HGV magazine Service Excellence

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magazine 2019 -2020

06 Geht’s noch exzellenter?

Woran Sie echte Gastfreundschaft erkennen.

32 Nicole Kobjolls Sterne:

Service Excellence

Das macht den Schindlerhof in NĂźrnberg zum Besten Arbeitgeber Deutschlands.


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Das HGV Journal

Vorwort

Service Excellence macht den Unterschied Südtirols Hotellerie und Gastronomie hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Aber nicht nur die Betriebe suchen nach neuen Konzepten und Angeboten, auch die Gäste und ihre Ansprüche definieren sich neu, und wer in Zukunft erfolgreich sein will, muss am Ball bleiben und sich dem stetigen Wandel stellen. Die Länder, aus denen die Gäste kommen, und die Urlaubsmotive sind heute sehr unterschiedlich. Sucht der eine die sportliche Herausforderung, verlangt der andere nach Ruhe sowie kulinarischen und kulturellen Highlights. In einem Punkt sind sich allerdings alle Südtirol-Urlauber einig: Sie suchen die gelebte Gastfreundschaft und den persönlichen Service. Denn es sind immer noch die Begegnungen mit Menschen, die den Urlaub besonders machen.


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Und das ist es auch, was die Urlaubsdestination Südtirol kennzeichnet und wofür unsere familiengeführten Betriebe stehen. Ausruhen dürfen wir uns darauf allerdings nicht, denn auch der Anspruch der Gäste an den Service ist gestiegen. Jeder wünscht sich, besonders, persönlich und hochprofessionell behandelt zu werden und einen erstklassigen Service zu bekommen – unabhängig von der Betriebsart. Auf diesem Weg hin zur Service Excellence möchte der HGV seine Mitglieder unterstützen. Das tun wir mit unseren zahlreichen Dienstleistungen und Veranstaltungen, wo wir diese Themen aufgreifen. Ein weiterer Baustein dazu soll das neue magazine werden. Im Fachjournal für gastgewerbliche Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte werden in Form von Fachartikeln und Expertenmeinungen praktische Tipps für den Arbeitsalltag geliefert. Eingeteilt ist das vorliegende magazine in sechs große Kapitel mit den Titeln „Service Excellence macht den Unterschied“, „UnternehmerInnen machen das Team“, „MitarbeiterInnen sind der Schlüssel zum Erfolg“, „Die Gäste heben den Daumen“, „Die Abläufe. Alles wie am Schnürchen“ und „Zum Glück eine Beschwerde. Echt?“. Die Autorinnen und Autoren stammen dabei aus dem In- und Ausland. Neben den Expertinnen und Experten der HGV-Dienstleistungsabteilungen konnten wir Fachleute wie den Corporate-Happiness-Experten Oliver Haas, die Service-Expertin Sabine Hübner oder den Gastronomie-Coach Jürgen Stadelmann gewinnen. Porträts über Nicole Kobjoll und ihren Schindlerhof sowie über Bodo Janssen, Chef der Hotelkette Upstalsboom, geben Einblicke in erfolgreiche und zukunftsweisende Betriebskonzepte. Spannend wird es auch, wenn Michaela Reitterer, Eigentümerin des Boutiquehotels Stadthalle Wien und Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung ÖHV, verrät, worauf sie achtet, wenn sie von der Gastgeberrolle in die Gastrolle schlüpft. Schmökern Sie in unserem neuen Fachjournal und suchen Sie den passenden Tipp oder Beitrag für Ihren Weg zur Service Excellence.

Manfred Pinzger HGV-Präsident

Thomas Gruber HGV-Direktor


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Das HGV Journal

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Service Excellence

Übersicht

Der Einstieg ins Thema. Wie wird Servicekultur gelebt? Vielleicht hilft es zu wissen, was früher wichtig war, was heute zählt. Oder haben Sie sich gefragt, wie andere mit internationalen Gästeerwartungen zurechtkommen? Wir haben uns erkundigt. Weil Hierarchie im Service nicht alles lösen kann.

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Beschwerdemanagement Wie man das Kind aus dem Brunnen holt? Entspannen Sie sich. Wir zeigen Ihnen Methoden, mit denen Sie missliche Situationen schnell retten oder gar vermeiden. Oder sehen Sie es gleich positiv: Jede Beschwerde ist eine kostenlose Unternehmensberatung.

Service Excellence Könnte auch heißen: Menschen glücklich machen. Gäste und Gastgeber. Wie man das anstellt? Deshalb haben wir dieses Themenheft für Sie gemacht. Wir gehen es menschlich an, weil Perfektion allein selten Emotionen weckt. Wenn Sie also Gäste begeistern wollen, macht Service Excellence den Unterschied.

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Die Abläufe Alles wie am Schnürchen? Das ist wohl ein frommer Wunsch. Oder gar nicht mehr aktuell. Menschlichkeit ist das Gebot der Stunde und wirkt manchmal Wunder. Mehr System? Probieren Sie es mit Resilienz und Schlachtruf.


Die Übersicht

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UnternehmerInnen Was ist schon richtig? Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wann finden MitarbeiterInnen ein Unternehmen gut? Warum sollte sich jemand bei mir bewerben? Wo kann ich meine Führungsrolle trainieren? Als UnternehmerInnen wissen Sie: Sie machen das Team.

Spot auf… 8

Service früher – Service heute

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Guter Chef, perfekter Gastgeber?

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Was sagt der Knigge?

40 Die Millennials verstehen 56

Der Upstalsboom-Weg

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MitarbeiterInnen MitarbeiterInnen sind der Schlüssel zum Erfolg. Wie behandelt man sie angemessen? Was sollen und können Chefs von ihnen erwarten? Besonders wenn die Neuen, die anheuern, Millennials sind.

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Die Gäste Gäste heben den Daumen. Oder nicht. Dazwischen liegt die große Chance. Weil Menschen Überraschung lieben, irritierbar sind und in jedem Fall Testimonials. Und was passiert, wenn eine Hotelierin mal die Seiten wechselt?

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Das HGV Journal

EXZELLENTER SERVICE

Weil Echtheit zählt Kompetent sind Roboter. Gastgeber brauchen Herzensbildung. Was erzählen die Kinder Ihrer Stammgäste nach den Ferien? „Wir waren in Brixen, exzellenter Service!“ Oder: „Wir waren bei Robert, der hat für uns ein Lagerfeuer gemacht!“ Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Das Service-Geheimnis Südtiroler Gastbetriebe ist viel mehr als Excellence. Es ist Echtheit. Ein Vorsprung, der nicht eingeholt und erst recht nicht kopiert werden kann. Verstehen Sie mich bitte richtig: Es ist wichtig, sich an den höchsten Maßstäben zu orientieren. Nur wird Service Excellence leider zu oft verstanden als eine Summe aus stylischem Interior-Design und Kompetenzen: Der Rezeptionist hat Freundlichkeit gelernt, die Servicekraft deckt perfekte Tische, und im Spa stimmen asiatische Deko und Massage-Terminplan. Schön und gut. Nur: Reicht das? Nein. Kompetenz allein ist unpersönlich und austauschbar. Die kann jeder Roboter lernen. Erinnern Sie sich an das Wort Herzensbildung? Sie geht weit über Kompetenz hinaus. Sie meint ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Gäste, so unterschiedlich oder ungewöhnlich sie auch sein mögen. Sie meint das Wissen, dass viele Gäste aus ganz anderen Lebenswelten kommen und vieles aus einer ganz anderen Perspektive sehen. Sie meint die Einsicht, dass durchdachte Prozesse helfen, einen Betrieb am Laufen zu halten, dass im Zweifel aber die genau passende Lösung für den Gast zählt. Sie meint die Fähigkeit, von Herzen gastfreundlich zu sein und dabei immer natürlich und bei sich selbst zu bleiben. Eben echt. Es war die urwüchsige Gastfreundschaft meiner Familie, die meine Leidenschaft für das Thema Service zündete. Das erfrischend „Hemdsärmelige“, die regionalen Mehlspeisenrezepte und der echte Dialekt – das war es, was unsere Gäste so liebten. Und heute noch mehr lieben als damals. Denn in einer Zeit, in der alles immer globaler und digitaler wird, entdecken viele Menschen all das Wunderbare vor der Haustür wieder. Ferien an der Ostsee, im Salzburger Land oder eben in Südtirol, das so bekannt ist für seine Gastfreundschaft! Die Chance für Familienbetriebe Gastfreundschaft ist keine Kompetenz, sondern eine Haltung. Sie braucht keinen Glitzer und kein Großformat, sie braucht nicht einmal die superexklusive Spa-Deko, sondern vor allem: Herz. Und das genau ist die Chance für Roberts Pension, für kleine, familiengeführte Hotels und Restaurants in Südtirol. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass der längste Teil des Wortes Gastfreundschaft aus Freundschaft besteht? Gute Stammgäste können zu Freunden werden – manchmal werden daraus Verbindungen fürs Leben. Und das ist der Grund, warum sich kleine und große Stammgäste nach den Ferien zwar auch an das schön eingerichtete Zimmer mit dem schicken Bad erinnern, vor allem aber an Robert und das Lagerfeuer. Und genau da wollen sie wieder hin.

Sabine Hübner Wenn in Konzernen und mittleren Unternehmen „Serviceverbesserung“ ansteht, fällt ihr Name. Sabine Hübner ist erfolgreiche Unternehmerin, Lehrbeauftragte, Vordenkerin und Buchautorin. Sie wird in der Liste der 100 besten Trainer und Influencer Deutschlands geführt.


Service Excellence macht den Unterschied

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ZWEI OBERKELLNER IM GESPRÄCH: Wie ging Service früher, was ist heute wichtig? Sie sind hart im Nehmen. Auf acht Uhr früh haben sie das Treffen angesetzt. Sie erscheinen pünktlich in der Raststation Lanz bei Brixen, wo eine zeitgemäße Version der traditionellen Stube uns ins Thema einstimmt. Vieles ist anders heute, dabei geht es doch immer ums Gleiche, klauben Ezio Crepaz und Werner Hinteregger im Dialog den Serviceberuf auseinander.


Service Excellence macht den Unterschied

ZU DEN PERSONEN

Ezio Crepaz 62, seit zehn Jahren Maître d’hôtel im Vier-Sterne-S-Hotel Leitlhof in Innichen, 120 bis 160 Plätze im Restaurant, zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Werner Hinteregger 30, seit zwölf Jahren im Restaurant Almgasthaus Rossalm auf der Plose. Aktuelle Position: Oberkellner. 120 Plätze im Restaurant, zehn feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sechs bis sieben MitarbeiterInnen auf Abruf. Beide Gesprächspartner arbeiten in einem Betrieb mit klassischem Chef-de-Rang-System.

alles zu jeder Zeit haben. Früher hieß es, Frühstück bis zehn Uhr, dann gab es bis zehn Frühstück. Daran hat der Gast sich gehalten. Wenn der Gast heute kommt und um halb elf frühstücken will, müssen die Mitarbeiter darauf eingehen. Ich brauche für alles einen kleinen Notfallplan. Darin muss ich meine Mitarbeiter schulen. Ezio Crepaz: Genau da sehe ich einen großen Unterschied zu früher. Die Jungen kommen mit falschen Erwartungen ins Hotel. An der Hotelfachschule lernen sie, wie man einen Gin Fizz mixt, und bei uns müssen sie dann erst einmal Boden wischen, abstauben, Gläser so in die Maschine einräumen, dass diese nicht zu Bruch gehen. Das ist kein Honigschlecken.

Sie sagen, die Jungen müssten bescheiden anfangen? Hinteregger: Man muss am Anfang sich fügen können und sein Können unter Beweis stellen. Das Wichtigste: Man muss sehen, was zu tun ist und wie die Aufgaben im Betrieb erledigt werden. Das fehlt oft. Vor zehn Jahren war das noch anders. Wir sind damals mit mehr Was zeichnet heute einen Servicemitarbeiter aus? Begeisterung an die Sache herangegangen. Man hat Muss man noch drei Teller balancieren können? gesehen, okay, da ist eine Tasse Werner Hinteregger: Ja. Ich finde, das abzuräumen, oder der Gast könnist ein Muss, das jeder beherrschen sollEin guter Kellner te. Es gehört zu einem ordentlichen te noch einen Wunsch haben. Dieachtet immer auf seine ses Gespür ... Service dazu. Daran hat sich nichts geCrepaz: ... das Interesse! Viele komändert. Haltung: beim Stehen, aus der Schule, aber kaum beim Gehen, auch beim men einer fragt, warum werden Sachen Handwerk ist also notwendig. Was erTischeindecken. bei euch so und nicht anders gewarten Sie außerdem? macht. Die Jungen machen ihre Hinteregger: Die Mitarbeiter müssen ofEzio Crepaz Arbeit, aber sie fragen nicht. fen sein und flexibel. Gäste wollen heute

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Waren die Lehrlinge früher wirklich anders? Hinteregger: Sie waren wissbegieriger.

Die vollendete Form ist also immer noch wichtig? Hinteregger: Ja, das fängt schon beim Mitarbeiter an. Der hat bei mir sauber zu erscheinen, in der Arbeitsbekleidung und mit Namensschild. Wenn jemand das Namensschild vergisst, kein Problem, er kriegt ein neues von mir, aber kein Namensschild zu tragen, das ist ein No-go. Das geht nicht! Das gehört zur Etikette unseres Hauses. Daran erkennt der Gast mein Haus. An den Kleinigkeiten, die stimmen.

Wenn Service heute hervorstechen soll, muss er über das Handwerk hinausgehen. Wie viel Zeit nehmen Sie sich, um auf Gäste einzugehen? Crepaz: Ehrlich gesagt ist alles getaktet. Man muss die Minuten zählen, fünf Minuten bei einem Tisch, fünf Minuten beim nächsten. Selbst für Stammgäste bleibt kaum Zeit. Die anderen Gäste sollen ja nicht eifersüchtig werden. Obwohl die Gesellschaft viel lockeWas habe ich davon, Hinteregger: Es ist eine Gratwanderer geworden ist? wenn ich unnachgiebig Hinteregger: Ja, lockerer schon, aber rung. Mit dem Alter und der Erfahrung wird man in diesen Dingen besser. Als viel genauer. Viel kritischer als früher. bin und dafür mein ich angefangen habe, war ich schüchMitarbeiter mit langem Im Service wird nichts verziehen. tern und hab‘ mich gar nicht getraut, Gesicht herumrennt? mit den Leuten zu reden. Aber irWir haben noch gar nicht über Argendwann siehst du, du brauchst vor beitszeiten gesprochen. Wie haben Werner Hinteregger nichts Angst zu haben, man muss einsich diese verändert in den verganfach auf die Leute zugehen. Dann ist genen 30 Jahren? es auch nicht schlimm, wenn Fehler passieren. Crepaz: Die sind besser geworden. Wir arbeiten jetzt in Turnussen, es gibt natürlich gewisse Urlaubsstopps, Wie schwierig oder wie leicht ist es heute, eine Bezieaber wir haben jetzt 1,5 Tage in der Woche frei. Und hung zum Gast aufzubauen? Aussicht, nach dem Umbau des Leitlhofs auf zwei Tage Crepaz: Vor 30 Jahren war ich allein für meinen Rang zuzu kommen. Im Übrigen gibt es einen Wochenplan, da ständig. Jetzt gibt es den Orderman. Das ist super, und kann man jonglieren und kompensieren, einer springt man spart Zeit. Aber das Verhältnis zu den Gästen war für den anderen ein, wenn jemand Schwierigkeiten hat früher besser. Jetzt wird ein Teller von jenem Kellner aufoder eine Familienfeier oder Ähnliches. getragen und abgeräumt, der gerade vorbeikommt. Es Hinteregger: Wir haben abwechselnd eine Woche mit kann sein, dass im Lauf eines Abends vier verschiedene fünf, eine Woche mit sechs Arbeitstagen. Und jeder Kellner an einen Tisch kommen. Da stellt sich dann natürhat seinen fixen freien Tag. Wenn ich mit langjährigen lich keine Beziehung ein ... Mitarbeitern spreche, erzählen diese, sie haben früher Hinteregger: Stimmt. Wir haben das Glück, dass wir nur in der Saison durchgearbeitet. Man wusste, es gab keisechs Zimmer haben. Für die Übernachtungsgäste gibt es nen freien Tag, da musste man nicht erst fragen. Wir immer noch einen Chef de Rang, der sich den Gästen den versuchen, den Bedürfnissen der Mitarbeiter entgeganzen Abend lang widmen kann. Das Gute ist, dass der genzukommen. Gast dann wirklich zu jedem von uns ein Verhältnis entwickelt. Die Gäste sagen uns auch: ,Wunderbar, jeder EinSie versuchen verständnisvolle Chefs zu sein ... zelne hat seine Eigenheiten!' Genau das sucht der Gast! Beide unisono: Ja. Früher wie heute. Hinteregger: Wie ich angefangen habe, gab es einen freien Tag, der stand einem zu. Mehr nicht. Ich habe Wer legt heute mehr Wert auf die Etikette: der Gast mich angepasst, der Samstag war halt nie frei, und wenn oder der Restaurantchef? Freunde ein Fest gemacht haben, war ich eben nicht daCrepaz: Ha! Das ist von Haus zu Haus verschieden. Ich bin bei. Ich bin heute viel toleranter mit meinen Mitarbeizum Beispiel bei der Tischwäsche penibel. Ich will, dass tern. Was habe ich davon, wenn ich unnachgiebig bin der Eindruck, wenn ich den Raum betrete, einheitlich ist. und dafür mein Mitarbeiter mit langem Gesicht herumAlso hängen bei uns alle Tischtücher gleich lang nach unrennt? Es ist ein Geben und Nehmen. Man muss nur auften, anders geht es für mich nicht. Und ein guter Kellner, passen, dass freie Tage nicht zur Selbstverständlichkeit bin ich überzeugt, achtet immer auf seine Haltung, beim werden. In der Ferragosto-Woche darf keiner es wagen Stehen, beim Gehen, auch beim Tischeindecken. zu fragen ...


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Crepaz: Richtig, man versucht, was geht. Alles ist nicht möglich. Ich will auch, dass meine Mitarbeiter ihre Arbeit mit Freude machen. Flexible Arbeitszeiten helfen da sicher, genauso wichtig ist aber, dass die Absicherung stimmt. Wenn ein Mitarbeiter immer nur saisonal angestellt ist, fehlen ihm wertvolle Monate für die Rente. Da sollte die Politik gegensteuern, wie bei den Bauarbeitern. Diese sind das ganze Jahr hindurch versichert. Warum haben Sie diesen Beruf gewählt? Crepaz: Eigentlich hat meine Mutter für mich entschieden. Ich war kein guter Schüler. Mit 14 fing ich in Koblenz an, meine erste Saison. Heute bin ich ihr dankbar. Ich habe so viel gesehen durch meinen Beruf. Am Anfang hatte ich viele Saisonstellen. Ich wollte wechseln. Etwas sehen. Lernen. Ich war im Ausland, im Sommer in Sardinien, Elba, Alassio. Im Winter dann wieder daheim, weil ich gern Ski fahre. Damals gab es keine Kurse. Was ich in meinem Job kann, habe ich bei der Arbeit gelernt. Und manchmal habe ich gearbeitet und zugleich Urlaub gemacht. Hinteregger: Ich war der Jüngste, meine drei Geschwister waren alle schon im Gastgewerbe. Ich dachte, nein, ich mache etwas anderes. Obwohl mir das Gastgewerbe getaugt hat. Schon mit zehn Jahren habe ich bei meinem Onkel in der Bar ausgeholfen. Ich wurde also zunächst Tischler, habe aber bald entdeckt, dass ich Holzstaub nicht vertrage. So ein Glück, da bin ich sofort in der Rossalm eingestiegen und habe dort meine Ausbildung gemacht. Bis heute mache ich diese Arbeit mit Leib und Seele. Kein Tag im Jahr ist gleich. Natürlich, Abläufe wiederholen sich, aber jeder Gast ist anders. Und ich habe diese Begeisterung, dem Gast etwas zu verkaufen. Dass er sagt, eigentlich wollte ich nur einen Kaffee, aber jetzt habe ich auch noch einen Strudel gegessen ... ...und dass er selber noch glücklich dabei ist. Hinteregger: Genau. Der Gast soll sich nicht betrogen fühlen. Das ist meine Kunst. Und diese Begeisterung will ich an meine Mitarbeiter weitergeben, dass sie nicht sagen, einen Sommer mache ich ein Praktikum auf der Rossalm, nächstes Jahr probiere ich es als Verkäuferin. Nein, die müssen bei mir bleiben wollen. Das ist mein Ehrgeiz. Moderation und Bearbeitung: Gabriele Crepaz

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DER BERÜHMTE FETTNAPF

Von Besteck bis Tischgebet Ein interkultureller Vergleich: Was erwarten Gäste aus aller Welt vom Service? Der Trend zu Fernreisen nimmt zu, dadurch steigt die Zahl der Gäste aus dem Ausland. Die unterschiedlichen Werte, Vorlieben und Gewohnheiten der internationalen Gäste können zu Missverständnissen führen. Hier gewinnt interkulturelle Kompetenz an Bedeutung: Was müssen wir wissen, um uns gegenüber Menschen anderer Kulturen angemessen zu verhalten? Es passiert meist schnell und ohne Absicht, schon trüben Fehlinterpretationen, Missverständnisse und Verwechslungen den guten Eindruck. Das hilft: Seien Sie als Gastgeber offen für kulturelle Besonderheiten und leben Sie diese Haltung auch ihren Mitarbeitern vor. Angestellte müssen rechtzeitig über die Anwesenheit ausländischer Gäste und deren Gepflogenheiten informiert werden, damit sie professionell reagieren können. Darauf ist im Service besonders zu achten:

Kommunikation ist das A und O Eine verständliche Speisekarte in den wichtigsten Sprachen sowie die Fähigkeit der Servicefachkraft, mit dem Gast klar zu kommunizieren, sind das A und O. Werden Touristen in fremden Ländern mit schlechten Produkt- bzw. Speisenbeschreibungen konfrontiert, trägt dies nicht zum Wohlbefinden bei. Manche Reisenden müssen verschiedene Regeln beachten, etwa religiöse Vorschriften oder Diäten und Unverträglichkeiten. Ein Produkt, das mangelhaft bis unverständlich beschrieben wurde, kann vom Gast abgelehnt werden. Neben der Verschwendung von Lebensmitteln löst das auch Unzufriedenheit beim Kunden aus.


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Essgewohnheiten sind kulturabhängig Beim Angebot an Speisen und Getränken sowie bei deren Zubereitung muss auf die Gepflogenheit der Gäste geachtet werden. So nehmen beispielsweise Juden und Muslime kein Schweinefleisch zu sich, und für Hindus sind Rind- und Kalbfleisch tabu. Auch Sitten und Gebräuche sind sehr unterschiedlich und müssen vom Personal respektiert werden. Hält beispielsweise eine Familie ein Tischgebet, darf dieses nicht unterbrochen werden. Manchmal ist es auch sinnvoll, Gäste verschiedener Kulturen räumlich zu trennen, damit sich andere nicht gestört fühlen. So ist Schlürfen und Rülpsen für chinesische Gäste ein Zeichen, dass ihnen das Essen schmeckt, kann aber für andere Besucher unangenehm sein. Asiatische Gäste können Schwierigkeiten mit dem Besteck haben und Stäbchen benötigen. In den arabischen Ländern ersetzen Brotstücke das Besteck.

Manche Uhren ticken anders Die Pünktlichkeit ist bei uns eine gute Tugend, aber für manche Ausländer ist eine viertel- bis halbstündige Verspätung immer noch pünktlich. Generell kann man sagen, dass Gäste aus nordischen Ländern zeitfixierter sind als Menschen aus Südstaaten. Letztere sehen Reservierungen und Zeitangaben viel lockerer. Auch der Zweck und die Dauer eines Restaurantbesuchs unterscheiden sich innerhalb der Kulturen. Franzosen nehmen sich viel Zeit fürs Essen und regeln währenddessen auch gerne geschäftliche Dinge. Im Gegensatz dazu

dient der Restaurantbesuch bei chinesischen Gästen rein der Nahrungsaufnahme und sollte zügig vonstattengehen. Körperkontakt ist so eine Sache Die Form der Begrüßung unterscheidet sich von Land zu Land: Reicht man in Europa üblicherweise die Hand, ist Körperkontakt für die meisten Asiaten tabu. Hier wäre eine Verbeugung üblich. Wiederum gilt: Ein Gast aus nördlicheren Ländern legt mehr Wert auf Abstand zum Sitznachbarn, während Bewohner von südlicheren Ländern kein Problem mit körperlicher Nähe haben. Bei konservativen Familien aus arabischen Ländern essen Frauen und Männer getrennt – auch im Restaurant.

Formalitäten und Hierarchien beachten Es gibt unterschiedliche Arten, wie ein Gast angesprochen wird: formell oder informell. Für die meisten Europäer ist eine Ansprache mit dem richtigen Titel von Bedeutung. In den USA werden Beziehungen nach außen hin sehr viel lockerer dargestellt, und es bedarf keiner formellen Anrede. Asiatische Kulturen legen großen Wert auf Formalitäten und Hierarchien. In diesem Fall ist es essenziell, dass die Mitarbeiter dem Rang entsprechend dem Gast gegenüberstehen. Bei japanischen Gästen gilt, je höher der Rang, desto weiter von der Tür weg muss diese Person platziert werden. Beate Holzner, HGV-Öffentlichkeitsarbeit

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SERVICEQUALITÄT ALS IMAGEFAKTOR.

Der HGV-Service-Check für Hotel- und Gastbetriebe Kennen Sie den Unterschied zwischen einem guten und einem außerordentlichen Service? Und wissen Sie, wie man es schafft, aus einem zufriedenen Gast einen begeisterten Gast zu machen? Heutzutage muss die Servicequalität einen Gast überraschen und seine Ansprüche übertreffen, damit er sie als gut bewertet. Eine hohe Servicequalität ist entscheidend für einen Betrieb, welcher wettbewerbsfähig bleiben und zugleich kundenorientiert auf dem Markt bestehen will. Hier liegen Chance und Herausforderung ganz nah beieinander. Im Rahmen des HGV-Service-Checks überprüfen wir unangekündigt, individuell auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten und mit besonderem Augenmerk auf das Gasterlebnis, die Servicequalität Ihres Hauses. Erkennen Sie das Potenzial, leiten Sie Fördermaßnahmen ein und überzeugen Sie mit Servicequalität, die begeistert! Wir liefern Ihnen die Basis dafür! Neugierig? Wir informieren Sie gerne! HGV-Unternehmensberatung, marketing@hgv.it, Tel. 0471 317 780

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HIERARCHIEN IM SERVICE

Wer muss, wer darf? Noch heute garantieren Hierarchien im Service geordnete Abläufe. Wer sich in Südtirol wie daran hält. Kellner ist nicht gleich Kellner. Die Rangordnung im Serviceberuf ist militärisch durchexerziert. Als Vorbild gilt das französische Chef-de-Rang-System. Es wird heute noch gelebt, wenngleich meist in abgespeckter Form. Drei Beispiele aus Südtirol. Andrea Bertagnolli-Windstoßer, Restaurantmeisterin und Dipl. Hotelfachfrau, Meran Welchen Sinn haben Hierarchien im Service? Die Basis für die Hierarchien im Service ist das aus Frankreich stammende Chef-de-Rang-System. Als klassisches Hierarchie-Modell wird es in fast allen Betrieben praktiziert. Wenn auch oft in abgespeckter Variante. Hierarchien zeigen die einzelnen Positionen im Betrieb auf und stellen diese in Bezug zueinander. Man kann sagen, sie ordnen und regeln Arbeitsabläufe. Durch Hierarchien werden Verantwortlichkeiten klar definiert. Dies erleichtert die Zusammenarbeit im Team und zwischen den einzelnen Abteilungen, wodurch ein effizientes Arbeiten ermöglicht wird. Wichtig dabei ist, dass jeder Mitarbeiter bei Eintritt darüber informiert ist, wer über bzw. unter ihm steht und für welchen Aufgabenbereich er zuständig ist oder auch nicht. Dies ist gerade in Familienbetrieben eine große Herausforderung. Hier ist es ratsam, dass die Familienmitglieder ihre Arbeitsbereiche klar für sich und ihre Mitarbeiter definieren, damit effizientes Arbeiten möglich wird.

Maria Pichler, Gastwirtin, Juniorchefin Apfelhotel Torgglerhof, Saltaus Wieso sind Hierarchien im Service wichtig? Wie werden sie bei euch umgesetzt? Ehrlich gesagt, gefällt mir das Wort Hierarchien nicht. Wir nennen es viel lieber Aufstiegsmöglichkeiten für die Mitarbeiter. Diese sind natürlich wichtig. So wird bereits einem Commis gezeigt, wie spannend es sein kann, sich weiterzuentwickeln. Das fördert die Mitarbeitermotivation. Ich muss gestehen, dass bei uns Hierarchien im Service für den Gast nicht wirklich erkennbar sind. Bei uns zählt das WIR und deshalb ist ein Commis genauso wichtig wie ein Chef de Rang. Einzig unser Sommelier trägt auf seiner Schürze den Zusatz „WINE GUY“. So sieht der Gast, dass er sich bei Weinfragen direkt an den Profi wenden kann. Intern unterscheidet sich ein Commis und ein Chef de Rang natürlich im Aufgabenbereich. Das heißt aber nicht, dass die weniger beliebten Arbeiten wie Saugen oder Gläserspülen einfach an die Commis weitergeleitet werden. Diese Arbeiten darf bei uns jeder machen, egal in welcher Hierarchiestufe er sich befindet. Schließlich sind wir ein Team.


Service Excellence macht den Unterschied

Matteo Lattanzi, Maître d’hôtel, Quellenhof Luxury Resort, St. Martin in Passeier Warum wird im Quellenhof am klassischen Chef-de-Rang-System festgehalten? Hierarchien sind wichtig, damit die Positionen klar definiert sind und jeder seinen genauen Aufgabenbereich kennt. Es ist für die Mitarbeiter wichtig zu wissen, wer das Sagen hat und an wen man sich wenden kann – das vermittelt Sicherheit. So weiß man beispielsweise bei uns, dass man bei Weinfragen gezielt den Sommelier ansprechen kann, Bestellungen mit dem Restaurantleiter besprochen werden und Lehrlinge sich an den Chef de Rang wenden können. Im Quellenhof gibt es einen Maître d’hôtel, jeweils einen Restaurantleiter, den Sommelier gefolgt vom Chef de Rang und dem Commis de Rang. Interview: Beate Holzner, HGV-Öffentlichkeitsarbeit

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PERFEKT IN JEDER MINUTE.

Der HGV und Gastlichkeit in Südtirol unterstützen Sie dabei. Die Qualität der Dienstleistung, also die Service Excellence, ist entscheidend, ob Gäste wiederkehren – oder eben nicht. Somit ist die ServiceKultur eines Unternehmens ein marktentscheidender Faktor, auch ökonomisch. Grund genug, am eigenen Stil zu feilen. Der Verein Gastlichkeit in Südtirol und der HGV bieten mit Unterstützung der Südtiroler Tourismuskasse (STK) ab Jänner 2020 einen Lehrgang an. Dieser umfasst fünf Unterrichtstage und geht auf folgende Themen ein: • Grundlagen für Service Excellence • gelebte Dienstleistungsqualität • kontinuierlicher Verbesserungsprozess • serviceorientierte Kommunikation Wir bewegen uns in drei großen Schritten. Zuerst lernen Unter-

nehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte, die eigene Dienstleistung aus der Sicht der Gäste zu beurteilen. Anschließend geht es um die Umsetzung von Dienstleistungsqualität im Alltag und um die Soft Skills von Führungskräften und Mitarbeitern mit extrem hohem Gastfokus. Exzellente Qualität muss ständig weiterentwickelt werden. Daher erhalten die Teilnehmenden Instrumente, um die Servicequalität durch effiziente und gastorientierte Abläufe kontinuierlich und nachhaltig zu verbessern. Im letzten Teil schließlich geht es darum, exzellente Qualität an allen Stellen richtig zu kommunizieren, egal ob im laufenden Service, im Fall einer Beschwerde oder beim Umgang mit schwierigen Gästen. In einer der persönlichsten Branchen der Welt ist kein Tag gleich, jedoch wird

Service Excellence in jeder Minute erwartet. Bei der Abschlussprüfung stellen die Teilnehmenden unter Beweis, wie sie aus zufriedenen Gästen begeisterte Fans machen. Nach diesem Seminar können die Teilnehmenden exzellenten Service im Handumdrehen in den Betriebsalltag integrieren. Zur Anmeldung? Erste Infos? Gastlichkeit in Südtirol info@gastlichkeit.it Tel. 0471 317 700

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Hierarchien im Service Wer das Chef-de-Rang-System umsetzen will, braucht zuerst Klarheit über das Drüber und das Drunter. Hier eine Übersicht, damit jeder auf seinem Posten ist.

M A Î T R E D ’ H ÔT E L / C H E F D E S E R V I C E

Position Hierarchie

1. Oberkellner/Leiter eines Restaurants allen Restaurantmitarbeitern übergeordnet und für sie verantwortlich Aufgaben Reservierung, Empfang, Platzierung, Verabschiedung. Er oder sie repräsentiert den Restaurantbetrieb, überwacht die Wirtschaftlichkeit, beurteilt und führt die Mitarbeiter, kreiert die Weinkarte, betreut die Gäste, handelt das Beschwerdemanagement und betreibt das Marketing

CHEF DE VIN

WEITERE OBERKELLNER

Position Sommelier Hierarchie in derselben hierarchischen Ebene wie der 1. Oberkellner Aufgaben trifft die Weinauswahl und berät in Wein- und Getränkefragen

Hierarchie Aufgaben

CHEF DE RANG

DEMICHEF DE RANG

Position

Position Hierarchie

Hierarchie

Aufgaben

Stationskellner, der zuständig für eine Servicestation ist ist dem Oberkellner unterstellt. Wird unterstützt von einem Demichef de Rang sowie einem Commis de Rang Beratung der Gäste, Service am Tisch der Gäste, Filetieren, Tranchieren und Flambieren von Speisen sowie jeglicher Weinservice, sofern es keinen Sommelier gibt

Aufgaben

ist dem Maître d’hôtel unterstellt für einen bestimmten Bereich zuständig: Gästeempfang, Platzierung, Verabschiedung der Gäste sowie Behandlung von Reklamationen

stellvertretender Stationskellner unterstützt den Chef de Rang in allen Belangen Bedienung der Gäste mit Speisen und Getränken

CO M M I S D E R A N G

Position

Hierarchie Aufgaben

Jungkellner, der im ersten oder zweiten Praxisjahr nach seiner Ausbildung in einem Hotel oder Restaurant arbeitet Assistent des Chef de Rang sowie des Demichef de Rang; folgt deren Anweisungen sämtliche Servicearbeiten, deckt den Tisch und kümmert sich um die Tischwäsche


Service Excellence macht den Unterschied

Bei uns zählt das WIR, ein Commis ist genauso wichtig wie ein Chef de Rang. Maria Pichler

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UnternehmerInnen machen das Team. Wer die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, hat vielleicht Glück. Kennt sich aber ganz sicher mit der menschlichen Psyche aus. Fokus auf das Team, dann klappt es auch mit den Bewerbungen, rät Corporate-Happiness-Experte Oliver Haas. Freiraum für Mitarbeiter, Fußballtraining für Führungskräfte, empfiehlt Hotellerie-Beraterin Dörte Mäder. Warum sonst hat Nicole Kobjoll mit dem Schindlerhof in Nürnberg schon zweimal den Titel Great Place to Work in Deutschland gewonnen?


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Mitarbeiter von heute wollen auch Gastgeber sein und können es auch. Dörte Mäder

Ein guter Chef zeigt sich darin, dass Mitarbeiter das Vertrauen spüren, für das Unternehmen das Richtige zu tun.


UnternehmerInnen machen das Team

KO LU M N E : W E R I S T O H N E TA D E L?

Der gute Chef, der perfekte Gastgeber Wann ist man (Mann?) beides? Erst einmal gar nicht, denn es gilt ja auch das weibliche Geschlecht miteinzubeziehen, es gibt ebenso die Chefin und die Gastgeberin. Um es hier leichter zu gestalten, erfolgt vorab der nötige Hinweis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung, wie z. B. Chefin verzichtet wurde. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter. Wie ist das nun mit den Chefs? Wann sind sie die perfekten Gastgeber und für den Mitarbeiter der ebenso perfekte Vorgesetzte? Und gibt es hier überhaupt Perfektion? Motivation, Emotion, Empathie sind nur einige Schlagworte, die das für Gast und Mitarbeiter untermauern sollen, doch es stellt sich vermehrt die Frage, ob das immer so funktioniert. Ein kleines Beispiel. Ein lieb gewonnener Stammgast reist an. Ein Mitarbeiter am Empfang begrüßt den Gast, nimmt die Daten auf und freut sich auf ein Lächeln für den kompetenten Check-in. Doch nun tritt der „Kaiser Gastgeber“ auf, drückt seinen „Leibeigenen“ zur Seite und begrüßt „König Gast“. Der Chef fühlt sich motiviert, seinen Gast zu begrüßen, und legt Emotion in seine Handlung. Die Empathie für den Mitarbeiter bleibt leider auf der Strecke. Das Ergebnis könnte irgendwann die Null-Motivation bei eben diesem für das Unternehmen sein. Diese Vorgehensweise ist mir in vielen Betrieben bekannt, weil es wohl immer so war und jeder Betriebsinhaber dachte, so muss es sein, der Gast will es so. Die Mitarbeiter, damals nannte man diese noch Personal, ließen das auch mit sich machen. Mitarbeiter von heute allerdings wollen auch Gastgeber sein und können es auch. Die Rolle des Gastgebers darf nicht nur in der Rolle der Inhaberposition gebündelt sein, als Gastgeber sollte sich jeder Mensch in einem Hotel- und Gastrobetrieb verstehen. Ein guter Chef zeigt sich darin, dass Mitarbeiter das Zutrauen und damit auch Vertrauen in Anspruch nehmen dürfen, für das Unternehmen das Richtige zu tun. Ein Mitarbeiter, der dieses spürt, wird ein ebenso guter Gastgeber sein, eben weil er ein Vorbild durch den Chef hat. In Zeiten des mehr als akuten Fachkräftemangels ist ein Umdenken hier unumgänglich. Die externen Talentschmieden schaffen keinen Nachwuchs mehr her, ergo müssen eigene Mitarbeiter zu Chefs der zweiten Reihe und zu perfekten Gastgebern ausgebildet werden. Nur wenn diese Bereitschaft da ist, kann die Südtiroler Gastlichkeit weiterhin mit Herz und Verstand von Chef und Mitarbeitern an den Gast herangetragen werden. Vielleicht ein wenig krass ausgedrückt. Was nützten Expansionsgedanken in Form von Baumaßnahmen und einem immer größer werdenden Angebot, wenn der Bedarf an helfenden Händen und Köpfen, die als Gastgeber immer mehr vonnöten sind, nicht bereits in der Planung mit einbezogen wurde. Da braucht es dann vorher den perfekten Chef, der das im Vorfeld erkennt und entsprechend auch die Menschen auf der Bühne und hinter den Kulissen für die Gastgeberrolle plant. Nur ein Vorgesetzter, der seinen Mitarbeitern Freiraum lässt, um auch als Mit-Gastgeber zu fungieren, ist ein guter Chef, denn die Führung nach Gutsherrenart hat schon lange ausgedient. Die Generationen Y und Z suchen Chefs, die eine Vorbildfunktion als Gastgeber ausführen und ihnen die Wertschätzung geben, dass sie das in Zukunft mit derselben Bravour absolvieren können wie ihre Lehrmeister. Und die Gäste werden den Chef für die Vielzahl seiner Gastgeber loben. Herzlichst, Ihre Dörte Mäder Dörte Mäder ist selbstständige Beraterin für die Hotellerie und Geschäftsführerin im Riessersee Hotel in Garmisch-Partenkirchen.

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Das HGV Journal

E M P LOY E R B R A N D I N G

Wer zeigt hier Marke? Wie Unternehmen und Mitarbeiter zueinander finden. Der Weg zur Arbeitgebermarke. Eine Marke sein, den Gast begeistern. Das hat die Branche gelernt. Love Brand wollen heute viele sein. Eine Marke, die geliebt wird und Sinn stiftet. Eine Marke, die nicht nur konsumiert wird, sondern gelebt. Wie sieht eine Love Brand für Mitarbeiter aus? Junge Mitarbeiter wählen ihren Arbeitsplatz gezielt aus. Sie wollen sich mit den Werten des Unternehmens identifizieren. Sie suchen ein Umfeld, das motiviert und Sinn stiftet. Employer Branding rückt in den Fokus. Was macht ein Hotel attraktiv für Mitarbeiter? Der Wert einer attraktiven Arbeitgebermarke Jeder von Ihnen kennt den Begriff USP, das Alleinstellungsmerkmal, das Ihr Unternehmen einzigartig macht. Das Pendant im Employer Branding ist EVP, die Employer Value Proposition. Sie beschreibt, was die Arbeitnehmer vom Unternehmen erwarten können. Damit haben beide Seiten die Chance, sich passgenau einzuspielen. Unternehmen müssen zu Mitarbeitern passen. Umgekehrt? Mitarbeiter werden Markenbotschafter. Als Unternehmer brauchen Sie Mitarbeiter, die zu Ihrer Marke passen. Denn nur wer die Marke mitträgt, kann die richtige Botschaft senden. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern die Identität Ihrer Marke, damit sie diese kennen, verstehen und danach handeln können. Ideal: Die Marke wird vom Chef vorgelebt und auf allen Ebenen kommuniziert. Emotional an das Unternehmen gebundene Mitarbeiter werben für dessen Marke, Produkte und Dienstleistungen. Emotion schafft Botschafter. Wie werden Mitarbeiter zu Fans? Die Arbeitgebermarke ist ein Versprechen. Aber wie definiert man die Arbeitgebermarke? Denken Sie darüber nach, welches Arbeitsumfeld biete ich? Welche Entwicklungschancen? Warum soll sich eine Fachkraft bei mir bewerben? Mit den Antworten auf diese Fragen definiert man seine Arbeitgebermarke. Ein Versprechen, das glaubwürdig ist, wenn es eingehalten wird. Denn: Nur zufriedene Mitarbeiter transportieren die Arbeitgebermarke authentisch. Und gute Mund-zu-Mund-Propaganda ist immer noch das beste Recruiting. Echte Marken halten ihr Versprechen. Auch bei Mitarbeitern. Silvia Unterweger, HGV-Unternehmensberatung

. EXPERTENMEINUNG

Schlechter Service kostet Gäste Silvia Unterweger, HGV-Unternehmensberatung „68 Prozent seiner Kunden verliert man aufgrund von schlechter Servicequalität. Nur 14 Prozent hingegen wegen schlechter Produktqualität. Sagt eine Studie der American Society of Quality Control. Das heißt: Schlechter Service kostet Kunden. Dies unterstreicht, wie wichtig Mitarbeiter für ein Unternehmen sind. Die menschliche Ebene ist jene, die das gewisse Etwas ausmacht.“


UnternehmerInnen machen das Team

T I P P : M A N AG E M E N T- L E H R G A N G

AUF ERFOLG VORBEREITET.

Mit der HGV-Weiterbildung lernen Sie von den Besten der Branche. Die Welt, in der sich Unternehmerinnen und Unternehmer heute bewegen, ist sehr viel komplexer als noch vor einigen Jahren. Besonders Gastwirtinnen und Gastwirte brauchen eine Vielzahl von Kompetenzen, um ihren Betrieb erfolgreich in die Zukunft führen zu können. Eine gute Basis, um für die neuen Herausforderungen gerüstet zu sein, können sich (junge) Gastwirtinnen und Gastwirte beim Management-Lehrgang aneignen. Der Lehrgang, organisiert von der Südtiroler Tourismuskasse (STK) und der HGV-Weiterbildung, umfasst 27 Tage Unterricht. 20 Referentinnen und Referenten gehen dabei auf folgende Themen ein:

• Management und Unternehmensführung • Mitarbeiterführung • Strategisches und operatives Marketing • Online Marketing und Social Media • Finanzierung und Controlling • Neuropricing und Yield Management • Hotel- und Gastro-Trends • Baumanagement In zwei schriftlichen Prüfungen werden die Kenntnisse und das Verständnis für die Themen überprüft. Viel Platz wird der Praxis eingeräumt: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erstellen anhand ihres eigenen Fallbeispiels eine

Projektarbeit und münzen dadurch die theoretisch vermittelten Inhalte in die Praxis um. Drei Trend-Touren runden den Lehrgang ab: Besucht werden Hotel- und Gastronomiebetriebe in Deutschland, Österreich und Südtirol. In Gesprächen mit spannenden Persönlichkeiten erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort Einblick in innovative Konzepte und lernen von den Besten der Branche.

Zur Anmeldung? Erste Infos? HGV-Weiterbildung weiterbildung@hgv.it Tel. 0471 317 790

T I P P : U N T E R N E H M E R COAC H I N G I M B E R E I C H M I TA R B E I T E R F Ü H R U N G

ÜBERNEHMEN SIE DIE FÜHRUNG.

Die HGV-Unternehmensberatung begleitet Sie dabei. „Jeder ist ein Genie! Aber wenn Du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“ Das Zitat wird dem Physiker Albert Einstein zugeschrieben und trifft den Nagel auf den Kopf. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort einzusetzen, wo diese Stärken besitzen, ist eine Kunst. Die HGV-Unternehmensberatung hat dazu ein neues Beratungspaket lanciert.

Sie wollen ein funktionierendes Mitarbeiterteam aufstellen und langfristig an Ihr Haus binden? Wir überlegen mit Ihnen, was Sie an Ihrem Führungsprofil verbessern können. Wie sieht die Mitarbeiterstruktur in Ihrem Hotel aus? Wir analysieren und hinterfragen bestehende Hierarchien, bei Bedarf entwickeln wir mit Ihnen ein sinnvolles Mitarbeitersystem. Sie legen Wert auf ein motivertes

Mitarbeiterteam? Kommunikation ist die Basis eines guten Klimas und zugleich Ausdruck solider Unternehmenskultur. Wir helfen Ihnen, Ihre Beziehungsarbeit zielführend und menschlich zu gestalten.

Sehr gerne laden wir Sie zum Erstgespräch ein: HGV-Unternehmensberatung marketing@hgv.it Tel. 0471 317 780

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Das HGV Journal

Will bei Bewerbern mehr auf Haltung als auf Fachkenntnis schauen: Oliver Haas.

M I TA R B E I T E R F I N D E N U N D B I N D E N

Chefs müssen sich zurückziehen Südtiroler Unternehmen haben seit einiger Zeit mit dem Mangel an Fachpersonal zu kämpfen. Die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften wird immer schwieriger. Wie man begabte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden und auch an das Unternehmen binden kann, verrät der Münchner Wirtschaftsprofessor und Personalexperte Oliver Haas. Sie behaupten, das Problem sei nicht der Fachkräftemangel an sich, also dass man kaum mehr Mitarbeiter findet. Was ist dann das Problem? Und was können Arbeitgeber dagegen tun? Ich erlebe immer wieder, dass sich Unternehmen neue Recruiting-Strategien ausdenken. Unternehmen arbeiten dabei fast ausschließlich nach außen: Sie erstellen eine neue Homepage, machen einen neuen Imagefilm, gestalten die Stellenanzeigen anders usw. Das funktioniert aber nicht, denn es ist viel wichtiger, nach innen zu arbeiten – an der Unternehmenskultur, der Haltung. Es beginnt schon beim Wort Recruiting. Recruiting kommt aus dem Militär bzw. aus dem Maschinenzeitalter. Damals hat man irgendjemanden gesucht, der sich vor die Maschine setzt, und wenn er nicht gepasst hat, dann hat man eine andere Person engagiert. Diese Zeiten sind vorbei. Ein viel besseres Wort wäre Inviting, d. h. sich für die Menschen im Unternehmen zu interessieren und so nach außen zu gehen. Hotels, die nach innen arbeiten und darüber sprechen, was im Innern passiert, werden

überhäuft von Bewerbungen. Euphorische Mitarbeiter, die in Aufbruchstimmung sind, schwärmen für das Unternehmen und machen über Mund-zu-Mund-Propaganda den Betrieb für Jobsuchende interessant. Wie wird sich die Mitarbeitersuche in Zukunft ändern? Wir werden auf die Bedürfnisse neuer Generationen eingehen müssen. Es wird in Summe weniger Mitarbeiter geben, die sich auf Stellen bewerben, aber die Bewerber werden auch andere Bedürfnisse haben. Ein schönes Hotel oder Geld stehen nicht mehr im Vordergrund, Prestige und Ansehen verlieren an Bedeutung. Was zählt, sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mitgestalten zu dürfen und ein wertschätzendes Teamklima. Dafür müssen sich die Chefs auch zurückziehen und loslassen, was in familienorientierten Unternehmen oft sehr schwierig ist. Geschäftsführer müssen verstehen, dass der Fachkräftemangel nicht von außen kommt, sondern dass man ihn meist selber mitbefeuert.


UnternehmerInnen machen das Team

Die klassische Stellenanzeige verliert an Bedeutung. Welche Alternativen der Mitarbeitersuche halten Sie für sinnvoll? Ich glaube nicht daran, dass die Stellenanzeige an Bedeutung verliert. Aber so, wie die meisten Leute sie machen, hat sie an Bedeutung verloren: Alle sind gleich aufgebaut, klingen langweilig, keine sticht heraus. Das zeigt auch wieder das Problem, dass man nicht auf die Werte des Unternehmens eingeht und den Spirit des Betriebes vermittelt. Natürlich gibt es auch sinnvolle Alternativen wie Mitarbeiterempfehlungsprogramme. Wir unterschätzen sehr die Wirkung von Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn Mitarbeiter richtig begeistert vom Hotel sind, in dem sie arbeiten, werden sie es weiterempfehlen oder in sozialen Netzwerken posten. Das kann man als Hotelier unterstützen. Und wir wissen, dass Mitarbeiter, die über andere Mitarbeiter kommen, im Schnitt auch dreimal so lange bleiben wie die, die von einer Jobbörse kommen. Auf welche Eigenschaften sollte man bei den Bewerbern schauen? Meiner Meinung nach wird noch viel zu sehr nach Fachlichkeit ausgesucht: Der Bewerber sollte aus der Branche kommen und die Arbeit bereits gemacht und unter Beweis gestellt haben. Vielmehr sollte man nach Haltung einstellen, also eine Person suchen, die ins Team passt. Denn Fachlichkeit kann trainiert werden, die Haltung zu ändern ist schwieriger. Mark Murphy, Geschäftsführer der US-Beratung Leadership IQ, fand in einer Studie mit 20.000 neueingestellten Mitarbeitern heraus, dass 46 Prozent der neuen Mitarbeiter innerhalb der ersten 18 Monate im Job scheiterten. Das Spannende an der Studie war eigentlich, dass das Scheitern in 89 Prozent der Fälle an der Haltung der neuen Mitarbeiter lag und nur zu 11 Prozent an fachlichen Fähigkeiten. Ihr Credo lautet: „Glückliche Menschen leisten gerne mehr“. Warum? Wenn es jemandem gut geht, bringt er sich auch entsprechend ein. Aber nicht falsch zu verstehen mit „glückliche Kühe geben mehr Milch“. Denn Mitarbeiter merken, wenn sie nur Mittel zum Zweck bzw. zum Unternehmenserfolg sind. Der Chef muss ein echtes Interesse daran haben, dass die Mitarbeiter sich bei ihm wohlfühlen, er muss sie ernst nehmen. Das Nebenprodukt einer solchen Kultur sind erstaunliche betriebswirtschaftliche Gewinne. Vor allem müssen Mitarbeiter mehr beteiligt werden, auch an wichtigen und strategischen Entscheidungen. Die Hotelgruppe Upstalsboom hat mit mehr als einem Drittel der Belegschaft ein Leitbild entwickelt. Da saßen Azubis, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Housekeeping und der Bar im Workshop und haben zusammen diskutiert, wohin die Reise geht. Das ist gelebte Eigenverantwortung. Interview: Beate Holzner, HGV-Öffentlichkeitsarbeit Oliver Haas ist Wirtschaftsprofessor und Gründer der Corporate Happiness GmbH in München. In seiner Arbeit als Berater verbindet er wissenschaftliche Expertise mit unternehmerischer Realität und ansteckendem Humor.

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EIN BLICK INS ARBEITSRECHT

Flexibel ist möglich Wichtige Fragen für alle Beteiligten: Mit welchen Arbeitsverträgen können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemeldet werden? Welche Auflagen sind zu berücksichtigen? Und welche Möglichkeiten gibt es, Mitarbeiter flexibel einzustellen. Wilfried Albenberger, Leiter der HGV-Personalberatung, weiß, wo die Südtiroler Gastronomen in Vertragssachen der Schuh drückt. Ein Kurzinterview. Im Gastgewerbe gibt es Tage, wo es hoch hergeht und man zusätzliche Mitarbeiter braucht, und Tage, wo man mit dem normalen Mitarbeiterstand auskommt. Wie können sich die Gastwirte darauf in puncto Mitarbeiterbeschäftigung einstellen? Sind die Vertragstypen flexibel genug? Wir haben mit den verschiedenen Abkommen auf Landesebene sicher die Voraussetzungen geschaffen, um flexible Arbeitsverträge im Tourismussektor abschließen zu können. Sie plädieren dafür, bei Vereinbarung des Monatslohnes mit Bruttobeträgen zu arbeiten. Warum? Das wäre sicher ein Vorteil, da auch in den Nachbarländern allgemein mit Bruttolöhnen „verhandelt“ wird. Ich denke, dass wir in Italien und damit in Südtirol so schnell nicht von den „Nettolöhnen“ wegkommen werden. Das ist eine Kopfsache! Wilfried Albenberger

Mitarbeiter schätzen flexible Arbeitszeiten. Welche Erfahrungen macht diesbezüglich die HGV-Personalberatung und welchen Tipp können Sie geben? Ich denke, dass in Zukunft flexiblere Arbeitszeitmodelle gefragt sind. Das ist eine große Herausforderung für die Betriebe, gleichzeitig aber auch eine Chance, um weiterhin einen attraktiven Arbeitsplatz im Tourismus bieten zu können. Interview: Nikolaus Stoll, Leiter der HGV-Öffentlichkeitsarbeit

DIE GÄNGIGEN ARBEITSVERTRÄGE IM GASTGEWERBE Die HGV-Personalberatung hat mit Stand Herbst 2019 die gängigsten Arbeitsverträge im Hotel- und Gastgewerbe kompakt zusammengefasst und jeweils auch auf die Besonderheiten hingewiesen. Denn auch hier gilt: Klare Regeln schaffen Sicherheit bei Arbeitgeber und Mitarbeiter und stärken das Image des Betriebes bzw. der Unternehmerfamilie.

VERTRAGSART

WER KANN BESCHÄFTIGT WERDEN

ENTLOHNUNG

Unbefristeter Arbeitsvertrag

Arbeitnehmer, welche das 18. Lebensjahr vollendet bzw. die Bildungspflicht erfüllt haben.

Laut zustehender Lohngruppe, die je nach Einstufung und Kategorie des Betriebes verschieden ist.

Befristeter Arbeitsvertrag mit Enddatum aufgrund saisonbedingter Mehrarbeit

Für Südtirol gilt im Gastgewerbe eine eigene Regelung (Landesabkommen vom 22. März 2019): Befristete Arbeitsverträge aufgrund saisonbedingter Mehrarbeit dürfen eine Dauer von maximal 315 Kalendertagen im Jahr haben. In Betrieben mit einer jährlichen Schließungszeit von mindestens 50 Kalendertagen (zusammenhängend oder nicht zusammenhängend - max. 2 Schließungsperioden) ist kein Höchstmaß dieser befristeten Verträge vorgesehen.

Laut entsprechender Lohngruppe zuzüglich 8 Prozent als Zulage bei befristeten und/oder Saisonverträgen berechnet auf Grundlohn, Kontingenzzulage und provinzialem Element.

BESONDERHEITEN

Bei der Meldung beim Amt für Arbeitsmarktbeobachtung muss angegeben werden, dass es sich um eine Aufnahme mit Vertrag auf Zeit handelt.


UnternehmerInnen machen das Team

VERTRAGSART

WER KANN BESCHÄFTIGT WERDEN

ENTLOHNUNG

BESONDERHEITEN

In ganzjährig geöffneten Betrieben (ohne Schließung bzw. mit Schließungszeit von weniger als 50 Tagen im Jahr) dürfen max. 40% der unbefristet beschäftigen Mitarbeiter mit einem solchen Vertrag beschäftigt werden. Saisonvertrag ohne Enddatum

Betriebe, welche eine durchgehende Schließung von 70 Tagen im Kalenderjahr zusammenhängend oder 120 Tagen nicht zusammenhängend haben, können Arbeitnehmer mit Saisonvertrag einstellen. Als Saisonarbeit gelten Arbeitsverhältnisse, deren Dauer nicht mehr als 10 Monate betragen.

Laut entsprechender Lohngruppe zuzüglich 8 Prozent als Zulage bei befristeten und/oder Saisonverträgen berechnet auf Grundlohn, Kontingenzzulage und provinzialem Element.

Bei Saisonverträgen gibt es im Arbeitsvertrag kein genaues Enddatum. Es genügt „Saisonende“ anzugeben. Zum Saisonende muss dem Arbeitnehmer unter Einhaltung einer 15-tägigen Kündigungsfrist schriftlich gekündigt werden.

Teilzeitvertrag

Arbeitnehmer, welche weniger als 40 Stunden pro Woche arbeiten.

Laut geltenden Bestimmungen des Nationalen Kollektivvertrages, im Verhältnis zum Teilzeitprozentsatz (z.B. 24 Stunden pro Woche = 60%); zum Stundenlohn müssen auch der 13. und 14. Monatslohn sowie der zustehende Anteil an Urlaub, Freistunden und Abfertigung bei Fälligkeit ausbezahlt werden.

Die Arbeitszeiten/Ruhetage müssen im Vertrag genau angegeben werden. Im Bedarfsfall können Zusatzstunden im Ausmaß von 50 Prozent der vereinbarten monatlichen Arbeitszeit geleistet werden bzw. die Arbeitszeiten leicht abgeändert werden.

Lehrlingsvertrag (Lehre A)

Jugendliche (ab 15 Jahren) als Lehrlinge in einem dualen Ausbildungsverhältnis (Schule-Betrieb). Die Lehre (Servierfachkraft/Koch) dauert 3 Jahre. Betriebe müssen folgende Voraussetzungen erfüllen: Ausbilder muss entsprechende Qualifikation vorweisen; Ausbilder muss eine vom Land anerkannte Ausbildung als Lehrlingsausbilder absolviert haben bzw. dies innerhalb von 6 Monaten nach Einstellung des Lehrlings vorweisen

Gestaffelte Entlohnung je nach Lehrjahr (lt. Landesabkommen) zwischen 55 Prozent und 90 Prozent der Normaleinstufung der 4. Lohnstufe. Die Entlohnung erfolgt auch während des Besuches der Berufsschule.

Ein Küchenmeister und ein Serviermeister dürfen zwei Lehrlinge ausbilden. Den Jugendlichen müssen zwei Ruhetage gewährt werden. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keine Überstunden leisten und Nachtarbeit von 22 Uhr bis 6 Uhr ist nicht erlaubt.

Berufsspezialisierende Lehre (Lehre B)

Der Auszubildende muss zwischen 18 und 29 Jahre alt sein. Jugendliche mit einer beruflichen Qualifikation können schon mit 17 Jahren einen Arbeitsvertrag der berufsspezialisierenden Lehre abschließen. Die Lehre dauert 3 Jahre.

Gestaffelte Entlohnung je nach Lehrjahr (lt. nationalem Abkommen) zwischen 80 Prozent und 90 Prozent der Normaleinstufung der 4. Lohnstufe.

Die Auszubildenden legen keine Lehrabschlussprüfung ab und erhalten auch kein Diplom. Die Ausbildung erfolgt im Betrieb und über Kurse (Landesberufsschulen, Bilaterale Körperschaften, E-Learning usw.)

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Das HGV Journal

VERTRAGSART

WER KANN BESCHÄFTIGT WERDEN

ENTLOHNUNG

BESONDERHEITEN

Ausbildungs- und Orientierungspraktikum

Schüler und Studenten sowie Schulund Uniabsolventen, welche die Ausbildung vor nicht mehr als 12 Monaten abgeschlossen haben. Voraussetzung ist der Besuch der Mittel- oder Berufsschule, einer Ober- oder Fachschule und die Vollendung des 15. Lebensjahres. Die Mindestdauer des Sommerpraktikums beträgt 2 Wochen, die Höchstdauer jeweils 3 Monate für Schüler und 6 Monate für Studenten (gesamte Praktikumsdauer maximal 10 Monate)

Das Entgelt wird vom Arbeitgeber ausbezahlt. Den Betrieben wird empfohlen, ein Taschengeld von 600 bis 800 Euro pro Monat zu bezahlen (Mindestbetrag 300 Euro). Die Auszahlung erfolgt über einen regulären Lohnstreifen. Der Betrag ist nicht sozialbeitrags- und lohnsteuerpflichtig. Der Betrieb muss die Praktikanten gegen Unfälle beim INAIL versichern und sorgt für eine Haftpflichtversicherung.

Den Jugendlichen müssen zwei Ruhetage gewährt werden. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keine Überstunden leisten und Nachtarbeit von 22 Uhr bis 6 Uhr ist nicht erlaubt.

Sommerzeitvertrag für Studenten / Ferialvertrag

Jugendliche, welche eine Hotelfachschule, eine fachbezogene Oberschule oder eine Universität mit fachbezogener Studienrichtung besuchen. Zeitverträge mit Studenten können für mindestens 6 und höchstens 14 Wochen abgeschlossen werden. Im Bereich Service können Zeitverträge auch mit Schülern abgeschlossen werden, welche keine fachbezogene Schule besuchen.

Die Entlohnung für Sommerzeitverträge für Studenten beträgt, je nach Ausbildungsstand, zwischen 55 Prozent und 85 Prozent der Normaleinstufung der 4. Lohnstufe.

Den Jugendlichen müssen zwei Ruhetage gewährt werden. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keine Überstunden leisten und Nachtarbeit von 22 Uhr bis 6 Uhr ist nicht erlaubt.

Arbeit auf Abruf

Arbeitnehmer, welche gelegentlich und unregelmäßig, z. B. an Wochenenden arbeiten, können mit dem Arbeitsvertrag auf Abruf beschäftigt werden.

Die Entlohnung erfolgt laut zustehender Lohngruppe. Dazu wurden Brutto-Stundenlöhne inklusive 13. und 14. Monatslohn, Urlaub, Freistunden, Abfertigung vereinbart. Die Sozialabgaben werden nur auf die geleisteten Arbeitsstunden berechnet.

Beim Arbeitsvertrag auf Abruf müssen die Arbeitstage sowie die individuellen Arbeitszeiten nicht im Vertrag festgehalten werden. Vor dem jeweiligen effektiven Arbeitsbeginn ist eine telematische Meldung beim nationalen Arbeitsministerium vorzunehmen (UNI_ Intermittenti). Anschließend müssen die gearbeiteten Stunden im Stundenregister/Einheitslohnbuch eingetragen werden.


UnternehmerInnen machen das Team

Flexible Arbeitszeitmodelle kÜnnen Arbeitsplätze attraktiver machen. Wilfried Albenberger

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KLARTEXT REDEN

Die nehmen Sie beim Wort Mitarbeiterführung durch gezielte Kommunikation und Persönlichkeit Erfolgreich führen heißt erfolgreich kommunizieren. Kommunikation erschöpft sich nicht in Worten. Kommunikation ist auch Körpersprache. Wer überlegt kommuniziert, bewahrt sich und andere vor Missverständnissen und Konfliktsituationen. Ein paar Grundregeln bewirken Wunder, verspricht die Eppaner Unternehmensberaterin und Trainerin Martha Erlacher.

. EXPERTENMEINUNG

Kommunikation hilft immer Martha Erlacher, Persönlichkeitstrainerin „Formulieren Sie positiv, vermeiden Sie Wörter wie „nie“, „nicht“, „kein“. So können Sie Ziele schneller und leichter erreichen. Negative Formulierungen lenken den Blick auf das, was nicht ist, statt auf das, was ist. Wenn Sie positiv formulieren, werden Sie besser verstanden. Ihren Wünschen wird häufiger entsprochen. Sie wirken kompetenter und fühlen sich selbst wohler. Und die Mitarbeiter fühlen sich ernst genommen.“

Denken wir kurz nach, bevor wir verbal loslegen. Kommunikation erfordert rhetorisches Geschick und die Fähigkeit des positiven Formulierens. Durch Selbstreflexion und eine Analyse des Kommunikationsbegriffs werden das eigene Denken und die eigenen Reaktionen bewusster wahrgenommen und entsprechend beeinflusst. Mitarbeiter werden uns folgen, wenn sie wissen, wohin wir gehen und was wir von Ihnen erwarten. Eine starke Persönlichkeit ist die Voraussetzung dafür, Mitarbeiter langfristig leistungsfähig zu halten und motiviert zu führen. Effektive Führung versetzt Ihre Mitarbeiter in die Lage, die Leistung zu steigern und die gesetzten Ziele zu erreichen. Zielgerichtete Mitarbeiterführung steigert die Wertschätzung und führt gleichzeitig zu einer geringeren Fluktuationsrate. Es geht darum, individuelle Erfolgsstrategien zu entwickeln. Erkennen Sie, wie Sie Kommunikation einsetzen können, um Werte und Ziele zu vermitteln. Entdecken Sie Methoden, um Aufgaben auf wertschätzende Weise zu delegieren. Lernen Sie, wie Sie Ihre „Vorbildfunktion“ tatsächlich erfüllen können. Von Mitarbeitern in leitenden Positionen wird oft vorausgesetzt, dass sie wissen, was Führung heißt. Auch hier ist Kommunizieren oberstes Gebot. Wenn Sie Ihre Ziele


UnternehmerInnen machen das Team

erreichen wollen, ist es wichtig, dass Sie mit Ihren Mitarbeitern in einen offenen Dialog treten und ihre Erwartungen kommunizieren. Wenn Mitarbeiter keine Anweisungen erhalten, können sie nicht folgen. Wir kommunizieren, auch wenn wir nicht kommunizieren. Bedenken Sie bitte: Auch eine fehlende aktive Kommunikation vermittelt etwas. Wie der oft zitierte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagte, können wir „nicht nicht kommunizieren“. Das heißt, alleine durch die Abwesenheit von Kommunikation übermitteln Sie eine Botschaft: Sie wirken passiv und durchsetzungsschwach. Eine Führungspersönlichkeit verliert durch ständige Passivität an Präsenz und Glaubwürdigkeit. Schon deshalb ist es besser, die Sache gleich aktiv anzugehen. Stimmen Sie zu? Martha Erlacher ist Unternehmensberaterin, Coach und Trainerin. Als Lernende und Lehrende sieht sie sich als Initiatorin einer neuen Unternehmens-, Persönlichkeits-, Kommunikations- und Beziehungskultur.

. C H E C K L I S T KO M M U N I K AT I O N

Acht Tipps, wie Mitarbeiter Ihnen Glauben schenken. Je glaubwürdiger Sie sind, desto leichter gelingt es, Mitarbeiter zu guten Leistungen zu motivieren und auch unbequeme Anweisungen durchzusetzen. Deshalb sollten Sie gezielt daran arbeiten, Ihre Glaubwürdigkeit zu steigern. Von Martha Erlacher.

Offen kommunizieren. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter auf das verlassen können, was Sie sagen und machen. Nur dann bieten Sie Orientierung. Authentisch sein. Als Führungskraft wirken Sie auf Ihre Mitarbeiter auch als Mensch, der sich freut oder ärgert, motiviert oder frustriert. Respekt zollen. Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter als gleichwertige Kollegen wahr und behandeln Sie sie auch so. Gehen Sie auf Ihre Mitarbeiter ein und respektieren Sie deren Belange, Wünsche und Probleme. Feedback geben. Zur Motivationsförderung gehört, dass Sie regelmäßig konstruktives Feedback geben. Das darf natürlich kritisch sein, aber denken Sie daran, dass Sie mindestens im gleichen Maße auch loben. Konsequent bleiben. Mitarbeiter erwarten, dass Sie Verpflichtungen einhalten und Aussagen und Handeln übereinstimmen. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter und begründen Sie, wenn Sie Ansichten und Pläne ändern. Das gilt bei Terminabsprachen genauso wie beim Vermitteln von Leitbildern. Entscheidungen treffen. Nehmen Sie sich Zeit, um gute Entscheidungen zu treffen. Nichts untergräbt Ihre Autorität und Glaubwürdigkeit als Führungskraft mehr, als wenn Sie Fehlentscheidungen treffen oder getroffene Entscheidungen revidieren. Berechenbar sein. Unberechenbare Führungskräfte erzeugen Angst und verursachen Unglaubwürdigkeit, weil niemand weiß, ob morgen noch gilt, was Sie heute verkünden. Stärke beweisen. Manchmal ist es Zeit für direkte Worte und klare Anweisungen. Nie beleidigend, aber dennoch bestimmt. Das ist die Kunst: Sie müssen im Gefühl haben, wann starkes Auftreten gefragt und kumpelhaftes Schulterklopfen angebracht ist.

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PORTRÄT EINER MODERNEN GASTGEBERIN: Nicole Kobjoll Sie hält sich gern den Spiegel vor. Ist aber nicht so eitel, dass sie das Zepter allein führen will. Im Schindlerhof in Nürnberg sind Mitarbeiter deshalb Mitunternehmer und Service wird als Herzlichkeit des Augenblicks verstanden. Von Gabriele Crepaz


UnternehmerInnen machen das Team

ZUR PERSON

Beruf Forscherin in Sachen Herzlichkeit Wohnort Nürnberg Motto Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Sterne, nicht Ressourcen

blenden ließ. Zweimal hat der Schindlerhof schon die Auszeichnung Bester Arbeitgeber Deutschlands gewonnen. Branchenübergreifend. Das sei gut für die Stolzkultur im Unternehmen, sagt Nicole Kobjoll. 2013, als der Preis zum ersten Mal an den Schindlerhof ging, erzählte eine Auszubildende davon in der Berufsschule, und prompt habe sich eine Kollegin im Nürnberger Tagungshotel beworben.

Was macht eine Herzlichkeitsbeauftragte? Man ist nicht nachtragend am Schindlerhof. Nicole Kobjoll strebt danach, gute Verbindungen zu den Mitarbeitern aufzubauen, über die Arbeitszeit hinaus, als Menschen gewissermaßen. „Ich mag das Wort Bindung nicht. Wer will denn schon gebunden werden? Das erinnert mich zu sehr an Shades of Grey“, sagt sie. Mitarbeiterbindung ist in ihren Augen der EgoisRückkehrer sind mus von Hoteliers, die zu faul sind, neue cool für die Mitarbeiter zu suchen.

Sie ist guter Dinge. Gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, in den Niederlanden sei sie gewesen, erzählt sie. Mit Mann, Kind und Hund. Um elf Uhr hat sie den nächsten Termin. „Da trinke ich ein Glas Champagner mit einem Rückkehrer“, sagt sie. Und es ist klar, das ist ein Pflichttermin. Unaufschiebbar.

Nicole Kobjoll ist Besitzerin und Chefin des Schindlerhofs in Nürnberg. Sie telefoniert nicht gern, verrät sie am TeleUnternehmenskultur. Nur eine ließ sie nicht gehen. Es war fon, aber sie mag Zahlen, und sie mag vor zehn Jahren. Eine Auszubildende Menschen. 70 Mitarbeiterinnen und war damals so über die Maßen herzlich, Mitarbeiter gibt es in ihrem Hotel. 20 dass Nicole Kobjoll für sie eine neue Stelle schuf: Seitdem Auszubildende, 50 Profis. Unter den Profis sind 15 Rückgibt es im Schindlerhof für jeden Leistungsbereich Herzkehrer, also Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen lichkeitsbeauftragte, die die Stimmung unter den Mitarhaben auf der Suche nach Neuem und dann doch wieder beitern und bei den Gästen sondieren. „Das machen die im Schindlerhof angeheuert haben. „Das ist cool für die neben ihrem Job“, sagt Nicole Kobjoll. Unternehmenskultur“, sagt Nicole Kobjoll. Nicht nur wegen des Champagners. Persönlichkeiten gesucht. Im Schindlerhof haben die Mitarbeiterinnen und MitarbeiRückkehrer sind der Beweis, dass Nicole Kobjoll auf dem ter großes Gewicht. Wenn in einigen Zimmern richtigen Weg ist und dass die Jury sich nicht einfach

. PREISVERWÖHNT

Am Schindlerhof wurde Nicole Kobjoll groß

„Great Place to Work“, entschied die Jury 2013 und 2018. Nicole Kobjoll (45) besuchte die Ecole Hôtelière in Lausanne und arbeitete sechs Jahre lang im Tessin und in Dublin. Im Jahr 2000 übernahm sie von ihren Eltern Klaus und Renate Kobjoll den Schindlerhof in Nürnberg, der 1983 als Landhotel gegründet worden war und heute ein innovatives Tagungshotel ist. Die Kobjolls sind preisverwöhnt: So gewannen sie u.a. 2004 den Deutschen Denkerpreis und wiederholt

die Auszeichnung Ausgewähltes Tagungshotel zum Wohlfühlen, seit 2007 zählt der Schindlerhof zu den 100 besten Arbeitgebern in Europa. 2013 und 2018 ist das Hotel branchenübergreifend Great Place to Work Nummer 1 in Deutschland. 2019 schafft es das Hotel als Top Service Deutschland unter die ersten Drei. In Seminaren und Vorträgen geben Nicole und Klaus Kobjoll ihr Praxiswissen weiter. An der

Schindlerhof-Akademie werden zudem Schulungen für Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Azubis angeboten, zu Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Achtsamkeit, Selbstreflexion oder gewaltfreie Kommunikation. Der Schindlerhof mit 92 Hotelzimmern, 175 Betten, 10 Tagungsräumen, 230 Sitzplätzen in drei Restaurants hat 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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P O R T R ÄT

viele Fragen stellt. Die ihre Rolle hinterfragt und unsedie Heizung ausfällt, wird an der Rezeption entschieden, mit welchen Anreizen Gäste zur Mutprobe bewegt ren Sprachgebrauch. So erzählt sie von Ritualen der Anwerden, kalt zu duschen. Patzt ein Lehrling im Restauerkennung für ihre Mitarbeiter, meint aber, dass der Berant, darf er eigenmächtig den Gäsgriff Zeremonien viel lebendiger wäre, nur leider zu spirituell für den Businessten seine Visitenkarte reichen und Wir sind alle den Tisch für einen neuen Abend jargon. Sie spricht von human stars einladen, um zu zeigen, „dass wir es statt von human resources, weil sie Forscher in Sachen besser können“. Verreckt ein Staubdenkt, dass jeder lieber mit einem Stern Herzlichkeit. am Himmel verglichen wird als mit einer sauger, gehen die HausangestellRohstoffquelle. „Die einzige Ressource, ten einfach ins Depot und besorgen die ich gelten lasse, ist die Strahlkraft“, einen neuen. Der Küchenmeister erklärt sie. Von Personal spricht im Schindelhof seit 30 entscheidet, ob eine ganze Kuh gekauft wird, die BuchJahren niemand mehr. Auch das Wort Service klingt halterin hat eingeführt, dass all jenen Unternehmen abgenutzt für sie. Service biete heute jede Tankstelle. schriftlich gedankt wird, die rechtzeitig ihre Rechnung Es geht längst um mehr, meint Nicole Kobjoll: „Wir sind bezahlen. „Niemand kann bei uns allein ein Grundstück alle Forscher in Sachen Herzlichkeit“, beschreibt sie den kaufen“, sagt Nicole Kobjoll, „aber keiner arbeitet hier Servicegedanken der Hotellerie. nach der Jobbeschreibung.“ Seinen Job machen, das kommt bei Nicole Kobjoll nicht gut an: „Da kann ich auch einen Hampelmann hinstellen.“ Im Schindlerhof sind Persönlichkeiten gesucht. Die Strahlkraft der Mitarbeiter. Es ist betrieblich organisiert, dass Ideen geäußert und umgesetzt werden, dass Feedbacks abgegeben und angenommen werden, dass die Mitarbeiter informiert werden, über alles Mögliche. In der Schindlerhof-Akademie lernen Mitarbeiter neben strategischer Zielsetzung vor allem Persönlichkeitsentwicklung. Klaus Kobjoll, Nicoles Vater, hat das eingeführt: „Da muss dann jeder überlegen, was einmal auf seinem Grabstein stehen soll.“ Ein Theaterregisseur hilft, dass jeder seine Sprache findet, aus dem Bauch heraus. Der Begriff Service Design ist im Schindlerhof suspekt, man will hier mit Individuen arbeiten, die sich fragen: „Wie gehe ich mit Dingen und Situationen um?“ Nicole Kobjoll ist selbst eine Frau, die

Das Vetorecht der Chefin. Dafür nimmt sie ihre Mitarbeiter in die Pflicht. Als Mitunternehmer, wie Nicole Kobjoll sagt. Jeden Tag lädt sie die aktuellen Umsatzzahlen auf den Schirm, für alle einsehbar, dazu die Hochrechnung für den Monat, „wir leben hier die totale Transparenz“, nennt sie das. Nur wer weiß, wie die Sache steht, kann auch Verantwortung übernehmen, zitiert sie den Ikea-Gründer Ingvar Kamprad. Einmal im Monat wird im Schindlerhof der sogenannte Mitarbeiter-Aktienindex gemessen: „Da schauen wir uns alle im Spiegel an.“ Und wenn die Zahlen schwächeln, werden alle an die Ruder gerufen: „Jeder im Laden muss sich Gedanken machen.“ 1.000 Ideen stehen in der Mitarbeiter-App. 72 Prozent, schätzt Nicole Kobjoll, sind umgesetzt worden. Nein, sagt sie, „ich schau mir die nicht alle an.“ Die Teams sind frei, in vielen Dingen allein zu entscheiden.


UnternehmerInnen machen das Team

Streng ist Nicole Kobjoll ausnahmslos zu Beginn. Bewerber durchlaufen einen zwölfstufigen Einstellungsfilter. Dazu gehört, zuerst an die Schandplätze im Hotel geführt zu werden. Und Lehrlinge werden zum Gespräch um elf Uhr abends geladen. Endgültig befinden jedoch die Teams, ob jemand zu ihnen passt oder nicht. „Ich habe ein Vetorecht“, sagt die Chefin. In 20 Jahren habe sie einmal Gebrauch davon gemacht. Nicht öfter. Wann die Herzlichkeit wankt. Ihre Aufgabe sieht sie woanders. Sie legt die Rahmenbedingungen fest, damit optimales Arbeiten möglich ist. Sie tariert den Druck, der zum Tagesgeschäft gehört, aus, indem Sie Zugeständnisse macht bei Arbeitszeiten und Gehaltswünschen. Denn: „Stress bringt die Herzlichkeit ins Wanken.“ Das weiß sie genau. Und sie bereitet die Unterlagen vor, wenn wieder ein Preis zu gewinnen ist. Sie vergleicht sich gerne, vor allem mit anderen Branchen. Sie denkt ständig nach, wie man besser werden kann. Im Jahr 2003 hat der Schindlerhof sich zum ersten Mal als „Bester Arbeitgeber Deutschlands“ beworben. „Bei unseren Arbeitszeiten!?“, hat Nicoles Mutter entsetzt gefragt. Aber Nicole ließ nicht locker. 2013 kriegte sie den Preis, 2018 zum zweiten Mal. Die Arbeitszeiten sind besser als befürchtet. Auch für sie. Sie schafft es, sich Wochenenden freizuhalten, sie macht zwei Wochen Urlaub, liest zwei Tage keine E-Mails, geht mit dem Hund im Wald spazieren. Und wenn sie zurückkommt, hat sich die Welt ein Stück weitergedreht: „Es läuft auch, wenn man nicht da ist.“ Darauf ein Glas Champagner.

. W E I L D I E S E R D R AC H E D E R P R I N Z E S S I N E R L I E G T

Drei Dinge bestimmen Leben und Arbeiten im Schindlerhof. 1. Killing the Dragon. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sind mitverantwortlich für den Erfolg des Schindlerhofs. Alle Angestellten sehen deshalb jeden Tag den Erfolgsspiegel, also die aktuellen Umsatzzahlen, Teamkosten und Warenkosten sowie die Monatsplanung. Transparenz ist alles, sagt Nicole Kobjoll. Ihr Vorbild ist Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, der sagte: „Ein Mitarbeiter, der keine Information hat, der kann auch keine Verantwortung übernehmen – dagegen ein Mitarbeiter, der die volle Information hat, der kommt nicht umhin, auch die Verantwortung mitzutragen.“ Im Schindlerhof werden die Mitarbeiter deshalb auch Mitunternehmer genannt. Sie bestimmen mit. 2. Winning Princess. Preise und Auszeichnung helfen zu sehen, wo die Unternehmens- und Servicekultur im Schindlerhof steht. Preise unterstützen das Benchmarking innerhalb und außerhalb der Branche, befördern die Stolzkultur der Mitarbeiter und machen die Medien auf das Hotel aufmerksam. 3. Spielkultur. Das ist das Manifest des Schindlerhofs, mit Werten, Vision und Spielregeln für die Mitarbeiter. Freude, Freiheit, Harmonie machen die Spielkultur aus. Nicole Kobjoll spricht in diesem Kontext von „nachhaltiger Energieerhaltung“. Alle vier Jahre werden alle Mitarbeiter bei der Überarbeitung miteinbezogen. Vornedran steht die Vision: Pilgerstätte für Herzlichkeit.

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MitarbeiterInnen sind der Schlüssel zum Erfolg Die künftig auf den Arbeitsmarkt strömenden Millennials lassen sich von Chefitäten nichts mehr vormachen. Sie erwarten, dass man sich für sie als Menschen interessiert. Was Sie als Hotelier und Hotelierin von ihnen erwarten können? Dass Sie den Knigge kennen, darüber Bescheid wissen, was Körpersprache verrät und wie man mit kleinen Gesten bei Gästen punktet, sagt Etikette-Expertin Elisabeth Motsch. Und wie sehen die Lehrlinge von heute ihre Chancen?


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D E R P E R F E KT E AU F T R I T T

Was sagt der moderne Knigge? Neben richtigem Auftreten zählt der menschliche Faktor. Die beste Werbung der Unternehmen sind ihre Mitarbeiter, die im direkten Kundenkontakt stehen. Kleidungsstil und Umgangsformen kommunizieren nonverbal Werte in Sekunden, diese sollten konform mit den Unternehmenswerten sein. Imageberaterin Elisabeth Motsch aus Michaelbeuern in Österreich gibt Tipps für einen stilsicheren Auftritt. Wie tritt man erfolgreich und stilsicher im Berufsleben auf? Wählen Sie Ihre Kleidung niemals nur nach Ihren persönlichen Vorlieben aus, sondern achten Sie darauf, dass Sie mit der Wahl Ihrer Kleidung Ihren Gästen das Gefühl geben, dass Sie und der Betrieb eine Sprache sprechen. Wer in einem Fünf-Sterne-Hotel arbeitet, kleidet sich anders als auf einer Skihütte. Doch für beide gilt, das Haus muss entsprechend präsentiert werden. Das bedeutet, dass die Kleidung dem Image des Betriebes entspricht, ordentlich ist und sehr gut sitzt. Kleidung muss ausdrücken: „Ich bin selbstbewusst, achte auf mich, respektiere Dich, lieber Gast, und den Betrieb, für den ich arbeite.“ Wie beeinflusst die Kleidung den ersten Eindruck? Meistens sehen Sie eine Person, bevor Sie sie hören und Sie treffen sofort eine Entscheidung, ob Sie der Person vertrauen oder nicht. Ob es uns gefällt oder nicht, Kleidung vermittelt sehr viel über uns als Person und über das Unternehmen, für das man arbeitet. Die Frage ist nicht, ob man sich für Mode interessiert, sondern vielmehr, was man unbewusst über das Outfit kommuniziert und ob Ihre Kleidung Ihre Kompetenz und die Qualität des Betriebes unterstreicht. Welche Umgangsformen sollte jeder Mitarbeiter beherrschen? Kein Mitarbeiter muss ein Knigge-Experte sein, doch jeder sollte die wichtigsten Regeln kennen. Je höflicher ein Mitarbeiter generell ist, umso mehr wird einem ein Knigge-Fehler verziehen. • „Bitte“, „Danke“ und „Es tut mir leid“ sind Standard. • Man rückt den Gästen nicht auf die Pelle, Distanzzonen werden nicht übertreten. • Im Gespräch hält man Blickkontakt, der Blick streift nicht ständig herum. • Mit einem festen Händedruck zeigt man seine Stärke.


MitarbeiterInnen sind der Schlüssel zum Erfolg

T I P P : D I E G U T G E B U N D E N E K R AWAT T E

SO SITZT SIE RICHTIG

• Man(n) hält anderen die Tür auf. • Man ist höflich und zuvorkommend, schlechte Laune hat im Betrieb nichts verloren. • Über das Unternehmen oder Gäste wird nicht geschimpft oder getratscht. • Der Gast ist wichtiger als das Handy. • Gäste werden auch außerhalb des Betriebes höflich gegrüßt. • Tischmanieren sollte jeder Mitarbeiter im Gastgewerbe beherrschen. Welche Charakterzüge sind vorteilhaft? Wahre Etikette ist eine grundlegende Eigenschaft, die von innen kommt und viele Aspekte umfasst: Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen, Höflichkeit - Rücksichtnahme auf diejenigen, die um uns herum sind. Was verrät die Körpersprache? Der Körper spricht immer, auch wenn die Stimme schweigt – so Paul Watzlawick. Wer dem Blick des Gegenübers ausweicht, die Hände in die Hosentasche gräbt oder unsicher von einem Bein auf das andere tritt, verrät dem Beobachter wie ein offenes Buch seine Nervosität. Eine gerade Körperhaltung mit Blickkontakt und einer festen Stimme zeugen von Stärke. Sind die Hände bei einem lockeren Small-Talk-Gespräch in der Hosentasche, kann das durchaus gut ankommen, bei einem Reklamations-Gespräch ist das daneben. Mit welchen kleinen Gesten kann man bei den Gästen punkten bzw. einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Aufmerksame und zuvorkommende Mitarbeiter, die Blickkontakt mit den Gästen aufnehmen, auch wenn sie gerade nichts benötigen, sind bei Gästen sehr beliebt und hinterlassen immer einen bleibenden Eindruck. Wer dann noch fragt, wie der Ausflug usw. war, hat die besten Karten, dass Gäste gerne wieder kommen. Interview: Beate Holzner, HGV-Öffentlichkeitsarbeit

Helden tragen Krawatte. Hätten Sie das gedacht? Die Krawatte ist ein Accessoire des Soldaten-Outfits und war als „Focale“ bereits bei den römischen Legionären verbreitet. Der Name Krawatte kam dagegen erst 1650 auf. Die Legende will, dass der französische Sonnenkönig bei einer Parade in Versailles das Halstuch der kroatischen Reiter bewunderte und daraufhin einen eigenen Cravatier beschäftigte. Wichtig zu wissen: Die Krawattenspitze sollte einen Zentimeter über Hosenbund oder Gürtel reichen. Je edler der Stoff, umso einfacher sei die Krawatte zu binden, sagen Kenner. Und Flecken lassen sich behandeln, indem man sachte mit Seifenwasser das Malheur betupft. Wird Ihnen dennoch eng am Hals, denken Sie an Oscar Wilde. Der Dandy meinte, „eine gut gebundene Krawatte ist der erste ernste Schritt im Leben“.

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W E R A R B E I T E T I N Z U KU N F T ?

Kollision der Generationen Generation X, Y, Z – die Schlüsseleigenschaften Ihrer neuen Mitarbeiter. 2020 werden 50 Prozent aller Arbeitnehmer der Generation Y angehören, prophezeite die PWC Studie Millennials at work 2011. Höchste Zeit, sich die Neuen anzusehen. Warum es wichtig ist, die Unterschiede der nachströmenden Generationen zu kennen und diese zielführend für sich zu nutzen. Eine Momentaufnahme von Ingrid Plangger, Mitarbeiterin der HGV-Unternehmensberatung. Der Arbeitsmarkt ist zunehmend geprägt vom Zusammentreffen der verschiedenen Generationen und damit von unterschiedlichen Erwartungen an den Arbeitsplatz. In Zukunft werden vier bis fünf Generationen zeitgleich tätig sein. Jede Generation hat ihre eigene Sicht auf die Welt, ausgelöst durch historische oder kulturelle Ereignisse, vorangetrieben durch gesellschaftliche Trends, eingebettet in Werte von Eltern und kultureller Herkunft. Was es nicht leichter macht: Jede Gruppe hat die Tendenz, sich bestmöglich von älteren Generationen abzugrenzen. Das birgt Konfliktpotenzial. Für Arbeitgeber gilt es, die einzelnen Generationen genau zu studieren. Nur wer die Werte, Stärken und unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Generationen X, Y, Z an den Arbeitsmarkt kennt, kann diese erfolgreich für das eigene Unternehmen einsetzen.

X Y Z – hinten im Alphabet stehen Sinnsucher und Wertmacher. Die Generation X (die heute 39- bis 53-Jährigen) bewertet Arbeit als zentralen Lebensinhalt, lebt aber nach dem Credo „arbeite, um zu leben“. Kindheit und Jugend der Generation waren durch den Beginn der Medienrevolution und durch technologische Neuerungen ebenso geprägt wie durch gesellschaftliche und politische Unsicherheiten. Die Generation X wuchs in einer Zeit auf, in der die traditionellen Familienstrukturen aufgebrochen wurden. Autoritäten und Traditionen wurden in Frage gestellt. Die Haltung zum Leben kann als individualistisch und kritisch bezeichnet werden. Mitarbeiter dieser Generation sind gut ausgebildet, ehrgeizig, ergebnisorientiert, suchen nach beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und arbeiten gerne selbstständig. Teamorientiert sind die Generationen Y und Z (die heute 18- bis 38-Jährigen). Sie haben einen partizipativen Erziehungsstil genossen, sind in den digitalen Wandel hineingewachsen, haben Marktwachstum erlebt. Im Beruf


MitarbeiterInnen sind der Schlüssel zum Erfolg

sind sie Meister der Projektarbeit. Die Arbeit soll Sinn und Spaß machen, von großer Bedeutung ist die Identifikation mit den Werten des Unternehmens. Die jungen Generationen zeichnen sich durch eine große Lernbereitschaft aus, sie wollen sich aber vermehrt selbst einbringen und legen sehr viel Wert auf kontinuierliches Feedback. Ihr digitales Wissen nutzen sie, um sich zu vernetzen. Zentraler Ansporn für ihre Arbeitsleistung: ein Arbeitsplatz mit „Wohlfühlcharakter“. Die Lebensläufe von jungen Mitarbeitern weisen Lücken, Unterbrechungen und mehrere berufliche Karrieresprünge auf. In sogenannten Multigrafien laufen Vollzeitfestanstellungen, Selbstständigkeit, Auslandsaufenthalte und Sabbatical Years zusammen. Laut Steffie Burkhardt, einer renommierten deutschen Millennialsbotschafterin, wechseln die Generationen Y und Z im Laufe ihres Lebens durchschnittlich acht Mal ihren Job, was heißt, dass die Millennials etwa fünf Jahre an einem Arbeitsplatz verweilen.

Erfolgreich führt, wer Marke schafft und Beziehung lebt. Was suchen die Neuen, die das Unternehmen stark machen können? Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten alleine sind keine Aussichten, mit denen Unternehmen heute noch punkten. Als attraktiv gilt ein Arbeitsplatz mit einem ausgefeilten Konzept, das für die Millennials Aufmerksamkeit und Sinn verspricht: Dazu gehören die Schaffung und Implementierung einer werteorientierten Unternehmensmarke, eine kontinuierliche Feedback-Kultur – auch der Mitarbeiter ihren Vorgesetzen gegenüber –, die Entwicklung einer ehrlichen Arbeitgebermarke (Employer Branding), eine beziehungsorientierte Führungskultur sowie eine stärken- und talentorientierte Mitarbeiterentwicklung. Oder, wie Elon Musk in aller Kürze sagt: „Talent multipliziert mit Tatkraft multipliziert mit Chancen.“ Im Silicon Valley hat das Rezept jedenfalls gewirkt.

TIPP

Auf Empfang gestellt Drei Tipps für Unternehmen: Sinn geben: sich auf die „Neuen“ einlassen und die eigene Führungsrolle glaubwürdig leben; Vertrauen schaffen mit Konzepten: von Marke bis Feedback-Kultur; Talente methodisch fördern: mit den Stärken der Mitarbeiter das Unternehmen attraktiv machen.

Wer ehrlich ist und werteorientiert lebt, punktet bei den Millennials.

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Das HGV Journal

F Ü N F J U N G E S TAT E M E N T S

Stress im positiven Sinn Vom Reiz, Menschen kennenzulernen, ohne Routine. Was die Lehrlinge denken.

W E R D E M I TG L I E D

Wir suchen dich

So schwierig wie in diesem Jahr war es nie, Fachkräfte zu finden, klagten viele Südtiroler Hoteliers und Gastronomen im Frühjahr 2019. Dass sich dies bessert, dafür setzt sich auch die Hoteliers- und Gastwirtejugend (HGJ) ein. Ein großes Ziel der HGJ ist es nämlich, junge Menschen für das Hotel- und Gastgewerbe zu gewinnen und zu begeistern. In jedem Schuljahr werden rund 65 Mittelschulen besucht, um die Jugendlichen über die Berufe im Hotel- und Gastgewerbe zu informieren und sie zu ermutigen, eine gastgewerbliche Ausbildung zu beginnen.

Wir wollen den Tourismus in Südtirol mitgestalten. Wir wollen unsere Begeisterung für die Gastronomie und Hotellerie weitergeben. Uns liegt die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten am Herzen. Wir wollen uns persönlich weiterentwickeln – und der Spaß soll dabei nicht zu kurz kommen. Alles gute Gründe, auch HGJ-Mitglied zu werden. Interessiert? Dann melde dich! Hoteliers- und Gastwirtejugend (HGJ) info@hgj.it, www.hgj.it, Tel. 0471 317 999

Für das magazine haben wir fünf Lehrlinge in Südtirol befragt, was ihnen am Beruf der Servicemitarbeiterin und des Servicemitarbeiters gefällt und wie sie sich ihre Zukunft vorstellen.

„ Mir persönlich gefällt es, Menschen

aus verschiedenen Kulturen kennenzulernen und diesen einen schönen Urlaub zu bereiten. Ich glaube, dass wir in Südtirol auch im internationalen Vergleich einen qualitativ sehr hochwertigen Service bieten. Ich will auch in Zukunft dabei mitwirken, indem ich meinen Beruf mit viel Leidenschaft und Fleiß ausübe.

Name Maximilian Alber Alter 15 Jahre Schule LBS Savoy, 2. Klasse HOFA (Praktikum) Betrieb Stroblhof Active Family Spa Resort, St. Leonhard in Passeier

„ Das Tolle an meinem Beruf ist,

dass ich neue Menschen aus aller Welt kennenlerne. Ich habe somit auch die Möglichkeit, meine Sprachkenntnisse zum Einsatz zu bringen und zu verbessern. Die Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in einem Betrieb sind für mich von höchster Wichtigkeit. Wünschenswert sind ein gutes Arbeitsklima und die Wertschätzung der Vorgesetzten.

Name Sabrina Oberhofer Alter 22 Jahre Schule LBS Emma Hellenstainer, 3. Lehrjahr Service Betrieb Hotel Leitlhof, Innichen

„ Mich fasziniert, wie unterschiedlich die

Leute mit einem umgehen. An meinem Beruf gefällt mir, dass ich immer mit Menschen in Kontakt bin und man immer neue und interessante Leute kennlernt. Die Voraussetzungen, dass ich in diesem Beruf bleibe, sind, dass ich in einem angenehmen Arbeitsklima arbeiten kann, und natürlich auch die Entlohnung.

Name Michael Pfeifer Alter 15 Jahre Schule LBS Emma Hellenstainer, 1. Lehrjahr Service Betrieb Hotel Seeleiten, Kaltern


MitarbeiterInnen sind der Schlüssel zum Erfolg

T I P P : W E I T E R B I L D U N G F Ü R M I TA R B E I T E R I N N E N

UND WIE FÖRDERN SIE ENGAGIERTE MITARBEITER? Sie kennen das. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zu binden, ist eine Herausforderung. Zum einen fehlen die Fachkräfte, bedingt auch durch den demographischen Wandel, zum anderen bietet der stetig wachsende Markt ein vielfältiges Angebot für engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Besonders junge Menschen gehen heute vielfach mit der Absicht ins Vorstellungsgespräch, sich mit ihren individuellen Stärken in ein Unternehmen einzubringen, erwarten jedoch von ihrem künftigen Arbeitgeber u. a. auch individuelle Weiterbildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Stillstand bedeutet für sie Rückschritt. Investitionen in die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine Chance, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, die Bindung an Ihr Unternehmen zu festigen und Ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Eine wachsende Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht auch das Know-how, das Ihr Unternehmen wirtschaftlich nach vorne bringt und den Wettbewerbsvorteil Ihres Hauses sichert. Eine Win-win-Situation. Das Weiterbildungsprogramm von Südtiroler Tourismuskasse und HGV nimmt die Trends ins Visier und bietet: ein breites Angebot von mehr als 250 Kursen jährlich zu verschiedenen Themen. In jedem Fall mit dabei sind die „Klassiker“ aus Küche, Service und Rezeption. Auch neue Themen werden immer wieder in das Kursprogramm aufgenommen, z.B. spezielle Marketing-Techniken (Herzintelligenz, Nudging, Online-Marketing), Yield Management oder Resilienz und Strategien zur erfolgreichen Mitarbeiterführung. ein individuelles Angebot an firmeninternen Kursen. Gemeinsam mit Ihnen ermitteln wir den Bedarf Ihres Hauses und stellen ein auf Ihre Wünsche abgestimmtes Kursangebot zusammen. Wir helfen bei der Referentensuche und -absprache und sichern Ihnen, sofern für den Kurs erforderlich, einen finanziellen Zuschuss, entweder über die Südtiroler Tourismuskasse oder den italienischen Weiterbildungsfond Fondo for.te. ein spezielles Angebot für HGV-Ortsgruppen. Interessiert? Wir freuen uns, wenn Sie sich melden: HGV-Weiterbildung, weiterbildung@hgv.it Tel. 0471 317 790

„ Am Beruf Service fasziniert mich der

„ Was mich am meisten fasziniert an meinem Beruf, ist

der Kontakt zu anderen Menschen. Logischerweise ist es nicht leicht, mit allen Personen gleich umzugehen, denn man muss auch verstehen bzw. lernen, wie viel Respekt eine Person verlangt oder wie viel Spaß die Einzelnen verstehen. Was mir wichtig an meinem Beruf ist, ist der Respekt gegenüber allen, die mit mir arbeiten. Ich respektiere alle, egal welches Alter oder welche Ranghöhe. Name Bogdan Rusu Alter 20 Jahre Schule LBS Emma Hellenstainer, 3. Lehrjahr Service Betrieb Hotel Grüner Baum, Brixen

ständige Umgang mit Menschen und der „Stress“, im positiven Sinn, während der Arbeit. Voraussetzungen für den Beruf sind für mich, dass es immer wieder abwechslungsreich sein sollte und dass man sich neuen Herausforderungen stellen kann.

Name Katharina Zwigl Alter 16 Jahre Schule Landeshotelfachschule Bruneck, 2. Klasse HOFA (Praktikum) Betrieb Hotel Villa Stefania, Innichen

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TESTIMONIAL GAST

Wer begeistert ist, steckt an Gäste als Marketinginstrument? Geht das? Marketing ist ein Thema, das Hoteliers viel beschäftigt und im Budget berücksichtigt werden muss. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn ein Teil der Marketingaktivitäten von den Gästen erledigt würde. Fahren Gäste mit außergewöhnlichen Erinnerungen nach Hause, können sie diese Aufgabe zweifellos übernehmen. Dazu braucht es allerdings ein System, sagt Elisabeth Brenner. In den meisten Betrieben ist die Hardware auf dem neuesten Stand – die nötigen Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen werden zum größten Teil vorbildlich erledigt. Hoteliers stehen allerdings immer öfter vor der Herausforderung, dass bei der Gästezufriedenheit noch Potenzial vorhanden ist. Voraussetzung für das Gelingen dieses Vorhabens ist die Zufriedenheit der Unternehmer. Oft lassen die täglichen, operativen Tätigkeiten nicht viel Spielraum für persönliche Ausgeglichenheit und in weiterer Folge auch für strategisches Handeln. Dies ist allerdings unabdinglich für ein gesundes Unternehmen, das in sämtlichen Bereichen erfolgreich sein will. Neben einer zufriedenen und ausgeglichenen Unternehmerfamilie braucht es ebenso zufriedene Mitarbeiter, die Verantwortung übernehmen und wissen, in welcher Art und Weise sie mit Gästen und Kollegen umgehen. Wenn von den Unternehmern die Kultur vorgelebt und kontinuierlich kommuniziert wird, können sich Mitarbeiter daran orientieren und auch entsprechend den Unternehmenswerten handeln. Und wenn diese Kommunikation einwandfrei läuft, dann wird diese Kultur auch bei den Gästen spürbar. Sie werden zufrieden oder sogar begeistert sein und werden für das Unternehmen zum Botschafter. Gäste, die begeistert und mit einigen unvergesslichen Urlaubserlebnissen nach Hause kommen, erledigen automatisch wichtige Marketingaufgaben für das Unternehmen. Einerseits werden sie selbst unter Umständen zu Stammgästen, andererseits akquirieren sie neue Gäste.

Abreisen, um mit Freunden wiederzukommen. Es zählen die Kleinigkeiten, Überraschungsmomente und die bewährte zusätzliche Meile für den Gast. Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, ehrliche Freude an der Gästebetreuung und gelebte Freundlichkeit sind die Eigenschaften, die Gäste glücklich und zufrieden machen. Somit wird es wichtig sein, dass sich sämtliche Beteiligten regelmäßig und systematisch Gedanken darüber machen, wie man Gäste begeistern und Überraschungsmomente einbauen kann, damit Menschen sich online wie offline positiv über das Unternehmen äußern. Das erklärte Ziel muss sein, die Gästezufriedenheit durch gute Behandlung noch mehr in den Fokus zu bringen, damit Gäste nicht nur zufrieden, sondern sogar begeistert abreisen und im besten Fall mit ihren Freunden wiederkommen. Elisabeth Brenner ist nach einer über 15-jährigen Erfahrung in der internationalen Hotellerie selbstständige Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt Tourismus und Dienstleistung.


Der Gast hebt den Daumen

Es zählen die Kleinigkeiten fßr den Gast. Elisabeth Brenner

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KNIGGE AM GAST

Alles richtig gemacht? Die größten Benimmirrtümer im Service Niemand ist perfekt, dennoch ist der erste Eindruck oft entscheidend. Korrekte Umgangsformen helfen, selbstbewusst, souverän und professionell jede Situation zu meistern. Die Knigge-Expertin Katharina von Bruchhausen offenbart, wie Sie verbreitete Benimmirrtümer vermeiden. Welche Benimmirrtümer gibt es? Häufig beobachte ich Unsicherheiten bei der Begrüßung oder dem Vorstellen von anderen Personen, bei Telefongesprächen geschieht es, dass der Ton nicht stimmt und es schwierig ist, das Gespräch auf der richtigen Ebene fortzuführen. Irrtümer gibt es viele, wichtig ist es, authentisch, freundlich und respektvoll zu bleiben und sich situationsund rollengerecht zu verhalten. Wenn mal was schiefgeht, hilft ein Lächeln und eine ehrliche, von Herzen kommende Entschuldigung. Regeln helfen, sich in ungewohnten Situationen zurechtzufinden, jedoch braucht es eine gute Dosis Fingerspitzengefühl, um jegliche Fettnäpfchen zu vermeiden. Ihr Gehalt zahlt der Gast, nicht der Hotelier. Freundlichkeit, Respekt und Authentizität sind das ABC für einen wertschätzenden Umgang mit Gästen. Die Mitarbeiter eines Gastbetriebes werden automatisch zu dessen Visitenkarte und können zum positiven Image des Betriebes beitragen. Oft macht ein freundliches Lächeln den kleinen großen Unterschied. Erwiesen ist, dass zwei bis drei Sekunden Blickkontakt und das Wiederholen des Gewünschten dem Gast das Gefühl geben, wirklich geschätzt zu werden, und oft vorbeugend gegen Beschwerden wirken. Ein „Hallo“ klingt netter als es ist. Eine Begrüßung sollte immer mit einer Grußformel ausgesprochen werden, also „Grüß Gott“ oder „Guten Tag/Abend“. Dabei ist der Blickkontakt wichtig und auch eine freundliche Mimik. Wenn man den Namen kennt, sollte dieser genannt werden, eventuell auch mit dem Titel. Ob man einem Gast die Hand reicht oder nicht, hängt von der eigenen Rolle ab und natürlich von der Situation. Der Hotelbesitzer schlüpft in die Rolle des Gastgebers und heißt den Gast willkommen, auch mit einem Händedruck. Ob es die Rezeptionsangestellten auch tun, hängt von den Hausregeln ab und davon, was der Gast gerne hätte. Streckt nämlich der Gast die Hand zum Gruß aus, muss sie genommen werden, von wem auch immer. Chef und Chefin sind nicht immer die Ranghöchsten. Generell gilt: Der Ranghöhere hat als Erster das Recht zu erfahren, wen er vor sich hat. Der Gast ist immer der Ranghöhere, auch gegenüber dem Besitzer des Hotels/Restaurants. Dem Gast werden


Der Gast hebt den Daumen

somit die anderen vorgestellt, mit Namen, Nachnamen und Rolle innerhalb des Betriebs. Während manche im Privatleben zwischen den Geschlechtern unterscheiden, ist es im Beruf egal, ob Mann oder Frau, alt oder jung. Der Rang bezieht sich hier nur auf die berufliche Rolle. Zum Beispiel: „Guten Tag, Herr Haase, schön, dass Sie wieder bei uns einkehren, das ist unsere neue Servicemitarbeiterin, Frau Maurer, sie wird Sie heute Abend mit unserem Menü vertraut machen.“ Lächeln wie es im Buche steht? Eine aufrechte Körperhaltung mit offener Gestik und freundlicher Mimik macht immer einen professionellen Eindruck. Wildes Gestikulieren macht nervös und lässt auf Unsicherheit schließen. Besser ist eine langsame und bedachte Gestik. Bei der Mimik ist es leider so, dass man instinktiv den Unterschied zwischen einem ehrlichen und einem aufgesetzten Lächeln wahrnimmt. Die gute Nachricht ist, dass man Lächeln üben kann, man muss nur an etwas Schönes denken, schon ist es da, das Leuchten der Augen und der lächelnde Mund. Mit weißem Hemd macht man nichts falsch? Ich persönlich bin eine Befürworterin des einheitlichen Dresscodes innerhalb von Unternehmen und im Gastgewerbe. Im besten Fall erstellt man die Regeln in einer Teamsitzung, in der auch Mitarbeiter Ihre Wünsche und Vorstellungen vorbringen. Wenn es keine Regeln gibt, müssen die Kleider sauber, gebügelt und gebürstet und kongruent mit der beruflichen Rolle und dem Kontext sein. Interview: Beate Holzner, HGV-Öffentlichkeitsarbeit Katharina von Bruchhausen arbeitet als Kommunikations- und Knigge-Expertin im Gastgewerbe. In ihren Kursen vermittelt sie, wie ein wertschätzender Umgang mit Gästen und Kollegen funktioniert. Sie zeigt, wie Mitarbeiter zu Teamplayern werden und jeder die wichtigsten Benimmregeln verinnerlicht.

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WIE GEHT’S?

Von der Flasche in die Karaffe Wein dekantieren? Das machen doch nur Weinsnobs? Quatsch! Ein How-to-Guide übers Dekantieren, Karaffieren und Wein-Philosophieren von Sommelière Stefanie Hinteregger vom Vinum Hotel My Arbor in St. Andrä bei Brixen. Vorab: Die Behauptung, ein guter Wein muss immer dekantiert werden, ist ein Missverständnis. Man muss, um bei diesem Thema Licht ins Dunkel zu schaffen, zwischen zwei Vorgehensweisen unterscheiden: Dekantieren und Karaffieren. Karaffieren: Wenn Weine Luft zum Atmen brauchen! Das Karaffieren wird umgangssprachlich oft mit dem Dekantieren verwechselt, hat aber eine andere Bedeutung. Im Gegensatz zum Dekantieren hat das Karaffieren die Aufgabe, den Wein mit Sauerstoff in Berührung zu bringen, damit sich das Aroma optimal entfalten kann. Hierfür nimmt man eher junge Weine, damit diese an Geschmack gewinnen. Dekantieren – oder: Wie bekomme ich das Trockene aus dem Nassen? Wein dekantieren bedeutet, den Wein in eine Karaffe umzufüllen, um den Bodensatz (Depot) vom Wein zu trennen. Dies ist wichtig, da der Bodensatz dem Wein einen bitteren Geschmack verleiht, der beim Trinken ungenießbar wirkt. Dekantieren ist vor allem bei älteren Rotweine sinnvoll, da sich dort viel mehr Depot bildet als bei jungen Rot- oder Weißweinen. Endlich mal reinen Wein einschenken! Nicht jeder Wein muss also dekantiert werden, es gilt, den Richtigen zu finden. Wo das geklärt ist, stellt sich die Frage: Womit dekantiert man Wein am besten? Das Gefäß, in das der Wein umgefüllt wird, spielt für das Endergebnis eine große Rolle. Es empfiehlt sich, eine Karaffe (Dekanter) mit langem, schlanken Hals zu benutzen, da der Sauerstoff so möglichst wenig mit dem Wein in Berührung kommt.

Damit nichts daneben geht: Stefanies Schritt-für-Schritt-Anleitung Damit Sie zu Hause den Wein wie im Restaurant genießen können, hier die kompakte Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Dekantieren eines Weines:

1. Wenn Sie ein Planungsmensch sind, stellen Sie die Flasche schon ein paar Tage, bevor Sie diese öffnen, aufrecht hin, damit der Bodensatz sich am Boden der Flasche absetzt. Für die Chaoten unter uns reichen notfalls ca. zwei Stunden. 2. Beim Öffnen der Flasche vorsichtig die Kapsel und den Korken entfernen, dann die Flasche über eine Kerze halten. Das ist wichtig, um beim Umfüllen rechtzeitig das Depot zu erkennen und zu verhindern, dass dieses aus Versehen mit in die Karaffe rutscht. 3. Nun ist der Moment gekommen, um Ihr ganzes Weinwissen auszupacken und mit jeder Menge Hintergrundinformationen zum ausgeschenkten Wein richtig Eindruck zu schinden – und gleichzeitig: nur, wenn Sie multitaskingfähig sind, weiter zu Schritt 4! 4. Den Wein vorsichtig und langsam (!) in die Karaffe umfüllen.

Stoppen, sobald der Bodensatz in die Nähe des Flaschenhalses gerät. Falls doch ein Teil des Depots mit in den Dekanter fließt, gut aufpassen, dass das Depot nachher nicht mit in die Gläser kommt.

5. Fertig! Jetzt gilt es nur noch zu genießen. Prost!

Kann Weintrinken mit Hingabe zelebrieren: Stefanie Hinteregger.


Der Gast hebt den Daumen 49

STRESS PUR

Cool bleiben Wenn Gäste die Emotion anheizen. So bleiben Sie freundlich, obwohl es in Ihnen brodelt. Erinnern Sie sich, als das „Pizza-Essen-Gehen“ ein Highlight im Familienkalender war? Diese Zeiten sind vorbei. Restaurantbesuche gehören zum Alltag. Der Gast von heute ist anspruchsvoll, luxusverwöhnt und informiert. Das Smartphone sagt ihm vorab, was er erwarten darf und soll. Von Ines Zorn Mit dieser Haltung betritt der Gast unser Lokal… und dann findet er das Essen nicht ganz so hervorragend wie auf TripAdvisor verheißen. Oder der zugewiesene Tisch entspricht nicht ganz seinen Wohlfühl-Vorstellungen. Der Gast fühlt sich unwohl, ist frustriert und lässt seine negativen Gefühle direkt am Mitarbeiter aus. Denn der Gast hat Macht und weiß, dass er reklamieren darf. Den Servicemitarbeiter lässt das nicht kalt. Wie aus meiner wissenschaftlichen Studie zum Umgang mit Emotionen in der Hotellerie (I. Zorn, 2013) hervorgeht, übertragen sich negative Emotionen sehr schnell. Der Stresspegel steigt bei Gast UND Kellner. Wenn der Mitarbeiter nicht weiß, wie er mit Reklamationen umgehen kann, schadet das auf Dauer seiner Psyche und wirkt sich negativ auf seinen Umgang mit den Gästen aus.

Drei Schritte zeigen Führungskräften, wie sie professionelles Beschwerdemanagement im Betrieb etablieren – zum Wohl von Gast und Mitarbeiter.

SCHRITT 1: STANDARDISIEREN

Erfassen Sie alle möglichen Beschwerdesituationen in ihrem Betrieb. Arbeiten Sie zu jeder Situation positive Standardformulierungen für den Service aus. Je detaillierter diese Formulierungen, desto hilfreicher für die Servicekräfte. Binden Sie Ihre Mitarbeiter in diese Arbeit ein, diese kennen die Situationen und haben oft die besten Praxisvorschläge.

SCHRITT 2: TRAINIEREN

Trainieren Sie mit Ihren Service-Mitarbeitern diese standardisierten Abläufe bei Reklamationen ein. Dabei geht es um die positive Formulierung, die richtige Körperhaltung, Stimmlage und Gestik. Das „Trockentraining“ gibt jedem Mitarbeiter Sicherheit und die nötige Gelassenheit für den Ernstfall. In meiner Studie konnte ich nachweisen, dass Gäste auf dieses professionelle Verhalten positiv reagieren, sich beruhigen und öfter zu Stammgästen werden.

SCHRITT 3: DAMPF ABLASSEN

Auch wenn ein Mitarbeiter mit einer Beschwerde professionell und besonnen umgeht: Reklamation ist IMMER Stress. Sorgen Sie für eine Rückzugsmöglichkeit, wo Mitarbeiter Dampf ablassen können. Das ist notwendig, um das Stressniveau wieder zu senken und konzentriert und freundlich weiterarbeiten zu können.

Keine Hexerei, nur professionelles Beschwerdemanagement, das zu einem Qualitätsmerkmal wird und Sie von anderen Betrieben unterscheidet. Probieren Sie’s.

Ines Zorn ist Wirtschaftspsychologin, Hotelmanagerin und Marketingexpertin. Als Seminarleiterin und Trainerin bei TELOS – Institut für Psychologie & Wirtschaft – arbeitet sie mit Mitarbeitern und Führungskräften in der Hotellerie zu den Themen Kommunikation, Auftreten und Reklamationsmanagement.


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Das HGV Journal

B E W E R T U N G S P O R TA L E

Waffe oder Chance? Die Bewertungskultur ändert sich, wenn Gastgeber auch Gäste bewerten. Oder gleich vor Ort Probleme lösen wollen.

Keine Berufsgruppe wird so viel bewertet wie das Gastgewerbe, und in keiner Branche sind Bewertungen für Kunden so wichtig wie im Tourismus. Bewertungsportale können somit für Unternehmen ein zusätzlicher Marketingapparat sein. Wer sich auskennt, hat die Chance, Neukunden zu akquirieren und von Bestandskunden zu lernen, ist Veronika Mair, Bereichsleiterin Online Marketing der HGV-Abteilung IT / Online Marketing überzeugt. Die einfachste Art, ein gutes Hotel oder Restaurant ausfindig zu machen, sind Bewertungen, die uns verraten, ob das Essen lecker, der Service gut und das Ambiente angenehm war. Nicht selten wird unsere Urlaubsentscheidung von Rezensionen und Urlaubsbildern wildfremder Reisender beeinflusst. Sich als Betrieb einem Bewertungsportal zu entziehen, ist nicht möglich. Vielmehr sollte man sich auf die positiven Aspekte solcher Plattformen konzentrieren und diese Chance der Online-Sichtbarkeit bestmöglich nutzen. Sobald eine erste Bewertung zu einem Betrieb abgegeben wurde, wird für diesen automatisch ein kostenloses Profil angelegt. Der Eintrag kann vom Inhaber zum Nulltarif mit Bildern, Betriebsinformationen und Ausstattungsmerk-

malen ergänzt und optimiert werden; das heißt, Unternehmen profitieren also zunächst von der großen Reichweite der Portale. Was aber, wenn eine Bewertung eingeht, die so negativ oder beleidigend ist, dass man sie als Hotelier oder Gastronom schnellstmöglich entfernen lassen möchte? Tatsächlich besteht die Möglichkeit einer Löschung, allerdings ist diese stark vom Portal abhängig. Jedes Bewertungsportal weist unterschiedliche Verifizierungsprozesse, Kriterien und Richtlinien auf. Bei Tripadvisor, der derzeit größten Reise-Bewertungsplattform, muss aktuell für die erfolgreiche Entfernung einer Rezension einer der folgenden drei Gründe nachgewiesen werden. Erstens, wenn eine Bewertung für das falsche Unternehmen veröffentlicht wurde. Zweitens, wenn eine Bewertung gegen die Portal-Richtlinien verstößt; dazu gehören


Der Gast hebt den Daumen

Sie haben es in der Hand, in welcher Laune der Gast zur Bewertung ansetzt.

Beleidigungen und Beschimpfungen. Drittens, wenn hinter der Kritik möglicherweise ein Erpressungsversuch steht. Erst nach eingehender Prüfung durch ein Untersuchungsteam wird entschieden, ob die Rezension entfernt wird oder nicht. Bei anderen Portalen wie HolidayCheck kann eine eventuelle Löschung per Mail an das Service-Team beantragt werden. Wer auf gutes Beschwerdemanagement Wert legt, reagiert und antwortet auf negative, aber auch auf positive Kommentare stets zeitnah. Drücken Sie immer Verständnis und Wertschätzung aus, selbst wenn es manchmal schwerfällt, denn fehlende Empathie wirkt auf zukünftige Kunden zutiefst abschreckend. Gehen Sie auf jedes genannte Problem kurz ein, schreiben Sie, welche Schritte zur Verbesserung unternommen werden. Dadurch signalisieren Sie, dass Sie die Kritik annehmen und alles dransetzen, um Dinge und Services zu verbessern. Am besten ist natürlich, Sie vermeiden negative Online-Bewertungen. Dafür können Sie Möglichkeiten zu einem raschen und regelmäßigen Feedback vor Ort anbieten. Aufkeimende Probleme können so noch während des Aufenthaltes gelöst werden. Es geht! Wie man Gästen dazu bringt, ihren Frust zu überdenken. Einige Bewertungsportale unterstützen bereits den Wunsch, jeden Gast einzeln nach bester Manier zufriedenzustellen. Bei Booking.com z. B. können Betriebe die drei aktuellsten Bewertungen zukünftiger Gäste einsehen, um deren Prioritäten und Erwartungen zu verstehen und auf diese während des Aufenthalts eingehen zu können. Einen Schritt weiter gehen Plattformen wie Airbnb oder FeWo-direkt: Auch der Vermieter hat hier die Möglichkeit, eine Bewertung zu seinen Gästen abzugeben. Die Angst, bei zukünftigen Buchungen nicht angenommen zu werden, da niemand einen notorisch nörgelnden Gast will, lässt so manchen Bewerter sanft werden. Dies ist wohl der Grund, warum auf diesen Portalen ein äußerst positives Bewertungsklima herrscht. Dieser Wandel einiger Portale lässt hoffen, dass Bewertungen nicht mehr nur als Kaufempfehlungen, sondern immer mehr auch als Anleitung gesehen werden, welche sowohl Gastgeber als auch Gäste nutzen können, um sich zu verbessern, wenn sie das nächste Mal gastgeben oder verreisen.

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Das HGV Journal


Der Gast hebt den Daumen

D I E H OT E L I E R I N A L S G A S T

„Ignoranz macht mich wurlert“ Wie ist es, wenn Sie sich in die Lage des Gastes versetzen? Wie ist das, wenn man den Spieß umdreht? Michaela Reitterer, Eigentümerin des Boutiquehotels Stadthalle Wien und Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung ÖHV, verrät, worauf sie achtet, wenn sie von der Gastgeberrolle in die Gastrolle schlüpft. Worauf achten Sie als Erstes, wenn Sie in ein Hotel kommen? Das ist die Energie, die ich spüre. Ich merke in den ersten zwei Sekunden, ob die Energie gut ist. Meistens ist sie gut. Sonst gebe ich dem Hotel eine zweite Chance. Weil ich das Gute sehen will. Mein Mann ist strenger als ich, aber ich weiß, was alles schiefgehen kann. Woran merken Sie, dass Mitarbeiter sich mit dem Haus identifizieren? Das höre ich schon am „Grüß Gott“, an der Stimme, ob jemand ein offenes Wesen hat. Man merkt, ob jemand gerne da arbeitet oder ob er nur hier sitzt, um Geld zu verdienen. Im Service kann man alles lernen, was mit Handwerk zu tun hat. Was man nicht lernen kann, ist: Menschen zu lieben, das hast du oder eben nicht. Gibt es eine Episode, aus der Sie für Ihr Haus gelernt haben? Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt und

Schraubt gern selber an der Herzlichkeit: Hotelbesitzerin Michaela Reitterer

überall lerne ich. Ich fotografiere auch viel, damit ich mich erinnere. Deshalb gehe ich nicht ins Hotel, wenn ich im Urlaub meine Ruhe haben will. Ich buche mir dann eher etwas Privates. Was macht Ihr Haus besonders gut im Service? Auf mein Team bin ich sehr stolz. Weil alle ehrlich freundlich sind. Das sagen auch die Gäste in den Bewertungen. Uns interessiert wirklich, ob jemand eine gute Anreise hatte. Selbst unser Lehrling nimmt Anteil an den Erlebnissen der Gäste. Ich stelle Menschen nicht ein, weil sie das beste Arbeitszeugnis haben, sondern weil sie lachen, wenn sie dich anschauen. Und meine Aufgabe ist, mit gutem Beispiel voranzugehen und meine Mitarbeiter auf Ideen zu bringen. Deshalb habe ich auch kein Büro im Hotel, sondern arbeite in der Lobby. Gibt es ein Zuviel an Service? Wann fühlen Sie sich als Gast belästigt? Eigentlich nie. Ich kann mich an kein Mal erinnern. In meinem Haus versuchen wir herauszufinden, was Gäste gestört, was ihnen gefallen hat. Wir nehmen das sehr ernst und merken uns für das nächste Mal, was ein Gast sich wünscht. Für mich das Schlimmste im Service ist Ignoranz. Frei nach dem Motto: Leg dein Geld her und stör nicht weiter. Das geht gar nicht. Das regt mich auf, auf Wienerisch werde ich da ganz wurlert, also kribbelig. Interview: Gabriele Crepaz

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H OT E L S TA DT H A L L E

Bewerber-Check Anruf: An der Stimme erkennt man ein offenes Wesen. Hausverstand: In der E-Mail wird unauffällig ein Treffpunkt vorgeschlagen. Wer liest aufmerksam? Händedruck: Fest soll er sein, herzlich eben.

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TRAINING

Hula Hoop im Kopf Resilienz ist eine bewährte Methode, um dem täglichen Druck standzuhalten. Überlastung und Zeitmangel, Leistungsdruck und der Spagat, Berufliches mit Privatem zu verbinden, gelten heute als die größten Herausforderungen für Menschen. Resilienztraining macht den Druck nicht kleiner, aber besser erträglich. Wie wollen Sie sonst weiterarbeiten? Das Leben ist mit immenser Geschwindigkeit ausgestattet. Auf betrieblicher Ebene geht es „selbstverständlich“ um Leistung und darum, im Konkurrenzumfeld zu bestehen. Der „Produktionsfaktor“ Mensch sieht sich dabei steigenden Anforderungen ausgesetzt, die oft Stress und Überforderung auslösen. Überlastungskrankheiten wie Burnout zeigen, wie schwer Menschen sich tun, mit diesem Druck umzugehen. Unser Ziel muss also sein, Erkrankungen zu vermeiden, viel mehr aber sollte es gelingen, in unser Potential zu kommen, unsere Kreativität zu leben und bei Arbeit wie Freizeit glücklich zu sein. Gerade das Gastgewerbe profitiert davon, wenn Mitarbeiter Freude ausstrahlen und sich mit ihrer Arbeit identifizieren. Diese „softfacts“ sind zum Wettbewerbsvorteil geworden. Wir alle wissen jedoch, wie schwer dies zu erreichen ist. Genau hier setzt Resilienz an. Im Wesentlichen geht es darum, Belastbarkeit, Widerstandskraft, Spannkraft und Energie aufzubauen. Im wirtschaftlichen Kontext wird Resilienz als Fähigkeit des Einzelnen und von Organisationen verstanden, sich schnell und erfolgreich an wechselnde Situationen anzupassen. Herausforderungen aktiv anzugehen und sie sogar als eigene Stärken auszubauen. Resilienztraining nach der HBT-Methode (Human Balance Training) setzt gezielt beim Thema Bewusstsein und Achtsamkeit an und integriert dies in einem ganzheitlichen Ansatz. Es geht darum, eine Balance zwischen den menschlichen Dimensionen Körper, Gefühl, Verstand und Seele zu erreichen und diese Qualitäten bewusster einzusetzen. In einem Resilienzparcour werden die wesentlichen Schritte erarbeitet. Die Übungen befassen sich mit dem eigenen Energiehaushalt, der Prüfung übernommener Lebensrollen, mit den Themen Grenzen, innerer Dynamik und Steigerung der Effektivität sowie mit Fragen der Kommunikation. Sie sind so aufgebaut, dass konkrete Handlungsschritte für den privaten und beruflichen Bereich erarbeitet und umgesetzt werden können. Resilienztraining wirkt auf persönlicher Ebene und führt zu mehr Leistungsfähigkeit, Freude und Wohlbefinden. Darüber hinaus geht es um organisationale Resilienz. Wie schafft es ein Unternehmen, sich langfristig erfolgreich am Markt zu entwickeln? Zur Standortbestimmung eignet sich ein speziell entwickelter Resilienzcheck. Darauf aufbauend werden Themen erarbeitet, die gezielt auf die Entwicklung von Führungskräften und Teams eingehen. Dabei wird besonders auf die spezielle Rolle der Führungskräfte eingegangen. Das Resilienztraining stärkt Führungskräfte in ihrem Führungsund Wertebewusstsein und ihrer Reflektionsfähigkeit. Dies wirkt sich in der Praxis positiv auf die Mitarbeiter, deren Leistungsfähigkeit und das Betriebsklima aus. Wir sprechen aus Erfahrung. Heinold Pider arbeitet selbstständig im Bereich Vermögensmanagement und ist zudem Coach und Trainer im Bereich Führung und Resilienz.


Die Abläufe. Alles wie am Schnürchen?

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GEBEN SICH, WIE SIE SIND: Bodo Janssen und die Upstalsboomer Jeder darf sein, wie er ist. Diesem Credo folgt das Organigramm der Hotelkette Upstalsboom. Steife Etikette verliert gegenĂźber echten Begegnungen. Die Mitarbeiter der Zukunft sind Beziehungsgestalter, prophezeit Upstalsboom-Chef Bodo Janssen. Von Gabriele Crepaz


Die Abläufe. Alles wie am Schnürchen?

ZUR PERSON

Beruf Reisebegleiter auf dem Weg zum Erkenne-dich-selbst Wohnort Emden (Deutschland) Motto Menschen zu stärken, ist der Sinn von Upstalsboom

der Arzt hat zehn Liegestützen am Tag verordnet. Bodo versichert: „Wenn der Wecker klingelt, mache ich die Liegestützen mit.“ Irgendwie glaubt man ihm. Er stellt ganz neue Parameter auf. Zwischen Chef und Mitarbeitern, aber auch zwischen Hotelbediensteten und Gästen. Beziehung ist alles, sagt er. Sogar Erfolg ist für ihn eine Beziehungskiste. „Erfolg im menschlichen Sinn ist gelingende Beziehung mit sich selbst und mit anderen“, sagt er überzeugt.

Es bewerben sich alle möglichen Menschen bei UpstalsSo kriegt auch das Konzept der Gastlichkeit bei Bodo boom. Banker, die Pagen werden wollen. Bibliothekare Janssen höheren Sinn. „Früher waren Hotelmitarbeiter on als Barkeeper. Müßige, die hoffen, hier ihren Leidenschafstage. Wie auf der Bühne haben sie eine Rolle besetzt und ten zu frönen. Fans, die sich nichts sehnlicher wünschen, mussten eine heile Welt vorgaukeln“, sagt er. Das konnals Upstalsboomer zu werden, Aufgabe egal. Dann muss te nicht gutgehen, führte zu Druck und Frust. Menschlich Bodo Janssen gegensteuern. „Die Arbeit bei uns ist viel gesehen. Nächste Runde bei Upshärter als anderswo“, warnt er. Es ist talsboom: Jeder darf sein, wie er ist. abends um acht, als wir telefonieren, er Wenn ich auf Bodo Janssen will seinen Mitarbeiist unterwegs nach Usedom an der deutGeschäftsreise bin, tern zugestehen, den Gästen als Menschen Küste nahe der polnischen Grenschlafe ich am liebsten schen zu begegnen. „Die Mitarbeiter ze. Natürlich in ein Hotel der Uptstalsder Zukunft werden Beziehungsgeboom-Gruppe. Er freut sich, nach Hause in Klöstern. stalter sein“, prophezeit er. zu kommen, sagt er. Arbeit – das kann man leicht missverstehen. Für die einen bedeutet es Teller auf- und abtragen, freundlich lächeln, mit der Stoppuhr die Betten abziehen. Bodo Janssen sieht darin den Weg, zu sich selber zu finden. Er sagt poetisch: „Von der Kopie, zu der wir erzogen sind, zum Original zurückkehren, als das wir geboren wurden.“ Darin liegt für ihn die Freiheit, die er seinen Mitarbeitern zugestehen will. Zu wissen, wer man ist und wie man mit seiner Arbeit zum Wohl des Unternehmens beitragen will. Er selber hat seinen Weg gemacht. Vom Zahlenjunkie und zielfixierten Managertypen zum Chef, der sich seinen Mitarbeitern zeigt, wie er ist, mit Stärken und Schwächen. „Wir brauchen einen anderen Chef als Bodo Janssen“, schoss es vor knapp zehn Jahren aus der Mitarbeiterbefragung in seine Richtung. Seitdem macht Bodo Janssen vieles anders. Auch anders als andere Manager. „Wirtschaftlichkeit ist bei Upstalsboom heute die Basis unserer Existenz, aber nicht mehr der Sinn unseres Tuns“, sagt er ketzerisch und gilt in der Branche deshalb als Managerphilosoph des New Work. Er wird zitiert, interviewt, verfilmt, als Beleg herumgereicht, dass es Zeit ist für eine neue Menschlichkeit in der Arbeitswelt. Wann Bodo Janssen Liegestützen macht. Arbeit an sich selbst also. Bodo Janssen lebt es vor. Seine Aufgabe als Chef sieht er darin, seine Mitarbeiter zu stärken auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Jeden Morgen schreibt er für sich auf, welche Upstalsboomer er am selben Tag ermutigen will: „Wenn ich das auch nur zwei Monate mache, kann ich ganz viel bewegen.“ Am Tag unseres Gesprächs hat er sich einer Mitarbeiterin angenommen. Diese hat starke Nackenschmerzen, erzählt er,

T I P P : AU S E R FA H R U N G G E L E R N T

DREI TIPPS VON BODO JANSSEN: zum Beispiel,

weil’s bei den Upstalsboomern funktioniert hat.

1. Wir alle entschuldigen gerne Nicht-Handeln.

Geben Gewohnheiten die Schuld, die nur wir allein ändern können. Bei Upstalsboom haben wir uns zusammengesetzt und negative Gewohnheiten beschrieben. Anschließend haben wir Antonyme, also Gegensätze, gesucht, um gute Gewohnheiten zu beschreiben. Hundert Verben sind herausgekommen für Gewohnheiten, die wirklich Gutes bewirken können, wenn man sie praktiziert. 2. Wir alle wissen: Wir können Menschen unterdrücken oder aufrichten. Als Führungskräfte haben wir das in der Hand. Denn es gibt Tätigkeiten, die Menschen voneinander trennen, und Tätigkeiten, die Menschen verbinden. Geben wir jenen den Vorzug, die Menschen zusammenbringen. 3. Und vor allem: Klären wir zunächst zum Wohl für Unternehmen und Mitarbeiter, was wir können, was wir dürfen und was wir wollen, und kommen damit ins Handeln.

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R E P O R TAG E

Die Upstalsboomer Azubis beim Überlebenstraining am Kilimandscharo.

Damit gibt er den Menschen ihre Seele zurück. Hotelmitarbeiter dürfen bei Upstalsboom frei wählen, ob sie vier, fünf oder sechs Tage in der Woche arbeiten wollen. Darüber hinaus organisieren sie ihren Dienst selbstständig in den Teams. Wenn ein Mitarbeiter Probleme hat, kompensieren die anderen. Alles kommt irgendwann zurück, ist man in Upstalsboom zuversichtlich. Über Gehälter entscheiden die Mitarbeiter selber, manchmal bestimmen sie sogar über das Gehalt der Teamleiter. Bei den Abläufen vertraut man darauf, dass jeder weiß, was gut und angemessen ist. Positionen werden durch Aufgaben ersetzt.

um Rat fragen. „Das muss er“, bekräftigt Bodo Janssen. Mehr noch, „er muss den Rat würdigen.“ Wenn alle sich an diese Praxis halten, ist Janssens Erfahrung, „muss man nicht mehr so viel kontrollieren.“ Und wer sich gegen den Rat stellt, wird bei den Kollegen schlechte Karten haben. Fehler sind zugelassen. Passieren auch, wie der Upstalsboom-Chef zugibt: „Sie werden aber kompensiert durch die funktionierende Beziehung zwischen Mitarbeitern und Gästen.“

Knigge oder gutes Benehmen? Grönland liegt auf dem Weg. Der Knigge hat bei Bodo Janssen ausgedient. Steife Beziehungsarbeit gehört in der Upstalsboom-Gruppe Etikette, die schöne Form hält er für sinnlos und überzum Ausbildungsprogramm. Wer ins Unternehmen, Bodo Janssen spricht gerne von der Gemeinschaft, holt: „Die Gäste sehnen sich nach Begegnungen, nach eintritt, kommt ein Jahr lang in den Genuss von sechs Menschlichkeit, sie verlangen nicht ein perfektes Mise Schulungsmodulen. Die Hälfte davon beschäftigt sich en Place bei Tisch.“ Gutes Benehmen reicht nach Bodo mit Persönlichkeitsentwicklung. „AlJanssens Vorstellung vollkommen aus, denn für ihn ist Gastlichkeit les freiwillig natürlich“, betont Bodo Die Gäste sehnen sich „eine menschliche Tugend und kein Janssen. Seine Auszubildenden benach Begegnungen, professionelles Konzept“. geistert er mit Touren, die einem Überlebenstraining gleichen. Durch sie verlangen nicht ein Klingt nach Narrenfreiheit. Gestaltet Grönland, mit dem Segelboot über perfektes Mise en Place den Atlantik oder auf den 5.600 sich aber ganz anders. Regeln gibt es bei den Upstalsboomern. StrenMeter hohen Elbrus im Kauskasus. bei Tisch. Bodo Janssen immer dabei. ge dazu. Sie orientieren sich an der Lebensregel des heiligen Benedikt, Er kompensiert damit, was seiner Meinung nach selbst die 1500 Jahre alt und eher von ethischer Art als von an den besten Hotelfachschulen fehlt: die Ausbildung struktureller Bedeutung ist. Bodo Janssen hat Kernzum Gastgeber, „der Menschen teilhaben lässt an seisätze daraus für die Anforderungen des New Work umgeschrieben. Eine Frage steht im Mittelpunkt: „Welner Identität“. Janssen nennt sein Wunschfach einfach Menschenkunde. che Folgen hat mein Verhalten für die Gemeinschaft, sprich das Unternehmen?“ Das ist die Maxime des Handelns, das Bodo Janssen vorgibt. Die Upstalsboom-Akademie ist diesbezüglich reich bestückt. 2020 will Bodo Janssen, wie er am Telefon verEine Konsequenz daraus: Jeder darf frei entscheiden, rät, seine Führungskräfte zu Logotherapeuten ausbilden aber jeder muss, bevor er entscheidet, in seinem Team lassen. Also zu Teamleitern, die während der Arbeit als


Die Abläufe. Alles wie am Schnürchen?

Sinnberater wirken werden. Stolz erzählt er, dass er einen Philosophen als Lehrer an Land gezogen hat. „Stellen Sie sich vor, ein Barkeeper, der philosophische Gespräche führt, das ist besser als ein perfekter Cocktail.“ Kein Oder. Keine Frage. Bodo übernachtet im Kloster. Und wer will, geht auf Zeit ins Kloster. Wie Bodo Janssen selbst. Vor knapp zehn Jahren hat dort seine Umkehr begonnen. Noch immer zieht es ihn dorthin. Drei Tage im Monat, schätzt er, verbringt er im Kloster. Genauer, in verschiedenen Klöstern. „Wenn ich auf Geschäftsreise bin, schlafe ich am liebsten in Klöstern“, gibt er zu. Tatsächlich hat sein Denken etwas Mönchisches an sich. Er ist vom Nehmer zum Geber geworden. Vom Manager zum Menschen. Am Morgen erst hat er seinen Mitarbeitern geschrieben und sich bedankt, er habe gerade daran gedacht, dass sie mit ihm viel Geduld brauchen. Mitarbeiterbefragungen gibt es bei Upstalsboom keine mehr. Die Mitarbeiter sagen Bodo Janssen unter der Zeit, was sie denken. Er weiß, wie es um ihn steht.

Erste Mitarbeiterpflicht bei Upstalsboom: zu sich selber zurückfinden.

. JA N S S E N S WA N D LU N G

Vom Flopmanager zum Visionär des New Work Bodo Janssen (45) ist geschäftsführender Gesellschafter der Hotelkette Upstalsboom mit Sitz in Emden (Deutschland). Das Unternehmen betreibt rund 60 Hotels und Ferienwohnanlagen an der Nord- und Ostsee mit etwa 750 Mitarbeitern. Der Millionärssohn Bodo Janssen war in seiner Jugend Model und Partylöwe, schloss, wie er sagt, keine Ausbildung ab, überlebte 1998 eine Entführung und übernahm 2007, als sein Vater bei einem Flugzeugabsturz starb, die Upstalsboom-Gruppe. 2010 verpassten die Mitarbeiter ihm einen Denkzettel: Sie forderten „einen anderen Chef als Bodo Janssen“. Daraufhin zog Janssen sich in das Benediktinerkloster Münsterschwarzach bei Würzburg zurück, wo er von Pater Anselm Grün neue Sichtweisen zu Management und Führung kennenlernte. Im Spannungsfeld zwischen Spiritualität und Wissenschaft entstand so der Upstalsboom Weg, Synonym für eine Unternehmenskultur, die auf Werten und Menschlichkeit basiert. Bodo Janssen gilt heute als Visionär des New Work. Derzeit wandelt er einen Teil von Upstalsboom in eine Stiftung um, die sich um die Mitarbeiter kümmern wird, wo der Staat seiner Ansicht nach versagt: Bildung, Altersfürsorge und Gesundheit. 2017 entstand der Dokumentarfilm Die stille Revolution über Haltung und Ideen von Upstalsboom und Bodo Janssen. Janssen ist selbst Buchautor. Soeben erschien von ihm Kraftquelle Tradition, eine Neuinterpretation der Regel des heiligen Benedikt für die Zeit des New Work.

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60 Das HGV Journal

S TA N DA R D S I M S E R V I C E

So wird Ihr Service messbar Qualitätsstandards schaffen Maßstäbe. Damit Mitarbeiter sich sicher bewegen und der Service wie am Schnürchen läuft. Es ist nicht das Produkt. Wenn Kunden zur Konkurrenz wechseln, ist der Hauptgrund, dass sie unzufrieden mit der erhaltenen Servicequalität waren. Das belegen Umfragen und Studien. Wir zeigen Ihnen, wie Qualitätsstandards helfen, angestrebte Serviceziele zu erreichen. Tatsächlich kommen über 65 Prozent der Kunden bzw. Gäste, die mit der Qualität der Dienstleistung unzufrieden waren, nicht wieder. Es sind also weniger die „hard skills“, als vielmehr die „soft skills“, die den wahren Unterschied ausmachen. Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich als Unternehmen Gedanken über die angestrebten – und erwarteten – Qualitätsstandards im Betrieb zu machen. Eine Unternehmungsleitung, die Standards klar definiert, schafft Maßstäbe. Diese machen eine Dienstleistung messbar. Ziel ist und bleibt es immer, den Gast zufriedenzustellen, besser noch, zu begeistern. Gewährleistet werden soll dabei, dass dem Gast eine gleichbleibende und auf seine Bedürfnisse ausgerichtete Qualität geboten wird, und zwar in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre. Dies muss unabhängig davon erfolgen, welcher Mitarbeiter gerade Dienst hat oder wie lange dieser schon im Betrieb tätig ist. Jedes Unternehmen, ob Hotel oder Restaurant, sollte auf der Basis konkreter Kundenerwartungen seine eigenen individuellen Standards definieren. Dazu gehören Leitsätze, Arbeitsanweisungen, Checklisten, Mustervorgaben, festgelegte Serviceabläufe u.v.m. Diese können schriftlich

formuliert, als Audio- oder als Videodateien bzw. in Form einer Fotodokumentation verfasst werden. Verbindlich ist, was dokumentiert ist. Und dafür lohnt es sich: Definierte Standards sind für Mitarbeiter eine verlässliche Orientierungshilfe und gleichzeitig für Führungskräfte ein wertvolles Instrument der Mitarbeiter(ein)führung. Wiederkehrende Abläufe werden automatisiert und von allen Mitarbeitern in gleicher Form ausgeführt. Arbeitsabläufe können damit schneller durchgeführt werden. Wissen und Routine geben den Mitarbeitern Sicherheit im Umgang mit den Gästen und schaffen damit die beste Voraussetzung für erfolgreichen Verkauf. Gut informierte und geschulte Mitarbeiter sind sicherer im Auftreten und trauen sich, aktiv Getränke, Wein und Spirituosen anzubieten und Empfehlungen auszusprechen. Diesen Mitarbeitern gelingt es meist auch, die Qualitätsstandards einzuhalten und gleichzeitig individuellen Service zu bieten. Der Gast wird es zu schätzen wissen, und sich im besten Fall in Ihren Betrieb - und Ihre Servicequalität - verlieben. Evelyn Selva, Gastlichkeit in Südtirol

T I P P : S TA N DA R D S U N D L E I T S ÄT Z E E R L E I C H T E R N DA S A R B E I T E N

MIT SYSTEM ZUM ERFOLG Leitsätze und dokumentierte Serviceabläufe eignen sich zum Beispiel für das Mise en Place, die Begrüßung und das Begleiten der Gäste zum Tisch, die Erklärungen zum Menü. Ebenso für den Speisen-, Wein-, Wasser- und Spirituosenservice, das Abräumen der Tische und die Verabschiedung der Gäste. Je mehr definiert ist, desto weniger Unsicherheit herrscht bei den Mitarbeitern. Ergänzt werden die Leitsätze durch

Checklisten, z. B. zum Bestücken und Aufbau des Frühstücksbuffets, zum Eindecken der Tische für den Abendservice, zum Auffüllen der Bar oder für Sonderfälle wie Gutscheineinlösen. Beziehen Sie bei der Definition der Standards die Mitarbeiter mit ein, vor allem jene im direkten Gästekontakt, denn wer kennt die Kunden besser als sie? Damit wird sichergestellt, dass die Vorgaben

im Betrieb gelebt und nicht als „von oben diktiert“ empfunden werden. Standards nutzen außerdem nur, wenn sie allen Mitarbeitern bekannt sind. Eine kontinuierliche und transparente Kommunikation zwischen den verschiedenen Führungsebenen ist hier unerlässlich. Kurze Teambesprechungen im Service sollten fest im Arbeitsalltag integriert sein. Diese dienen gleichzeitig der Schulung und Motivation der Mitarbeiter.


Die Abläufe. Alles wie am Schnürchen?

KO M M U N I K AT I O N I S T A L L E S

Briefing mit Schlachtruf Einige Minuten am Tag reichen, und Sie trainieren das ganze Team. Mitarbeiter sind dann am motiviertesten, wenn sie ihren Job beherrschen und in der Lage sind, eine hohe Empathie und fachliche Kompetenz aufzuweisen. Hans-Jürgen Hartauer von t&t teaching and training gdbr aus München informiert über die optimale Kommunikation im Betrieb. Es heißt „Kommunikation ist alles“. Inwieweit ist die Kommunikation für einen geregelten Ablauf im Service wichtig? Bei Mitarbeiterbefragungen wird meist auf die schlechte oder fehlende Kommunikation im Unternehmen verwiesen. Mitarbeiter sind genervt, wenn sie überrascht werden und gewisse Abläufe nicht funktionieren. Oder sich sogar vor dem Gast blamieren, weil bestimmte Informationen nicht weitergeleitet wurden. Eine gute Kommunikation ist im 21. Jahrhundert einer der wesentlichen Schlüssel, dass der Betrieb funktioniert. Wie motiviere ich mein Team richtig? Menschen sind von Haus aus motiviert, man kann sie nur demotivieren. Wenn die Kommunikation nicht stattfindet, wenn der Mitarbeiter eine Frage nicht beantworten kann, wenn er sich vor dem Gast blamiert, dann macht der Umgang mit Menschen keinen Spaß mehr. Man muss die Mitarbeiter ausbilden und sie fit und sexy im Umgang mit Menschen machen. Wie helfen Arbeitspläne und Checklisten den Mitarbeitern, ihre Aufgaben souverän zu erledigen? Arbeitspläne und Checklisten sind sehr wichtig, damit der Mitarbeiter sich wohlfühlt, denn dieser möchte in einem organisierten Betrieb mitarbeiten. Pläne und Listen können auch von den Mitarbeitern selbst erstellt werden. Checklisten helfen jedoch nichts, wenn sie in der Schublade liegen, sie müssen angewandt werden. Wir erstellen deshalb eigene Service-Drehbücher, mit genauen Abläufen und Kommunikationsvorgaben. So weiß der Mitarbeiter genau, wohin die Reise geht, und es erledigen sich die Warum-Fragen, die Mitarbeiter demotivieren. Wie tragen Team- und Mitarbeitergespräche zur Optimierung der Arbeitsabläufe bei? Regelmäßige Team- und Mitarbeitergespräche sind enorm wichtig, um sich auszutauschen und untereinander zu kommunizieren. So können Mitarbeiter ihre Meinung, Probleme, Verbesserungsvorschläge und vieles mehr vorbringen. Sie sprechen auch von Power Briefing. Wie sieht das aus? Power Briefing sollte es regelmäßig für drei bis fünf Minuten vor dem Beginn der eigentlichen Arbeit geben. Das Team stellt sich im Kreis zusammen und begrüßt sich, dadurch fühlt

man sich integriert und wertgeschätzt. Anschließend wird über Organisatorisches und den Tagesablauf gesprochen. Es folgt der informative Teil, dabei werden einige Minuten genutzt, um das Team zu trainieren. Jeden Tag wählt man dafür ein bestimmtes Thema. Das kann zum Beispiel Wein sein, jeder probiert und erhält Informationen. Anschließend wird das Wissen abgefragt, um zu überprüfen, ob die Informationen beim Mitarbeiter angekommen sind und ob er sie wiedergeben kann. Zum Abschluss kann es einen Schlachtruf oder Applaus geben, und dann ist das Briefing zu Ende. Dieses Briefing ist wie ein gutes Buch: Es hat einen guten Start, einen interessanten Mittelteil und ein positives Ende. Interview: Beate Holzner, HGV-Öffentlichkeitsarbeit

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Das HGV Journal


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Zum Glück eine Beschwerde. Echt? Ja. Sehen Sie einfach die positiven Seiten. Eine Beschwerde ist eine kostenlose Unternehmensberatung, sagt Hotellerie- und Gastronomie-Coach Jürgen Stadelmann. Heißt nicht, dass Sie es darauf anlegen sollen. Besser ist, Sie erstellen eine Checklist, damit Service und Gästebetreuung in Ihrem Haus stetig besser werden. Noch bevor eine Beschwerde laut werden kann und auf die Gefahr hin, dass Sie nichts mehr zu lachen haben, im Nachhinein. An welche Hoppalas erinnern Sie sich in Ihrer Karriere?


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UMGANG MIT BESCHWERDEN

Endlich motzt jemand Reklamationen zur Qualitätssteigerung nutzen Ärgert es Sie, wenn Gäste sich beschweren? Warum? Kommen Sie raus aus der Defensive: So günstig kriegen Sie nirgendwo sonst eine kostenlose Unternehmensberatung. Wie Unmut Qualität steigern kann. Nur nicht persönlich nehmen. Reklamationen und Beschwerden gelten häufig als Schreckgespenster für Hoteliers und Gastwirte. Anders betrachtet sind sie jedoch kostenlose Unternehmensberatungen. Unternehmen sollten daher für jede Reklamation und Beschwerde dankbar sein, denn beide Formen der Unbill sind ein formidables Mittel zur Qualitätssteigerung. Grundsätzlich gliedern sich Reklamationen und Beschwerden in drei Abschnitte: Prävention, eingetretener Fall, Nachsorge. Bevor‘s passiert: Qualität kann man festlegen. Bei der Vorsorge gilt es einheitliche Qualitätsstandards festzulegen. Diese sollten auf der Basis von Erfahrungen, Gästebefragungen, bekannten Reklamationen oder Beschwerden, Unternehmensphilosophie sowie Umsetzbarkeit definiert sein. Es kommt darauf an, mit einer Reklamation oder

Beschwerde richtig umzugehen. Hierzu bedarf es geschulter Mitarbeiter mit einem gewissen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Meistens sind es wiederkehrende und dem Unternehmen bekannte Situationen und Vorfälle, die zu Unmut beim Gast führen. Es empfiehlt sich, diese klar zu benennen und eine Wiedergutmachungsliste zu erstellen. Nur so wird der Handlungsrahmen der Mitarbeiter abgesteckt und werden gleiche Handlungsweisen bei gleichen Reklamationen garantiert. In der Regel umfasst die Liste zehn bis 15 Punkte in verschiedenen „Härtegraden“. Ein Beispiel: Ist die Dusche defekt, definiert man als erste Wiedergutmachung – wenn verfügbar – ein anderes Zimmer, als zweite Option die Reparatur und ein kleines Giveaway. Wenn’s passiert: Lösung ist klüger als Reue. Eine Geste der Entschuldigung kann die

. CHECKLIST

Entschuldigung? Aber nicht doch... Reue kann schnell teuer werden. Besser: eine Checklist, mit der Sie jede Beschwerde gut im Griff haben. Hier die sieben wichtigsten To-do‘s. Dem Gast aktiv zuhören und ihn aussprechen lassen. Wenn möglich mitschreiben – das gibt auch dem Gast das Gefühl ernstgenommen zu werden. Sich für den Hinweis bedanken und Verständnis zeigen. Entschuldigen Sie sich – aber nur wenn die Kosten überschaubar sind. Die Reklamation hinterfragen, um möglichst präzise Angaben zu bekommen. Keine Schuldzuweisung. Hinterfragen Sie stattdessen Details zum Hergang und der Situation. Halten Sie sich nicht zu lange mit dem Problem auf, sondern gehen Sie zur Lösung über. Versprechen Sie nur, was Sie auch halten können. Das Wichtigste: Die Okay-Frage. Holen Sie sich die Bestätigung, dass die gefundene Lösung für den Gast in Ordnung ist.


Beschwerdemanagement

ZWEI BEGRIFFE

Was ist passiert? Reklamation ist nicht gleich Beschwerde. Der feine Unterschied: Reklamation meint eine objektive Fehlleistung, ist nachprüfbar, lässt keine individuelle Auslegung zu. Wenn ein Tisch wackelt, wackelt er. Beschwerde lässt eine subjektive Wahrnehmung zu. Sagt ein Gast, der Mitarbeiter ist unfreundlich, kann das wahr oder Auslegung des Gastes sein. Dies gilt es herauszufinden.

Gemüter beruhigen. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass eine Entschuldigung immer ein Schuldeingeständnis ist. Das ist bei lauwarmem Kaffee angebracht, wo der Schaden sich überblicken lässt. Schwieriger wird es, wenn wir über ein Bankett mit 150 Gästen reden. Da kann ein voreiliges Schuldeingeständnis schnell ins Geld gehen. Also beim Wort Entschuldigung immer kurz nachdenken: Was könnte mich das kosten? Signalisieren Sie dem Gast, dass sein Wunsch, seine Reklamation oder seine Beschwerde bei Ihnen an der richtigen Adresse ist und dass Sie sein Anliegen ernst nehmen. Hören Sie aktiv zu und lassen Sie den Gast ausreden. Bedanken Sie sich beim Gast, dass er mit seinem Anliegen zu Ihnen gekommen ist. Hinterfragen Sie Details zu Hergang und Situation. Entschuldigen Sie sich – aber nur, wenn die Kosten überschaubar sind. Erklären Sie die Situation bei Bedarf. Halten Sie sich dabei nicht zu lange mit dem Problem auf, sondern gehen Sie zur Lösung über. Vereinbaren Sie mit dem Gast die weitere Vorgehensweise. (Notanker: Ist der Gast mit dem Lösungsvorschlag nicht einverstanden, fragen Sie ihn, was er sich vorstellt.) Das Wichtigste: die Okay-Frage. Nachdem Sie mit dem Gast eine Lösung erörtert haben, fragen Sie unbedingt, ob das Anliegen damit für ihn gelöst ist. So gibt der Gast seine „geistige“ Unterschrift und es wird verhindert, dass er später (z. B. auf Bewertungsportalen) sagt, die Lösung sei nicht in seinem Sinne gewesen. Bedanken Sie sich zum Schluss ein zweites Mal für seinen Hinweis und beginnen Sie dann mit der Umsetzung der Lösung. Damit’s gut wird: Ausbessern heißt nachbessern. Zur Nachsorge schließlich gehört eine Rückmeldung über die Erledigung. Fragen Sie beim nächsten Gastkontakt noch einmal nach, ob jetzt alles in Ordnung ist. Dokumentieren Sie Reklamationen und Beschwerden, um diese für Ihren Qualitätsprozess zu nutzen. Jede Reklamation, die ungehört Ihr Haus verlässt, kann zum schlechten Image beitragen. Animieren Sie also Reklamationen vor Ort, um die Fehlerquote zu senken. Jürgen Stadelmann, zertifizierter Coach für das Gastgewerbe

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DISKRETION BITTE

Kommt Ihnen das bekannt vor? Hotelmitarbeiter verraten kuriose Beschwerden. Zum Wundern und Weitererzählen. Nur Sie wissen, was Ihnen alles zu Ohren kommt. Langweilig wird es jedenfalls nie. Manchmal jedoch lassen sich selbst Beschwerden wie Witze erzählen. Wenn man alles überstanden und gelöst hat. Lehnen Sie sich zurück, bei den vier Geschichten, die jetzt folgen, brauchen Sie keinen Finger zu rühren. Brenzlig: Wer ist schuld am Sonnenbrand? Nachdem ein älteres Ehepaar den ganzen Nachmittag entspannt auf der Terrasse eines Seehotels verbracht hatte, kam es empört zur Rezeption und beschwerte sich lauthals. Grund der Verärgerung: Sie hätten sich einen Sonnenbrand geholt. gesammelt vom Reiseportal Travelzoo in einer Umfrage unter Hotelmitarbeitern

Seitenverkehrt: Wie wird der Fisch serviert? Ein Gast hatte einen Lachs bestellt und diesen auch komplett aufgegessen. Als der Kellner zu ihm kam, meinte er, dass der Lachs vorzüglich gewesen wäre, aber er wolle dennoch nicht bezahlen. „Sie haben den Lachs falsch herum serviert“, war das Argument seiner Beschwerde. kolportiert von bild.de

Prioritär: Wer hat wem den Abend vermasselt? Eine Dame beschwerte sich, als am Nachbartisch eine Frau zusammenbrach und das Personal Erste Hilfe leistete. Die Dame war empört darüber, dass, als sie zahlen wollte, der Restaurantmanager sagte, eine sterbende Person sei jetzt wichtiger als sie. Über Facebook teilte die Dame mit, dass sie dieses Restaurant nie wieder besuchen werde. Man habe ihr den Abend verdorben, sie sei schlecht behandelt worden und man habe neben ihr eine Frau tot aus dem Lokal geschoben. kolportiert von ahgz

Versalzen: Wie soll das Essen schmecken? Ein anderer Gast hat ein Gericht bestellt, das ausdrücklich ohne Salz, Pfeffer, Knoblauch oder andere Kräuter und Gewürze sein sollte. Fünf Minuten, nachdem die Speise serviert wurde, ließ der Gast sie zurückgehen, „weil sie nach nichts geschmeckt hat“. kolportiert von bild.de

Was meinen Sie? Guter Rat kann da teuer werden.


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Schlachthofstraße 59 | 39100 Bozen Tel. 0471 317 700 info@hgv.it | www.hgv.it

IMPRESSUM

Herausgeber Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) Redaktion Gabriele Crepaz, Core Stories; Evelyn Selva, Gastlichkeit in Südtirol; Alexandra Silvestri, Leiterin der Abteilung Weiterbildung, Projektmanagement & Gustelier; Beate Pachler, HGV-Öffentlichkeitsarbeit, Edith Oberhofer, Bereichsleiterin Marketing der HGV-Unternehmensberatung, Barbara Holzer, HGV-Unternehmensberatung. Layout Druck Fotos

succus. Oktober 2019, dialog shutterstock, Upstalsboom/Tim Rost, HGV/Armin Terzer, HGV/ Matthias Gasser, Schindlerhof, Boutiquehotel Stadthalle/Franzi Schädel, Archiv HGV.

Stand

Oktober 2019


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Dann sind wir der richtige Ansprechpartner für Sie! Werden Sie jetzt Mitglied im Verein Gastlichkeit in Südtirol! Gastlichkeit in Südtirol setzt sich für Qualität, Innovation und attraktive Zukunftsperspektiven im Service ein. Unsere Tätigkeit umfasst neben der medialen Aufwertung des Serviceberufes auch fachspezifische Weiterbildung, Angebote zum fachlichen Austausch unter Berufskollegen sowie Unterstützung für betriebsinternes Service-Qualitätsmanagement.

ie Ihren Sagen S en achkräft Servicef auf anke DANKE keit.it/d h c li t s a www.g

Verein „Gastlichkeit in Südtirol“ Schlachthofstraße 59, Bozen Tel. 0471 317 700 | info@gastlichkeit.it

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