Der offene Wettbewerb

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Themenheft von Hochparterre und Hochparterre Wettbewerbe, März 2020

Der offene Wettbewerb Für den Projektwettbewerb im offenen Verfahren spricht alles: Er ist bewährt, fair und effizient. Ein Plädoyer für den freien Zugang zum Architekturwettbewerb.

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Editorial

Öffnet die Wettbewerbe ! Inhalt

5 Die zehn Vorteile des offenen Wettbewerbs Er ist das fairste und günstigste Verfahren – und er hat fast nur Vorteile für Auftraggeber und Architekturbüros.

10 « Offene Wettbewerbe fördern die Baukultur » Unter Gemeindepräsident Beat Tinner hat Wartau zwei offene Projektwettbewerbe durchgeführt.

13 Vorurteile widerlegt Der offene Wettbewerb kämpft gegen die immer gleichen Argumente. Fachleute beziehen Stellung.

18 « Ich bin vom offenen Wettbewerb absolut überzeugt » Berns Kantonsbaumeister Angelo Cioppi hat eine klare Meinung zum fairsten Verfahren.

2 0 Zum Stand der Dinge Ein Blick zurück zeigt: Es gab gute Zeiten, die noch nicht einmal zehn Jahre her sind.

2 2 « Grenzen ? Sehe ich keine » Hanspeter Winkler bringt das Bundesamt für Bauten und Logistik dazu, offener auszuschreiben.

Fotoserie: Der Architekt Volker Bienert hat in den letzten zehn Jahren so viele Wettbewerbsausstellungen besichtigt wie sonst kaum jemand. Von seinen Besuchen brachte er Fotos mit. Aus diesem Fundus konnten wir für das Heft aussuchen. Die Bilder zeigen offene Wettbewerbe. Wir sehen immer die Räume, das Provisorische, manchmal sogar das Unzulängliche. Die Projekte sind Nebensache, doch in den Details spüren wir, wie sich jemand rührend um die Ausstellung gekümmert haben muss.

Besser könnte es nicht sein: Die öffentliche Beschaffung, die sonst von den Kosten geprägt ist, macht beim Projektwettbewerb eine Ausnahme. Nicht der Architekt mit dem günstigsten Honorar erhält den Auftrag, sondern der mit dem besten Projekt. Dieses In­stru­ment sollten wir bewahren. Obwohl er das bewährteste, fairste und günstigste Verfahren ist, droht der Projektwettbewerb im offenen Verfahren aber zu verschwinden. Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Diejenigen Bauwilligen, die noch offene Wettbewerbe durchführen, werden immer mehr überrannt. Dem ist einfach zu begegnen mit Plan A: Schreibt wieder häufiger Projektwettbewerbe offen und einstufig aus ! Gelingt das nicht, müssen wir Fachleute über einen Plan B diskutieren. Der ist zwar schlechter, aber vielleicht unausweichlich, wenn wir nicht wollen, dass der offene Projektwettbewerb in der Schweiz ganz verschwindet. Drei Möglichkeiten haben wir: An offenen Projektwettbewerben könnten wir erstens über Los entscheiden, wer teilnehmen darf. Deutschland praktiziert das. Oder aber wir schreiben zweitens mehr zweistufige offene Wettbewerbe aus. In der ersten Stufe müssten Architekten sich zum Beispiel über einen städtebaulichen Vorschlag qualifizieren. Diese zweistufigen Verfahren gibt es heute schon, sie werden aber noch wenig angewandt. Und drittens: Warum erhöhen wir nicht die Teilnehmerzahl an selektiven Verfahren ? Warum sollen nicht auch einmal fünfzig Büros an einem Wettbewerb mit Präqualifikation teilnehmen dürfen ? Wir müssen sie immer wieder überzeugen, die Bauherren, Verwaltungen, Behördenmitglieder, Beraterinnen, Wettbewerbsbegleiter, Jurymitglieder und Architektinnen. Plan A ist der bessere, aber anstrengendere Weg. Dieses Heft liefert die Argumente dazu.  Ivo Bösch

Impressum Verlag  Hochparterre AG  Adressen  Ausstellungsstrasse 25, CH - 8005 Zürich, Telefon + 41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag @ hochparterre.ch, redaktion @ hochparterre.ch  Verleger  Köbi Gantenbein  Geschäftsleitung  Lilia Glanzmann, Werner Huber, Agnes Schmid  Verlagsleiterin  Susanne von Arx  Konzept und Redaktion  Ivo Bösch  Fotografie  Volker Bienert  Art Direction  Antje Reineck  Layout  Tamaki Yamazaki  Produktion  Linda Malzacher  Korrektorat  Dominik Süess  Lithografie  Team media, Gurtnellen  Druck  Stämpfli AG, Bern  Herausgeber Hochparterre  Bestellen  shop.hochparterre.ch, Fr. 15.—, € 12.— oder kostenlos als E-Paper

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Die Vorteile des offenen Wettbewerbs Alles spricht für den Projektwettbewerb im offenen Verfahren. Wir haben die wichtigsten Argumente gesammelt. Text: Ivo Bösch, Marcel Bächtiger

Absurd ist es, den offenen Projektwettbewerb überhaupt verteidigen zu müssen. Denn der Projektwettbewerb im offenen Verfahren, wie er fachlich korrekt heisst, hat fast nur Vorteile für Auftraggeber und Architekturbüros. Trotzdem ist er in den letzten Jahren unter Druck geraten. Die Argumente gegen das fairste, günstigste und bewährteste Verfahren sind meist diffus und nicht belegbar. Darum lohnt es sich wieder einmal, die Vorteile zu benennen. Wir haben zehn Gründe, die für den offenen Projektwettbewerb sprechen, zusammengetragen.

Grösste Lösungsvielfalt Warum sollte ein Bauwilliger auf ein grosses Angebot an Lösungen verzichten ? In offenen Projektwettbewerben kann er aus dreissig bis fünfzig Vorschlägen auswählen, oft auch aus mehr. Studienaufträge oder selektive Wettbewerbe bieten eine deutlich kleinere Palette, und das Risiko, ein Haus zu bauen, das nicht passt, steigt. Noch schwieriger ist ein Direktauftrag, der vergleichbar ist mit Roulette. Vielleicht glückt der Entwurf, vielleicht auch nicht. Die Kosten sind nicht das einzige Argument für ein Siegerprojekt, aber ein wichtiges: Schätzungen der Baukosten in Architekturwettbewerben zeigen meist Unterschiede von zwanzig Prozent zwischen den eingegebenen Projekten, häufig auch mehr. Beim Bauen geht es um Millionen und um Häuser, die uns überdauern werden. Umso wichtiger ist ein preiswertes und gutes Projekt. Im Alltag vergleichen wir Produkte: Stimmen Preis und Qualität ? Nützt es mir ? Warum tun das viele nicht, wenn es um Häuser geht ?

Bewährtes Verfahren Mitte des 19. Jahrhunderts brauchte der junge Bundesstaat viele neue öffentliche Bauten wie Museen. In den Architekturwettbewerben kam es immer wieder zu Streitigkeiten um die Aufträge. Darum wollte der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein ( SIA ) die Verfahren regeln. Am 30. September 1877 verabschiedete er an der Generalversammlung die ‹ Grundsätze über das Verfahren bei öffentlichen Concurrenzen › siehe Seite 7. Seither hat der SIA die Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe mehrmals erweitert und angepasst. Im öffentlichen Beschaffungswesen bezeichnen Gerichte und Kantone sie

oft sogar als subsidiäres öffentliches Recht. Die zehn Paragrafen von 1877 waren so erstaunlich modern formuliert, dass sie heute noch Gültigkeit haben. Sie berücksichtigen die Interessen der Bauherren, schützen aber auch die Arbeit des Architekten durch ein standardisiertes Verfahren. Zwar waren damals Ideenwettbewerbe und ‹ Vorconcurrenzen ›, also zweistufige Verfahren, mitgemeint, aber die damaligen Herren des SIA dachten vor allem an den offenen Projektwettbewerb. Und der wurde seither mehrere tausend Mal durchgeführt, eine genaue Zählung gibt es nicht. Heute finden in der Schweiz jedes Jahr noch etwa fünfzig offene Projektwettbewerbe reibungslos statt. Den Architektinnen und Architekten ist eine faire Beurteilung ihrer Entwürfe wichtig, da sie Gratisarbeit leisten, wenn die Jury ihre Beiträge nicht prämiert. Den offenen Wettbewerb akzeptieren sie als ein faires Verfahren, darum ist er bei ihnen so beliebt.

Nicht rekursanfällig Im Gegensatz zum offenen Projektwettbewerb muss die Jury bei selektiven Verfahren Architekturbüros prä­ qua­li­fi­zie­ren. Die Jurys geben sich Mühe. Aber egal wie ernsthaft sie das angeht, es bleibt eine Blackbox. Man beurteilt Personen, nicht Projekte. Systembedingt ist eine Prä­qua­li­fi­ka­ti­on auch nicht transparent. Das schafft einen Nährboden für Spekulationen: Warum hat die Jury dieses Büro ausgewählt, warum jenes nicht ? Die Architektinnen und Architekten haben sich jahrelang mit Rekursen zurückgehalten. Man wollte dem Architekturwettbewerb nicht schaden. Doch in der Wettbewerbsszene spüren wir Unzufriedenheit. Die Architekturbüros sind rekursfreudiger geworden. Der offene Projektwettbewerb bleibt von Einsprachen meist verschont.

Faires Verfahren Von allen möglichen Verfahren ist der offene Wettbewerb das fairste, weil er erstens allen offensteht und zweitens anonym durchgeführt wird. Namen spielen bei der Jurierung genauso wenig eine Rolle wie persönliche Verbindungen oder Verpflichtungen. Ganz im Sinne der französischen Aufklärung zählt einzig das bessere Argument. Nur der offene Wettbewerb garantiert deshalb →

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→ die gleichen Chancen für alle teilnahmewilligen Architektinnen. Dass er nicht nur das fairste, sondern auch das qualitativ überzeugendste Resultat hervorbringt, versteht sich von selbst: Beim offenen Wettbewerb gewinnt das beste Projekt – und nicht der berühmteste Architekt.

Nachwuchsförderung Die etablierten Architekturbüros haben sich in jungen Jahren in offenen Projektwettbewerben gemessen. Meistens sind sie auf diesem Weg gross geworden. Obwohl viele renommierte Büros heute fast nur noch bei selektiven Verfahren mitmachen, stehen sie hinter den offenen Verfahren und unterstützen sie. Den freien Zugang zum offenen Projektwettbewerb nutzen viele junge Büros. Das ist Nachwuchsförderung. Wir sehen immer wieder: Unerfahrenheit kompensieren junge Büros mit höherem Engagement. Und ein alter Architekt sagte einst weise: « Erfahrung schützt nicht davor, Fehler zu wiederholen. » Routine kann blind machen. Neben dem Nachwuchs gibt es auch ältere nicht etablierte Büros. Sie müssen den offenen Wettbewerb ebenfalls nutzen, um sich zu qualifizieren. Nachwuchsförderung bedeutet auch Chancengleichheit.

Unerwartete Lösungen Der selektive Wettbewerb mit Präqualifikation ist ein Konkurrenzverfahren mit kleinem Teilnehmerfeld: Eine Handvoll Architekturbüros, die auf dem Feld der gestellten Aufgabe Erfahrung vorweisen können, machen den Wettbewerb unter sich aus. Davon erhofft sich der Auslober eine gewisse Sicherheit. Häufig ist er am Ende jedoch mit Projekten konfrontiert, die solide sind, aber niemanden begeistern. Der offene Wettbewerb dagegen bringt zuverlässig unerwartete Lösungen und architektonische Erneuerung hervor – nicht nur als logische Konsequenz aus der grösseren Anzahl eingereichter Projekte, sondern auch, weil die Teilnehmer sich gegen eine breitere Konkurrenz behaupten müssen. Die Architekten wissen: Nur mit einem wirklich herausragenden Beitrag kann ich gewinnen. Statt routinierter Lösungen aus der Schublade kommt der Auslober mit einem offenen Wettbewerb zum passgenauen, auf Ort und Programm abgestimmten Projekt – Überraschung, Ambition und Freude inbegriffen.

Freier Zugang zum Markt Es klingt widersprüchlich: Wer lokalen Architekturbüros eine Chance geben möchte, muss den Zugang zur Bauaufgabe für alle öffnen, und zwar europaweit. Denn wer die Szene vor Ort fördern will, ist mit einer Prä­qua­li­fi­ ka­ti­on schlecht bedient: Sind die Eignungskriterien rechtmässig formuliert, fällt das kleinere regionale Architekturbüro oft durch die Maschen. Bei einem offenen Verfahren hingegen können lokale Architektinnen und Architekten ihr Wissen über den Ort einbringen und präsentieren mit diesem Vorteil nicht selten ein Siegerprojekt. 6

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Das Argument, es sei volkswirtschaftlicher Unsinn, wenn mehr als hundert Architekten ein Projekt für eine Bauaufgabe eingeben, hören wir nur von Nichtarchitekten. Lassen wir die Architektinnen und Architekten doch selbst entscheiden, ob sie diese Zeit investieren möchten. Ihnen ist der freie Zugang zum Markt wichtiger. Einer demokratischen und liberalen Gesellschaft steht ein Ausschluss arbeitswilliger Teilnehmer schlecht an. Vor allem bei öffentlichen Aufgaben sollten wir eine grosse Diskussion mit möglichst vielen daran Beteiligten zulassen.

Keine Präqualifikation Keine Präqualifikation durchführen zu müssen, befreit die Jury von einer unliebsamen Aufgabe und den Wettbewerbsorganisator von einem administrativen Aufwand, der am Ende kaum kleiner ist als bei einem offenen Wettbewerb. Eine Präqualifikation bedeutet die Durchsicht von bis zu hundert Bewerbungsdossiers und deren Bewertung nach einem rekursanfälligen System. Der Arbeitstag, den die Jury für diese Tätigkeit einsetzen muss, wird im offenen Wettbewerb sinnvoller investiert: Hier diskutiert man über konkrete Wettbewerbsprojekte statt über die etwaige Eignung von Architekturbüros.

Schlankes Verfahren Von der Ausschreibung eines offenen Projektwettbewerbs bis zum Juryentscheid genügen oft schon sechs Monate. Selektive und mehrstufige Verfahren benötigen deutlich mehr Zeit, auch wegen der zusätzlichen Rekursfristen. Achtet man bei offenen Verfahren zudem auf den Umfang der Eingabe und reduziert die Aufgabe auf das zum Zeitpunkt des Wettbewerbs absolut Nötige, spart man in der Jurierung viel Zeit und macht den Architekturbüros eine Freude. Wir wagen zu behaupten, dass noch nie ein Wettbewerb über den Konstruktionsschnitt entschieden wurde. Trotzdem verlangen viele Auftraggeber einen solchen schon im Wettbewerb. Wer als Bauherr stufengerecht denkt, spart viel Zeit und Geld.

Forschungs- und Trainingsfeld Wer sich für die Durchführung eines offenen Wettbewerbs entscheidet, fördert auch die Forschung, denn Wettbewerbe sind der unmittelbarste Anlass zum architektonischen Diskurs. Hier werden Entwurfsideen formuliert und erprobt, relevante Themen gesetzt und weiterentwickelt, Gewohnheiten hinterfragt und Neuerungen getestet. Offene Wettbewerbe sind ein Forschungs- und Trainingsfeld für Architekturbüros, jedes Projekt ist ein Beitrag zur laufenden Diskussion. Der breite fachliche Austausch, der mit dem offenen Wettbewerb ermöglicht wird, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für architektonische Qualität. Wer den offenen Wettbewerb fördert, fördert darum nicht nur die Forschung, sondern auch ein wertvolles gemeinsames Gut: die Baukultur.

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Wettbewerbsordnung von 1877 Grundsätze über das Verfahren bei öffentlichen Concurrenzen. § 1. Die Mehrheit der Preisrichter muss aus Fachmännern bestehen: hiebei ist es wünschenswerth, dass Vorschläge der betreffenden Fach-Vereine berücksichtigt werden. § 2. Die Richter sind im Programme zu nennen. Sie müssen dasselbe, sowie die Concurrenzbedingungen vor der Veröffentlichung gebilligt und sich zur Annahme des Richteramtes bereit erklärt haben. Sie sollen womöglich nicht einer Schule oder Richtung angehören. § 3. Die Annahme des Richteramtes bedingt Verzichtleistung auf jede directe oder indirecte Preisbewerbung. § 4. Das Programm darf an Zeichnungen und Berechnungen nicht mehr verlangen, als die klare Darlegung des Entwurfes, einschliesslich der Construction, erfordert. Die Masstäbe für die Zeichnungen sind genau vorzuschreiben: solche Masstäbe, welche ein allzu grosses Format bedingen, sind zu vermeiden. § 5. Es ist im Programm deutlich zu sagen, ob auf die Einhaltung einer bestimmten Bausumme das massgebende Hauptgewicht gelegt wird, so dass alle Pläne, welche dieselbe bedeutend überschreiten, von der Concurrenz auszuschliessen sind, oder ob die gesammte Bausumme nur als ungefährer Anhaltspunkt dienen soll. In der Regel sollen nur summarische Berechnungen verlangt werden. § 6. Die Ausschliessung eines Entwurfes von der Preisvertheilung muss stattfinden: a ) bei Einlieferung der Pläne nach Ablauf des Einreichungstermins ; b ) in Folge wesentlicher Abweichung vom Programme. § 7. Eine ausgeschriebene Concurrenz darf nicht rückgängig gemacht werden. Die ausgesetzte Summe muss unbedingt an die relativ besten Entwürfe vertheilt werden. § 8. Die preisgekrönten Arbeiten sind nur insofern Eigenthum des Bauherrn, als sie für die betreffende Ausführung benützt werden. Die Autoren behalten das geistige Eigenthumsrecht ihrer Entwürfe. § 9. Sämmtliche eingelieferten Arbeiten sind mindestens zwei Wochen lang öffentlich auszustellen. Das Urtheil des Preisgerichtes, sowie die Zeit der Ausstellung, soll öffentlich mitgetheilt werden. § 10. Der erste Preis soll mindestens der angemessenen Honorirung eines Fachmannes für die verlangten Arbeiten entsprechen. Also beschlossen und genehmigt von der Generalversammlung vom 30. September 1877 in Zürich.

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Gut zu wissen

Beschaffungsformen von Planungsleistung Projektwettbewerb im offenen Verfahren Das beste aller Verfahren, die Königs­ disziplin, auch offener Projektwettbewerb genannt. Der Auftraggeber schreibt den Wettbewerb öffentlich aus. Alle in­te­ res­sier­ten Fachleute können anonym ein Projekt eingeben. Noch selten bei privaten Auftraggebern.

Investorenwettbewerb Die Architekturbüros bilden Teams mit Investoren, häufig Pensionskassen oder Generalunternehmern. Meist geht es um ein Grundstück, das die öffentliche Hand verkaufen, aber trotzdem noch Einfluss auf das Projekt nehmen will. Die Teams geben ein Projekt und einen Kaufpreis für das Grundstück ab.

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren Der Auftraggeber schreibt den Wettbewerb öffentlich aus, und die interessierten Fachleute müssen sich um die Teilnahme bewerben. In einem Präqualifikations­ verfahren wählt die Jury aufgrund von Dossiers die Teilnehmer aus. Üblich sind 7 bis 25 Teilnehmer, manchmal werden zwei Plätze für Nachwuchsbüros reserviert. Im Gegensatz zur Westschweiz verdrängt der Projektwettbewerb im selektiven Verfahren in der Deutschschweiz den offenen Projektwettbewerb zunehmend.

Planerwahlverfahren Öffentliche Auftraggeber wenden das Planerwahlverfahren meist bei Renovationen und kleinen Umbauten an, bei denen ein kleiner Gestaltungsspielraum besteht. Die Architekten müssen einen Skizzen­ vorschlag und eine Honorarofferte abgeben. Das Planerwahlverfahren kann offen, selektiv oder auf Einladung durchgeführt werden. Es erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei grösseren öffentlichen Auftraggebern.

Studienauftrag im Einladungsverfahren Der Auftraggeber lädt die Architektur­ büros ein, die am Wettbewerb teilnehmen dürfen. Die Studienaufträge werden heute meist nicht mehr anonym durchgeführt. Die Architekturbüros müssen ihre Projekte häufig an Zwischenbesprechungen vorstellen. Ab gewissen Honorarsummen ist der Studienauftrag ohne Präqualifikation im öffentlichen Beschaffungswesen aber nicht erlaubt. Ideenwettbewerb Der Auftraggeber kennt die Aufgabe selbst noch nicht so genau. Oft sind das Raumprogramm oder der Wettbewerbsperimeter noch nicht definiert. Der Bauherr erwar­tet eine konzeptionelle Idee. Meist ist für die Architekten der Folgeauftrag nicht garantiert. Der Ideenwettbewerb ist eher selten geworden, weil die Bauherrschaften sich professionalisiert haben, selbst Vorabklärungen machen und Machbarkeitsstu­di-­ en in Auftrag geben. Gesamtleistungswettbewerb Der Auftraggeber will, dass Architektur­ büros mit Fachplanern und Unternehmern ein Team bilden. Meist wird der Gesamtleistungswettbewerb selektiv durchgeführt – nur drei bis sieben Teams sind zugelassen. Die Teilnehmer geben auch einen Preis für den Bau ein. Die Preis­garan­tie macht den Gesamtleistungswettbewerb bei Immobilieninvestoren beliebt. Doch der Auftraggeber muss schon früh alles bis ins Detail definiert haben. Er beruht auf dem Irrtum, günstiger zu einem Gebäude zu kommen, denn im Wettbewerb kann ein Projekt kaum so definiert sein, dass eine genaue Preisangabe möglich ist.

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Honorarsubmission Der Auftraggeber hat eine kleine, genau definierte Bauaufgabe. Meist hat er vorher eine Machbarkeitsstudie machen lassen. Die Architekturbüros geben dazu eine Honorarofferte ab. Der Bauherr vergibt den Auftrag aufgrund der Honorarkosten, also nicht wegen der Qualität eines Projekts.

Hochparterre Wettbewerbe Das Schweizer Fachjournal für Architekturwettbewerbe kommentiert und zeigt Wettbewerbsresultate. Es zeichnet aktuelle Entwicklungen im Wettbewerbswesen nach. Abonnenten erhalten auch Zugang zum digitalen Archiv. wettbewerbe.hochparterre.ch Stiftung Forschung Planungswettbewerbe Die Stiftung betreibt eine Plattform, die ausgeschriebene und entschiedene Wettbewerbe archiviert und einen digitalen Verfahrensraum anbietet, um Wettbewerbe abzuwickeln. konkurado.ch Kommission für Wettbewerbe und Studienaufträge SIA 142 / 143 Bei der Vorbereitung, bei Fragen während des Verfahrens und bei Schwie­rig­kei­ten nach der Jurierung berät die Kommission Teilnehmer, Auslober und Jurymitglieder. sia.ch → Dienstleistungen → Wettbewerbe Espazium Die gemeinsame Plattform aller Publika­ tionen des SIA veröffentlicht ausgeschriebene und entschiedene Wettbewerbe. Die Auswahl ist etwas zufällig, aber die Wettbewerbe sind ausführlich dokumentiert. competitions.espazium.ch

Freihändiges Verfahren Auch Direktauftrag genannt. Der Bauherr vergibt den Auftrag direkt und ohne öffentliche Ausschreibung. Im öffentlichen Beschaffungswesen bei normalen Bauaufgaben ist dieses Verfahren nicht erlaubt.

Tagung zum Thema Das Swiss Public Real Estate Forum findet am Donnerstag, 22. Oktober in Aarau statt. Sein Titel: ‹ Eigentum verpflichtet ›. Auch der offene Wettbewerb wird ein Thema sein. Die Vereinigung der staatlichen und kommunalen Leiter Immobilien ( VSLI ) und die Berner Fachhochschule organisieren die Tagung gemeinsam, Hochparterre ist als Medienpartner mit dabei. spref.ch

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Zur Person Beat Tinner ist seit 1997 Gemeindepräsident von Wartau. Zudem amtet er als Kantonsrat und Fraktionspräsident der FDP St. Gallen. In Wartau hat er zwei Bauvorhaben aus offenen Wettbewerbsverfahren durch die politischen Instanzen begleitet.

« Offene Wettbewerbe fördern die Baukultur » Unter Beat Tinner hat die Gemeinde Wartau zwei offene Projektwettbewerbe durchgeführt. Der Gemeindepräsident ist überzeugt, dass durch dieses Verfahren die Wahrscheinlichkeit grösser ist, eine gute Lösung zu finden. Interview: Damaris Baumann

Wie kam vor zwanzig Jahren der offene Wettbewerb für den Neubau des Betagtenheims zustande ? Beat Tinner:  Ich war damals neu im Amt als Gemeindepräsident, und der Direktauftrag für die Erweiterung des bestehenden Altersheims lag als Traktandum auf meinem Tisch. Aber weder das Sanierungs- und Erweiterungsprojekt noch der dezentrale Standort überzeugten mich. So fiel rasch der Entscheid, das Verfahren neu aufzurollen und einen zentral gelegenen Standort zu suchen. Über das Gemeindeblatt haben wir die Bevölkerung in die Standortsuche miteinbezogen. Wir waren erfolgreich und fanden einen Standort mitten im historischen Dorfkern. Warum haben Sie sich damals für ein offenes Verfahren entschieden ? Nachdem ich mich mit der anstehenden Aufgabe befasst hatte, war es ein logischer Entscheid. Besser als jedes andere Verfahren bietet ein Wettbewerb die Chance, eine Bauaufgabe in einer Gemeinde gut zu lösen. Die 10

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Wahrscheinlichkeit, eine gute Lösung zu finden, ist beim offenen Wettbewerb grösser, weil die Bauherrschaft aus einer grossen Anzahl von Ideen den besten Vorschlag auswählen kann. Im Austausch mit anderen Gemeindepräsidenten habe ich mich zusätzlich informiert. Selbstverständlich beziehe ich auch submissionsrechtliche Überlegungen in die Entscheidungsfindung ein. Zudem fördern offene Wettbewerbe die Baukultur. Wie waren Ihre Erfahrungen mit diesem ersten offenen Wettbewerb ? Etwa zwanzig Architekten reichten Wettbewerbsbeiträge ein, und wir konnten ein Projekt prämieren, das in das Ortsbild passt. Mit Hubert Bischoff fanden wir einen dialogbereiten Architekten. Diese Bereitschaft war nötig, weil das Projekt aus betrieblichen Überlegungen optimiert werden musste. Sich austauschen und fachlich à jour bleiben zu wollen, halte ich für eine wichtige Fähigkeit eines Architekten für das Gelingen eines Projekts.

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Wie unterschieden sich die beiden offenen Wettbewerbsverfahren ? Die Baukommission für das Schulhaus Feld hat sich einstimmig für die Durchführung eines offenen Wettbewerbs entschieden. Wir gingen davon aus, dass sich wiederum rund zwanzig Architektenteams bewerben, und waren überrascht, als wir fast siebzig Projekte erhielten. Entsprechend grösser waren die Vorbereitungs- und Beurteilungsarbeiten der Jury. Für die Jurierung musste die Turnhalle zwei Wochen geschlossen werden, was weder geplant noch optimal war. Wie beurteilen Sie, kurz vor der Fertigstellung, das Verfahren ? Das gewählte Verfahren gab auch jüngeren Büros die Chance, sich zu bewerben. Wichtig ist, dass die Ausschreibung professionell durchgeführt wird. Gute Erfahrungen haben wir damit gemacht, dass wir für die Bauleitung ein örtlich ansässiges Architekturbüro verpflichtet haben. Und ich besuchte die Architekten vor Projektstart in Berlin. Das Siegerprojekt überzeugt mich nach wie vor. Gewonnen hat das Büro Felgendreher Olfs Köchling aus Berlin. Wie waren die Reaktionen, als bekannt wurde, dass kein lokales oder schweizerisches Büro gewonnen hat ? An einem Orientierungsabend für die Bevölkerung wurden das Ergebnis des Wettbewerbs sowie das Team von Felgendreher Olfs Köchling vorgestellt. Die Reaktionen waren durchwegs positiv, umso mehr, als auch das Projekt überzeugte. Sympathie weckte die handwerkliche Ausbildung, die die Architekten neben dem Studium durchlaufen hatten. Auch nach einem offenen Projektwettbewerb lassen sich regionale und nachhaltige Aspekte integrieren. Das Konstruktionsholz stammt aus dem Wald der Ortsgemeinde Wartau, alles weitere Holz kommt aus der Region. Das ist ein Bekenntnis zum lokalen Baumaterial und Gewerbe. Und die Holzschnitzelheizung ist Teil des Wärmeverbunds. Mit diesen Massnahmen konnten wir unseren Teil zur Nachhaltigkeit beitragen. Was brachte der Gemeinde den grössten Aufwand ? Die Vorbereitung und die Kosten für das Verfahren. Die Kosten sind immer zentral. In der Gemeinde Wartau wird über die Gelder für die Durchführung eines Wettbewerbsverfahrens im Rahmen des Budgets abgestimmt. Die Bevölkerung muss also hinter dem Vorgehen stehen. Würden mehr offene Wettbewerbe durchgeführt, würde sich die Teilnehmerzahl pro Verfahren reduzieren, und der Aufwand würde für alle kleiner. Sie sind auch Mitglied des Kantonsrats. Wie unterscheiden sich die Bauvorhaben ? Im Kantonsrat sind wir im Prozess einen Schritt früher dran und bewilligen dem Baudepartement Kredite. In der Gemeinde setzen wir konkrete Bauvorhaben um, und es lässt sich direkt etwas bewirken. Der Kanton St. Gallen hat allgemein einen gros­sen Sanierungsüberhang, und es steht ein Paradigmenwechsel von Neubau zu Sanierung an. Gibt es Grenzen für offene Verfahren ? Wenn nur wenige offene Wettbewerbsverfahren durchgeführt werden, steigt die Zahl der Teilnehmer überall dort, wo es ein solches noch gibt. Volkswirtschaftlich betrachtet ist es pro­ble­ma­tisch, wenn sich Dutzende Teilnehmer einer Bauaufgabe stellen, sich über Monate damit beschäftigen und dann leer ausgehen. Seitens der Politik stellt sich die Herausforderung, dass Ämter eine Legisla-

turdauer von vier Jahren haben, Bauvorhaben aber länger dauern. Für die Begleitung und die Umsetzung eines Projekts ist das nicht immer ideal. Was raten Sie Gemeinden, die sich auf ein offenes Verfahren einlassen möchten ? Mit der Durchführung des Wettbewerbs ist unbedingt eine erfahrene Person zu beauftragen. Am besten wählt man jemanden, der als Architekt selber schon an vielen Wettbewerben teilgenommen hat. Was können die Gemeinden dabei gewinnen ? Mit grosser Wahrscheinlichkeit kommen sie zu einer ortsbaulich, architektonisch, betrieblich und wirtschaftlich guten Lösung – so ist zumindest meine Erfahrung. Was würden Sie bei einem nächsten Verfahren anpassen oder perfektionieren ? Aufgrund unserer gemachten Erfahrungen muss kaum etwas geändert werden. Welche Bauvorhaben stehen in Ihrer Gemeinde in der nächsten Zeit an ? Derzeit sind keine grösseren Projekte geplant. Es kann sein, dass zu einem späteren Zeitpunkt das Schulhaus ‹ In Weite › ausgebaut werden muss. Ist mit einem offenen Verfahren zu rechnen ? Ich werde mich dafür einsetzen, aber ich kann das nicht allein entscheiden.

Gemeinde Wartau Die Gemeinde Wartau mit 5200 Ein­woh­ ne­rin­nen und Einwohnern liegt im St. Galler Rheintal. Vier der zehn Ortschaften und Weiler der Gemeinde sind Teil des Inventars der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz. In den letzten zwanzig Jahren hat die Gemeinde zwei offene Projektwett­ bewerbe durchgeführt. Neubau Betagtenheim, 2003 Poststrasse 52, Azmoos SG Architekt:  Hubert Bischoff, Wolfhalden Auftragsart:  offener Wettbewerb, 1998 Schulhaus Feld, 2020 Gelalunga 2, Azmoos SG Architektur:  Felgendreher Olfs Köchling, Berlin Bauleitung:  Gauer Architektur, Azmoos Auftragsart:  offener Wettbewerb, 2015

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Vorurteile widerlegt Die häufigsten Argumente gegen den offenen Projektwettbewerb haben wir von Fachleuten widerlegen lassen, die es wissen müssen.

Vorurteil: « Die guten Architekturbüros nehmen nicht an offenen Projektwettbewerben teil. » Das stimmt so sicher nicht, denn offene Wettbewerbe sind immer gute Wettbewerbe, und gute Verfahren können nur gute Architektinnen und Architekten gewinnen. Weniger falsch ist hingegen: « Die etablierten Architekturbüros neh­ men nicht an offenen Projektwettbewerben teil. » Zumin­ dest die meisten von ihnen nicht. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Teilnehmer in offenen und selektiven Verfahren aus unterschiedlichen Hemisphären stammen, die sich nur wenig überschneiden. Ein Problem ist das für die Stadt Zürich aber nicht. Der offene Wettbewerb ist für uns im Wohnungs- und im Schulhausbau die Königsdisziplin. Fehlende Erfahrung wird kompensiert durch Scharfsinn und Energie sowie durch Lust auf Weiterbildung und Anerkennung. Der offe­ ne Wettbewerb ist einfach, fair und immer wieder für eine Überraschung gut. Alle haben eine Chance, und allen denkund undenkbaren Lösungen wird nachgespürt. Der offene Wettbewerb lebt von der Jugend und ist so immer am Puls der Zeit. Er ist auch eine Auszeichnung für die Bauherr­ schaft, die sich auf ihn einlässt.  Jeremy Hoskyn organisiert seit

Vorurteil: « Hundert Projekte sind nicht jurierbar. » Was mir weniger Sorgen bereitet, vorweg: Mit geschicktem und diszipliniertem Vorgehen ist es möglich, auch mehr als hundert Projekte zu beurteilen und dabei das Prinzip der Gleichbehandlung nicht zu gefährden. Solcherlei Men­ gen erfordern aber eine effiziente Erörterung der Beiträge. Professionalität und Erfahrung des Preisgerichts sind die Voraussetzung dafür, dass die Essenz jedes einzelnen Vor­ schlags schnell erfasst und gleichermassen empathisch wie auch kompetent an Aufgabe und Ort geprüft wird – geht es doch letztlich darum, eine engere Wahl zu treffen, um schliesslich ein einziges Projekt zu empfehlen. Viel mehr Sorgen bereitet mir die Logistik hinter der eigentlichen Jurierung. Beim laufenden Verfahren für den Dreifachkindergarten und die Tagesbetreuung an der Idda­ strasse in St. Gallen steht gemäss Hochrechnung eine erneute Verdoppelung auf 200 zu beurteilende Projekte an. Einen Ort zu finden, der jedem Vorschlag gleich viel und genug Platz einräumt, oder die Organisation all der dem Jahr 2000 Wettbewerbe im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich. Stellwände sind dabei die kleineren Herausforderungen. In diesem Zeitraum hat die Stadt 120 Wettbewerbe durchgeführt, vierzig Dramatisch wird der Aufwand für die Vorprüfung, die eine davon in einem offenen Verfahren. unerlässliche Voraussetzung für die effiziente Beurteilung ist. Fachjurorinnen und Fachjuroren können aufgrund anderer Engagements selten mehr als drei Tage – lieber zwei – für eine Jurierung zur Verfügung stellen, was Beru­ fung und Koordination erschwert. So fällt es uns zuneh­ mend schwer, unsere Bastion zu halten. Ohne ein solida­ risches und aktives Bekenntnis anderer Auslober zum offenen Wettbewerb droht uns in St. Gallen der Wettbe­ werbsinfarkt.  Hansueli Rechsteiner ist Stadtbaumeister von St. Gallen und hat die Jury des offenen Projektwettbewerbs für die Tagesbetreuung Hebel mit 114 eingegebenen Projekten moderiert.

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Vorurteil: « Für jede Bauaufgabe braucht es einen spezialisierten Architekten. » Dass nur noch jeweils spezialisierte Architekten Schulen, Altersheime, Spitäler, Flughäfen oder Wohnhäuser bauen, ist für uns unvorstellbar. Das würde die seelenlose McDo­ nalds-Ikea-Starbucks-Vereinheitlichungsarchitektur noch mehr fördern. Jeder Ort, jedes Programm, jeder Bauherr verlangt eine spezifische Lösung. Der offene Wettbewerb ist ein Garant für schlüssige Antworten auf die immer an­ spruchsvolleren Fragen beim Bauen. In einer Zeit, in der die Projektierungs- und Bauabläufe von Jahr zu Jahr kom­ plexer werden, braucht es auf allen Ebenen – Städtebau, Programm, Funktion, Statik, Haustechnik – in erster Linie Teams mit neuen Ideen, die ihre Erfahrung aus verschie­ denen Bausparten einbringen. Gute Architektur entsteht nicht durch das Abspulen von Standards. Es steht viel auf dem Spiel. Der international gute Ruf der schweizerischen Baukultur basiert auf der Tradition des offenen Architekturwettbewerbs. Die etablierten Bü­ ros haben sich in jungen Jahren mit grosser Leidenschaft bei offenen Wettbewerben gegenseitig he­raus­gefor­dert und sind an den gewonnenen Bauaufgaben gewachsen. Unser Büro bekennt sich zum offenen Wettbewerb. Wir messen uns gerne mit jungen Teams, die uns weiterhin zu Höchstleistungen antreiben. Wir hätten auch kein Problem damit, wenn radikal nur noch offene Projektwettbewerbe ausgeschrieben würden, denn bei offenen Verfahren wird weniger taktiert, die Beiträge sind in der Regel knackiger und mutiger.  Philipp Fischer ist Architekt und geschäftsführender Part-

Vorurteil: « Offene Projektwettbewerbe eignen sich nicht für Umbauten. » Umbauten bilden heute den überwiegenden Teil der Bautä­ tigkeit und werden immer komplexer. Auch die Strategien des Entwurfs wandeln sich. Neben der strikten Trennung von Alt und Neu wird heute weitergebaut. Das macht diese Bauaufgabe interessant und anspruchsvoll. Projektwett­ bewerbe im offenen Verfahren eignen sich bestens für Umbauten. Drei Gründe: Erstens ist der offene Projektwettbewerb das einzige Verfahren, das eine breite Lösungsvielfalt bieten kann. Einfache Bauaufgaben sind passé. Umbauten sind an­ spruchsvoll, weil der Bestand eingeordnet, analysiert und auf Stärken und Schwächen geprüft werden will. Die An­ forderungen sind oft widersprüchlich und zwingen die teil­ nehmenden Büros dazu, die Prioritäten richtig zu setzen. Das führt zu einem breiten Lösungsspektrum. Zweitens ist der Projektwettbewerb im offenen Ver­ fahren eine Form der Jugendförderung. Und das braucht es. Gesamtschweizerisch gibt es aber zu wenige davon. ner bei Enzmann Fischer Partner. Das Zürcher Büro baut Schulen, StaatsOffene Wettbewerbe auf bestimmte Bauaufgaben wie bei­ archive, Universitäten, Musikhäuser, Altersheime und Wohnsiedlungen. spielsweise den Neubau von Schulhäusern zu beschrän­ ken, wäre fatal. Junge Architekturbüros haben oft viel Er­ fahrung mit Umbauten. Wieso also Nachwuchsförderung und Know-how nicht miteinander verbinden ? Drittens ist das Interesse an Umbauten gross. Bei jungen Büros führt der Weg zur Selbstständigkeit oft über Umbauten. Sie sind also oft besser qualifiziert als ein erfahrenes Neubaubüro. Wo Alt und Neu früher strikt getrennt wurden, kommen heute neue Strategien dazu: den Bestand weiterbauen, behutsam transformieren oder neu interpretieren. Das macht den Entwurf so attraktiv. Geben wir allen eine Chance, sich mit Umbauten zu beschäftigen !  Jean-Pierre Wymann ist Architekt und hat den offenen Projektwettbewerb für den Umbau und die Sanierung der Alterssiedlung Landpfrundhaus in Riehen BS organisiert.

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Vorurteil: « Die vielen Eingaben an offenen Projektwettbewerben sind volkswirtschaftlicher Unsinn. » Wettbewerbe sind nicht nur Instrumente für die Vergabe von Planeraufträgen, sie bieten auch die einmalige Gele­ genheit, unter laborähnlichen Bedingungen unsere ge­ baute Umwelt von morgen zu entwickeln und angewand­ te Forschung für unsere Baukultur zu betreiben. Offene Wettbewerbe sind ein wichtiger Bestandteil der fachlichen und gesellschaftlichen Diskussion, denn je grösser der Rahmen, in dem eine architektonische Debatte geführt wird, desto höher wird ihre gesellschaftliche Relevanz. Baukultur, besonders wenn es sich um öffentliche Bauauf­ gaben handelt, geht alle etwas an und sollte deshalb nicht unter ein paar wenigen präqualifizierten Teilnehmern aus­ gehandelt werden. Wirtschaftlich gesehen mag das offene Verfahren auf­ wendig scheinen, aber es steht kulturell viel auf dem Spiel, und selbst in einem Präqualifikationsverfahren ist keine optimale Lösung garantiert. Architekten sollen selbst ent­ Vorurteil: « Offene Projektwettbewerbe gewinnen scheiden können, welcher Konkurrenz sie sich stellen und meist unerfahrene Büros. » wie viel Arbeit sie dafür auf sich nehmen wollen. Vielver­ Von jungen Architekturbüros erhält der Auslober frische sprechender scheint mir, den Gesamtaufwand der Wett­ und teils unerwartete Lösungen. Sie bearbeiten ihre Pro­ bewerbe nicht durch eine Reduktion der Teilnehmerzahl, jekte hochmotiviert, unvoreingenommen und mit viel En­ sondern durch phasengerechte Anforderungen im Zaum gagement. Das Jahr 2019 hat gezeigt, dass junge Büros mit zu halten – mit dem Effekt, dass die Jury nicht von einer ihren Ideen den Nerv der Zeit treffen, optimale Lösungen Bilderflut geblendet wird, sondern ihren Fokus verstärkt für die gestellte Aufgabe finden und in offenen Verfahren auf städtebauliche Zusammenhänge legen kann.  Marco mit renommierten Büros mithalten können. Graber ist Partner bei Graber Pulver Architekten in Zürich. Sein Büro hat Als junges Büro ist die Akquise eine Herausforderung, schon an rund fünfzig offenen Projektwettbewerben teilgenommen. daher sind gerade die offenen Wettbewerbe unersetzbar, um sich zu etablieren. Viele selbstständige junge Archi­ tektinnen und Architekten bedeuten eine Bereicherung und Erfrischung für die Architekturszene der Schweiz – es lassen sich Diskurse weiterführen, Ideen weiterdenken und Konzepte weiterspinnen. Jung ist zudem nicht gleich unerfahren. Wir als Gründerinnen haben als angestellte Architektinnen Erfahrungen in der Ausführung und der Bearbeitung von Projekten gesammelt. Davon können wir als neu gegründetes Büro nun profitieren. Die Möglichkeit, offene Wettbewerbe zu gewinnen, räumt jungen Büros Chancengleichheit ein und sorgt für frischen Wind in der Schweizer Architekturszene. Wir wün­ schen uns zukünftig wieder ein grösseres Bekenntnis zur Kultur der offenen Wettbewerbe.  Nicole Baumgartner hat 2018 Baumgartner Bär Architekten in Zürich mitbegründet. Das Büro hat den offenen Projektwettbewerb für das Strandbad Bruggerhorn in St. Margrethen mit 143 Teilnehmern gewonnen.

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Vorurteil: « Offene Projektwettbewerbe sind aufwendiger und teurer als selektive Verfahren. » Es klingt einleuchtend: Je mehr Wettbewerbsbeiträge ein­ gehen, desto grösser ist der finanzielle Aufwand des Auslo­ bers. Schlechte Karten also für offene Wettbewerbe. Diese Kausalität gilt aber nur bis zu einer gewissen Zahl an teil­ nehmenden Büros, und auch nur dann, wenn wir die Kos­ ten einseitig auf das Verfahren fokussieren. Berechnen wir die Kosten pro Beitrag, ergibt sich das gegenteilige Bild. Es ist also eine Frage der Sichtweise, die wir kombinieren sollten: Weder ganz wenige noch sehr viele Teilnehmer sind für die erfolgreiche Durchführung eines Wettbewerbs sinnvoll. Eine zu kleine Auswahl schmälert die Qualität des Resultats, und ab einer gewissen Anzahl Teilnehmern rechtfertigt der geringe Grenznutzen den Mehraufwand des Auslobers nicht mehr. Wir plädieren auch bei selektiven Verfahren für min­ destens zwanzig Teilnehmer inklusive Nachwuchsrege­ lung. Das sollte die qualitative Basis dafür sein, um über die Unterschiede bei der Verfahrensdauer und den Kos­ ten nachzudenken. Da startet das selektive Verfahren mit Handicaps: Durch den zusätzlichen Schritt der Präqua­ lifikation verlängert es sich deutlich. Weil die Selektion im öffentlichen Verfahren anfechtbar ist, ergibt sich ein zusätzliches Risiko. Zudem ist der finanzielle Aufwand für die Präqualifikation nicht geringer als der Aufwand für die Beurteilung zusätzlicher Projekte im offenen Verfahren. Offene Verfahren mit bis zu fünfzig Beiträgen sind also sel­ ten aufwendiger als selektive. Das offene Verfahren hat den Nachteil der Ungewiss­ heit: das Risiko, dass etablierte Büros die Teilnahme eher meiden und dass die Logistik kaum mehr zu bewältigen ist. Solange das offene Verfahren die Ausnahme ist, bleiben auch dessen Risiken bestehen. Es ist daher wenig hilfreich, sich gegenseitig immer wieder die unterschiedlichen Sicht­ weisen zu erklären. Verfahren können optimiert werden. Wir sollten dabei unkonventionell denken und auch die Argumente nicht vorab selektionieren.  Armin Meier ist Raum-

Vorurteil: « Für komplexe Bauaufgaben eignet sich der offene Projektwettbewerb nicht. » 2008 wurde der Projektwettbewerb für das Kantonsspital Graubünden in Chur offen, einstufig und anonym ausge­ schrieben. Ein offenes Verfahren für eine so komplexe Aufgabe ist heute fast unvorstellbar geworden. Und doch: Im Frühling 2020 eröffnen wir die erste Etappe mit Kosten von 430 Millionen Franken. Besonders bei schwierigen Bauvorhaben haben Aus­ lober zunehmend Vorbehalte gegenüber den Risiken des offenen Wettbewerbs. Dem können sie einfach begegnen: Der Wettbewerb für das neue Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen, 2005 durchgeführt und 2012 mit Gesamtbau­ kosten von 106 Millionen Franken abgeschlossen, war ein zweistufiger, offener Projektwettbewerb. 200 Büros betei­ ligten sich mit einem Konzeptentwurf an der ersten Stufe, zwanzig Beiträge qualifizierten sich für die Vertiefung in der zweiten, ebenfalls anonymen Stufe. Dieses leider zu wenig beachtete Modell bietet den Auslobern den Dialog planer, Wirtschaftsingenieur und Teilhaber bei Strittmatter Partner in mit den Verfassern an: Nach der ersten Stufe kann die­ St. Gallen. Das Unternehmen organisiert jedes Jahr etwa fünf offene und ser anonym mit schriftlichen Rückmeldungen über ein fünf selektive Projektwettbewerbe.  Notariat geführt werden. Das Verfahren begrenzt auch den Aufwand der Teilnehmer auf ein verträgliches Mass, indem stufengerecht das städtebauliche und strukturelle Konzept vorgeschaltet ist. Dem vermeintlichen ‹ volkswirt­ schaftlichen Unsinn › wird so in doppelter Weise die Stirn geboten: maximale Auslotung mit minimalem Aufwand für die Auslober und minimaler Aufwand mit maximaler Kon­ zentration auf das Wesentliche für die Teilnehmer.  Astrid

Staufer ist Partnerin bei Staufer & Hasler Architekten in Frauenfeld. Das Büro hat den offenen Projektwettbewerb für das Kantonsspital Graubünden in Chur und den offenen, zweistufigen Projektwettbewerb für das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen gewonnen.

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Zur Person Angelo Cioppi ist seit 2017 Kantonsbau­ meister des Kantons Bern und Vorsteher des Amts für Grundstücke und Gebäude, wo er seit 2009 arbeitet. Davor war er in ver­ schiedenen Unternehmen der Privatwirt­ schaft als Architekt, Gesamtprojektleiter und Geschäfts­leitungsmitglied tätig.

« Ich bin vom offenen Wettbewerb absolut überzeugt » Für Berns Kantonsbaumeister Angelo Cioppi ist der offene Projektwettbewerb das beste Verfahren. Von den Architektinnen wünscht er sich, dass sie sich mehr mit der Ausführung und der Nachhaltigkeit beschäftigen. Interview: Damaris Baumann

Der Kanton Bern schreibt 75 Prozent der Wettbewerbe offen aus. Warum ? Angelo Cioppi:  Der offene Wettbewerb ist eindeutig das bes­ te Verfahren, um das Projekt mit dem grössten Potenzi­ al zu wählen und das passende Team zu finden. Nur ein anonymer offener Wettbewerb lässt eine objektive Jurie­ rung der Wettbewerbsbeiträge zu. Alle anderen Verfahren schränken unnötig ein. Wie findet man das richtige Team über einen anonymen Wettbewerb ? Wenn ein Team eine gute Lösung erarbeitet hat, ist es in der Regel auch das richtige Team für die weitere Bear­ beitung. Bis jetzt hat sich das immer bestätigt. Dass ein Team eine ähnliche Aufgabe schon einmal gut gelöst hat, ist kein Garant dafür, dass es bei einer ähnlichen Aufgabe wieder die beste Lösung findet. Es braucht zum richtigen Zeitpunkt das richtige Team mit der richtigen Idee. 18

Was würde fehlen, wenn es keine offenen Wettbewerbe mehr geben würde ? Der offene Wettbewerb gehört zur Kultur des Bauens in der Schweiz. Wir müssen ihn pflegen und aufrechterhal­ ten. Der Wettbewerb ist ein Instrument des Beschaffungs­ wesens. Ein unerfahrenes oder junges Büro kann über einen Wettbewerbsgewinn gegründet werden – viele be­ kannte Büros sind so entstanden. Seit wann schreibt der Kanton Bern die meisten Wettbewerbe offen aus ? Aus den genannten Gründen setze ich mich seit meinem Eintritt ins Amt vor rund zehn Jahren für den offenen Wett­ bewerb ein. Ich bin von diesem Verfahren absolut über­ zeugt. Der häufig angesprochene Mehraufwand ist kein Argument, auch wenn der Aufwand bei mehr als fünfzig eingereichten Projekten natürlich grösser ist.

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Was generiert den Mehraufwand ? Beim Wettbewerb für den Campus Biel erhielten wir 54 Ein­ gaben. Wir mussten sie vorprüfen, und die Jury benötig­ te einen Tag mehr, um die engere Auswahl zu treffen. Ab diesem Zeitpunkt ist man immer etwa gleich schnell – in der engeren Auswahl sind bei jedem Verfahren ungefähr gleich viele Projekte. Bei einem offenen Verfahren erhält man aber ein deutlich grösseres Spektrum an Lösungs­ möglichkeiten. Diese Vielfalt ist wertvoll. Was wäre die ideale Anzahl eingereichter Projekte ? Auch hundert Projekte jurieren wir gerne, dreissig bis fünfzig Projekte sind aber sicher für alle Beteiligten ide­ al. Bei dieser Anzahl kann die Ausloberin davon ausgehen, dass alle interessanten Ansätze geprüft wurden. Wenn nur fünfzehn Projekte eingereicht werden, ist das zu wenig und enttäuschend. Hatten Sie auch schon zu wenige Eingaben ? Ja, beim offenen Wettbewerb für das Pädagogische Zen­ trum für Hören und Sprache in Münchenbuchsee waren es mit vierzehn Eingaben zu wenige Beiträge. Zum Glück mussten wir aber noch nie neu ausschreiben und fanden trotzdem ein gutes Projekt. Wie kann man das Verfahren gut vorbereiten ? Grundsätzlich empfehle ich den Bauherren, das Rad nicht neu zu erfinden und SIA-konforme Verfahren durchzu­ führen. Im Kanton Bern machen wir mit der Jury immer eine ‹ Sitzung Null ›, bei der wir die Jury vor der Freigabe des Programms an die Aufgabe heranführen, und wir be­ sichtigen den Ort. Ich möchte keine Jurymitglieder, die am zweiten Tag der Jurierung die Örtlichkeiten noch nicht gesehen haben. Die Wegleitung zu den Wettbewerbsord­ nungen SIA 142 und SIA 143 ist für mich massgebend. Vor jedem Verfahren bespreche ich die wichtigsten Punkte daraus mit den Jurorinnen. Beim Wettbewerbsprogramm geht es darum, sich auf die Kernfragen zu konzentrieren. Es sollen keine Bundesordner mit Material, das niemand sichten kann, verlangt werden. Die Jurymitglieder müssen breit abgestützt, ausgewogen und zur Aufgabe adäquat sein. Jede Jury wächst während der Jurierung. Der Ent­ scheid einer Jury braucht genügend Zeit, entsteht idealer­ weise aus dem Dialog und erfolgt im Konsens. Was raten Sie Architektinnen in Bezug auf offene Wettbewerbe ? Unwesentliche Schwächen lassen sich auch bei einem Siegerprojekt noch ausmerzen, die wichtigen Kernfragen und Anforderungen des Bauherrn müssen aber gelöst und erfüllt sein. Die Architekten sollen sich deshalb auf das Wesentliche konzentrieren. Darf ich etwas wünschen ? Ja, bitte. Es wäre toll, wenn es vermehrt Büros gäbe, die alle Aufga­ ben, von der Projektierung bis zur Realisierung, aus einer Hand anbieten könnten. Ich bedaure es, wenn Planer sich nicht für die Ausführung interessieren. Ein Siegerprojekt haben wir schnell, aber danach geht es weiter. Auch die Nachhaltigkeit ist dem Kanton Bern wichtig. Uns irritiert es, wenn wir Eingaben erhalten, die sich in der heutigen Zeit nicht für das Thema interessieren. Wie entscheiden Sie sich für ein Verfahren ? Grundsätzlich bin ich immer für das offene Verfahren, aber es gibt Aufgaben wie den Neubau des Po­li­zei­zen­ trums Bern oder Laborbauten für die Universität Bern, bei denen das aus bestimmten Gründen nicht möglich oder

nicht sinnvoll ist. Beim Polizeizentrum mussten wir alle Beteiligten einem Sicherheitscheck unterziehen, das ging nicht anonym. Um das beste Projekt zu wählen, muss das Verfahren an sich aber anonym durchgeführt werden. Bei den Laborbauten waren es die engen Rahmen- und Rand­ bedingungen und das spezialisierte Raumprogramm. Die Art des Verfahrens ist nicht abhängig von der Investiti­ onssumme oder der Projektgrösse. Auch ein Gesamtleis­ tungswettbewerb kann in gewissen Fällen das richtige Verfahren sein. Bei einem selektiven Verfahren berück­ sichtigen wir immer zwei junge Büros. Aber es nehmen auch namhafte Büros an den offenen Wettbewerben teil ? Ja, neben jungen Teams nehmen auch viele etablierte Bü­ ros an den grossen Wettbewerben teil. Doch ein grosser Name ist kein Garant für die beste Idee. Auch junge Büros können gewinnen. Welche Bauvorhaben stehen im Kanton Bern an ? Es sind vor allem Aufgaben aus dem Bildungswesen, etwa Bauten der Universität, Fachhochschulen und Gymnasien. Wir haben in Bern die Gymnasien kantonalisiert ; viele der Liegenschaften sind sanierungsbedürftig oder brauchen Erweiterungsbauten. Auch Infrastrukturbauten wie Ge­ fängnisse sind in Planung. Dazu kommt der Ausbau des Medizinalstandorts auf dem Areal des Inselspitals in Bern, Da wird es ebenfalls weitere Bauaufgaben geben. Können wir mit offenen Wettbewerben rechnen ? Wenn immer möglich, ja. Es sind mehrere Wettbewerbe in Vorbereitung. Empfehlen Sie als Kantonsbaumeister anderen Kantonen, mehr offene Wettbewerbe zu machen ? Ja, unbedingt. Die Ergebnisse sind zielführend, und nur auf diese Weise bekommen sie alle möglichen Facetten eines Projekts zu sehen. Wichtig ist, die Ausschreibung sorgfältig und professionell vorzubereiten. Man soll nur verlangen, was wirklich juriert wird, und auch die Jury gut zusammensetzen.

Kanton Bern In den letzten fünf Jahren hat der Kanton Bern sechs von insgesamt acht Wett­ bewer­ben als offene Projektwettbewerbe aus­geschrieben. Aktuell liegt der Schwerpunkt der Aufgaben im Bildungs-, Infrastruktur- und Medizinalbereich. Der Wert des kantonalen Immobilienport­ folios beträgt fünf Milliarden Franken.

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Zum Stand der Dinge Vor zehn Jahren ging es dem offenen Wettbewerb einigermassen gut. Doch heute leidet er: zu wenige Verfahren mit zu vielen Teilnehmern. Wir müssen die Wettbewerbe wieder offener gestalten. Ein Kommentar. Text: Volker Bienert

Anfang der 2010er-Jahre gab es noch reichlich offene Wettbewerbe. Die Teilnehmerzahl schwankte, je nach Aufgabe, Kanton und Qualität der Ausschreibung, zwischen fünfzehn ( ! ) und siebzig, in Ausnahmen wie in der Stadt Zürich nahmen auch mal hundert und mehr Büros teil. Offen ausgelobt wurde querbeet, von Kleinen und Gros­s en, von Vereinen als Leistungserbringer öffentlicher Aufgaben über die Gemeinden bis hin zum Bund. Es war eine gute Zeit: Die Architekturbüros hatten die freie Wahl, zu welcher Aufgabe sie ihren Beitrag leisten wollten. Und die Auslober bekamen engagierte Beiträge bei überschaubaren Teilnehmerzahlen.

lust der Chancengleichheit. Sie weist auf die bekannten Mängel der nicht offenen Verfahren hin: wenig Transparenz, Verlust der Anonymität, Begünstigung von Vetternwirtschaft und Bildung von Seilschaften. Es ist an der Zeit, dem Wettbewerbswesen wieder zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Aktuell besteht die Gefahr, dass junge Architekturtalente nach kurzer Zeit frustriert aufgeben – auch weil sie auf Dauer ökonomisch nicht mithalten können. Der Baukultur gehen so entscheidende neue Impulse verloren. Eine Abwärtsspirale. Eine Generation, die sich nicht aktiv für den Nachwuchs einsetzt, dessen Förderung nur zu ihren Bedingungen zulässt oder die Konkurrenz der Ideen in einem offenen Markt mit weit hergeholten betriebs- oder volksEs rumort Heute stellt sich die Situation leider anders dar. Die wirtschaftlichen Argumenten einzuschränken versucht, Anzahl offener Wettbewerbe hat sich gegenüber 2010 fast kann als Sachwalter der Baukultur nicht länger ernst gehalbiert und stagniert seit vier Jahren auf einem äus­serst nommen werden. Gerade die Altvorderen sind angehalten, tiefen Niveau bei rund fünfzig offenen Wettbewerben im aktiv Gegensteuer zu geben und dem offenen Wettbewerb Jahr – schweizweit. Oder anders ausgedrückt: Gerade ein- wieder den Stellenwert einzuräumen, der ihm gebührt. mal ein Viertel der Konkurrenzverfahren zwischen 2016 Der offene Wettbewerb sollte die Regel sein, das nicht ofund 2019 wurde offen ausgelobt. Die Teilnehmerzahlen fene Verfahren die zu begründende Ausnahme. bei den offenen Verfahren sind in der Folge deutlich gestiegen und provozieren Unverständnis bei Laien und Luft nach oben Und wenn wir schon dabei sind, den offenen WettbeFachleuten. Das ist nicht gut. Nicht für die Architekturschaffenden, nicht für die Auslober und nicht für die Bau- werb zu restaurieren, dann können wir ihm noch weitere kultur in der Schweiz, für deren Fortbestand die öffent- und neue Tugenden mit auf den Weg geben: Die Schlusslichen Bauherren zu gros­sen Teilen verantwortlich sind. folgerungen des Preisgerichts im Jurybericht sind ein Den Wettbewerb gibt es im Grunde nur wegen der gesell- Anfang und geben den Teilnehmern eine fachliche Zuschaftlichen Wertschätzung der Baukultur. Er hat das Ziel, sammenfassung der Beurteilung an die Hand. Gleiches die Qualität der Architektur bei öffentlichen Bauaufgaben wünscht man sich für die Vorprüfung, deren Inhalt unbehochzuhalten. Aber es gibt Hoffnung für das in Schieflage dingt öffentlich gemacht werden muss. Der Jurybericht geratene Wettbewerbswesen. Bei den jungen Archi­tek­ kann im digitalen Zeitalter als PDF zum Download ohne tin­nen und Architekten rumort es, denn sie fühlen sich in Mehrkosten umfassender ausfallen und alle Projekte ausihrer Entwicklung eingeschränkt. Fachorgane wie Hoch- führlich dokumentieren. Auch die öffentliche Jurysitzung parterre greifen das Thema dankenswerterweise auf. Die sollte eine Renaissance erleben und der Teilnehmerapéro Fieberkurve des darbenden offenen Wettbewerbs rückt in mit dem Fachpreisgericht mehr als eine leidige Pflichtden Fokus der öffentlichen Diskussion. übung sein. Bestimmt gibt es noch weitere Ideen für die Qualitätssicherung des Projektwettbewerbs im offenen Verfahren. Die Macher und die Verantwortlichen, die BeSchatten der Begünstigung Es ist eben nicht so, dass die Guten sich durchsetzen. rater und die Teilnehmerinnen, alle sind aufgerufen, ihren Auf gut drei Viertel der Verfahren, die zu Planungsaufträ- Beitrag zum Wiedererstarken und zur Erneuerung des ofgen führen, liegt ein Schatten. Die Kritik an nicht offenen fenen Wettbewerbs zu leisten. Schon 2020 kann die AnVerfahren ist begründet und reklamiert zu Recht den Ver- zahl der offenen Wettbewerbe wieder markant steigen.

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Zur Person Hanspeter Winkler ist diplomierter Archi­ tekt ETH. Seit 2002 arbeitet er beim Bundesamt für Bauten und Logistik ( BBL ), seit 2005 als Leiter der Abteilung Pro­ jektmanagement. In verschiedenen Fachgremien fördert er den offenen Wett­bewerb. In den vom BBL ausgetragenen Wettbewerben fungiert er jeweils als Jurypräsident.

« Grenzen ? Sehe ich keine » Hanspeter Winkler setzt sich für den offenen Projektwettbewerb ein. Er ist im Bundesamt für Bauten und Logistik ( BBL ) für die Beschaffung von Planerleistungen verantwortlich und sieht im offenen Wettbewerb mehr Vor- als Nachteile. Interview: Tamara Prader

Die Anzahl offener Wettbewerbe ist rückläufig. Was halten Sie davon ? Hanspeter Winkler:  Ich beobachte diesen Trend mit Bedauern. Dabei wundere ich mich über die teils einseitigen Interessen der Architekten. Während sich für gewisse Bauaufgaben so viele Planer anmelden, dass bei der Besichtigung von Verkehrschaos berichtet wird, gibt es durchaus auch offene Wettbewerbe mit überschaubarer Teilnehmerzahl, zum Beispiel bei unserem aktuellen Wettbewerb in Magg­lin­gen. Für die Unterkünfte des Armeesports hatten wir nur 28 Eingaben. Wie kommt es, dass das BBL so viele offene Verfahren ausschreibt ? Wir sind überzeugt, dass wir bei einer grösseren Auswahl an Vorschlägen ein besseres Siegerprojekt erhalten: Ein grösseres Teilnehmerfeld bringt mehr Lösungen. Hat man sich für die Durchführung eines offenen Wettbewerbs entschieden, steigt der Mehraufwand bei vielen Eingaben nicht linear. Trotz der Überzeugung, dass der offene Wettbewerb zu besseren Resultaten führt, und trotz des Be22

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kenntnisses zur offenen Ausschreibung gibt es zwei Fälle, in denen wir im BBL davon absehen. Wenn die Bausumme bei mehr als hundert Millionen Franken liegt, stufen wir das Risiko als zu hoch ein: Wir möchten dann nicht mit unerfahrenen Planern arbeiten. Der zweite Fall betrifft Bauprojekte im Ausland. Ist die Bewilligungsfähigkeit gefährdet oder müssen wir mit zu grossen logistischen Problemen rechnen, hat das selektive Verfahren Vorrang. Beide Fälle sind aber die Ausnahme. Haben Sie Richtlinien für die Wahl des Verfahrens ? Es gibt einerseits die Empfehlungen der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren ( KBOB ) und andererseits eine amtsinterne Weisung. Dem Entscheid, welches Verfahren wir wählen, liegt ein vorgegebener Prozess zugrunde. Gibt es dazu eine Amtsphilosophie ? Die Baukultur und die hohe Bauqualität in der Schweiz brauchen den offenen Wettbewerb, um das Niveau hoch zu halten. Für uns als öffentliche Hand ist es selbstver-

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ständlich, dass wir dazu beitragen, die Architektur in der Schweiz zu fördern und weiterzuentwickeln. Wir pflegen diese Kultur, indem wir im offenen Wettbewerbsverfahren die besten Ideen zusammentragen. Eine ausformulierte Amtsphilosophie haben wir nicht, aber wir bemühen uns, die offene Wettbewerbskultur zu leben. Wie schätzen Sie die Zukunft des offenen Projektwettbewerbs ein ? Auch wegen des vom eidgenössischen Parlament vor Kurzem verabschiedeten revidierten Beschaffungsrechts, das den Qualitätswettbewerb stärkt, bin ich zuversichtlich, dass wieder vermehrt offene Wettbewerbe ausgelobt werden. Das führt zu neuen und nachhaltigen Lösungen. Sehen Sie sich in einer Vorbildrolle gegenüber anderen Auslobern ? Unser föderalistisches System bietet allen Auslobern die Chance, ein Vorbild zu sein. Die Schweizer Baukultur hat international einen sehr hohen Stellenwert, der gepflegt und gefördert werden soll. Wer dazu einen Beitrag leisten kann, sollte das tun. Ein reger Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren fördert die Qualität und die schweizerische Wettbewerbskultur. Häufig hört man die Kritik, offene Projektwettbewerbe würden mehr kosten. Der grösste Aufwand liegt in der Vorbereitung. Diese Arbeit müssen wir aber ohnehin leisten, unabhängig vom gewählten Verfahren. Die Herausforderung bei offenen Wettbewerben liegt darin, zu antizipieren und den verlangten Umfang der Eingabe verhältnismässig zu halten. Offene Verfahren bedeuten einen kalkulierbaren Mehraufwand. Dank des Mehrgewinns in einem offenen Verfahren sind allfällige Mehrkosten jedoch meistens vertretbar. Grosse Teilnehmerzahlen stellen also kein Problem dar ? Das lässt sich bewältigen. Anhand der Anmeldungen oder der Anzahl abgeholter Modelle erhält man früh Angaben zum Teilnehmerfeld. Wenn man gut vorbereitet ist, kann es gar nicht zu Überraschungen kommen. Welches sind Ihre Argumente bei kritischen Stimmen ? Wettbewerbe sind ein bewährtes und faires Mittel, Planerleistungen zu vergeben. Wichtig ist eine positive Einstellung der Auftraggeber. Alle am Prozess Beteiligten müssen abgeholt und für die jeweilige Aufgabe motiviert werden. Wo sehen Sie die Probleme des offenen Projektwettbewerbs ? Einzig, dass komplexe Bauaufgaben an unerfahrene Planer fallen können. Ist man sich dessen bewusst, stellt selbst das ein kalkulierbares Risiko dar. In solchen Fällen kann man die jungen Gewinner beispielsweise mit erfahreneren Planerinnen zusammenschliessen. Wo stösst der offene Projektwettbewerb an Grenzen ? Grenzen ? Sehe ich keine. Bei grossen Teilnehmerzahlen kann eine Herausforderung sein, dass ein grösserer Raum und mehr Stellwände benötigt werden. Punkte, die organisierbar sind. Die Jurierung vieler Eingaben ist eine Frage der Methode und der positiven Grundeinstellung dazu. Welchen Rat geben Sie anderen Auslobern ? Debriefings sind wichtig. Es gilt, den Teilnehmerinnen, aber auch den Jurymitgliedern ehrliche Wertschätzung entgegenzubringen. Auch die Publikation der Resultate in grafisch und inhaltlich ansprechenden Juryberichten ist

Teil dieser Wertschätzung. Positive Erfahrungen mit offenen Wettbewerben sollten ausgetauscht und publiziert werden. In der Weiterbearbeitung empfehle ich, darauf zu achten, dass das Siegerprojekt möglichst dem Wettbewerbsresultat entsprechend umgesetzt wird. Was bringt 2020 ? Wir bereiten in unserem Amt momentan drei offene Projektwettbewerbe vor.

Bundesamt für Bauten und Logistik Das BBL stellt für die Bundesverwaltung die Immobilien zur Verfügung und ist für deren Bau, Unterhalt und Betrieb verant­ wortlich. Das Bundesamt kümmert sich um 26 000 der rund 33 000 Büroarbeits­plätze der zivilen Bundesverwaltung. Wett­ bewerbe gelten beim BBL als Königs­ disziplin, und alle Bauherrenvertreter sind, nebst dem Tagesgeschäft, abwechselnd dafür zuständig. Von 2013 bis 2019 hat das BBL dreizehn offene Wettbewerbsverfah­ ren durchgeführt. Nebst dem BBL erteilen als Institutionen des Bundes auch die Armasuisse Immobilien und die ETH Pla­ nungsaufträge. Zwischen diesen staatli­ chen Auftraggebern findet ein informeller Austausch statt, doch handeln sie auto­ nom. Anders als das BBL hat die ETH in den letzten sechs Jahren keinen einzi­gen offenen Projektwettbewerb ausgelobt.

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Der offene Wettbewerb Der Projektwettbewerb im offenen Verfahren droht in der Deutschschweiz zu verschwinden. Dagegen wehren wir uns. Wir widerlegen Vor­ urteile und benennen die Stärken des fairsten Verfahrens. Drei Interviewpartner setzen sich in der Gemeinde Wartau, im Kanton Bern und beim Bund für den offenen Wettbewerb ein. Alle Argumente sprechen dafür: Öffnet die Ar­ chitekturwettbewerbe wieder mehr !

Folgende Personen, Büros und Institutionen haben das Themenheft ermöglicht ( in alphabetischer Reihenfolge ): ADP Architektur Design Planung Adrian Streich Architekten Annette Gigon / Mike Guyer Armon Semadeni Architekten Bachelard Wagner Architekten Baumann Roserens Architekten Bearth & Deplazes Architekten Beat Consoni Beer Merz Architekten Bellwald Architekten Berrel Berrel Kräutler Bollhalder Eberle Architektur Boltshauser Architekten BS + EMI Architektenpartner Bünzli & Courvoisier Architekten Büro B Architekten Caesar Zumthor Architekten Christoph Hänseler Doppler Muhl Architekten Dr. Deuring + Oehninger EM2N Architekten Enzmann Fischer Partner Fischer Architekten Fritschi Beis Gérard Prêtre Giuliani Hönger Graber Pulver Architekten Hubert Bischoff Architekturbüro Huggenbergerfries Architekten Isa Stürm Urs Wolf Isler Gysel Architekten Jonas Wüest Architekten Liechti Graf Zumsteg Architekten Luca Selva Marc Angélil Meili, Peter & Partner Architekten Meletta Strebel Architekten Michael Meier Marius Hug Architekten Nimbus Architekten Nord Oester Pfenninger Architekten Pablo Horváth Pascal Wassmann Phalt Architekten Pool Architekten Schaffhauser Architektur Forum Scharf Schneider Studer Primas Singer Baenziger Architekten SSA Architekten Stirnemann Architekten Studio Burkhardt Thomas Lehmann Architektur & Planung Urs Wolf Architekten Wulf Architekten Zach + Zünd Zimmermann Sutter Architekten Zwei Büros, die anonym bleiben wollen www.hochparterre.ch

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