Zeitschrift für Sportpsychologie

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Sportpsychologie Digest

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Wie wirkt sich Ärger auf die sportliche Leistung aus? Eine experimentelle Studie im Fechten Frederik bereitet sich monatelang intensiv auf die deut­ schen Meisterschaften im Weitsprung vor und kann viel­ versprechende Ergebnisse in der Qualifikation aufweisen. Am Wettkampftag ruft er jedoch wiederholt nicht seine Leistung ab. Annika wird wieder nur zehn Minuten vor dem Spielende eingewechselt, obwohl sie letzte Woche nach ihrer Einwechslung stark gespielt hat. Im Sport gibt es viele Situationen, in denen Athlet_innen Ärger erleben können. Theoretische Überlegungen und empirische Be­ funde aus dem Sport legen nahe, dass Ärger sowohl hin­ derlich als auch förderlich für die sportliche Leistung sein kann. Einerseits wird angenommen, dass sich Ärger nega­ tiv auf Aufgaben auswirkt, die ein hohes Maß an Präzision und Konzentration erfordern. Anderseits wird postuliert, dass die erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensys­ tems zu einer verbesserten Leistung bei solchen Aufgaben führt, die Kraft und Schnelligkeit erfordern. Fechten ist eine Sportart, die sowohl Kraft und Schnel­ ligkeit als auch Präzision erfordert. Aus diesem Grund ha­ ben Zur und Kollegen (2018) zur Überprüfung der postu­ lierten Annahmen eine Studie mit zwei professionellen Fechterinnen und einer Fechterin sowie einem Fechter aus dem Amateurbereich durchgeführt. In einem Messwie­ derholungsdesign durchliefen die Probanden drei Phasen: 1. Neutrale Phase (Baseline-Messung) 2. Interventionsphase (Ärger-Induktion durch Skript) 3. Neutrale Phase (Überprüfung, ob sich der postulierte Effekt der Induktion über die Zeit wieder verringert) Im Vergleich zu den bisherigen Studien (z. B. Woodman et al., 2009) sind zwei methodische Aspekte hervorzu­ heben. Erstens ermöglichte die Instruktion, mit einem Florett so schnell und akkurat wie möglich nach einem ­Signal auf eine Zielscheibe zu schlagen, die Messung von drei sportrelevanten objektiven Indikatoren: Präzision, Reaktionszeit, und Muskelaktivität. Zweitens wurden ­zusätzlich zum erlebten Ärger der Puls, die Hautleitfä­ higkeit und die Gesichtstemperatur als physiologische ­Parameter gemessen.

© 2019 Hogrefe Verlag

Die Ergebnisse zeigen erwartungsgemäß einen stärke­ ren selbstberichteten Ärger in der Phase, in der Ärger in­ duziert wurde. Während bei den professionellen Fechte­ rinnen ein Effekt bei der Hautleitfähigkeit und dem Puls festzustellen ist, gab es keine systematischen Veränderun­ gen auf physiologischer Ebene bei den Fechter_Innen aus dem Amateurbereich. In Bezug auf die Auswirkungen von Ärger hat sich nach der Ärger-Induktion bei allen Proban­ den eine Abnahme der Präzision gezeigt, die jedoch bei den Fechter_Innen aus dem Amateurbereich in der dritten Phase nicht wieder zurückging. Bei den Indikatoren für Schnelligkeit und Kraft sind die Ergebnisse eher inkonsis­ tent. Hier hat sich nur für eine der professionellen Fechte­ rinnen eine schnellere Reaktionszeit sowie eine erhöhte Muskelaktivität in der Phase der Ärger-Induktion gezeigt. Es bleibt festzuhalten, dass die Ergebnisse die An­nahme einer Verschlechterung der Präzision als Folge einer Ärger-Induktion unterstützen. Hingegen lässt sich die ­ ­An­nahme, dass sich Ärger förderlich auf Kraft und Schnel­ ligkeit auswirkt, nicht bestätigen. Schlussfolgernd sollte ­diese Studie als ein weiterer Schritt zu einem besseren Verständnis der Beziehung zwischen Ärger und sportli­ cher Leistung gesehen werden. Insbesondere die verschie­ denen innovativen Methoden erscheinen vielverspre­ chend, auch zur Erforschung der generellen Rolle von Emotionen im sportlichen Kontext. Woodman, T., Davis, P. A., Hardy, L., Callow, N., Glasscock, I. & YuillProctor, J. (2009). Emotions and sport performance: An exploration of happiness, hope, and anger. Journal of Sport & Exercise Psychology, 31, 169 – 188. https://doi.org/10.1123/jsep.31.2.169 Zur, I., Cooke, A., Woodman, T., Neil, R. & Udewitz, R. (2018). Don’t make me angry! A psychophysiological examination of the anger-performance relationship in intermediate and elite fencers. Advance online publication. Journal of Applied Sport P ­ sychology. https://doi.org/10.1080/10413200.2018.1464079 Julian Fritsch Karsruher Insitut für Technologie (KIT) Julian.Fritsch@kit.edu https://doi.org/10.1026/1612-5010/a000253

Zeitschrift für Sportpsychologie (2019), 26 (1), 36–38


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