkampf wieder so inhaltsleer verläuft wie 2009. Deswegen gehen sie mit ihrem Steuererhöhungsprogramm in die Offensive. Ein Besuch im Basislager.
Wer hat die mediale Deutungshoheit im Wahlkampf? p&k fragte Experten nach den 15 wichtigsten Journalisten. Außerdem: Diese Medien sind für die Bundestagsabgeordneten am relevantesten.
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28 Königsweg politischer Kommunikation Interview mit Steffi Lemke von Björn Müller
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Meldungen Lobbyisten mit SchwarzGelb zufrieden, Saarland vorn, Brandenburg hinten
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12 Wahlpflicht einführen? Pro und Kontra von Stefan Mayer und Stefan Ruppert 14 Eine Migrantin für Merkel Porträt über Bundestagskandidatin Cemile Giousouf von Nicole Tepasse 17 „Die CDU hat Nachholbedarf“ Interview mit Thomas Saalfeld von Felix Fischaleck 18 Schon gehört? Lange nichts gehört! Marco Buschmann und Ute Vogt im Porträt von Christian Lipicki ������ �������
20 Gesetz des Monats Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen 22 Diener vieler Herren Stephan Becker-Sonnenschein lobbyiert für die Lebensmittelwirtschaft von Björn Müller ��������
24 Kompakt 26 Mission sechs Millionen Vor Ort im „Basislager“ der Grünen von Christina Bauermeister 2
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30 Kompakt 32 Gemeinsames Bekenntnis Eine Bilanz der Konferenz der PublicAffairs-Community of Europe (PACE) von Dominik Meier 34 Daten besser regieren Bericht über das Personal Democracy Forum in New York von Adrian Rosenthal ������
36 Rhetorik 38 Vergesst Wikipedia nicht! Kolumne von Martin Fuchs ������
40 Kompakt 42 Politischer Quasi-Journalismus Über die Macht der Medien im Wahlkampf mit p&k-Ranking der 15 wichtigsten Journalisten von Nicole Alexander 50 Merkels Follower Porträt über Steffen Seibert von Christina Bauermeister 54 Unter eins, unter zwei, unter drei p&k-Historie: Teil 19 von Marco Althaus 56 Bücher und TV
58 Karrierekurve Marianne Tritz 60 „Sport schweißt zusammen“ Interview mit dem langjährigen Kapitän des FC Bundestag Klaus Riegert von Felix Fischaleck 61 Mein Lieblings... p&k befragt Bundestagsabgeordnete nach dem, was ihnen lieb ist 62 Ossis Welt Das Politikbilderbuch 64 Gala Die wichtigsten Events 68 Personen und Karriere Finck folgt Tritz beim DZV, von Klaeden lobbyiert 72 Politikkalender Die Top-Termine im Juli/August 73 Porträt in Zahlen Katharina Nocun ��������
Redaktionstagebuch Liebling des Monats Gruppenbild mit Dame Essay von p&k-Chefredakteurin Nicole Alexander 74 Letzte Seite 3 5 6
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Fotos:Thomas Seute, www.baumannstephan.com
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Foto:Marco Urban
Liebling des Monats: Eckart von Klaeden Es ist ein Wunder, dass die „Bild“Zeitung nicht titelte: „Eckart wer?“ Merkels Staatsminister Eckart von Klaeden war bis vor wenigen Wochen über das Berliner Regierungsviertel hinaus so bekannt wie der Pförtner im Kanzleramt. Das sollte sich schlagartig ändern, als von Klaeden damit herausrückte, Ende des Jahres Muttis Waschmaschine zu verlassen, um bei Daimler als Lobbyist
anzuheuern. Wow, was für eine Meldung: Damit ist von Klaeden in der Skala der meistgehassten Jobs fast ganz oben angelangt. Andererseits erweist der bubihafte Unionspolitiker seinem Land auch einen Bärendienst. Schließlich ringt die deutsche Wirtschaft seit Jahren um geeignete Führungskräfte. Und bei Daimler wird der Jurist als Leiter des Bereichs „Global External Affairs und Public
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Policy“ eine Art Außenminister. Einen Kabinettsposten hätte der Hannoveraner wahrscheinlich auch gern bei Merkel innegehabt, doch da blockiert Ursula von der Leyen den Platz der Niedersachsen. Von Klaeden, ein Opfer des regionalen Proporzes und der Frauenquote? So jemand gehört gerettet, aber bitte nicht sofort. Erst im Dezember. Wie man sich als Lobbyist so fühlt, weiß der
47-Jährige, schließlich hat sein Bruder einen ähnlichen Job beim Axel-Springer-Verlag. Lieber Herr von Klaeden, falls Sie in Sachen Berufsprestige die Karriereleiter noch weiter nach unten klettern wollen, bleibt Ihnen noch der Job des Buchmachers. Der wäre auch bestens dafür geeignet, um den ein oder anderen Euro auf die Daimler-Aktie zu setzen. Insiderwissen haben Sie ja genug.
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Essay
Gruppenbild mit Dame
VO N N I C O L E A L E X A N D E R
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och rund 100 Tage bis zur Bundestagswahl. Grund genug für p&k, eine kleine Umfrage zu starten. Von den Sprechern der Parteien, der Bundestagsfraktionen und der Bundesministerien sowie von bekannten Medien- und Politikwissenschaftlern wollten wir wissen, wer die 15 wichtigsten Journalisten im Wahljahr sind. Die Antwort samt Kurzporträts der Top-Meinungsmacher lesen Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 43. Doch was sagt das Ranking über den Zustand der politischen Meinungsmacht insgesamt aus? Eine Analyse in sieben Punkten. Erstens: Mit Maybrit Illner hat es lediglich eine Frau in unsere Top 15 geschafft. Die wichtigsten Meinungsmacher sind also nach wie vor fast ausschließlich Männer. Und das, obwohl Frauen mehr als die Hälfte der Wähler stellen; obwohl die meisten wichtigen Polit-Talkshows von Frauen moderiert werden; obwohl es im politischen Berlin unzählige hervorragende Journalistinnen gibt. Das ist kaum zu glauben. Zweitens: Illner hat noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal in unserem Ranking. Sie ist die einzige, die aus den neuen Bundesländern stammt. Damit zählt fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung lediglich ein Ostdeutscher zu den 15 wichtigsten Meinungsmachern. Das ist nicht zu fassen. Drittens: Von wegen schnelllebige Medienwelt. Seit einem Vierteljahrhundert kommentiert Heribert Prantl das innenpolitische Geschehen. Getoppt wird die Edelfeder der SZ nur von 4
seinem Kollegen von der FAZ Günter Bannas, der 32 Jahre Parlamentsredaktionserfahrung hat. Zwei überaus erfahrene und scharfsinnige Kenner des politischen Geschehens unter den 15 wichtigsten Journalisten der Republik – das ist beruhigend. Viertens: Zum Regieren braucht man nur Bild, BamS und Glotze? Das scheinen unsere Experten ähnlich zu sehen wie Altkanzler Gerhard Schröder: Gleich drei Boulevard-Männer aus dem Hause Springer zählen sie zu den 15 wichtigsten Meinungsmachern. Das ist – angesichts von Auflage und Reichweite der „Bild“-Zeitung und ihrer Online-Ausgabe – offensichtlich unvermeidlich. Fünftens: Es muss nicht immer der Leitartikel von Heribert Prantl oder das „Sommerinterview“ mit Ulrich Deppendorf sein. Dazwischen ist noch viel Platz für anderes – die „heute show“ zum Beispiel. Keine Frage, die Satire-Sendung genießt inzwischen einen gewissen Kultstatus. Dass es aber ihr Moderator Oliver Welke unter die 15 wichtigsten Journalisten geschafft hat – das ist mal wirklich überraschend. Sechstens: Da wir schon beim Fernsehen sind, sei es gleich verraten: Die Kategorie TV ist fest in öffentlichrechtlicher Hand. Und wo bleibt die private Konkurrenz? In unserem Ranking taucht sie jedenfalls nicht auf. Die Privatsender sind – trotz Peter Kloeppel und Stefan Raab – offensichtlich immer noch nicht so recht angekommen in der politischen Berichterstattung. Das ist nicht wirklich überraschend. Summa summarum: Die politische Meinungsmacht in Deutschland ist männlich, westdeutsch und im TV-Bereich öffentlich-rechtlich. Mit anderen Worten: (Fast) alles beim Alten.
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Foto: Signorina | Dreamstime.com
Unter den 15 wichtigsten MEINUNGSMACHERN, die wir für die Titelgeschichte dieser Ausgabe in einer Experten-Umfrage haben ermitteln lassen, ist nur eine Frau. Doch das ist längst nicht das einzig Auffällige.
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Politik
Wahlpflicht einführen? Die WAHLBETEILIGUNG bei der letzten Bundestagswahl 2009 war die niedrigste seit Bestehen der Bundesrepublik. Eine Wahlpflicht könnte die Legitimität der Demokratie stärken, findet Stefan Mayer. Für ein falsches politisches Signal hält sie dagegen Stefan Ruppert.
Pro
Kontra
V O N ST E FA N M AY E R
V O N ST E FA N R U P P E R T
tetig setzt sich die Reihe von Wahlen in Deutschland mit geringer Beteiligung fort. In diesem Sommer stehen die Bundestagswahl und zwei Landtagswahlen bevor. Es scheint derzeit nur noch eine Frage der Zeit, wann bei den ersten Landtagswahlen eine Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent erreicht wird, wie es bei vielen Kommunal- oder auch Landratswahlen in Deutschland bereits regelmäßig der Fall ist. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Politikerinnen und Politiker, die Bürgerinnen und Bürger für politische Themen zu interessieren. Die Vermittlung von politischen Inhalten muss attraktiv gestaltet werden, um damit letztlich die Menschen davon zu überzeugen, dass sie mit der Abgabe ihrer Stimme etwas bewirken. Durch die Wahlen kann unmittelbar Einfluss auf die Inhalte und die Gestaltung von Politik genommen werden. Motiviert durch die positiven Erfahrungen anderer Länder – wie Belgien oder Italien – bin ich zu der persönlichen Überzeugung gekommen, dass eine Wahlpflicht zu einer deutlich höheren Wahlbeteiligung und somit auch zu einer deutlich besseren demokratischen Legitimation der neu Gewählten führen könnte. Sie wäre zudem ein deutliches Signal für die konstituierende Bedeutung der Wahl als Element der Demokratie. Gleichzeitig müsste die Möglichkeit der Enthaltung auf dem Wahlzettel aufgeführt werden, um die Wahlfreiheit zu gewährleisten und um ausdrücken zu können, dass keines der politischen Angebote unterstützt wird. Von etwaigen Sanktionen zur Durchsetzung der Wahlpflicht halte ich hingegen nichts. Wenn auf diesem Wege die Repräsentationskraft der Gewählten gesteigert wird, wäre das sicher ein erheblicher Gewinn für die demokratische Kultur in unserer Gesellschaft. Demokratie braucht die Beteiligung von allen – zumindest in der Form, dass die Wählerinnen und Wähler in Deutschland von ihrem aktiven Wahlrecht auch tatsächlich Gebrauch machen. Ich empfinde es als Bürgerpflicht, über die politische Richtungsentscheidung alle vier Jahre mitzubestimmen.
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ann man die Bürger zur Demokratie zwingen? Und bei Nichtteilnahme an Wahlen gar mit Strafgeld oder Gefängnis drohen? Die klare liberale Antwort lautet: Nein! Eine lebendige Demokratie lebt von innerer Überzeugung, nicht von äußerem Zwang. Wir müssen jeden Bürger überzeugen, dass er Verantwortung für das Gemeinwesen hat. Zuschauen reicht nicht. Trotzdem muss jeder Bürger für sich selbst die Entscheidung treffen, ob er zur Wahl geht oder eben nicht. Das garantiert die im Grundgesetz festgeschriebene Wahlfreiheit. Keine Frage: Die sinkende Beteiligung bei Bundestagswahlen ist bedauerlich. Sie ist auch Ausdruck von Politikverdrossenheit der Bürger. Mit einer Wahlpflicht würde man aber nur die Symptome des Problems bekämpfen, nicht die tieferliegenden Ursachen. Viele Bürger würden bei einer Pflicht zwar wählen gehen, allein um Sanktionen zu vermeiden. Aber vermutlich würden diejenigen, die sich zur Wahl gedrängt fühlen, eher ungültige Stimmzettel abgeben oder Protestparteien wählen. Damit erweist man dem demokratischen Miteinander sicher keinen Gefallen. Politik und Gesellschaft müssen weiter die wahren Ursachen der Politikverdrossenheit angehen. Ein kontinuierliches Werben für unsere Demokratie und die Beteiligung der Bürger daran ist ein notwendiger Schritt. Ein sachlicher, lösungsorientierter und verlässlicher Politikstil, der auch die bestehenden Gemeinsamkeiten der Demokraten betont, ist ein weiterer. Zudem ist es wichtig, mehr direktdemokratische Elemente auf Bundesebene einzuführen, ohne unser repräsentatives System zu schwächen. Ebenso müssen sich Parteien für neue Beteiligungsformen der Bürger weiter öffnen. Ziel muss ein dauerhaftes, positives Engagement für unsere Demokratie sein. Der Ruf nach einem staatlichen Wahlzwang bietet nur eine Scheinlösung. Vielmehr ist die demokratische Verantwortung jedes Einzelnen gefragt, um die wir werben müssen. Dies ist die unbequeme Antwort des Liberalismus – hier wie überall sonst.
Stefan Mayer
Stefan Ruppert
ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Für die CDU/CSU-Fraktion gehört er dem Innen- und dem Sportausschuss des Parlaments an. Er setzt sich schon lange für die Einführung einer Wahlpflicht ein.
gehört dem Bundestag seit 2009 an. Seit 2013 ist er Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Zudem ist Ruppert Mitglied im Innenund im Wahlausschuss des Parlaments.
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Fotos: Privat; Archiv ;Privat
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Kampagne
Mission sechs Millionen Für die Grünen ist es bislang ein WAHLKAMPF im Umfragehoch. Das macht die Parteiführung risikofreudiger. Kann die Partei mit Steuererhöhungen die Wähler überzeugen? Ein Besuch im Basislager.
VON CHRISTINA BA U E R M E I ST E R
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m den Gipfel des Mount Everest zu besteigen, braucht man heutzutage entweder sehr viel Geld für einen professionellen Bergführer oder sehr viel Erfahrung, um den Weg hinauf zur Spitze allein zu meistern. Auch die Grünen wollen hoch hinaus: Ihr Drang gilt nicht dem Mount Everest, sondern dem Prozentbalken am Wahlsonntag des 22. September. Mehr als sechs Millionen Zweitstimmen sollen her. Doch die Mittel für den Gipfelsturm sind begrenzt: Gerade mal 5,5 Millionen Euro stehen der Partei im Wahlkampf zur Verfügung. Zum Vergleich: Die CDU lässt es sich rund 20 Millionen Euro kosten, Merkel den Machterhalt zu sichern. Es wird für 8
die Grünen also auf die Erfahrung ankommen, und auf die Vorbereitung. Bereits im September vergangenen Jahres haben sie in einem ehemaligen Computerladen in Berlin-Mitte ihr „Basislager“ aufgeschlagen, wie die Grünen ihre Wahlkampfzentrale nennen. Dort, wo früher PCs repariert wurden, sitzen nun zwanzig junge Leute, von denen viele kaum älter sind als die grüne Partei selbst. Auf die Wände des zweistöckigen Gebäudes sind grüne Schmetterlinge gemalt und ein Vater, der einen Kinderwagen schiebt; im hinteren Bereich steht ein Papp-Tischkicker für 43 Euro. Klischeehafter geht es kaum. Die Dekoration wurde vom Parteitag in Hannover im November 2012 recycelt, auf dem die Grünen ihr milliardenschweres Sozialprogramm zur Korrektur der
Agenda 2010 beschlossen. Mindestlohn, höhere Hartz-IV-Sätze und eine Garantierente gegen Altersarmut. Finanziert werden soll das Ganze über höhere Steuern. Nicht gerade ein populäres Wahlkampfthema.
Drei Direktmandate im Visier Auf der linken Seite der oberen Etage haben die beiden Bergführer für den Gipfelsturm ihr Quartier bezogen. Steffi Lemke ist seit 13 Jahren politische Geschäftsführerin. Es ist bereits der dritte Bundestagswahlkampf für die Dessauerin, die dieses Mal auch ein bisschen für sich selbst kämpft. Lemke will über die Landesliste in Sachsen-Anhalt zurück in den Bundestag, wo sie zwischen 1994 und 2002 schon einmal saß. pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Gegnerbeobachtung, Termine organisieren, Mitglieder mobilisieren: Rund 20 Mitarbeiter arbeiten im Basislager
Foto: www.baumannstephan.com
Teamsitzung mit Wahlkampfmanager Robert Heinrich (4. v. l.). Viele Mitarbeiter sind kaum älter als die grüne Partei selbst.
Sich auf sechs Millionen Wählerstimmen (2009: 4,6 Millionen) statt auf eine Prozentzahl festzulegen, ist clever, so entgeht man dem FDP-Desaster (Projekt 18). Außerdem schielt die Ökopartei nach den letzten Erfolgen auch auf einige Direktmandate. In drei Wahlkreisen (Berlin-Kreuzberg, Berlin-Mitte, Stuttgart) halten die Kampagnenmacher einen grünen Sieger für realistisch. Im Moment sehen die Umfragen die Partei bei 13 bis 14 Prozent. Sollte sie am Ende in diesem Bereich durchs Ziel laufen, wäre es das beste Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Sorgt das nicht für gute Stimmung? Lemke bleibt reserviert: „Die Sonntagsfrage hat mich noch nie wirklich interessiert“, sagt sie und verweist mit Galgenhumor auf ihre ostdeutsche Herkunft, wo die Grünen oft unter der Fünf-Propol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Schwarz-gelber Punchingball, grüne Quietscheentchen: Symbolik mögen die Grünen
zent-Marke lagen. Als Wahlkampfmanager unterstützt sie erstmals Robert Heinrich, der seit 2007 den Bereich Öffentlichkeitsarbeit leitet. Heinrich vergewissert sich beim Rundgang noch mal schnell, ob nicht versehentlich irgendwo Plakatmotive auf dem Schreibtisch herumliegen. Man sei gerade in der Abstimmungsphase mit der Agentur. Der 36-Jährige verkörpert einen neuen Typus bei den Grünen. Von außen betrachtet, könnte man ihn fast bei der FDP vermuten. Eckige Brille, Hemd, Sakko, modische Kurzhaarfrisur. Doch innen schlägt das grüne Herz ganz kräftig. Heinrich, in Leipzig aufgewachsen, wurde über die Montagsdemonstrationen im Wendeherbst 1989 politisiert. Erst später, als er in Baden-Württemberg zur Schule ging, kam das ökologische Mo-
ment hinzu. Der entscheidende Impuls für ihn, zu den Grünen zu gehen, war der Klimawandel.
Steuerpläne gegen Inhaltsleere Heinrich beerbt als Wahlkampfmanager den gebürtigen Niederländer Rudi Hoogvliet, ein wahres Wahlkampfurgestein und heute Regierungssprecher von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Lemke und Heinrich kennen sich bestens. Heinrich war eine Zeit lang Büroleiter der Bundesgeschäftsführerin. Gemeinsam holten sie sich Inspiration aus anderen Ländern. 2011 begleiteten beide die finnischen Grünen im Straßenwahlkampf (Heinrich: „Die Finnen sind da echte Vorreiter“). Und bei den niederlän9
Kampagne
dischen Parteifreunden schauten sie sich an, wie Mitgliederwerbung geht. Große Vertrautheit herrscht auch in Sachen Wahlkampfagentur: Die Grünen lassen ihre Kampagne zum dritten Mal in Folge von der Agentur „Zum Goldenen Hirschen“ konzipieren. Klingt alles ganz schön konservativ. Das will Heinrich natürlich nicht gelten lassen. Bei den Hirschen sei erstmals auch deren Kölner Büro beteiligt, das zuvor noch gar keinen Wahlkampf bestritten habe. Und auch im Basislager gebe es eine Menge Rookies. Strategisch wollen die Grünen verhindern, dass dieser Wahlkampf wieder so inhaltsleer verläuft wie 2009. Dafür
stecken wir auch schon mal den „Kopf in den Wind“, wie Heinrich es nennt. Gemeint ist die Debatte um das Steuererhöhungsprogramm der Partei. Der PR-Profi glaubt, dass die Strategie aufgeht. „Wir haben ein ehrliches und solide durchgerechnetes Konzept.“ Die Grünen seien schon jetzt in Umfragen die glaubwürdigste aller Parteien. Das Programm ist mutig. Die Grünen appellieren sozusagen an die Vernunft der Wähler. Die Marschroute: Nach dem Verlust ihres Kernthemas Atomausstieg will die Ökopartei die Chancen- und Vermögensverteilung zum Wahlkampfthema machen und wildert damit im linken Wählerspektrum.
Plakate zur Miete
wollen, müssen wir auch investieren – und ehrlich sagen, wo das Geld dafür herkommen soll. Teure Wahlversprechen ins Blaue hinein wie von Angela Merkel werden Sie bei uns nicht finden. Aber den Anspruch, einen umfassenden Ansatz zu haben, heißt für mich nicht, Volkspartei sein zu müssen. Den Begriff Volkspartei verwende ich aus guten Gründen nicht. Aus meiner Sicht ist die Gesellschaft viel zu ausdifferenziert, um noch von Volksparteien sprechen zu können. Eine Wahlkampfstrategie im Stile einer Volkspartei alten Typs wäre für die Grünen auch verhängnisvoll. Warum? Weil das die Gefahr in sich birgt, nur noch der Mehrheit nach dem Munde reden zu
wollen. Die Union erstellt ihr Programm ja zunehmend auch auf der Basis von Umfragen. Die heutige grüne Stärke rührt aber daher, dass wir auf überzeugende Antworten beharrt haben, selbst wenn es massiven Gegenwind gab. Ob bei der Ökosteuer, der Homo-Ehe oder dem Atomausstieg: Wären wir immer dem Zeitgeist hinterhergelaufen, wäre unser Profil heute verwässert. Also führen Sie einen klassischen Zielgruppenwahlkampf … Nein, unsere Strategie ist es, mit einem „Wertewahlkampf“ zu punkten. Ökologischer Umbau, mehr soziale Gerechtigkeit und eine offene Gesellschaft – dafür haben wir doch die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns.
Jetzt geht es erstmal darum, SchwarzGelb endlich aus der Reserve zu locken. Erste Attacken werden schon gefahren. Zum Beispiel mit dem „Abwählkalender“ im Netz, der 200 Tage lang jeden Tag einen Grund gegen die Merkel-Regierung liefert. „Negative Campaigning mit Argumenten und Fakten“, nennt das Heinrich. Ihm zufolge erreicht jedes Kalenderblatt allein auf Facebook zwischen 6000 bis 10.000 Nutzer. Der Wahlkampfmanager ist zufrieden. Symbolhaft hängt neben dem Papptischkicker ein schwarz-gelber Punchingball mit grünen Boxhandschuhen. „Die
„Königsweg politischer Kommunikation“ Die politische Geschäftsführerin der Grünen STEFFI LEMKE im p&k-Interview über das Verliererthema Steuererhöhungen, Angela Merkels Selbstinszenierung und ihr Bauchgefühl im Wahlkampf. INTERVIEW: BJÖ R N M Ü L L E R
p&k: Das Wahlprogramm der Grünen
enthält ein gigantisches Sozialprogramm. So etwas kannte man bisher nur von Volksparteien. Denken Sie nach den letzten Wahlerfolgen nun schon in dieser Größenordnung? Steffi Lemke: Was heißt denn gigantisches Sozialprogramm? Das stimmt so nicht. Wenn, dann sind wir die einzigen mit einem realistischen Programm. Wir schauen uns an, was in unserer Gesellschaft im Argen liegt, was die Politik anpacken muss. Dazu gehören fehlende Kita-Plätze und Ganztagsschulen, dazu gehören marode Bibliotheken und Schwimmbäder. Wenn wir da etwas tun 10
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Gelber Farbtupfer mit grünem Innenleben: In dem Gebäude befand sich zuvor ein Computerladen
halbe Luft ist schon raus“, witzelt der 36Jährige. Die sozialen Medien sind ein großes Pfund der Grünen, davon sind Lemke und Heinrich überzeugt. „Wir haben mit Sicherheit die onlineaffinste Wählerschaft“, so Lemke. Wie schon 2009 wird auch bei dieser Kampagne sehr viel
im Netz stattfinden. Unter anderem soll das Format „Drei Tage Wach“ ausgebaut werden, mit dem die Grünen 72 Stunden vor der Wahl im Livestream die Fragen der Wähler beantworten. Das Format hat die Partei schon bei Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl 2009 eingesetzt.
Was heißt das konkret? Bis jetzt sind wir die einzige Partei, die ein detailliert durchgerechnetes Programm präsentiert hat. Mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes sagen wir klar, wen wir mehr in der Pflicht sehen. Damit haben wir inhaltlich im Wahlkampf vorgelegt. Jetzt gibt es natürlich Gegenwind nach dem Motto „das Imperium schlägt zurück“, aber auf lange Sicht wird uns diese frühe Positionierung stärken. Mit Steuererhöhungen Wahlen gewinnen zu wollen, ist eine riskante Strategie … Nicht, wenn man dem Wähler klar vermittelt, was Ziel und was Instrument ist. Das ist der Königsweg politischer Kommunikation. Die von uns geplanten Steuererhöhungen für einige wenige sind kein Selbstzweck, sondern das Mittel, um mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen und das Gemeinwohl insgesamt zu stärken. Außerdem, wie ich bereits sagte: Wir haben viel Erfahrung darin, für schwierige Themen zu kämpfen. Abgesehen davon, dass Steuererhöhungen ein undankbares Wahlkampfthema sind, haben Sie in Angela Merkel auch noch eine Gegnerin, die sich über die Euro-Krise als „Mutter der Nation“ inszenieren und einen Personenwahlkampf führen kann. Eine gute Strategie, um die Wahl zu gewinnen, oder? Im Gegenteil, es fängt jetzt schon an, zu kippen … … Sie meinen die Talkrunde am 2. Mai in der Gesprächsreihe „Brigitte live“,
in der sich die Kanzlerin auch zu persönlichen Themen geäußert hat? Auch. Und ich befürchte, dass diese Selbstinszenierung noch nicht der Höhepunkt war. Im Vergleich zu 2009 hat der Homestory-Faktor in der CDU-Kampagne deutlich zugenommen. Aber jetzt Angela Merkel möglichst privat und persönlich zu zeigen, wird nicht reichen, um die miese Bilanz der letzten vier Jahre vergessen zu machen. Zumal es absolut unglaubwürdig ist. Diese Instrumentalisierung merken die Menschen doch sofort. Auch deshalb haben wir versucht, den Wahlkampf früh mit Inhalten zu füllen. Es gilt, die Grundlagen für ein soli-
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„Wir haben viel Erfahrung darin, für schwierige Themen zu kämpfen“ darischeres Gemeinwesen zu legen, und nicht, einer nebulösen Krisenkanzlerin zu huldigen. Lassen Sie uns von den Gegnern zu den Verbündeten kommen: Gibt es bei dieser Wahl Allianzen mit gesellschaftlichen Institutionen und Verbänden, die Sie zuvor nicht hatten? Ja. Unsere Unterstützer lassen sich nicht mehr auf Verbraucher- und Naturschutzverbände reduzieren. Der Evangelische Kirchentag war einer der ersten, der uns in der Steuerdebatte zur Seite gesprungen
Selbst beim Thema Budget haben sich die Grünen etwas Kreatives einfallen lassen. Mit einem Plakatspendentool gelang es ihnen bereits 2009, rund 2300 Großflächenplakate von Anhängern finanzieren zu lassen. Diese Möglichkeit wird es 2013 wieder geben – in ausgeweiteter Form. Dieses Mal können auch Litfaßsäulen und Kinospots gesponsert werden. Die Partei hat einiges vor: Eine anspruchsvolle Kampagne für eine anspruchsvolle Wählerschaft. Ob Ökosteuer oder Homoehe: Die Grünen haben viel Erfahrung darin, schwierige Themen zu kommunizieren, sagt Steffi Lemke im p&k-Interview. Vielleicht fehlt im Basislager noch ein Foto: von Sir Edmund Hillary.
ist. Und den Bundesverband der deutschen Energiewirtschaft, … … dessen Agenda bis zur Energiewende von den Atomkonzernen dominiert wurde, … … sehen wir heute als Partner. Zumindest punktuell. Ein weiteres Beispiel: Cem Özdemir ist heute im Beirat des Bundesverbands mittelständischer Wirtschaft. Da war früher Rainer Brüderle drin. Wenn wir allerdings irgendwann die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft als Unterstützer gewinnen, sollten wir uns Sorgen machen. Bei aller Organisationsarbeit – wie wichtig ist das Bauchgefühl? In sich hinein zu horchen, ist eine Art letzter Ratgeber vor einer Entscheidung. Ich denke, das Bauchgefühl wird umso entscheidender, je mehr Erfahrung man gesammelt hat. Eine Kampagne können Sie weder wissenschaftlich durchplanen noch rein nach dem Instinkt steuern. Wichtig ist es, nicht betriebsblind zu werden. Wie schützen Sie sich dagegen? Indem ich hin und wieder die grüne Blase verlasse und in den Sportclub oder zu Freunden und Verwandten gehe und frage: „Hey, was haltet ihr denn von dieser Plakatidee?“ Das hilft, immer geerdet zu bleiben. Haben Sie so etwas wie einen Leitspruch beim Campaigning? Seit Robert Heinrich und ich angefangen haben, Wahlkämpfe zu machen, ist unser Credo: Nichts ist überzeugender als ein überzeugter Wahlkämpfer. 11
International
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VON ADRIAN ROSENTHAL
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iese Nachricht überraschte die Teilnehmer des Personal Democracy Forums in New York, als sie über die Ticker lief. Die amerikanische Regierung ermöglicht es den Geheimdiensten, private Daten und Nachrichten und Co. bei Facebook mitzulesen. Während es im letzten Präsidentschaftswahlkampf kaum eine Debatte darüber gab, dass beide Kampagnen wussten, welche Biersorte Wähler A bevorzugt oder ob Wählerin B gerade schwanger ist, hat diese Meldung in den USA in kürzester Zeit eine Debatte über Datenschutz losgetreten, die Präsident Obama ja angeblich wünscht. Es gab also genug Gesprächsbedarf auf dem Personal Democracy Forums, kurz PDF, bei dem sich Anfang Juni digitale Vordenker, Polit-Aktivisten und Vertreter von NGOs zusammenfanden. Das Motto „Think Bigger“ verdeutlichte dabei den hehren Anspruch der diesjährigen Konferenz: Redner und Teilnehmer wollen zusammen Wege aufzeigen und finden, wie mit digitalen Tools und Daten, mit Crowdsourcing und Open-GovernmentInitiativen in den modernen Gesellschaften das Regieren und Zusammenleben verbessert werden kann.
Demokratie-Theater Beth Noveck war während Obamas erster Amtszeit Chief Technology Officer im Weißen Haus
Daten besser regieren Wie können Bürger und Staat effektiver miteinander interagieren, ohne nur ein DemokratieTheater aufzuführen? Ein Bericht vom zehnten PERSONAL DEMOCRACY FORUM in New York.
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Die Redner – ob Ethan Zuckerman, Direktor des MIT Center for Civic Media, Beth Noveck, Professorin und Direktorin des Governance Labs an der NYU oder Bestsellerautor Seth Godin – sie alle pendelten zwischen Optimismus und Pessimismus und thematisierten die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenspiel mit Politik und öffentlichen Institutionen auftürmen. In ihrer Rede ging Beth Noveck auf diese Hürden und Herausforderungen ein. Als Chief Technology Officer im Weißen Haus während der ersten Amtszeit von Barack Obama fand sie ein Computersystem vor, das den Zugang zu sozialen Netzwerken sperrte. Mit Webseiten wie data.gov und challenge.gov öffnete sie das Weiße Haus für digitale Kollaborationen. Wie sie auf dem Forum noch einmal verdeutlichte, bedeute Open Government dabei nicht nur ein Mehr an Transparenz und das Teilen von Daten und Informationen durch Regierungen und öffentliche pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Institutionen. Vielmehr gehe es darum, wie unter Einsatz digitaler Technologien und Daten besser regiert werden kann und Bürger und Staat effektiver interagieren können. Vor allem auf Seiten öffentlicher Institutionen und der Politik müssen laut Noveck Widerstände abgebaut werden. Die Basis von Staat und Regierungen sei nun einmal Bürokratie. Und diese habe sich das Zentralisieren von Daten und Informationen zum Ziel gesetzt. Die institutionelle Kultur dieser Akteure stehe den
den Appell: „Do it! Nutzt die Möglichkeiten neuer Technologien und das Wissen der vorhandenen digitalen Experten für mehr Interaktion mit den Bürgern und die Lösung von Problemen.“ Mit Blick auf die Experten merkte Noveck an, dass es vor allem auf Seiten öffentlicher Institutionen einen Mangel an digitalen Experten gebe, da diese oftmals in der freien Wirtschaft arbeiten oder gleich Start-Ups gründen. Auf der Konferenz wurden zwei Ansätze vorgestellt, wie dieses Problem in den USA angegangen wird.
Foto: www.derfotografberlin.de/Gerald Schmidt
Treffen digitaler Vordenker, Polit-Aktivisten und NGO-Vertreter: das Personal Democracy Forum
Möglichkeiten zur digitalen Kollaboration daher in den meisten Fällen meist ablehnend gegenüber und zeige sich nur selten offen für Ideen von außen. Obwohl es auf kommunaler Ebene bereits erfolgreiche Open-GovernmentProjekte gibt – Noveck erwähnt Public Private Partnerships wie die Kooperation der Stadt Oakland mit der Plattform Kiva zur Vergabe von Mikrokrediten an lokale Unternehmen –, seien viele der initiierten Projekte oftmals eher ein Ausdruck dessen, was Noveck Demokratie-Theater nennt: der Einsatz von digitalen Technologien und Kollaborationsmöglichkeiten als Show-Effekt, um Forderungen nach Beteiligungen und direkter Mitsprache aus der Bevölkerung zu befriedigen, ohne diese wirklich zuzulassen. Da eine mit politischen Institutionen wirklich vernetzte Öffentlichkeit momentan noch fern ist, richtete Beth Noveck auf dem PDF an die anwesenden Aktivisten pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Die NGO „Code for America“, von ihrem Chief of Staff Abhi Nemani in einem der Panels als „Peacecorps for Geeks“ vorgestellt, schickt jedes Jahr Dutzende Programmierer, Designer und Big-Data-Spezialisten in amerikanische Städte und Kommunen. Finanziert wird dies durch Spenden von Google und der Knight Foundation sowie durch Privatpersonen und Beiträge der teilnehmenden Städte und Kommunen.
Mangel an digitalen Experten So soll auf lokaler Ebene erreicht werden, was Noveck in ihrer Rede forderte: Experten, die unter Einbezug lokaler Gruppen und Aktivisten frische Ideen von außen in öffentliche Institutionen bringen, umgesetzt mit Hilfe neuer Technologien, die Probleme lösen und das Zusammenleben verbessern. Unter dem Namen Code for All wird das Programm ab September 2013 in Koo-
peration mit der Open Knowledge Foundation aus Berlin auch in Deutschland mit drei Partnerstädten an den Start gehen. Einen anderen Ansatz verfolgt die Organisation Black Girls Code. In ihrer Eröffnungsrede beim Kongress stellte Catherine Bracy – auch sie gehörte früher zum Digitalteam von Barack Obama – fest, dass das Silicon Valley alles andere als vielfältig und demokratisch sei.
Frauenquote fürs Silicon Valley In der Domäne vornehmlich junger weißer Männer seien Frauen und Minderheiten deutlich unterrepräsentiert. Das will Kimberly Bryant mit ihrer Organisation Black Girls Code ändern. Die Lösung für Kommunen und Städte sind an Stelle von Experten dann junge Expertinnen. Auf dem PDF stellte Bryant ihr Ziele vor: Bis 2040 will ihre NGO einer Millionen Mädchen und jungen Frauen das Programmieren beigebracht haben. Seit der Gründung im Oktober 2011 haben immerhin schon 1200 Teilnehmer die Kurse von Black Girls Code absolviert und tragen als Multiplikatorinnen das Wissen und die Idee weiter. Das Mantra der Aktivisten bleibt: sich zu engagieren und politischer zu werden und auch gezielt die Zusammenarbeit mit Politik und öffentlichen Institutionen – vor allem auf lokaler Ebene – zu suchen, um positive Veränderungen herbeizuführen. Dieser Ansatz wurde Anfang Mai auch schon auf der re:publica in Berlin laut. #aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek, die auf dem Personal Democracy Forum über digitalen Feminismus und #aufschrei sprach, merkte an, dass sich die Netzgemeinde in Deutschland im Angesicht der Politik ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt sieht, sich der digitale Aktivismus mittlerweile aber auch in festen Netzwerken institutionalisiert. Regionale Veranstaltungen des Personal Democracy Forums gibt es in Frankreich und Polen. Trotz re:publica und Politcamp: Auch Deutschland täte ein Personal Democracy Forum sicher gut.
Adrian Rosenthal ist Head of Digital and Social Media bei der PR-Agentur MSL Germany. Er bloggt seit 2008 auf amerikawaehlt.de über US-Wahlkämpfe und Online-Campaigning. Auf Twitter ist er unter @neurosenthal zu finden.
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Medien
Merkels Follower
VON CHRISTINA BA U E R M E I ST E R
I
rgendwann am Pfingstsonntag muss es passiert sein. Zwei Jahre, nachdem Steffen Seibert unter großem Erstaunen der Hauptstadtpresse mit dem Twittern begann, folgt seinen Was-machtMerkel-Tweets der hunderttausendste User. Seibert bemerkt das erst einen Tag später. Pfingsten hat selbst er mal frei. Der 53-Jährige ist im Polit-Kosmos längst einer der erfolgreichsten Twitterer. Dabei missachtet er ganz konsequent eine Grundregel des Erfolges: Er verzichtet auf private Nachrichten; ganz anders als Bundesumweltminister Peter Altmaier (42.765 Follower), der etwa bereitwillig mitteilt, wie gern er die „heute show“ guckt. Seiberts Tweets lesen sich dagegen wie ein steifes Protokoll der Termine der Kanzlerin. Kaum zu glauben, dass diese Langeweile so viele Fans hat. Seibert selbst würde das mit dem LedZeppelin-Klassiker „Stairway to heaven“ erklären, der auf seinen Fall übertragen so viel bedeutet wie „Treppe zur Macht“. Seibert ist diese Treppe zur Macht. Er twittert für die Kanzlerin, und deshalb würde Merkel auch nicht auf die Idee kommen, sich einen eigenen Account zuzulegen. Seibert, der Privatmann, hat übrigens auch keinen. Wenn im Herbst der 18. Deutsche Bundestag gewählt wird, steht Merkels Regierungssprecher nicht zur Wahl. 14
Doch Seibert will selbstverständlich dazu beitragen, „dass diese Bundesregierung ihre erfolgreiche Arbeit für Deutschland fortsetzen kann“. Irgendwie klingen solche Sätze noch immer seltsam aus seinem Mund. Dabei ist es schon knapp drei Jahre her, dass der smarte ZDF-Anchorman und Liebling aller Schwiegermütter den Mainzer Lerchenberg gegen den heißen Stuhl des Regierungssprechers eintauschte.
Schicksal des Nachgeborenen Seibert sitzt Ende April zwischen zwei Terminen in seinem Büro auf der Zwischenebene 3.1 im Bundespresseamt. Er hat wenig Zeit, nur eine halbe Stunde, auf dem Tisch liegt noch sein Mittagessen, ein Salamibrötchen. Was fasziniert ihn an Merkel? Seibert kneift den Mund zusammen, überlegt, und antwortet dann: „Ich bewundere ihre Fähigkeit, blitzschnell Sachverhalte miteinander verknüpfen zu können.“ Er spricht von ihr in einer sehr bestimmten Tonlage, die man noch aus seinen Fernsehinterviews kennt. Ob Merkel und er sich duzen? Der gebürtige Münchner winkt sofort ab. Die Müdigkeit ist ihm an diesem Frühsommertag ein wenig anzusehen. Die Tage an der Seite der Kanzlerin beginnen früh, um sieben Uhr morgens, selten kommt er vor Mitternacht nach Hause. Seine drei Kinder bekommt er unter der Woche oft nur schlafend zu Gesicht.
Warum tut er sich das an? Nicht selten schreiben Journalisten an dieser Stelle von der Nähe zur Macht und ihrer Anziehungskraft. Seibert will das so nicht stehen lassen. Ihn fasziniere es, nah am politischen Prozess zu sein; mitzuerleben, wie Gesetze entstehen, anders als in Mainz, als er ganz am Ende der Futterkette war und Nachrichten moderierte. Die Erwartungen waren hoch an den Ex-ZDF-Moderator. Der Druck sowieso. Kann er aus dem Schatten seines geschätzten Vorgängers Ulrich Wilhelm treten? Wie ist sein Kommunikationsstil? Kann Seibert Vordenker sein oder doch nur Chef-Beschwichtiger? Um eine Antwort darauf zu bekommen, hilft ein Blick in die Geschichte des Amtes. Seibert ist der 24. Regierungssprecher in der Geschichte der Bundesrepublik. Für seine Zunft gilt Klaus Bölling, Regierungssprecher von Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), als das Maß aller Dinge. Der gelernte Printjournalist Bölling war nicht nur Schmidts Stimme. Er war Interpret, Berater und Lotse und sogar so wichtig, dass Schmidt den zwischenzeitlich Abgewanderten wieder zurückholte. Merkels Lotse ist Seibert nicht, eher ihr Follower. Ihn treffe das Schicksal des Nachgeborenen, schreibt der Journalist Stefan Kornelius in seinem neuen Buch „Die Kanzlerin und ihre Welt“. Merkel sei selbstständiger geworden, ihr Beraterfeld verliere an Bedeutung. pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Foto: www.baumannstephan.com
STEFFEN SEIBERT ist der 24. Sprecher einer Bundesregierung. Die Erwartungen an den Ex-ZDF-Moderator waren groß. Der Druck sowieso. Eine Zwischenbilanz.
Regierungssprecher Seibert: Den gelernten Journalisten fasziniert es, nah am politischen Prozess zu sein, anders als im Mainzer TV-Studio, als er noch ganz am Ende der Futterkette war
pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
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Medien
In der Bewertung der Arbeit eines Regierungssprechers ist der Grat schmal, schon das kleinste Fettnäpfchen kann zum Problem werden. Im Mai 2011 schrieb Seibert in einem Tweet „Osama“ statt „Obama“ und machte damit den US-Präsidenten
Angenehme Chefin
Problem mit Parteigremien Steg sagt: „Sprecher, die aus dem Journalismus kommen, werden in diesem Job immer ihre Probleme und Anpassungsschwierigkeiten haben, denn sie haben keine Erfahrungen in und mit Parteigremien.“ Und Florian Wastl, der für die Agentur MSL Public Affairs macht, drückt es so aus: „Seibert hat keinen Vertrauensbonus bei Leuten, die sich untereinander schon seit dem 14. Lebensjahr aus der Parteiarbeit kennen.“ Darauf angesprochen, reagiert der sonst so freundliche Sprecher merklich gereizt. Es nervt ihn spürbar, dass einige Beobachter ihm absprechen, Merkel auch in politischen Fragen eng zu beraten. Diese Kritik interessiere ihn nicht, deshalb möchte er nicht darauf antworten. So ganz nimmt man ihm das nicht ab. Von Ulrich Wilhelm ist bekannt, dass er einmal in der Bundespressekonferenz die Erwartung äußerte, Merkel möge bei ihrem Treffen mit Wladimir Putin auch die Lage der Menschenrechte in Russland ansprechen. Das war nicht abgesprochen. Wilhelm wurde dafür von der Presse gelobt. Von Seibert fehlt bislang ein derartiger öffentlicher Beweis seiner Eigenständigkeit. Vielleicht ist er sich bewusst, dass das Echo der Presse auch ganz anders ausfallen könnte als damals bei Wilhelm. 16
Baumer auch noch kennengelernt hat. Der Nürnberger gibt dem aktuellen Regierungssprecher die Schulnote zwei für seine Arbeit. Gute Noten bekam Seibert schon in der Schule. Mit einem Abitur von 1,4 verließ er Anfang der achtziger Jahre die Tellkampfschule in Hannover. Einer seiner Mitschüler war der heutige „Zeit“-Herausgeber Giovanni di Lorenzo, den Seibert damals wegen seiner klugen Eleganz bewunderte. Auf den ehemaligen Klassenkameraden stößt er heute nur noch selten.
„Ich bewundere Merkels Fähigkeit, blitzschnell Sachverhalte miteinander verknüpfen zu können“ versehentlich für den Tod tausender Unschuldiger verantwortlich. Noch heute wird er ständig darauf angesprochen. Skeptisch war anfangs vor allem die Hauptstadtpresse. Dabei verlief seine Premiere im August 2010 vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz ganz ordentlich. Damals sagte er: „Ich muss lernen, hier ohne dreieinhalb Kilo Papier auszukommen.“ Harald Baumer ist seit zwölf Jahren Berlin-Korrespondent der „Nürnberger Nachrichten“. Für den Franken reiht sich Seibert nahtlos ein in die Reihe seiner Vorgänger Béla Anda und Ulrich Wilhelm. Alle drei seien „freundlich, smart und verlässlich“ und gehörten ein und derselben Generation an, anders als der etwas knorrige Uwe-Karsten Heye, den
Am Freitag vor Pfingsten kommt Seibert wieder mit zwei dicken gelben Mappen in die Bundespressekonferenz. Inzwischen hat er zugegeben, dass er die Akten vor allem zur eigenen Beruhigung braucht. Diesmal sind die Ränge fast leer. Es geht um die EU-Spielzeugrichtlinie, den Besuch von Chinas Premierminister Li Keqiang, ums ChampionsLeague-Finale – und vor allem um die Frage: Wird die Kanzlerin Bayern-Präsident und Steuersünder Uli Hoeneß begrüßen? Ganz zum Schluss der dreiviertelstündigen Pressekonferenz will ein japanischer Kollege noch etwas ganz anderes wissen. Es geht ihm um die Meldung, dass der Bürgermeister von Osaka die Zwangsprostitution von schätzungsweise 200.000 Frauen im Zweiten Weltkrieg rechtfertigt. Der japanische Journalist will eine Stellungnahme der Bundesregierung. Seibert guckt verdutzt. Diese Meldung ist ihm nicht bekannt, obwohl er jeden Morgen gegen sieben Uhr auf dem iPad die Kanzlermappe mit den Presseberichten durchackert. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich als Sprecher der Bundesregierung überhaupt dazu äußern muss.“ Die Szene macht deutlich: Seibert hat in der Bundespressekonferenz seinen Stil gefunden und weiß, was er kommentieren muss und was nicht. Dabei kommt ihm zugute, dass Angela Merkel in der letzten DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière stellvertretende Regierungssprecherin war. Aus dieser Erfahrung heraus denkt die Kanzlerin ganz automatisch kommunikativ mit. Das empfand schon Thomas Steg als sehr angenehm. pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Foto: www.baumannstephan.com
Wie zuvor Ulrich Wilhelm hat natürlich auch Seibert Zugang zum innersten Zirkel der Macht – dem „Küchenkabinett“, dem Merkels Büroleiterin Beate Baumann, Kanzleramtschef Ronald Pofalla und Medienexpertin Eva Christiansen angehören. Auch Thomas Steg hat eine Zeit lang für Angela Merkel gesprochen. Der jetzige Cheflobbyist von Volkswagen stand 2005 vor der Herausforderung, als stellvertretender Regierungssprecher für eine Person zu arbeiten, die er kaum kannte. Steg las daraufhin erst mal eine Biografie über seine neue Chefin. Seibert hat das nicht getan. Stattdessen studierte er zur Vorbereitung die vergangenen zehn Protokolle der Bundespressekonferenzen, um zu analysieren, wie dort argumentiert wird und wie tiefgründig die Journalistenfragen sind.
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Politik Szene
KLAUS RIEGERT war lange Jahre Kapitän des FC Bundestag, nun hört er auf. Im p&k-Interview erinnert sich der CDU-Politiker an die schönsten Momente seiner „Fußballerkarriere“. INTERVIEW: FELIX F I S C H A L E C K
p&k: Sie haben über 300 Spiele für den FC
Bundestag bestritten, die meisten davon als Kapitän. Am 25. Juni ist nun Schluss für Sie. Sind Sie schon wehmütig? Riegert: Ja, sehr sogar. Das ist natürlich ein Einschnitt, wenn man mit einer Mannschaft über 20 Jahre lang regelmäßig gespielt hat. Ich habe viel Schönes, aber auch einige Niederlagen mit meinem Team erlebt. Gibt es einen Moment, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? Ein tolles Erlebnis war sicherlich das Spiel 1993 gegen die DFB-Auswahl mit Berti Vogts, Rainer Bonhof und Sepp Maier. Wir haben zwar 5:1 verloren, aber ich habe Sepp Maier ein Tor reingehauen – das war schon ein Highlight. Sie haben fast 300 Tore geschossen. Welches war Ihr schönstes? Es waren einige schöne dabei, aber das kurioseste war sicher das beim Spiel gegen die Fahrbereitschaft des Bundestages. Ich erinnere mich genau: Der gegnerische Torwart fängt den Ball, legt ihn vor sich hin und ruft, dass er einen Torwartwechsel machen will. Dann beginnt er, sein Trikot auszuziehen. Ich dachte, wenn ich jetzt angreife, haut der den Ball weg – aber das hat ihn gar nicht interessiert. Ich bin dann einfach zum Ball gelaufen und hab ihn ins Tor geschossen. Im vergangenen Jahr gab es Schlagzeilen um ein angebliches Engagement von Otto Rehhagel als Trainer des FC Bundestag; daraus wurde dann aber doch nichts. Welchen prominenten Coach würden Sie sich für Ihr letztes Spiel wünschen? Jupp Heynckes, der ist in einer ähnlichen Situation wie ich. Und er hätte jetzt auch Zeit. Sind Sie denn Fan des FC Bayern München? Ja. Als ich in den Siebzigerjahren mit Fußballspielen begonnen habe, gab es zwei große Teams – Mönchengladbach und die Bayern. Damals war man entweder Gladbach- oder Bayern-Fan. 18
Heißt das etwa, Sie als gebürtiger Schwabe haben den Bayern die Daumen gedrückt im Pokalfinale gegen Stuttgart? Ja, aber das sag ich nur ganz leise. Kompliment an den VfB: Er hat sich in diesem Spiel achtbar aus der Affäre gezogen. Warum spielen eigentlich überwie-
gend Politiker aus dem schwarz-gelben Lager beim FC Bundestag. Ist die Opposition so unsportlich? Das ist wohl eher Zufall. Wir hatten zum Beispiel auch jahrelang keinen Spieler von der FDP. Für viele Abgeordnete ist das Kicken beim FC Bundestag einfach ein Zeitproblem. Ich habe den Spruch geprägt: Wer Karriere macht, ist für die Fußballmannschaft verloren. Bei den Grünen haben wir schon immer Probleme gehabt, da gab es immer nur einige wenige, die mitgespielt haben, wie jetzt bei den Linken auch. Woran liegt’s? Keine Ahnung. Vielleicht ist die Grünen-Fraktion so diskussionsfreudig, dass es ihre Abgeordneten nicht zum Fußballtraining, das immer dienstags in Sitzungswochen stattfindet, schaffen. Au-
ßerdem ist der Frauenanteil bei den Grünen sehr hoch, da ist das Reservoir von vornherein begrenzt. Der ehemalige SPD-Abgeordnete und Initiator des FC Bundestag Adolf Müller-Emmert hat einmal gesagt: „Fußball ist unsere einzige Freude, die wir in Bonn haben.“ Würden Sie diese Aussage mit Blick auf die Berliner Republik bestätigen? Ja, mit einem Augenzwinkern schon. (lacht) Wir wären natürlich arme Würstchen, wenn das wirklich so wäre. Schweißt der gemeinsame Sport eigentlich über die Parteigrenzen hinweg zusammen?
Ja, das würde ich schon sagen. In den 20 Jahren, in denen ich mitgekickt habe, sind so einige Freundschaften zwischen den Spielern entstanden – und zwar über die Fraktionsgrenzen hinweg. Werden Sie dem Fußball denn treu bleiben, wenn Sie im Herbst aus dem Bundestag ausscheiden? Auf jeden Fall. Ich bin und bleibe ein leidenschaftlicher Fußballer, egal was nach meiner Zeit im Bundestag kommt.
Klaus Riegert ist seit 1992 Mitglied des Deutschen Bundestages und derzeit sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Der 54-Jährige war seit 1997 Kapitän des FC Bundestag. Zum neuen Mannschaftsführer wurde Anfang Juni Marcus Weinberg (CDU) gewählt. pol it ik & kommunikation | Juli/August 2013
Foto: www.baumannstephan.com
„Sport schweißt zusammen“
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1 07.06.13 16:08
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