Motorradreisebericht Trentino

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ALPENJOURNAL

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2/2008

3. Jahrgang | No. 5 SOMMER 2008

ISSN 1611-4183 | 6 12 61

MOTORRADTOUREN IN DEN ALPEN

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alpentour TRENTINO

Das Gampenjoch ist der Übergang in noch wenig entdeckte Landschaften des Trentino (oben). Gewässer wie der große Zoggler Stausee laden immer wieder zu einer sonnigen Rast (unten).

Anders reisen Warum nicht einmal Gebiete erkunden, die nur selten auf der Reiseroute von Motorradfahrern liegen? Gerade deshalb sind die noch unberührten Teile des westlichen Südtirols und des nördlichen Trentinos so reizvoll und erfrischend.

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geschützten Gassen und verlockenden Cafés gibt es ein völlig anderes Südtirol und weiter westlich eine noch weniger bekannte Region Trentinos, die wir erkunden wollen. Noch in dem an sich attraktiven Städtchen Lana geht es zu wie an zentralen Plätzen von Großstädten, doch hier gabeln sich verschiedene Straßen, wir zweigen ab auf die Höhenstraße ins Ultental, und wenige Kehren weiter wird es deutlich ruhiger. Nun also freie Fahrt. Die Zufahrtstraße von Lana ins Ultental windet Fotos: Hofmann; Gloc-Hofmann

anz in der Nähe des quirligen Kurorts Meran mit seinen prächtigen Hotels und blühenden Gärten, mit den lauben-

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sich in weiten Kurven nach oben, vorbei an Wein- und Obsthängen und blühenden Gärten. Wir genießen immer wieder die Aussicht ins Etschtal, passieren die Burgen Braunsberg und Eschenloch, bis wir mit St. Pankraz das eigentliche Ultental erreichen. Ab hier wird das fast 50 Kilometer lange Tal breiter. Die Fahrstraße schlängelt sich entlang der Berghänge, in vielen oft schmalen und unübersichtlichen Kehren, dann wieder in kurvenreichen, aber breiten, frisch asphaltierten Streckenabschnitten, die immer wieder von Tunneldurchfahrten aufgelockert werden. Den Wasserreichtum des Tales hat sich der Mensch zunutze gemacht.


Eine ganze Reihe kleinerer Stauseen und der große Zoggler Stausee in der Talmitte speichern das wertvolle Gut. St. Pankraz, St. Walburg, Ulten, St. Nikolaus und St. Gertraud heißen die fünf entlang des Tals verstreuten Siedlungen. Alte Höfe aus dunklem Lärchenholz mit steinbeschwerten Schindeldächern, gerahmt von Bauerngärten und Blumenbalkonen zieren die Dörfer. Man ist stolz auf Landwirtschaft und Handwerk und eine gewisse Unabhängigkeit vom Tourismus, denn abseits der Hauptachse des Etschtals, hat man sich stets zurückgehalten, auch in Sachen Wandel, und sich dadurch seine Ursprünglichkeit bewahrt.

Eine unvergessliche Steilauffahrt Je weiter wir kommen, umso alpiner wird die Vegetation in diesem Hochgebirgstal, das immer höher steigt, auf 1 131 Meter in St. Walburg und auf 1 872 Meter am Weissbrunnsee, dem höchsten Punkt der Fahrstraße. Doch zuvor erleben wir am letzten Streckenabschnitt hinter St. Gertraud eine unvergessliche Steilauffahrt. Engste Spitzkehren mit einer Steigung bis zu 15 Prozent überwinden eine Felskante, dass selbst besten Fahrern etwas mulmig werden kann – und wehe es kommt ein Fahrzeug entgegen! Aber dann stehen wir auf dem breiten, sonnendurchfluteten Bergsockel. Idyllisch ruhig und tiefblau leuchtend liegt der Weissbrunnsee vor uns, dahinter erheben sich majestätisch die Dreitausender: der Hinteren Eggen Spitz, der Zufritt Spitz und des Hasenöhrl, der Vorposten der Ortler Gruppe. Wir genießen das grandiose Panorama und die Ruhe und machen uns dann an die atemberaubende Abfahrt, die wir zuvor aufwärts bezwungen haben. Entlang des südlichen Bergmassivs verläuft die Grenze zwischen Südtirol und Trentino.

Seit 1998 verbindet ein Tunnel die beiden Regionen. Eine gelungene Verbindung, vermeidet man doch die langwierige Rückfahrt durch das Ultental bis ins Etschtal. Am Ende einer kühlen Fahrt erreichen wir die deutschsprachige Enklave Deutschnonsberg. Die schmale Landstraße schlängelt sich entlang der Berghänge und eröffnet schon wunderbare Aussichten hinab ins Trentino. Laurein, ein alter, bereits 1274 erwähnter Ort, klebt idyllisch am Steilhang. Nur wenige Häuser säumen die Kurve der schmalen Landstraße, in der Mitte ein abschüssiger, gepflasterter Platz vor dem Dorfgasthaus und ein steil abfallender Weg, der zur hübschen Dorfkirche mit Friedhof führt. Wir nehmen auf der Sonnenterrasse des Gasthauses Platz und genießen die Aussicht ins Tal bei Südtiroler Leckereien: Knödeltris, Spaghetti, Schlutzkrapfen – da mag man gar nicht mehr weiter! Entsprechend schwerfällig mit zwickendem Nierengurt begeben wir uns wieder auf unsere Motorräder. Nach wenigen Kilometern, auf denen die Straße kurvenreich durch tiefe Wälder über das 1 397 Meter hohe Brezer Joch und dann steil in engen Spitzkehren bergab führt, verändert sich urplötzlich die Landschaft, die Flora und Fauna. Wir sind eindeutig in Italien, im romantischen Nonstal.

Viele zauberhafte Schluchten Das Nonstal – auf Italienisch „Valle di Non“ – weist dank der hohen Gebirgszüge, die das Tal vor scharfen Nordwinden schützten, ein mildes Klima auf. Die Anwohner bauen Äpfel an, ein blühender Landstrich, in dem allein 300 000 Tonnen Äpfel pro Jahr geerntet werden. Die Landschaft ist aber auch durch viele, zauberhafte Schluchten gekennzeichnet, die immer wieder von Brücken überspannt werden.

Bei Cles wurde der Lauf des Flusses Noce durch einen riesigen Staudamm gesperrt, der zwischen 1943 und 1950 gebaut wurde. Dadurch ist der Stausee Santa Giustina entstanden, das größte Wasserkraftbecken im Trentino. Verschwunden sind damit allerdings die alte Verbindungsstraße und eine Brücke aus dem 13. Jahrhundert. Sie waren Zeugnis eines Waffenstillstands zwischen dem Fürstbischof von Trient und dem Grafen von Tirol. Dennoch gibt der Lago di Santa Giustina ein beeindruckendes Bild. Rundherum führen mehrere Landstraßen, und in der Mitte seines Westufers liegt Cles, der Hauptort des Nonstales, dem elegante Palais und Kirchen einen durchaus städtischen Charakter geben. Hoch über dem See ragt Castel Cles empor. Vom Obstbauzentrum Tuenno aus erreichen wir das Toveltal, das zum 1 178 Meter hoch gelegenen Lago di Tovel führt. Noch vor einigen Jahren war er nur über eine mäßig geschotterte, aber kurvenreiche Piste erreichbar. Mittlerweile ist die Strecke perfekt geteert. Vorbei geht es an teils bizarren Felsformationen. Das Tal schmiegt sich immer enger um uns, dann, mit steigender Höhe, wird die Vegetation grüner

Der Berggasthof am Lago di Tovel (oben) war bis vor einigen Jahren nur über eine Schotterstrecke erreichbar.

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alpentour TRENTINO ring, am Deutschnonsberg ist kaum mit Verkehr zu rechnen. INFORMATIONEN Im Gegensatz zu den allseits bekannten und viel besuchten Regionen Südtirols wie den Dolomiten ist die nordwestliche Gegend Südtirols und Trentinos, insbesondere das Ultental, der Deutschnonsberg und das obere Nonstal noch relativ ursprünglich und vom großen Tourismus weitgehend verschont geblieben. Nicht weit entfernt vom Etschtal oder vom Vinschgau lassen sich hier wunderschöne Ausflüge fahren. Die Gegend ist sehr abwechslungsreich in Hinblick auf Klimaund Vegetation. Es wird alles geboten, von mediterranen, fruchtbaren Regionen bis hinauf zu hochalpinen Gebirgslandschaften. Weitere Infos im Internet: www.ultental-deutschnonsberg.info www.suedtirol.com www.suedtirol.de www.valledinon.tn.it ANREISE Die schnellste Route für die Anreise ist diejenige über die Brenner-Autobahn oder die alte Brenner-Bundesstraße. Ab Bozen geht es dann ins Etschtal Richtung Kaltern und Meran. Spannender ist die Anreise von Norden über den Jaufenpass oder das Timmelsjoch, von wo aus man durch das lange Passeiertal Meran erreicht. REISEZEIT / KLIMA Man muss sich auf Temperaturunterschiede zwischen unteren und oberen Lagen einstellen. Im italienischen Trentino und im Etschtal ist es oft sehr heiß, in den oberen Lagen hingegen, wie im Ultental, am Brezer Joch, in Laurein oder am Gampenjoch deutlich kühler. Die Fahrt durch derart unterschiedliche Klimazonen kann aber durchaus sehr reizvoll sein. Als Reisezeit ist Frühjahr bis Herbst empfehlenswert. MOTORRADFAHREN Jede Menge Fahrspaß auf sehr kurvenreichen Land- und Passstraßen ist garantiert. Die Vegetation wechselt sehr rasch, immer wieder schöne Ausblicke begleiten die Fahrt. Abseits der Hauptverkehrsstraßen wie im Etschtal oder im Nonstal ist die Verkehrsdichte noch erfreulich ge-

ÜBERNACHTEN In der Umgebung von Meran, im Etschtal und im Ultental gibt es jede Menge Pensionen und Hotels aller Kategorien. Am Deutschnonsberg und im nördlichen Nonstal ist das Übernachtungsangebot eher begrenzt. Unsere Empfehlungen: ALBERGO AURORA via Cantone, 24 • I-38013 Tret di Fondo T & F +39 (04 63) 88 00 22 • F 88 00 20 info@albergo-aurora.it www.albergo-aurora.it GASTHOF ZUM HIRSCHEN Gampenpass • I-39010 Deutschnonsberg T & F +39 (04 63) 88 61 05 info@zumhirschen.com www.zumhirschen.com ESSEN/TRINKEN Die Südtiroler Küche wartet mit ganz besonderen Köstlichkeiten auf. Neben Kaminwurzen, einer harten würzigen Roh-

wurst, dem Südtiroler Speck, einem leicht geräucherten Rohschinken, und dem knusprigen Schüttelbrot, sind besonders die vielfältigen Knödelvariationen zu nennen. Entweder man ist sie als Suppeneinlage als Speckknödel oder als eigenständiges Gericht gibt es Käse-, Spinat- oder Pilzknödel, bestreut mit Parmesan und Butter. Schlutzkrapfen, mit Spinat gefüllte Teigtaschen, sind ebenfalls ein Gedicht. Im Trentino bevorzugt man schon eher verschiedene Pasta-Variationen. LITERATUR / KARTEN Dagmar Elsen, GARDASEE, TRENTINO, VERONA, Reise-Know-How Verlag, ISBN 978-3-8317-1559-6, EUR 17,50. D. Höllhuber, SÜDTIROL, Michael Müller Verlag, ISBN 3-89953-250-3, EUR 22,90. ADAC REISEMAGAZIN ITALIENISCHE SEEN, Nr. 97, 2007, ISBN-13 978-3-89905415-6, EUR 7,80. REISEKARTE TRENTINO SÜDTIROL (Brenner-Gardasee-Venedig) Blatt 3, Kümmerly+Frey, Maßstab 1:200 000, ISBN 3-259-01223-0, EUR 7,90.

und am Ende der „Sackgasse“ erwarten uns ein (zumindest in den Sommermonaten) gebührenpflichtiger Parkplatz sowie ein gut besuchter Berggasthof. Der Lago di Tovel liegt schon im „Parco Naturale Adamello Brenta“. Nirgendwo in Mitteleuropa soll es mehr Braunbären geben als in diesem Terrain. Erfährt man, dass der Naturpark 620 Quadratkilometer umfasst und von insgesamt 23 Bären bewohnt wird, relativiert sich das schnell.

Gampenjoch und Mendelpass Zurück geht es wieder durch das Nonstal. Eine herrlich kurvenreiche Landstraße führt aufwärts durch eine fruchtbare, blühende Landschaft. Im nördlichen Nonstal erreichen wir Fondo. Am Schnittpunkt der uralten Straßen, die von Meran über das Gampenjoch und von Bozen und Kaltern über den Mendelpass führen, liegt die schon in vorgeschichtlicher und römischer Zeit besiedelte Ortschaft Fondo, ein recht geschäftiges Zentrum mit Läden, Banken und Cafés. Der Rio di Fondo hat sich hier eine 300 Meter lange und bis zu 50 Meter tiefe, schmale Schlucht gegraben. In Fondo gabeln sich die Wege. Ostwärts geht es zum allseits bekannten Mendelpass und weiter nach Kaltern im Etschtal. Wir jedoch entscheiden uns für die lang gezogene Strecke über das 1 512 Meter hohe Gampenjoch, die uns wieder nach Lana und ins nördliche Etschtal führen wird. Das gesamte Etschtal von Meran bis Bozen liegt uns zu Füßen. Unter uns grüne Hänge, übersät mit Südtiroler Dörfern und Burgen. Gegenüber die Bergwand des Salten und des Möltner Jochs und dahinter erblickt man die Gipfel der Dolomiten – ein herrliches Bild! Dr. Ingrid Gloc-Hoffmann

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