Eine Zeitreise nach mit der Florianerbahn.
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Blick auf das Stift um 1930: Im Vordergrund das Schillhubergut in Weilling 15. Es wurde bereits 1282 urkundlich erwähnt. Dahinter der Lokalbahnhof und das Sparkassengebäude, links das Gerichtsgebäude (heute Sparkasse) und anschließend die Häuser am Markt. 10
Das Augustiner Chorherren-Stift St. Florian „Das Stift St. Florian liegt eine halbe Stunde von der Poststraße zwischen Enns und Linz in einem schönen und fruchtbaren, durch sanfte waldbekränzte Anhöhen gebildeten Thale, das sich gegen Osten öffnet, und welches ein Bach, die Ipf in trägem Lauf durchfließt. Auf einer Terrasse der nördlichen Hügelreihe erhebt sich das Stiftsgebäude, zu dessen Füßen der Markt gleichen Namens sich hinzieht“. So beginnt der spätere Propst und „Reichshistoriograph“ Jodok Stülz seine 1835 erschienene Geschichte des Stiftes St. Florian, das als geistiger und wirtschaftlicher Mittelpunkt in einer der „schönsten Gegenden des Traunkreises“ thronte. Schon im 4. Jahrhundert soll es über dem angeblichen Grab des 304 in der Enns ertränkten Märtyrers Florian eine klosterähnliche Niederlassung gegeben haben, wie Mauerreste unter
der Stiftsbasilika beweisen. Das um 800 erstmals schriftlich erwähnte Kloster erlitt bei den Einfällen der Awaren und Ungarn schwere Schäden. 1071 reformierte Bischof Altmann von Passau das Klosterleben und restaurierte Kirche und Klostergebäude. Seither sind hier Augustiner Chorherren ansässig. Mit dem Kloster entstand ein Dorf, das Kaiser Friedrich III. auf Bitten des „ehrsamen, geistlichen und andächtigen“ Propstes Leonhard 1493 zum Markt erhoben hatte. Seither waren die weltliche und klösterliche Geschichte in St. Florian eng verbunden. Denn spätestens seitdem Kaiser Maximilian I. einige Frühlingstage 1514 im Stift verbrachte und mit päpstlicher Erlaubnis nach den Gebeinen des heiligen Märtyrers Florian graben ließ, wurde der Ort zum Ziel von immer
Unten: Die ältesten Fotoaufnahmen des Stifts fertigte der Linzer Fotograf August Red 1870 an. Ein Bild der Serien ist unten zu sehen und zeigt den Innenhof mit dem Brunnen. In diesem Trakt befindet sich die Bibliothek.
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Oben und unten: Der 1730 errichtete Meierhof Hohenbrunn 4. Rechts hinten das ehem. Försterhaus (Schabes), 1956. Links: Weide der Pinzgauerkühe, die vom Meierhof auf eine Wiese nahe des Bahnhofs der Florianerbahn (im Hintergrund) getrieben wurden. Linke Seite unten: Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb der Wirtschaftsdirektor des Stifts Johann Wolfsteiner den ersten Ackerschlepper, Marke Fordson. Er lief wie alle übrigen Zugmaschinen der damaligen Zeit auf Eisenrädern.
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Oben: Transport der in St. Florian hergestellten Glocke nach Niederneukirchen. Dort wurde das Geläut am 4. März 1923 geweiht. Der Stangenwagen befindet sich heute im Sumerauerhof. Rechte Seite oben: Ansicht der Gießerei auf einem Aquarell von Ferdinand Weeser-Krell. Vorne ist ein Glockentransport, hinten die Florianerbahn zu erkennen.
Die Glockengießerei Im Ersten Weltkrieg benötigte die Rüstungsindustrie alle verfügbaren Metalle und so auch die meisten Glocken des Landes. Hinterlassen wurde nur mehr ein bescheidener Rest des Geläuts. Vor diesem Hintergrund und in der Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende gründeten die Diözese Linz und mehrere Klöster des Landes am 17. Februar 1917 die Gießerei in St. Florian. Ihr erster Direktor war der oberösterreichische Glockengießer Anton Gugg, der bis 1914 in Linz seine eigene Gießerei betrieben hatte. Am 27. November 1919 wurden in St. Florian die ersten fünf Glocken gegossen. Ihre Zahl steigerte sich bis zum Anschluss 1938 auf beachtliche 1.618 Stück. In der NS-Zeit wurde die Gießerei enteignet und Eigentum des Reichsgaus Oberdonau. Zwar wurde die Produktion nach dem Krieg wieder aufgenommen, doch stagnierte der Bedarf an Glocken, deren Herstellung 1973 aufgegeben wurde. Die Metallwarenfabrik wurde bis zum Konkurs 1994 weiter betrieben. Rechts: Die Arbeiter posieren stolz vor der neu gegossenen Pummerin (rechts Gruber Hans aus Pichling), 1952. Ganz rechts: Polierarbeiten durch Hr. Windhager Franz an einer neuen Glocke, 1962.
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Oben: Der Postbeamte Kapplinger mit dem Postwagen beim Verladen in die Lokalbahn um 1935. Die Stempel zeigen die vom hiesigen Postamt in den Jahren 1858 bis 1939 verwendeten Varianten. Links: Postkartenmotiv der Florianerbahn 1939 vom Linzer K체nstler Max Kislinger. Rechte Seite oben: Der Postmeister mit Gattin und seinen Mitarbeitern (2 v.l. Karl Kapplinger, Postadjunkt) im Hof des ehem. Postgeb채udes (Marktplatz 2). Rechte Seite unten: In der Bildmitte (rechts vom Choleradenkmal) das ehem. Postgeb채ude. Zuvor (1824-1898) war darin die Schule.
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Unten: Dreschen mit der Dampfmaschine am Marienhof in Rohrbach 16, um 1900. Das Haus hieß einst Krawinklgut und zählte zu den größten Besitzungen der Umgebung. Nach der Jahrhundertwende erwarb es die aus Stronsdorf stammende Adelige Maria Kammel Edle von Hardegger, welche den bereits 1378 erwähnten Hof in Mariengut umbenannte. Ganz unten: Ackern mit Pferd, um 1920. Das Bild zeigt Georg Salzner vom Buxbaumgut in Rohrbach 12, welches bereits 1404 erwähnt wurde und zur Herrschaft Stift St. Florian gehörte.
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St. Florians Landwirtschaft Im 19. Jahrhundert blühte die Gegend um St. Florian. Mehrere Reisende brachten das hier Gesehene schwärmerisch zu Papier. Hier herrsche ein Wohlstand, der selbst in den glücklichsten Ländern selten sei. Nirgendwo in der österreichischen Monarchie würde man so reiche Bauern finden wie hier, die mit keinem Hofrat in Wien tauschen würden. Der Schriftsteller J.A. Schultes verglich die hiesigen Höfe 1809 mit „kleinen Schlössern“. Die hier anzutreffende, charakteristische Form ist der Vierkanthof mit seiner nach allen vier Seiten geschlossenen Dachkonstruktion. Im Franziszäischen Kataster sind 195 solcher Höfe eingetragen. Aufgrund des Reichtumes galten hier ganz andere Maßstäbe: So normierte das Gesetz die Wirtschaftsgröße des „Ganzbauern“ auf 10 Joch Grund, wobei 2 Joch Wiesen oder Wald einem Joch Acker gleichgerechnet wurden.
Im Urteil der Florianer Landbevölkerung galt die Bezeichnung „Ganzbauer“ hingegen erst bei einem Bauern mit vier Pferden und beiläufig 40 Joch Grund! Dass dieser Wohlstand hart erarbeitet war, geht aus den Aufzeichnungen über die Arbeits- und Lebensbedingungen auf einem Florianer Bauernhof vor der Mechanisierung hervor. Ihnenzufolge begann der bäuerliche Tag um 4 Uhr früh. Bis um halb sechs Uhr war es im Stall zum Rossputzen und -füttern, im Sommer auch noch zum Futterführen. Bei den Rindern und Schweinen ging es ebenso in den Stall. Das Frühstück mit „Sei“ (Rahmsuppe) und „Milchsuppe“ gab es um halb sechs Uhr, das „Untermischl“ um halb neun. Zu Mittag gegessen wurde nach dem Läuten der Hausglocke um dreiviertel zwölf. Die Tischgemeinschaft gliederte sich dabei wie die Rangordnung im Haus
Das bereits 1378 erwähnte Gut Meier in Bach (heute im Besitz der Familie Huber) in Niederfraunleiten 23 nächst dem Grünbrunnerbach war einst dem Stift St. Florian untertan. Das kolorierte Foto von 1930 zeigt die Bauern und das Gesinde. Über die Pferde definierte sich der Wohlstand der Bauern, die Milch wurde mittels Hundekarren ausgebracht.
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Motor- statt Muskelkraft Zu der Zeit, als über die Errichtung einer Lokalbahn diskutiert wurde, begann sich das Zeitalter der motorisierten Fortbewegung langsam abzuzeichnen. 1899 befuhr das erste Automobil die Wiener Reich straße. Schon 1902 wurde ein Autorennen von Paris nach Wien abgehalten, bei dem die Florianer Feuerwehr Streckenposten zu stellen hatte. Diese Art der Mobilität war klarerweise damals nur Eliten vorbehalten. Das Fortbewegungsmittel war noch lange Zeit das Pferd. In den Fünfzigerjahren beschlug der hiesige Schmied noch mehr als tausend Hufe. Auch die Landwirtschaft setzte auf das Pferd als Zugtier, während in ärmeren Gegenden des Landes eher der Ochsenzug verbreitet war.
Oben: Ein Lastwagen der Stiftskellerei wird von der Feuerwehr genutzt, die darauf eine Rosenbauer-Tragkraftspritze verladen hat. Die Aufnahme entstand 1937 vor dem Stiftsmeierhof. Unten: Vor dem Forsterhaus am Fuße des Fürstenberges wird mit dem neuen Auto posiert. Damals waren private Fahrzeuge noch Besonderheiten, um 1925.
Links oben: Die Bäcker Leopold und Robert Leitner. Mit ihrer Beiwagenmaschine (der Seitenwagen noch links) lieferten sie ihre Waren ins „Gai“, um 1935. Links: Der Transportunternehmer Grillmayr (im weißen Mantel) chauffiert eine Gruppe Florianer Müller und Bäcker auf einem Ausflug zum Feuerkogel.
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Oben: Der Erรถffnungszug am Ebelsberger Marktplatz. Rechte Seite unten und rechts: Einzig der Girlandenschmuck und die beiden weiร gekleideten Ehrendamen gaben der sonst recht bescheidenen Erรถffnung am 1. September 1913 einen festlichen Anklang. Eine der Damen (im Bild rechts) war Anna, die Tochter des Tischlermeisters Johann Leixl in St. Florian 53.
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Rechts: Fahrplan, der am Tag der Eröffnung in den Linzer Zeitungen abgedruckt wurde.
Keine Feierlichkeiten zur Eröffnung am 1. September 1913 Die Errichtung der Florianerbahn wurde in Rekordzeit bewältigt. Dennoch war dem Aktionskomitee am Tag der Eröffnung nicht zum Feiern zumute. „Mit freudiger Hoffnung haben wir begonnen, aber mit Bedauern müssen wir heute gestehen: Nach nahezu fünfjähriger Arbeit nur ein halber Erfolg!“ (VB 31.08.1913). Es gäbe nun zwar eine Bahnlinie zwischen Ebelsberg und St. Florian, aber nur eine Luftlinie bis Steyr. Auch der Anschluss an die Linzer Tram sei nicht geglückt, obwohl die Regierung eine Fertigstellung der Traunbrücke bis Ende 1912 in Aussicht gestellt hätte.
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Links: Eine Prioritätsaktie. Insgesamt wurden etwas mehr als 1 Mio. Kronen gezeichnet. Linke Seite: Pläne des Fuhrparks, der sich aus drei Triebwagen (unten), drei Personenbeiwagen (oben) und zwei Gepäckwagen zusammensetzte. Hersteller war die Grazer Waggonfabrik. Unten: Postkartenmotiv mit einem Triebwagen und den zwei Gepäckwagen vor dem Bahnhof, dahinter das Sparkassengebäude und das Stift. Belegschaft um 1914. Die Bediensteten tragen Eisenbahneruniformen mit dem Flügelrad als Symbol.
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des Aufsichtsratsmitgliedes Franz Ströbinger bei. Er schrieb: „Die Firma Stern und Hafferl war die Erbauerin und Besitzerin der ersten elektrischen Großkraftwerke in Oberösterreich, und zwar im Flußgebiet der Traun; für diese Kraftwerke mussten ständige, größere Stromabnehmer geschaffen werden. Die Industrie kam nicht in dem gewünschten Ausmaße in Frage, denn soweit sie nicht an Wasserkräften gelegen und daher Selbstversorgerin war, hätte die Umstellung von Dampf- zum elektrischen Betriebe zu große Investitionen erfordert, abgesehen davon, daß der reinen Dampfbetriebe nicht allzu viele waren und diese zerstreut im Lande lagen, zu denen sich daher die Stromzuleitung nicht rentierte. Die Fa. Stern und Hafferl nahm sich nun alter Lokalbahnprojekte an, beließ ihnen selbstverständlich den Mantel des öffentlichen Interesses, ja stellte Links: Der Triebwagen trägt um 1940 bereits die Verdunkelungsklappen. Unten: Am Ebelsberger Fadingerplatz um 1940. Hinten die Gasthäuser „Zum goldenen Greif“ und „Zum goldenen Stern“.
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sogar durch Aktienzeichnung eigene Mittel zur Verfügung. Letzteres natürlich nur unter der Voraussetzung dass den Elektrizitätswerken Stern und Hafferl die Stromlieferung und der Bau- und Betriebsgesellschaft Stern und Hafferl der Bau und die Betriebsführung der Bahn übertragen wurde. Der Ertrag aus der Bauausführung, der Betriebsführung und der Stromlieferung sollten schließlich in einer Tasche zusammenfließen. (…) Die Gründung dieser Gruppe der Lokalbahnen von Oberdonau war im Grunde genommen eine rein privatkapitalistische Angelegenheit.“ Ausschlaggebend für die Differenzen war allerdings der Plan, die Bahnlinie gänzlich einzustellen und stattdessen eine Autobuslinie zu schaffen. Die Reichsautobahnverwaltung war mit dieser Idee an den Verwaltungsrat herangetreten, weil die geplante Autobahnstrecke Wien-Salzburg bzw. die bei Ebelsberg abzweigende Strecke Linz – Budweis die Trasse der Bahn zwei Mal gekreuzt hätten, was große Investitionen für Unterführungsbauten notwendig gemacht hätte. Das Thema wurde im Florianer Gemeinderat heftig diskutiert. Man befürchtete, dass die Bewohner durch die Einstellung der Bahn „einen ungeheuren Schaden erleiden“ würden. Man werde den Standpunkt „bis aufs äußerste vertreten“. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter brachte hierzu vor, dass die Lokalbahn ohnehin mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent verloren sei und sie im „Interesse einer größeren Sache geopfert werden“ müsse. Auch der Verwaltungsrat nahm den Vorschlag zum Ersatz der Bahn durch eine Buslinie ohne zu Zögern am 7. Juli 1939 an. Der am selben Tag abgeschlossene Vertrag sah eine Pauschalentschädigung von RM 355.000,- für die Einstellung der Linie sowie die für die Autobahn benötigten Grundstücke vor. Ein Vorschuß von RM 30.000,- wurde an die Straßenbahn ausbezahlt und sogar die bereits ausgeführten Umlegungsarbeiten für eine Unterführung der Reichsautobahn rückgängig gemacht. Der Reichsstatthalter für Oberdonau lehnte das Gesuch zur Genehmigung des Vorhabens jedoch kategorisch ab. Der Vertrag wurde 1941 für kraftlos erklärt. Die ablehnende Haltung gegenüber einer Einstellung des Schienenverkehrs lag darin begründet, dass neuerlich eine Schienenverbindung zwischen Linz
Oben: An der Haltestelle Pichling, um 1943. Links: Der Lokalbahnhof um 1940. Zur damaligen Zeit war der Weiterbestand der Florianerbahn ungewiss. Mehrere Interessenten drängten auf Ersatz in Form einer Autobuslinie.
und Steyr in Erwägung gezogen wurde. Treibende Kräfte waren diesmal aber nicht Stern & Hafferl oder die Gesellschafter, sondern die Reichsstatthalterei, die Gauwirtschaftskammer sowie die Stadt Steyr selbst. Die elektrische Schnellbahn sollte in Normalspur über Wolfern, Fernbach und St. Florian geführt werden, bei Pichling von der Trasse der Florianerbahn abzweigen und oberhalb der Ebelsberger Eisenbahnbrücke die Traun queren, um im Bereich der Zementwarenfa-
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und man war bemüht, den Bahnbetrieb in friedensmäßigem Zustand zu erhalten. Schadhafte Schwellen und Maste wurden ausgetauscht. Nur bei der Beschaffung von Oberbauschotter kam es hin und wieder zu Engpässen. Die bauliche Betriebssicherheit war also gewährleistet. Hingegen kam es an Sonntagen immer wieder zu „WildWest-Szenen“ im Bahnbetrieb. So heißt es in einem Schreiben der Lokalbahn an den Landrat in Linz vom 3. März 1943: „Insbesondere sind es Ausländer, die in Ebelsberg unsere Fahrbetriebsmittel unter Anwendung brutaler Gewalt stürmen und während der Fahrt durch ihr Benehmen Links: Eingang zum Warteraum im „Fadingerhaus“ in Ebelsberg. Das Lokal war 1929 eingerichtet worden. Unten: Arbeiten am Ebelsberger Brückenkopf um 1940. Hinten eine Garnitur der Linzer Straßenbahn. An der Hausfassade hängen trotz Kriegszeit noch immer die Werbeschilder von Shell und Coca Cola.
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Links: Ein Fronturlauber mit Familie vor dem Bahnhofsgebäude. Um 1943.
und durch ihre große Anzahl, durch tschechischen Gesang usw. der bodenständigen Bevölkerung eine Fahrt mit unserer Straßenbahn zu einer Leidensfahrt machen. Beim Zug Nr. 22 zeitigt der genossene Alkohol noch besondere Anstände. Am Sonntag, den 28. v. M. nahmen ca. 70 Personen, die beim Zug Nr. 22 ab St. Florian 18.43 wegen Vollbesetzung nicht mehr mitkommen konnten, eine bedroh-
liche Haltung gegen das Bahnpersonal ein. Dem Betriebsleiter-Stellvertreter Ude wurde hierbei das Verprügeln angetragen. Eine Schaffnerin wurde im Zug Nr. 22 derart zum Fenster gedrückt, daß das Fenster zerbrochen ist und sie mit der Hand durch das zerbrochene Fenster gefahren ist.“ Die Betriebsleitung forderte die Beistellung von Gendarmerie und insbesondere die „Erlassung eines Ausländer-Ausgangsverbotes für St. Florian“, da sie sonst ihren Verkehr an Sonn- und Feiertagen einstellen müsse.
Unten: Die Bäckerstochter Frau Ehrenhauser bringt das für Linz bestimmte Brot zum Bahnhof, um 1940. Unten: Die Haltestelle „PichlingLokalbahn“ im Kreuzungsbereich Wiener- Schiltenberg und Pichlingerstraße diente auch dem Umsteigeverkehr zwischen Lokal- und Reichsbahn, deren Haltestelle sich 300 m entfernt befand, um 1940.
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Zusehends wurde die Bahn in den 60er-Jahren selbst zum Verkehrshindernis. Oben halten zwei Triebwagen im Bereich des Ebelsberger Hofes.
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Umbruch in Ebelsberg – Bahn wird zum Hindernis Trotz der schon 1938 erfolgten Abtragung des Kornblumhauses im Marktbereich, blieb die „Engstelle Ebelsberg“ der Linzer Verkehrsplanung ein Dorn im Auge. Laufend ereigneten sich hier zum Teil schwere Unfälle, dass sogar Radfahrern 1955 empfohlen wurde, ihr Fahrrad durch den Ort zu schieben. Außerdem benötigte man für die fertiggestellte Autobahn leistungsfähige Zubringerrouten. Schon 1951 begann die Diskussion um die Beseitigung des Ebelsberger „Verkehrsskandals“. 1952 legte das Stadtbauamt dem Landesbauamt zwei Vorschläge vor. Die erste Variante sah die Verbreiterung der Wiener Reichstraße im Ort unter Abtragung der historischen Bausubstanz im Südwesten vor. Ablöse- und Baukosten bezifferte man auf 4-5 Mio. Schilling. Die zweite Variante, welche trotz höherer Kosten vor allem von Baudirektor Rauscher befürwortet wurde, war als Ortsumfahrung mit eigener Traunbrücke konzipiert. Dagegen wehrten sich die Ebelsberger Geschäftsleute. Sie befürchteten wirtschaftliche Einbußen und machten gegen diese fortschrittliche Lösung mobil. Mit Erfolg. 1958 begann man mit der Abtragung von insgesamt 17 Häusern. Dadurch war es
möglich, eine vierspurige Fahrbahn mit 13 m Breite und zwei je 2,5 m breiten Gehsteigen anzulegen. Die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt brachte nun die Florianerbahn in die problematische Situation, dass sie allmählich selbst als Störfaktor erkannt wurde. Als erste Maßnahme wurde am 2. Oktober 1963 das dritte Gleis der Ausweiche am Fadingerplatz stillgelegt und abgetragen. In weiterer Folge wollte man den Umsteigeverkehr aus dem Ortszentrum verlegen. Dabei tauchten mitunter unpraktikable Vorschläge auf. Etwa, dass die
Durch die Umbauten in Ebelsberg verliefen die Gleise nunmehr in der Straßenmitte, was zu schwierigen Verkehrssituationen führte – wie hier an der Kremsmünsterer Straße. Eine Umfahrung war von den Ebelsbergern abgelehnt worden.
Straßenbahnlinie E ihren Endpunkt in Kleinmünchen und die Florianerbahn beim Friedhof Ebelsberg haben sollte. Der Zwischenverkehr sollte mittels Autobussen abgewickelt werden. Ein zweiter Vorschlag stützte sich auf einen Gemeinschaftsbahnhof im Bereich des Friedhofes oder der Kaserne. Dies hätte zweifelsohne einen verkehrstechnisch gangbaren Weg dargestellt, doch befürchtete die Florianerbahn damit den Entgang des für sie so einträglichen Nahverkehrs zwischen den neuen Siedlungen an der Traundorfer Straße/ Hillerstraße und dem Endpunkt der Linie, was das Projekt schließlich zum Stillstand brachte. Nach einer Verkehrszählung im Mai 1968 frequentierten stündlich rund 2.000 Fahrzeuge die Ortsdurchfahrt. Die Beseitigung der letzten, den Verkehr behindernden Gebäude – in diesem Fall das Haus Wiener Straße 449 – brachte es mit sich, dass die Trasse der Florianerbahn nun an keiner Stelle mehr in der Straßenmitte lag. Der Gleiskörper querte die Straße zwei Mal in einem
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Links oben: Links die Remisenr체ckwand und der Turmwagenschuppen, im Hintergrund das Bahnhofsgeb채ude. Links unten: Ein Triebwagen in Taunleiten. Der am Bild sichtbare Rauberteich existiert heute nicht mehr. 150
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Luftaufnahme von 1956: Remise (1), Bauhnhof (2), Derflerstadl (3), Födermayr (4), Leichenbestatter Leix (5), Gasthaus und Fleischerei Hametinger (6), Gasthaus Erzherzog Fanz Ferdinand (7), Glaserei Grasböck (8), Gericht, ab 1957 Sparkasse (9), Gerichtshaus (10), Sparkassengebäude (11), Transport Grillmayr (12), Kindergarten (13), Kino (14), Kfz Waldboth (15), Kiener (16), Klement (17), Feichtl (18), Luhhammer (19), Kaun (20), Gandamarie (21), Bäckerei Leitner (22), Gasthaus und Fleischerei Kiener, vorm. Derfler (23), Uhrmacher Untermayr (24). 151
den Zug, bevor zunächst der Beiwagen in der Beiwagenhalle verschwand und dann der Triebwagen in die Remise gefahren wurde. Dort stand auch noch immer der Triebwagen 2 abgestellt, der nach einem monatelang zuvor erlittenen Achsbruch nicht mehr repariert worden war. Allein diese Remiseneinfahrten hatten schon fast etwas Endgültiges und das nebelige Winterwetter drückte auf die Stimmung. Der Planverkehr wurde an diesem Silvesterabend mit dem EM 3 normal abgewickelt, Helmut Mittendorfer führte die Züge im Einmannbetrieb bis Betriebsschluss. Der offizielle Abschiedstag der Florianerbahn war der 1. Jänner 1974. Ich stand zeitig auf und begleitete nahezu alle Züge, die sich zunehmend füllten. Eingesetzt war der EM 3 mit dem EP2, der EP3 stand bereit zum Ankuppeln, der EP 1 in der Beiwagenremise. War am Vormittag noch ein Beiwagen ausreichend, strömten ab Mittag die Menschen in Massen herbei und es wurde der zweite Beiwagen eingesetzt. August Hirtmayr, Franz Hahn und Helmut Mittendorfer versahen ihren Dienst präzise, in aufrechter Haltung, aber mit den Tränen kämpfend. Immer wieder verabschiedeten sich Fahrgäste wie bei einem
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Begräbnis. Hirtmayr, der sonst erst nach vollendeter Fahrt mit Genuss eine filterlose „Dreier“ geraucht hatte, zündete nunmehr eine mit der nächsten an. Ich hatte ihm und Walter Hahn je ein Packerl mitgebracht und musste natürlich die eine oder andere mitrauchen. Das Gedränge in den Zügen wurde mit Einbruch der Dunkelheit immer abenteuerlicher und so entschloss sich die Mannschaft, um 18 Uhr noch einmal mit allen drei großen Beiwagen nach Ebelsberg zu fahren. Der Vier-Wagen-Zug war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Stimmung volksfestartig, aber bei vielen auch nachdenklich. In Ebelsberg verließen die meisten Fahrgäste den Zug Richtung Linz, ein Glücksfall, denn die Rückfahrt über die Steigung hinauf zum Ebelsberger Friedhof ging auch so nur mehr im
Schritttempo vor sich: Die Lampen in den Wagen leuchteten nur noch schwach, war doch das speisende Unterwerk in St. Florian 9,6 km entfernt und die Spannungsverhältnisse lagen wohl weit unter der zulässigen Marke. Besonders gut gefielen mir die nur mehr im Beiwagen EP 1 vorhandenen originalen Messing-Jugendstillampen, auch wenn sie in einem Anflug von Modernismus der 1960er-Jahre silbern lackiert worden waren. Merkwürdigerweise waren die Züge nach 19 Uhr nur mehr schwach besetzt, sie wurden dann nur mehr mit dem Triebwagen 3 und einem Beiwagen (2 oder 3) geführt. Der allerletzte Zug verließ Ebelsberg mit nur mehr rund 15 Fahrgästen. Die Straßenbahner waren sehr ernst und bedrückt, kaum jemand sprach im Triebwagen, nur
Oben: Am 1. Jänner 1974 verkehrte die Bahn zum letzten Mal. Die Fahrt war an diesem Tag gratis und der Andrang, wie hier am Fadingerplatz, enorm. Linke Seite: Silvestertag 1973. Der Musikverein St. Florian spielt Trauermärsche, während die Bahn in Ebelsberg einfährt. Die Aufnahme unten zeigt die Ausweiche in Ufer, dahinter die dortige Tankstelle.
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ISBN: 9 78-3-9503469-4-7
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