ALPENJOURNAL
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2/2008
3. Jahrgang | No. 5 SOMMER 2008
ISSN 1611-4183 | 6 12 61
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alpentour VENETO
Karstformationen wie bei S. Giorgio sind ein Markenzeichen des Parco Regionale della Lessina.
Fotos: Hofmann; Gloc-Hofmann
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ußerhalb Italiens sind die Monti Lessini ein weitgehend noch unbekanntes, dafür umso reizvolleres Gebiet. Dabei liegt es nur wenige Kilometer von der viel besuchten GardaseeRegion entfernt. „Direkt um die Ecke“ befinden sich Verona, die romantische Stadt von Romeo und Julia und einzigartiger Opernfestivals, weiter nördlich im Trentino das heitere, venezianisch anmutende Rovereto und die Renaissancestadt Trento. Westlich des Etschtales liegt das traumhafte Ostufer des Gardasees mit seinen Surferparadiesen und den Urlaubsorten wie Malcesine, Garda, Bardolino oder Lazise und der gerade für Motorradfahrer reizvolle, 2 218 Meter hohe Monte Baldo. Die Monti Lessini sind ein aufregendes Gebiet: Ein großes Hochplateau, das sich von den Abhängen des Etschtals zum Fuße der Kleinen
Mediterran und hochalpin Fruchtbares, hügeliges Weinland, schattige, grüne Täler, alpine Hochalmen und schroffe Gebirgszüge mit unzähligen Serpentinen, Karstformationen, ursprüngliche Dörfer und strahlender Sonnenschein – das sind die Monti Lessini. Dolomiten erstreckt, wo sich Wiesen und Weiden mit dichten Wäldern und tiefen Tälern abwechseln. Aber Vorsicht: Die Fahrt hierdurch ist herrlich, jedoch sehr zeitraubend, die Strecken sind meist nur mäßig beschildert. Abgesehen vom alpinen Teil des Parco Regionale della Lessinia wird das gesamte
Gebiet von eng aneinander liegenden, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Tälern durchzogenen. Extrem schmale und kurvenreiche Landstraßen verbinden die Täler, Bergketten und Ortschaften miteinander. Ein ewiges Auf und Ab. Man kommt kaum aus dem Staunen heraus angesichts der endlos
aufeinander folgenden Serpentinen und der abwechslungsreichen Ausblicke. Da weitet sich in den oberen Regionen zunächst eine Bergwelt vor unseren Augen, dann geht es wieder hinab in die dunklen, grünen Tiefen der Täler. So fährt man oft lange vor sich hin ohne wirklich Strecke hinter sich zu bringen. Wir starten unsere Fahrt am Gardasee, im hübschen Ferienort Bardolino. Ostwärts geht es über hügeliges Weinland, wir überqueren das Etschtal und erreichen S. Ambrogio di Valpolicella. Hier streifen wir das malerische Weinbaugebiet des Valpolicella, das sich an den südlichen Hängen der Lessinischen Berge nördlich von Verona erstreckt.
Von Bardolino ins Valpolicella Enge, teils sehr kurvige und steile Straßen führen durch diese wenig erschlossene Hügellandschaft, dem „Tal der vielen Keller“ (val-poli-cella), indem die bekanntesten Tropfen gedeihen wie der „Valpolicella“, der „Amarone“ und der „Recioto“. Rebflächen, Zypressen, Oliven-, Kirsch- und Pfirsichbäume und prachtvolle Villen und Weingüter prägen die Landschaft. Nur wenige Kilometer weiter nordwärts verändert sich jäh das Landschaftsbild, nicht aber die Landstraßen, die weiterhin schmal und kurvenreich Kurs nehmen auf den Parco Regionale della Lessinia. Immer karger wird die anfangs noch üppige Vegetation mit steigender Höhe. Bei Breonio sind wir mit 860 Metern schon recht weit oben, wir befahren eine Höhenstraße, die Landschaft öffnet sich und bietet grandiose Ausblicke auf die Berge des Regionalparks und die umliegenden Täler bis hin zum Etschtal. Ein Abstecher führt uns über Sant‘ Anna d‘Alfaedo wieder hinab in ein schattiges Tal zu einem der popu-
lärsten Ausflugsziele der Monti Lessini, zur Ponte di Veja. Weit unten im Bachtal, zu dem man hinabsteigen muss, befindet sich ein mächtiger, mehr als 50 Meter langer und 30 Meter hoher Felsbogen, der den Eingang zu einer Karsthöhle überdeckt, in der prähistorische Funde gemacht wurden. Die Berge hier sind karstigen Ursprungs. Eindrucksvollen Phänomenen wie Dolinen, Grotten oder in Felsen gehauenen natürlichen Brücken, von denen die berühmteste die Ponte Veja ist, begegnet man immer wieder. Und für Paläontologie- und Archäologiefans stellt diese Gegend ein wahrhaftes Paradies dar, denn sie ist übersät mit kostbaren Fossilienvorkommen. Für uns geht es wieder hinauf aus den Tiefen des Tales, in die oberen Regionen der Monti Lessini. Auffallend sind hier die steingedeckten Häuser und viele steinerne Monumente und Kreuze, welche die Wege säumen. Bereits seit vorantiken Zeiten werden in großen Steinbrüchen der berühmte rötliche Marmor sowie der Kalkstein „Pietra della Lessinia“ abgebaut. Bis heute wird der weiße Kalkstein für den Haus- und Straßenbau verwendet, was der Landschaft zusätzlich eine helle und heitere Note verleiht. Nun sind wir mittendrin im Parco Regionale della Lessinia, dieser weitflächigen Hochebene mit ihren Weiden, spektakulären karstigen Formationen und steingedeckten Häusern. Über all dem türmt sich die alpine Gebirgslandschaft mit den höchsten Bergen auf, dem Monte Tomba (1 766 Meter) und dem Monte Sparavieri (1 798 Meter). 1990, mit der Gründung des Parks, wurde ein Gebiet von etwa 10 000 Hektar unter Naturschutz gestellt,
um die naturkundlichen und geologischen Phänomene zu schützen und zu fördern. Die höchsten Regionen rund um den Monte Tomba sind für den öffentlichen Verkehr gesperrt, dafür macht die Fahrt rund herum umso mehr Freude. Als erstes nehmen wir den westlichen Passo Fittanze in Angriff. In herrlichen Kurven schraubt sich die Straße auf 1 399 Meter hinauf. Von einigen wenigen Fahrrad- und Motorradfahrern abgesehen, herrscht so gut wie kein Verkehr – eine wahre Freude, sich hier auszutoben! So wenige Besucher kommen hierher, dass man sich im Falle einer Begegnung ganz selbstverständlich grüßt und ein kurzes Gespräch beginnt, wie bei einem unserer Stopps am hoch gelegenen Rifugio am Passo Fittanze. Die folgende Abfahrt hinab ins Etschtal ist herrlich! So herrlich,
dass wir sie hinunter und wieder hinauffahren. In endlosen Kurven und Spitzkehren kringelt sich die Straße den nördlichen Steilhang der Monti Lessini hinab und endet im Etschtal nahe der Ortschaft Avio. Eine weitere Besonderheit der Monti Lessini sind die Tredici Comuni (Dreizehn Gemeinden), eine deutsche Sprachinsel der Zimbern. Im 11./12. Jahrhundert wurde das Gebiet von Zuwanderern aus
Kleine Ortschaften liegen verstreut und abgelegen in den malerischen Monte Lessini (oben).
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In Erbezzo lohnt eine besinnliche Pause zur Besichtigung der Pfarrkirche (rechts). Die Anfahrt zum Pian delle Fugazze (unten) ist eine kurvenreiche, beliebte Motorradstrecke.
dem bairisch-alemannischen Raum besiedelt. Bis 1797 bildeten die Tredici Comuni einen kleinen Freistaat mit eigenem Recht und Herkommen unter dem Schutz der Republik Venedig. Mit deren Auflösung 1797 durch Napoleon und der Einverleibung Venetiens ins Königreich Italien 1866 verloren die Zimbern ihre Selbständigkeit, das zimbrische Deutsch wurde vom Italienischen zunehmend verdrängt. Die Tredici Comuni gruppieren sich am Südabhang der Monti Lessini. Einer der Orte, Erbezzo, liegt besonders schön. Lautmalerisch ist der deutsche Name: „Wiesen“, was sehr passend ist für dieses hoch oben, auf 1 118 Metern platzierte Städtchen, das von grünen Almen umgeben wird. Direkt am Ortsrand entdecken wir ein Rifugio, dessen Lage sehr verlockend zur Einkehr ist. Und nicht nur die Lage! Es erwartet uns ein hervorragendes Essen
mit dem typischen, geräucherten Schinken. Auf der Terrasse sitzend schweift der Blick nördlich auf das Massiv des Monte Campo im Parco Regionale della Lessinia und Richtung Süden über die Alpenausläufer bis zum 31 Kilometer entfernten Verona. Erbezzo ist ein alter zimbrischer Ort, dessen Territorium in großen Teilen schon im Parco Regionale 28
della Lessinia gelegen ist. Man lebt hier von der Viehwirtschaft, aber durchaus auch vom Tourismus. In der sauberen Bergluft ist erfrischende Entspannung zu finden, sportlichen Aktivitäten nachzugehen und – natürlich – die „arte culinaria tipica“, die berühmte regionale Kochkunst zu genießen!
Zu Füßen des Monte Tomba Die Weiterfahrt führt uns auf ungezählten Serpentinen hinab in eines der schattigen, grünen LessiniaTäler und befördert uns auf der anderen Seite erneut in die oberen Regionen des Parco Regionale della Lessinia. Ein Highlight des Naturparks steht uns hier bevor. Wir befinden uns nun direkt zu Füßen des 1 766 Meter hohen Monte Tomba. Die Landschaft dominieren weite Weideflächen, steingedeckte Almhütten und interessante Karstformationen. Wie Sahnehäubchen sind die hellen Steinplatten schichtweise aufgehäuft. Einen ganz besonders schönen Rundblick über diese Szenerie hat man vom Passo Branchetto auf 1 494 Metern Höhe. Die Höhenstraße ist mit weiten Kurven besonders großzügig angelegt, endet sie doch in S. Giorgio, einem kleinen Skiort, von welchem einige wenige Lifte zum Rif. S. Giorgio hinaufführen. Wie so oft in Italien, ist die im Sommer verbarrikadierte Siedlung alles andere als ansehnlich, so machen wir uns auf, ins nächste Lessinia-Tal zu fahren. Herrliche Ausblicke auf die in grüner Umgebung angesiedelten Dörfer mit ihren prägnanten Kirchtürmen begleiten unsere Fahrt. Jede noch so kleine Ortschaft besitzt ein repräsentatives, oft monumentales Gotteshaus. Ob S. Andrea bei Badia Calavena, dem Hauptort der Tredici Comuni, wo wir ein ganz vorzügliches Mittagessen in der Trattoria
alla Colomba zu uns nehmen, oder die Städtchen Campofontana, Durlo und Altissimo, die wir auf unserer Fahrt Richtung Osten kennen lernen. Ihre landschaftliche Lage ist stets prädestiniert.
Vor den „Kleinen Dolomiten“ Schließlich erreichen wir das obere Tal des Flusses Agno. Die Strecke zwischen Valdagno und Recoaro Terme ist recht stark befahren, aber der Kurort liegt sehr reizvoll vor der Kulisse der fast 2 000 Meter hohen „Kleinen Dolomiten“, die sich östlich an die Lessinischen Berge anschließen. Hier beginnt eine sehr reizvolle Strecke in Richtung Rovereto im Etschtal. In extremen Serpentinen schraubt sich eine schmale Straße die nördlich von Recoaro Terme gelegene Steilwand hoch zum Passo Xon. Die Strecke führt weiter nach Valli di Pasubio und dann immer bergauf in Richtung Pian delle Fugazze. Diese 1 162 Meter hohe Passhöhe an der Grenze zwischen Venetien und Trentino liegt zu Füßen des 2 235
Meter hohen Monte Pasubio. Das landschaftlich äußerst spektakuläre Bergmassiv war im ersten Weltkrieg dramatischer Schauplatz von italienischen und österreichischen Truppen, die den Berg durch den Bau unterirdischer Tunnels aushöhlten und ganze Bergteile sprengten, um den Feind so zu bekämpfen. Am Pian delle Fugazze erinnern Gedenkstätten an die Ereignisse des Ersten Weltkrieges. Beeindruckend ist die folgende Abfahrt vom Pian delle Fugazze nach Rovereto. Die 50 Kilometer
INFORMATIONEN Die Monti Lessini sind eine kleine übersichtliche Region in den venezianischen Südalpen zwischen dem Etschtal, Verona, Vicenza und dem südlichen Trentino. Die Gegend ist zerfurcht von zahlreichen, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Tälern. Im Norden vor den höchsten Gipfeln erhebt sich ein Hochplateau mit weiten Weideflächen und interessanten Karstformationen. Dieses Gebiet von etwa 10 000 Hektar wurde 1990, mit der Gründung des Parco Regionale della Lessinia unter Naturschutz gestellt. Der Naturpark dient der Förderung des gesamten Gebietes, aber auch der naturkundlichen und geologischen Phänomene und der ethnographischen und architektonischen Besonderheiten. Zum Motorradfahren ein Paradies, zugleich aber auch recht anspruchsvoll. www.tourism.verona.it www.verona.com/lessinia www.parks.it/parco.lessinia ANREISE Die schnellste Route für die Anreise ist diejenige über die Brenner-Autobahn oder die alte BrennerBundesstraße. Die Monti Lessini erreicht man ab dem Etschtal von Rovereto über den Pian delle Fugazze, im Süden von S. Ambrogio di Valpolicella und natürlich von Verona aus. Oder man zweigt im Etschtal auf der SS 12 bei Ossenige auf eine steile Serpentinenstraße ab, die nach Fosse führt. REISEZEIT / KLIMA Es gibt sehr große Temperaturunterschiede zwischen unteren und oberen Lagen. Während es im Etschtal oft unerträglich stickig und heiß ist, herrschen in den oberen Lagen des Parco Regionale
lange Strecke überwindet ein Gefälle von 1 000 Höhenmetern. Entlang des Bergmassivs des Pasubio geht es ununterbrochen kurvenreich durch das Vallarsa-Tal hinunter. Rechts steil aufsteigende Felsen, links steil abfallend die Schlucht des Leno di Vallarsa, dessen Wasser in zwei Becken aufgestaut ist. Dann wird es schlagartig immer heißer, wir spüren schon die Nähe des tief gelegenen Etschtales. Am Ende der Vallarsa-Schlucht erreichen wir Rovereto – auch hier lohnt ein Besuch! Dr. Ingrid Gloc-Hofmann della Lessinia gerade zum Motorradfahren sehr angenehme Temperaturen vor. Bei schlechter Witterung kann es hingegen recht kühl und unangenehm werden. Als Reisezeit ist Frühjahr bis Herbst empfehlenswert. ÜBERNACHTEN Die Monti Lessini lassen sich gut in Tagesausflügen vom Gardasee oder von Verona aus bereisen, wo es ja zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten gibt. In den Monti Lessini, selbst in den Ortschaften, sind Hotels rar. In der Nähe von S. Giorgio oder des Passo Branchetto ist noch am ehesten etwas zu finden. Unsere Empfehlung: HOTEL PICCOLE DOLOMITI Branchetto di Bosco Chiesanuova T +39 (04 56) 78 41 34 • F +39 (04 56) 78 25 51 piccoledolomiti2005@libero.it www.hotelpiccoledolomiti.com
sehr zu empfehlen und natürlich sollte man auch die Weine des Valpolicella kosten.
In der Vallarsa-Schlucht (oben) kleben einige Gebäude regelrecht an den steilen Felswänden.
MOTORRADFAHREN Jede Menge Fahrspaß auf Pass- und Serpentinenstraßen in Verbindung mit herrlichen Ausblicken bieten die verkehrsarmen, schmalen und kurvenreichen Straßen sowohl im oberen Parco Regionale della Lessinia, als auch in den zahlreichen Lessini-Tälern. Motorraderfahrung sollte man mitbringen, da die vielen Spitzkehren recht anspruchsvoll zu befahren sind. LITERATUR / KARTEN Eberhard Fohrer, VENETIEN, Michael Müller Verlag, ISBN 3-89953-201-5, EUR 19,90. TRENTINO SÜDTIROL (Brenner-Gardasee-Venedig) Blatt 3, Kümmerly+Frey, Maßstab 1:200 000, ISBN 3-259-01223-0, EUR 7,90.
ESSEN/TRINKEN Der Prosciutto crudo, ein geräucherter Schinken, hauchdünn aufgeschnitten ist ein Gedicht. Daneben gibt es hervorragende PastaGerichte. Fleisch und Wild wird gerne mit Polenta gereicht, im Spätsommer mit Pilzen garniert. Lecker sind auch die Süßspeisen und cremigen Kuchen. Nach einem ausgiebigen Mahl ist ein Grappa
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