Zeitschrift für Sportpsychologie

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Sportpsychologie Digest

Feedback matters! Wie virtuelle Realität in der Rehabilitationsrobotik die Gehirnaktivität beeinflusst Sowohl neurologische Erkrankungen als auch fortschrei­ tendes Alter oder Verletzungen im Sport führen zu moto­ rischen Einschränkungen, die sich in Gang- und Gleich­ gewichtsstörungen zeigen und die Autonomie und Lebensqualität der Betroffenen beeinflussen. Aufgrund des technologischen Fortschritts erleben die Rehabili­ tationsansätze eine Revolution mit zukunftsweisenden ­Entwicklungen. Konventionelle Therapien wie Physio- oder Ergothera­ pie werden durch roboter- und computergestützte Systeme ergänzt, die ein frühes, intensives, aufgabenspezifisches sowie multi-sensorisches Training gewährleisten und die neuronale Plastizität bei Patienten steigern können. In Ab­ hängigkeit des Schweregrades der Beeinträchtigung kön­ nen Bewegungsabläufe des Patienten unterstützend oder sogar vollständig über robotische Systeme durchgeführt werden (Turner, Ramos-Murguialday, Birbaumer, Hoff­ mann, & Luft, 2013). Darüber hinaus werden Feedback­ programme mit virtueller Realität (VR) eingesetzt, die dem Patienten entsprechende Rückmeldung über die eigene Leistung und den Therapiefortschritt bieten. Welche neu­ rophysiologischen Prozesse durch das Feedback initiiert werden und ob es Unterschiede zwischen verschiedenen Formen des Feedbacks gibt, war lange ungeklärt. Um dies zu untersuchen, absolvierten 11 gesunde Pro­ banden ein robotergestütztes Gangtraining im Lokomat­ Pro (Hocoma, Schweiz) mit fünf verschiedenen Feedback­ bedingungen (Wagner, Solis-Escalante, Scherer, Neuper, & Müller-Putz, 2014). Zum einen sahen sie ihre eigenen Bewegungen im Spiegel, zum anderen steuerten sie mit ihren Bewegungen einen Avatar in einer VR auf einem Bildschirm, entweder aus erster oder aus dritter PersonPerspektive. Zwei weitere Bedingungen (schwarzer Bild­ schirm mit / ohne Fixationskreuz) dienten als Kontroll­ bedingungen. Die Gehirnaktivität der Probanden wurde mithilfe der Elektroenzephalographie (EEG) erhoben. Im Vergleich zu den Kontrollbedingungen und dem Spiegel

Zeitschrift für Sportpsychologie (2019), 26 (1), 36–38

Feedback zeigten die Probanden während des interakti­ ven Feedbacks in der VR eine signifikant niedrigere Power im alpha (8 – 12 Hz), beta (13 – 2 3) und im unteren gamma (23 – 40 Hz) Frequenzband des prämotorisch-parietalen Netzwerks. Wagner et al. (2014) interpretieren die niedri­ ge Power als erhöhte Hirnaktivität, die visuomotorische und motorische Planungsprozesse wiederspiegelt. An­ hand dieser Befunde lässt sich mutmaßen, dass eine inter­ aktive, zielgerichtete VR-Gangtherapie mit bewegungsbe­ zogenem Feedback motorische Gehirnareale aktiviert, die essentiell für motorisches Lernen sind. Wie sich verschie­ dene Feedbackprogramme mit und ohne VR auf die Hirn­ aktivität, Neuroplastizität und den Therapieerfolg bei Pa­ tienten mit motorischen Beeinträchtigungen auswirken, sind essentielle Fragen für zukünftige Studien, damit die robotergestützten Therapien individuell angepasst, gege­ benenfalls mit weiteren Therapieverfahren (z. B. trans­ kranielle elektrische Hirnstimulation) ergänzt und die Re­ habilitation optimiert werden kann (Teo et al., 2016). Teo, W.-P., Muthalib, M., Yamin, S., Hendy, A. M., Bramstedt, K., ­Kotsopoulos, E. & Ayaz, H. (2016). Does a Combination of Virtual Reality, Neuromodulation and Neuroimaging Provide a Comprehensive Platform for Neurorehabilitation? A Narrative Review of the Literature. Frontiers in Human Neuroscience, 10, 284. https://doi.org/10.3389/fnhum.2016.00284 Turner, D. L., Ramos-Murguialday, A., Birbaumer, N., Hoffmann, U. & Luft, A. (2013). Neurophysiology of robot-mediated training and therapy: A perspective for future use in clinical populations. Frontiers in Neurology, 4, 184. https://doi.org/10.3389/fneur. 2013.00184 Wagner, J., Solis-Escalante, T., Scherer, R., Neuper, C. & MüllerPutz, G. (2014). It’s how you get there: Walking down a virtual ­alley activates premotor and parietal areas. Frontiers in Human Neuroscience, 8, 93. https://doi.org/10.3389/fnhum.2014.00093 Alisa Berger Johannes Gutenberg-Universität Mainz alisa.berger@uni-mainz.de https://doi.org/10.1026/1612-5010/a000254

© 2019 Hogrefe Verlag


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