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• Eine dritte Maschine war die „MuleSpinnmaschine“, die 1770 von Samuel Crompton präsentiert wurde. Sie war besonders für feine Garne geeignet und dominierte über Jahrzehnte den Spinnmaschinenmarkt. Ihre weiterentwickelte Version war die „Selfactor-Maschine“, die von 1830 bis ins 20. Jahrhundert hinein produziert wurde. Von den drei Erfindern ist Richard Arkwright wohl die faszinierendste Persönlichkeit. Er begann als armer Barbier und Perückenmacher. Haareinkäufe führten ihn in das Baumwoll- und Leinenzentrum Manchester, was ihm die Kontakte zur Branche brachte. Seine Innovationen entsprangen dem Traum, einerseits eine Spinnmaschine zu entwickeln, die selbstständig Garn herstellt und von Menschen nur noch überwacht werden muss, und andererseits eine Fabrik so zu bauen, dass die Baumwolle sich „fließend“ über den Weg von Karden, Strecken, Vorgarnmaschinen und Waterframes durch die Fabrik bewegt. So verfügte Arkwright über eine ganze Reihe von Patenten, die nicht nur die Spinnmaschinen selber, sondern auch die Vorstufen betrafen. Der innovative Geist von Arkwright galt nicht nur der Spinnmaschine, sondern auch der kostengünstigen und qualitativ anspruchsvollen Garnherstellung als Gesamtkonzept. In dieser Hinsicht ist Arkwright so etwas wie ein Vorbild für die Linz Textil geworden. Die Innovationen haben die Produktivität bei der Herstellung von Garnen nicht nur verbessert, sondern buchstäblich ex-
plosionsartig gesteigert. Schon der erste Prototyp der „Spinning Jenny“ steigerte die Produktivität auf 800 Prozent des bisherigen Spinnrads. Das Tempo der Innovation ging weiter bis ins neue Jahrtausend. Zuerst dominierten die „MuleMaschinen“, dann der „Selfactor“ und anschließend die Ringspinnmaschine, die letztlich auf die „Waterframe-Maschine“ zurückgeht. In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts übernahm die
Samuel Crompton (1753–1827) kombinierte in seiner „Spinning Mule“ die Erfindungen von Hargreaves und Arkwright. Ausgestattet mit gewichtsbelasteten Reckwalzen für das Spinngut und einem externen Antrieb konnte die Mule bis zu 100 Spindeln tragen.
Linke Seite: Richard Arkwrights (1732–1792) Patent von 1769 ebnete den Weg zum industriellen Einsatz von Spinnmaschinen. Seine Water-Frame löste den manuellen Betrieb durch Wasserkraft ab. Damit war der Schritt zu einer kontinuierlich arbeitenden Maschine gelungen.
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Zögerlicher Industriestart in Österreich
Robotmarke für eine halbe Tagesarbeit aus der Linzer Wollzeugfabrik. Sie diente als Beleg für erbrachte Leistungen (1821).
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Die Industrialisierung in Österreich begann, gegenüber England um etwa 30 Jahre verzögert, in Niederösterreich, im Raum südlich von Wien. Das ganze 18. Jahrhundert stand im Zeichen der Manufakturen und einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Die österreichischen Merkantilisten, insbesondere Philipp Wilhelm von Hörnigk, vertraten die Ansicht, dass es besser sei, für einen im Inland produzierten Rohstoff zwei Taler auszugeben als für einen importierten Rohstoff einen. Demnach sollten die Rohstoffe Leinen und Wolle gefördert, der Baumwolle aber der Kampf angesagt werden. Die Baumwolle wurde zuerst mit einem vollständigen Einfuhrverbot und später mit in der Höhe schwankenden Zollsätzen belastet. Erst im Jahr 1853, als sich die Baumwollindustrie schon durchge-
setzt hatte und die Wege für die gesamte industrielle Entwicklung Österreichs freigelegt waren, wurde der Import von Baumwolle gänzlich freigegeben und von Einfuhrzöllen befreit. Der Gegensatz zwischen England und Österreich in der Frühphase der Industrialisierung war groß. In England explodierte der Baumwollverbrauch aufgrund der neuen Spinnmaschinen schon im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Die Baumwollimporte stiegen dort zwischen 1771 und 1790 von vier auf 31 Mio. Pfund. In Österreich entstand mit der Spinnerei Pottendorf erst im Jahr 1801 die erste bedeutende industrielle Baumwollspinnerei. Bis dahin gab es im Raum Niederösterreich sechs Baumwollmanufakturen, die größte unter ihnen in Schwechat. Hier wurde in der Zentrale die Baumwollflocke für den Spinnprozess vorbereitet und dann an Heimspinner zur Herstellung
des Garns auf einem Spinnrad vergeben. Der höchste Beschäftigungsstand der sechs Manufakturen zusammen lag bei rund 80.000 Beschäftigten, die Großzahl davon Heimspinner. In Oberösterreich, das über die eigenen Rohstoffe Wolle und Leinen verfügte, war nach dem merkantilistischen Prinzip die Baumwolle ein unerwünschtes Rohmaterial für den Spinnprozess. Auch hier dominierte eine Manufaktur das Marktgeschehen, die „K. k. priv. Wollzeugfabrik“. Die privilegierte Manufaktur hatte gewaltige Ausmaße. Mit knapp 50.000 Beschäftigten im Jahr 1791 war sie vermutlich das größte vorindustrielle Unternehmen auf dem Kontinent. Interessant ist, dass keiner dieser Großbetriebe trotz der starken Marktstellung und der Fachkenntnisse die Industrialisierung schaffte. Alle sechs Baumwollmanufakturen im Raum Wien, wie auch die riesige
Wollzeugfabrik in Linz, gingen aufgrund der Industrialisierungswelle in die Knie. Die Wollzeugfabrik beschäftigte zum Zeitpunkt der Gründung der Linz Textil noch 6.000 Mitarbeiter, 1845 waren es noch 205 Personen und 1851 schloss sie ihre textilen Tore für immer. Die ersten Industriebetriebe in Oberösterreich entstanden noch einmal dreißig Jahre gegenüber dem Raum Wien verzögert in den Jahren 1830 bis 1840 im Raum Linz. Die großen Namen waren Johann M. Rädler, Josef Dierzer und Johann Grillmayr (später auch Grillmayer geschrieben). Es entwickelte sich in der Folge ein kollegialer Wettbewerb zwischen den Betrieben von Grillmayr und Dierzer. Dieses friedliche Match konnte Grillmayr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für sich entscheiden. Die nachstehende Tabelle zeigt die Spinnstatistik in Österreich für das Jahr 1843:
Spinnerei-Statistik für das Jahr 1843 Anzahl Anzahl Anzahl Produzierte Garne Land Spinnereien Spindeln Mitarbeiter in t Niederösterreich 40 387.468 7.869 6.240 Vorarlberg und Tirol 17 140.718 2.488 2.002 Oberösterreich 5 18.693 398 366 Steiermark 2 12.140 332 209 Gesamt 64 550.019 11.087 8.817 Quelle: J. Slokar, Geschichte der österreichischen Industrie und ihrer Förderung unter Franz I. (Wien 1914) 316; Bericht über die Allgemeine Gewerbeausstellung in Wien 1845 (Wien 1846).
Die 1851 geschlossene Wollzeugfabrik an der Unteren Donaulände in Linz gehörte Ende des 18. Jahrhunderts zu den größten vorindustriellen Unternehmen auf dem Kontinent. Hier wurde der heimische Rohstoff Wolle verarbeitet. Zeichnung von Franz Joseph Preisch, 1795.
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Beim Garneinkauf in England lernte Grillmayr die Technik der Spinnmaschinen kennen. So auch die Mule, die dieses Bild aus der Swainson Birley Cotton Mill in der Nähe von Preston, Lancashire zeigt. Zeichnung von Thomas Allom, 1834.
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1838 vorgenommenen Kommissionierung wurde ihm am 25. November 1838 die Errichtungsbewilligung erteilt. Wöss wollte am Jaukermühlenbach zwei Reihen von herkömmlichen Spinnrädern aufstellen, die er statt mit Tretantrieben von einem Wasserrad antreiben lassen wollte. An jedem Spinnrad wäre eine Spinnerin gesessen. Das eigentliche Spinnen sollte weiter von Hand besorgt werden. Ein Mehr an Technik war ihm offensichtlich nicht bekannt. Ob dieses Produktionsmodell, das Wöss direkt von den bäuerlichen Spinnstuben auf seine kleine Fabrik übertrug, überhaupt funktioniert hätte oder einen nennenswerten Produktivitätsgewinn hät-
te bringen können, sei dahingestellt. Wöss fehlte aber offensichtlich nicht nur das nötige technische Know-how, sondern auch das erforderliche Kapital. Am 24. November 1838 sollte die neue Firma ins Handelsregister eingetragen werden. Die k.k. Hofcammer forderte aber für die Betriebsgenehmigung den Nachweis entsprechender Geldmittel, den Wöss nach Ansicht der Behörde nicht erbringen konnte. Wöss musste daher nach einem Partner Ausschau halten. Diesen fand er im Ehepaar Grillmayr. Es war wohl sowohl den familiär-freundschaftlichen Bindungen als auch den technischen Kenntnissen Grillmayrs und der offensichtlichen
Kapitalkraft seiner Frau zu danken, dass sich Anton Wöss mit den beiden zusammenschloss. Johann Evangelist Grillmayr übernahm die für das Ehepaar Hager vorgesehenen Anteile und beteiligte sich zur Hälfte an dem Projekt. Das Fabriksgebäude wurde gegenüber dem ursprünglichen Plan erheblich vergrößert. An die hundert Personen waren mit der Montage der zehn großen Spinnmaschinen beschäftigt, die alle von Grillmayr nach den in England gesehenen Vorbildern selbst konstruiert und gebaut wurden. Am 25. November 1839 wurde erneut ein Ansuchen um die Verleihung der Landesfabriksbefugnis eingebracht. Im entspre-
Oben: Die Schweizer Spinnerei, erbaut 1845/46. Im Hintergrund sind Schloss und Markt Ebelsberg zu sehen. Links: Nach dem Tod seiner ersten Frau Katharina ehelichte Grillmayr Elisabeth, geborene Much. Sie starb ein Jahr nach ihrem Gatten am 13.8.1882.
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1872/73: Börsegang und Börsenkrach
Josef Dierzer v. Traunthal (1800–1857), Textilindustrieller und Politiker
Adolf Hofmann, 1881–1885 Vizepräsident des Verwaltungsrates
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Ende der 1850er-Jahre erreichte die Westbahn Kleinmünchen. Ab 1860 gab es eine durchgehende Eisenbahnverbindung von Wien nach München. Damit war die Verkehrsanbindung auch für Kleinmünchen auf eine neue Basis gestellt. Die frühen 1860er-Jahre waren keine leichten Jahre für die Textilindustrie. 1859 war die Habsburgermonarchie in einen verlustreichen Krieg verwickelt und die reiche Lombardei verloren gegangen. Der amerikanische Bürgerkrieg verteuerte den Rohstoff Baumwolle drastisch. Die Preise für Rohbaumwolle kletterten auf das Vier- bis Fünffache. Die Einfuhr von Baumwolle nach Österreich fiel 1862 um mehr als 56
Prozent. Im Ganzen rechnete man, dass von 350.000 Menschen, die im Jahr 1861 in der cisleithanischen Baumwollindustrie beschäftigt waren, Anfang 1864 nur noch ein Fünftel Arbeit hatte. Österreich litt unter einer schweren Wirtschaftskrise. Doch nach dem Krieg von 1866, der mit der Niederlage gegen Preußen und dem Verlust Venetiens endete, folgte ein unerwarteter Konjunkturaufschwung, der bis 1873 anhielt: Österreichs große Gründerzeit, die zu einem Börseboom führte, der – wie so häufig – mit einem großen Krach endete. Die Eisenbahnbrücke der Kaiserin-Elisabeth-Bahn über die Traun von Ebelsberg nach Kleinmünchen. Links das Schloss Ebelsberg, rechts die Gebäude von Grillmayrs Unternehmen, 1859.
Auch Oberösterreich wurde von der Börsenhektik erfasst. 1869 wurde von Carl Franz Planck zusammen mit Linzer Kaufleuten und Industriellen (unter anderen Josef Dierzer und Adolf Hofmann) und dem Wiener Bankhaus S. M. v. Rothschild das Bankhaus „J.M. Scheibenpogens Eidam“ als „Bank für Oberösterreich und Salzburg“, kurz „Oberbank“ an die Börse gebracht. Im Jahr 1870 wurde als Konkurrenz die „Industrial- und Commer zialbank für Oberösterreich und Salzburg“, kurz Commerzbank, gegründet. Erster Geschäftsbericht der 1872 gebildeten Aktiengesellschaft und Tagesordnung der Generalversammlung 1875. Der Börsenkrach von 1873 hätte das Unternehmen beinahe seine Existenz gekostet.
Ihre bedeutendste Transaktion war die 1872, am Höhepunkt des Börsebooms, erfolgte Umwandlung von Johann Grillmayr und Söhne in die „Aktiengesellschaft der Kleinmünchner Baumwollspinnereien und mechanischen Weberei“, zweifellos ein recht umständlicher Name. Mit einem Aktienkapital von 1,5 Mio. Gulden übernahm die neue Gesellschaft die Fabriken und Liegenschaften in Kleinmünchen und St. Peter aus dem Besitz von Johann Grillmayr & Söhne. Insgesamt etwa 45.000 Spindeln, 181 mechanische Webstühle und eine Wasserkraft von 410 PS aus Wasserrädern und Turbinen umfasste der Maschinenpark. Hauptaktionär war die Commerzbank, die ein großes Aktienpaket im Portefeuille behielt oder nicht
Bankier Josef Hafferl – hier in seiner Uniform als Obmann der Freiwilligen Feuerwehr Linz – war Mitglied des Verwaltungsrates und zugleich Direktor der Commerzbank.
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Carl Reichel, Generaldirektor (1894–1910)
Ludwig von Gallois, Technischer Direktor (1890–1928)
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Kraft von etwa 800 PS. Daraus ergab sich eine mögliche Spindelzahl von 50.000 bis 60.000. So viel wollte man allerdings in einem Zug nicht riskieren. Man installierte vorerst zwei Turbinen à 200 PS, mit denen etwa 24.000 bis 30.000 Spindeln bedient werden konnten. Eingerichtet wurden vorerst 14.472 Spindeln. Eine Ausweitung auf 30.000 war eingeplant. Die elektrische Ausrüstung wurde von der Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr geliefert, deren herausragende Leitfigur Josef Werndl war. 1906 wurde die benachbarte, bereits stillgelegte Kunstmühle der „Actiengesellschaft für Mühlen- und Holzindustrie“, vormals Brüder Löwenfeld & Hofmann, mit den Wasserkräften am Jaukerbach um 700.000 Kronen erworben und zur sogenannten „Mühlenspinnerei“ mit etwa 18.000 Spindeln umgebaut. Die Umrüstung von Gruppenantrieben mit Transmissionen auf Einzelantriebe mit Elektromotoren wurde zwar durchgeführt, doch der zugehörige Kraftwerksbau konnte erst nach 1945 erfolgen. Gleichzeitig er-
folgte ein weiterer Ausbau der Spinnerei Zizlau um gut 9.000 Ringspindeln auf insgesamt 28.000 Spindeln. Die Zahl der in den sechs Spinnereien des Unternehmens aufgestellten Spindeln konnte ab 1900 innerhalb eines Jahrzehnts fast verdoppelt werden. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf über 900. Der Wert der verkauften Garne und Gewebe erhöhte sich um 75 Prozent auf rund 5 Mio. Kronen. Damit war die Kleinmünchner vor dem Ersten Weltkrieg zur größten Textilfabrik in Oberösterreich geworden. 1902 lag die Kleinmünchner Spinnerei mit etwa 750 Beschäftigten an zweiter Stelle im Linzer Betriebsranking. Nach 1918 war sie der größte Betrieb. Das Aktienkapital wurde in mehreren Schritten von 2 Mio. Kronen auf 2,6 Mio. und zuletzt auf 4 Mio. Kronen erhöht. Die Union-Bank übernahm den größten Teil des neu emittierten Aktienpakets. Zwei Persönlichkeiten prägten die so erfolgreiche Entwicklung der Kleinmünchner vor dem Ersten Weltkrieg: Der junge Linzer Ingenieur Ludwig von Gallois und der aus
Böhmen stammende Generaldirektor Carl Reichel. Ludwig von Gallois war wenige Monate nach dem Tode Grillmayrs in das Unternehmen eingetreten. Er entstammte einer alten Lothringischen Hugenottenfamilie, die im Vormärz nach Linz übersiedelt war. Gallois war neben Josef Werndl einer der ersten in der oberösterreichischen Industrie, der sich mit dem Problem der Erhöhung der Produktivität intensiv beschäftigte und nach dauernder Verbesserung strebte. Neben dem Techniker Gallois war die zweite starke Persönlichkeit der Kaufmann Carl Reichel, der 1894 zum Generaldirektor ernannt wurde. Er war ein Fachmann für das internationale Baumwollgeschäft. Eingekauft wurde in Alexandria oder in Liver-
pool. Ägyptische Baumwolle kam über Triest, alle Überseesorten, insbesondere die amerikanischen kamen über Bremen. Die Baumwollmärkte waren sehr instabil. Die Preise schwankten extrem stark. Das Wohl und Wehe einer Spinnerei hing daher sehr wesentlich vom Geschick und Gespür der Einkäufer ab.
Oben: Belegschaft der mechanischen Weberei mit einer Auswahl an Erzeugnissen im Jahre 1903. Unten: Ansichtskartenmotiv mit Blick in Richtung der Mühlenspinnerei und des Marktes Ebelsberg. Der Ausschnitt rechts zeigt die hölzerne Traunbrücke um 1910.
Linke Seite: Ansicht der Zizlauer Spinnerei. Man richtete sie vorerst auf rund 14.500 Spindeln ein, obwohl die technischen Voraussetzungen 50.000-60.000 ermöglicht hätten.
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Am 9. Juni 1903 besuchte Kaiser Franz Joseph in Begleitung von Generaldirektor Reichel und dem Präsidenten des Verwaltungsrates, Emil Dierzer von Traunthal, die Aschensiedlung. Für die besichtigte Wohnung stellte die Fabriksdirektion Möbel und Teppiche zur Verfügung, um einen höheren Lebensstandard der Arbeiter vorzutäuschen. Trotzdem: Die Siedlung galt auch im europäischen Vergleich als vorbildlich.
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richtet worden waren, oder auch „VierTüren-Häuser“, weil jedes Haus vier Eingänge hatte, zwei an der Straßenfront und je einen an jeder der zwei Schmalseiten. Am 9. Juni 1903 besuchte Kaiser Franz Joseph die Fabrik und die Siedlung: Er zeigte sich sehr beeindruckt. Er habe sich sehr gefreut, war der obligate Kommentar. Er wurde auch in einige der Arbeiterwohnhäuser geführt, die extra fein herausgeputzt worden waren. Die Fabriksdirektion stellte den Arbeitern für den Kaiserbesuch extra Möbel zur Verfügung, die anschließend rückgestellt werden mussten. Die dafür aufgelegten Teppiche wollte selbst der Kaiser nicht glauben.
1918 gab es 48 Arbeiterwohnhäuser, die zur Unterbringung der rasch angestiegenen Belegschaft dienten. Etwa 400 Familien waren in Werkswohnungen untergebracht.
Der Erste Weltkrieg im Hinterland Obwohl es anders als im Zweiten Weltkrieg im Hinterland keine Zerstörungen gab, wurde die Geschäftstätigkeit der Textilindustrie durch den Ersten Weltkrieg schwer beeinträchtigt. Die Kleinmünchner Spinnereien und Weberei AG war kein kriegswichtiger Betrieb, obwohl man den militärischen Bedarf auch an
Uniformstoffen nicht unterschätzen sollte. Man verfügte im Jahr 1914 nur über sehr geringe Baumwollvorräte. Bereits im Herbst 1914 musste wegen Rohstoffmangels eine Verringerung der Produktion um die Hälfte bekannt gegeben werden. Im Jänner 1915 gelang noch einmal eine kurzfristige Aufstockung der Baumwollvorräte. Nach dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 war man von der Baumwollversorgung nahezu völlig abgeschnitten. Ein Werk nach dem anderen musste stillgelegt werden, zuerst die Mühlenspinnerei, dann die Schweizer und die Zizlauer. Die Weberei produzierte noch für das Militär, 1916 sogar mit voller Auslastung. Wegen des Rohstoffmangels wurden immer mehr Papiergarne verarbeitet. 1917 produzierte man nur mehr Papiergewebe und Papiersäcke. Für 1918 vermerkte der Geschäftsbericht: „Der Spinnerei wurden einige kleine Partien Baumwolle zugewiesen, welche für bescheidenen Lohn auf Garne gesponnen wurden. Sonst wurden nur Papiergarne erzeugt, die von den eigenen Webereien verarbeitet wurden. Die Produktion
bewegte sich im Rahmen des Vorjahres. Die Beschäftigtenzahl war auf unter 400 abgesunken: fast nur Frauen und alte Männer.“ Den Spinnereien in der Nachbarschaft erging es teils noch schlechter. Dierzer mit rund 20.000 Spindeln und 220 Beschäftigten musste schon im Jahr 1914 den Betrieb einstellen. Das Unternehmen hatte nach Emil Dierzers Tod im Jahr 1904 immer mehr an unternehmerischem Schwung verloren. Emil Dierzer hatte seit 1882 auch dem Verwaltungsrat der Kleinmünchner Spinnereien und Weberei AG angehört, von 1902 bis 1904 sogar als ihr Präsident. Ob Dierzer in seinen letzten Lebensjahren eine Fusion seines eigenen Unternehmens mit jenem der Kleinmünchner anstrebte oder eine eigene Aktiengesellschaft plante, ist unklar. Die Schwierigkeiten im Krieg führten schließlich zum Verkauf des Dierzer-Werkes an den großen Nachbarn, die Kleinmünchner. Als die Dierzer am 11.7.1917 von der Kleinmünchner erworben wurde, zählte sie nur rund ein Viertel der 80.000 Spindeln der Kleinmünchner. Und alle standen sie still. Doch die 700.000
Emil Dierzer Ritter von Traunthal, stellvertretender Landeshauptmann und Präsident des Verwaltungsrates (1902–1904) Links oben: Die Dierzer-Fabrik, gelegen an Weidingerbach und Dauphinestraße. Die ehemalige Mühle wurde 1838 von Joseph Dierzer in einen Textilbetrieb umgewandelt.
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Kronen, die die Kleinmünchner bezahlt hatte, waren dennoch gut angelegt. Ein paar Jahre später wären sie wertlos gewesen. Im September 1917 kaufte man auch noch die k.k. privilegierte Baumwollspinnerei und Weberei F.C. Hermann in Reutte mit 21.000 Spindeln und 630 Webstühlen, auch dies vorausschauend: Die Webstühle waren nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie in der neuen Republik Österreich knapp, während bei Spindeln Überfluss herrschte. Der Kleinmünchner standen daher zu Kriegsende 5 Betriebe mit zusammen 101.000 Spindeln und 524 Webstühlen zur Verfügung. Dazu kam die 1917 erKapazität der Kleinmünchner Spinnerei und mechanischen Weberei um 1919
Die 1917 erworbene Baumwollspinnerei und Weberei F.C. Hermann in Reutte war eine strategische Investition angesichts der zerfallenden Monarchie.
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Betrieb
Spindeln
Spinnerei I (Kunstmühle) Spinnerei II (Schweizer) Spinnerei III (Zizlau) Spinnerei IV (Dierzer) Weberei (Englische) Reutte (Tirol) gesamt
18.000 34.000 28.000 21.000 * 21.000 122.000
Webstühle 86 * * * 438 630 1.154
worbene Spinnerei und Weberei Reutte/Tirol mit 21.000 Spindeln und 630 Webstühlen. Insgesamt hatte das Unternehmen 122.000 Spindeln, in der Hauptsache Selfaktoren. In den beiden Webereien standen 1.154 mechanische
Webstühle zur Verfügung. Es gab eine Bleicherei, eine Färberei, eine Appretur, eine Ökonomie, eine Eisfabrik und eine große Zahl von Arbeiterhäusern, alles zusammen etwa 70 Gebäude. Es waren über 2.000 Arbeiter beschäftigt. Die
Kleinmünchner war die größte Textilfabrik Österreichs. Dennoch war man einer unter vielen: 1910 zählte die Habsburgermonarchie 4,7 Mio. Spindeln, Frankreich 7,2 Mio., Deutschland 10,3 Mio., die USA 28,5 und Großbritannien 53,9 Mio.
Textilarbeiterinnen und -arbeiter der benachbarten Bauwollspinnerei Dierzer, die 1917 von der Kleinmünchner übernommen wurde.
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Sparbuch- oder Anleihenbesitzer – ziemlich unbeschadet überdauert. Das Unternehmen saß 1925 auf einem erstaunlich hohen Kapitalpolster, eine Folge der nicht unproblematischen Tatsache, dass zwischen 1907 und 1925 praktisch überhaupt nichts investiert worden war. Diese Politik wurde auch bis 1938 kaum geändert, das Unternehmen machte im operativen Geschäft Jahr für Jahr Verluste. Trotzdem wurden an die Aktionäre extrem hohe Dividenden von 8 bis 10 Prozent ausgeschüttet, im Jahr 1934, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise, sogar eine Superdividende von 41 Prozent.
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Die Fluktuation der Eigentümer Seit dem Börsekrach von 1873 hatte das Unternehmen eine recht instabile Aktionärsstruktur. Beteiligt waren neben der Familie Grillmayr, deren Einfluss aber sehr gering geworden war und laufend kleiner wurde, eine Reihe von oberösterreichischen Industriellen, dazu Wiener Investoren und diverse Bankhäuser. Saßen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hauptsächlich Linzer Bürger und oberösterreichische Industrielle und Investoren an den wichtigen Schalthebeln im Verwaltungsrat, so verschob sich die-
ses Gewicht im 20. Jahrhundert immer mehr nach Wien. Angehörige der Familie Grillmayr waren im Stimmverzeichnis der Generalversammlungen letztmals 1893 verzeichnet. Die Machtverhältnisse verschoben sich immer mehr in Richtung der Banken und der Wiener Textilindustrie. Die Verwerfungen in der Wiener Bankenlandschaft in der Zwischenkriegszeit zeigten ihre Auswirkungen auch auf die Kleinmünchner. Als die Wiener Union-
Ansicht der Alten (links) und Neuen Schweizer am Weidingerbach. Markant ist der Sprinklerturm an der Stirnseite des Gebäudes. Um 1924.
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Ein Brand in der Schweizer Spinnerei 1945 ließ die Idee der Errichtung einer neuen Produktionshalle reifen. Trotz kontingentiertem Baumaterial wurde das Projekt 1946 in Angriff genommen.
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seitigen …“ An Rohmaterial sei er rechtzeitig vor Eintreffen der Amerikaner für ein ganzes Jahr eingedeckt, sowohl für Kleinmünchen als auch für Reutte. Damit wurden alle Bankguthaben verbraucht. „Insgesamt beschäftigen wir zur Zeit etwa 600 Leute“, schloss Müllersen. Ende Mai konnte in der Spinnerei die Produktion mit rund 10.000 kg Garn monatlich wieder aufgenommen werden. Vom 3. August bis 4. Oktober musste sie aber wegen Rohstoffmangels wieder stillstehen. Bis gegen Ende des Jahres 1945 gelang es, die Spinnereiproduktion allmählich bis auf monatlich 30.000 kg zu
steigern. Die Weberei Kleinmünchen, die im Jahr 1942 behördlich stillgelegt worden war, wurde mit den im Keller gelagerten Webstühlen wieder reaktiviert. Sie begann im Juni mit einer Produktion von 10.000 m und erreichte zu Jahresende mit den bis dahin montierten 102 Stühlen 40.000 m pro Monat. Arbeitskräfte gab es aufgrund der vielen Flüchtlinge, die im Linzer Raum untergekommen waren, genug. Etwa 700 wurden eingestellt, ca. 300 davon blieben auf Dauer. Die Weberei Reutte startete im Juni mit einer Produktion von 58.000 m und konnte sich bis Jahresende auf 72.000 m steigern. Ende
des Jahres 1945 zählte man in Kleinmünchen 447 Beschäftigte und in Reutte 160. Dr. Robert Thyll, der Exponent und Vizepräsident der Druckereien und Färbereien Trust AG in Chur hatte während des Krieges kaum Einfluss auf die österreichischen Werke nehmen können. Aber man setzte große Hoffnungen auf die Möglichkeiten, die ihm als Schweizer Staatsbürger offenstanden. Im November 1945 wurde eine Generalversammlung abgehalten und der Aufsichtsrat neu beschickt: Die Holding musste sich neu orientieren. Die Unternehmen in Tschechien und Ungarn waren gefährdet und gingen in weiterer Folge verloren. Die Zukunft der in der sowjetischen Zone Ostösterreichs gelegenen Unternehmen war ungewiss. Österreichs Wirtschaft machte einen Ruck nach Westen, was wiederum die Standorte Linz und Reutte stärkte.
Neubau statt Wiederaufbau Ende 1946 waren zwei Drittel der Webstühle in Kleinmünchen wieder aufgestellt und in Gang. Die Produktion der Spinnerei stieg von 29.000 kg auf ca. 60.000 kg pro Monat, die der Weberei von 40.000 m auf rund 120.000 m. 1947
waren das im Jahr 1945 ausgebombte Kraftwerk Zizlau und das Kraftwerk Kunstmühle wieder aufgebaut und in Gang gesetzt. Die Belegschaft erreichte Ende 1947 wieder 890 Personen, der Umsatz 12,7 Mio. Schilling und damit wieder annähernd den Vorkriegsstand. Ein Viertel ging in den Export. 1948 waren folgende Kapazitäten vorhanden: Die Spinnerei I in Kleinmünchen war zerstört, die Spinnerei II zählte knapp 18.000 Spindeln, die zum Teil zweischichtig arbeiteten, die Spinnerei III war verkauft, die Spinnerei IV zählte 2.600 Zwirnspindeln. Die Weberei war im Aufbau. 200 Stühle arbeiteten in zwei Schichten, weitere 120 Stühle sollten nach Erhalt der Motoren in Betrieb gehen. In Reutte gab es 10.000 Spindeln und rund 400 Webstühle. Der Wiederaufbau wurde durch einen von einem Kurzschluss am 26. Oktober 1945 in der Schweizer Spinnerei ausgelösten Brand zusätzlich behindert, aber gerade deswegen auch in neue Wege geleitet. Die Werksleitung entschloss sich, sämtliche Kleinmünchner Spinnereien in einer neuen Großhalle samt Verwaltungsgebäude zu konzentrieren. Mit den Arbeiten wurde im Frühjahr 1946 begonnen. Wegen
Aquarell der 1949 fertiggestellten Shedhalle mit vorgelagertem Verwaltungsgebäude.
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Der 1942 beh旦rdlich stillgelegte Websaal ging im Juni 1945 dank der im Keller gelagerten Webst端hle wieder in Betrieb. Bis Jahresende 1945 wurden mit 102 St端hlen 40.000 m pro Monat erzeugt. Das Bild um 1960 zeigt die Weberei mit den neuen Sulzer-Webst端hlen. 80
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Luftaufnahme von 1975 zwischen Dauphine- und Wiener Straße. Am unteren Bildrand sind noch Teile der 1978 abgetragenen Mühlenspinnerei und der „Donau-Sportplatz“ zu erkennen. Auch der Weidinger- und der Jaukerbach sind noch nicht kanalisiert. Sie fließen in Richtung des Werks I, wo das Verwaltungsgebäude und die Shedhalle neben der im Jahre 2009 abgetragenen Weberei zu sehen sind.
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Die neue Fremdkapitaldoktrin Wie in vielen Firmen der Textilindustrie galt das Schuldenmachen als „elegant“. Wenn man eine Fabrik mit Schulden aufbaute, so der Gedanke, hat man nach einiger Zeit immer noch eine Fabrik, währenddem die Schulden durch die Inflation automatisch weniger werden. Die nach dem Ersten Weltkrieg entstandene massive Schuldenvernichtung durch die Hyperinflation schien die Richtigkeit dieser Ansicht zu bestätigen. Auch in der Thyll-Gruppe war das Schuldenmachen nicht als wirkliches Problem eingestuft. Beim Kauf der Kleinmünchner 1940 von der CA durch die Vereinigten Färbereien in Wien ist der Kaufpreis zu 100 Prozent als Kredit aufgenommen worden. Beim Aufbau der Gruppe nach dem Krieg spielten Kraftwerke eine wichtige Rolle, da hier durch die lange Lebensdauer der Kraftwerke die langfristige Wertigkeit der Investition besonders ausgeprägt war und die Schulden sich über die Zeit verwässerten. Die Erfahrungen bei den Vereinigten Färbereien in den 1970er-Jahren und die Erfahrung mit dem Liquiditätsproblem bei der Kleinmünchner in den Jahren 1977 und 1978 haben zu einer neuen Fremdkapitaldoktrin geführt. Die Schulden wurden nicht mehr als durch die Inflation verstärkte Investitionschance gesehen. Als Problem der Schulden galten auch nicht mehr die Zinsen, sondern die Tatsache, dass sie zurückbezahlt werden mussten. Das bedeutete, dass Schulden nur im äußersten Falle und das auch nur mit kurzfristigen Rückzahlungsintervallen gemacht werden durften. Ferner wurde
Linke Seite: Arbeiterin an der Rieter Ringspinnmaschine G0/2 im Jahre 1975. Etwaige Fadenbrüche mussten damals noch händisch behoben werden.
der jährliche Bilanzsummenumschlag im Umsatz als wichtige Kennzahl eingeführt. Die Bilanzsumme, die sich 1977 lediglich 0,6-mal im Umsatz umgeschlagen hatte, sollte dies in der Zielsetzung 1,5-mal tun. Diese neue Doktrin behielt ihre Gültigkeit unverändert bis ins Jubiläumsjahr 2013.
Die erste Open-End-Spinnmaschine der Kleinmünchner, die BD 200, war ein tschechisches Fabrikat. Aufnahme aus der Shedhalle um 1970.
Die Strategiesuche Im Verlauf des zweiten Sanierungsjahres zeichnete es sich ab, dass die Firma eine gute Chance hatte, im Jahr 1980 nach 20 Verlustjahren wieder in die Gewinnzone zu kommen. Es war an der Zeit, eine neue Strategie für die nächsten 15 Jahre zu definieren. Dabei war es auch klar, dass die Vielzahl der Produkte reduziert werden musste, um eine Konzentration auf Segmente zu erreichen, die eine industrielle Herstellung erlaubten. Das Erstaunliche war, dass die Sanierungstätigkeit nicht durch eine komplexe Strategiesuche zu ergänzen war, sondern dass die Strategie durch die Sanierungstätigkeit fast als Nebenprodukt anfiel.
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1. Ehem. Dierzer Spinnerei am Weidingerbach 1838 hatte Joseph Dierzer die „Weidingermühle“ erworben, sie sukzessive ausgebaut und sich einen guten Ruf als Baumwollspinner und Teppichfabrikant erarbeitet. Der 1872 um eine Rotfärberei erweiterte Betrieb wurde 1917 an die Aktienspinnerei verkauft, in deren Besitz sich der Betrieb mit 21.000 Spindeln bis zur Veräußerung an die Vereinigte Linzer Wohnungsgenossenschaft 1947 befand. Das Gebäude wurde 1982 nach einem Brand abgetragen. Manche Nebenanlagen existieren noch heute im Bereich des Unternehmens Gebauer & Griller.
2. „Mühlenspinnerei“ (vormals Löwenfeld) Nachdem die ehemalige Kunstmühle Löwenfeld & Hofmann – später im Besitz der AG für Holz und Mühlenindustrie – der ungarischen Konkurrenz nicht mehr standhalten konnte, wurde sie geschlossen und im Jahre 1907 samt Wasserkraft für K 700.000 an die benachbarte Aktienspinnerei veräußert, die das Gebäude zur sogenannten „Mühlenspinnerei“ mit über 18.000 Spindeln umfunktionierte. 1940 wurde der Betrieb stillgelegt. Der Abbruch der Fabriksanlage erfolgte im Jahre 1978. Einzig die Löwenfeld-Villa erinnert noch heute an die Anlage.
3. Alte und neue „Schweizer“ Spinnerei 1845 ließ das Grillmayr‘sche Unternehmen seinen Neubau mit Schweizer Maschinensätzen ausrüsten. Diese „Alte Schweizer“ wurde 1876/79 um die „Neue Schweizer“ mit vertikaler Arbeitsfolge erweitert. Das dreigeschoßige Gebäude stand bis 1945 in Verwendung, ehe es nach einem Brand abgetragen und an seiner Stelle ein modernes Fabriksobjekt errichtet wurde. Im Vordergrund der markante Wasserturm, der zur Luftbefeuchtung und zum Betrieb der Sprinkleranlage diente.
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Die Fabriken an den Nebenarmen der Traun Die Nebenarme der Traun – der Weidinger- und der Jaukerbach – bildeten die natürliche Voraussetzung für die Entwicklung des Linzer Vorortes Kleinmünchen. Dort hatten sich schon seit jeher sechs Mühlen die Wasserkraft der Bäche zunutze gemacht. Aus ihnen entstanden jene Betriebe, die den Ort in ein Zentrum der österreichischen Textilindustrie verwandelten. Gelegen an der Wiener Reichstraße, ab 1858 an die KaiserinElisabeth-Bahn (Westbahn) angeschlossen, schienen die Voraussetzungen günstig.
4. Die Englische Die „Alte Englische“ am Jaukerbach bildete ab 1838/40 die erste Produktionsstätte des Unternehmens Grillmayr und entstand anstelle der Steinbruckmühle. Der Betrieb wurde 1859/61 in eine mechanische Weberei umgestaltet, nachdem die benachbarte „Neue Englische“ Spinnerei angelaufen war. Die Gebäude erhielten sich bis in die neuere Zeit und wurden erst vor rund einem Jahrzehnt abgetragen. Heute befindet sich an ihrer Stelle ein Supermarkt.
5. Zizlauer Spinnerei 1859 erwarb Johann Grillmayr die Zizlauer Eßmühle in der Absicht, hier eine Maschinenfabrik zu errichten, jedoch entschloss man sich 1884, die dortige Wasserkraft für eine weitere Spinnerei mit 14.500 Spindeln und horizontaler Arbeitsfolge zu nutzen. Die 1886 fertiggestellte Anlage sorgte in Fachkreisen für Aufsehen. Mit ihrem Anlauf konnte die tägliche Arbeitszeit in allen Betrieben von 14 auf 12 Stunden reduziert werden. Die „Zizlauer“ musste 1940 an die Reichswerke Hermann Göring abgetreten werden. 63
Trakteuer Fixlhaus 36
Arbeiterwohnhaus 34
Waldhaus 35
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Backhaus Kirchbauer
Zizlauer Spinnerei
Mühlbach
Donau
44
6. Arbeiterwohnungen Zwecks Unterbringung ihrer Arbeiter verfügte das Kleinmünchner Unternehmen über ausgedehnte Besitzungen. Einerseits wurden einige Wohnhäuser, etwa die bekannte Aschensiedlung, an der heutigen Schnopfhagenstraße errichtet. Andererseits dienten auch erworbene landwirtschaftliche Objekte in den Katastralgemeinden Kleinmünchen und St. Peter-Zizlau als Unterkünfte. Vielfach wurde dort die landwirtschaftliche Nutzung fortgeführt.
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Mannschaftsaufnahme der Betriebsfeuerwehr 1907. Manche Ausr체stungsgegenst채nde, wie hier das Beil und der reich verzierte Lederhelm des Kommandanten, haben sich bis heute erhalten.
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V. Brandkatastrophen Brände sind in der Textilindustrie keine Seltenheit, früher und auch heute noch. Die Sicherheitsvorkehrungen spielen daher eine besonders große Rolle. 1875 wurde die Freiwillige Feuerwehr Ebelsberg gegründet. Schon am 18. Mai 1877 zeichnete sie sich erstmals bei einem Großbrand in der Aktien-Spinnerei derart aus, dass sie
vom Zentralausschuss der oberösterreichischen Feuerwehren ein Anerkennungsdiplom erhielt. Unter dem Werksdirektor Ludwig Galois wurde auch eine betriebseigene Feuer- und Wasserwehr eingerichtet, um den ständigen Bedrohungen durch Brände und Überschwemmungen besser begegnen zu können.
Nach 1880 wurde die „Neue Englische“ 1891 ein zweites Mal durch einen Brand schwer beschädigt.
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VI. Technologische Sprünge Die Linz Textil hatte in den 30 Jahren vor dem 175-Jahr-Jubiläum eine überdurchschnittliche Investitionstätigkeit praktiziert. Die Investitionsquote lag gut doppelt so hoch wie im Branchendurchschnitt. Es waren aber immer wieder technologische Weichenstellungen, die massive Investitionen notwendig machten, aber auch eine besonders wirksame Vorbereitung für die Zukunft brachten. Diese Schwerpunkte sollen nachstehend dargestellt werden.
1. Spinnereierneuerung 1974 bis 1976 Zu Beginn der 1970er-Jahre war die Spinnerei in Linz mit Produktionstechnik aus dem Jahre 1950 zum Ersatz reif. Die Ertragslage erlaubte aber eine derartige Großinvestition in keiner Weise. Die einzige Möglichkeit war der Verkauf von „Familiensilber“, über das die Kleinmünchner in Form von Immobilien und Kraftwerken reichlich verfügte. Dieser Weg wurde beschritten. Neben Grundstücksveräußerungen brachte vor allem der Verkauf des genehmigten und baureifen großen Wasserkraftprojekts an der Traun an die städtische Elektrizitätsgesellschaft einen Erlös von ÖS 96 Mio. Damit waren die Weichen für die Erneuerung der Spinnerei gestellt. Das Modernisierungsprogamm umfasste ein Volumen von ÖS 120 Mio. Gekauft wurden 27 Karden C1/2, acht Flyer und 41 Ringspinnmaschinen mit je 504 Spindeln von Rieter sowie die entsprechende Spulkapazität von Schlafhorst. Die Investitionen wurden in den Jahren 1974 bis 1976 realisiert und müssen für den FortLinke Seite: Das Investitionsprogramm zwischen 1974 und 1976 umfasste u.a. 41 Rieter-Ringspinnmaschinen. Hier wurden die Flyerspulen noch händisch aufgesteckt. Rechts: Zwei der insgesamt zwölf Karden Rieter C1/2 von 1974 mit Kannenpresse 40 x 42 Zoll.
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Die Rieter Airjet-Anlage J 20 in der Shedhalle. Bei diesem Spinnprozess werden die Streckenb채nder in die Maschine eingezogen und durch eine speziell geformte D체se luftgesponnen. Der Fertigungsprozess ist vollautomatisiert und hochproduktiv. Die Erzeugnisse finden vor allem im Fashionbereich Verwendung.
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