Themenheft von Hochparterre, März 2024
Vielfältige Fasern Glaswolle ist ein bewährter Dämmstoff. Die Firma Isover entwickelt das Material und die Herstellung stetig weiter und sichert so auch den Produktionsstandort Schweiz.
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Die Bilder in diesem Heft Aus der Distanz betrachtet, ist Glaswolle einfach eine gelbe oder bräunliche Matte, die mehr oder weniger kompakt zu Platten oder Rollen konfektioniert ist. Betrachtet man das Material jedoch aus der Nähe, werden vielfältige, geradezu poetische Strukturen sichtbar. Diese hat der Fotograf Patrik Fuchs eigens für dieses Heft in grossformatigen Bildern festgehalten. Editorial
Das Harte ist ganz weich
Inhalt
4 V on der Bronzezeit bis ins Weltall Die Geschichte des Dämmens beginnt vor 3500 Jahren. 6 Der Geruch nach gebranntem Zucker Besuch im waadtländischen Lucens, dem Geburtsort der Glaswolle.
12 Dämmstoff ist nicht gleich Dämmstoff Feuerwiderstand, Druckfestigkeit und Umweltwirkung sind nur drei Kriterien, nach denen sich Dämmstoffe beurteilen lassen.
16 Verwandlungskunst eines Materials Über abenteuerliche Formatänderungen, Convenience-Produkte und ökologische Meilensteine.
20 Projektschau Von Basel bis Lausanne: 19 Bauten und ihre Dämmung.
22 Im eleganten Fassadenkleid Die beiden Rhyfall Tower haben den perfekten Ausblick auf den Rheinfall – und sind selber ein Blickfang.
« Glas », das klingt kalt und hart, während « Wolle » das pure Gegenteil vermittelt: Wärme und Kuscheleffekt. Die Glaswolle, um die es in diesem Heft geht, steht für beides: Sie ist ein Dämmmaterial, das für wohlige Wärme im Haus sorgt, sie ist aber auch ein Baustoff, der vielfältige technische Eigenschaften in sich vereinigt und mit hoher Präzision eingesetzt werden kann. Vor 90 Jahren begann in der Nähe von Henniez die Produktion von Glaswolle, seit 1938 hat die heutige Isover ihre Anlagen im waadtländischen Lucens hart an der Grenze zum Kanton Freiburg. Die zum Saint-Gobain-Konzern gehörende Firma ist stolz auf ihre lange Tradition und insbesondere darauf, immer noch in der Schweiz zu produzieren. Doch keine Tradition ohne Innovation. Nur die stetige Weiterentwicklung ihrer Produkte und des Herstellungsprozesses sichert die Zukunft der Firma im Hochpreisland Schweiz. Der Dämmstoff Glaswolle steht im Fokus dieses Heftes. Den Anfang macht ein Beitrag, der die Geschichte des Dämmens nachzeichnet und zeigt, dass man eben nicht nur gegen die Kälte, sondern auch – und dies immer mehr – gegen die Hitze dämmen muss. Eine Reportage aus dem Isover-Werk in Lucens erzählt von der mehrere hundert Meter langen Reise durch die Fabrikhallen, die kaputte Fenster- und Autoscheiben oder Flaschenglas machen, bis sie zu zuschneidbaren Platten oder aufrollbaren Bahnen aus Glaswolle werden. Und wer sich in der Fabrik über den leicht süsslichen Duft wundert: Das Bindemittel, das die Fasern zu Dämmplatten formt und presst, basiert bei einem Grossteil der Produkte auf Zucker. Ein weiterer Beitrag vergleicht das Material Glaswolle mit anderen Dämmstoffen und deren Eigenheiten. Eine von Isovers Konstanten ist die stetige Innovation, mit der das Unternehmen neue Trends setzt und auf die Bedürfnisse des Marktes reagiert. Mit welchen beträchtlichen Aufwendungen dies verbunden ist, zeigt ein weiterer Artikel. Dass die Glaswolle nicht brennt, ist eine Eigenschaft, die sie zum idealen Dämmmaterial an Hochhäusern macht. Dies illustriert das Beispiel der Wohnhochhäuser auf dem Rhytech-Areal in Neuhausen. Werner Huber, Reto Westermann
Impressum Verlag Hochparterre AG Adressen Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon +41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag@hochparterre.ch, redaktion@hochparterre.ch Geschäftsleitung Werner Huber, Rahel Marti Verlagsleitung Susanne von Arx Konzept und Redaktion Werner Huber, Reto Westermann Fotografie Patrik Fuchs, www.patrikfuchs.com Art Direction Antje Reineck Layout Jenny Jey Heinicke Produktion Nathalie Bursać Korrektorat Rieke Krüger Lithografie Team media, Gurtnellen Druck Stämpfli AG, Bern Herausgeber Hochparterre in Zusammenarbeit mit Isover hochparterre.ch / isover Themenheft in Deutsch oder Französisch bestellen ( Fr. 15.—, € 12.— ) und als E-Paper lesen
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Das Dämmen von Gebäuden lohnt sich aus gesamtenergetischer Sicht immer.
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Die Geschichte der Gebäudedämmung ist 3500 Jahre alt. Doch erst als die Energieverluste schmerzten, kam es zu einem Innovationsschub – und dieser hält weiter an. Text: Thomas Bürgisser
Es war einmal eine Hütte mit geflochtenen, zweischaligen Wänden, verkleidet mit Lehm, der Hohlraum zwischen den Wänden ausgestopft mit Gras. Gebaut wurde die Hütte vor rund 3500 Jahren in der Bronzezeit. Trotzdem erreichten diese Wände schon Dämmwerte, wie sie erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder Standard wurden. Dazwischen liegen Jahrhunderte mit verpuffter Wärme beziehungsweise geringem Wohnkomfort. Tatsächlich ging das Wissen über Dämmungen und deren Wichtigkeit im Laufe der Zeit verloren. Oder es traten schlicht andere Aspekte in den Vordergrund: Stabilität der Konstruktion, Verfügbarkeit der Baustoffe und deren Kosten. Wieder an Bedeutung gewannen Dämmstoffe ausserhalb der Baubranche, zur Zeit der Industrialisierung. Denn durch das Isolieren von energieintensiven Dampfkesseln, Wärmespeichern, Rohren, aber auch Kühlhäusern konnten Kosten gesenkt werden. Bei Gebäuden hingegen wurde der Wärmeverlust weiter vernachlässigt. Wohl auch, weil er nicht sicht- und damit schwer begreifbar war. So gab es zwar bauphysikalische Standards im Hochbau – dies aber vor allem, um Feuchtigkeitsschäden zu verhindern. Die Energiekrise in den 1970er-Jahren änderte dann alles. Energiesparen als Staatsangelegenheit Als 1973 wichtige Ölstaaten plötzlich weniger Erdöl lieferten, stiegen die Preise rasant an. Auf einmal lohnte sich das Energiesparen, und der Politik wurde bewusst: Fossile Energie ist nicht selbstverständlich vorhanden, und die Abhängigkeit von ihr ist gross. Trotzdem dauerte es weitere knapp 20 Jahre, bis mit dem Energieartikel in der Schweizerischen Bundesverfassung die Grundlage dafür geschaffen wurde, dass Bund und Kantone Massnahmen zum Energiesparen ergreifen konnten. Auch wenn die Erarbeitung des späteren Energiegesetzes erneut fast ein Jahrzehnt in Anspruch nahm, schuf der 1990 angenommene Verfassungsartikel die Voraussetzungen für Aktionsbeziehungsweise Förderprogramme wie EnergieSchweiz
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oder das Gebäudeprogramm, mit dem seit 2010 Dämmmassnahmen an Gebäuden direkt gefördert werden. Tragende Rollen spielten auch der 1998 gegründete Verein Minergie sowie der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA, die mit ihren Standards und Normen laufend die Messlatte höher setzten. Auf kantonaler Ebene war die Musterverordnung ‹ Rationelle Energienutzung in Hochbauten › von 1992 ein erster Meilenstein. Sie wurde 2000 zur ersten Version der ‹ Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich ›, kurz MuKEn, weiterentwickelt. Die darin festgehaltenen Vorgaben verschärften sich mit jeder Überarbeitung. In der Version von 2014 – sie wurde vier Jahre später unter anderem an aktualisierte SIA-Normen angepasst – sind bezüglich Wärmedämmung für Einzelbauteile wie Wände und Dächer inzwischen U-Werte von mindestens 0,17 W / m2 K ( Neubau ) beziehungsweise 0,25 W / m2 K ( Umbau ) vorgesehen. Zum Vergleich: Die eingangs erwähnte Energiesparwand aus der Bronzezeit erreichte wohl einen Wärmedämmwert zwischen 0,5 und 1,0 W / m2 K, je nachdem, wie dicht das Gras gestopft war. Auf Gras folgen Holz-, Glas- und Steinwolle Dämmprodukte aus Gras gibt es auch heute noch. Im Laufe der Zeit aber kamen viele Alternativen hinzu. Die Innovation nahm Ende des 19. Jahrhunderts Fahrt auf, als Dampfkessel, Rohre und Kühllager mit den bisherigen Materialien kaum wirksam gedämmt werden konnten. Es begann ein Wettlauf um die Markteinführung von hitze- und feuchtebeständigen Dämmstoffen mit möglichst geringer Wärmeleitfähigkeit. Neue Massstäbe setzten dabei zum Beispiel Glaswolle und Steinwolle ab den 1930er-Jahren. So nahm 1937 im waadtländischen Lucens Isover die schweizweit erste Fabrik für die Herstellung von Glaswolledämmungen in Betrieb. Im Hochbau dominierten lange Zeit HWL-Platten, ein Dämmstoff aus mit Magnesit gebundener Holzwolle, der unter dem Markennamen Heraklith vertrieben wurde. Erst ab den 1960er-Jahren hielten Glas- und Steinwolle auch im Hochbau Einzug und setzten sich schnell an die Spitze, unter anderem in Form von einfach anbringbaren Matten zur Innendämmung von Steildächern. Allgemein blieb es lange bei der Innendämmung. Erst ab den 1980er-Jahren verbreitete sich das Wärmedämmverbundsystem und damit die Aussendämmung von Fassaden. Untrennbar mit dem Durchbruch von Kompaktfassaden verbunden ist die Lancierung der Hartschaum-Dämmplatten, etwa aus Polystyrol. Diese fanden ab den 1960er-Jahren hauptsächlich unter dem Namen Styropor Verbreitung. Von Weltraumanzügen und Pflanzenkohle Bis heute sind Stein- und Glaswolle sowie expandiertes Polystyrol, kurz EPS, die am weitesten verbreiteten Dämmprodukte im Gebäudebereich. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Entwicklungen mehr gab: In den Folgejahren wurden zum einen die Dämmungen immer dicker, zum anderen verbesserten sich die Dämmstoffe stetig. Und auch heute wird fortlaufend an neuen Materialien geforscht. Eine Herausforderung sind denkmalgeschützte Bauten, wo Aerogel-Dämmstoffe viel Beachtung erhalten. Das poröse, aber feste Material, meist auf Basis von Silikat, wurde bereits vor fast 100 Jahren entdeckt und wird in der Weltraumfahrt schon seit den 1960er-Jahren zum Isolieren von Weltraumanzügen eingesetzt. In den letzten Jahren wird das nicht ganz preiswerte Material mit seiner enorm hohen Dämmwirkung aber vermehrt auch bei Gebäuden eingesetzt. Dies in Form von Dämmplatten und -matten sowie als Dämmputz, der vergleichsweise dünn und unauffällig aufgebracht werden kann. Eine weitere In-
novation der Zukunft könnten Dämmstoffe auf Basis von pflanzlichen Rohstoffen sein, an denen aktuell bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa geforscht wird. Das Ziel: Das in den Rohstoffen enthaltene CO2 wird durch eine Hitzebehandlung langfristig gebunden und die « Pflanzenkohle » anschliessend zur Dämmung eingesetzt. Dadurch soll dem Kreislauf für längere Zeit CO2 entzogen werden. Gleichzeitig will man damit den Anteil der Treibhausgase aus der grauen Energie reduzieren, die beim Bau von Gebäuden anfallen. Dämmen in der Zukunft Der Trend geht hin zu immer ressourcenschonenderen Produkten, auch bei traditionellen Dämmmaterialien. Unabhängig davon zeigen Studien, dass sich das Dämmen von Gebäuden aus gesamtenergetischer Sicht immer lohnt – die eingesparte Energie also immer grösser ist als die für die Materialproduktion investierte. Das Dämmen dürfte also in Zukunft zentral bleiben, allein angesichts des fortschreitenden Klimawandels. Zwar wird in der Schweiz der Heizwärmebedarf sinken, während der Klimakältebedarf zunehmen und der sommerliche Wärmeschutz an Bedeutung gewinnen wird. Dabei spielen vor allem Faktoren wie die Nachtlüftung oder die Beschattung eine entscheidende Rolle. Aber auch eine gute Dämmung trägt zu einem angenehmen Raumklima bei. Gleichzeitig bleibt die Reduktion des Heizwärmebedarfs wesentlich, vor allem bei Altbauten. In der Schweiz dürften über eine Million Häuser nicht ausreichend gedämmt sein. Auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel hat die Dämmung entsprechend eine Schlüsselfunktion, auch wenn in den letzten Jahren Aspekte wie Heizungswechsel oder solare Stromproduktion die Diskussion dominierten. Schliesslich aber ist die sauberste Energie noch immer jene, die gar nicht erst gebraucht wird. Deshalb macht es beispielsweise Sinn, Dächer von Altbauten nicht nur mit einer Photovoltaik-Anlage zur Energieproduktion auszustatten, sondern das Dach gleichzeitig auch zu dämmen, um Heizenergie einzusparen – sei es mit altbewährten Dämmstoffen oder solchen, die derzeit noch in der Entwicklung stecken. Die 3500 Jahre alte Geschichte des Dämmens ist also noch lange nicht zu Ende erzählt.
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Die Energiekrise in den 1970er-Jahren änderte alles.
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Themenheft von Hochparterre, März 2024 — Vielfältige Fasern — Der Geruch nach gebranntem Zucker
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Der Geruch nach gebranntem Zucker Rund 200 Meter lang ist die Produktionsanlage von Isover im waadtländischen Lucens. In einem Tag wird dort aus Altglas fixfertiges Dämmmaterial. Ein Besuch am Geburtsort der Glaswolle. Text: Reto Westermann und Florence Auras Fotos: Archiv Isover
Berge von zerbrochenem Fensterglas, geschredderten Glasflaschen und kaputten Autoscheiben – das Rohstofflager neben dem Eingang der Glaswolle-Fabrik von Isover im waadtländischen Lucens macht eher den Eindruck eines grossen Recyclinghofs als den eines Industriebetriebs, der hochwertige Dämmstoffe herstellt. In der Tat wird auf dem gegen 20 Fussballfelder messenden Werkareal Recycling im grossen Stil betrieben – wobei Upcycling es besser trifft. Denn die zerbrochenen Scheiben, Fenstergläser und Flaschen bilden 80 Prozent des Rohmaterials für die Produktion der Dämmplatten und -matten, die später schweizweit in Gebäuden verbaut werden. Zum Altglas kommen vor dem Schmelzen noch Zuschlagstoffe wie Soda und Feldspat dazu, um die gewünschte Qualität der Endprodukte zu erreichen. Gut 70 Tonnen gebrauchtes Glas verarbeitet Isover täglich, die Vorratsberge beim Eingang reichen jeweils für vier bis fünf Tage. Ein Pneulader verfrachtet das Material portionenweise in die angrenzende Produktionshalle, wo es mit den Zuschlagstoffen gemischt und dann in die 1200 Grad heisse Schmelzwanne befördert wird. Betrieb rund um die Uhr Drinnen in der Halle ist es vorbei mit der Atmosphäre eines Recyclinghofes. Hier steht man mitten in der riesigen Produktionsanlage, einem 200 Meter langen Ungetüm, dessen Ende man vom Halleneingang aus kaum sehen kann. Nur ein paar wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Helm, Sicherheitsschuhen, Schutzbrille und Gehörschutz sind unterwegs, der Betrieb scheint fast autonom zu funktionieren. Gerade mal jeweils zwölf Frauen und Männer braucht es pro Schicht des rund um die Uhr laufenden Betriebs. « Da wir mit flüssigem Glas und Temperaturen um die 1200 Grad arbeiten, können wir die Anlage nicht einfach am Abend ab- und am Morgen wieder anstellen », sagt Aurélien Luhmann, Ingenieur, Marketing-
Direktor und Geschäftsleitungsmitglied bei Isover. Während draussen der kalte Novembernebel im Flusstal der Broye hängt, ist es in der Halle dank der heissen Schmelzwanne angenehm warm. In der Luft hängt ein Geruch nach Kilbi, eine Mischung aus heisser Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und Caramel. Der süsslich-gebrannte Geruch kommt nicht von ungefähr: Das umweltfreundliche pflanzliche Bindemittel, das bei einem Grossteil der Platten und Matten eingesetzt wird, besteht aus Zucker. Ein Basler will Glasseide herstellen Auf dem Areal neben dem Bahnhof Lucens wird schon seit 1938 Glaswolle produziert. Doch fast wäre es gar nicht dazu gekommen. Die Geschichte begann 1933 im benachbarten Seigneux bei Henniez. Dort hatte der frisch aus Basel zugewanderte Jean Gränicher die Firma Verisolant SA gegründet. Sein Ziel war es, gemäss dem damaligen Firmenbeschrieb, « Glasseide herzustellen in all ihren Formen und Anwendungen als Wärmeisolierung ». Doch Gränichers Idee erlitt rasch Schiffbruch. Das Produkt war dazumal in der Schweiz eine Neuheit ; es fehlte an Fachkenntnis, um ein industrielles Verfahren zu entwickeln. Nach vier Jahren war Gränichers Kapital aufgebraucht und Verisolant meldete Konkurs an. Der Jungunternehmer liess sich aber nicht unterkriegen und kontaktierte auf der Suche nach neuen Investoren die Manufactures des Glaces et Produits St. Gobain in Frankreich. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück zu König Ludwig XIV., der 1665 in St. Gobain die königliche Glas- und Spiegelfabrik gegründet hatte. Die französischen Glasspezialisten erkannten das Potenzial von Gränichers Unternehmen für den Schweizer Markt, brachten Geld sowie Know-how ein und gründeten im Oktober 1937 die Fibres de Verre SA, die später Fibriver hiess und 1987 in Isover umbenannt wurde. Ein Jahr nach der Gründung startete die Produktion auf dem heutigen Fabrikgelände in Lucens. →
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→ Seit ihrer Gründung 1937 hat Isover den Produktionsprozess laufend weiterentwickelt und immer wieder neue Anlagen gebaut. Die einstige Glasseide heisst heute Glaswolle und ihre Herstellung umfasst eine Abfolge von thermischen, chemischen, physikalischen und mechanischen Prozessen. Diese können variiert werden, sodass sich auf derselben Anlage unterschiedliche Dämmprodukte herstellen lassen. Justierbar sind dabei etwa Eigenschaften wie Rohdichte, Wärmeleitfähigkeit oder Druckfestigkeit. Grundlage ist immer geschmolzenes Glas. 1200 Grad und sechs Zentrifugen Die Kommandozentrale neben dem Schmelzbecken steuert den Schmelz- und den anschliessenden Zerfaserungsvorgang, bei dem die extrem feinen Glasfasern entstehen. Ein riesiges, grün gestrichenes Bedientableau mit zahlreichen Schaltern, Leuchten und Displays nimmt eine ganze Wand ein und erinnert an Kraftwerk-Zentralen aus alten James-Bond-Filmen. Die Schalter würden zwar noch funktionieren, gesteuert werden die Prozesse heute aber an Bildschirmarbeitsplätzen in der Raummitte. Die grossen Displays zeigen die Temperatur im 25 Quadratmeter grossen und rund ein Meter hohen Schmelzbecken an. Darin befinden sich mehrere Tonnen 1200 Grad heisses, flüssiges Glas. Über beheizte Kanäle fliesst es aus dem Becken heraus, wird auf die für den Prozess optimale Temperatur von gut 1000 Grad gebracht und anschliessend in sechs Zentrifugen zerfasert. Der Vorgang gleicht dem der Zuckerwatteherstellung: Das flüssige Glas tropft in mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute rotierende Zentrifugen und wird durch tausende dünne Löcher in deren Seitenwänden herausgepresst. Dabei entsteht ein feines Vlies aus Glasfasern. Dieses wird mit dem Bindemittel besprüht, gleichmässig auf dem 2,5 Meter breiten Förderband der Produktion verteilt und in zahllosen Schichten gut 50 Zentimeter dick übereinandergelegt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Glaswolle noch fast weiss. In einem weiteren Schritt wird nun die Struktur des Materials durch Druck und Bewegung so verändert, dass es die gewünschten Eigenschaften erhält. Das endlose Band aus rohem Dämmmaterial verschwindet anschliessend in einem rund 45 Meter langen Heissluftofen. Bei 250 Grad verklebt das Bindemittel dort zuerst die Fasern miteinander – Polymerisation nennen Fachleute diesen Prozess, der den karamellartigen Geruch erzeugt. Danach wird das Rohprodukt auf natürliche Weise heruntergekühlt und auf die gewünschte Dicke gepresst. Tüfteln für eine bessere CO2-Bilanz Gleich gegenüber dem Ofen befindet sich das Büro von Jérôme Rodriguez. Der 48-Jährige mit den auffällig tätowierten Armen ist einer der beiden Qualitätsverantwortlichen in der Produktion. Er hat ursprünglich Elektriker gelernt und stiess vor 25 Jahren zu Isover. Sein geschultes Auge erkennt beim Blick aufs Förderband meist rasch, ob alles wie gewünscht läuft. Um sicher zu sein, entnimmt er Proben und prüft, ob diese allen Vorgaben genügen. « Falls nötig, kann ich die Produktion stoppen oder anpassen lassen », sagt Jérôme Rodriguez. Zu seinen Aufgaben gehört die Zusammenarbeit mit dem Ingenieurteam, das an neuen Produkten oder an der Verbesserung des Herstellungsprozesses tüftelt. Produktionsingenieurin Léa Billion ist Teil dieses Teams. Das Büro der 26-jährigen Französin befindet sich ebenfalls in Sichtweite der Produktionslinie. Billion arbeitet seit drei Jahren bei Isover und kam über ein Förderprogramm des Mutterkonzerns hierher. « Mir gefällt hier die grosse Abwechslung bei der Arbeit », sagt Billion. Sie kümmert sich um die laufende Verbesserung →
Glasscherben sind das Ausgangsmaterial der Glaswolle.
Produktion von aufgerollten Isolationszöpfen, 1950.
Die Arbeit ‹ à la fibre › ist für viele in Lucens und Umgebung ein fester Bestandteil des Lebens.
Herstellung von Baumatten, auch « Matratzen » genannt, 1950.
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Firmengelände von Isover, Ende der 1960er-Jahre.
Aus flüssigem Glas werden Glasfasern.
Verteilung der Glaswolle zur Herstellung von Baumatten, 1950.
Flüssiges Glas wird in der Zentrifuge zerfasert. Themenheft von Hochparterre, März 2024 — Vielfältige Fasern — Der Geruch nach gebranntem Zucker
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Platten und Matten nach Mass Ein Teil der abgepackten Platten und Matten zweigt auf dem Förderband nach links ab und landet gleich neben der Produktionslinie in einer daran angebauten Halle. Sie ist das Reich von Toni Tavarone. Sein Team schneidet hier Platten und Rollen nach Kundenwunsch auf Mass zu. Ein Angebot, das sehr gefragt ist: « Wir konfektionieren täglich mehrere hundert Pakete Dämmmaterial », sagt Tavarone. Der 38-Jährige arbeitet seit 19 Jahren « à la fibre – mit der Faser », wie die Mitarbeitenden selbst ihre Arbeit gerne bezeichnen. Schon Toni Tavarones Grossvater, sein Vater, seine Mutter und seine beiden Onkel waren bei Isover angestellt und eine Cousine hat ebenfalls zeitweise hier gearbeitet. Die Arbeit « à la fibre » ist für viele in Lucens und Umgebung ein fester Bestandteil des Lebens und der familiäre Charakter überall im Betrieb zu spüren. In den Hallen oder Büros duzen sich die 170 Mitarbeitenden unabhängig von der Position im Unternehmen.
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Jene Platten und Rollen, die nicht bei Toni Tavarone landen, werden in der Speditionshalle von einer vollautomatischen Anlage möglichst platzsparend auf Paletten geladen und wasserfest eingepackt. Per Gabelstapler gelangen die Paletten dann zur offenen Lagerfläche neben der Halle, wo sie auf den Abtransport warten. Je nach Auftragslage fahren täglich zwischen 20 und 50 Lastwagen vor, um die Produkte aufzuladen. Koordiniert werden die Aufträge vom Kundendienst-Büro. Dessen Mitarbeitende nehmen Bestellungen entgegen, organisieren den Transport und verschicken Rechnungen. Dabei kann es durchaus mal hektisch zu und her gehen und Organisationstalent ist gefragt: « Immer mehr Bestellungen treffen sehr kurzfristig ein – trotzdem finden wir fast immer einen Weg, damit die Ware am gewünschten Termin auf der Baustelle ist », sagt David Neuhaus vom Kundendienst. Mit Blick auf die kurzfristigen Bestellungen hat Isover die Produktion, die Lagerhaltung und die Logistik so ausgelegt, dass 80 Prozent der Produkte innerhalb von 48 Stunden geliefert werden können. Damit die Lager immer gleichmässig gefüllt sind, läuft jede Stunde ein anderes Produkt aus dem Sortiment über die Produktionsstrasse. So ist sichergestellt, dass die einstigen Autoscheiben, Fenstergläser und Wasserflaschen nach dem Upcycling ihr zweites Leben als Dämmstoff irgendwo in einem Gebäude pünktlich antreten können.
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Um seine Ökobilanz zu verbessern, hat Isover in den vergangenen 15 Jahren grosse Anstrengungen unternommen.
→ der Produktionsabläufe, der CO2-Bilanz und des Energieverbrauchs, genauso wie um die Arbeitssicherheit. Dabei hat sie den ganzen Ablauf von der Ofenlinie bis zur Palettierung im Auge. « Mein Ziel ist, dass wir möglichst gute Produkte herstellen können, die auch ökologisch überzeugen », sagt Billion. Das passt zur Überzeugung des Unternehmens: Um seine Ökobilanz zu verbessern, hat Isover in den vergangenen 15 Jahren grosse Anstrengungen unternommen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Reduktion des CO2-Ausstosses für die Herstellung, denn die Saint-Gobain-Gruppe hat sich verpflichtet, bis ins Jahr 2050 CO2-neutral zu produzieren. Isover selbst ist es gelungen,seinen Energieverbrauch durch angepasste Prozesse in den letzten zehn Jahren um 15 Prozent zu senken. Ausserdem bezieht das Unternehmen seit 2013 nur noch lokal produzierten Strom aus Wasserkraft, und die Photovoltaikanlage auf den Fabrikdächern und Fassaden steuert jährlich 1,5 Gigawattstunden bei. Zum Umwelt-Engagement gehören auch das Verwenden von 80 Prozent Altglas seit über 30 Jahren, das 2011 eingeführte pflanzliche Bindemittel, ein geschlossener Wasserkreislauf für die Produktion, die Verwendung von Abwärme für die Beheizung der Gebäude oder das Recyceln von Glaswolle-Abfällen aus der Produktion. « Wir haben dieses Engagement lange nicht an die grosse Glocke gehängt, daher weiss man in der Baubranche oft gar nicht, dass wir hier in vielen Bereichen zu den Pionieren gehören », sagt MarketingDirektor Aurélien Luhmann. Unterdessen bewirbt Isover aber aktiv die Nachhaltigkeit seiner Produkte. Vor der Bürotür von Produktionsingenieurin Léa Billion rollt das Dämmmaterial auf dem Förderband unablässig aus dem Ofen. Durch die Polymerisation des Bindemittels hat die Glaswolle nun einen hellbraunen Farbton, durchläuft weitere Produktionsschritte und wird schliesslich zugeschnitten: Mit einem 3000 Bar starken, hauchdünnen Wasserstrahl zerteilt die Schneidmaschine das Material auf dem Förderband der Länge nach – in zwei Bahnen à 1,2 Meter für rollbare Matten und in vier Bahnen à 60 Zentimeter für Platten. Dank der Verwendung von Wasser staubt der Zuschnitt nicht und es gibt auch keine Klingen, die gewechselt werden müssen. Eine Station weiter erhalten die Rollen und Platten ihre finale Länge. Danach wird das fertige Material platzsparend gepresst und in Kunststofffolie gepackt – je nach Produktlinie als Rolle oder gestapelte Platten. Über Förderbänder gelangen die fertigen Produkte schliesslich ins benachbarte Speditionsgebäude. Die Reise des Altglases vom Vorratsberg beim Arealeingang bis hierher hat knapp einen Tag gedauert, am meisten Zeit beansprucht der Schmelzprozess.
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Themenheft von Hochparterre, März 2024 — Vielfältige Fasern — Dämmstoff ist nicht gleich Dämmstoff
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Dämmstoff ist nicht gleich Dämmstoff Feuerwiderstand, Druckfestigkeit, Umweltwirkung oder Schallschutz sind nur vier Kriterien, bei denen sich die zahlreichen auf dem Markt erhältlichen Dämmstoffe stark unterscheiden können. Text: Reto Westermann
Die Anforderungen an Dämmstoffe im Baubereich sind hoch. Diese müssen je nach Einsatzgebiet unterschiedlichsten technischen und bauphysikalischen Vorgaben genügen. Auch sollten sie leicht zu verarbeiten sein, einen konkurrenzfähigen Preis haben sowie die Wünsche von Architektinnen, Bauherrschaften oder Gebäudenutzern erfüllen. Die Industrie hat darauf reagiert und ihr Angebot an Dämmstoffen über die Jahrzehnte hinweg immer mehr verfeinert. Ein Blick in die Kataloge der Lieferanten zeigt: Auf dem Schweizer Markt sind heute hunderte von Produkten erhältlich, die alle Einsatzgebiete vom Fundament über die Fassade bis zum Dachfirst abdecken. Trotz der Vielzahl an Herstellern und Sortimenten besteht das Angebot bezüglich Ausgangsmaterial eigentlich nur aus fünf Gruppen: mineralische Dämmstoffe ( Glaswolle, Steinwolle ), Dämmstoffe aus Holz, Dämmstoffe auf Zellulosebasis, erdölbasierte Dämmstoffe ( XPS, EPS, PUR, PIR ) und solche aus Naturmaterialien wie Wolle, Hanf oder Flachs. Genaue Zahlen zu den Marktanteilen der einzelnen Materialgruppen gibt es für die Schweiz nicht. Fachleute schätzen, dass der Anteil an erdölbasierten Dämmstoffen rund 45 Prozent ausmacht, gefolgt von mineralischen Produkten mit 40 Prozent. Die restlichen 15 Prozent teilen sich alle anderen Materialien. Umweltwirkung – das zentrale Kriterium Der hohe Anteil mineralischer Dämmstoffe, sprich Glas- und Steinwolle, kommt nicht von ungefähr: Zum einen decken sie aufgrund ihrer Eigenschaften viele Einsatzbereiche bei Gebäuden ab, zum anderen punkten sie vor allem auch beim Brandschutz mit einem sehr hohen Feuerwiderstand. Dies ist insbesondere bei der zunehmenden Zahl an Holzbauten ein wichtiges Auswahlkriterium. Nebst dem Feuerwiderstand gibt es bei der Evaluation einer Materialgruppe oder eines spezifischen Produkts für die Dämmung von Bauten eine ganze Anzahl weiterer wichtiger Kriterien. Zu diesen Kriterien zählen beispielsweise die Dämmleistung, der Schallschutz, die Diffusionsoffenheit, die Druckfestigkeit oder die Umweltwirkung. Letztere steht aktuell weit oben auf der Wunschliste von Bauherrschaften. Dabei geht es zum einen um den CO2-Ausstoss bei der Herstellung, zum anderen um die im Material enthaltene graue Energie. Diese ist in der Regel – gemessen an der durch die Dämmung eingesparten Betriebsenergie – vergleichsweise sehr klein. Bei Glaswolle etwa wird
die Produktionsenergie durch den tieferen Verbrauch von Heizenergie bereits innert wenigen Monaten Betrieb kompensiert. Das zeigen Berechnungen für eine nachträglich 20 Zentimeter dick gedämmte Backsteinwand im Vergleich zu ihrem Ursprungszustand, bei dem die Fassade lediglich verputzt war. Die Lebensbilanz eines Baumaterials Noch viel weiter als die Bilanzierung des CO2-Ausstosses oder der grauen Energie gehen die sogenannten Umweltbelastungspunkte ( UBP ). Diese gewichten verschiedene Umwelteinwirkungen. Dabei gilt: Je weniger UBP, desto geringer die Umweltbelastung. Für diese Beurteilung stützt sich die Methode auf gesetzliche Umweltqualitätsziele. Sie zeigt den Umwelteinfluss eines Materials über seine ganze Lebensdauer hinweg. Dabei geht es nicht nur um die graue Energie oder die Treibhausgasemissionen bei der Herstellung, sondern auch um verwendete Rohstoffe, im Produkt enthaltene Chemikalien, Rezyklierbarkeit oder Abfälle nach dem Rückbau. Damit bei der Bewertung der Produkte nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden, erfolgt die Bilanzierung nicht pro Kilo Dämmmaterial, sondern mit Bezug auf die gleiche Dämmleistung. Dadurch wird auch die für einen bestimmten Dämmwert benötigte Materialmenge berücksichtigt. Basierend auf dieser Betrachtung schneiden die mineralischen Dämmstoffe und solche auf Altpapierbasis ( Zellulose ) gegenüber Produkten auf Holz- oder Erdölbasis besser ab. Der Schallschutz ist vor allem bei Dämmstoffen, die in Holzbauten zum Einsatz kommen, ein wichtiges Auswahlkriterium, da die Konstruktion selbst nur einen geringen Beitrag zur Dämmung leisten kann. Wichtig ist aus bauphysikalischer Sicht auch die Diffusionsoffenheit, also die Eigenschaft von Materialien, via ihre Oberfläche Feuchtigkeit aufzunehmen und später wieder abzugeben. Eine hohe Druckfestigkeit wiederum ist etwa bei Flachdächern ein entscheidendes Auswahlkriterium – vor allem dann, wenn die Dachfläche begehbar sein soll oder darauf noch eine Photovoltaikanlage gestellt wird. Die Komprimierbarkeit eines Dämmmaterials ist letztendlich weniger beim Einsatz im Gebäude ein Kriterium als beim Transport und bei der Lagerung. Hier haben Glaswollprodukte die Nase vorne: Sie können, ohne Schaden zu nehmen, auf bis zu einen Fünftel ihres Volumens reduziert werden und dehnen sich nach dem Öffnen der Verpackung wieder aus. Das spart Platz und Transportkilometer. →
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Glaswolle Isover Glaswolle Glaswolle besteht aus Altglas und anderen mineralischen Stoffen. Diese werden geschmolzen und durch Spinndüsen gepresst. Die so entstandenen Fasern werden zu feinen Vliesen geschichtet. Diese werden mit einem Bindemittel getränkt und anschliessend erhitzt und zu Rollen, Platten oder Flocken zum Einblasen in Hohlräume verarbeitet.
Dämmstoffe im Überblick Glas, Stein, Holzabfälle, Altpapier oder Erdöl sind die Ausgangsmaterialien für die hierzulande am häufigsten eingesetzten Dämmstoffe. So wie die Materialien unterscheiden sich auch die Herstellungsweisen stark:
Steinwolle CH Steinwolle Die Produktion von Steinwolle ist ähnlich wie jene von Glaswolle. Als Ausgangsmaterial kommen speziell geeignete Gesteine zum Einsatz. Auch diese werden geschmolzen, zerfasert und durch die Zugabe eines Bindemittels sowie erneutes Erhitzen zu Platten oder Flocken verarbeitet.
1. Dämmleistung Materialdicke bei gleicher Dämmleistung in cm 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
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Holzfaserplatte Basismaterial für Holzfaserdämmplatten sind Reste aus der Holzverarbeitung. Sie werden mechanisch zerkleinert, zerfasert, mit einem Bindemittel vermischt, gekocht und zu Platten gepresst. Je nach Hersteller, Produktionsverfahren und Einsatzgebiet enthalten die Platten auch Brand- oder Schädlingsschutzmittel. Zellulose CH Zellulose Zellulosedämmungen bestehen aus Altpapier. Dieses wird mechanisch zerkleinert, mit Brandschutzmittel behandelt und zu Flocken verarbeitet.
2. Diffusionsoffenheit
EPS CH EPS Expandierter Polystyrol-Hartschaum ( EPS ) entsteht in einem ersten Schritt durch eine chemische Reaktion, die sogenannte Polymerisation, einer Kohlenwasserstoffverbindung auf Erdölbasis. Das so entstandene Polystyrolgranulat wird in einem zweiten Schritt durch Wasserdampf aufgeschäumt, mit Brandschutzmittel versehen und zu grossen Blöcken verschweisst. In einem letzten Schritt erfolgt der Zuschnitt – beispielsweise zu Platten.
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3. Druckfestigkeit hoch
XPS CH XPS Extrudierter Polystyrol-Hartschaum ( XPS ) basiert wie EPS auf einem durch Polymerisation gewonnenen Polystyrolgranulat. Dieses wird mit einem Brandschutzmittel versehen und mit Kohlendioxid als Treibmittel durch eine flache Düse gepresst. Dabei schäumt es zu einem Vielfachen seines ursprünglichen Volumens auf und es entstehen Platten mit einer homogenen und geschlossenen Materialstruktur. PUR CH PUR Polyurethan-Hartschaums ( PUR ) entsteht unter Zusatz von Treib- und Flammschutzmitteln und durch eine chemische Reaktion von Erdöl mit polymerem Methylendiisocyanat und Polyolen. Der Hartschaum wird zu Platten verarbeitet und mit einer Deckschicht aus Vlies, Bitumen oder Aluminium versehen.
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4. Ökologie Basierend auf den Umweltbelastungspunkten ( UBP’21 ) pro m2 100 000 Annahme für Berechnung: Wärmedurchlasswiderstand R = 5 80 000 60 000 40 000 20 000
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5. Treibhausgasemissionen Treibhausgasausstoss bei der Herstellung in kg / m2
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Annahme für Berechnung: Wärmedurchlasswiderstand R = 5
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6. Primärenergiebedarf Bedarf an nicht erneuerbarer Energie für die Herstellung in MJ / m2 160 Annahme für Berechnung: Wärmedurchlasswiderstand R = 5 140 120 100 80 60 40 20 R PU
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Eigenschaften der Materialien ( Grafiken 4, 5, 6 ): Glaswolle 20 kg / m3 lambda 0,034 W / mK; Steinwolle 38 kg / m3 lambda 0,035 W / mK; Holzfaser 140 kg / m3 lambda 0,040 W / mK; Zellulose 55 kg / m3 lambda 0,038 W / mK; EPS 15 kg / m3 lambda 0,033 W / mK; XPS 30 kg / m3 lambda 0,032 W / mK; PUR 30 kg / m3 lambda 0,022 W / mK Quelle: Ecobau, Herstellerdaten, SIA 279, Leistungserklärungen, Zertifikate, Liste KBOB
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Aurélien Luhmann, Marketingdirektor Saint-Gobain Isover
« Allein der Produktionsstandort in der Schweiz zwingt uns laufend zu Verbesserungen. »
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Ob abenteuerliche Formatänderungen oder ein neues, ökologisches Bindemittel: Wegweisende Ideen kommen bei Isover auch mal von Kundinnen oder den Mitarbeitenden. Text: Pieter Poldervaart Fotos: Philippe Weissbrodt
Glaswolle ist als Isolationsmaterial seit Jahrzehnten gut eingeführt. Doch wer glaubt, seit eh und je werde dasselbe Material in derselben Form verbaut, täuscht sich. « Allein der Produktionsstandort in der Schweiz zwingt uns laufend zu Verbesserungen », sagt Aurélien Luhmann, Marketingdirektor von Saint-Gobain Isover. Denn die Schweiz stehe nicht nur für ein hohes Lohnniveau, sondern auch für eine besonders anspruchsvolle Kundschaft. Hohe Ansprüche haben die hiesigen Planerinnen, Architekten und Hausbesitzerinnen beispielsweise, wenn es um die Isolationsleistung geht. Um den Lambda-Wert, der die Wärmeleitfähigkeit angibt, zu senken, geht es bei Glaswolle in erster Linie darum, feine Verbesserungen an den Glasfasern zu erreichen. « Ziel ist es, viel Luft einzuschliessen. Dafür muss der Glasfaserdurchmesser möglichst gering sein », so Luhmann. Doch die Konkurrenz schläft nicht, und so werden Verbesserungen rasch kopiert, und die günstigen Produkte landen als Import in der Schweiz. Umstellung fürs Klima Um immer einen Schritt voraus zu sein, setzt Isover deshalb auf Innovationen, etwa bei der Nachhaltigkeit. Bereits 2012 sattelte die Firma beim Strombezug auf 100 Prozent einheimische Wasserkraft um – eine Pionierleistung, die Sinn macht: Die Elektroschmelze, wo der Rohstoff Glas bei 1200 Grad verflüssigt wird, braucht viel Strom. Auch beim Rohstoff selbst kann der Hebel angesetzt werden: Heute verarbeitet der Hersteller zu etwa 80 Prozent Altglas. « Mehr ist technisch nicht möglich; mit den restlichen knapp 20 Prozent können wir mit der Zugabe von Mineralien die chemische Zusammensetzung der Glaswolle so steuern, dass sie die perfekten physikalischen Eigenschaften aufweist », erklärt Luhmann das Limit. Ebenfalls in den frühen 2010er-Jahren änderte Isover das Bindemittel, das die feinen Glasfasern zusammenhält. Der pflanzenbasierte Leim, den das Unternehmen heute verwendet, ist zwar etwas teurer, dafür aber frei von flüchtigen →
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Innovationen bedingen Investitionen: Die Robotertechnik hat in den Produktionshallen von Isover Einzug gehalten.
Für die 2023 auf den Markt gebrachte Weltneuheit Isorigid wurde eine neue Produktionsanlage nötig. Themenheft von Hochparterre, März 2024 — Vielfältige Fasern — Verwandlungskunst eines Materials
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→ organischen Verbindungen sowie Formaldehyd. Die Umstellung hat sowohl die Ökobilanz des Produkts als auch das Raumklima verbessert. Seither wird Glaswolle für den Innenbereich standardmässig mit diesem zuckerbasierten Klebstoff produziert. Im Fassaden- und Dachbereich hingegen braucht es aufgrund der Witterungsbeständigkeit weiterhin ein Phenolharz. Wie bei den vielen Verbesserungsschritten war die Firma Isover gemäss Luhmann auch beim Wechsel auf ein pflanzliches Bindemittel innerhalb des Mutterkonzerns Saint-Gobain Klassenbeste: « Erst allmählich ziehen andere Ländergesellschaften nach und setzen auf Zucker », so Luhmann.
die stabile Verbindung mit Nut und Kamm und die neuen Verpackungsanlagen. Etliche Millionen Franken investierte Isover in die neue Fertigungslinie inklusive Profilierung und Verpackung. Luhmann ist vom Erfolg überzeugt: « Isorigid ist unbrennbar, kann direkt auf dem Sparren ohne Holzschalung angebracht werden, ist leichter als Holzfaserplatten und weist eine bessere Wärmedämmung auf. » Zudem zerfalle es nicht, lasse sich von den Handwerksfachleuten mit dem Cutter schneiden und werde in der Schweiz hergestellt. Was aktuell als Unterdach-Dämmplatte auf den Markt kommt, kann mittelfristig auch für andere Anwendungen weiterentwickelt werden.
Convenience für die Baustelle Die Kundschaft schätzt zudem Verbesserungen beim Faktor Convenience. Das Konzept, das wir aus der Küche von Fertigmahlzeiten kennen – Essen, das sich schnell und ohne Rüstabfall zubereiten lässt – gilt auch auf dem Bau, wo Zeit bekanntlich Geld ist. Seit 1996 schneidet Isover Rollen und Platten auf Bestellung individuell zu. So entfällt auf der Baustelle das aufwendige und fehleranfällige Ausmessen und Zuschneiden. Zudem muss dort auch kein Abfall mehr entsorgt werden. Etwas mehr Entwicklungszeit benötigte die kürzlich erfolgte Adaptierung eines als Platte konzipierten Standardprodukts als neues Rollenformat Swissroll 030. Auch dort ging es darum, die Anwendungsfreundlichkeit zu erhöhen und Abfälle zu vermeiden. « Die Herausforderung war, zu verhindern, dass das Glaswollvlies beim Rollen bricht », erklärt Aurélien Luhmann. Auch für andere Einsatzgebiete hat der Glaswollehersteller seine Produkte weiterentwickelt. So macht es die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften durch eine höhere Zug- und Druckfestigkeit seit 2017 möglich, Platten für verputzte Fassaden herzustellen. Aufgrund des hohen Innovationsgrads könnte man annehmen, dass man in Lucens eine eigene grosse Forschungsabteilung unterhält. Dem ist aber nicht so: Die Inputs für Innovationen kommen von den technischen Verkaufsberatern, direkt von den Kunden und Kundinnen oder entstehen an Fachtagungen. Darüber hinaus wissen die Mitarbeitenden, dass Kreativität und Querdenken im Haus geschätzt werden, und bringen ihrerseits Ideen ein.
Recycling als Zukunftsprojekt Das Unternehmen arbeitet neben der Weiterentwicklung von Isorigid an weiteren Ideen. « In erster Linie nutzen wir das Wissen und Können im eigenen Betrieb, wo die Wege kurz sind », sagt Luhmann. Bei Bedarf greift man aber auch auf die mit 500 Vollzeitstellen ausgestattete Forschungseinheit des Mutterkonzerns Saint-Gobain in Frankreich zurück. Um das Recycling zu optimieren, sucht das Unternehmen derzeit die Zusammenarbeit mit Startup-Unternehmen und der ETH. Dabei geht es darum, das Gebot der Kreislaufwirtschaft aufzunehmen und alte Glaswolle wieder in den Zyklus einzuspeisen. Technisch ist das grundsätzlich möglich und wird seit Jahrzehnten in kleinem Stil bei Isover bereits praktiziert. Derzeit rüstet man sich dafür, grössere Mengen anzunehmen, die Qualität zu überprüfen, von Fremdstoffen zu reinigen und dann in die Schmelze zu geben. Denn angesichts des grossen Gebäudevolumens, das in Zukunft hierzulande energetisch saniert werden muss, ist mit Tausenden von Tonnen Glaswolle zu rechnen, die potenziell rezykliert werden könnten. « Noch besser als das Recycling ist übrigens, bei Sanierungen noch intakte Glaswolle am Ort zu belassen und mit einer zweiten Schicht zu verstärken », betont Luhmann. Denn ihre dämmenden Eigenschaften verliert die Glaswolle auch nach Jahrzehnten nicht.
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Innovation trotz Pandemie Grosse Innovationen kommen bei einem Produkt wie Glaswolle nicht im Jahrestakt auf den Markt. Zu langfristig und teuer sind solche Projekte. Je nach Verbesserungsschritt betragen die Kosten für eine Formatänderung einige zehntausend Franken – oder sogar mehrere Millionen Franken für eine komplette Neuerung, wobei in diesem Fall der Mutterkonzern fachlich und finanziell zur Seite steht. Der grösste Kostenanteil entfällt dabei auf den Ausschuss der probehalber produzierten Glaswolle. Weil es in Lucens keine Testanlage gibt, muss alles auf der imposanten, im Dauerbetrieb stehenden Schmelzmaschine und der daran angeschlossenen Verarbeitungsstrasse getestet werden. Immerhin gelangt das unbrauchbare Material postwendend wieder in die Glasschmelze. Auch die Entwicklung des neuesten Produkts namens Isorigid verursachte einiges an Ausschuss. Ein ehemaliger Produktmanager hatte die Idee, Glaswolle zu stabilen Platten zu pressen, die wie Holzfaserplatten als UnterdachDämmplatte eingesetzt werden können. Unter anderem wegen der Pandemie und den damit verbundenen Lieferverzögerungen für Maschinen und andere Bauteile dauerte es mehr als fünf Jahre bis zur Markteinführung des trittfesten Produkts. Zu lösen waren neben der Belastbarkeit
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Projektschau
Knies Zauberhut, Rapperswil-Jona SG, 2020 Architektur: Carlos Martinez, Berneck Bauherrschaft: Schweizer National-Circus AG, Rapperswil-Jona Dämmung: Dach mit Isoresist 1000 035 Foto: Faruk Pinjo
Wohnsiedlung Cité du Lignon, Vernier GE, 2021 Architektur: Jaccaud + Associés, Genf Bauherrschaft: Diverse Anlagestiftungen Dämmung: Fassade mit PB F 030 Foto: Paola Corsini
Zwillingstürme City West, Chur GR, 2012 Architektur: Domenig, Chur Bauherrschaft: BG City West, Chur Dämmung: Fassade mit PB F 032 Foto: Andrea Badrutt
Mehrfamilienhäuser Im Stückler, Zürich, 2019 Architektur: Adrian Streich, Zürich Bauherrschaft: Baugenossenschaft Halde, Zürich Dämmung: Fassade mit PB F 032 Foto: Werner Huber Congress Center Basel, 2013 Architektur: Herzog & de Meuron, Basel Bauherrschaft: MCH Messe Schweiz ( Basel ) AG Dämmung: Fassade mit PB F 032 Foto: Iwan Baan
Mehrfamilienhäuser ErgHolz-Park, Gelterkinden BL, 2022 Architektur: Lehner + Tomaselli, Sissach Bauherrschaft: privat Dämmung: Wandelemente mit Uniroll 034 Foto: Claudia Reinert
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Polizei- und Justizzentrum Zürich, 2022 Architektur: Theo Hotz Partner, Zürich Bauherrschaft: Kanton Zürich Dämmung: Fassade mit PB F Extra 032 Foto: Till Forrer
Haus der Religionen Bern, 2014 Architektur: Bauart, Bern Bauherrschaft: Halter, Bern Dämmung: Fassade mit PB F 032 Foto: Jose Hevia
Hochschule Luzern Musik, Kriens LU, 2020 Architektur: Enzmann Fischer Partner, Zürich, und Büro Konstrukt, Luzern Bauherrschaft: Luzerner Pensionskasse, Luzern Dämmung: Fassade mit PB F 030 Foto: Kuster Frey
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Headquarter Scott Sports, Givisiez FR, 2019 Architektur: Itten + Brechbühl, Bern Bauherrschaft: Scott Sports, Givisiez Dämmung: Fassade mit PB F 030 Foto: Philipp Zinniker
Wohnhochhaus Ancienne Papeterie, Marly FR, 2022 Architektur: Magizan, Marly / CCHE, Lausanne Bauherrschaft: Marly Innovation Center SARL Dämmung: Fassade mit PB F 030 Foto: CCHE Architectes
Monte-Rosa-Hütte SAC, Zermatt VS, 2009 Architektur: Bearth & Deplazes, Chur Bauherrschaft: Schweizer Alpen-Club SAC, Studio Monte Rosa ETH Zürich Dämmung: Fassade mit PB F 032 Foto: Tonatiuh Ambrosetti
Modulare Schulprovisorien Brünnen, Bern, 2021 Architektur: Bauart, Bern Bauherrschaft: Stadt Bern Dämmung: Wandelemente mit Uniroll 034 Foto: Dominique Plüss
Siedlung Telli, Aarau, 2023 Architektur: Meili, Peter & Partner, Zürich Bauherrschaft: AXA Anlagestiftung, Winterthur Dämmung: Wandelemente mit Uniroll 034 Foto: Fabien Schwartz Waadtländer Parlamentsgebäude, Lausanne VD, 2017 Architektur: Atelier Cube, Lausanne, und Bonell I Gil, Barcelona Bauherrschaft: Kanton Waadt Dämmung: Dach mit Uniroll 035 Foto: Rémy Gindroz
Mehrzweckgebäude ‹ House of Energy ›, Luzern, 2023 Architektur: Gigon / Guyer, Zürich Bauherrschaft: Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Dämmung: Fassade mit PB F 030 Foto: Seraina Wirz
Pavillon Theater Vidy, Lausanne VD, 2017 Architektur: Yves Weinand, Lausanne, und Atelier Cube, Lausanne Bauherrschaft: Vidy Theatre, Lausanne Dämmung: Elemente mit Uniroll 035 Foto: Ilka Kramer
St. Galler Kantonalbank Halle, Olma, St. Gallen, 2023 Architektur: Ilg Santer, Zürich Bauherrschaft: Olma Messen St. Gallen AG, St. Gallen Dämmung: Akustikdämmung mit SP 135 Foto: Olma Messen St. Gallen
Universitätscampus USI / SUPSI, Lugano, 2021 Architektur: Luca Pessina, Lugano Bauherrschaft: Università della Svizzera Italiana, Lugano Dämmung: Fassade mit PB F 030 Foto: Giorgio Marafioti
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Ostturm, 10. Obergeschoss mit sieben Mietwohnungen.
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Westturm, 10. Obergeschoss mit vier Eigentumswohnungen.
Rhyfall Tower, 2023 Im Rhytech 1 und 3, Neuhausen SH Bauherrschaft: Helvetia Versicherungen, Basel; Belvedere Neuhausen AG Entwicklung: Halter, Entwicklungen, Schlieren Realisierung: Halter, Gesamtleistungen, Schlieren Architektur Projekt: Studio Märkli, Zürich Architektur Ausführung: Dachtler Partner, Zürich Fassadenplanung: Atelier P3, Zürich Fassadenbau: Ammann & Thürlemann, Zuzwil Dämmung: Fassade mit PB F 030, zweilagig Baukosten ( ganzes Areal ): Fr. 220 Mio.
Im eleganten Fassadenkleid Die zwei mit Aluminium verkleideten neuen Wohnhochhäuser auf dem Rhytech-Areal in Neuhausen müssen hinsichtlich Witterung und Brandschutz hohen Anforderungen genügen. Text: Reto Westermann Fotos: Philip Böni
Wer vom Schloss Laufen durch die Gischt des Rheinfalls zur Schaffhauser Seite schaut, hat sie sofort im Blick: die zwei Wohntürme auf dem Rhytech-Areal. 60 und 80 Meter ragen sie je in den Himmel. Sie sind das weithin sichtbare Wahrzeichen des Wandels auf dem ehemaligen AlusuisseAreal oberhalb des Rheinfalls in Neuhausen. 2007 kaufte Konkurrent Alcan den Aluminiumproduzenten Alu suisse auf, der in Neuhausen fast 120 Jahre lang produziert und geforscht hatte. Der Betrieb wurde eingestellt, das 25 000 Quadratmeter grosse Areal mit Büro- und Laborgebäuden sowie einer Produktionshalle zwischengenutzt. Die Lage auf dem Plateau mit Ausblick auf den Rheinfall, der Bahnhof direkt daneben sowie die heute realisierte Umfahrungsstrasse machten das Areal für Investoren interessant. Halter Entwicklungen begann im Auftrag der damaligen Besitzer mit ersten Planungsschritten, doch die Umsetzung sollte sich als zäh erweisen. Zwar konnte bereits 2011 ein zweistufiger Studienauftrag mit acht Büros durchgeführt werden, den Studio Märkli aus Zürich gewann. Bis die ersten Baumaschinen auffuhren, dauerte es aber weitere neun Jahre. Fertiggestellt wurden die Neubauten und die umgenutzte Werkhalle erst Ende 2023 – ganze 12 Jahre nach Planungsstart. Was war geschehen ?
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Zwei Jahre nach dem Studienauftrag hiess das Neuhauser Stimmvolk die Umzonung des Areals in zwei Sonderzonen zwar knapp gut, die beiden geplanten Rhyfall Tower führten jedoch zu Einsprachen. Der Widerstand beschäftigte mehrere Instanzen, weshalb die Baufreigabe erst 2019 erfolgte. Das Rhytech-Areal ist planungstechnisch in zwei Bereiche unterteilt: Die zur Weiternutzung vorgesehenen Bestandesbauten entlang der Klettgauerstrasse gehören zur Sonderzone B, die Neubauten und die historische Produktionshalle zur Zone A. Letztere umfasst ein V-förmiges, bis zu acht Geschosse hohes Mehrfamilienhaus mit 68 Wohnungen an der Nordwestecke des Areals sowie die zwei Wohnhochhäuser. Diese stehen direkt neben der Bahnlinie auf einem Sockel mit den Eingangsbereichen, Gewerberäumen und einem Teil der Parkgarage. Im Gegensatz zu anderen setzte Architekt Peter Märkli in seinem Projekt auf Hochhäuser. So konnte die ganze historische Halle und nicht nur der geschützte Kopfbau erhalten bleiben. Zudem spielt Märklis Entwurf Aussenräume frei, etwa einen Platz am nordwestlichen Ende der Halle und Grünräume auf dem Dach des Sockelbaus. Dieser schliesst das Areal zur Bahnlinie hin ab und schafft gleichzeitig ein Belvedere zum Rhein hin.
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Das niedrigere der beiden Hochhäuser beherbergt insgesamt 116 Mietwohnungen und ein Restaurant, das andere 96 Eigentumswohnungen. Der niedrigere Ostturm ist als Siebenspänner organisiert mit 1,5- bis 5,5-ZimmerWohnungen. Das Restaurant im 17. Stock ist öffentlich zugänglich. Im Westturm hingegen sind pro Stock nur vier Wohnungen mit Grössen zwischen 3,5 und 5,5 Zimmern angeordnet. Konstruktiv sind die Hochhäuser identisch: Betonstützen an den Fassaden und der aussteifende Erschliessungskern tragen die Decken. Vorgefertigte Betonbrüstungen schliessen die Räume gegen die Fassade hin ab. Die Brüstungsbereiche sind mit schuppenförmig verlegten schwarzen Alucobond-Platten verkleidet. Diese Flächen sind leicht schräg nach aussen gestellt. Die dunklen Brüstungsbänder kontrastieren mit den naturfarben eloxierten Fensterbändern in verschiedenen Formatgrössen: schmale öffenbare Flügel und breite feststehende Fenster. Ursprünglich hatte das Studio Märkli die Schuppenverkleidung in Faserzement vorgesehen. Als Reminiszenz an die Geschichte des Areals wechselte man zu Aluminium. 20 Zentimeter Dämmschicht Wie bei anderen Hochhäusern auch muss die insgesamt 4500 Quadratmeter messende Fassadenfläche hohen technischen Anforderungen genügen. Dazu zählen der bauliche Brandschutz sowie die Widerstandskraft gegen starke Winde mit Sog- und Druckkräften oder gegen das Eindringen von Regenwasser. « Ebenso wichtig ist aber eine einfache Konstruktion, die rasch montiert werden kann », sagt Martin Gruber, der das Projekt beim Fassadenplaner Atelier P3 aus Zürich betreut hat. Zur Anwendung kam deshalb eine vor allem bei Industriegebäuden bewährte hinterlüftete Fassadenkonstruktion mit einer Alucobond-Verkleidung. Sie besteht im Bereich der Brüstungen aus einer am Betonskelett befestigten Unterkonstruktion und daran angebrachten Aluminiumschienen sowie einem Trapezblech als Unterschalung. Auf dieses wurden die Alucobond-Schindeln genietet. Im Bereich der Fensterbänder decken aus einem Stück bestehende U-förmige Alubleche die Flächen zwischen den Fenstern ab. Die 20 Zentimeter dicke Dämmschicht läuft über die gesamte Fläche der Betonbrüstungen und ist mit Dübeln an der Betonkonstruktion verankert. Wegen der Brandschutzvorgaben für Hochhäuser durften für die Dämmung ausschliesslich nicht brennende Materialien der höchsten Schutzklasse RF 1 zur Anwendung kommen. Diese und die vertikale Brandabschottung bei den Betonbrüstungen machen es unmöglich, dass sich ein Wohnungsbrand über die Fassadenfläche auf andere Geschosse ausbreiten kann. Bei den Rhyfall-Towern war zudem ein Dämmmaterial gefordert, das einen tiefen Lambda-Wert von unter 0,030 W / mK aufweist und die Nachhaltigkeitskriterien für Materialien der Kategorie Minergie Eco 1 erfüllt. « Da unsere Glaswolle-Dämmplatten vom Typ PB F 030 als einziges Produkt sowohl die ökologischen Anforderungen als auch die Vorgaben bezüglich des Brandschutzes und Dämmwerts erfüllten, kamen wir zum Zug », sagt Guido Barmettler, Technischer Verkaufsberater bei Isover. Beeinflusst wurde der Entscheid durch einen weiteren Punkt: Dank dem Zuschnittservice von Isover konnte das Material fertig konfektioniert angeliefert werden. So entfielen die sonst üblichen Anpassungsarbeiten auf dem Bau – etwa für Ecken, Fensterbretter oder Storenkästen –, und die Montage ging rascher voran. Da der Platz auf den Gestellen am Baugerüst knapp war, erfolgte die Anlieferung der rund 900 Kubikmeter Dämmmaterial aus dem Werk in Lucens stockwerkweise genau getaktet.
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Die beiden neuen Wohntürme überragen die historischen Fabrikbauten.
Das einstige Alusuisse-Areal thront über dem Rheinfall.
Der Rheinfall, Neuhausen und die Rhyfall Tower.
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Vielfältige Fasern Dieses Themenheft erzählt die Geschichte des Dämmens und zeigt, dass man nicht nur gegen Kälte, sondern auch – und dies immer mehr – gegen Hitze dämmen muss. Seit 1938 produziert die Firma Isover im waadtländischen Lucens Dämmstoff aus Glas. Ein Beitrag in diesem Heft zeigt, dass Tradition immer auch mit Innovation einhergeht. Eine grosse Reportage blickt auf die mehrere hundert Meter lange Produktionsstrasse, auf der sich kaputte Glasscheiben und alte Glasflaschen zu Platten und aufrollbaren Bahnen aus Glaswolle verwandeln. Ein weiterer Beitrag vergleicht das Material Glaswolle mit anderen Dämmstoffen auf dem Markt. Übrigens: Glaswolle ist unbrennbar. Das macht sie zum idealen Dämmmaterial an Hochhäusern, wie ein Beispiel aus Neuhausen illustriert. www.isover.ch
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