Zeitschrift für Sportpsychologie

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Sportpsychologie Digest

Sportpsychologie Digest Die Rubrik „Sportpsychologie Digest“ liefert Überblicke über interessante und aktuelle Artikel aus der Sportpsychologie. Einreichungen für diese Rubrik nimmt gern Chris Englert (Englert@sport.uni-frankfurt.de) als verantwortlicher Herausgeber entgegen.

Macht sportliche Betätigung schlau?! Schon im alten Rom parodierte der Dichter Juvenal den „Sportwahn“ seiner Zeit, indem er schrieb: „Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper auch ein gesun­ der Geist stecken möge.“ Dass dieser Spruch bis heute oft­ mals fehlerhaft zitiert wurde, liegt weniger an Juvenals sati­ rischen Fähigkeiten, als daran, dass dieser Spruch häufig falsch (nämlich mit: „in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist“) überliefert wurde. Schon damals wollten also die Menschen glauben, dass ein gut funk­tionierender Körper, zum Beispiel der Körper eines trainierten Sportlers, einen klugen Kopf trägt. Heutzutage ist Juvenals falsche Überlieferung schon fast Allgemeingut geworden, obwohl immer mehr Menschen inaktiv sind. Die bisherige Forschung aber scheint Juvenals Spruch zu bestätigen. So konnte unter anderem gezeigt werden, dass inaktives Verhalten zunimmt und der Zusammenhang von Bewegungsmangel mit physischer Gesundheit und kogniti­ ver Entwicklung evident zu sein scheint. Als Folge daraus ­erschien bereits im Jahr 2008 das Motto „be smart, exercise your heart“.

Neue Forschung im Widerspruch? Adele Diamond und Daphne Ling kamen aber in einem aktu­ ellen Kommentar zu einem scheinbar entgegen­ gesetzten Schluss: Laut ihnen sind sportliche Aktivitäten wie Ausdau­ er- und Krafttraining mitunter am wenigsten geeignet die ko­ gnitive Entwicklung zu fördern. Nach Meinung der Autorin­ nen kann die sportliche Aktivität die ­kognitiven Funktionen und Entwicklung aber unter Berücksichtigung bestimmter Bedingungen und als ganzheitliche sportliche Aktivität för­ dern. Daher unterscheiden sie neuerdings zwischen isolier­ ter körperlicher Übung (bspw. Ausdauer- oder Krafttrainings) und sportlicher Aktivität, deren Aufgabenanforderungen sie als ganzheit­licher und weit über die physiologische Bean­ spruchung hinausgehend ansehen. Außerdem gehen sie da­ von aus, dass sportliche Aktivität nicht ausschließlich zur frü­ hen Spezialisierung, leistungsorientiert, repetitiv, intensiv und stressig betrieben werden darf. Sondern sollte sie: (1.) die kognitiven Funktionen immer wieder aufs Neue und auf un­ Zeitschrift für Sportpsychologie (2019), 26 (1), 36–38

terschiedliche Weise herausfordern; (2.) persönlich bedeu­ tungsvoll sein und ein Engagement der Teilnehmer an der Aktivität und untereinander fördern; (3.) von einem Mentor angeleitet werden und (4.) Freude bereiten, Stressgefühle re­ duzieren und das Selbstbewusstsein fördern.

Praxis – Wissenschaft Sie untermauern somit das, was in der Praxis (bspw. in Kin­ dersportschulen) schon umgesetzt wird: Für eine positive Entwicklung sollte Kindern und Jugendlichen die Möglich­ keit gegeben werden, vielfältig Sport zu treiben. Im Ver­ gleich zu dekontextualisierten Trainings können vielfältige und abwechslungsreiche Angebote Kinder und Jugendliche begeistern und dauerhaft an den Sport binden. Die emotio­ nale Bindung an eine körperlich und kognitiv herausfor­ dernde Aktivität kann damit zu einer gelungenen kognitiven Entwicklung beitragen. Diese neue Entwicklung hat zur Folge, dass sich ein ­zunehmender Teil der Wissenschaft mit der sportlichen ­Aktivität als ganzheitliches Konstrukt befasst. Dies führt zwangsweise zur Berücksichtigung von motorischen, kog­ nitiven, emotionalen und sozialen Aufgabenanforderungen innerhalb der Aktivität, und der Untersuchung deren Ein­ fluss auf die kognitiven Funktionen. Um zum Abschluss nochmals auf den eingangs zitierten Juvenal zurückzukom­ men: Für die Förderung eines gesunden Geistes hilft nicht ausschließlich Beten, sondern die richtige sportliche Aktivi­ tät auf eine richtige Art und Weise auszuüben. Diamond, A. & Ling, D. S. (2018). Aerobic-Exercise and resistancetraining interventions have been among the least effective ways to improve executive functions of any method tried thus far. Advance online publication Developmental Cognitive Neuro­ ­ science. https://doi.org/10.1016/j.dcn.2018.05.001 Sofia Anzeneder und Valentin Benzing Institut für Sportwissenschaft, Universität Bern s.anzeneder@gmail.com valentin.benzing@ispw.unibe.ch https://doi.org/10.1026/1612-5010/a000252 © 2019 Hogrefe Verlag


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