Jahrgang 8 / Heft 1 / 2019 Herausgeber Fabienne Becker-Stoll Yvonne Anders Klaus Fröhlich-Gildhoff Marcus Hasselhorn Iris Nentwig-Gesemann Franz Petermann Hans-Günther Roßbach Susanne Viernickel
Frühe Bildung Interdisziplinäre Zeitschrift für Forschung, Ausbildung und Praxis Schwerpunkt Frühe naturwissenschaftliche Bildung
Unsere Buchtipps
Ratgeber Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)
Gerd Schulte-Körne Katharina Galuschka
Ratgeber Lese-/Rechtschreibstörung (LRS) Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher
Ratgeber Lese-/Rechtschreibstörung (LRS) Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher (Reihe: „Ratgeber Kinderund Jugendpsychotherapie“, Band 26). 2019, 86 Seiten, Kleinformat, € 9,95 / CHF 13.50 ISBN 978-3-8017-2722-2 Auch als eBook erhältlich
Hanisch / Richard / Eichelberger / Greimel / Döpfner
Stand Abbildung
Charlotte Hanisch Stefanie Richard Ilka Eichelberger Lisa Greimel Manfred Döpfner
Schulbasiertes Coaching bei Kindern mit expansivem Problemverhalten (SCEP) Handbuch zum Coaching von Lehrkräften
Christiane Eichenberg / Felicitas Auersperg
Chancen und Risiken digitaler Medien für Kinder und Jugendliche
Franz Petermann Ulrike Petermann
Lernen Grundlagen und Anwendungen 2., überarbeitete Auflage
Lernen ist ein allgegenwärtiges Phänomen. Nicht nur das Lernen in der Schule oder im Beruf beeinflussen unser Leben, sondern auch beiläufige, alltägliche Lernvorgänge. Das Buch liefert einen Überblick über die neurowissenschaftlichen Grundlagen von Lernen und Gedächtnis sowie motivationale und emotionale Grundlagen des Lernens. Unter anderem werden klassisches und operantes Konditionieren, kognitives, sozial-kognitives und implizites Lernen vorgestellt und durch Alltagsbeispiele illustriert.
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Chancen und Risiken digitaler Medien für Kinder und Jugendliche
Lernen
Grundlagen und Anwendungen 2., überarbeitete Auflage 2018, 218 Seiten, € 26,95 / CHF 35.90 ISBN 978-3-8017-2910-3 Auch als eBook erhältlich
2018, 134 Seiten, Großformat, inkl. CD-ROM, € 59,95 / CHF 75.00 ISBN 978-3-8017-2813-7 Auch als eBook erhältlich
Das verhaltenstherapeutische Schulcoaching SCEP richtet sich an Fachkräfte, die Lehrpersonen im Umgang mit Grundschülern fortbilden möchten, die aggressives, oppositionelles, unaufmerksames, impulsives oder hyperaktives Problemverhalten zeigen. Neben einer eintägigen präventiven Fortbildung für ein Schulkollegium umfasst es ein etwa 12-wöchiges Einzelcoaching für die individuelle Weiterbildung einzelner Lehrkräfte. Das Einzelcoaching besteht aus 12 variablen Bausteinen, die individuell zusammengestellt werden können. Alle Materialien (z.B. Arbeitsblätter) sind auf einer beiliegenden CD-ROM enthalten. Eichenberg / Auersperg
Petermann / Petermann
Lernen
Schulbasiertes Coaching bei Kindern mit expansivem Problemverhalten (SCEP) Handbuch zum Coaching von Lehrkräften
Der Ratgeber informiert über die Symptomatik, die Ursachen, die Diagnostik sowie die Präventions- und Fördermöglichkeiten bei einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung. Eltern, Lehrer und Erzieher erhalten konkrete Ratschläge und Anleitungen zum Umgang mit der Problematik in der Familie, in der Schule und im Kindergarten. Jugendlichen werden Ratschläge und Anleitungen zur Selbsthilfe gegeben.
Franz Petermann / Ulrike Petermann
Charlotte Hanisch et al.
Schulbasiertes Coaching bei Kindern mit expansivem Problemverhalten (SCEP)
Schulte-Körne / Galuschka
Gerd Schulte-Körne / Katharina Galuschka
Christiane Eichenberg Felicitas Auersperg
Chancen und Risiken digitaler Medien für Kinder und Jugendliche Ein Ratgeber für Eltern und Pädagogen
Ein Ratgeber für Eltern und Pädagogen 2018, 178 Seiten, Kleinformat, € 16,95 / CHF 21.90 ISBN 978-3-8017-2647-8 Auch als eBook erhältlich
Digitale Medien haben in der Lebenswelt von Heranwachsenden eine hohe Bedeutung. Der Ratgeber gibt einen Überblick über die aktuelle Nutzungspraxis verschiedener Medien, stellt die Potenziale moderner Mediennutzung für die Bereiche Lernen, Spielen, Aufbau sozialer Beziehungen sowie Informationsaustausch dar und informiert über mögliche Risiken, z.B. Internetsucht, Cybermobbing. Eltern und Pädagogen erhalten konkrete Hilfestellungen, wie sie den Umgang mit modernen Medien konstruktiv fördern können.
Frühe Bildung Interdisziplinäre Zeitschrift für Forschung, Ausbildung und Praxis
Jahrgang 8 / Heft 1 / 2019
Schwerpunkt Frühe naturwissenschaftliche Bildung Herausgeber Yvonne Anders und Mirjam Steffensky
Herausgeberinnen und Herausgeber
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Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Berlin
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Frühe Bildung (2019), 8 (1)
© 2019 Hogrefe Verlag
Inhalt Editorial
1
Frühe naturwissenschaftliche Bildung Yvonne Anders und Mirjam Steffensky
Schwerpunktbeiträge
Bildungsunterschiede von Anfang an? Die Bedeutung von Struktur- und Prozessmerkmalen für die naturwissenschaftliche Kompetenz von Vorschulkindern mit und ohne Migrationshintergrund
3
Educational Disparities Right From the Start? Relevance of Structural and Procedural Variables for the Scientific Literacy of Preschool Children With and Without a Migration Background Inga Hahn und Katrin Schöps Interaktion von pädagogischen Fachkräften und Kindern in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten im Kindergarten. Ein Blick auf die Quantität kindlicher Redebeiträge
13
Teacher-Child Interaction in Preschool Science Learning: Focussing on Quantitative Aspects of Children's Talk Anika Bürgermeister, Gerlind Große, Miriam Leuchter, Ueli Studhalter und Henrik Saalbach Förderung biologischer Beobachtungskompetenz im Kindergarten
22
Fostering Biological Observation Competency in Preschool Janina Klemm, Lucia Kohlhauf, William J. Boone, Beate Sodian und Birgit J. Neuhaus Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
30
Early Childhood Education Students' Attitudes Toward Science and Science Teaching Doris Drexl, Eva Born-Rauchenecker und Bernhard Kalicki Freie Beiträge
37
Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation Children's Participation in Pedagogical Documentation Helen Knauf Welche Rolle spielen sprachliche Parameter für die Entwicklung integrierter verbal-numerischer Konzepte im vierten Lebensjahr?
44
Which Role Do Verbal Parameters Play in the Development of Integrated Verbal-Numerical Concepts at the Age of Four? Julia Hartmann, Antje Ehlert und Annemarie Fritz Diskussionen
MINT schon im Kindergarten!?
53
Stefan Aufenanger
© 2019 Hogrefe Verlag
Frühe Bildung (2019), 8 (1)
Stellungnahme zum Beitrag von Assoudi und Petermann in Frühe Bildung, 7 (3)
55
Carolin Machens, Jutta Trautwein und Renate Zimmer Replik auf die Stellungnahme von Machens, Trautwein und Zimmer
57
Lisa Rennecke und Franz Petermann Innovation
Das Projekt BEFAS. Ein Programm zur Qualifizierung von Personen mit ausländischen pädagogischen Hochschulabschlüssen zu Kindheitspädagog_innen
59
Tina Friederich Informationen
Frühe naturwissenschaftliche Bildung im Spiegel des Deutschen Bildungsservers
62
Andrea Völkerling
Rezension
Veranstaltungen
64
Im Fokus – MINT-Bildung in Kita und Schule
65
Dagmar Winterhalter Mitteilungen
Hinweise für Autorinnen und Autoren
Frühe Bildung (2019), 8 (1)
Call for Papers
67
Gutachterinnen und Gutachter 2018
68 69
© 2019 Hogrefe Verlag
Editorial Frühe naturwissenschaftliche Bildung Erfahrungsmöglichkeiten mit und in der Natur sind in der deutschen frühpädagogischen Tradition fest verwurzelt und auch im Begriff „Kindergarten“ abgebildet. In den letzten Jahren erfahren die möglichen Potenziale früher naturwissenschaftlicher Bildung vermehrt zusätzliche breite Aufmerksamkeit. So sind Naturwissenschaften als Bildungsbereich in den Rahmen- und Orientierungsplänen der Bundesländer verankert und zahlreiche regionale und bundesweite Initiativen und Modellprojekte wurden ins Leben gerufen, um die naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtungen zu befördern. Diese Initiativen zielen auf die Förderung eines ersten grundlegenden naturwissenschaftsbezogenen Wissens der Kinder sowie auf das Aufgreifen und die Weiterentwicklung von Lernstrategien und motivationalen Voraussetzungen wie der Lernfreude und der Selbstwirksamkeit. Diese verschiedenen Aspekte sollen dann die Basis für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Kompetenzen im weiteren Bildungsverlauf legen. Erste Ergebnisse zeigen beispielsweise, dass ein allgemeines naturwissenschaftliches Wissen am Ende der Kindergartenzeit prädiktiv ist für das naturwissenschaftliche Wissen in der Grundschule (Morgan, Farkas, Hillemeier & Maczuga, 2016). Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa ist festzustellen, dass der Implementierung naturwissenschaftlicher Angebote in den Kindertageseinrichtungen vergleichsweise viel Aufmerksamkeit zukommt. Neben viel Enthusiasmus bei der Entwicklung und Umsetzung dieser Initiativen kann auf der anderen Seite auch eine gewisse Skepsis bei Teilen der Fachkräfte und Eltern wahrgenommen werden. Diese Skepsis bezieht sich vor allem auf Ängste vor einer möglichen Verschulung des Elementarbereichs, einer Aufgabe der spielbasierten und spielorientierten Pädagogik, einer Überforderung der Kinder oder einer Vernachlässigung anderer als wichtig wahrgenommener Erfahrungsmöglichkeiten, z. B. Angebote im musischen Bereich oder Angebote zur Förderung des Sozialverhaltens. Zudem lassen weder die Rahmenund Orientierungspläne noch didaktische Materialien einen Konsens über die fachliche Tiefe, mit der naturwissenschaftliche Inhalte in Lernangeboten umgesetzt werden sollen, erkennen (Steffensky, 2017). Diese Situation stellt sowohl Einrichtungen als auch frühpädagogische Fachkräfte vor gewisse Herausforderungen. Gleichzeitig werden Kinder als motiviert und neugierig, sich mit der sie umgebenden belebten und unbelebten © 2019 Hogrefe Verlag
Natur auseinanderzusetzen, eingeschätzt, und viele Befunde vor allem aus der Entwicklungspsychologie zeigen, dass bereits sehr junge Kinder zu naturwissenschaftlichen Phänomenen und Vorgehensweisen eigene Ideen entwickeln. Um diese Neugierde und ersten Ideen aufzugreifen und weiterzuentwickeln, wird, wie auch für andere Bildungsbereiche, die pädagogische Qualität der Lernangebote als ausschlaggebend angenommen (Anders, 2013). Die pädagogische Qualität bezieht sich in besonderem Maße auf die Qualität der pädagogischen Interaktionen, und zwar vor allem zwischen frühpädagogischer Fachkraft und Kindern. Ausgehend von zum Beispiel ersten Befunden aus der Mathematik (McCray & Chen 2012; Anders & Rossbach, 2015) kann auch für die Naturwissenschaften davon ausgegangen werden, dass bereichsspezifische Kompetenzen auf Seiten der Fachkräfte notwendig sind, um qualitativ hochwertige Lerngelegenheiten im Bereich der frühen naturwissenschaftlichen Bildung bereitzustellen. Wissensfacetten (fachliches, fachdidak tisches und allgemein pädagogisches Wissen) werden dabei ebenso diskutiert wie pädagogisch relevante Überzeugungen und motivationale Voraussetzungen zur Bereitstellung qualitativ hochwertiger Lernangebote. Bislang existieren kaum Untersuchungen zur Umsetzung naturwissenschaftlicher Bildung in Kindertageseinrichtungen, zu den Voraussetzungen und Qualifikationen der pädagogischen Fachkräfte, zur naturwissenschaftsbezogenen Prozessqualität und Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung sowie zu den Auswirkungen naturwissenschaftlicher Bildung auf die kindliche Entwicklung. Daher freuen wir uns, in diesem Heft vier Beiträge präsentieren zu können, die das Thema frühe naturwissenschaftliche Bildung aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Inga Hahn und Katrin Schöps gehen der Frage nach, inwiefern sich bereits bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren migrationsbedingte Disparitäten in der natur wissenschaftlichen Kompetenz zeigen. Sie greifen für ihre Analysen auf Daten des Nationalen Bildungspanels (Na tional Educational Panel Study – NEPS) zurück und fokussieren auf Aspekte, die vor dem Hintergrund z unehmender Migrationsbewegungen besondere Beachtung verdienen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass migrationsbedingte Disparitäten bereits im vorschulischen Alter existieren. Ferner besteht ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen dem rezeptiven Wortschatz in Deutsch und der naturwissenschaftlichen Kompetenz der Kinder. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 1–2 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000404
2 Editorial
Im Zentrum der Untersuchung von Anika Bürgermeister, Gerlind Große, Miriam Leuchter, Ueli Studhalter und Henrik Saalbach steht die Qualität der Interaktionen zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Kindern. Es werden die verbale Lernunterstützung der Fachkraft sowie Redeanteile von Kindern und Fachkräften in 34 schweizerischen Vorschulgruppen differenziert erfasst und in ihrer Bedeutung für das kindliche Lernen analysiert. Die B efunde verdeutlichen, dass eine aktive Lernbeteiligung der Kinder vor allem dann förderlich für das kindliche Lernen ist, wenn das Lernen von der Fachkraft unterstützt wird. Janina Klemm, Lucia Kohlhauf, Bill Boone, Beate Sodian und Birgit J. Neuhaus präsentieren in ihrem Beitrag eine quasi-experimentelle Interventionsstudie, in der sie sich mit der Förderung der biologischen Beobachtungskompetenz von Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren beschäftigen. 40 Kinder nahmen an einem spezifischen Trainingsprogramm teil, welches die Wahrnehmung und Beschreibung von Details, das wissenschaftliche Denken sowie die Fähigkeit der Interpretation beobachteter Zusammenhänge verbessern sollte. Im Vergleich zu einer Gruppe von Kindern, die nicht an dem Programm teilnahmen, profitierten solche Kinder, die bereits zu Beginn des Trainings vergleichsweise gute Beobachtungskompetenzen aufwiesen. Der vierte Beitrag von Doris Drexl, Eva Born-Rauchenecker und Bernhard Kalicki beschreibt ebenfalls eine Interventionsstudie, beschäftigt sich jedoch mit der Ausbildung und Veränderbarkeit von relevanten Einstellungen und relevanten Kompetenzfacetten auf Seiten der frühpädagogischen Fachkräfte während der fachschulischen Ausbildung. Im Projekt LuPE wurde ein Unterrichtskonzept für den Fachschulunterricht entwickelt, welches angehende pädagogische Fachkräfte zu einer alltagsintegrierten naturwissenschaftlichen Bildungsbegleitung im Kindergarten befähigen soll. Die Befragungen im Rahmen der formativen Evalua tion belegen ein eher geringes Interesse an Naturwissen-
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 1–2
schaften sowie ein eher geringes naturwissenschaftliches Selbstkonzept zu Beginn der Untersuchungsphase. Dieses wird ein Jahr später höher eingeschätzt. Alle vier Beiträge liefern damit wichtige Befunde, die für die Weiterentwicklung der naturwissenschaftsbezogenen Qualität in den Einrichtungen, der Weiterentwicklung von spezifischen Lerngelegenheiten von Kindern mit unterschiedlichen Voraussetzungen sowie der Stärkung der professionellen Kompetenzen für diesen Bildungsbereich nutzbar gemacht werden können.
Literatur Anders, Y. (2013). Stichwort: Auswirkungen frühkindlicher, institutioneller Bildung und Betreuung. Zeitschrift für Erziehungs wissenschaft, 16, 237 – 275. Anders, Y. & Rossbach, H.-G. (2015). Preschool teachers' sensitivity to mathematics in children's play: The influence of math- related school experiences, emotional attitudes and pedagogical beliefs. Journal of Research in Childhood Education, 29, 305 – 322. McCray, J. S. & Chen, J.-Q. (2012). Pedagogical Content Knowledge for Preschool Mathematics: Construct Validity of a New Teacher Interview. Journal of Research in Childhood Education, 26, 291 – 307. Morgan, P. L., Farkas, G., Hillemeier, M. M. & Maczuga, S. (2016). Science Achievement Gaps Begin Very Early, Persist, and Are Largely Explained by Modifiable Factors. Educational Researcher, 45 (1), 18 – 35. Steffensky, M. (2017). Naturwissenschaftliche Bildung in Kinder tagesstätten, (WiFF-Expertisen, Band 48). München: Weiter bildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF).
Yvonne Anders Mirjam Steffensky yvonne.anders@fu-berlin.de steffensky@ipn.uni-kiel.de
© 2019 Hogrefe Verlag
Schwerpunktbeitrag
Bildungsunterschiede von Anfang an? Die Bedeutung von Struktur- und Prozessmerkmalen für die naturwissenschaftliche Kompetenz von Vorschulkindern mit und ohne Migrationshintergrund Inga Hahn und Katrin Schöps IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Zusammenfassung: Die vorliegende Studie ging der Frage nach, inwiefern sich bereits bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren migrationsbedingte Disparitäten in der naturwissenschaftlichen Kompetenz zeigen. Mit Daten des Nationalen Bildungspanels (National Educational Panel Study – NEPS)1 wurde anhand von Regressionsmodellen untersucht, welche Struktur- und Prozessmerkmale einen Effekt auf die naturwissenschaftliche Kompetenz der Kinder haben. Besonderes Augenmerk wurde vor dem Hintergrund zunehmender Migrationsbewegungen und der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in unser Bildungssystem auf den häuslichen Sprachgebrauch und den rezeptiven Wortschatz in Deutsch, die Lernumgebungen und die soziale Herkunft der Kinder gelegt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der rezeptive Wortschatz in Deutsch der wichtigste Prädiktor für die Ausprägung der naturwissenschaftlichen Kompetenz ist. Kinder mit Migrationshintergrund schnitten hinsichtlich ihrer Leistung im Naturwissenschaftstest signifikant schlechter ab als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund, was verdeutlicht, dass entsprechende migrationsbedingte Disparitäten bereits im Vorschulbereich existieren. Schlüsselwörter: naturwissenschaftliche Kompetenz, rezeptiver Wortschatz in Deutsch, Migration, häuslicher Sprachgebrauch, KiTa, soziale Herkunft Educational Disparities Right From the Start? Relevance of Structural and Procedural Variables for the Scientific Literacy of Preschool Children With and Without a Migration Background Abstract: This study addressed the question of whether disparities in the scientific literacy of children with and without a migration background already exist at the age of 4 – 6 years. Data from the German National Educational Panel Study2 were used in regression models to identify structural and procedural variables associated with scientific literacy and its variance. With an increasing number of migrants and refugees, the successful integration of children with a migration background into the German education system is of major social and economic importance. Hence this study placed particular emphasis on the language used at home, the knowledge of receptive vocabulary in German, the learning environment, and the social background. The results illustrated that for preschool children the receptive German vocabulary was the strongest predictor of their scientific literacy. Consequently, children with a migration background scored significantly lower in the scientific literacy test than did children without a migration background. In summary, this study demonstrates that the disparities with respect to scientific literacy between children with and without a migration background already exist before they start school. Keywords: scientific literacy, receptive vocabulary in German, migration, language used at home, pre-school, kindergarten, social background
Aktuelle Zahlen belegen, dass bundesweit mehr als ein Drittel der drei- bis sechsjährigen Kinder einen Migra tionshintergrund haben. Rund 90 % dieser Kinder besuchen eine Kindertageseinrichtung, aber nur 27 % sprechen zu Hause Deutsch (Maaz et al., 2016). Da es jedoch spätes-
tens ab der Grundschule fast ausschließlich Bildungs angebote auf Deutsch gibt, sind Informationen über den Kompetenz- und Kenntnisstand dieser Kinder unverzichtbar. Nur so kann eine möglichst frühe Förderung und Integration gelingen.
Diese Arbeit nutzt Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS): Startkohorte Kindergarten, https://doi.org/10.5157/NEPS:SC2:7.0.0. Die Daten des NEPS wurden von 2008 bis 2013 als Teil des Rahmenprogramms zur Förderung der empirischen Bildungsforschung erhoben, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wurde. Seit 2014 wird NEPS vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e. V. (LIfBi) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk weitergeführt. 2 This paper uses data from the National Educational Panel Study (NEPS): Starting Cohort Kindergarten, https://doi.org/10.5157/NEPS:SC2:7.0.0. From 2008 to 2013, NEPS data was collected as part of the Framework Program for the Promotion of Empirical Educational Research funded by the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF). As of 2014, NEPS is carried out by the Leibniz Institute for Educational Trajectories (LIfBi) at the University of Bamberg in cooperation with a nationwide network. 1
© 2019 Hogrefe Verlag Veröffentlicht unter der Hogrefe OpenMind-Lizenz (https://doi.org/10.1026/a000002)
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 3–12 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000405
4
I. Hahn und K. Schöps, Bildungsunterschiede von Anfang an?
Theoretischer Hintergrund Kinder mit Migrationshintergrund haben in Deutschland geringere Chancen, ihre Schul- und Ausbildungszeit erfolgreich abzuschließen (Müller & Ehmke, 2016). Für Viertklässler zeigen sich im Bereich der Naturwissenschaften bereits in der Grundschule gravierende Disparitäten (Wendt, Schwippert & Stubbe, 2016). Doch zu welchem Zeitpunkt entstehen sie und durch welche Faktoren werden sie beeinflusst? Für den Vorschulbereich liegen diesbezüglich vor allem Befunde zu den mathematischen Kompetenzen (Schneider, Küspert & Krajewski, 2016) oder zu den sprachlichen Fähigkeiten der Kinder vor (Relikowski, Schneider & Linberg, 2015). Im Bereich der Naturwissenschaften existieren zwar bereits Befunde zu einzelnen fachspezifischen Wissensbereichen sowie zum wissenschaftlichen Denken und Handeln (Fthenakis, Wendell, Daut, Eitel & Schmitt, 2012), man weiß jedoch bisher wenig über die übergreifende naturwissenschaftliche Kompetenz von Vorschulkindern und darüber, welche Faktoren für ihre Entwicklung eine Rolle spielen. Gleiches gilt für frühe Disparitäten in der naturwissenschaftlichen Kompetenz zwischen Kindern unterschiedlicher (sozialer) Herkunft. Die vorliegende Arbeit nutzt Daten der Startkohorte 2 (Welle 1) des Nationalen Bildungspanels (NEPS), um diese Forschungslücke zu schließen.
Das Konzept der naturwissenschaftlichen Kompetenz im NEPS Die NEPS-Definition naturwissenschaftlicher Kompetenz folgt dem von Weinert (2001) beschriebenen und durch Klieme und Leutner (2006) erweiterten Kompetenzbegriff sowie dem Konzept der naturwissenschaftlichen Grundbildung (scientific literacy), wie es durch die American Association for the Advancement of Science (AAAS, 2009) und dem
Programme for International Student Assessment (PISA) definiert wird (Bybee, 1997; Prenzel et al., 2007). In NEPS wird die naturwissenschaftliche Kompetenz in eine inhaltsbezogene und eine prozessbezogene Komponente unterteilt und in den Alltagskontexten Gesundheit, Umwelt und Technologie erfasst (vgl. Abbildung 1; siehe Hahn et al., 2013 für eine detaillierte Beschreibung).
Die Entwicklung naturwissenschaftlicher Kompetenz Der Erwerb konzeptuellen naturwissenschaftlichen Wissens beginnt im frühen Kindesalter mit der allgemeinen Sprachentwicklung, wobei die Beziehungen zwischen dem Aufbau kognitiv-konzeptuellen Wissens und dem Erwerb von Wortbedeutungen bereits frühzeitig bidirek tional sind (Weinert, 2004). Für den Aufbau von naturwissenschaftlichem Wissen spielt auch die kognitive Entwicklung der Kinder eine wichtige Rolle (Wellman & Gelman, 1998). Die Bedeutung von Sprache Kinder eignen sich naturwissenschaftliche Begriffe an, indem sie mentale Repräsentationen bilden. Mit einem neu erlernten Begriff werden typische Eigenschaften verknüpft, sodass er mit anderen Begriffen verglichen bzw. von ihnen abgegrenzt und auf verwandte Begriffe abstrahiert werden kann (Sodian, 2002). Der Wortschatz gilt als guter Indikator für die sprachliche Entwicklung (Dunn & Dunn, 1981). Darüber hinaus wird er häufig als alleiniger Indikator der bildungsabhängigen kognitiven Entwicklung herangezogen und ist eng mit der sozialen Herkunft, dem häuslichen Sprachgebrauch, der elterlichen Bildung (Relikowski et al., 2015), Bildungsanregungen sowie mit der Ausbildung von Konzepten verknüpft (Weinert, 2004).
Abbildung 1. Kontexte und Komponenten der NEPS-Rahmenkonzeption zur Messung naturwissenschaftlicher Kompetenz (Hahn et al., 2013).
Abbildung 1. Kontexte und Komponenten der NEPS-Rahmenkonzeption zur Messung
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 3–12
© 2019 Hogrefe Verlag Veröffentlicht unter der
(https://doi.org/10.1026/a000002) naturwissenschaftlicher Kompetenz (Hahn et al., 2013).Hogrefe [LiegtOpenMind-Lizenz eine Abdruckgenehmigung
I. Hahn und K. Schöps, Bildungsunterschiede von Anfang an?
Sprache bildet die Grundlage zur Aneignung naturwissenschaftlicher Kompetenzen, ihre Anwendung geht allerdings weit über die einfache Wiedergabe von Begriffen hinaus. So ist naturwissenschaftliches Schlussfolgern klar von der Intelligenz und der Lesekompetenz einer Person abgrenzbar (Mayer, Sodian, Koerber & Schwippert, 2014). Die Bedeutung der kognitiven Entwicklung Kinder entwickeln bereits ab dem dritten Lebensjahr erstes Wissen über die Schwerkraft, können einschätzen, inwiefern bestimmte Ereignisse physikalisch möglich sind (Spelke, Breinlinger, Macomber & Jacobson, 1992), und aufgrund eigener Erfahrungen Aussagen über Aggregatzustände treffen (Carstensen, Lankes & Steffensky, 2011). Das Unterscheiden zwischen belebter und unbelebter Natur gelingt Kindern mit vier Jahren. Sie schreiben Lebewesen Merkmale wie Bewegung, Wachstum und Vererbung zu (Goswami, 2001) und erwarten, dass Kinder ihren Eltern ähnlich sehen und bestimmte Eigenschaften teilen (Springer, 1996). Drei- bis Vierjährige können Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erkennen, die für ein Verständnis systemischer Zusammenhänge und Beziehungen bedeutsam sind (Sodian, 2005), sowie in einer einfachen physikalischen Ereigniskette unterscheiden, welche Veränderungen relevant sind und welche nicht (Bullock, Gelman & Baillargeon, 1982). Diese Fähigkeiten bilden zusammen mit dem logischschlussfolgernden Denken und dem Denken in Analogien eine wichtige Voraussetzung, um Hypothesen aufzustellen, zu prüfen und aus Ergebnissen Schlussfolgerungen zu ziehen (Koerber, Sodian, Thoermer & Nett, 2005). Schon Vorschulkinder können die Perspektive anderer berücksichtigen und zwischen Vermutungen, ihren Überzeugungen und durch Beobachtungen erhobenen Ergebnissen unterscheiden (Sodian, 2005). Auch zeigen sich erste Ansätze einer Variablenkontrollstrategie (van der Graaf, Segers & Verhoeven, 2015).
Der Einfluss familiärer und institutioneller Struktur- und Prozessmerkmale auf die Kompetenzentwicklung Mögliche Einflussfaktoren der Entwicklung frühkindlicher Kompetenzen werden in Modellen der frühpädagogischen und psychologischen Forschung systematisiert und untersucht (Bronfenbrenner & Morris, 2006; Roux & Tietze, 2007). Den Schwerpunkt der Modelle bilden Strukturund Prozessmerkmale des unmittelbaren häuslichen und des Kindertagesstätten-(KiTa)-Umfeldes. Zudem spielen proximale Merkmale des Kindes, wie das Alter und das Geschlecht, eine Rolle. Ältere Kinder verfügen über eine © 2019 Hogrefe Verlag Veröffentlicht unter der Hogrefe OpenMind-Lizenz (https://doi.org/10.1026/a000002)
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umfangreichere naturwissenschaftliche Kompetenz als jüngere Kinder (Stamm & Edelmann, 2013). Zu Geschlechterunterschieden in der naturwissenschaftlichen Kompetenz gibt es für Kinder im Vorschulalter noch keine ausreichenden Befunde. Struktur- und Prozessmerkmale des familiären Umfeldes Im Bereich der familiären Strukturmerkmale steht die soziale Herkunft von Kindern und Jugendlichen im engen Zusammenhang mit ihrer kognitiven Entwicklung und ihrem Bildungserfolg (Biedinger, 2010). Kluczniok, Lehrl, Kuger und Rossbach (2013) konnten für Vorschulkinder zeigen, dass ein höherer sozioökonomischer Status (SES) mit einer intensiveren Förderung ihrer Sprach- und Rechenfähigkeit einhergeht. Etablierte Indikatoren für die soziale Herkunft sind neben dem SES der höchste Bildungsabschluss der Haupt-Betreuungsperson (International Standard Classification of Education – ISCED) des Kindes (Schroedter, Lechert & Lüttinger, 2006) sowie die Anzahl der Bücher im elterlichen Haushalt, welche primär das objektivierte Kulturkapital erfasst (Bos, Tarelli, BremerichVos & Schwippert, 2012). Die Anzahl der Geschwister steht häufig im negativen Zusammenhang mit dem Bildungserfolg eines Kindes (Downey, 2001). Verschiedene Studien haben auf Disparitäten in verschiedenen Kompetenzbereichen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund hingewiesen (Becker, 2006; Wendt et al., 2016). Kinder mit Migrationshintergrund erfahren weniger häusliche Förderung ihrer Sprach- und Rechenfähigkeiten (Kluczniok et al., 2013) und verfügen über geringere Kompetenzen im Bereich der Grammatik und des Wortschatzes als Kinder ohne Migrationshintergrund (Relikowski et al., 2015). Außerdem spielt für die Teilhabe an institutioneller Bildung und für spätere Bildungserfolge auch der häusliche Sprachgebrauch eine zentrale Rolle (Dubowy, Ebert, von Maurice & Weinert, 2008; Heinze, Herwartz-Emden & Reiss, 2007). Bildungsbezogene Eltern-Kind-Aktivitäten haben einen deutlichen Effekt auf verschiedene kindliche Entwicklungsmaße (Kluczniok et al., 2013) und beeinflussen in Verbindung mit qualitativ hochwertigen institutionellen Bildungsaktivitäten die kognitive Entwicklung nachhaltig (Sammons et al., 2008). Dabei haben domänenspezifische Aktivitäten einen Einfluss auf die entsprechende Kompetenz der Kinder (LeFevre et al., 2009). Struktur- und Prozessmerkmale des KiTa-Umfeldes Inwieweit der Besuch einer KiTa positive Auswirkungen auf die kognitive und soziale Kompetenzentwicklung von Vorschulkindern hat, hängt maßgeblich von der Qualität der Einrichtung (Lehrl, Kuger & Anders, 2014; Tietze et al., 1998), der Dauer des KiTa-Besuchs und einem frühen Frühe Bildung (2019), 8 (1), 3–12
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Eintritt in die institutionelle Betreuung ab (Büchner & Spiess, 2007). Da die NEPS-Studie nur wenige Informationen zu domänenspezifischen Aktivitäten im Kindergarten bietet, nutzt diese Arbeit als ersten Zugang zur Wirkung der KiTa auf die naturwissenschaftliche Kompetenz die Anzahl der Jahre in der KiTa.
Hypothesen Basierend auf den referierten Befunden leiten wir folgende inhaltliche Hypothesen (H) ab: H1: Sowohl die naturwissenschaftliche Kompetenz als auch der rezeptive Wortschatz in Deutsch fallen bei Kindern mit Migrationshintergrund im Mittel geringer aus als bei Kindern ohne Migrationshintergrund. H2: Struktur- und Prozessmerkmale haben einen signifikanten Effekt auf die naturwissenschaftliche Kompetenz von Vorschulkindern. H3: Der rezeptive Wortschatz in Deutsch stellt aufgrund der Verbindung zum Aufbau kognitiv-konzeptuellen Wissens den stärksten Prädiktor der naturwissenschaftlichen Kompetenz dar. H4: Aufgrund der angenommenen engen Verbindung zur naturwissenschaftlichen Kompetenz und zu den Struktur- und Prozessvariablen wirkt der rezeptive Wortschatz in Deutsch als Mediator der Struktur- und Prozessmerkmale auf die naturwissenschaftliche Kompetenz.
Methode Stichprobe Die Analysen basieren auf den Daten von 2 947 Kindern (50 % weiblich) der Startkohorte 2 des Nationalen Bildungs panels (Blossfeld, Roßbach & von Maurice, 2011). Das Alter der Kinder lag zwischen 4;3 und 6;1 Jahren. Sie stammten aus insgesamt 269 Kindergärten. Für 2 025 Kinder lagen Angaben zur Herkunft vor. Diese flossen in die Gruppenvergleiche ein. Kinder ohne Migrationshintergrund und Kinder, bei denen beide Eltern im Ausland g eboren sind, unterschieden sich bis auf das Alter und die Geschlechterverteilung
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in allen Prädiktorvariablen signifikant voneinander (p < .001, Übersicht, siehe Tabelle A1 im Anhang).
Instrumente und Variablen Naturwissenschaftliche Kompetenz Zur Erfassung der naturwissenschaftlichen Kompetenz wurde am ersten Tag der zweitägigen Erhebung der 30-minütige NEPS-Naturwissenschaftstest für vier- bis sechsjährige Kinder herangezogen (25 Items), der in einer Einzeltestsituation administriert wurde (Hahn et al., 2013). Eine größtmögliche Sprachfreiheit wurde durch einen bildbasierten Test angestrebt, dessen Aufgaben jeweils vorgelesenen wurden. Die Kinder mussten ihre Antworten nicht verbalisieren, sondern lediglich auf die Antwortkärtchen zeigen (siehe Abbildungen 1 und 2 im Elektronischen Supplement 1). Die naturwissenschaftliche Kompetenz wurde anhand des einparametrischen eindimensionalen3 Rasch-Modells modelliert und ging in Form von Weighted Likelihood Estimators (WLE)4 in die Analysen ein. Fehlende Werte wurden in der Schätzung der WLE als fehlend und nicht als falsch berücksichtigt. Die WLE werden in logits angegeben (Range: –3.63 bis 4.47). Die WLE-Reliabilität (r = .76), vergleichbar zu klassischen Reliabilitätsmaßen, wie der internen Konsistenz, sowie die Varianz (σ2 = 0.80) waren zufriedenstellend. Der Test differenzierte mit Trennschärfen zwischen 0.35 und 0.57 gut zwischen Kindern unterschiedlicher Fähigkeiten (Schöps, 2013). Rezeptiver Wortschatz in Deutsch Zur Erfassung des rezeptiven Wortschatzes in Deutsch wurde in Anlehnung an den PPVT (Dunn & Dunn, 2007) und basierend auf Daten aus dem Projekt Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter (BiKS) (Roßbach, Tietze & Weinert, 2005) ein 20-minütiger Test mit 77 Items entwickelt (interne Konsistenz von α = .86; Linberg, 2017), der am zweiten Erhebungstag ebenfalls in einer Einzeltestsituation durchgeführt wurde (NEPS, 2011). Die Kinder wählten aus jeweils vier bildbasierten Antwortmöglichkeiten eine Antwort aus (z. B. „Zeige mir Ball!“). Die Antworten wurden zu einem individuellen Summenwert addiert. Struktur- und Prozessvariablen Die Struktur- und Prozessvariablen sowie die Angaben zum Geschlecht und Alter der Kinder wurden mit dem
Im Modellgütevergleich zur Prüfung der Dimensionalität zeigte sich eine leichte Präferenz für das zweidimensionale Modell (das inhaltsbezogene und prozessbezogene Komponenten trennt). Aufgrund der hohen Korrelation der Subdimensionen zu r = .92 (Schöps, 2013) und der Homogenität der Aufgaben (weighted mean squares als Indikatoren für die Homogenität der Aufgaben zwischen 0.90 und 1.11) wurde die naturwissenschaftliche Kompetenz als eindimensionales latentes Konstrukt modelliert. 4 WLE haben den Vorteil, auch Kompetenzwerte für Personen zu liefern, die nur wenige Aufgaben bearbeitet haben (Walter, 2005). 3
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NEPS-Elternfragebogen erhoben. Als Indikator für den sozioökonomischen Status der Familie floss die Anzahl der Bücher im elterlichen Haushalt (sechsstufige Skala: 1 = weniger als zehn Bücher bis 6 = mehr als 500 Bücher) in die Analysen ein. Der Bildungshintergrund wurde durch den Bildungsabschluss (ISCED, 10-stufige Skala: 0 = kein Abschluss bis 10 = Promotion, Habilitation) der Haupt-Betreuungsperson abgebildet. Der Migrationsstatus der Kinder wurde anhand einer 3-stufigen Skala operationalisiert (0 = kein Elternteil im Ausland geboren, 1 = ein Elternteil im Ausland geboren, 2 = beide Elternteile im Ausland geboren). Für den häuslichen Sprachgebrauch wurde die Angabe der Haupt-Betreuungsperson zur Familiensprache genutzt (0 = nicht Deutsch vs. 1 = Deutsch). Des Weiteren wurden Angaben der Eltern zu den naturwissenschaftlichen Aktivitäten im Bereich Naturerleben, Gärtnern etc. (1 Item, 8-stufige Skala von 1 = nie bis 8 = mehrmals täglich), zur Anzahl der Geschwister sowie zur Dauer des bisherigen KiTa-Besuches (4-stufige Skala: < 1, 1, 2 oder > 2 Jahre) berücksichtigt.
Regressionsanalysen Die Regressionsanalysen wurden mit Mplus 7 (Muthén & Muthén, 2012) durchgeführt. Die naturwissenschaftliche Kompetenz wurde als eindimensionales latentes Konstrukt modelliert (Rost, 2004), während der Wortschatz in Form eines manifesten Summenscores in die Analysen einging. Bei den Regressionsanalysen wurde die Mehrebenenstruktur (Kinder geschachtelt in Kindergärten) berücksichtigt (cluster = ID_institution; estimator = WLSMV; analyses: type = complex). Die naturwissenschaftliche Kompetenz stellte die abhängige Variable dar. Im Modell 1 wurden zunächst die Kontrollvariablen Alter und Geschlecht berücksichtigt. Im Modell 2 flossen die Strukturmerkmale und im Modell 3 die Prozessmerkmale in die Analysen ein (siehe Tabelle 1). Aufgrund des vermuteten starken Effektes des rezeptiven Wortschatzes in Deutsch auf die naturwissenschaftliche Kompetenz und möglicher Mediatoreffekte wurde er als letzter Prädiktor im finalen Modell 4 berücksichtigt.
Analysen
Ergebnisse
Gruppenvergleiche Die Berechnungen der Gruppenunterschiede von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer naturwissenschaftlichen Kompetenz und ihres rezeptiven Wortschatzes in Deutsch wurden mit SPSS durchgeführt (IBM Corp., 2013). Aufgrund der unterschiedlichen Gruppengrößen, Gruppenvarianzen und -kovarianzen wurden einzelne Gruppenvergleiche mit t-Tests (und BonferroniAdjustierung) gerechnet.
Gruppenvergleiche
Naturwissenschaftliche Kompetenz nach Herkunftsgruppen d = 2.08
WLE-Mittelwerte in Logits
0,6
d = 0.79
0,4
d = 1.59
0,2 0,0 ‐0,2
Hinsichtlich der naturwissenschaftlichen Kompetenz (H1) ergaben sich erwartungsgemäß die größten Unterschiede zwischen Kindern ohne Migrationshintergrund und Kindern, bei denen beide Eltern im Ausland geboren wurden (vgl. Abbildung 2, t(480) = 16.31, p < .001). Aber auch die Unterschiede zwischen Kindern ohne Migrationshintergrund und Kindern, bei denen nur ein Elternteil im Ausland geboren wurde, waren signifikant (t(1 732) = 4.41, p < .001). Ein ähnliches Bild ergab sich für die Vergleiche des rezeptiven Wortschatz in Deutsch (H1), wobei die Gruppenunterschiede geringer ausfielen als bei der naturwissenschaftlichen Kompetenz. Auch hier ergaben sich die größten Unterschiede im Vergleich von Kindern ohne Migrationshintergrund und Kindern, bei denen beide Eltern im Ausland geboren wurden (vgl. Abbildung 3, t(358) = 17.62, p < .001). Auch der Unterschied zwischen Kindern ohne Migrationshintergrund und Kindern, bei denen nur ein Elternteil im Ausland geboren wurde, war signifikant (t(280) = 7.58, p < .001).
‐0,4 ‐0,6
kein Elternteil im Ausland geboren
ein Elternteil im Ausland geboren
beide Elternteile im Ausland geboren
Regressionsanalysen In die Regressionsanalysen gingen nach Ausschluss der
Abbildung 2. Gruppenvergleiche der naturwissenschaftlichen Kompe(vgl. Tabelle 2) alle Variablen in die AnaAbbildung 2. Kindern Gruppenvergleiche der naturwissenschaftlichen Kompetenz von Kindern und tenz von mit und ohne Migrationshintergrund (Mittelwerte mit mitMultikollinearität Standardfehlern); d = Effektstärken der Mittelwertunterschiede. lysen ein. ohne Migrationshintergrund (Mittelwerte mit Standardfehlern); d = Effektstärken der Mittelwertunterschiede. © 2019 Hogrefe Verlag Veröffentlicht unter der Hogrefe OpenMind-Lizenz (https://doi.org/10.1026/a000002)
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vier bis sechs Jahren haben und inwiefern sich Kinder unterschiedlicher Herkunft in ihrer naturwissenschaftlichen d = 1.24 Kompetenz unterscheiden. 60 d = 0.58 Unsere Gruppenvergleiche zeigen, dass Kinder mit Migd = 0.59 50 rationshintergrund bereits im Alter von vier bis sechs Jahren deutlich schlechter im NEPS-Naturwissenschaftstest ab40 schneiden als Kinder ohne Migrationshintergrund. Dieses 30 Ergebnis stützt Befunde zu migrationsbedingten Disparitäten von Vorschulkindern im Bereich sprachlicher und ma20 thematischer Kompetenzen (Relikowski et al., 2015; Schnei10 der et al., 2016). Außerdem unterstreichen unsere Analysen, dass Kinder mit Migrationshintergrund über einen signifi0 kein Elternteil im ein Elternteil im beide Elternteile im kant geringeren rezeptiven Wortschatz in Deutsch verfügen Ausland geboren Ausland geboren Ausland geboren als Kinder ohne Migrationshintergrund. Das ist insofern beAbbildung 3. Gruppenvergleiche des rezeptiven Wortschatzes in sorgniserregend, weil der Wortschatz nachweislich mit der Abbildung 3. von Gruppenvergleiche des ohne rezeptiven Wortschatzes in Deutsch von Kindern mitAusbildung und Deutsch Kindern mit und Migrationshintergrund (Mittelwerte von Konzepten verknüpft ist (Weinert, 2004) mit Standardfehlern); d = Effektstärken der Mittelwertunterschiede. und Sprache eine Grundlage zum Erwerb naturwissenohne Migrationshintergrund (Mittelwerte mit Standardfehlern); d = Effektstärken der schaftlicher Kompetenzen darstellt (Sodian, 2002). Mittelwertunterschiede Die Ergebnisse in Tabelle 1 zeigen, dass alle StrukturInsgesamt zeigen unsere Ergebnisse größere Leistungsmerkmale einen signifikanten Effekt auf die naturwissenunterschiede in der naturwissenschaftlichen Kompetenz schaftliche Kompetenz der Kinder hatten (H2). Gleiches (Effektstärke d = 2.08) als TIMSS am Ende der 4. Jahrgalt im Modell 3 auch für den häuslichen Sprachgebrauch gangsstufe (Effektstärke d = 0.72, Wendt et al., 2016). Die als Prozessmerkmal, während die naturwissenschaftliGrundschule scheint diese Unterschiede demnach zu rechen Aktivitäten keinen Effekt auf die naturwissenschaftduzieren. Dies legt die Vermutung nahe, dass Kinder mit liche Kompetenz hatten (H2). Migrationshintergrund ihren deutschen Wortschatz in den Der rezeptive Wortschatz in Deutsch stellte erwartungsersten Jahren ihrer Grundschulzeit stark ausbauen und sogemäß den wichtigsten Prädiktor der naturwissenschaftmit auch Leistungsunterschiede in anderen Bereichen lichen Kompetenz von Vier- bis Sechsjährigen dar. Er kompensieren können. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen machen deuterklärte einen Varianzanteil von R2 = .37 (H3). Durch die Aufnahme des rezeptiven Wortschatzes in Deutsch in das lich, dass der rezeptive Wortschatz in Deutsch, unabhängig Modell 4 verringerten sich die genannten signifikanten davon, ob die Kinder einen Migrationshintergrund haben Effekte der Struktur- und Prozessvariablen stark oder oder nicht, entscheidend für die Ausprägung der naturverschwanden vollständig, was für einen Mediatoreffekt wissenschaftlichen Kompetenz ist. Er wirkt als Mediator spricht (H4). Signifikante Effekte auf die naturwissenzwischen den Struktur- und Prozessmerkmalen und der naschaftliche Kompetenz gingen neben dem Wortschatz nur turwissenschaftlichen Kompetenz. Gerade vor dem Hinternoch von der Zeit in der KiTa, der Anzahl der Bücher und grund, dass in Deutschland Sprachprobleme oft die geder Anzahl der Geschwister aus. samte Bildungskarriere dieser Kinder negativ beeinflussen Berücksichtigte man in den Analysen auch die indirek(Bos et al., 2012; Heinze et al., 2007), sollten systematische ten Pfade der Prädiktoren über den Wortschatz, so erSprachförderungsmaßnahmen also bereits in der KiTa eingaben sich mit Ausnahme der Zeit in der KiTa und der setzen. Je früher Kinder ihren deutschen Wortschatz ausnaturwissenschaftlichen Aktivitäten für alle genannten bauen, desto weniger benachteiligt sind sie, wenn es um Variablen signifikante indirekte Effekte auf die naturwisden Erwerb weiterer Kompetenzen geht. Unterstützend senschaftliche Kompetenz (p < .001), wobei die Anzahl der kann hier der frühe Besuch einer KiTa wirken, was unsere Bücher und der häusliche Sprachgebrauch die stärksten Ergebnisse analog zu den Befunden von Anders (2013) zeiindirekten Effekte zeigten. gen. Allerdings wären hier weitere Daten zur Prozess-, Struktur- und Orientierungsqualität wünschenswert (Roux & Tietze, 2007). Für die Bearbeitung der naturwissenschaftlichen Testaufgaben sind sprachliche Kompetenzen allein nicht ausDiskussion reichend. Unter Kontrolle der Struktur- und ProzessvariaDie vorliegende Studie beschäftigte sich damit, welche blen sowie des Wortschatzes werden zwar 56 % der Struktur- und Prozessmerkmale einen Effekt auf die naVarianz der naturwissenschaftlichen Kompetenz aufgeturwissenschaftliche Kompetenz von Kindern im Alter von klärt, allerdings verbleibt ein nicht unwesentlicher spezifiSummen-Mittelwerte
Rezeptiver Wortschatz in Deutsch nach Herkunftsgruppen
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Tabelle 1. Lineare Regressionsmodelle (M1-M4): Übersicht über standardisierte β-Gewichte der Prädiktoren zur Vorhersage der naturwissenschaftlichen Kompetenz Prädiktor
M1
M2
M3
M4
Geschlecht (Rk: männlich)
.03
.04*
.05*
.05*
Alter
.25***
.22***
.22***
.15***
.11***
.11***
.06**
Zeit in der KiTa Migrationsstatus (Rk: kein Migrationshintergrund)
–.18***
–.07*
Indirekte Effekte über den Wortschatz
.05
.01
–.08***
Anzahl der Bücher
.27***
.25***
.12***
.13***
ISCED (Betreuungsperson)
.13***
.11***
.03
.08***
–.11***
–.10***
–.05*
Anzahl Geschwister häuslicher Sprachgebrauch (Rk: kein Deutsch)
.19***
naturw. Aktivitäten
.03
–.02
.16***
–.03
Rez. Wortschatz in Deutsch
.01
.61***
R2 ∆R
–.05***
.06
.30 .24
.02
.24
2 911
1 974
1 966
1 966
2
N
.32
.56
Anmerkungen: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001; Rk = Referenzkategorie, R2 = aufgeklärte Varianz des jeweiligen Modells, ∆R2 = Zunahme der aufgeklärten Varianz, N = Stichprobengröße; indirekte Effekt über den rezeptiven Wortschatz in Deutsch.
Tabelle 2. Interkorrelationsmatrix und variance inflation factor (VIF) zur Prüfung der Multikollinearität der Prädiktoren (1) (1) Zeit in der KiTa (2) Migrationsstatus (3) Anzahl Bücher (4) ISCED (5) Anzahl Geschwister (6) Häusl. Sprachgebr. (7) Naturw. Aktivitäten (8) rezeptiver Wortschatz
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
–
1.05
–.09**
–
.05*
–.30**
.09**
–.41**
.49**
–
–.10**
.10**
.06**
–.04*
.08** –.02 .18**
VIF
1.73 –
1.43 1.42 –
1.04
–.61**
.29**
.36**
–.09**
–
–.12**
.08**
.05*
.02
.12**
–
1.52
1.74
–.39**
.39**
.40**
–.13
.44**
.06**
1.04
Anmerkungen: Korrelationen nach Pearson, * p < .05, ** p < .01.
scher Varianzanteil, der auf differentielle Zusammenhänge mit Drittvariablen hindeutet. Unsere Untersuchungen weisen auch einige Einschränkungen auf, die im Folgenden besprochen werden. So hatten die naturwissenschaftlichen Aktivitäten keinen Effekt auf die naturwissenschaftliche Kompetenz der Kinder. Der Grund dafür ist vermutlich, dass die Aktivitäten mit nur einem Item und damit nicht differenziert genug erfasst wurden. Ähnliches gilt für die Betrachtung der Prozessqualität in der KiTa (Lehrl et al., 2014; Tietze et al., 1998). Wir konnten zeigen, dass sich der rezeptive Wortschatz bei allen Kindern stark auf die naturwissenschaftliche © 2019 Hogrefe Verlag Veröffentlicht unter der Hogrefe OpenMind-Lizenz (https://doi.org/10.1026/a000002)
Kompetenz auswirkt. Da der Einfluss der deutschen Sprache auf das Abschneiden im Naturwissenschaftstest jedoch nicht vollständig aus dem Kompetenzwert herauspartialisiert werden kann, ist es möglich, dass die naturwissenschaftliche Kompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund nicht valide erfasst wurde. In diesem Fall hätten wir die Kompetenzunterschiede zwischen den Herkunftsgruppen überschätzt. Testungen in der jeweiligen Muttersprache der Kinder könnten hier Abhilfe schaffen. Auch eine sprachärmere Erfassung der prozessbezogenen Komponenten anhand von Performanzaufgaben in Form von kleinen Experimenten (van der Graaf et al., Frühe Bildung (2019), 8 (1), 3–12
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2015) wären eine Möglichkeit. Diese könnten computerbasiert und somit auch ökonomisch in Large-Scale-Studien administriert werden. Derartige Aufgaben werden derzeit im Rahmen des NEPS entwickelt. Vor dem Hintergrund der Diskussion um möglichst sprachfreie Tests sollte allerdings berücksichtigt werden, dass das Ziel des NEPS darin besteht, die Kompetenzentwicklung sowie damit verbundene Übergangsentscheidungen, Bildungsabschlüsse und berufliche Werdegänge von Menschen in Deutschland zu beschreiben. Im deutschen Bildungssystem ist auch für Kinder, die zu Hause eine andere Sprache sprechen, Deutsch die Unterrichtssprache. Es geht also weniger darum, über welche Naturwissenschaftskompetenz die Kinder in ihrer Mutter sprache verfügen als darum, wie sie im institutionellen Rahmen unseres Bildungssystems abschneiden.
Elektronische Supplemente (ESM) Die elektronischen Supplemente sind mit der Online- Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/ 10.1026/2191-9186/a000405 ESM 1. Das elektronische Supplement enthält zwei Beispielaufgaben für Kindergartenkinder. Abbildung 1 zeigt eine Multiple-Choice-Aufgabe aus dem Kontext Umwelt, welche die inhaltsbezogene Komponente Entwicklung erfasst. Abbildung 2 enthält eine Multiple-Choice-Aufgabe aus dem Kontext Technologie, welche die prozessbezogene Komponente Naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen erfasst.
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 3–12
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I. Hahn und K. Schöps, Bildungsunterschiede von Anfang an?
Anhang Tabelle A1. Stichprobenbeschreibung Variable
Ausprägung
ohne Migrations- hintergrund
ein Elternteil im Ausland geboren
beide Elternteile im Ausland geboren
1 481
242
302
50
54
48
Fallzahlen Geschlecht (%)
Jungen Mädchen
Alter (M, SD)
50
46
52
4.98 (0.35)
4.99 (0.33)
4.97 (0.34)
Zeit in der KiTa (M, SD)
0 – 3 Jahre
2.54 (0.56)
2.52 (0.58)
2.34 (0.68)
Anzahl der Bücher (M, SD)
6-stufige Skala: (1: 0-10 bis 6: >500)
4.01 (1.26)
3.66 (1.37)
2.80 (1.10)
ISCED (Betreuungsperson) (M, SD)
9-stufige Skala (0: kein Abschluss bis 9: Promotion, Habilitation)
5.78 (2.54)
4.69 (2.61)
3.06 (2.00)
Anzahl Geschwister (M, SD) Häuslicher Sprachgebrauch (%)
Naturwissenschaftliche Aktivitäten (M, SD)
1.17 (0.98)
1.19 (1.04)
1.56 (1.27)
0 = nicht Deutsch
1
27
60
1 = Deutsch
99
73
40
6.12 (1.48)
5.76 (1.85)
5.36 (2.07)
51.73 (11.27)
43.92 (15.19)
34.92 (15.59)
8-stufige Skala (1: nie bis 8: mehrmals täglich)
Wortschatz (M, SD) Anmerkungen: M = Mittelwert, SD = Standardabweichung.
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 3–12
© 2019 Hogrefe Verlag Veröffentlicht unter der Hogrefe OpenMind-Lizenz (https://doi.org/10.1026/a000002)
Schwerpunktbeitrag
Interaktion von pädagogischen Fachkräften und Kindern in naturwissenschaftlichen Lern gelegenheiten im Kindergarten Ein Blick auf die Quantität kindlicher Redebeiträge Anika Bürgermeister1, Gerlind Große2, Miriam Leuchter3, Ueli Studhalter4 und Henrik Saalbach1 Universität Leipzig, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Pädagogische Psychologie mit Schwerpunkt Lehren, Lernen und Entwicklung Fachochschule Potsdam, Fachbereich Sozial- und Bildungsforschung 3 Universität Koblenz-Landau, Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter 4 Pädagogische Hochschule Luzern 1
2
Zusammenfassung: Im Zusammenhang mit der Gestaltung von Lehr-Lerngelegenheiten im Vorschulbereich wird zunehmend die Bedeutung der Interaktionsqualität zwischen der pädagogischen Fachkraft (PFK) und den Kindern für das frühkindliche Lernen diskutiert. Mit der vorliegenden Studie wird die Interaktionsqualität im Rahmen einer naturwissenschaftlichen Lerngelegenheit in 34 schweizerischen Vorschul gruppen differenziert erfasst und sowohl qualitative (verbale Lernunterstützung der PFK) als auch quantitative Aspekte (Redeanteile der Kinder und PFK) und deren Effekt auf das inhaltliche Lernen der Kinder untersucht. Die Befunde zeigen, dass die Redeanteile zwischen PFK und Kindern ähnlich verteilt sind, die der PFK jedoch umfangreicher sind. Zudem belegen Ergebnisse aus Mehrebenenanalysen einen positiven Zusammenhang zwischen aktiver Beteiligung der Kinder in den Kleingruppengesprächen und dem naturwissenschaftlichen Lernen. Je mehr die PFK dabei das Vorwissen der Kinder aktiviert, desto größer ist dieser Effekt, sodass von einem Interaktionseffekt zwischen Lernunter stützung der PFK und aktiver Gesprächsbeteiligung der Kinder auf das Lernen ausgegangen wird. Die Befunde werden mit Blick auf die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen im Kontext frühkindlicher naturwissenschaftlicher Bildung diskutiert. Schlüsselwörter: naturwissenschaftliches Lernen, Fachkraft-Kind-Interaktion, Gruppengespräche, Scaffolding, Redebeiträge Teacher-Child Interaction in Preschool Science Learning: Focussing on Quantitative Aspects of Children's Talk Abstract: In early-childhood education, the importance of educational dialogue and adaptive instructional support, that is, scaffolding, is highlighted for young children's learning. The present study aims at examining quantitative as well as qualitative aspects of teachers' and children's talk within this dialogue and the interaction between them with regard to children's domain-specific knowledge acquisition. In a longitudinal study in 34 Swiss preschool classes, a standardized learning environment was implemented and teachers' use of scaffolding strategies was assessed by using a theory-based category system. Children's early science learning was measured at three measurement points. Subsequently, videos were analyzed, by coding children's and teachers' proportions of talk within this educational dialogue. Our findings show that children's and teachers' frequency of talking within this small group talk seems to be equal; while teachers' contributions are much more extensive. Furthermore, results of multilevel regression analysis show a positive interaction between children's active participation in these group talks and teachers' activation of prior knowledge, as a particular scaffolding means. To this end, it is beneficial for learning processes to support children to actively participate in educational dialogue and simultaneously activate their prior knowledge. Possible implications for instructional processes and concrete verbal support in the context of early childhood science education are discussed. Keywords: science education, teacher–child interaction, educational dialogue, scaffolding, children's participation
Mit der Forderung nach einer frühen Förderung von naturwissenschaftlichen Kompetenzen (z. B. Lück, 2013) wird zunehmend die Bedeutung der Interaktion zwischen pä dagogischen Fachkräften und Kind diskutiert (Leuchter & © 2019 Hogrefe Verlag
Saalbach, 2014; Weltzien, 2014). Empirische Studien zeigen jedoch, dass die Prozessqualität in deutschen Kindergärten in Bezug auf den Teilaspekt der kognitiv anregenden Interaktionen eher gering ist (z. B. König, 2009; Wertfein, Wirts Frühe Bildung (2019), 8 (1), 13–21 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000406
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A. Bürgermeister et al., Interaktion in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten
& Wildgruber, 2015). Dabei liegen mittlerweile eine Vielzahl von Forschungsbeiträgen zur globalen Qualität bzw. zu strukturellen Voraussetzungen der kognitiv anregenden Interaktionen zwischen den pädagogischen Fachkräften und Kindern im Elementarbereich (z. B. Wildgruber, Wirts & Wertfein, 2014) bzw. zur Anwendung spezifischer verbaler Unterstützungsmaßnahmen vor (Scaffoldingstrategien, van de Pol, Volman & Beishuizen, 2010). Selten sind jedoch Studien zu prozessualen Details der Interaktionen sowie zum Zusammenhang zwischen prozessualen Merkmalen und quantitativen Aspekten solcher Interaktionen (siehe aber: Hildebrandt & Hebenstreit-Müller, 2015; Hildebrandt & Preissing, 2012; Leuchter & Saalbach, 2014). Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Studie untersucht, welchen Einfluss die Quantität von kindlichen Redebeiträgen in der verbalen Interaktion auf das naturwissenschaftliche Lernen hat und wie die Qualität der Scaffoldingstrategien mit der Quantität der kindlichen Redebeiträge in Wechselwirkung steht. Ziel des Beitrags ist es, einen vertieften Einblick in die lernförderliche Gestaltung von verbalen Unterstützungsmaßnahmen in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten der Elementarstufe zu geben.
Frühes naturwissenschaftliches Lernen Kinder verfügen bereits im Kindergarten1- und Grundschulalter über eine Vielzahl von Vorstellungen im Hinblick auf naturwissenschaftliche Phänomene und Zusammenhänge (Carey, 2000; Hardy & Kempert, 2011). Diese sogenannten naiven oder intuitiven Konzepte, welche sie durch Erfahrungen in der Alltagswelt entwickeln, erlauben zwar eine Orientierung in der Welt, sind aber mit wissenschaftlichen Sichtweisen oft nicht vereinbar (Sodian, 2008). Um den Aufbau wissenschaftlicher Konzepte anzubahnen, sollten pädagogische Fachkräfte bereits im frühen Alter anschlussfähiges Alltagswissen und Arbeitsweisen gezielt fördern und so eine Erweiterung und Umstrukturierung dieses Wissens unterstützen (Leuchter, Saalbach & Hardy, 2014; Lück, 2013; Möller & Steffensky, 2010). Eine Umstrukturierung der kindlichen, naiven Konzepte kann durch strukturierte, thematisch-fokussierte Lern angebote angeregt werden. Sie können beispielweise entlang der Merkmale naturwissenschaftlicher Konzepte (z. B. Form-, Größe-, Gewicht-, und Materialkonzept) strukturiert werden, um so die Aufmerksamkeit auf wichtige Aspekte zu lenken und Bildungsinhalte wirksam aufzubauen (Leuchter et al., 2014). Durch eine bestimmte Abfolge von
Angeboten kann den Kindern ermöglicht werden, Ordnungen, Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, so dass sie diese vor Augen haben und handelnd miteinander verknüpfen können (Leuchter & Plöger, 2015).
Verbale Interaktionsprozesse in der frühen Bildung: ein Blick auf Qualität und Quantität Die Zeit im Kindergarten ist insbesondere durch einen hohen Anteil an Freispielzeit gekennzeichnet (Tournier, Wadepohl & Kucharz, 2014). Implementieren pädago gische Fachkräfte dennoch strukturiertere Lernumgebungen in den Kita-Alltag, zeigen Studien, dass diese zumeist durch die pädagogischen Fachkräfte selbst dominiert werden und insbesondere durch Handlungsanweisungen, Erklärungen oder Kommentare und nur selten durch kognitiv anregende Interaktionen (z. B. Gedanken der Kinder erfragen, Begründungen einfordern) gekennzeichnet sind (Albers, 2009; König, 2009; Tietze, Roßbach & Grenner, 2005; Wildgruber et al., 2014). Im Zusammenhang mit kognitiver Aktivierung und verbaler Lernunterstützung wird, ausgehend von der sozial-konstruktivistischen Lerntheorie und dem Konzept der Zone der nächsten Entwicklung (Vygotsky, 1978), häufig das Konzept des Scaffolding diskutiert. Dieses wird verstanden als adaptive Unterstützung des Lernens durch unterschiedliche Scaffoldingmaßnahmen einer kompetenteren Person (van de Pol et al., 2010; van de Pol, Volman & Beishuizen, 2011; van de Pol, Volman, Oort & Beishuizen, 2015; Wood, Bruner & Ross, 1976). Die individuelle Unterstützungsmaßnahme, insbesondere durch verbale Interaktion, bietet dem Kind während der Be arbeitung einer Aufgabe ein kognitives „Gerüst“, das es ihm ermöglicht, die Aufgabe auf einem höheren kognitiven Niveau zu bearbeiten als es ohne Unterstützung möglich gewesen wäre. Bei der Umsetzung des Scaffolding werden unterschiedliche Strategien diskutiert. Im Kontext naturwissenschaftlicher Lerngelegenheiten umfassen diese i nsbesondere das Vormachen und das Klären von Phänomenen, die Fokussierung der Aufmerksamkeit und die Verwendung domänenspezifischer Sprache. Das konsistente Erwähnen bestimmter Begriffe etwa unterstützt nachweislich das Lernen junger Kinder (Klibanoff, Levine, Huttenlocher, Vasilyeva, & Hedges, 2006). Eine bedeutende Scaffoldingstrategie ist zudem die Aktivierung von Vorwissen, denn sie unterstützt die Lernenden dabei, neue Informationen mit vorhandenem Wissen in Verbindung zu setzen und dadurch auf Inkonsis-
Der Begriff Kindergarten bzw. Kindergartenalter wird im vorliegenden Beitrag für die Altersspanne von ca. 3 – 6 Jahren verwendet. Die durchgeführte Studie bezieht sich dann konkret auf das Vorschulalter, also fokussiert auf Kinder im Alter von 5 bis 6 Jahren (siehe Stichprobe und Design).
1
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 13–21
© 2019 Hogrefe Verlag
A. Bürgermeister et al., Interaktion in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten
tenzen hinzuweisen, um somit die Voraussetzungen für einen konzeptuellen Wandel zu schaffen (z. B. Kloos & Somerville, 2001). Die Förderung eines Konzeptwandels kann zudem durch die Anregung kognitiver Konflikte und das Einfordern von Begründungen unterstützt werden (Mannel, Hardy, Sauer & Saalbach, 2016; Studhalter, 2017). Letzteres hilft Kindern, Hypothesen und experimentelle Beobachtungen miteinander in Verbindung zu setzen, und fördert daher das wissenschaftliche Denken (Rittle-Johnson, 2006). Zusammenfassend zeigen empirische Befunde zu qualitativen Aspekten verbaler Unterstützungsmaßnahmen, dass es besonders lernwirksam ist, das Vorwissen inhaltsspezifisch zu aktivieren und domänenspezifische Sprache im Alltagskontext zu verwenden (Leuchter & Saalbach, 2014; Studhalter, 2017). Überraschenderweise zeigt sich dagegen, dass die Herausforderung eines Konzeptwandels, beispielsweise durch das Anregen von kognitiven Konflikten, in bestimmten Situationen einen negativen Zusammenhang mit dem Lernergebnis der Kinder aufweist (Studhalter, 2017; Studhalter, Saalbach, Leuchter & Tettenborn, 2018). In Bezug auf die quantitativen Merkmale der Interaktionen zwischen pädagogischer Fachkraft und Kindern ist anzunehmen, dass sich eine aktive Beteiligung der Lernenden positiv auf den Lernprozess auswirkt (Black, 2004; Vygotsky, 1978). Eine aktive Rolle in der Interaktion – gekennzeichnet durch eine hohe Zahl an Redebeiträgen – gibt den Lernenden die Gelegenheit, ihr Wissen aktiv zu erweitern, umzustrukturieren oder neues Wissen zu erwerben (Pauli & Lipowsky, 2007). Kindern ist es also eher möglich, Wissen zu konstruieren, wenn sie an inhaltsbezogenen Diskussionen teilnehmen, als in Gesprächen, die durch die pädagogische Fachkraft dominiert werden. Während es im Kita-Bereich bisher kaum empirische Studien gibt (vgl. aber Tompkins, Zucker, Justice & Binici, 2013), die die Verteilung der Redebeiträge bzw. aktive Beteiligung der Kinder untersuchen, weisen Befunde aus dem Schulkontext auf hohe Redeanteile der Lehrenden hin (Ackermann, 2011). Ein Teil der Studien zeigt auf, dass sich eine stärkere Beteiligung der Lernenden am Gespräch positiv auf den Lernerfolg auswirkt (Schulz, 2011; Seidel, Rimmele & Prenzel, 2003). Hingegen fanden weder Lipowsky, Rakoczy, Pauli, Reusser und Klieme (2007; für die Sekundarstufe) noch Inagaki, Hatano und Morita (1998; für die Primarstufe) einen positiven Effekt auf die Kompetenzentwicklung. Diese differenzierte Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Redebeiträgen der Lernenden und Lern erfolgen sollte für die Elementarstufe weiterverfolgt werden. Dabei kann an Tompkins und Kollegen (2013) angeknüpft werden, die Interaktionsqualität im Elementarbereich hinsichtlich qualitativer Aspekte (Anregung © 2019 Hogrefe Verlag
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schlussfolgernden Denkens) sowie quantitativer Aspekte betrachten. Ihre Analysen zeigen, dass die pädagogischen Fachkräfte in Kleingruppengesprächen im Rahmen einer Freispielzeit durchschnittlich mehr Redebeiträge hatten als die Kinder. Etwa 67 % des Redeanteils der Fachkraft stellen kurze Kommentare dar. Lediglich 25 % der Redeanteile sind durch Fragen an die Kinder gekennzeichnet. Es wurde jedoch nicht untersucht, wie sich diese Aspekte auf das Lernen der Kinder auswirken. Im folgenden Beitrag sollen daher vertiefte Einblicke in die lernförderliche Gestaltung von naturwissenschaftlichen Lehr-Lerngesprächen in der Kita gegeben und insbesondere die Verknüpfung zwischen Quantität und Qualität sowie deren Bedeutung für das vorschulische naturwissenschaftliche Lernen beleuchtet werden.
Fragestellungen Die vorliegende Studie hat zum Ziel, Fachkraft-Kind-Interaktionen in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten im Kindergarten aus unterschiedlichen Perspektiven zu untersuchen. Der Fokus liegt dabei auf der Lernunterstützung, die eine Facette der Interaktionsqualität darstellt (vgl. Pianta, La Paro & Hamre, 2008) und als ein Bündel von Scaffoldingmaßnahmen betrachtet werden kann. Während bisherige Studien zur Untersuchung der Interaktionsqualität in der Kita insbesondere Merkmale der Lernunterstützung durch die pädagogischen Fachkräfte im Blick hatten (z. B. Leuchter & Saalbach, 2014) und qualitative Aspekte der Interaktion untersuchen, werden in der vorliegenden Studie auch quantitative Merkmale beleuchtet. Kleingruppengespräche werden zunächst dahingehend untersucht, wie Redebeiträge zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern verteilt sind und welche Effekte dies auf das Lernen der Kinder hat. Darüber hinaus wird analysiert, inwieweit dieser Effekt abhängig ist vom Einsatz der Vorwissensaktivierung als spezifische Scaffoldingmaßnahme. Es wird auf diese Maßnahme fokussiert, da die Vorwissensaktivierung eine grundlegende Voraussetzung konzeptuellen Lernens darstellt (z. B. Vosniadou, 1994) und nach weislich einen positiven Effekt auf das Lernen hat (z. B. Studhalter, 2017). Folgende Fragestellungen werden untersucht: 1. Sind Kleingruppen-Gespräche im Rahmen naturwissenschaftlicher Lerngelegenheiten durch Redebeiträge der Kinder oder der pädagogischen Fachkräfte dominiert und wie umfangreich sind die einzelnen Beiträge? Entsprechend bisheriger Befunde aus dem Schulkontext (Ackermann, 2011; Seidel et al., 2003) sowie vereinzelt aus dem Elementarbereich (Tompkins et al., 2013) wird an Frühe Bildung (2019), 8 (1), 13–21
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A. Bürgermeister et al., Interaktion in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten
genommen, dass die Lerngelegenheiten im Kindergarten durch Redebeiträge der pädagogischen Fachkräfte dominiert werden. 2. Welchen Effekt hat die aktive Beteiligung der Kinder an den Gesprächen auf das frühe naturwissenschaftliche Lernen? Entsprechend kognitiv-konstruktivistischer und sozial-konstruktivistischer Lerntheorien (Vygotsky, 1978) wird angenommen, dass eine hohe Anzahl an kindlichen Redebeiträgen mit einem höheren Kompetenzzuwachs verbunden ist. 3. Wird der Effekt aktiver verbaler Beteiligung der Kinder auf das Lernen durch die Anwendung von Vorwissensaktivierung als Scaffoldingmaßnahme durch die pädagogische Fachkraft beeinflusst? Angenommen wird, dass die aktive Beteiligung von Kindern an den Gruppengesprächen besonders dann lernförderlich ist, wenn sie in Zusammenhang mit der Vorwissensaktivierung durch die pädagogischen Fachkräfte steht.
Methode Mit dieser Studie werden Daten aus dem Pro Early Science-Projekt re-analysiert (Studhalter, 2017). Dabei handelt es sich um eine längsschnittlich angelegte Studie, bei der in 34 Vorschulklassen in der Schweiz eine standardisierte, strukturierte Lerneinheit in Kleingruppen zum Thema „Schwimmen und Sinken“ durchgeführt wurde. Die Entwicklung naturwissenschaftlicher Kompetenzen der Kinder sowie die verbale Interaktion zwischen pädagogischen Fachkräften und Lernenden wurden im Verlauf eines halben Jahres erhoben, um Zusammenhänge zwischen Scaffoldingmaßnahmen und dem Lernerfolg der Kinder zu untersuchen.
Stichprobe und Design Die für die Re-analyse relevante Stichprobe setzt sich aus insgesamt 34 pädagogischen Fachkräften (96.9 % weiblich; MAlter = 38.38 Jahre, SDAlter = 10.79 Jahre) und 490 Kindern (50.9 % weiblich; MAlter = 4.97 Jahren, SDAlter = 0.65 Jahre) zusammen. Die pädagogischen Fachkräfte wurden beim Einsatz des Lernangebots im Kindergarten im Rahmen von Kleingruppenarbeit (ca. 3 – 6 Kinder) für 40 Minuten videografiert.
Instrumente Kodiersystem zur Erfassung quantitativer und qualitativer Merkmale der verbalen Interaktion Die Transkripte der videografierten Sequenzen wurden hinsichtlich (1) quantitativer Aspekte (Verteilung der Redebeiträge) sowie (2) qualitativer Aspekte (Scaffoldingmaßnahmen) ausgewertet. 1. In Anlehnung an Ackermann (2011) wurde ein Kodiersystem entwickelt, in welchem die Anzahl der Rede beiträge sowie die Anzahl gesprochener Wörter der pädagogischen Fachkräfte sowie der Kinder innerhalb der Kleingruppe aggregiert auf Gruppenebene gezählt wurden. Dabei wurden nur Redebeiträge berücksichtigt, die durch einen Inhaltsbezug zur Lerneinheit gekennzeichnet waren, also beispielweise inhaltliche Anweisungen, Erklärungen von Aufgabenstellungen sowie inhaltsbezogene Rückmeldung. Nicht inhalts bezogene Beiträge, wie Begrüßungen und Verabschiedungen oder Äußerungen zum Verhalten der Kinder, wurden nicht mit in die Analysen einbezogen. Die Interrater-Reliabilität zwischen zwei unabhängigen Kodierern ist mit einem Krippendorffs Alpha von .99 sehr gut (Hayes & Krippendorff, 2007). 2. Im Hinblick auf die Kodierungen qualitativer Aspekte in der Interaktion wurde auf die Ergebnisse der Vorgängerstudie zurückgegriffen (Studhalter, 2017). Die Äußerungen der pädagogischen Fachkräfte wurden darin hinsichtlich ihrer verbalen Unterstützungsfunktion in 15-Sekunden Intervallen mittels der Time-SamplingMethode mit der Software Videograph (Rimmele, 2013) kodiert. Dabei wurde die Intention der Äußerung der pädagogischen Fachkräfte erfasst (vgl., Scaffolding Means, van de Pol et al., 2010), wobei zwischen (A) dem Klären eines Phänomens, einer Aufgabe oder eines Vorgehens, (B) dem Fokussieren der Aufmerksamkeit, (C) der Aktivierung des Vorwissens und (D) dem Herausfordern eines Konzeptwandels unterschieden wurde (Studhalter, 2017)2. Die Interrater-Reliabilität zwischen unabhängigen Kodierern ist mit einem Fleiss' Kappa von .81 gut (Fleiss, 1981). Überprüfung des Lernzuwachses Die Erfassung des konzeptuellen Wissens der Kinder zum Thema „Schwimmen und Sinken“ erfolgte als Prä- / PostTestung, sowie sechs Monate später als Follow-Up-Testung. In den standardisierten Tests schätzten die Kinder das Schwimm- und Sinkverhalten verschiedener Objekte wie beispielsweise Ringe verschiedener Materialien, Holz-
Vorkommen der einzelnen Scaffoldingmaßnahmen in der analysierten Videosequenz: (A): 39 %, (B): 14 %, (C): 12 %, (D): 15 %. Der restliche Anteil bezieht sich auf die Zeit, in der keine verbale Interaktion stattfand (Wartezeit) oder in der verbale Interaktion ohne Inhaltsbezug stattfand.
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Ergebnisse
100% 90%
27,5
Anteil am Gesamtgespräch
Fragestellung 1 fokussiert auf die Verteilung der Redebeiträge zwischen pädagogischen Fachkräften und Lernenden in den unter60% suchten naturwissenschaftlichen Lerngele50% genheiten. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die 40% 72,5 Kinder mit einem Anteil der inhaltlichen 30% 46,2 Redebeiträge von durchschnittlich 53,8 % 20% das Gespräch dominieren (absolute Anzahl 10% der Redebeiträge: MKind = 252.2, SD = 83.6; 0% MPFK = 216.4, SD = 59.7). D. h., dass über die Anzahl der Redebeiträge Umfang der Redebeiträge: Anzahl gesprochener Wörter Hälfte aller in der Lerngruppe getätigten Äußerungen in der betrachteten LernsePädagogische Fachkraft Kinder quenz auf die Kinder zurückgehen. Schaut Abbildung 1. Anzahl und Umfang der Redebeiträge in den Kleingruppengesprächen man hingegen den Umfang der Redebeiträge (getrennt nach pädagogischen Fachkräften und Kindern; prozentualer Anteil am Gesamtan, wird ersichtlich, dass die Redebeiträge gespräch). der pädagogischen Fachkräfte deutlich umkugeln, Tonwürfel oder kleine Nägel ein (vgl. Leuchter & fangreicher sind: ein Anteil von 72,5 % aller insgesamt gesprochenen Wörter fällt auf die pädagogischen Fachkräfte Saalbach, 2014). Um das konzeptuelle Verständnis zu (absolute Anzahl an gesprochenen W örtern inhaltlicher erfassen, sollten die Kinder begründen, warum einzelnen Beiträge: MKind = 967, SD = 362.7; MPFK = 2.595, SD = 741.6). Gegenstände schwimmen oder sinken. Kodiert wurde, ob Fragestellung 2 untersucht den Zusammenhang zwidas Schwimm- oder Sinkverhalten mit dem Materialkonschen der aktiven Beteiligung der Kinder an den Gespräzept begründet wurde. Schlüssige Begründungen mit diechen (Anzahl Redebeiträge) und ihrem Lernerfolg im sem Konzept (z. B. „Es schwimmt, weil es Styropor ist“) Begründen des Schwimm- und Sinkverhaltens von Gegenwurden mit 1 kodiert, Begründungen mit Dimensionen ständen. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse für zwei getrennt wie Gewicht und Größe mit 0,5 (z. B. „Es schwimmt, weil durchgeführte Mehrebenen-Regressionsmodelle. Modell es nicht schwer ist“) und andere Aussagen mit 0 (z. B. „Ich 1 bezieht auf der Individualebene die dummy-kodierte weiß es nicht“; Begründungsleistung Prä-Test: M = 44.24, Variable der Mehrsprachigkeit der Lernenden als PrädikSD = 20.00; Post-Test: M = 58.05, SD = 22.72; vgl. Studhaltor mit ein und zeigt dabei einen hochsignifikanten nega ter, 2017). Da sich in vorangegangenen Untersuchungen gezeigt tiven Effekt auf den Lernerfolg. Kinder, die zu Hause hat, dass sich Mehrsprachigkeit auf das Lernen der Kinder vorwiegend eine andere Sprache als Deutsch sprechen, auswirkt (z. B. Saalbach, Gunzenhauser, Kempert & schneiden demnach schlechter ab als deren Mitlernende, Karbach, 2016), wurde durch Befragung der pädagogischen die in ihren Familien hauptsächlich Deutsch sprechen. Auf Fachkräfte erfasst, ob das Kind zuhause vorwiegend eine Gruppenebene zeigt sich darüber hinaus, dass die Anzahl andere Sprache als Deutsch bzw. Schweizerdeutsch spricht. der Redebeiträge der Lernenden positiv mit ihrem konzeptuellen Verständnis zusammenhängt (β = 0.25, p < 0.05). D. h., in Gruppen, in denen sich die Kinder viel Statistische Analysen äußern, erzielen diese auch bessere Begründungsleistungen – unabhängig davon, wie das Verhältnis zur Anzahl der Da die teilnehmenden Kinder in unterschiedlichen GrupRedebeiträge der pädagogischen Fachkräfte ist. Das zweipen geclustert waren, wurden Mehrebenen-Regressionste Modell nimmt zusätzlich auf Individualebene die analysen mit HLM 7.0 (Raudenbush, Bryk & Congdon, Begründungsleistung im Prätest als Prädiktor auf, welche 2011) durchgeführt, um die Fragestellungen 2 und 3 zu uneine starke Vorhersagekraft für die spätere Leistung zeigt. tersuchen. Die Intraklassenkorrelation beträgt für die Der Effekt der aktiven Teilnahme der Kinder (Anzahl der abhängige Variable, also die Leistung im Begründen des Redebeiträge) wird dadurch abgeschwächt und ist – über Schwimm- und Sinkverhaltens verschiedener Gegenständas Vorwissen hinaus – nur noch marginal bedeutsam für de, in der Post-Messung 13,2 %.3 das Lernen (β = .19, p > .05). 80% 70%
53,8
Der ermittelte Anteil an Varianz zwischen den Gruppen ist als klein bis mittel zu interpretieren und rechtfertigt ein mehrebenenanalytisches Vorgehen (Cohen, 1992).
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Tabelle 1. Mehrebenen-Regressionsanalysen zum Effekt der Anzahl der Redebeiträge der Kinder auf den Lernerfolg (mit und ohne Vorwissen als Prädiktor) Modell I: ohne Vorwissen
Modell II: mit Vorwissen
β-Koeffizient (SD)
β-Koeffizient (SD)
Individualebene Intercept Mehrsprachigkeit1
.19* (.09)
.18 (.10)
–.42*** (.11)
–.35** (.13)
Begründungsleistung zu T1
–
.33*** (.05)
Gruppenebene Redebeitrag Kinder2
.25* (.10)
.19* (.10)
Redebeitrag Kinder relativ zur PFK3
–.08 (.11)
–.06 (.11)
Varianzkomponente Level 1 (Nullmodell = .87)
.87
.76
Anmerkungen: Alle Variablen z-standardisiert; 10 = spricht zu Hause vorwiegend Deutsch; 2Anzahl der Redebeiträge der Kinder im Gruppengespräch; 3Anzahl der Redebeiträge der Kinder im Gruppengespräch relativ zur Anzahl der Redebeiträge der PFK; *** p < .001; ** p < .01; * p < .05.
Fragestellung 3 untersucht den Wechselwirkungseffekt zwischen der aktiven Teilnahme der Lernenden und der Scaffoldingmaßnahme der Vorwissensaktivierung der pädagogischen Fachkräfte auf die Begründungsleistung im Posttest. Die Ergebnisse dieses Modells (dargestellt in Tabelle 2) zeigen, dass es – unter Berücksichtigung der Begründungsleistung zu T1 – eine positive Wechsel wirkung dieser beiden Variablen auf Gruppenebene gibt (β = .88, p < .01)4. Eine starke Beteiligung der Lernenden an dem Gespräch, operationalisiert durch die Anzahl an Redebeiträgen, hat also insbesondere dann einen lernförderlichen Effekt, wenn diese in Zusammenhang mit der Vorwissensaktivierung durch die pädagogischen Fachkräfte steht.
Diskussion Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, vertiefte Einblicke in die lernförderliche Gestaltung von Lerngelegenheiten im Elementarbereich zu geben. Die verbale Interaktion zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern sollte dabei vor allem im Hinblick auf die Quantität der Rede beiträge der Kinder untersucht werden. Zudem lag ein besonderer Fokus auf der Verknüpfung dieser quantitativen P erspektive mit der Perspektive auf die Qualität der Lernunterstützung durch die pädagogischen Fachkräfte.
Die Befunde zur ersten Fragestellung weisen darauf hin, dass pädagogische Fachkräfte Kindern im Kontext naturwissenschaftlicher Lerngelegenheiten durchaus Raum geben, sich zu äußern und sich aktiv an den Gesprächen zu beteiligen. So zeigte sich, dass die Lernenden insgesamt mehr Redebeiträge hatten als die pädagogischen Fachkräfte, diese jedoch weniger umfangreich waren und die pädagogischen Fachkräfte mehr Wörter sprachen als die Kinder. Dieser höhere Redeanteil der Kinder scheint zunächst im Kontrast zu stehen zur Mehrheit der bisherigen Befunde, die eine deutliche Dominanz der Lehrenden in Gesprächen mit Lernenden berichtet. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei dem Großteil bisheriger empirischer Befunde um Studien aus dem Schulkontext handelt (vgl. Ackermann, 2011; Lipowsky et al., 2007; Seidel et al., 2003). Dennoch haben auch einzelne empirische Studien im Elementarbereich gezeigt, dass die pädagogischen Fachkräfte in Gruppengesprächen dominieren (Tompkins et al., 2013). Dass dies in der vorliegenden Studie nicht der Fall war, könnte mit der Verwendung einer strukturierten Lernumgebung zusammenhängen, mit der die pädagogischen Fachkräfte dazu animiert wurden, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Das Ungleichgewicht der Anzahl gesprochener Wörter kann mit dem Wortschatz und der Sprachkompetenz der Vorschulkinder zu erklären sein, somit könnte eine größere Anzahl an Wörtern von Seiten der pädagogischen Fachkraft als angemessenes, sprachförderliches Angebot interpretiert werden.
Zu beachten ist, dass die Aufnahme des Interaktionseffektes für die Interpretation der simultan zu modellierenden Haupteffekte eine besondere Bedeutung hat und nicht vergleichbar mit der Interpretation in Modellen ohne Interaktionseffekte ist (vgl. Hox, 2010). Sobald ein Interaktionsterm im Modell aufgenommen ist, stellt der Regressionskoeffizient für eine Variable (z. B. Vorwissensaktivierung) die erwartete Steigung dar, für den Fall, dass die andere Variable (z. B. Redebeitrag) den Wert 0 annimmt (vgl. Hox, 2010, S. 63).
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Tabelle 2. Effekt der Interaktion zwischen der Anzahl der Redebeiträge der Kinder und Scaffoldingmaßnahmen auf den Lernerfolg
β-Koeffizient (SD)
Individualebene Intercept Mehrsprachigkeit
.13 (.10) 1
Begründungsleistung zu T1
–.34* (.14) .33*** (.05)
Gruppenebene Redebeitrag Kinder2 Scaffolding: Vorwissen aktivieren Redebeitrag Kinder × Scaffolding Vorwissen aktivieren Varianzkomponente Level 1 (Nullmodell = .87)
–.17 (.12) –.70** (.22) .88** (.23) .72
Anmerkungen: Alle Variablen z-standardisiert; 10 = spricht zu Hause vorwiegend Deutsch; 2Anzahl der Redebeiträge der Kinder im Gruppen gespräch; *** p < .001; ** p < .01; * p < .05.
Entsprechend der Annahme, dass Lernende ein größeres inhaltliches Verständnis erreichen, wenn sie sich verbal häufiger aktiv mit den Inhalten auseinandersetzen, zeigen die Ergebnisse zur Beantwortung der zweiten Fragestellung positive Effekte einer stärkeren Beteiligung der Kinder am Gespräch auf den Lernerfolg. Dies deckt sich mit Befunden aus dem Schulkontext, die zeigen, dass aktive Teilnahme an Diskussionen wichtig für ein erfolgreiches Lernen ist (z. B. Pauli & Lipowsky, 2007). Diskutiert wird in diesem Kontext jedoch die Kausalität dieses Zusammenhanges und damit einhergehend die Frage, ob eine stärkere Beteiligung zu höherem Lernerfolg führt oder ob sich leistungsstärkere Lernende häufiger am Gespräch beteiligen (Knobloch, Sumfleth & Walpuski, 2013). An dieser Stelle sind weitere längsschnittlich angelegte Studien im Elementarbereich notwendig, die kindliche Merkmale einbeziehen, welche die Beteiligung an Gesprächen bedingen können (z. B. Vorerfahrungen mit dem Thema oder Interesse). Die Befunde zeigen auch, dass, abgesehen von der aktiven Beteiligung der Kinder am Gruppengespräch, ihre zuvor erbrachte Leistung für den späteren Lernerfolg äußerst relevant ist. Das alleinige Fördern einer aktiven Gesprächsbeteiligung ist demnach nicht ausreichend für den Wissenszuwachs im frühen naturwissenschaftlichen Lernen, sondern maßgeblich bedingt durch das Vorwissen der Lernenden. Folgerichtig verdeutlichen die Befunde zu Fragestellung 3, dass es eine Wechselwirkung zwischen quantitativen und qualitativen Aspekten von verbaler Interaktion in naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten in der Kita gibt: Eine starke Beteiligung der Lernenden am Gespräch ist besonders dann lernförderlich, wenn diese mit Vorwissensaktivierung als Scaffoldingmaßnahme einhergeht. Wenn es pä© 2019 Hogrefe Verlag
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dagogische Fachkräfte also schaffen, das Vorwissen der Kinder immer wieder in das Lerngespräch einzubeziehen und dabei die Kinder zu aktivieren, sich oft zu äußern, wird der Aufbau konzeptuellen naturwissenschaftlichen Wissens im Elementarbereich effektiv unterstützt. Konkret könnte es also heißen, dass pädagogische Fachkräfte in naturwissenschaftlichen Lernumgebungen gezielt Kinder aktivieren, über ihr relevantes Vorwissen zu sprechen und dieses auf eine Experimentiersituation anzuwenden. Die Ergebnisse zeigen damit, dass es sinnvoll ist, bei der Untersuchung verbaler Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte zu beleuchten, zudem die Wechselwirkung zwischen beiden Perspektiven in den Blick zu nehmen und deren Bedeutung für das Lernen zu untersuchen. Das komplexe Zusammenspiel zwischen verschiedenen Aspekten der verbalen Interaktion zeigt sich auch in den Befunden zu Sequenzeffekten in der Lernunterstützung (Studhalter, 2017): Dabei ließ sich erkennen, dass bestimmte Scaffolding strategien der pädagogischen Fachkraft, wie die Anregung eines Konzeptwandels durch Stimulation eines kognitiven Konfliktes, nur lernförderlich sind, wenn zuvor das Vor wissen der Kinder aktiviert wurde.
Limitationen und Ausblick Bei der Interpretation der vorliegenden Befunde sollte berücksichtigt werden, dass die einbezogenen Prädiktoren zur Beschreibung der Interaktionsqualität lediglich auf Gruppenebene erfasst wurden. D. h., bedingt durch das Studiendesign wurden die Redebeiträge nicht pro Kind, also auf individueller Ebene, sondern für alle Kinder einer Lerngruppe erfasst. Ebenfalls wurden die eingesetzten Scaffoldingmaßnahmen der pädagogischen Fachkraft für die gesamte Gruppe in dieser Lerneinheit erfasst. Für Folgestudien wäre eine Untersuchung auf individueller Ebene sinnvoll, um zu beleuchten, ob Fachkräfte einzelne Kinder verbal mehr oder weniger in ihren Lernprozessen unterstützen und wie sich dies auf das Lernen auswirkt. Aufgrund der genannten Design-Restriktionen konnte zudem die Adaptivität der eingesetzten Scaffoldingmaßnahmen nicht berücksichtigt werden und somit wurde nicht untersucht, inwieweit die Unterstützungsmaß nahme der pädagogischen Fachkraft an den Lernstand der Kinder angepasst ist. Die Adaptivität stellt jedoch ein Kernmerkmal des Scaffoldings dar, welches die Qualität der verbalen Interaktion bedeutend bestimmt (van de Pol et al., 2011; 2015). Die empirische Erfassung der Adaptivität in Lehr-Lerngesprächen stellt jedoch eine große Herausforderung dar und war bisher nur selten Kern empiriFrühe Bildung (2019), 8 (1), 13–21
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scher Arbeiten (vgl. aber für die Schulebene van de Pol et al., 2015). Zukünftige Arbeiten, auch im Bereich der frühkindlichen Bildung, sollten jedoch an dieser Stelle anknüpfen und untersuchen, inwieweit Aufforderungen, Nachfragen oder Anweisungen von pädagogischen Fachkräften an die Lernvoraussetzungen der Kinder (beispielsweise bestehende Fehlkonzepte oder Wissenslücken) angepasst sind. Dabei sollte dieser Forschungsfokus neben der naturwissenschaftlichen Bildung auch auf andere Domänen, wie die sprachliche oder mathematische Bildung, ausgeweitet werden. Trotz dieser Limitationen leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung von Interaktionsqualität im Kontext naturwissenschaftlicher Lerngelegenheiten im Kindergarten. Mit Hilfe eines längsschnittlichen Studiendesigns und einer differenzierten Untersuchung von Interaktionsqualität – mit dem Blick auf qualitative und quantitative Aspekte – können relevante Implikationen für die Gestaltung frühkindlicher Lehr-Lernprozesse abgeleitet werden. So zeigt die Studie, dass bereits beim frühkindlichen naturwissenschaftlichen Lernen das Vorwissen der Kinder von besonderer Bedeutung ist und pädagogische Fachkräfte die Entwicklung eines konzeptuellen Verständnisses dabei besonders durch die gezielte Aktivierung dieses Wissens beim Experimentieren und einer aktiven Beteiligung der Kinder an Lehr-Lerngesprächen unterstützen können.
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Schwerpunktbeitrag
Förderung biologischer Beobachtungskompetenz im Kindergarten Janina Klemm1, Lucia Kohlhauf1, William J. Boone2, Beate Sodian3 und Birgit J. Neuhaus1 Ludwig-Maximilians-Universität München, Didaktik der Biologie Miami University, Department of Educational Psychology 3 Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Psychologie und Pädagogik, Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 1 2
Zusammenfassung: Beobachten ist eine zentrale wissenschaftliche Erkenntnismethode, die gerade für Vorschulkinder einen guten Einstieg in naturwissenschaftliches Lernen bietet (de Bóo, 2006; Johnston, 2009; Kohlhauf, 2013). Da biologische Förderung im Vorschulbereich bisher meist unsystematisch abläuft (Kohlhauf, 2013), war es Ziel der hier beschriebenen Studie, zu untersuchen, ob die biologische Beobachtungskompetenz von Vorschulkindern mit einem eigens dafür entwickelten Trainingsprogramm systematisch gefördert werden kann. 75 Kinder im Vorschulalter (Alter: 4;9 bis 6;7 Jahre) nahmen an der Studie teil. Während die 40 Kinder der Experimentalgruppe ein Trainingsprogramm durchliefen, das darauf abzielte, die Wahrnehmung und Beschreibung von Details, das wissenschaftliche Denken und die Interpretation beobachteter Zusammenhänge zu verbessern, erhielt die Kontrollgruppe keine spezielle Förderung der Beobachtungskompetenz. Vor und nach dem Training wurde die Beobachtungskompetenz aller beteiligter Kinder gemessen. Die Trainingsmaterialien konnten von den Trainer_innen laut Selbsteinschätzung gut angewendet werden, waren laut Trainer_innen für die Altersgruppe geeignet und motivierten die Kinder dazu, sich aktiv zu beteiligen. Allerdings beeinflussten die Trainingseinheiten die Beobachtungskompetenz der Kinder aus der Experimentalgruppe unterschiedlich stark: Während die Kinder, die zu Beginn des Trainings bereits bessere Beobachter waren, von dem Training profitierten, konnten die schwächeren Kinder ihre Beobachtungskompetenz nach Absolvierung der Einheiten nicht steigern. Schlüsselwörter: Beobachtungskompetenz, Biologie, Vorschule, MINT, wissenschaftliches Denken Fostering Biological Observation Competency in Preschool Abstract: Observation is a central scientific method, which offers a good introduction to natural science learning for preschool children (de Bóo, 2006; Johnston, 2009; Kohlhauf, 2013). Since biology experience in the preschool area has so far largely been unsystematic (Kohlhauf, 2013), the aim of this study was to determine whether the biological observation competency of preschool children could be improved systematically by a specifically developed training program. In total, 75 children in preschool (age 4.9 – 6.7 years) participated in the study. While the experimental group (40 children) received a training program aimed at improving the perception and description of details, scientific thinking, and the interpretation of observed interrelations, the control group did not receive any special support for observational competence. The observation competency of all children was measured before and after the training. The training materials showed good usability according to the trainers' self-assessment, they were suitable for the age group and motivated the children to participate actively. However, the training influenced the observation competency of the children from the experimental group to varying degrees: Children who were already better observers at the beginning benefited from the training. The children who were weaker observers did not have a higher observation competency after completing the training. Keywords: observation competency, biology, preschool, STEM, scientific reasoning
Wie die entwicklungspsychologische Forschung zeigt, besitzen bereits Vorschulkinder grundlegende Fähigkeiten zum wissenschaftlichen Denken (Koerber, Sodian, Thoermer & Nett, 2005; Piekny, Grube & Maehler, 2013a, 2013b; Piekny & Maehler, 2013). Auch ihr konzeptuelles Wissen in der Domäne Biologie entwickelt sich in diesem Alter (Inagaki & Hatano, 2004; Mähler & Ahrens, 2003; Opfer & Gelman, 2010). So haben die meisten Kinder beFrühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000407
reits erstes Wissen über naturwissenschaftliche Inhalte erworben, auf das im Kindergarten verwiesen und aufgebaut werden kann (Cumming, 2003). Dabei wirkt sich das hohe Interesse an Naturwissenschaften in diesem Alter (Lück, 2015) positiv auf den Lernerfolg aus (Sha, Schunn, Bathgate & Ben-Eliyahu, 2016). Naturwissenschaftliche Inhalte in die frühe Bildung zu integrieren, scheint daher sinnvoll zu sein. © 2019 Hogrefe Verlag
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Seit 2006 gibt es in allen deutschen Bundesländern Bildungspläne für frühkindliche Bildung (Diskowski, 2009). Naturwissenschaftliche Bildung ist darin zumeist explizit als Themengebiet enthalten. Zum Teil liegt der Schwerpunkt hier allerdings eher auf physikalischen oder do mänenübergreifenden wissenschaftlichen Fähigkeiten, weniger auf biologischen Inhalten (z. B. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen [BaySt], 2006). Gerade biologische Themen der belebten Natur bieten sich allerdings für eine frühe spielerische Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Arbeitsmethoden besonders an (vgl. z. B. Schäfer, 2011). Da es nicht nur Ziel naturwissenschaftlicher Bildung im Kindergarten ist, anschlussfähiges Wissen, sondern auch Methodenkenntnis aufzubauen, wird Beobachten in der Regel als relevante Kompetenz aufgeführt (Möller & Steffensky, 2010; Staatsinstitut für Frühpädagogik [IFP], 2012). Es gilt als Grundlage für andere naturwissenschaftliche Erkenntnismethoden, aber auch als eigenständige komplexe Forschungsmethode, die besonders in der Biologie einen hohen Stellenwert hat (vgl. z. B. Harms, Mayer, Hammann, Bayrhuber & Kattmann, 2004). Hierbei ist es wesentlich, auf relevante Details zu achten und mit Fragen und Hypothesen zu arbeiten (Oguz & Yurumezoglu, 2007). Präkonzepte können dabei beeinflussen, was beobachtet oder wie das Beobachtete interpretiert wird (Brewer & Lambert, 2001; Chinn & Malhotra, 2002). Eine angemessene Förderung des Beobachtens als Kompetenz ist erforderlich, damit es ein hilfreiches Werkzeug für den Erkenntniserwerb sein kann (Eberbach & Crowley, 2009). Da es im Sinne des Konstruktivismus nötig ist, das Ausgangsniveau der Lernenden zu kennen, entwickelten Kohlhauf, Rutke und Neuhaus (2011) ein Kompetenzmodell zur biologischen Beobachtungskompetenz. Sie identifizierten die folgenden Dimensionen, die für die Qualität der Beobachtung wichtig sind: Beschreiben von Details, wissenschaftliches Denken und Interpretieren. Die Autor_ innen beschreiben Verhalten in diesen Dimensionen auf jeweils drei Niveaustufen: inzidentelles Beobachten, unsystematisches Beobachten und systematisches Beobachten. Das entstandene Kompetenzmodell soll beispiels weise zum Einsatz kommen, um daraus individuelle Fördermaßnahmen auf allen Niveaus abzuleiten. Einige wenige Studien haben die Förderung von Beobachtungskompetenz bei Vorschulkindern bereits untersucht. In der Studie von Johnston (2009) nahmen Kinder an verschiedenen Beobachtungs- und Kategorisierungsspielen teil. Als wichtigsten Faktor für die Förderung des Beobachtungsverhaltens von Kindern wurde hier das Lernen in sozialen Interaktionen mit Erwachsenen und Gleichaltrigen herausgearbeitet. Monteira und JiménezAleixandre (2015) führten ein fünfmonatiges Projekt durch, in dem die Kinder zusammen mit ihren Erzieher_ © 2019 Hogrefe Verlag
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innen Schnecken beobachteten und Evidenz für ihre eigenen Forschungsfragen sammelten. Die qualitativen Ergebnisse der Studie zeigen vielversprechende Effekte: Die Kinder zeigten am Ende der Einheit mehr zielgerichtetes Beobachtungsverhalten und einen differenzierteren Umgang mit Evidenz. Kohlhauf (2013) entwickelte ausgehend vom zuvor vorgestellten Kompetenzmodell in den Dimensionen „Beschreiben“, „wissenschaftliches Denken“ und „Interpretieren“ Spielmaterialien für die alltagsintegrierte Förderung von biologischer Beobachtungskompetenz im Kindergarten. Mehrere Erzieher_innen integrierten die Spiele über einige Wochen weitestgehend erfolgreich und gaben Feedback bezüglich möglicher Verbesserungen. Für die vorliegende Studie wurden die in der Studie von Kohlhauf (2013) eingesetzten Trainingsmaterialien weiterentwickelt, um der Frage nachgehen zu können, ob anhand der Materialien eine Förderung der biologischen Beobachtungskompetenz von Vorschulkindern möglich ist. Bei der Überarbeitung der Materialien wurden neben dem Beobachtungskompetenzmodell von Kohlhauf (2013) allgemeine pädagogische Faktoren berücksichtigt. Lernen in der Vorschule sollte konstruktivistisch sein, d. h. die bisherigen Erfahrungen der Kinder sollten berücksichtigt werden und die Lernenden während des gesamten Lernprozesses selbst aktiv sein (Fthenakis, 2009). Die Forschung hat gezeigt, dass Interventionen im Vorschulalter besonders effektiv sind, wenn sie spielorientiert sind (Hauser, Vogt, Stebler & Rechsteiner, 2014; Mogel, 2008; Oerter, 2012) und Möglichkeiten zur Differenzierung bieten (Jonen, Möller & Hardy, 2003; Krajewski, Renner, Nieding & Schneider, 2009; Leuchter, Saalbach & Hardy, 2010). Die in dieser Studie verwendeten Trainingsmaterialien wurden entsprechend so konstruiert, dass sie spielbasiert die Eigenaktivität der Kinder fordern und gleichzeitig im Schwierigkeitsniveau an den individuellen Stand eines Kindes angepasst werden können. Daher ist davon auszugehen, dass die entwickelten Materialien eine gute Verwendbarkeit für Vorschulkinder zeigen und dafür geeignet sind, spezifisch die Beobachtungskompetenz der Kinder zu fördern (Hypothese 1). Ebenso wie sich wissenschaftliches Denken von Kindern im Vorschulalter entwickelt (Piekny & Maehler, 2013; van der Graaf, Segers & Verhoeven, 2015), steigt auch die Beobachtungskompetenz vom Kindes- zum Erwachsenenalter (Kohlhauf et al., 2011; Kohlhauf, 2013). Gleichzeitig handelt es sich bei biologischer Beobachtungskompetenz um eine Kompetenz, die als solche per Definition durch Training erlernbar und förderbar sein sollte (Hartig & Klieme, 2006). Da erste Studien vielversprechende Ergebnisse für naturwissenschaftliche Interventionsprogramme im Vorschulalter zeigen (Anders, Ballaschk & Tietze, 2014; Kohlhauf, 2013; Pauen, 2009), werden auch in dieser Studie sowohl Entwicklungs- als auch Interventionseffekte Frühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29
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erwartet. Es wird angenommen, dass die Beobachtungskompetenz aller Kinder vom Prätest zum Posttest ansteigt (Entwicklungseffekt) (Hypothese 2). Gleichzeitig sollten die Kinder der Trainingsgruppe einen höheren Anstieg in ihrer Beobachtungskompetenz gegenüber der Kontrollgruppe zeigen (Interventionseffekt) (Hypothese 3).
Methode Stichprobe Die Daten für die vorliegende Studie wurden in fünf Kindertageseinrichtungen gesammelt. Zwei der Einrichtungen lagen in einer städtischen Umgebung, drei im ländlichen Raum. Die Stichprobe für den Prä-Post-Vergleich bestand aus 70 Kindern, deren mittleres Alter im Prätest 5;6 Jahre betrug (Spannweite 4;9 bis 6;7 Jahre); 35 waren weiblich und 35 männlich. 40 dieser Kinder nahmen an der Intervention teil und 30 Kinder stellten die Kontrollgruppe.
Studiendesign und Vorgehen Das experimentelle Design bestand aus einer Experimentalgruppe (EG) und einer Kontrollgruppe (KG). In vier der fünf Kindergärten war eine vollständige zufällige Zuordnung der Kinder zu den beiden Gruppen möglich, in einer Einrichtung musste die dort übliche Gruppenmitgliedschaft der Kinder für die Zuordnung zu den Treatments berücksichtigt werden. Während die Experimentalgruppe an den wöchentlichen Trainings teilnahm, erhielt die Kontrollgruppe keine spezielle Förderung. Es gab eine Messung vor Beginn der fünfmonatigen Trainingsphase (Prätest) und eine Messung 1 – 2 Wochen nach dem Ende der Intervention (Posttest). Während der fünf Monate Intervention fanden zwölf Trainingseinheiten à 90 Minuten in einem fast wöchentlichen Rhythmus statt. Etwaige Unterbrechungen waren den Ferien oder Feiertagen geschuldet.
Intervention Die Einheiten wurden in einem separaten Raum des Kindergartens durchgeführt. Insgesamt gab es vier verschiedene Trainer_innen, die alle zur Entwicklung der Materialien und zur exakten Artikulation der Lernziele beigetragen hatten. Für alle Sitzungen wurden Manuale mit den Phasen Einleitung, Ausarbeitung, Sicherung und Schließung entwickelt. Es gab zudem spezifische Lernziele für jede Trainingseinheit sowie Materiallisten. In allen EinrichtunFrühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29
gen wurden die Trainings in der gleichen Reihenfolge durchgeführt. In den Trainingseinheiten wurden insgesamt 46 verschiedene Spiele und Aktivitäten verwendet. Diese Materialien wurden entweder von den Trainer_innen anhand des empirischen Modells für biologische Beobachtungskompetenz von Kohlhauf (2013, S. 91) gänzlich neu entwickelt oder aus den bisherigen Studien von Kohlhauf (2013) übernommen und dabei nur leicht modifiziert oder optimiert. Da im Rahmen der Intervention die Beobachtungskompetenz der Kinder in den drei Dimensionen Beschreiben von Details, wissenschaftliches Denken und Interpretieren gefördert werden sollte, gab es für jede Dimension spezielle Aktivitäten. Abhängig von ihrem Schwierigkeitsgrad kann jede Aktivität zudem in zwei Niveaustufen ablaufen. Das heißt, die einfachere Variante der Aktivitäten und Spiele richtet sich an Teilnehmer, die sich in der jeweiligen Dimension auf dem Niveau des inzidentellen Beobachtens befinden, die schwierigere Variante an kompetentere Teilnehmer auf dem Niveau des unsystematischen / systematischen Beobachtens. Durch die Manualisierung wurden die Niveaustufen hauptsächlich im zeitlichen Verlauf gesteigert und nur punktuell im Rahmen einer Differenzierung einzelner Kinder eingesetzt. Thematisch wurden die Trainingseinheiten in fünf Blöcke mit unterschiedlichen biologischen Themen aufgeteilt: Bohne, Baum, Vögel, Bodentiere sowie Hände und Füße. Eine Beschreibung verschiedener Aktivitäten steht als Elektronisches Supplement 1 zur Verfügung.
Evaluationsbogen Zur Evaluation der Anwendbarkeit der Materialien füllten die Trainer_innen direkt nach jeder Trainingseinheit einen Evaluationsbogen aus. So konnten die Materialien und die Teilnahme der Kinder beurteilt werden. Auf der Basis von Logbucheinträgen wurde die Anwendung und Umsetzung von Aktivitäten und Spielen in den drei Kategorien „das lief gut“, „das hat nicht gut geklappt“ und „das habe ich verändert“ dokumentiert. Für diese Kommentare wurde ein Kategoriensystem auf der Grundlage der Methoden der Grounded Theory entwickelt (Strauss & Corbin, 1994).
Messung der Beobachtungskompetenz Um die Beobachtungskompetenz der Kinder zu erfassen, wurde die Beobachtungssituation aus dem Bobachtungskompetenztest von Kohlhauf (2013) verwendet, in welchem die Teilnehmer nacheinander drei Tiere (Fische, Schnecken und Mäuse) beobachteten. Um Antworten auf ihre eigenen Forschungsfragen zu finden, durften die Kinder eine Stoppuhr, ein Lineal, eine Waage, eine Lupe und © 2019 Hogrefe Verlag
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ein Thermometer verwenden. Diese Instrumente wurden den Kindern in der Warmlaufphase von einer Handpuppe vorgestellt. Die Puppe kam zum Einsatz, um den Kindern die Situation vertrauter zu machen und Gespräche auf Augenhöhe zu ermöglichen. So schloss in der Experimentierphase die Handpuppe ihre Augen und bat die Kinder, ihr das jeweilige Tier zu beschreiben. Anschließend sollten die Kinder die drei Testtiere frei, aber „wie ein Wissenschaftler“ beobachten. Wenn sie nicht von selbst mit Forschungsfragen, Hypothesen und Testideen arbeiteten, wurden sie vom Testleiter bzw. der Handpuppe dazu aufgefordert oder dabei unterstützt. Zeigten sie daraufhin weiterhin kein Beobachtungsverhalten, führten der Testleiter oder die Handpuppe den Schritt für die Kinder aus. In der Phase der Interpretation konnten die Kinder wieder zuerst frei handeln, bevor sie aufgefordert wurden, die Ergebnisse auf die Hypothese zu beziehen. Die gesamte Testsituation wurde videographiert und anschließend kodiert. Die Kodierung der Beobachtungssituation anhand des Schemas von Kohlhauf (2013) erwies sich als zu ungenau für die Stichprobe der durchgeführten Studie, da dieses ursprünglich für die Anwendung einer alters- und kompetenzheterogenen Stichprobe entwickelt worden war. Die Leistungsverteilung der Kinder zeigte einen Bodeneffekt und es war nicht möglich, eine zufriedenstellende Interrater-Zuverlässigkeit zu erreichen. So wurde ein spezielleres Kodierungsschema mit mehr Items und Abstufungen entwickelt. Das endgültige Kodierungsschema bestand aus 39 Items: 13 pro Tier und pro Tier drei für das Beschreiben von Details, zwei zur Forschungsfrage, zwei zum Aufstellen einer Hypothese, zwei zur Durchführung der Testung und vier zum Interpretieren. Bei der Auswertung wurden stets die Qualität und die Selbstständigkeit der Kinder bei der Durchführung eines Schrittes beurteilt. Die Skala zeigte eine gute Reliabilität (α = .74) und auch die Interrater übereinstimmungen (Spearman-Korrelation) nach Zweitkodierung von 10 % der Daten waren alle zufriedenstellend bis gut (rSp > .6). Das Ratingmanual ist als Elektronisches Supplement 2 verfügbar.
Datenauswertung Um für Retest-Effekte zu kontrollieren, wurde eine Rasch DIF (Differential Item Functioning)-Analyse mit den oben beschriebenen Skalen durchgeführt. Die Idee der Auswertung einer Differentialelementfunktion (DIF) besteht darin, sicherzustellen, dass ein Messinstrument für zwei verschiedene Stichproben oder, wie im Fall dieser Studie, für eine Stichprobe zu zwei Zeitpunkten, gleich ist. Das Grundprinzip der Rasch-Analyse, Schätzungen für die Fähigkeiten von Personen und die Schwierigkeiten der Items zu haben, macht dies möglich (Boone, Staver & Yale, 2014). Die © 2019 Hogrefe Verlag
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Rasch-Analysen wurden mit WINSTEPS (Linacre, 2006) durchgeführt. Alle Analysen zum Prä-Post-Vergleich wurden mit den rasch-skalierten Werten berechnet.
Ergebnisse Evaluation der Materialien Bei der Analyse der Evaluationsbögen zeigte sich, dass die meisten Aktivitäten im Dimensionsbereich des Wissenschaftlichen Denkens gut oder sehr gut funktionierten. Sie bieten nach Einschätzung der Trainer_innen eine gute Gelegenheit, die Beobachtungskompetenz der Kinder zu fördern. Gleichzeitig waren viele der Aktivitäten, die nicht gut funktionierten oder viele Probleme zeigten, Aktivitäten zur Förderung der Interpretation. Hierbei traten die Probleme meist auf, weil das Schwierigkeitsniveau für die Kinder nicht angemessen war. Gab es negative Kommentare über die Schwierigkeit der Aktivitäten, hatte dies auch Auswirkungen auf die Motivation der Kinder. Während sich das Schwierigkeitsniveau negativ auf die Motivation auswirkte, wirkte sich die Motivation ihrerseits positiv auf das Verbalisierungsverhalten der Kinder aus. War die Atmosphäre anregend und die Kinder motiviert, wurden Gedanken leichter verbalisiert und Beobachtungen besser beschreiben. Schließlich erwies sich auch die Spezifikation einer Aufgabe und eine enge Anleitung durch die Trainer_innen als wesentlich. In mehreren Fällen funktionierten die Aktivitäten nur, wenn die Trainer_innen das Material mit den Kindern in mehreren Schritten besprachen, anstatt sie selbstständig mit den Materialien arbeiten zu lassen.
Veränderung der Beobachtungskompetenz Weder für die Beobachtungskompetenz noch für das Alter zeigten sich vor der Intervention Gruppenunterschiede zwischen Kontroll- und Experimentalgruppe. Auch die Rasch-Analyse zeigte keine Anomalien oder Probleme mit dem Instrument. Die Mittelwerte der Personenparameter sowohl für den Prätest als auch für den Posttest liegen unter Null, was darauf hindeutet, dass der Test tendenziell schwierig für die Zielgruppe war. Eine ANOVA mit wiederholten Messungen zeigte einen signifikanten Zuwachs der Beobachtungskompetenz über die Zeit (F = 31.84, p < .01, η2 = .32), aber keinen Effekt der Gruppenzugehörigkeit (F = 1.64, n. s.) und keinen Interaktionseffekt (F = 1.46, n. s.). Dies bedeutet, dass beide Gruppen unabhängig von der Intervention im Laufe der Zeit deutlich besser wurden. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29
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sen. Daher sollten vor allem die Aktivitäten zur Förderung der Interpretations fähigkeiten überprüft werden, um das -0.09 -0.2 -0.23 ideale Schwierigkeitsniveau ausmachen KG (bessere 50%) -0.34 -0.30 und die Aufgaben nach den unterschied -0.4 lichen Leistungsniveaus der Kinder diffeEG (bessere 50%) -0.57 -0.6 renzieren zu können. Auch die Tatsache, -0.62 dass die Motivation eng mit dem rich KG (schlechtere 50%) -0.8 tigen Schwierigkeitsgrad der Aufgaben verknüpft war, unterstreicht noch einmal EG (schlechtere 50%) -1.0 die Bedeutung der angemessenen Diffe-1.09 -1.11 -1.2 renzierung der Aufgaben. Für die Aktivitäten, die als problemaAbbildung 1. Veränderung der Beobachtungskompetenz für Gruppen nach Mediansplit. tisch galten oder verändert wurden, gaben die Trainer_innen gutes Feedback, inwiefern die Aufgaben geändert oder Differentialeffekte angepasst werden könnten. Weitere Spiele für einige Kompetenzniveaus und Dimensionen sind laut den Trainer_inUm herauszufinden, ob das Training unterschiedliche nen zudem zusätzlich erforderlich. Künftig sollte es mehr Auswirkungen auf die Kinder in Abhängigkeit ihrer vor Aktivitäten geben, die die Interpretationsfähigkeiten der herigen Fähigkeiten hatte, wurde ein Mediansplit für die Kinder auf einem leichten Niveau fördern. Für die DimenBeobachtungskompetenz im Prätest durchgeführt und sion Wissenschaftliches Denken wurden im Allgemeinen ANOVAs sowohl für die oberen als auch für die unteren mehr Aktivitäten gefordert. 50 % der Stichprobe berechnet. Auf deskriptiver Ebene Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Relezeigt Abbildung 1, dass der Anstieg der Beobachtungskomvanz von Differenzierung: Wenn es Probleme in den petenz der unteren Hälfte eine höhere Steigung hat als das Sitzungen gab, konnten sie durch Probleme mit der der oberen Hälfte, aber die untere Hälfte trotzdem nicht Schwierigkeit der Aufgaben oder der Motivation auf der einmal das Startniveau der oberen Hälfte erreicht. Für die Kinderseite erklärt werden. Die Trainer_innen gaben zuunteren 50 % gibt es nur einen Zeiteffekt, aber keinen dem an, dass Kinder oft eine enge Anleitung in den AktiviEffekt der Gruppenzugehörigkeit oder Interaktionseffekt täten benötigen, um sich auf die gegebenen Aufgaben kon(siehe Tabelle 1). Der Zeiteffekt hat dabei eine große zentrieren zu können. Für die Beobachtungskompetenz und das Verständnis Effektstärke (η2 = .74). Im Gegensatz dazu gibt es für die leistungsstärkere Hälfte nur einen signifikanten Interak der Biologie wurden sowohl Entwicklungs- als auch Interventionseffekte erwartet. Während die Daten einen tionseffekt, was bedeutet, dass sich die Trainingsgruppe robusten Entwicklungseffekt zeigten, konnte der Intervon Prätest zu Posttest verbessert hat, die Kontrollgruppe ventionseffekt nicht für die gesamte Stichprobe gefunaber nicht (siehe Tabelle 1). Dieser Effekt hat eine mittlere den werden: Für die unteren 50 % der Stichprobe gab es Effektstärke (η2 = .14). unabhängig vom Training einen Leistungszuwachs im Prätest
Posttest
Beobachtungskompetenz
0.0
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29
Untere 50 %
Ziel der Studie war es, Materialien zur Förderung der Beobachtungskompetenz in der Biologie zu evaluieren und ihren Effekt auf die Beobachtungskompetenz von Vorschüler_innen zu untersuchen. Insgesamt konnte die Hypothese, dass die Materialien zur Förderung der Beobachtungskompetenz von Vorschulkindern eingesetzt werden können, bestätigt werden. Allerdings ist anzumerken, dass die Aktivitäten der Dimension Wissenschaftliches Denken von den Trainer_ innen als am besten eingeschätzt wurden, während sich die Aktivitäten zum Interpretieren oft als zu schwer erwie-
Tabelle 1. ANOVA mit Messwiederholung für Gruppen nach Mediansplit
Obere 50 %
Diskussion
df
Quadratsummen
F
p
Training
1
0.02
0.09
.76
Zeit
1
4.40
93.30
< .01**
Training × Zeit
1
0.00
0.08
.78
< .01
Training
1
0.13
1.00
.33
.03
η2 < .01 .74
Zeit
1
0.04
0.49
.49
.02
Training × Zeit
1
0.44
5.27
.03*
.14
Anmerkungen: * signifikant auf dem 5 %-Niveau; ** signifikant auf dem 1 %-Niveau.
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Laufe der Zeit. Für die oberen 50 % konnte dieser Entwicklungseffekt nicht gefunden werden, aber ein Interventionseffekt, d. h., es hat sich im Laufe der Zeit nur die Beobachtungskompetenz der Experimentalgruppe deutlich verbessert. Diese Ergebnisse können als „Matthäuseffekt“ interpretiert werden (Walberg & Tsai, 1983): Nur Kinder auf einem bestimmten Kompetenzniveau profitieren von einer Förderung, während für die anderen die Aufgaben zu schwierig sind oder das Gelernte nicht in die Wissensstruktur integriert werden kann. Es ist auch möglich, dass die grundlegenden Aspekte der Beobachtungskompetenz nicht gelernt werden können, sondern sich unabhängig von Förderung entwickeln und erst ab einem bestimmten Schwellenwert gefördert werden können. Grundsätzlich wäre es zwar denkbar, dass durch Differenzierungsmaßnahmen kompetentere Kinder intensiver gefördert wurden, da jedoch aufgrund der Manualisierung keine starke Binnendifferenzierung stattfand, sollte dies als Störvariable vernachlässigbar sein. Die Aussagekraft der vorliegenden Studie ist durch verschiedene methodische Faktoren limitiert. Da davon auszugehen ist, dass es gerade in diesem Alter unabhängig von Förderung einen Entwicklungseffekt gibt, wurde eine Kontrollgruppe gänzlich ohne Intervention gewählt und keine Kontrollgruppe, die sich ebenfalls mit natur wissenschaftlichen Phänomenen beschäftigt. Durch die Verwendung eines Manuals und zahlreichen Absprachen wurde dem Trainereffekt zwar entgegengewirkt, dieser aber nicht eigens überprüft. Die geringe Stichprobengröße nach dem Mediansplit reduziert die Teststärke und verhindert die weitere Analyse möglicher Moderatoren. Es wäre wünschenswert, dies in Folgestudien tiefergehend zu untersuchen. Die Intervention wurde einmal pro Woche von Trainer_innen durchgeführt, die in die Kindergärten kamen. Aus praktischer Sicht ist dies nicht repräsentativ für die Art und Weise, wie Kinder in der Vorschule lernen. Ein langfristiges Ziel wäre es, den Erzieher_innen vor Ort die notwendigen Hilfsmittel zu geben, selbst die Beobachtungskompetenz der Kinder zu fördern und Wege zu finden, um die Aktivitäten in den Alltag zu integrieren oder auf spontane Vorstellungen von Kindern zu reagieren. Dies könnte zu einer besseren Differenzierung und damit zu einem besseren Lernen auf Kinderseite führen. Insgesamt sind die Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen der Erzieher_innen im Bereich der Naturwissenschaften wenig untersucht. Weitere Forschung hierzu könnte hilfreich sein, um herauszufinden, welche Art von Ausbildung und Unterstützung Erzieher_innen beim naturwissenschaftlichen Arbeiten im Kindergarten brauchen. Die für diese Studie entwickelten Materialien eröffnen neue Möglichkeiten der Integration von biologischen Inhalten und Methoden im Kindergarten. Wenn den Kin© 2019 Hogrefe Verlag
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dern die Grundlagen des Beobachtens und die Spiele geläufig sind, können sie sich in Freispielphasen auch selbständig mit diesen beschäftigen. Die Aktivitäten aus dem Training unterscheiden sich absichtlich nicht stark von Aktivitäten, die es bereits im Kindergarten gibt: Memory spielen, eine Pflanze pflanzen – das ist für Kinder und Erzieher_innen nichts Neues. Das, was diese Aktivitäten zu naturwissenschaftlichen Lerngelegenheiten macht, ist der wissenschaftliche Fokus, der ein genaues Beobachten notwendig macht, sowie die Begleitung des Prozesses mit Fragen und Anregungen. Sind den Kindern die Forschungsfragen bekannt? Werden sie ermutigt, Hypothesen zu bilden, bevor sie die Aktivität beginnen? Gibt es eine Diskussion über Ergebnisse, die nicht mit der Hypothese übereinstimmen oder wenn einige Kinder zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen? Werden die Kinder angeregt, Details genau zu beschreiben? Es müssen also nicht immer neue Förderspiele und Aktivitäten erfunden werden, sondern in vielen Fällen nur der Kontext oder Blickwinkel verändert werden, um biologische Beobachtungskompetenz bereits im Vorschulalter spielerisch, aber systematisch fördern zu können und dabei die Interessiertheit und die Motivation der Kinder aufrechtzuerhalten.
Elektronische Supplemente (ESM) Die elektronischen Supplemente sind mit der Online- Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi. org/10.1026/2191-9186/a000407 ESM 1. Anleitungen für die Spielmaterialien ESM 2. Kodierung Beobachtungskompetenz
Literatur Anders, Y., Ballaschk, I. & Tietze, W. (2014). Wissenschaftliche Untersuchungen zur Arbeit der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ (Band 6). Verfügbar unter http://www.haus-derkleinen-f orscher.de/de/wissenschaftliche-begleitung/ ergebnisse-publikationen/schriftenreihe/ Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (BaySt) (Hrsg.). (2006). Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Kindertageseinrichtungen bis zur Einschulung. Weinheim: Beltz. Bóo, M. de (2006). Science in the early years. In W. Harlen (Ed.), ASE guide to primaryscience education (pp. 124 – 132). Hatfield, UK: ASE. Boone, W. J., Staver, J. R. & Yale, M. S. (2014). Rasch analysis in the human sciences. Berlin, Heidelberg: Springer. Brewer, W. F. & Lambert, B. L. (2001). The theory-ladenness of observation and the theory-ladenness of the rest of the scientific process. Philosophy of Science, 68 (S3), S176 – S186. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29
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J. Klemm et al., Förderung biologischer Beobachtungskompetenz im Kindergarten
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J. Klemm et al., Förderung biologischer Beobachtungskompetenz im Kindergarten
Janina Klemm Lucia Kohlhauf Birgit J. Neuhaus Ludwig-Maximilians-Universität München Didaktik der Biologie Winzererstr. 45 / II 80797 München janinaklemm@yahoo.de luttitu@gmx.net didaktik.biologie@lrz.uni-muenchen.de
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Beate Sodian Ludwig-Maximilians-Universität Leopoldstraße 13 80802 München Sodian@psy.lmu.de
William J. Boone Department of Educational Psychology Suite 100F McGuffey Hall Miami University Oxford, OH 45056 United States of America boonewj@miamioh.edu
Kinder schützen und stark machen – kindgerechte Prävention mit Katze Resi Pfeffer / Storck
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Der Band stellt ein positiv evaluiertes Bildungs- und Präventionskonzept vor, das Resilienz und Sicherheit im Kindergarten durch Kompetenzförderung unterstützt. Es zielt darauf ab, sozialemotionale, körperbezogene und sprachlich-erzählerische Kompetenzen bei Kindern im Kindergarten zu fördern und Fachkräfte und andere Bezugspersonen für das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren und sie in ihrem Schutzhandeln zu stärken. Die zur Durchführung des Konzepts erforderlichen Praxismaterialien, wie z. B. Bildergeschichten mit den Katzen Resi und Ralf, werden auf einer beiliegenden CD-ROM bereitgestellt.
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 22–29
Schwerpunktbeitrag
Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte Doris Drexl1, Eva Born-Rauchenecker2 und Bernhard Kalicki2 Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Grundschulforschung Deutsches Jugendinstitut e. V., Abteilung Kinder und Kinderbetreuung
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Zusammenfassung: Im Projekt LuPE wurde ein Unterrichtskonzept für den Fachschulunterricht entwickelt, welches angehende pädagogische Fachkräfte zu einer alltagsintegrierten naturwissenschaftlichen Bildungsbegleitung im Kindergarten befähigen soll. Deren Einstellungen und motivationale Orientierungen zu Naturwissenschaften entscheiden häufig über die Qualität von Bildungsprozessen und müssen für die Unterrichtskonzeptentwicklung berücksichtigt werden. In vorliegender Arbeit werden die Ergebnisse der Einstellungsbefragung bei angehenden Fachkräften zu Naturwissenschaften referiert, die im Rahmen der formativen Evaluation durchgeführt wurde. Anhand einer Stichprobe von 198 Fachschülerinnen und Fachschülern (m = 43; w = 155) wurden das naturwissenschaftliche und didaktische Selbstkonzept sowie das Interesse an Naturwissenschaften im Zusammenhang mit Personenmerkmalen (Geschlecht, Alter, Schulabschluss) untersucht und mögliche Änderungen der Einstellungen im Verlauf eines Schuljahres mit LuPE-Unterricht geprüft (Erhebungszeitpunkte: T1 = 2015, T2 = 2016). Es zeigt sich ein eher geringes Interesse an Naturwissenschaften sowie ein eher geringes naturwissenschaftliches Selbstkonzept, wobei sich Fachschülerinnen noch schlechter einschätzen als Fachschüler. Das Selbstkonzept elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen und das naturwissenschaftliche Selbstkonzept wird 2016 höher eingeschätzt als 2015. Schlüsselwörter: Erzieherinnenausbildung, Naturwissenschaften, Einstellungen, Unterricht Early Childhood Education Students' Attitudes Toward Science and Science Teaching Abstract: In the project LuPE, a school instruction concept for preschool teacher education was developed. Students should be empowered to encourage children's natural science education, which is integrated in everyday situations in kindergarten. Students' attitudes to and interests in sciences are significant for the quality of the educational process and thus these have to be considered when developing the school instruction concept. In this article we present the results of the inquiry – conducted as part of formative evaluation – about attitudes to sciences and science teaching among students. In a sample of 198 students (male = 43; female = 155) the scientific and didactical self-concept and the interest in sciences in relation to individual variables (gender, age, graduation) were explored. Their potential change over one school year with LuPE-instruction was also examined (two measurement times: T1 = 2015; T2 = 2016). The results show that students have a rather low interest in sciences and a low scientific self-concept, female students lower than male students. Students assessed their self-concept scientific content knowledge for elementary education and their scientific self-concept higher in 2016 than in 2015. Keywords: preschool, science, attitudes, school instruction
Professionelle Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur frühen naturwissenschaftlichen Förderung werden in der Ausbildung zu wenig berücksichtigt (Eichen & Bruns, 2017). Diese zeigen sich zum einen im Fachwissen, im pädagogisch-fachdidaktischen Wissen und in einem allgemeinen pädagogischen Wissen (Barenthien, Lindner, Ziegler & Steffensky, 2018; Dunekacke, Jenßen, Eilerts & Blömeke, 2016; Maier, Greenfield & BulotskyShearer, 2013). Zum anderen weisen Studien auf die Relevanz der Einstellungen pädagogischer Fachkräfte zu Naturwissenschaften und deren Förderung hin (Dunekacke et al., 2016; Maier et al, 2013; Sundberg & OttanFrühe Bildung (2019), 8 (1), 30–36 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000408
der, 2013). In dem von der Deutsche Telekom Stiftung geförderten Projekt „Lehr- und Praxismaterial für die Erzieherinnenausbildung“ (LuPE) wurde ein Unterrichtskonzept für Fachschulen entwickelt, erprobt und formativ evaluiert, welches angehende pädagogische Fachkräfte für eine alltagsintegrierte naturwissenschaft liche Bildung Drei- bis Sechsjähriger qualifizieren soll. Dieser Artikel berichtet die Ergebnisse der Befragung zu Einstellungen und motivationalen Orientierungen von angehenden pädagogischen Fachkräften zu Naturwissenschaften im Rahmen der formativen Evaluation des LuPE-Unterrichtskonzepts. © 2019 Hogrefe Verlag
D. Drexl et al., Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
Theoretischer Hintergrund Zahlreiche Studien weisen auf einen positiven Effekt qualitätsvoller frühpädagogischer Förderung hin (Anders, 2012; Sylva, Melhuish, Sammons, Siraj-Blatchford & Taggart, 2004). Dazu benötigt die pädagogische Fachkraft ein Fachwissen, welches im positiven Zusammenhang zur Gestaltung von Lerngelegenheiten steht (Anders & Roßbach, 2015; Dunekacke et al., 2016). Eine an den Themen der Kinder orientierte und eng an pädagogischen Alltagssituationen ausgerichtete Bildungsbegleitung erfordert ebenso fundiertes elementar- und fachdidaktisches Wissen ( Dunekacke et al., 2016), das ein habituell-reflexives Erfahrungswissen und die Fähigkeit zur Analyse pädagogischer Situationen impliziert (Fröhlich-Gildhoff, NentwigGesemann, Pietsch, Köhler & Koch, 2014; Nentwig- Geseman, 2007). Daraus folgt eine Interaktionsgestaltung, die sich am Sustained Shared Thinking orientiert, Scaffolding ermöglicht und von sensitivem Verhalten geprägt ist (Fröhlich-Gildhoff et al., 2014; Hopf, 2012; König, 2012; Siraj-Blatchford, 2007). Für die Qualität der Begleitung von Bildungsprozessen sind außerdem Einstellungen und motivationale Orientierungen pädagogischer Fachkräfte entscheidend (Kuhn, Lankes & Steffensky, 2012; Maier et al., 2013; Sundberg & Ottander, 2013; Tsamir & Tirosh, 2009), die eine Haltung zu einem Bildungsbereich und dessen Didaktik ausdrücken (Anders, 2012). Im Bereich Mathematik konnten z. B. Zusammenhänge zwischen Fachwissen und Einstellungen von pädagogischen Fachkräften und der Gestaltung mathematischer Lerngelegenheiten gezeigt werden (Anders & Rossbach, 2015; Benz, 2012; Dunekacke et al., 2016; Eichen et al., 2017). Sundberg & Ottander (2013) untersuchten die naturwissenschaftlichen Einstellungen von angehenden pädagogischen Fachkräften und deren bereichsspezifisches didak tisches Selbstkonzept im Rahmen eines Trainings in Schweden. Sie stellten einen engen Zusammenhang zwischen naturwissenschaftlichen Einstellungen und Rollenverständnis als pädagogische Fachkraft fest, fanden jedoch wenig positive Änderungen im Verlauf des Trainings. Auch Maier et al. (2013) betonen den starken Einfluss der naturwissenschaftlichen Einstellungen und motivationaler Orientierungen angehender Erzieherinnen auf die Qualität von Lehr-Lernprozessen bei Kindern. Im Rahmen der SNAKE-Studie interessierte die Einschätzung pädagogischer Fachkräfte aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu ihrem elementarspezifischen natur wissenschaftlichen Wissen, der Bedeutung des frühen naturwissenschaftlichen Lernens, ihrem naturwissen schaftlichen Selbstkonzept und ihrem Interesse an Naturwissenschaften. Die beiden letztgenannten Maße waren demnach nur leicht positiv ausgeprägt. Ihr elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen und die Bedeu© 2019 Hogrefe Verlag
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tung des frühen naturwissenschaftlichen Lernens wiederum schätzten die pädagogischen Fachkräfte sehr positiv ein (Kuhn et al., 2012). Im Selbstkonzept elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen drückt sich die Vertrautheit der pädagogischen Fachkraft mit naturwissenschaftlichen Phänomenen im Alltag und mit naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen im Zusammenhang mit der Elementarpädagogik aus. Die Entwicklung positiver Einstellungen (hier und im Folgenden auch im Sinne von motivationalen Aspekten) im Zusammenhang mit den Naturwissenschaften ist auch für die Ausbildung pädagogischer Fachkräfte ein wichtiger Bereich. Hier setzte das Projekt LuPE an, das im Folgenden skizziert wird.
Das LuPE-Konzept Ziel des Projekts LuPE war es, ein Unterrichtskonzept für den Fachschulunterricht zu entwickeln und zu erproben, welches angehende Erzieherinnen zu einer alltagsintegrierten naturwissenschaftlichen Bildungsbegleitung im Kindergarten befähigt. Das LuPE-Unterrichtskonzept wurde in Kooperation mit 23 Fachschullehrkräften, ca. zwei an vier Fachschulen in jedem der drei teilnehmenden Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen entwickelt. Der Entwicklungszeitraum erstreckte sich von 2014 bis 2017. Die Erprobung und Implementierung im Unterricht wurde formativ evaluiert. Theoretische Basis des LuPE-Unterrichtskonzepts ist zum einen das Kompetenzmodell zur professionellen Handlungskompetenz (Fröhlich-Gildhoff et al., 2014). Grundlage für das professionelle Handeln der pädagogischen Fachkraft ist demnach ihre Disposition, also ihr Wissen, ihre Fertigkeiten und Einstellungen (Anders, 2012; Fröhlich-Gildhoff et al., 2014). Professionelles Handeln zeigt sich in der Performanz. Grundlage für dieses Handeln ist die Haltung der pädagogischen Fachkraft, also ihre Orientierungen und Einstellungen (Anders, 2012). Das LuPE-Konzept basiert theoretisch auf einem gemäßigt konstruktivistischen Lehr-Lernverständnis, mit einem Verständnis von Lernen als eigenaktiven Aufbau kognitiver Strukturen (Möller, Hardy, Jonen, Kleickmann & Blumberg, 2006) und als einen Prozess des Conceptual Change, also einer Veränderung von ursprünglich vorhandenen kognitiven Konzepten (Voss, Kleickmann, Kunter & Hachfeld, 2011). Ein weiteres theoretisches Element des LuPE-Konzepts ist das Modell der Analyse- und Reflexionskompetenz – Analyse und Reflexion als „Hinschauen auf die Situation“ (Idel, Reh & Rabenstein, 2014, S. 84) verbunden mit einem inneren Bewusstsein. Die Analyse einer Situation und deren Reflexion vor dem Hintergrund der eigenen Biografie und Lebenswelt verleihen dem Handeln einen bewusst gedachten Sinn (Böing, 2009). Frühe Bildung (2019), 8 (1), 30–36
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D. Drexl et al., Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
Das LuPE-Unterrichtskonzept ist dem länderübergreifenden Lehrplan (LLP) der KMK (2012) für die Erzieherinnenausbildung verpflichtet. Demnach sollen Fachinhalte gemäß einer Lernfelddidaktik in einem beruflichen Anwendungszusammenhang aufbereitet werden. Das LuPEKonzept folgt einem alltagsintegrierten Ansatz, der eine Bildungsbegleitung eng an der Lebenswelt und den Themen des Kindes ausgerichtet sieht (Born-Rauchenecker, Drexl, Weber & Wolfsperger, 2018). Der Erwerb von naturwissenschaftlichem und pädagogischem Wissen ist somit miteinander verschränkt. Aus diesem Grund waren pro Schule meist eine Lehrkraft der Naturwissenschaften und eine Lehrkraft der Pädagogik an der Entwicklung beteiligt, die (zeitlich getrennt) in einer Klasse unterrichteten und eng miteinander zusammenarbeiten sollten. Da das LuPEUnterrichtskonzept bundesweit disseminiert wird, musste es so konzipiert sein, dass es einen flexiblen, an die jeweiligen Bedingungen des Bundeslandes (Lehrplan) und der Schule (verfügbare Stunden, Praxisphasen) angepassten Einsatz des Materials im Unterricht ermöglicht. Als Dispositionen, die bei angehenden pädagogischen Fachkräften ausgebildet werden sollen, wurden im LuPE-Konzept ein Basiswissen der Naturwissenschaften, entwicklungspsychologische Grundlagen, elementardidak tische Grundlagen sowie eine professionelle Handlungskompetenz, die Analyse- und Reflexionskompetenz impliziert, festgelegt. Zur didaktischen Umsetzung steht im LuPE-Unterricht die vertiefte leitfragengestützte Analyse von Lernsituationen im Fokus. Diese Lernsituationen sind Videosequenzen mit Szenen eines Interaktionsprozesses zwischen Fachkraft und Kind(ern) aus der pädagogischen Praxis anhand eines naturwissenschaftlichen Themas. Dadurch können Ansatzpunkte für den Bildungsbereich Naturwissenschaften identifiziert und vertieft sowie elementar didaktische Methoden entwickelt und im Klassenkontext geübt werden. In der Hinführung zur Lernsituation werden Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte berücksichtigt, indem die Allgegenwärtigkeit von Naturwissenschaften im Alltag aufgezeigt und so der Lebensweltbezug hergestellt wird. Das entwickelte Unterrichtsmaterial wurde im Schuljahr 2015 / 16 erstmalig von den beteiligten Fachschullehrkräften im Unterricht erprobt. Vorgabe für Lehrkräfte zur Unterrichtsgestaltung waren die Lernsituation (Videosequenz zum Thema Asseln, Spinnen, Molche) sowie Elemente aus der Struktur des LuPE-Konzepts: Hinführung, Lernsituation, Analyse, Vertiefung, Reflexion, Handlungsableitung. Ein zeitlicher Umfang und ein spezifischer Inhalt konnten nur bedingt vorgegeben werden. Das LuPE-Konzept wurde je nach Rahmenbedingungen und didaktischer Jahresplanung der einzelnen Schulen individuell umgesetzt. Die Spannbreite lag zwischen zwei und 30 Unterrichtsstunden im Zeitraum Frühe Bildung (2019), 8 (1), 30–36
von einem Tag und fünf Monaten, entweder im Wahlpflichtfach (Projekttag) oder im Regelunterricht. Es konnten auch nur einzelne Elemente der LuPE-Struktur für den Unterricht gewählt werden. Eine Standardisierung des Einsatzes war deshalb nicht möglich. Im Rahmen der formativen Evaluation zur weiteren Entwicklung des Konzepts wurden u. a. die Einstellungen der angehenden pädagogischen Fachkräfte erfragt.
Fragestellung Die Fragestellungen lauten konkret: a. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Interesse an Naturwissenschaften, dem Selbstkonzept bezüglich des elementarspezifischen naturwissenschaftlichen Wissens bzw. der Vermittlung von Naturwissenschaften sowie dem naturwissenschaftlichen Selbstkonzept bei angehenden pädagogischen Fachkräften? Inwiefern hängen Personenmerkmale (Geschlecht, Alter, Schulabschluss und besuchte Fachschule) mit naturwissenschaftlichen Einstellungen zusammen (Korrelationen)? b. Wie schätzen angehende pädagogische Fachkräfte die Bedeutung früher naturwissenschaftlicher Bildung, ihr Interesse an Naturwissenschaften und ihr Selbstkonzept elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen ein? Inwiefern variieren diese Einstellungen mit den Personenmerkmalen Geschlecht, Schulabschluss und besuchte Fachschule (Haupteffekte der Kontext- und Personenmerkmale)? c. Inwiefern verändern sich die Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte im Zeitverlauf eines Schuljahres (Haupteffekt Zeit)? Inwiefern variieren die Einstellungsänderungen in Abhängigkeit von Geschlecht, Schulabschluss und besuchter Fachschule (Interaktionseffekte)?
Methode Zur Beantwortung der Fragestellungen diente eine PräPost-Erhebung naturwissenschaftlicher Einstellungen und motivationaler Orientierungen vor (T1 = 2015) und nach (T2 = 2016) der Implementierung des LuPE-Konzepts in den Fachschulunterricht anhand des von Kuhn et al. (2012) entwickelten, für diese Studie leicht geänderten Frage bogens zur Erfassung naturwissenschaftlicher Einstellungen aus der SNAKE-Studie. Ziel der Implementierung war die Erprobung des entwickelten LuPE-Unterrichtsmaterials. Auf Grund des sehr heterogenen LuPE-Einsatzes im Schuljahr erfolgte die Erhebung zu Beginn und Ende des Schuljahres, jeweils vor dem ersten und nach dem letzten © 2019 Hogrefe Verlag
D. Drexl et al., Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
LuPE-Unterricht. An der Befragung nahmen angehende pädagogische Fachkräfte der am LuPE-Projekt beteiligten Fachschulen teil. 198 Fachschülerinnen und Fachschüler (155 weiblich, 43 männlich) nahmen zu beiden Erhebungszeitpunkten an der Befragung aus allen drei Bundesländern (BY:30, NRW:120, TH:48) teil (N(Gesamt:T1,T2) = 198). Es wurden zwischen neun und 38 Fachschülerinnen und Fachschüler pro Fachschule befragt (M = 19.8; SD = 10.82), die im Mittel M = 23.6 Jahre alt waren (SD = 7.02). 168 angehende pädagogische Fachkräfte befanden sich im ersten Ausbildungsjahr, 27 im zweiten Ausbildungsjahr und drei im dritten. Der höchste Schulabschluss verteilte sich auf 99 angehende pädagogische Fachkräfte mit mittlerer Reife, 51 mit Fachhochschulreife und 44 hatten die Hochschulreife erworben. Die Daten umfassen meist eine Klasse pro Schule, in einzelnen Fällen zwei Klassen oder einzelne Personen eines Wahlpflichtfaches. Auf Klassenzugehörigkeit kann deshalb nicht rückgeschlossen, entsprechend konnten keine Mehrebenenmodelle berechnet werden. Die Einstellungen zu Naturwissenschaften auch in der frühen Bildung und deren Vermittlung werden in fünf Skalen abgebildet (vgl. Tabelle 1 mit Beispielitems). Personen merkmale wie Geschlecht, Alter, Ausbildungsjahr und höchster Schulabschluss wurden zum ersten Erhebungs zeitpunkt erhoben. Um Aufschluss über den Zusammenhang von naturwissenschaftlichem Interesse und ele mentar spezifischem naturwissenschaftlich-didaktischem Selbst
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konzept und deren Zusammenhang mit Geschlecht, Alter und Schulabschluss zu erhalten, wurden Interkorrelationen der Skalenwerte nach Pearson und Spearman sowie mit einzelnen Personenmerkmalen gerechnet. Für jede Skala wurde außerdem eine vierfaktorielle Varianzanalyse der Einstellungsmaße mit Messwiederholung mit den Gruppierungsfaktoren Geschlecht, höchster Schulabschluss und Schule (between-Faktoren) und dem Messwiederholungsfaktor Zeit (within-Faktor, 2-stufig) gerechnet. Die Teststärke (Power) erreicht ab N = 30 pro Zelle einen Wert von 0.811 (berechnet mit G*Power; Faul, Erdfelder, Buchner & Lang, 2009). Diese Anzahl wird bei den männlichen Fachschülern in den Zellen zum Teil unterschritten: weiblich Npro Zelle > 30; männlich Npro Zelle > 13.
Ergebnisse Deskriptive Ergebnisse Die Werte der internen Konsistenz (Cronbachs α) sind mit Ausnahme der Skala Bedeutung frühen naturwissenschaft lichen Lernens für die einzelnen Einstellungsmaße gut, zum zweiten Erhebungszeitpunkt erreicht auch die Skala des frühen Lernens eine gute interne Konsistenz (vgl. Tabelle 1). Der hohe Mittelwert dieser Skala bereits zu T1
Tabelle 1. Verteilungen und Messeigenschaften der Einstellungsmaße mit Beispielitems Selbstkonzept Bedeutung elementar-spezifisches frühen naturwissen. naturwissenschaft Lernens2 liches Wissen1
Interesse an Naturwissenschaften3
Naturwissenschaft Selbstkonzept zur liches Selbstkonzept4 Vermittlung von Naturwissenschaften5
T1 Mittelwert
1.75
2.17
1.68
1.75
1.93
Standardabweichung
0.47
0.41
0.66
0.61
0.66
Minimum*
0.40
1
0
0.20
0.75
Maximum*
3
3
3
3
3
Cronbachs α Anzahl der Items
.74
.58
.87
.84
.84
5
6
5
5
8
2.05
2.26
1.83
1.98
2.03
T2 Mittelwert Standardabweichung
0.46
0.42
0.68
0.63
0.57
Minimum*
0.20
1.17
0
0
0.38
Maximum*
3
3
3
3
3
Cronbachs α
.76
.65
.91
.90
.90
Anmerkungen: vierstufige Antwortskala: 0 = stimmt gar nicht, 1 = stimmt eher nicht, 2 = stimmt eher, 3 = stimmt genau; N = 198; 1Beispielitem: Ich kann aturwissenschaftlich-relevante Phänomene im Alltag erkennen. 2Beispielitem: Ich bin der Meinung, dass das Interesse von Kindern an Naturwissen n schaften gezielt gefördert werden sollte. 3Beispielitem: Ich beschäftige mich gerne mit naturwissenschaftlichen Problemen. 4Beispielitem: Ich bin gut in Naturwissenschaften. 5Beispielitem: Es fällt mir leicht, ein naturwissenschaftliches Lernangebot für die Kinder vorzubereiten. *nach Mittelwertberechnung jeweils über die Skala.
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 30–36
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D. Drexl et al., Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
lässt auf einen Deckeneffekt schließen – Antworten könnten hier sozial e rwünscht erfolgt sein. Ihr Selbstkonzept elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen schätzten angehende pädagogische Fachkräfte im LuPE-Projekt zum ersten Erhebungszeitpunkt 2015 im leicht positiven Bereich ein (Skalenmitte = 1.5). 28 % stimmten den Items eher nicht zu, 72 % antworteten positiv. Das Interesse an Naturwissenschaften wurde eher positiv eingeschätzt, 38 % antworteten eher ablehnend, 62 % stimmten zu. Ähnlich wurde auch das naturwissenschaftliche Selbstkonzept eingeschätzt, 33 % stimmten den Items eher nicht zu. Einen höheren Mittelwert im positiven Bereich erhielt das ein geschätzte Selbstkonzept zur Vermittlung von Naturwissenschaften, 86 % stimmten hier zu (Fragestellung b) (vgl. Tabelle 1).
Korrelationen Die Interkorrelationswerte der Skalen sind positiv und bedeutsam. Im Folgenden werden die drei jeweils höchsten Korrelationen berichtet. Zum Erhebungszeitpunkt T1 liegen die höchsten Korrelationswerte zwischen dem Interesse an Naturwissenschaften und dem Selbstkonzept zur Vermittlung von Naturwissenschaften (r = .53, p < .01) sowie dem Interesse und dem naturwissenschaftlichen Selbstkonzept (r = .49, p < .01). Das Interesse an Naturwissenschaften steht also im Zusammenhang mit einem positiven Selbstkonzept im Bereich Naturwissenschaften. Hohe Korrelationswerte deuten möglicherweise darauf hin, dass für ein positives Selbstkonzept zur Vermittlung von Naturwissenschaften auch ein positives Selbstkonzept elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen eine Rolle spielt (r = .47, p < .01). Zwischen diesen genannten Einstellungsmaßen zeigen sich zum Erhe-
bungszeitpunkt T2 etwas niedrigere Korrelationen (r = .45, r = .44, r =. 39, p < .01). Die Ergebnisse weisen folgende bedeutsame Korrelationen mit Personenmerkmalen auf: Die Korrelation (punkt biserial) der Skalenwerte zu T1 zeigt beim Geschlecht einen negativen Zusammenhang mit dem Selbstkonzept elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen (r = –.15, p < .05), dem Interesse an Naturwissenschaften (r = –.16, p < .05) und dem naturwissenschaftlichen Selbstkonzept (r = –.30, p < .01). Fachschülerinnen schätzen ihr Interesse und Selbstkonzept demnach niedriger ein als ihre männlichen Kollegen. Das Alter hängt positiv mit dem Interesse an Naturwissenschaften (r = .16, p < .05) zusammen. Je älter angehende pädagogische Fachkräfte sind, desto höher ist ihr Interesse. Der Schulabschluss weist einen negativen Zusammenhang zum Selbstkonzept zur Vermittlung von Naturwissenschaften (r = –.16, p < .05) auf. Ein höherer Schul abschluss geht nicht unbedingt mit einem höher ausgeprägten Selbstkonzept einher, Naturwissenschaften vermitteln zu können (Fragestellung a).
Haupt- und Interaktionseffekte Tabelle 2 macht die Haupt- und Interaktionseffekte deutlich. Der Haupteffekt Geschlecht in fast allen Einstellungsmaßen zeigt, dass männliche Probanden ihre Fähigkeiten höher einschätzen als weibliche oder ihre Einstellungen positiver sind. Ein Haupteffekt des Schulabschlusses zeigt sich beim Interesse an Naturwissenschaften, beim natur wissenschaftlichen Selbstkonzept und beim Selbstkonzept zur Vermittlung von Naturwissenschaften. Angehende pädagogische Fachkräfte mit Hochschulreife schätzen sich in zwei der drei Skalen höher ein, als jene mit mittlerer Reife. Diejenigen mit Fachhochschulreife schätzen ihre Fähigkeiten
Tabelle 2. Vierfaktorielle Varianzanalyse der Einstellungsmaße mit den Gruppierungsfaktoren Geschlecht, höchster Schulabschluss, Schule sowie dem Messwiederholungsfaktor Zeitpunkt (T1 / T2) Selbstkonzept ele- Bedeutung frühen Interesse an Naturmentarspezifisches wissenschaften naturwissen. naturwissenschaftLernens liches Wissen
Naturwissenschaftliches Selbstkonzept
Selbstkonzept zur Vermittlung von aturwissenschaften N
F (ηp2)
F (ηp2)
F (ηp2)
F (ηp2)
F (ηp2)
Haupteffekt Zeit
9.13**(.05)
< 1 (.00)
1.59 (.01)
6.66* (.04)
< 1 (.00)
Haupteffekt Geschlecht
8.60** (.05)
< 1 (.00)
13.19** (.07)
24.81** (.12)
5.10* (.03)
2.41 (.04)
1.62 (.03)
3.24* (.05)
3.03* (.05)
4.50** (.07)
Haupteffekt Schulabschluss
3.06** (.13)
2.53** (.11)
3.62** (.15)
2.88** (.12)
3.08** (.13)
Interaktionseffekt Zeit*Geschlecht
Haupteffekt Fachschule
< 1 (.00)
0.61 (.00)
< 1 (.00)
< 1 (.01)
3.21 (.02)
Interaktionseffekt Zeit*Schulabschluss
< 1 (.00)
4.08** (.01)
1.52 (.21)
< 1 (.01)
< 1 (.01)
2.99** (.13)
3.62** (.15)
1.81 (.08)
2.13* (.09)
2.88** (.12)
Interaktionseffekt Zeit*Fachschule Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01 (zweiseitig).
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 30–36
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D. Drexl et al., Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
am niedrigsten ein (Fragestellung b). Ein Haupteffekt Zeit zeigt sich in den Einstellungsmaßen des Selbstkonzepts elementarspezifisches naturwissenschaftliches Wissen und des naturwissenschaftlichen Selbstkonzepts (Fragestellung c). Der Haupteffekt Schule zeigt sich in allen Einstellungsmaßen, dabei muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass der LuPE-Unterricht von verschiedenen Lehrkräften durchgeführt wurde, der Effekt also auch auf die Lehrkraft oder anderes zurückzuführen ist (Fragestellung b). Einen Interaktionseffekt zwischen Schule und Zeit zeigen fast alle Einstellungsmaße bis auf das Interesse an Naturwissenschaften (Fragestellung c). In allen Ein stellungsmaßen findet sich hingegen kein Interaktions effekt zwischen Geschlecht und Zeit. Nur die Bedeutung frühen naturwissenschaftlichen Lernens zeigt einen Interaktions effekt zwischen Zeit und Schulabschluss (Fragestellung c).
Diskussion Die Untersuchung sollte in Anlehnung an die Studie von Kuhn et al. (2012), welche Einstellungen berufstätiger pädagogischer Fachkräfte untersucht hat, die Einstellungen und motivationalen Orientierungen angehender pädagogischer Fachkräfte zu Naturwissenschaften in Abhängigkeit von Personenmerkmalen wie Geschlecht, Alter, Schulabschluss aufzeigen. Außerdem interessierte der zeitliche Verlauf von naturwissenschaftlichen Einstellungen bei a ngehenden pädagogischen Fachkräften. Es fällt vor allem das eher geringe Interesse angehender pädagogischer Fachkräfte an Naturwissenschaften sowie ihr niedriges n aturwissenschaftliches Selbstkonzept und niedriges Selbstkonzept bezüglich des elementarspezifischen naturwissenschaftlichen Wissens auf. Fachschülerinnen schätzen sich dabei in Übereinstimmung mit Attributionstheorien schwächer ein als Fachschüler (Finsterwald, Schober, Jöstl & Spiel, 2012). Die Vermittlung von Naturwissenschaften trauen sich angehende pädagogische Fachkräfte dagegen eher zu. Eine hohe Bedeutung messen sie vor a llem dem frühen naturwissenschaftlichen Lernen bei, dessen Notwendigkeit vielleicht auch auf Grund der gesellschaftlichen Diskussion erkannt wird. Überraschenderweise schätzen insbesondere pädagogische Fachkräfte mit Fachhochschulreife ihre Einstellungen besonders gering ein. Bei einem ähnlichen Geschlechtsverhältnis ist es nicht einleuchtend, warum sich diejenigen mit mittlerer Reife höher einschätzen. Der Zusammenhang von Alter und Interessen an Naturwissenschaften weist auf einen Kohorteneffekt hin oder aber das Interesse an Naturwissenschaften wächst mit der Distanz zum eigenen Schulunterricht. Ein © 2019 Hogrefe Verlag
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Vergleich der Ergebnisse von Kuhn et al. (2012) mit den vorliegenden Ergebnissen weist Ähnlichkeiten auf: So zeigen sich in Bezug auf die Bedeutung frühen naturwissenschaftlichen Lernens Deckeneffekte, was möglicherweise durch sozial erwünschte Antworten zustande kommt. Beide Studien deuten zudem auf ein eher geringes Interesse an Naturwissenschaften und ein eher geringes naturwissenschaftliches Selbstkonzept hin, wohingegen die Fähigkeit zur Vermittlung von Naturwissenschaften hoch eingeschätzt wird. Da es sich bei den vorliegenden Ergebnissen um die formative Evaluation eines Unterrichtskonzepts in der Praxis handelt und nicht um eine kontrollierte Studie, kann die Verbesserung des naturwissenschaftlichen Selbstkonzepts und die Einschätzung des elementarspezifischen naturwissenschaftlichen Wissens nicht allein auf das L uPE-Konzept zurückgeführt werden. Daraus ergeben sich e inige methodische Mängel, die die Interpreta tion der E rgebnisse erschweren. So konnte keine Kon trollgruppe in die Stichprobe einbezogen werden, die Klassenebene ist nicht verifizierbar (z. T. Projektunterricht), die Zellengröße für die Berechnungen teils zu klein und der Unterricht nicht standardisiert. Die Umsetzung des LuPE-Konzepts in den Unterricht war sehr variabel. Dies war aus Projektperspektive durchaus gewünscht: Gerade bei der Implementierung eines neuen Unterrichtskonzepts in den Unterricht ist eine Variation nötig, um bestmögliche Bedingungen herausfinden zu können. Ein Dokumentationsbogen von 17 Lehrkräften am Ende des Schuljahres gibt zwar Hinweise auf Unterrichtsstunden und Zeitumfang des LuPE-Einsatzes sowie auf den Unterrichtsverlauf und die Lernumgebung, ersetzt aber keine standardisierte Intervention. Die Auswirkungen realer Unterrichtspraxis auf Einstellungen zu untersuchen, ist auf Grund der Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten, der Individualität der Lehrkräfte und der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Fachschulen schwierig. Dennoch wäre weitere Forschung zu Effekten von Unterricht auf bereichsspezifische Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte für die Entwicklung von Unterricht wichtig. Grundlegend hierfür w ären Merkmale auf der Klassenebene und eine Kontrollgruppe. Für die Konzeption einer standardisierten quasi-experimentellen Studie zur Auswirkung von Unterricht auf Einstellungen, die zudem auch von weiteren Faktoren abhängen, sollten die aufgeführten Limitationen genauer berücksichtigt werden. Trotz dieser Limitationen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Unterrichts- und Weiterbildungskonzepte besonders das Interesse an Naturwissenschaften sowie das naturwissenschaftliche Selbstkonzept und das Selbstkonzept elementarspezifischen naturwissenschaftlichen Wissens berücksichtigen sollten. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 30–36
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D. Drexl et al., Naturwissenschaftliche Einstellungen angehender pädagogischer Fachkräfte
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Doris Drexl Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Grundschulforschung Regensburgerstraße 160 90478 Nürnberg doris.drexl@fau.de Eva Born-Rauchenecker Bernhard Kalicki Deutsches Jugendinstitut e. V. Abteilung Kinder und Kinderbetreuung Nockherstraße 2 81541 München born@dji.de kalicki@dji.de
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Exekutive Funktionen sind jene Fähigkeiten des Menschen, die das eigene Denken und Handeln steuern, aber auch die eigenen Emotionen regulieren. Bei Kindern sind die exekutiven Funktionen noch nicht voll ausgeprägt, allerdings beeinflussen sie bereits entscheidend die Lernleistungen und die sozial-emotionale Entwicklung. Viele Befunde aus den Bereichen der Psychologie, Kognitiven Neurowissenschaften und Pädagogik sprechen dafür, dass den exekutiven Funktionen eine Schlüs-
selrolle sowohl hinsichtlich des Lernund Schulerfolges als auch in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten und Störungen wie ADHS zukommt. Im vorliegenden Band werden erstmals die zentralen Texte aus Europa und den USA vorgelegt und in den hiesigen Bezugsrahmen eingeordnet. Zudem wird in diesem State-of-theArt-Werk dargestellt, wie der konkrete Transfer in die pädagogische und schulische Praxis vollzogen werden kann.
Freier Beitrag
Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation Helen Knauf Hochschule Fulda
Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wie Kindertageseinrichtungen die Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation umsetzen. Partizipation wird als normativer Begriff und politisches Ziel in der frühpädagogischen Arbeit beschrieben. In der zugrundeliegenden Studie wurden Bildungsdokumentationen aus 61 Kindertageseinrichtungen in Deutschland ausgewertet; es wurden Lerngeschichten, Portfolios und Wanddokumentationen einbezogen. Die Analyse macht deutlich, dass in Kindertageseinrichtungen verschiedene Strategien, auch gleichzeitig, zum Einsatz kommen. Drei Strategien für die Partizipation in der Bildungsdokumentation wurden identifiziert: (1.) Die Kinder werden als Adressaten der Bildungsdokumentation berücksichtigt, (2.) sie sind selbst an der Erstellung der Bildungsdokumentation beteiligt und (3.) sie definieren selbst die Inhalte der Bildungsdokumentation. Es zeigt sich jedoch auch, dass in vielen Bildungsdokumentationen Kinder weder als Gestaltende noch als Adressaten beteiligt werden. Schlüsselwörter: Partizipation, Bildungsdokumentation, Lerngeschichten, Portfolio Children's Participation in Pedagogical Documentation Abstract: This article addresses the question of how early childhood education (ECE) centers implement children's participation when creating pedagogical documentation. Participation is described as a normative term and as a political aim in early childhood education. The study analyzed pedagogical documentations from 61 different ECE centers in Germany; learning stories, portfolios, and wall panels were included. On this basis, three strategies for children's participation in documentation were identified: (1) The children are taken into account as addressees of the documentation, (2) they are part of the creation process of the documentation, and (3) they define the contents of the documentation themselves. It also shows that with regard to documentation, children in many ECE centers neither have a creative role nor are addressed by the documentation. Keywords: participation, documentation, learning stories, portfolio
Partizipation als Kinderrecht Partizipation ist ein Kinderrecht. In der UN Kinderrechtskonvention (KRK) (Vereinte Nationen, 2006) heißt es in Artikel 12, dass jedes Kind das Recht hat, sich eine Meinung zu bilden und diese frei zu äußern. Die Meinungsäußerung kann dabei auf vielfältige und vor allem auch auf nichtsprachliche Weise erfolgen, wie etwa durch Spiel, Körpersprache oder Zeichnungen (Lansdown, Percy -Smith & Thomas, 2009). Die KRK betont, dass die Meinungen der Kinder respektiert und berücksichtigt werden sollen. Damit wird die Notwendigkeit verankert, die Perspektiven von Kindern ernst zu nehmen. Die Möglichkeit der Partizipation soll sich – und das ist die vordringliche Intention der Kinderrechtskonvention – auf alle Entscheidungen auswirken, die das Kind betreffen (Hansen, Knauer & Sturzenhecker, 2011). Neben allgemeinen politischen Entscheidungen soll dies insbesondere auch den individuellen Nahbereich betreffen. So fordern die Vereinten Nationen die Schaffung einer kin© 2019 Hogrefe Verlag
derfreundlichen Umgebung, kindspezifischer Methoden, kindgerechter Information, Transparenz und die respektvolle Behandlung von Kindern (Vereinte Nationen, 2009). Aus diesen Grundsätzen abgeleitet findet sich das Ziel der Partizipation von Kindern auch in den Bildungsplänen der Bundesländer in Deutschland wieder. Exemplarisch heißt es beispielsweise in der Bildungsvereinbarung NRW: „Den eigenen Alltag aktiv mitzugestalten und bei die eigene Person betreffenden Angelegenheiten beteiligt zu werden sind Grundelemente gesellschaftlicher Teilhabe. Partizipation ist daher in Kindertageseinrichtungen […] zugleich Bildungs- und Erziehungsziel, zentrales Leitmotiv und Handlungsprinzip bei der Gestaltung von Bildungs prozessen“ (Ministerium für Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen & Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2016, S. 13). Für Kindertageseinrichtungen ist mit diesen bildungspolitischen Setzungen die normative Anforderung entFrühe Bildung (2019), 8 (1), 37–43 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000409
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standen, der Partizipation von Kindern (mehr) Beachtung zu schenken. Um pädagogische Fachkräfte bei der Erreichung dieses Ziels zu unterstützen, sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Publikationen erschienen, die als Handreichungen für die pädagogische Praxis dienen (z. B. Dobrick, 2016; Hansen et al., 2011; Knauer & Sturzen hecker, 2016; Regner & Schubert-Suffrian, 2011). Dabei wurden als allgemeine Handlungsprinzipien für die partizipative Gestaltung der pädagogischen Arbeit Dialogorientierung und Zuhören sowie das Wertschätzen und Ernstnehmen von Kindern herausgearbeitet (Hansen et al. 2011). Als konkrete Maßnahmen bzw. Strategien der Partizipation werden Aktives Zuhören und Visualisierung vorgeschlagen, vor allem aber die Einbeziehung von Kindern in Meinungsbildungsverfahren und Entscheidungsprozesse, wobei die Einführung eines Kinderparlaments und die Erarbeitung einer Kita-Verfassung in der Diskussion besondere Aufmerksamkeit erfahren (Hansen et al., 2011). Partizipation von Kindern erscheint in der Literatur wesentlich als ein Angebot von Erwachsenen an Kinder und nicht als ein aktives, von den Kindern eigenständig und selbstverständlich wahrgenommenes Recht (Hekel & Neumann, 2016). So zeigen empirische Untersuchungen schon mit älteren Kindern, dass Partizipation in Bildungsinstitutionen oftmals der Logik und der inhaltlichen Agenda der Fachkräfte folgt und weniger den Interessen und Bedürfnissen der Kinder (Rieker, Mörgen, Schnitzer & Stroezel, 2016); bei Kindern in den ersten sechs Lebensjahren ist zu erwarten, dass sich dieser Befund noch verstärkt. Jedoch liegen derzeit kaum empirische Untersuchungen zur Partizipation in dieser Altersgruppe vor (Prengel, 2016). Im Vordergrund der bereits vorliegenden empirischen Forschung steht die genauere Differenzierung von Partizipation im Elementarbereich; so differenzieren Hekel & Neumann (2016) unterschiedliche Formen des Handelns, Aktivitätsarten und Modi der Verbindlichkeit. Als zusätzliche Schwierigkeit im Diskurs über Partizipation von Kindern erweist sich, dass der Begriff unscharf und vielschichtig ist und durch seine normative Aufladung einer empirischen Auseinandersetzung nur schwer zugänglich ist (Betz, Gaiser & Pluto, 2010).
Bildungsdokumentation in Kindertageseinrichtungen In der hier vorgestellten Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, wie in einem klassischen Schlüsselprozess der pädagogischen Arbeit – der Bildungsdokumentation – die Partizipation von Kindern realisiert wird. Es geht also weniger um gezielt aufgebaute Instrumente der Stärkung von Partizipation, sondern um die Integration partizipativer Prinzipien in das reguläre Alltagsgeschehen. Im VorderFrühe Bildung (2019), 8 (1), 37–43
H. Knauf, Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation
grund der Untersuchung stand dabei die Identifikation von in Kindertageseinrichtungen bereits vorhandenen Strategien, Partizipation im Alltagsgeschehen zu realisieren. Bildungsdokumentation bietet sich als Untersuchungsfeld besonders an, weil im Diskurs über Bildungsdokumentation die Stärkung demokratischer Partizipation von Kindern häufig als ihr Ziel genannt wird. So wird Bildungsdokumentation als ein Weg verstanden, Kindern eine Stimme zu geben (Gandini & Kaminsky, 2004) und so ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Durch die Einbeziehung der Kinder in den Dokumentationsprozess sollen Bildungsprozesse sichtbar gemacht werden, die sonst unsichtbar und oft auch unbeachtet blieben (Vecchi, 2011). Dahlberg & Moss (2013, S. 155) sehen Bildungsdokumentation deshalb als „a vital tool for the creation of a reflective and democratic pedagogical practice.“ Der Begriff Bildungsdokumentation bezeichnet prozessorientierte Formen der Dokumentation, die Bildungs prozesse möglichst differenziert erfassen; sie grenzen sich von standardisierten Dokumentationsverfahren (z. B. in Form von Einschätzskalen oder Beurteilungsbögen) ab. Diese dienen in der Regel dem Vergleich des einzelnen Kindes mit einer allgemeinen Norm, um Entwicklungsrückstände und Förderbedarfe diagnostizieren zu können (Urban et al., 2015). Bildungsdokumentation, so die Zielsetzung, soll die Stärken von Kindern in den Vordergrund stellen und einen defizitorientierten Blick zu vermeiden (Forman und Fyfe, 1998). Typische Verfahren der Bildungsdokumentation sind mit Bezug auf einzelne Kinder Lerngeschichten und Portfolios sowie mit Bezug auf die Kindergruppe Wanddokumentationen z. B. in Form von Plakaten, Projektdokumentationen als Bücher oder Ordner und Ausstellungen mit Werken der Kinder (Knauf, 2015). Für die hier vorgestellte Untersuchung wurden Bildungs dokumentationen aus Kindertageseinrichtungen analysiert. Diese Bildungsdokumentationen können als Ergebnis der Dokumentationspraxis angesehen werden; es wird also nicht der Prozess, sondern das Produkt des pädagogischen Handelns in den Mittelpunkt gestellt. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass die Dokumente nicht nur ein Archiv für ein zurückliegendes Geschehen sind, sondern dass die Dokumente selbst eine bestimmte Sicht auf die Wirklichkeit erzeugen. Die Annahme der hohen Wirkmächtigkeit der Dokumente geht auf theoretische Arbeiten von Latour (2010) und Ferraris (2012) zurück. Gerade die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bildungsdokumentation hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Bedeutsamkeit von Dokumenten für Bildungsprozesse und Kindheit auseinandergesetzt (so etwa die Arbeiten von Bollig, 2008; Koch & Nebe, 2010, Schulz, 2013; Alasuutari, Markström & Vallberg-Roth, 2014; Alasuutari & Kelle, 2015). Die Autorinnen und Autoren thematisieren in diesen Untersuchungen die durch die © 2019 Hogrefe Verlag
H. Knauf, Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation
Verschriftlichung stattfindende Herstellung bzw. Inszenierung von Wirklichkeit. Entsprechend den Überlegungen zur Wirkmächtigkeit von Dokumenten werden Bildungsdokumentationen in der hier vorgestellten Studie anhand der entstandenen Dokumente analysiert. Der Blick auf die Dokumentationen selbst ist jedoch auch aus methodischen Gründen sinnvoll: Anders als Interviews oder Beobachtungen liegen die Bildungsdokumentationen zum Zeitpunkt der Datenerhebung bereits vor; sie werden also nicht gezielt im Rahmen des Forschungsprozesses erhoben. Dadurch reduzieren sich mögliche Verzerrungen im Rahmen der Datenerhebung, die insbesondere durch Effekte der sozialen Erwünschtheit zustande kommen können (Misoch, 2015), etwa wenn sich Fachkräfte im Bewusstsein, beobachtet zu werden, besonders um die Dokumentation bemühen.
Methodisches Vorgehen In die Untersuchung wurden 338 Lerngeschichten, 2104 Portfolioeinträge und 79 Wanddokumentationen aus insgesamt 61 Kindertageseinrichtungen in Deutschland aufgenommen. Stichprobenziehung und Datenanalyse orientieren sich an den Prinzipien der Grounded Theory, durch die eine Interpretation aus dem Material heraus (anstelle zuvor festgelegter Kategorien) ermöglicht werden soll (Mey & Mruck, 2011). Im Verfahren des Theoretical Sampling (Breuer, 2010) wurden die in die Studie einbezogenen Untersuchungsobjekte (=Dokumentationen) so ausgewählt, dass eine möglichst große Vielfalt an Umsetzungen von Dokumentation einbezogen wurde. So wurde im Verlauf der Datenerhebung im Verfahren „des ständigen Vergleichens“ kontinuierlich nach Varianten und Kontrasten zu bereits identifizierten Theorien im Material gesucht (Strübing, 2004, S. 18). Diese Vorgehensweise wurde solange fortgesetzt, bis eine theoretische Sättigung eintrat, also keine neuen Theorien entdeckt werden konnten (Breuer, 2010). Die untersuchten Lerngeschichten wurden in einer anderen Studie bereits in Hinblick auf die Umsetzung der Programmatik der Lerngeschichte als Dokumentationsmethode ausgewertet (Knauf, 2018). Die Portfolios wurden bereits unter dem Gesichtspunkt des mit den Portfolios betriebenen Impression Managements analysiert (Knauf, 2017). Eine Auswertung unter dem Aspekt der Partizipation erfolgte für das Material bislang nicht. Die der vorliegenden Studie zugrundeliegenden Wanddokumentationen werden hier erstmalig untersucht. Die in die Stichprobe einbezogenen Kindertageseinrichtungen repräsentieren die Vielfalt der in den Einrichtungen vorhandenen Wanddokumentationen und ermöglichen – ebenso wie bei Lerngeschichten und Portfolios – eine © 2019 Hogrefe Verlag
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möglichst große Bandbreite des Untersuchungsmaterials. Lerngeschichten und Portfolioeinträge lagen für die Analyse in Kopie vor, von den Wanddokumentationen wurden Fotografien als Grundlage für die Auswertung verwendet. Das vorliegende Material wurde für die hier vorgestellte Studie daraufhin untersucht, welche Rolle den Kindern im Prozess der Dokumentation zukommt. Eine Kategorienbildung erfolgte aus dem Material heraus, wie es die Vorgehensweise der Grounded Theory vorsieht (Muckel, 2011). Dabei wurde in zwei Analyseschritten vorgegangen: Die erste systematische Durchsicht erfolgt nach dem Prinzip des Axialen Kodierens. Dabei wurde deutlich, dass im Wesentlichen drei Kategorien die Wege der Partizipation von Kindern an Bildungsdokumentationen charakterisieren: Kinder als Adressaten, Kinder als Beteiligte bei der Dokumentation, Kinder als Initiatoren. Aufbauend auf diesen drei Kategorien wurde das Material in einem zweiten Analyseschritt erneut durchgearbeitet und den Kategorien zugeordnet. Auf diese Weise wurde es möglich, die Kategorien differenziert zu beschreiben und Variationen innerhalb der Kategorien zu identifizieren. Für jede der Kategorien, die im Folgenden als Strategien bezeichnet werden, wurden besonders aussagekräftige Beispiele identifiziert.
Ergebnisse Die Analyse der Bildungsdokumentationen zeigt, dass in den Kindertageseinrichtungen drei verschiedene Strategien gewählt werden, um Kindern Partizipation an der Bildungsdokumentation zu ermöglichen: (1.) Die Kinder werden als Adressaten der Bildungsdokumentation berücksichtigt, (2.) sie sind selbst an der Erstellung der Bildungsdokumentation beteiligt und (3.) sie definieren selbst die Inhalte der Bildungsdokumentation. Die drei Strategien können gleichzeitig innerhalb einer Bildungsdokumentation vorkommen. Zugleich befinden sich unter den untersuchten Bildungsdokumentationen auch zahlreiche Dokumente, die keine der drei Strategien verfolgen, also Kinder nicht oder nur indirekt partizipieren lassen.
Kinder als Adressaten der Bildungsdokumentation Bei dieser Strategie wurden die Bildungsdokumentationen so gestaltet, dass sie für Kinder zugänglich sind. Dies bezieht sich sowohl auf die räumliche als auch auf die inhaltliche Zugänglichkeit. Räumliche Zugänglichkeit ist dann gegeben, wenn Bildungsdokumentationen in Augen- und Greifhöhe der KinFrühe Bildung (2019), 8 (1), 37–43
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der positioniert sind. Dabei erweisen sich die räumlichen Gegebenheiten in vielen Kitaräumen als anspruchsvoll, weil es gerade für Wanddokumentationen nur wenige freie Flächen gibt. Viele Wände sind durch Türen und Fenster gegliedert oder werden für Garderoben, Regale und Schränke genutzt; die darüber liegenden freien Wandflächen befinden sich oftmals in für Kinder schwer einzusehender Höhe. Einige der untersuchten Einrichtungen bringen deshalb Wanddokumentationen so an, dass Kinder sie nicht oder nur mit Mühe sehen können. Es gibt jedoch auch Einrichtungen, die Treppen oder Heizkörper als Flächen für die Bildungsdokumentation einbeziehen oder Podeste und Erhöhungen installieren, mit deren Hilfe Kinder sich der Wanddokumentation annähern können. Inhaltliche Zugänglichkeit ergibt sich insbesondere, indem neben Sprache als Transportmittel für Inhalte auch visuelle Elemente genutzt werden. Dabei wird zum Teil sehr vielfältiges visuelles Material einbezogen, wie Fotos, Zeichnungen und Bilder der Kinder, Grundrisse, Landkarten oder Filme. In einigen Bildungsdokumentationen wird auch mit Fotoserien gearbeitet, bei denen eine Situation oder Handlungsabfolge mit mehreren Fotos dokumentiert wird, so dass die Kinder das Dargestellte auch ohne Sprache verstehen. Ebenso zeigt das Datenmaterial, dass in einigen Bildungsdokumentationen auch taktile Elemente (z. B. dreidimensionale Objekte wie gefundene Steine oder Federn) einbezogen werden. Die vorhandenen Texte werden in einer einfachen Sprache verfasst, die auch als vorgelesenes Dokument leicht zu verstehen sind. Typische Kennzeichen sind kurze Sätze und Alltagssprache. Oftmals wird auch durch Zitate der Kinder die Sprachverwendung der Kinder aufgenommen. Die Übernahme von Formulierungen der Kinder wird zudem auch als Erinnerungsanker genutzt, etwa wenn ein Kind eine besonders prägnante oder lustige Bemerkung gemacht hat. Im Gegensatz dazu konnten jedoch auch zahlreiche Bildungsdokumentationen gefunden werden, die eine für Kinder unverständliche Fachsprache (z. B. „Auge-Hand-Koordination“ oder „Freispiel“) nutzen. Als ein weiteres Element der Zugänglichkeit zu Texten zeigt sich die Schrift, in der die Bildungsdokumentationen gestaltet sind. Die Nutzung von Computer und entsprechenden Ausdrucken ermöglicht es, die Bildungsdokumentation in leicht zu entziffernden Buchstaben zu präsentieren. Die Individualität und teilweise eingeschränkte Leserlichkeit von Handschrift hingegen ist eine zusätzliche Barriere für Kinder. In einigen Kindertageseinrichtungen haben sich die Fachkräfte zudem auf ein einheitliches und damit wiederkehrendes Layout der Bildungsdokumentationen geeinigt. Dabei steht eine klare Gestaltung im Vordergrund. Sie erleichtert die Dechiffrierung für Kinder und lenkt die Betrachtenden nicht durch dekorative Frühe Bildung (2019), 8 (1), 37–43
H. Knauf, Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation
Elemente oder eine konfuse Anordnung ab. Zugleich finden sich in den untersuchten Bildungsdokumentationen auch solche, die handschriftlich verfasst sind sowie solche, die mit Verzierungen (z. B. Ornamenten, gezeichneten Blümchen) arbeiten und so möglicherweise von der eigentlichen Botschaft der Dokumentation ablenken.
Kinder sind selbst an der Erstellung der Bildungsdokumentation beteiligt Bei dieser Strategie der Partizipation werden die Kinder in den Dokumentationsprozess einbezogen. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn Kinder die Fotos oder Zeichnungen auswählen, die in die Bildungsdokumentation aufgenommen werden. Die Einbeziehung in das Dokumentieren findet auch dann statt, wenn Kinder selbst fotografieren oder videografieren. Einige der untersuchten Bildungsdokumen tation zeigen, dass die Kinder selbst Kameras als Bildungsdokumentationswerkzeuge genutzt haben. Zudem finden sich Hinweise auf in den Einrichtungen durchgeführte „FotoWorkshops“, in denen die Kinder sich mit Kameras vertraut machen konnten. Eine weitere Variante, bei der Kinder selbst dokumentieren, bezieht sehr explizit die Perspektive der Kinder in die Bildungsdokumentation ein. Sichtbar wird dies in den Wanddokumentationen, indem Zitate der Kinder einbezogen werden oder indem die dargestellten Situationen rückblickend durch die Erstellung von Zeichnungen visuell kommentiert werden. In Lerngeschichten werden bei der Anwendung dieser Strategie Kommentare der Kinder zur Lerngeschichte als Reaktion auf das Vorlesen des Textes festgehalten oder in die Geschichte eingearbeitet. Je nachdem, wieviel Entscheidungsspielräume Kindern hierbei gegeben werden, kann das „selbst dokumentieren“ auch zum „Inhalte selbst bestimmen“ werden.
Kinder definieren selbst die Inhalte der Bildungsdokumentation Eine weitere Strategie, um das Prinzip der Partizipation Bildungsdokumentationen umzusetzen, zeigt sich darin, dass die Kinder darüber bestimmen, welche Inhalte überhaupt dokumentiert werden. Es werden also die Themen, Aktivitäten, Überlegungen etc. dokumentiert, die für die Kinder selbst wichtig sind. Diese Strategie wird insbesondere in den untersuchten Portfolios sichtbar, zu deren grundlegendem Prinzip die Auswahl der wichtigsten Dokumente gehört. Dies können Bilder sein, die die Kinder gemalt haben oder auch Fotos von selbstgesteuerten Aktivitäten. Die Einbeziehung von Kommentaren der Kinder © 2019 Hogrefe Verlag
H. Knauf, Partizipation von Kindern bei der Bildungsdokumentation
verdeutlicht den Entstehungskontext eines Bildes oder eines Fotos und erklärt oftmals auch, warum ein Produkt oder eine Situation dem Kind wichtig war. Allerdings zeigt die Analyse gerade im Vergleich mehrerer Portfolios aus derselben Kita-Gruppe auch, dass dieselben Dokumente in allen Portfolios einer Gruppe vorhanden sind. Dies deutet darauf hin, dass entweder ausschließlich diese Dokumente vorhanden sind (und gar keine Auswahl getroffen wurde) oder die Fachkräfte diejenigen sind, die Dokumente auswählen, die sie für bedeutsam bzw. zur Aufbewahrung geeignet halten. Lerngeschichten hingegen werden in der Regel aufgrund einer Beobachtung der Fachkraft geschrieben und sind damit kaum auf Betreiben des Kindes hin geschrieben, nur in seltenen Ausnahmen enthält eine Lerngeschichte einen Hinweis darauf, dass ein Kind um die Niederschrift einer Situation gebeten hat. Wanddokumentationen zeigen üblicherweise Aktivitäten aus dem Gruppengeschehen. Ob eine solche gemeinsame Aktivität von den Kindern oder den Fachkräften initiiert wurde, lässt sich mit der angewandten Dokumentenanalyse nur indirekt erkennen; hier wären Beobachtungen für eine detaillierte Untersuchung notwendig. Dokumentiert die Wanddokumentation ein von den Kindern initiiertes Projekt, so wird dies bei den untersuchten Dokumentationen auch vermerkt, so dass hier die aktive Beteiligung der Kinder sichtbar wird. Ein Teil der Bildungsdokumentationen sind offenkundig nicht unter Beteiligung der Kinder angefertigt worden. Gerade in den untersuchten Portfolios werden vorgefertigte Formulare (z. B. „Das kann ich schon“ oder „Mein Lieblingsessen“) verwendet. Hier liegt teilweise sogar die Vermutung nahe, dass die Dokumente gezielt erstellt wurden, um die vorhandenen Formulare ausfüllen zu können.
Diskussion Die Analyse der Bildungsdokumentationen zeigt, dass es im Wesentlichen drei Strategien gibt, durch die Kinder in den Prozess der Bildungsdokumentation einbezogen werden. Dabei wird den Kindern unterschiedlich viel Eigenständigkeit zugetraut bzw. zugemutet. So zielt die Strategie „Kinder als Adressaten der Bildungsdokumentation“ (Strategie 1) auf die Information der Kinder ab, Kinder partizipieren also eher passiv. Demgegenüber kann die Beteiligung der Kinder am Partizipationsprozess eine Übertragung von Deutungsmacht an Kinder bedeuten; Kinder partizipieren hier also aktiv. Wird, wie bei der Strategie „Kinder definieren selbst die Inhalte der Bildungsdokumentation“ (Strategie 3), den Kindern der Freiraum übergeben, selbst zu entschieden, was doku© 2019 Hogrefe Verlag
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mentiert wird, deutet dies auch auf eine starke Orientierung an den Wünschen der Kinder im gesamten Alltagsgeschehen hin. Doch die Frage, was aus Sicht der Kinder relevant ist und was nicht, ist nicht immer eindeutig zu klären, denn die Interessen und der freie Wille des Kindes sind eng verwoben mit den Vorstellungen der Erwachsenen und Machtdynamiken in der Kindergruppe (Wood, 2014). Mit den in dieser Studie empirisch er mittelten Strategien knüpft die vorliegende Studie an Ergebnisse aus anderen Forschungen zu Partizipation in Kindertageseinrichtungen an (z. B. Hekel & Neumann, 2016). Anders als in Konzepten zur Partizipation in der Schule, die eine Hierarchie verschiedener Partizipationsformen vorsehen (z. B. die Partizipationsleiter von Hart, 2013), werden hier jedoch die drei herausgearbeiteten Strategien als nebeneinander stehend beschrieben. Dies liegt darin begründet, dass etwa Strategie 3 nicht auf Strategie 1 aufbaut, sondern es vielmehr auch möglich wäre, dass Kinder zwar selbst die Inhalte definieren (Strategie 3), jedoch die Dokumentation nicht für Kinder zugänglich präsentiert wird (Strategie 1). Deutlich wird durch die Analyse auch, dass viele Bildungsdokumentationen keine Partizipation von Kindern vorsehen. Dies kann auch damit zusammenzuhängen, dass die Funktion von Bildungsdokumentation oft nicht eindeutig geklärt ist. Obwohl die auf den Bildungsprozess orientierten Formen der Bildungsdokumentation gerade nicht der Messung von Kindern an einer allgemeinen Norm dienen sollen, spielen Bewertungen und Beurteilungen der Kinder und seiner Fähigkeiten oftmals eine große Rolle. Ebenso wie es bereits Emilson & Pramling Samuelsson (2014) für schwedische Kindertageseinrichtungen zeigen konnten, verdeutlicht auch die Auswertung hier, dass häufig die Leistungen der Kinder im Mittelpunkt der Bildungsdokumentationen stehen. Dabei werden teilweise auch die von den Fachkräften wahrgenommenen Defizite in den Mittelpunkt gestellt, was dem Anspruch an partizipative Formen der Bildungsdokumentation widerspricht (Equit, 2018). Barrieren für Partizipation entstehen nicht nur durch solche Zielkonflikte, Unwissenheit oder mangelnde Sensibilität für das Thema. Vielmehr gibt es oftmals äußere Erfordernisse, die die Bearbeitung eines bestimmten Themas notwendig machen, beispielsweise durch einen Bildungsplan oder die weltanschaulichen Prinzipien einer Einrichtung (etwa in Form eines aus Sicht des Trägers wichtigen religiösen Festtags). Zudem kann es gerade bei gruppenbezogenen Dokumentationsformen wie der Wand- oder Projektdokumentation zu widerstreitenden Interessen zwischen den Kindern kommen. Letztlich können solche Situationen aber auch gerade ein Anlass sein, im Team und mit den Kindern über Partizipation ins Gespräch zu kommen. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 37–43
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Die Analyse zeigt auch, dass Partizipation weniger eine Frage des Verfahrens oder der Technik der Bildungsdokumentation ist, denn in allen einbezogenen Formen der Bildungsdokumentation (Lerngeschichten, Portfolios und Wanddokumentationen) sind sowohl ausgeprägt partizipative als auch wenig partizipative Strategien zu finden. Wie bereits Picchio, Di Giandomenico & Musatti (2014) zeigen konnten, spielen das Wissen und die Erfahrung der Fachkräfte, der kollegiale Austausch sowie die Einschätzung, welcher Stellenwert der Partizipation in der Bildungsdokumentation zukommen sollte, eine entscheidende Rolle. Die Konzentration der hier vorgestellten Untersuchung auf die in Kindertageseinrichtungen entstandenen Dokumentationen bringt einige Limitationen mit sich. Insbesondere können die untersuchten Dokumente nur Hinweise auf die hinter ihnen liegenden sozialen Prozesse geben; von hier ausgehend müssten insbesondere Beobachtungsstudien einen genaueren Blick auf den Grad der Beteiligung in den Interaktionsprozessen der Einrichtung werfen. Partizipation im Sinne der Prinzipien der eingangs erwähnten UN-Kinderrechtskonvention kann grundsätzlich durch Bildungsdokumentation als kindgerechte Methode realisiert werden. Die Studie verdeutlicht, dass Bildungsdokumentation und Partizipation zu sich gegenseitig stützenden Elementen der pädagogischen Arbeit werden können: Partizipation kann durch Bildungsdokumentation vorangebracht werden, zugleich kann die Qualität der Bildungsdokumentation durch Partizipation von Kindern gesteigert werden. Möglicherweise kann die Umsetzung der drei hier identifizierten Strategien der Partizipation an der Bildungsdokumentation auch als Indikator für den Stand der Partizipation der Kinder in der Einrichtung insgesamt genutzt werden.
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Helen Knauf Hochschule Fulda Fachbereich Sozialwesen Leipziger Straße 123 36039 Fulda Helen.Knauf@sw.hs-fulda.de
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 37–43
Freier Beitrag
Welche Rolle spielen sprachliche Parameter für die Entwicklung integrierter verbal-numerischer Konzepte im vierten Lebensjahr? Julia Hartmann1, Antje Ehlert2 und Annemarie Fritz1 Universität Duisburg-Essen, Institut für Psychologie Universität Potsdam, Humanwissenschaftliche Fakultät
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Zusammenfassung: Der Beitrag untersucht, ob und zu welchen Anteilen frühe sprachliche Kompetenzen numerische Kompetenzen vorhersagen. An 72 dreijährigen Kindern wurden numerische, verbal produktive und rezeptive sowie grammatische Leistungen zwei Mal im Abstand von drei Monaten erhoben. Mithilfe von Strukturgleichungsmodellen kann gezeigt werden, dass sprachliche und numerische Leistungen in diesem Alter noch wenig distinkt sind. Für die numerischen Kompetenzen findet sich bereits in diesem Alter eine hohe interindividuelle Entwicklungsstabilität. Ein bedeutsamer Einfluss sprachlicher Kompetenz auf den Zuwachs mathematischer Kompetenz im vierten Lebensjahr konnte nicht nachgewiesen werden. Wir diskutieren die Ergebnisse vor dem Hintergrund der aktuellen Thesen zum Zusammenhang von Sprache und Numerik in der Entwicklung. Schlüsselwörter: Numerik, Sprachliche Kompetenz, numerische Kompetenz, Vorhersage, Kindheit Which Role Do Verbal Parameters Play in the Development of Integrated Verbal-Numerical Concepts at the Age of Four? Abstract: This article investigates how and to what extent early verbal competencies predict numerical competencies. In this study, we tested 72 toddlers at the age of 3 years two times with a 3-month period in-between. The results acquired by means of structural equation models reveal that early numerical competencies and early verbal competencies are closely related to each other and are less distinct. Numerical competencies are best predicted by numerical tasks, and at this age verbal competencies do not seem to play a significant role in predicting numerical competencies. We discuss our findings in the context of the current thesis of how speech and numeracy are aligned. Keywords: number, verbal competencies, numerical competencies, prediction, early childhood
Die Frage nach dem Zusammenhang von Mathematik und Sprache rückt seit einigen Jahren in den Fokus der Forschung. Insbesondere in der frühen Phase des Erwerbs des Konzepts der natürlichen Zahl wird der Sprache eine kausale Rolle zugesprochen (Mix, Huttenlocher & Levine, 2002; Carey, 2009). Welche sprachlichen Einflussfaktoren den Erwerb numerischer Konzepte unterstützen, ist Fokus derzeitiger Forschungen. Für den Erwerb präziser Zahlvorstellungen lassen sich unterschiedliche sprachliche Einflüsse konstatieren. Gelman und Gallistel (1978) betonen die Entwicklung der Zählfertigkeit der Kinder, hier insbesondere die Stabilität der Zahlwortreihe. Praet, Titeca, Ceulemans und Desote (2013) finden Einflüsse des expressiven Wortschatzes, Pixner und Kraut (2017) verweisen auf die phonologische Bewusstheit, Sarnecka, Kamenskaya, Yamana, Ogura und Yudovina (2007), Barner, Thalwitz, Wood, Yang und Carey (2007) und Odic, Pietroski, Hunter, Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52 https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000410
Lidz & Halberda (2013) berichten vom Einfluss verbalgrammatischer Pluralmarkierung. Auf die Unterscheidung zwischen dem unbestimmten Plural „mehr“, dem präzisen morphologisch angezeigten Plural sowie der Markierung von Anzahlen über das jeweilige Zahlwort, verweist auch Carey (2009) als notwendiges System für den Erwerb des präzisen Mengenbegriffs (drittes Kernsystem: set based quantification). Der vorliegende Beitrag fokussiert die Frage, inwieweit eine frühe Sprachkompetenz numerische Entwicklung nicht nur beeinflusst, sondern auch prädiktiert. Dabei wird über einen allgemeinen Zusammenhang hinausgegangen, indem zum einen aufgezeigt wird, zu welchem Anteil expressives und rezeptives Sprachvermögen Einfluss auf die numerische Entwicklung nimmt, und zum anderen, ob der singuläre Einfluss verbal-grammatischer Pluralmarkierung prädiktiv für den Erwerb numerischer Kompetenz wirkt. © 2019 Hogrefe Verlag
J. Hartmann et al., Rolle sprachlicher Parameter für integrierte verbal-numerische Konzepte
Numerische Entwicklung Schon Säuglinge verfügen über einen angeborenen Zahlensinn (Dehaene, 1997). Er bezeichnet zum einen die Fähigkeit zur Unterscheidung kleiner Anzahlen, zum anderen die Fähigkeit, Unterschiede in größeren Mengen zu erkennen, sofern deren Differenz genügend groß ist. Den Kompetenzen liegen zwei Kernsysteme zugrunde, die uns als angeborene neuronale Strukturen zur Verfügung stehen (Feigenson, Dehaene & Spelke, 2004; Spelke, 2000). Das exakte Erkennen von Anzahlen bis zu maximal vier Objekten wird durch das object-tracking-system (OTS) ermöglicht, dank des approximate number systems (ANS) werden Unterschiede zwischen größeren Mengen wahrgenommen. Um Rechnen zu erlernen, müssen die jeweiligen Limitationen beider Kernsysteme (OTS: Limitation auf Anzahlen bis max. „vier“; ANS: Limitation auf schätzende Repräsentation großer Mengen) überwunden werden. Ausgehend von der präzisen Verarbeitung kleiner Anzahlen, erscheint das OTS für die Herausbildung eines präzisen Mengenbegriffs plausibel. Im OTS werden analoge Repräsentationen von bis zu vier Objekten gebildet (Feigenson et al., 2004). Es ermöglicht schon Neugeborenen und Kleinkindern, Unterschiede nicht nur zu erkennen, sondern Erwartungen über das Verhalten von Objekten zueinander zu entwickeln (vgl. z. B. Feigenson, 2011; Wynn, 1992a). Die Unterscheidung kleiner Anzahlen darf jedoch nicht mit der Fertigkeit des Zählens gleichgesetzt werden (Carey, 2009; s. u.). Die simultane Erfassung kleiner Mengen bis zu vier Objekten gelingt bereits präverbal; diese als „subitizing“ bekannte Fähigkeit gilt mit etwa zwölf Monaten und vier Objekten als maximal ausgebildet (Butterworth, 2005). Als „pre-counting-subitizing“ bezeichnet diese Leistung die kindliche Fähigkeit, kleine Anzahlen nach gleich bzw. ungleich zu beurteilen, nicht jedoch die exakte Anzahl zu bestimmen. Die Anzahlbestimmung erfordert den Erwerb verbal kodierter Zählfähigkeit, deren Entwicklung mit Spracherwerbsprozessen ab zwölf Monaten einhergeht.
Sprachlich-numerische Entwicklung Sprachliche Einflüsse auf mathematisches Wissen finden sich auf allen linguistischen Ebenen (Dowker & Nuerk, 2016). Während Sprachverstehen und ein guter expressiver Wortschatz Grundlage sprachlichen Lernens darstellen, erscheint die morphologisch-syntaktische Markierung von Pluralität in der natürlichen Sprache für den Erwerb früher Zahlwortkonzepte unabdingbar und besonders relevant (Carey, 2009; Sarnecka, 2014). Wie numerische Informationen sprachlich fixiert werden, ist abhängig von der jeweiligen morphologischen Struktur. Sprachen mit dualer Aufteilung wie dem Deut© 2019 Hogrefe Verlag
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schen, d. h. einer Form für den Singular und einer zweiten Form für alle Pluralmarkierungen ab einer Menge von zwei, erlauben sprachlich immer die Unterscheidung zwischen „eins“ und „mehreren“, bleiben im Plural aber zumeist unpräzise. Eine Ausnahme bilden einzelne Markierungen von Dualität, beispielsweise das Wort „beide“ (Sarnecka, 2014). Erste Pluralmarkierungen im kindlichen Wortschatz sind „mehr“ oder „viel“, wobei damit jede Menge größer „eins“ bezeichnet wird. Kindern gelingt die sichere Unterscheidung mit ca. 22 bis 24 Monaten (Barner et al., 2007), einem Alter, in dem auch die morphologische Pluralmarkierung im Spracherwerb festgeschrieben wird (Pixner, 2017). Für die präzise Bezeichnung und Unterscheidung von Mengen größer „eins“ braucht es sprachlich die Zahlwörter. Der alleinige Erwerb einer stabilen Zahlwortreihe ist für die präzise Benennung von Mengen größer als „eins“ dabei nicht ausreichend. Die Forschung zeigt, dass die Zahlwortreihe zu Beginn „a list of meaningless lexical items“ (Carey, 2009, S. 308) ist, bei der für die einzelnen Zahlworte semantisch-lexikalische Konzepte erworben werden müssen. Der Erwerb semantisch-lexikalischer Konzepte von Numeralen teilt sich in den Einzelerwerb zumindest der Konzepte bis „vier“. Für den Erwerb der nachfolgenden Konzepte ist dann das Zählen die Grundlage der exakten Zahlrepräsentation (LeCorre, Li, Huang, Jia & Carey, 2016). Unterschieden wird dabei das einfache Rezitieren der Zahlwortreihe von der Verwendung von Numeralen zur Herstellung einer Menge exakter Entitäten (kardinales Wissen). Während Kinder kurz nach dem zweiten Geburtstag beginnen, die Zahlwortreihe korrekt aufzusagen, benötigen sie für den Erwerb ersten kardinalen Wissens noch über ein Jahr (LeCorre & Carey, 2007; LeCorre et al., 2016). Dem kindlichen Kenntnisstand zum konzeptuellen Verständnis präziser Mengenbegriffe wird mit der „GiveN“-Aufgabe begegnet. Kinder werden dabei um eine bestimmte Anzahl von Objekten gebeten (Wynn, 1992a). Zunächst treffen Kinder keinerlei Unterscheidungen zwischen Zahlwörtern und geben bei jeder Aufforderung eine willkürliche Menge ab (pre-number-knower). Beim nächsten Level („one“-knower) gelingt es Kindern, nach Aufforderung genau ein Objekt herzugeben, Zahlwörter über „eins“ dagegen lösen weiter willkürliche Mengen aus. Sukzessiv wird die kardinale Bedeutung der Zahlworte bis vier einzeln erlernt (LeCorre & Carey, 2007; LeCorre et al., 2016). Damit könnte sich die morphologische Strukturierung von Singular und Plural als einer derjenigen spezifischen prädiktierenden sprachlich-numerischen Parameter erweisen, der für die Mengen eins bis vier neben einer altersgemäß guten Entwicklung von Sprachverstehen und -produktion möglicherweise eine Grundlage für den Erwerb des kardinalen Zahlwortkonzepts darstellt (LeCorre et al., 2016). Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52
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J. Hartmann et al., Rolle sprachlicher Parameter für integrierte verbal-numerische Konzepte
Entwicklung integrierter verbalnumerischer Konzepte Wie in den beiden vorherigen Abschnitten ersichtlich, ist ein Zusammenspiel numerischer und sprachlicher Komponenten vonnöten, damit Kinder Zahlwörter zur Bezeichnung für präzise Mengen nutzen können. Mit der Ver knüpfung numerischer und sprachlicher Informationen entstehen komplexe, völlig neue Konzepte (Carey, 2009). Für den Erwerb dieser komplexen Konzepte stehen dem Kind auf der einen Seite die numerischen Informationen des OTS, und auf der anderen Seite neben der Kenntnis der Zahlwortreihe generelle sprachliche Teilfertigkeiten wie gutes Sprachverständnis und guter expressiver Ausdruck sowie das Wissen um spezifische Parameter wie Singularität und Pluralität zur Verfügung. Mit der Verknüpfung dieses Wissens entsteht für jedes Zahlwort ein eigenes integriertes verbal-numerisches Konzept, welches nun eine präzise Menge bezeichnen kann. Den Anfang dafür bildet die Unterscheidung zwischen Singular „eins“ und Plural „mehreren“ mit ca. 18 – 30 Monaten. Der Erwerb von „Eins“ als bedeutungstragendes Zahlwort geschieht kurz nach dieser Unterscheidung (LeCorre et al.; 2016). In diesem Alter liegt bereits eine analoge Repräsentation von „ein“ vor, welches vom OTS über einen Individuationsmechanismus gebildet wurde. Dieses wird nun jeweils in einer Eins-zu-Eins-Korrespondenz mit numerischen Sets abgeglichen, sodass jede Menge „1“ auch als solche erkannt wird. Über einen Mapping Prozess wird diesem nun das Zahlwort „Eins“ zugewiesen. Ebendiese konzeptuellen Erweiterungen finden nachfolgend für die Zahlwörter „Zwei“, „Drei“ und „Vier“ statt. Mit diesem nun lexikalischen Wissen erkennen Kinder die ersten vier Numerale in der Zahlwortreihe, für die sie nun bereits eine tiefere lexikalische Bedeutung gelernt und ein integriertes verbal-numerisches Konzept angelegt haben.
Forschungsfragen Der theoretischen Grundlage folgend, wird der Einfluss sprachlicher und mathematischer Parameter auf die numerische Entwicklung bei dreijährigen Kindern in einer Längsschnittstudie geprüft. Dabei werden folgende Forschungsfragen erörtert: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen numerischer Leistung und sprachlichem Vermögen (Forschungsfrage 1)? Wie entwickeln sich die sprachlichen und numerischen Kompetenzen sowie deren Zusammenhänge zueinander über einen Zeitraum von drei Monaten (Forschungsfrage 2)? Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52
Welche prädiktive Kraft besitzt numerische Kompetenz einerseits sowie der Sprachentwicklungsstand andererseits für die numerische Entwicklung (Forschungsfrage 3)? Besitzt das dritte Kernsystem set based quantification noch in diesem Alter prädiktive Power für die numerische Entwicklung (Forschungsfrage 4)?
Design Stichprobe Die vorliegende explorative Untersuchung sprachlicher und numerischer Kompetenzen ist mit N = 72 dreijährigen Kindern (MAlter = 39 Monate, SDAlter = 2,58 Monate) durchgeführt worden, davon 33 Mädchen. Die Kinder stammen aus zehn unterschiedlichen Kindergärten. Es wurde darauf geachtet, sowohl Kindergärten mit städtischem als auch ländlichem Umfeld einzuschließen. Insgesamt sind die Kinder hauptsächlich monolingual deutsch und haben einen eher mittleren bis gehobenen sozioökonomischen Statushintergrund (Bundeslandanteil an Personen mit Migrationshintergrund zum Zeitpunkt der Erhebung < 4 %). 15 Kinder konnten zum zweiten Messzeitpunkt nicht mehr getestet werden (Hauptgründe: Wegzug, längere Krankheit, sehr unregelmäßiger Kitabesuch). Ausgehend von der schnellen und heterogenen Entwicklung dreijähriger Kinder, wurden diese mit einem Abstand von drei Monaten erneut getestet. Die Testungen führten drei geschulte Testleiterinnen in den Räumen der pädagogischen Einrichtungen durch.
Material Im Rahmen einer Einzeltestung bearbeitete jedes Kind sieben unterschiedliche Aufgabenkategorien, davon drei zur numerischen Entwicklung und vier zur sprachlichen Entwicklung. Zu Beginn jeder Testung wurden die Kinder zur informellen Überprüfung der Kompetenz und als warm-up gebeten, soweit zu zählen wie sie können. Die Aufgaben zur Feststellung der numerischen Kompetenz sind zum einen aus dem MARKO-D (Ricken, Fritz & Balzer, 2013), zum anderen aus dem MARKO-Screening (Ehlert, Fritz & Ricken, im Druck) entnommen. Für die Erhebung der Sprachentwicklung und zur Modellierung der Variable Sprachkompetenz ist der SETK 3 – 5 (Grimm, Aktas & Frevert, 2010) eingesetzt worden. Numerische Aufgaben Es wurden drei verschiedene numerische Anforderungen gestellt: Auszählen und Abzählen sowie das simultane Er© 2019 Hogrefe Verlag
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des Situationsbildes sowie die Ausführung der Handlung. Beide Testteile bildeten zusammenaddiert den Rohwert für den Baustein Sprachverstehen. Die Kinder bekamen zunächst nacheinander neun Din A4 Bildkarten vorgelegt, mit je vier Situationsbildern. Die Testleiterin sprach einen Satz vor und bat das Kind, das zugehörige Bild zu zeigen. In einem zweiten Block löste das Kind zehn Manipulationsaufgaben mithilfe von Realgegenständen. Hierbei forderte die Testleiterin das Kind auf, eine Zeigebewegung oder eine einfache Handlungsfolge auszuführen. Sprachproduktion. Die Sprachproduktion wurde über die beiden Untertests „Enkodieren semantischer Informationen“ (ESR) und „Morphologische Regelbildung“ (MR) erhoben. Der Untertest ESR enthält elf Bildkarten, die vom Kind mit einem ganzen Satz beschrieben werden sollen. Im Untertest MR benannte das Kind nacheinander für zehn Bildkarten, auf denen links je ein Objekt abgebildet war und rechts dasselbe Objekt drei Mal, nach Vorsprechen des Singulars den zugehörigen Plural. Phonologisches Arbeitsgedächtnis. Die Kapazität wurde mit dem Untertest Phonologisches Arbeitsgedächtnis für Nichtwörter (PGN) überprüft. Für dieses Alter besteht der Test aus 13 zwei bis viersilbigen Nichtwörtern, davon drei zweisilbige Nichtwörter und sechs dreisilbige Nichtwörter, die die Kinder nachsprachen.
fassen von kleinen Mengen. Die Aufgabentypen Auszählen (AUSZ) und Abzählen (ABZ) starteten jeweils direkt ohne Übungssequenz. Der Aufgabentyp simultanes Erfassen (SIMER) wurde zuvor über zwei semantische Übungsbeispiele eingeführt. Keine der drei Aufgaben folgte in der Reihenfolge der Zahlwortreihe. Die Darbietung blieb für Aufgabenreihenfolge und Kinder stabil. Alle Instruktionen erfolgten in Deutsch. Auszählen Die Aufgabe wurde per PC als Power Point Präsentation dargeboten. Die Kinder sahen nacheinander sechs Folien mit 2; 1; 3; 5; 4 oder 6 Haselnüssen. Die Kinder wurden gebeten, die Nüsse auszuzählen und die Gesamtanzahl verbal zu benennen. Die Abbildungen waren alle größengleich und mittig als Reihe platziert. Abzählen Jedes Kind bekam eine Menge von zehn unsortierten Wendeplättchen einer Farbe vorgelegt und wurde gebeten, Mengen (2; 4; 1; 3; 5) nach der Aufforderung „Gib mir bitte n Plättchen“ abzuzählen und der Testleiterin zu geben. Simultanes Erfassen Die Kinder sahen insgesamt vier Power Point Folien, auf der für 1,5 sec. eine Punktmenge aufleuchtete. Die Punkte waren willkürlich verteilt und besaßen alle die gleiche Größe. Es wurden Mengen mit ein bis vier Punkten gezeigt (1; 3; 2; 4).
Methodisches Vorgehen In einem ersten Schritt werden die Daten deskriptiv dargestellt und Veränderungen zwischen den beiden Messzeitpunkten t1 und t2 aufgezeigt. Welche Veränderungen signifikant sind, wird mittels eines t-Tests geprüft. In einem nächsten Schritt wird mithilfe linearer Strukturgleichungsmodelle zunächst der übergeordnete Ein-
Sprachliche Aufgaben Sprachverstehen. Der Untertest Sprachverstehen aus dem SETK 3 – 5 setzte sich aus dem Erkennen und Zeigen von Situationsbildern sowie der Durchführung von Handlungsanweisungen zusammen. Gewertet wurden hier das Zeigen
Tabelle 1. Deskriptive Daten zur Beschreibung der sprachlichen und numerischen Kompetenz zu beiden Testzeitpunkten plus Leistungszuwachs gepaart nach Aufgabentyp Testzeitpunkt 1
Testzeitpunkt 2
M
SD
M
SD
Auszählen (zt1ausz / zt2ausz)
3.46
1.64
3.91
1.49
< .05*
.32
Abzählen (zt1abz / zt2abz)
2.52
1.04
2.92
1.1
< .05*
.37
2.65
1.12
< .01**
.45
Test
Leistungszuwachs p
d
numerische Kompetenz
simultanes Erfassen (zt1simer / zt2simer)
2.2
1.2
Sprachkompetenz 12.75
3.65
< .001**
.54
Enkodieren semantischer Relation (zt1s_esr)
3.38
1.41
4.05
1.7
< .001**
.40
phonologisches AG für Nichtwörter (zt1s_pgn)
5.22
3.4
6.45
3.47
< .001**
.35
5.62
< .001**
.45
Verstehen von Sätzen (zt1s_vs)
Pluralverständnis (zt1s_mr)
10.5
9.29
4
5.9
12.17
Anmerkungen: Signifikanzlevel bei * p < .05; ** p < .001.
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fluss der numerischen sowie sprachlichen Kompetenzen zu t1 auf die numerische Kompetenz zu t2 hin überprüft. Für die Bestimmung der latenten Variable Sprachkompetenz wurden die vier Subtests des SETK 3 – 5 eingesetzt. Die latente Variable numerische Kompetenz bildet sich aus den Subtests Auszählen, Abzählen und simultanes Erfassen. Die Schätzung der Modelle erfolgte mit MPLUS (Version 7.3, Muthen & Muthen, 2014). Die Modellgüte wird mithilfe der gängigen Werte Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA), dem Comparative-Fit-Index (CFI), dem Tucker-Lewis-Index (TLI) sowie dem an den Freiheitsgraden relativierten χ² - Wert (χ²/df) beurteilt. In einem letzten Schritt wird, ebenfalls über ein Strukturgleichungsmodell, der Einfluss des, in der Literatur als höchst relevant beschriebenen, verbal-numerischen Parameters der Pluralbildung überprüft (Forschungsfrage 4). Die Beschreibung der Modellgüte erfolgt analog zu Modell 1.
Ergebnisse Tabelle 1 zeigt Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) sowie Leistungszuwächse aller erfassten sprachlichen wie numerischen Kompetenzen zu beiden Testzeitpunkten. Für alle Aufgabentypen findet sich ein Leistungsanstieg zu t2, der mit mindestens p < .05 signifikant ist, bei kleinen bis mittleren Effektstärken (Cohen's d). Dabei zeigen die Er-
gebnisse stärkere Zuwächse für die sprachlichen Parameter und schwächere für die numerischen Aufgaben. Vor allem das Sprachverstehen sowie die Verwendung korrekter Pluralformen zeichnen sich durch einen starken Leistungsanstieg aus. Für die Lösung numerischer Aufgaben fällt die Lösungswahrscheinlichkeit zu beiden Testzeitpunkten vergleichbar hoch aus, wobei die Lösungsquote bereits zu t1 bei ca. 50 % liegt. Die Tabellen 2, 3, 4, 5 und 6 zeigen die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Variablen sowie den Indikatoren, die jeweils die im Folgenden verwendeten latenten Kon strukte bilden. Zum ersten Testzeitpunkt ergaben sich folgende Zusammenhänge. Die numerischen Leistungen Auszählen, Abzählen und simultanes Erfassen korrelierten stark positiv (s. Tab. 2) miteinander. Faktoranalytisch (EFA) bildeten sich alle drei Variablen auf einem Faktor ab. Die sprachlichen Leistungen Sprachverständnis und Bildbeschreibungen korrelierten stark positiv, r = .535, p < .001, Sprachverständnis und Pluralbildung moderat positiv, r = .266, p < .05. Das Phonologische AG korreliert moderat stark (s. Tab. 3) mit Bildbeschreibungen und Pluralbildung. Auch diese Variablen ergaben in einer EFA eine einfaktorielle Lösung. Das Sprachverständnis auf Satzebene korrelierte mit allen numerischen Maßen stark bis moderat. Das Enkodieren semantischer Relationen (Bildbeschreibungen) korrelierte ausschließlich stark positiv, r = .380, p < .001 mit dem simultanen Erfassen. Das phonologische AG korre-
Tabelle 2. Übersichtstabelle zu den Zusammenhängen der einzelnen Variablen zu t1 T1 Auszählen
Abzählen
Sim. Erfassen
.358**
Abzählen
SV Satzebene
Sem. Relationen
Phonologisches AG
Pluralbildung
.266*
.290*
.140
.110
.216
.424**
.383**
.241
.302*
.347**
Simultanes Erfassen
.449**
SV Satzebene
.380**
.197
.050
.535**
.137
.266*
.306*
.162
Enkodieren sem. Relationen Phonologisches AG
.275*
Anmerkungen: Signifikanzlevel bei * p < .05; ** p < .001.
Tabelle 3. Übersichtstabelle zu den Zusammenhängen der einzelnen Variablen zu t2 T2 Auszählen
Abzählen
Sim. Erfassen
.375**
Abzählen Simultanes Erfassen SV Satzebene Enkodieren sem. Relationen Phonologisches AG
SV Satzebene
Sem. Relationen
Phonologisches AG
Pluralbildung
.474**
.483**
.222
.154
.251
.419**
.447**
.233
.313*
.335*
.289*
.322
.055
.559**
.437**
.328*
.508**
.357**
.496**
.321*
Anmerkungen: Signifikanzlevel bei * p < .05; ** p < .001.
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52
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lierte moderat positiv r = .302, p < .05 mit dem Abzählen. Die Pluralbildung korrelierte stark positiv r = .347, p < .001 mit dem Abzählen. Die 2-Faktorenstruktur mit den latenten Variablen Mathe und Sprache (ohne Variable Sprachverstehen, da unzureichende Modellgüte) konnte mit einer CFA bestätigt werden (χ2 = 8.252, p = .409, CFI = .994, TLI = .989, RMSEA = .021, SRMR = .052). Zu t2 zeigte sich ein ähnliches Bild. Insgesamt waren jedoch alle Zusammenhänge nun stärker ausgeprägt. Die numerischen Leistungen korrelierten alle stark positiv miteinander. Die sprachlichen Leistungen korrelierten nun ebenfalls alle moderat bis stark positiv miteinander. Starke Zusammenhänge zwischen numerischen und sprachlichen Leistungen fanden sich für das Sprachverständnis auf Satzebene zu allen numerischen Leistungen. Für das Enkodieren semantischer Relationen und das simultane Erfassen lag eine moderat positive Korrelation r = .289, p < .05 vor. Das Abzählen korrelierte moderat mit dem phonologischen Arbeitsgedächtnis sowie der Pluralbildung. Die Höhe der einzelnen Korrelationskoeffizienten weist auf keine Multikollinearität hin. Zur Überprüfung numerischer und sprachlicher Kompetenzen exklusive der Variable Sprachverstehen wurden beide Konstrukte zu t1 als latente Variablen in das Modell 1 (Abb. 1) aufgenommen und auf einen Wirkzusammenhang der numerischen Kompetenz zu t2, ebenfalls als latente Variable modelliert. Zusätzlich wurden numerische und sprachliche Kompetenz gegeneinander abgegrenzt. Die Modellgüte liegt im Modell 1 mit χ2 = 26.161, p = .345, CFI = .981, TLI = .972, RMSEA = .036 und SRMR = .058 in einem guten Bereich. Es zeigt sich eine gute Modellierung der latenten Variablen „Mathe 1“; „Sprache 1“ und „Mathe 2“ mit β-Werten zwischen β = .456 und β = .681 . Die Tabelle 4. Überprüfung auf Multikollinearität zwischen den Indikatoren der mathematischen Kompetenz zu t1 Mathe 1 Indikatoren
Auszählen (zt1ausz)
Abzählen (zt1abz)
.385**, p < .01
simultanes Erfassen (zt1simer)
.266*, p < .05
Abzählen (zt1abz)
.424**, p < .01
Anmerkungen: Signifikanzlevel bei * p < .05; ** p < .001.
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numerischen Subtests erklären ähnlich stark die Varianz der numerischen Kompetenz, bei den sprachlichen Subtests erklärt das Enkodieren semantischer Relationen die Varianz der Sprachkompetenz besser. Der Zusammenhang der Kompetenzen von „Mathe 1“ und „Sprache 1“ zu t1 ist mit r = .789 stark. In Modell 1 erklärt die Variable „Mathe 1“ mit β = .901 fast die gesamte Varianz („Sprache 1“ β = .094). Aufgrund der starken Zusammenhänge des Sprachverstehens mit allen numerischen Leistungen, und dass das Sprachverstehen sprachwissenschaftlich betrachtet zwingend berücksichtigt werden sollte, wurde in Modell 2 (Abb. 2) die Wirkung der Variable als einzelne Prädiktorvariable zu t1 gemeinsam mit der latenten Variablen „Mathe 1“ auf die numerische Kompetenz modelliert. Die Modellgüte liegt bei χ2 = 13.000, p = .369, CFI = .990, TLI = .982, RMSEA = .034 und SRMR = .047. Die Variable Sprachverstehen weist strukturelle und signifikante Zusammenhänge mit „Mathe 1“ auf (β = .626), hat jedoch keine prädiktive Wirkung für „Mathe 2“ (β = .073). Mit β = .938 erklärt die numerische Kompetenz zu t1 nahezu vollständig die numerische Kompetenz zu t2. In Modell 3 ist die numerische Kompetenz analog zu Modell 1 und 2 als latente Variable gebildet und die Pluralbildung als numerisch spezifische Variable als einzelner Faktor herangezogen. Auch hier werden numerische Kompetenz und Pluralbildung als Prädiktorvariable für die numerische Kompetenz zu t2 angenommen. Mit dem Herauslösen der Pluralbildung aus der latenten Variable „Sprache 1“ und der Modellierung als einzelner Faktor zu „Mathe 1“ und „Mathe 2“, ergibt sich Modell 3 (Abb. 3). Auch dieses Modell besitzt mit χ2 = 16.795, p = .158, CFI = .944, TLI = .901, RMSEA = .076 und SRMR = .059 eine gute Testgüte. Insgesamt verändert sich das Wirkgefüge in Modell 3 nur wenig. Mit dem Vergleich von „Mathe 1“ als latenter Variable zum einzelnen Faktor Pluralbildung, erhöht sich die prädiktierende Wirkung von „Mathe 1“ auf „Mathe 2“ mit einem β = .945. Mit nur 1 % Varianzaufklärung (β = .101) zeigt sich das Wissen um die korrekte Pluralbildung zu t1 minimal besser als das Sprachverständnis auf Satzebene, jedoch entgegen der Erwartung als kaum prädiktiv für die numerischen Kompetenzen zu t2. Ungeachtet der Modellierung bleibt „Mathe 1“ für „Mathe 2“ jedoch der stärkere Wirkfaktor.
Tabelle 5. Überprüfung auf Multikollinearität zwischen den Indikatoren der sprachlichen Kompetenz zu t1 Sprache 1 Indikatoren
zt1s_vs
Enkodieren semantischer Relation (zt1s_esr)
.535**, p < .001
zt1s_esr
phonologisches AG für Nichtwörter (zt1s_pgn)
.137, p = .292
.306*, p < .05
Pluralverständnis (zt1s_mr)
.266*, p < .05
.162, p = .213
zt1s_pgn
.275*, p < .05
Anmerkungen: Signifikanzlevel bei * p < .05; ** p < .001.
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52
Abbildung 1. Modell 1 – globaler Einfluss numerischer und sprachlicher Kompetenz (ohne Sprachverstehen) zu t1 auf numerische Kompetenz zu t2 (Werte an den Pfeilen zu den Indikatorvariablen=standardisierteJ. Hartmann Ladungen; alle Ladungen signifikant, signifikante Pfade Konzepte 50 et al., Rolle sprachlichersind Parameter für integrierte verbal-numerische zwischen den latenten Variablen sind fett markiert).
Diskussion
flussfaktoren zu spezifizieren, in diesem Beitrag speziell für die numerische Entwicklung (Ehlert & Fritz, 2016). Die Frage nach der Sprache als Einflussfaktor für die numeWir haben daher zunächst nach den Zusammenhängen rische Entwicklung ist derzeitig von hohem Interesse für zwischen numerischer Leistung und sprachlichem Vermögen zum selben Testzeitpunkt (Forschungsfrage 1) geschaut. Forschung und Politik. Dass beide Leistungen zusammenhängen, ist intuitiv verständlich, ist doch Sprache das menIn einem nächsten Schritt sind beide Kompetenzen sowie tale Werkzeug, mit dem wir mathematisches Verständnis deren Zusammenhänge zueinander über drei Monate hinAbbildung 1. Modell 1 – globaler Einfluss numerischer und sprachlicher Kompetenz (ohne weg analysiert worden (Forschungsfrage 2). Folgt man hier und Wissen ausdrücken. (Mücke, 2007). Sprachliche KomSprachverstehen) zu t1 auf numerische Kompetenz zuden t2 Ergebnissen, (Werte an den Pfeilen zu den petenz ist als Einflussfaktor für Lernprozesse in allen Domäfinden sich zum selben Testzeitpunkt geIndikatorvariablen=standardisierte alle Ladungen sind signifikant, signifikante Pfade Leistunnen bekannt (Dowker & Nuerk, 2016) undLadungen; nicht neu, daher messen starke Zusammenhänge zwischen beiden gen, auffallend ist hier vor allem die Sprachverständnisleisergibt sich die Notwendigkeit, individuelle sprachliche Einzwischen den latenten Variablen sind fett markiert).
Anmerkung: standardisierte Ladungen (S.E.)
Abbildung 2. Modell 2 – spezifischer Einfluss numerischer Kompetenz und Sprachverständnis zu t1 auf numerische Kompetenz zu t2 (Werte an den Pfeilen zu den Indikatorvariablen=standardisierte Abbildung 1. Modell 1 – globalerLadungen Einfluss numerischer Anmerkung: standardisierte (S.E.) und sprachlicher Kompetenz (ohne Sprachverstehen) zu t1 auf numerische Kompetenz zu Ladungen; Ladungen sind signifikant, signifikante Pfade im Strukturmodell sind fett Pfade markiert). t2 (Werte an denalle Pfeilen zu den Indikatorvariablen = standardisierte Ladungen; alle Ladungen sind signifikant, signifikante zwischen den latenten Variablen sind fett markiert). [Bitte Verweis in den Text einfügen] Anmerkung: standardisierte Ladungen (S.E.).
Abbildung 2. Modell 2 – spezifischer Einfluss numerischer Kompetenz und Sprachverständnis zu t1 auf numerische Kompetenz zu t2 (Werte an den Pfeilen zu den Indikatorvariablen=standardisierte Ladungen; alle Ladungen sind signifikant, signifikante Pfade im Strukturmodell sind fett markiert). [Bitte Verweis in den Text einfügen]
Anmerkung: standardisierte Ladungen (S.E.).
Abbildung 2. Modell 2 – spezifischer Einfluss(S.E.) numerischer Kompetenz und Sprachverständnis zu t1 auf numerische Kompetenz zu t2 (Werte an Anmerkung: standardisierte Ladungen den Pfeilen zu den Indikatorvariablen = standardisierte Ladungen; alle Ladungen sind signifikant, signifikante Pfade im Strukturmodell sind fett markiert). Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52
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Abbildung 3. Modell 2 – spezifischer Einfluss numerischer Kompetenz und Pluralbildung zu t1 auf numerische Kompetenz zu t2 (Werte an den Pfeilen zu den Indikatorvariablen=standardisierte Ladungen; Ladungen sind signifikant, signifikante Pfade im Strukturmodell sind fett markiert). J. Hartmann et alle al., Rolle sprachlicher Parameter für integrierte verbal-numerische Konzepte
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Anmerkung: standardisierte Ladungen (S.E.).
Anmerkung: standardisierte Ladungen (S.E.) Abbildung 3. Modell 3 – spezifischer Einfluss numerischer Kompetenz und Pluralbildung zu t1 auf numerische Kompetenz zu t2 (Werte an den Pfeilen zu den Indikatorvariablen = standardisierte Ladungen; alle Ladungen sind signifikant, signifikante Pfade im Strukturmodell sind fett markiert). tung auf Satzebene. Sprache 1 und Mathe 1 verhalten sich hoch korrelativ, was den Schluss zulässt, dass beide Leistungen in diesem jungen Alter wenig distinkt sind. Mit der Notwendigkeit, die testspezifischen Instruktionen verbal zu vermitteln, lässt sich vor allem der Einfluss des Sprachverstehens auf den numerischen Leistungsausdruck zum selben Testzeitpunkt erklären. Auch zum zweiten Messzeitpunkt ändert sich diese Beobachtung nicht. Alle Leistungen, sprachliche wie numerische, entwickeln sich und führen zu besseren Ergebnissen. Auch zu t2 finden sich starke korrelative Zusammenhänge beider Leistungen. Wiederholt fällt hier vor allem das Sprachverständnis auf. Ausgehend von diesen Ergebnissen ist in Forschungsfrage 3 die prädiktive Wirkung des Sprachentwicklungsstandes sowie der numerischen Kompetenz auf die numerische Entwicklung analysiert worden. Domänenspezifische (mathematische) Leistungen sagen hier spätere Leistungen der gleichen Domäne besser vorher. Ein Befund, der bisher nur für das mathematische Lernen im Schulalter entgegen früheren Annahmen festgestellt werden konnte (Aunola, Leskinen, Lerkkanen & Nurmi, 2004). Die von uns erfasste sprachliche Kompetenz wirkte sich dabei entgegen unserer Erwartung kaum aus und zeigte keine prädikative Wirkung für die numerische Leistung drei Monate später. Da vor allem das Sprachverständnis starke Zusammenhänge aufwies, ist nachfolgend der Einfluss dieses Einzelfaktors analysiert worden. Eine prädiktierende Wirkung zeigte sich auch hier nicht. Mit der vierten Forschungsfrage, ob das von Carey (2009) als drittes Kernsystem eingeführte angeborene sprachliche System set-based quantification auch noch für dieses Alter prädiktive Power besitzt, ist ein zweiter spezifischer Einzelfaktor analysiert worden. In der Literatur gilt dieses System, welches sich über das Pluralverständnis von Kindern abbilden lässt, als ein wesentlicher Faktor numerisch © 2019 Hogrefe Verlag
konzeptueller Entwicklung. (vgl. u. a. Carey 2009, Sarnecka, 2014, LeCorre et al., 2016). Die vorliegenden Daten konnten entgegen den theoretischen Grundlagen keine singuläre prädiktive Funktion der Pluralbildung für spätere numerische Kompetenzen belegen. Die Pluralbildung als singulärer Faktor lässt zu diesem Alter nahezu keine Vorhersage über numerische Kompetenz mehr zu. Ursächlich hierfür kann zum einen das Alter der Kinder sein und damit der Schluss, dass verbalsprachliche sowie konzeptuelle Unterscheidung von Singular und Plural bereits geschehen sind. Zum anderen mag die prädiktive Power der Pluralbildung durch die Erhebung negativ beeinflusst sein. Der SETK 3 – 5 nimmt eine Gewichtung nach formal korrekt gebildeter Pluralform vor, sodass Pluralwissen und Wissen um grammatische Korrektheit konfundiert sein könnten. In folgenden Studien muss hier auf eine numerisch spezifischere Erhebung dieses Faktors geachtet werden, um dem möglichen Einfluss des dritten Kernsystems der set-based quantification gerecht zu werden. Insgesamt lassen die Befunde darauf schließen, dass in der numerischen Entwicklung nicht ein einzelner sprachlicher Faktor alleine prädiktiv wirkt. Vielmehr stellt das kindliche Sprachvermögen Dreijähriger sowohl in Sprachverstehen als auch in der eigenen Produktion einen wichtigen, aber auch unabhängigen nicht prädiktiven EinflussTabelle 6. Überprüfung auf Multikollinearität zwischen den Indikatoren der mathematischen Kompetenz zu t2 Mathe 1 Indikatoren
Auszählen (zt1ausz)
Abzählen (zt1abz)
.375**, p < .01
simultanes Erfassen (zt1simer)
.474**, p < .01
Abzählen (zt1abz)
.419**, p < .01
Anmerkungen: Signifikanzlevel bei * p < .05; ** p < .001.
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J. Hartmann et al., Rolle sprachlicher Parameter für integrierte verbal-numerische Konzepte
faktor dar. Durch fehlenden oder unsicheren sprachlichen Ausdruck, bzw. mangelnde Rezeption kann das gemessene numerisch kognitive Vermögen niedriger ausfallen, als es tatsächlich ist. Unser wichtiges Fazit ist damit, dass in allen mathematischen Kompetenzen globale sprachliche Anteile enthalten sind, deren Einfluss jedoch domänenunspezifisch wirkt. Fraglich bleibt dabei, ob die erhobenen sprachlichen Maße die relevanten sprachlichen Prozesse abbilden. In Folgestudien sollte eine präzisere und umfassendere Konstruktion numerisch relevanter Sprachkompetenz erfolgen. So könnten dann unterschiedliche numerisch relevante sprachliche Parameter auf deren mögliche prädiktive Wirkung auf den Erwerb numerischen Wissens geprüft werden. Dieses Wissen gäbe in einem nächsten Schritt die Möglichkeit, passgenau für dieses Alter unterstützende sprachliche Parameter für die numerische Entwicklung von Kindern zu ermitteln und hier bereits frühpädagogisch fördernd handeln zu können.
Literatur Aunola, K., Leskinen, E., Lerkkanen, M.-K. & Nurmi, J.-E. (2004). Developmental dynamics of math performance from pre-school to Grade 2. Journal of Educational Psychology, 96, 699 – 713. Barner, D., Thalwitz, D., Wood, J., Yang, S-J. & Carey, S. (2007). On the relation between the acquisition of singul-plural morphosyntax and the conceptual distinction between one and more than one. Developmental Science, 10, 365 – 373. Butterworth, B. (2005), The development of arithmetical abilities. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 46, 3 – 18. Carey, S. (2009). The Origin of Concepts. New York, NY: Oxford University Press. Dehaene, S. (1997). The number sense. Cambridge, MA: Oxford University Press. Dowker, A. & Nuerk, H.-C. (2016). Linguistic Influences on Mathematics: Structure and overview. Frontiers of Psychology, 7, 1035. Ehlert, A. & Fritz, A. (2016). „Mina und der Maulwurf“ – Ein mathematisches Gruppentraining eingesetzt bei Kindern mit Sprachverständnisschwierigkeiten. In M. Hasselhorn & W. Schneider (Hrsg.), Förderprogramme für Vor- und Grundschule (S. 69 – 86). Berlin: Cornelsen. Ehlert, A., Fritz, A. & Ricken, G. (im Druck). Mathematik- und Rechenkonzepte im Vorschulalter – Screening (MARKO-Screen ing). Göttingen: Hogrefe. Feigenson, L. (2011). Predicting sights from sounds: 6-month old infants' intermodal numerical abilities. Journal of Experimental Child Psychology, 110, 347 – 361. Feigenson, L., Dehaene, S. & Spelke, E. (2004). Core systems of number. Trends in Cognitive Science, 8, 307 – 314. Gelman, R. & Gallistel, C. R. (1978). The child's Understanding of Number. Cambridge, MA: Harvard University Press. Grimm, H., Aktas, M. & Frevert, S. (2010). SETK 3 – 5. Sprach entwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder. Diagnose von Sprachverarbeitungsfähigkeiten und auditiven Gedächtnis leistungen (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. LeCorre, M. & Carey, S. (2007). One, Two, Three, Four, Nothing More: An investigation of the conceptual sources of the verbal counting principles. Cognition, 105, 395 – 438. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 44–52
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Julia Hartmann Annemarie Fritz-Stratmann Universität Duisburg-Essen Fakultät für Bildungswissenschaften Institut für Psychologie Campus Essen 45141 Essen julia.hartmann@uni-due.de fritz-stratmann@uni-due.de
Antje Ehlert Universität Potsdam Humanwissenschaftliche Fakultät Inklusionspädagogik / Förderschwerpunkt Lernen Karl-Liebknecht-Str. 24 – 25 (Haus 31, Raum 2.05) 14476 Potsdam, OT Golm antje.ehlert@uni-potsdam.de © 2019 Hogrefe Verlag
Diskussionen MINT schon im Kindergarten!? Stefan Aufenanger Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Mit der Erklärung der Kultusministerkonferenz 2016 „Bildung in der digitalen Welt“ (Kultusministerkonferenz [KMK], 2016) wurde ein Ansatz bestätigt, der schon länger in den Lehrplänen einiger Bundesländer, in der Medienpädagogik sowie in der Informatik als Thema bzw. Forderung vorhanden war, nun aber verbindlich als Zielvorstellung in das Bildungssystem integriert werden soll: digitale Kompetenzen. In sechs Kompetenzbereiche aufgeteilt sollen Schüler_innen auf eine Gesellschaft vorbereitet werden, die digital geprägt ist und in der sie selbstbestimmt, kompetent und sozial verantwortlich handeln können. Diese Absicht stimmt mit dem ebenfalls in der Bildungspolitik, aber auch von der Wirtschaft geforderten Ausbau der MINT-Fächer überein, die besagt, dass für Kompetenzen und Kenntnisse im Bereich der von den MINT-Fächern vertretenen Themenbereiche sich zum einem auch mit den sechs Kompetenzbereiche der KMK-Strategie größtenteils decken, zum anderen in der Wirtschaft der Mangel an Fachkräften für diesen Bereich immer wieder beschrieben wird, wie etwa der MINT-Herbstreport 2017 (Institut der deutschen Wirtschaft, 2017) deutlich macht. Schon 2009 hat die KMK (KMK, 2009) die Bedeutung des MINT-Bereichs für die Wirtschaft als auch für den Einzelnen betont und wie der OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick 2017“ (Organi sation for Economic Co-Operation and Develeopment [OECD], 2017) unterstreicht, hat Deutschland darauf große Anstrengungen dazu unternommen und auch viel erreicht. Trotzdem scheint dies aber nicht auszureichen, da 2018 auf dem 6. Nationalen MINT Gipfel des Nationalen MINT-Forums (Nationales MINT Forum, 2018) stärkere Anstrengungen in der Bildungspolitik als auch in Schulen gefordert werden, um entsprechende Kompetenzen bei Schüler_ innen zu fördern. In sechs Kernforderungen werden konkrete Ansprüche gestellt. Besonders hervorzuheben ist dabei die als notwendig angesehene Verbindung von „MINT und digital“, um eine „höhere Wirksamkeit des fachlichen Lernens mit digitaler Unterstützung“ zu erreichen. Betont dabei wird Folgendes: „Diese Wechselbeziehungen müssen gerade für die MINT-Fächer evidenzorientiert weiterentwickelt und für die Praxis handhabbar gemacht werden. Wir fordern die Länder auf, für den gesamten Fächerkanon einschließlich der Informatik entsprechende integrative Kon© 2019 Hogrefe Verlag
zepte zu entwickeln und zu evaluieren“ (Nationales MINT Forum, 2018, S. 3). Es wird also unverkennbar, dass die Förderung von MINT-Fächern nicht nur eine gesellschaftliche Herausforderung darstellt, sondern auch eine bildungspolitische. Weiterhin zeigt sich, dass die Förderung digitaler Kompetenzen auch den MINT-Bereichen zu Gute kommt und natürlich auch umgekehrt. In diesem Sinne stellt sich die Frage, wie in Bildungsinstitutionen die Vermittlung digitaler Kompetenzen in Verbindung mit den MINT-Themen gestaltet werden kann und welche Rolle dabei selbst digitale Medien spielen können. In diesem Zusammenhang kommt verstärkt der Vorschulbereich in den Blick, denn man meint: je früher, desto besser. Entsprechend werden Konzepte dazu erarbeitet, Projekte gestartet und manche Kitas mit dem dazu notwendigen Material ausgestattet. Ein typisches Vorzeigemodell dazu ist das „Haus der kleinen Forscher“ (www.haus-der-kleinen-forscher.de), ein Projekt gefördert vom BMBF sowie von verschiedenen Stiftungen. Die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen sowie Grundschulen werden dazu fort gebildet, MINT-Themen in ihrer Einrichtung qualifiziert und pädagogisch geleitet umzusetzen. Ausgangspunkt ist dabei neben der Wahrnehmung der kindlichen Neugierde das Prinzip des forschenden Lernens. Mit Experimenten aus der Natur und der Umwelt der Kinder soll ihnen Verständnis für naturwissenschaftliche Themen nahe gebracht werden. Die pädagogischen Fachkräfte werden jedoch nicht dazu alleine gelassen, sondern ein umfassendes Fortbildungsprogramm qualifiziert sie auch. Begleitet wird dies noch mit Materialien, wie man schon jüngeren Kindern die Grundlagen des Programmierens zeigen kann, mit und ohne Computer. Damit ist ein wichtiger Schritt getan, anspruchsvolle und auf die Zukunft der Kinder ausgerichtete pädagogische Arbeit in den genannten Institutionen zu gewährleisten. Sinnvoller Weise wäre dies aber zu ergänzen um den Einsatz digitaler Medien, damit auch digitale Kompetenzen bei den Kindern schon gefördert werden können. Dies darf aber nicht zu überfordernd gemacht werden, denn das Verständnis und die Vorstellung von digitalen Medien wie etwa Smartphones oder Tablets ist natürlich noch nicht gut ausgeprägt. Aber da Frühe Bildung (2019), 8 (1), 53–58
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diese Medien, wie wir aus aktuellen Studien wissen (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest [mpfs], 2015, 2017), in vielen Familien weit verbreitet sind und Kinder schon sehr früh an ihrer Nutzung partizipieren, erscheint es sinnvoll, sie in die pädagogische Arbeit zu integrieren. Zusammenfassend lassen sich drei Begründungen dafür finden: a) eine veränderte Medienwelt von Kindern, in der sie schon mit immer jüngeren Jahren eindringen, b) eine notwendige Förderung digitaler Kompetenz, um ihnen erfahrungs- und lernfördernde Umgangsweisen mit digitalen Medien aufzuzeigen sowie c) die pädagogischen Potenziale dieser Medien auch in der pädagogischen Arbeit zu nutzen. Gerade das Zusammenspiel von MINTFörderung und digitale Kompetenzen bzw. digitale Medien macht das Ganze so attraktiv (Aladé, Lauricella, Beaudoin-Ryan & Wartella, 2016). Denn Anwendungen auf Tablets können zum Beispiel durch Simulationen viel zum Verständnis von Naturphänomenen beitragen oder Kinder können mit Tablets in der Natur Fotos von Pflanzen machen, die sie dann mit Hilfe von entsprechenden Apps bestimmen können und in einem eigenen selbst erstellten Buch zu einer Geschichte verbinden. Umgekehrt bekommen durch die MINT-Angebote die Tablets in Kinder tageseinrichtungen auch einen interessanten Inhalt, der ihnen einen pädagogischen sinnvollen Umgang mit digitalen Medien aufzeigt. Als Problem in der MINT-Förderung als auch in einer arg technikorientierten Förderung digitaler Kompetenzen wird die Bereitschaft von Mädchen gesehen, sich für diese Technik und Naturwissenschaften zu begeistern. International werden dazu unterschiedliche Ansätze diskutiert, wobei einer besonders hervorgehoben werden soll. Die übliche internationale, englischsprachige Bezeichnung für die MINT-Fächer ist STEM (Science, Technology, Engineering & Mathematics). Es hat sich gezeigt, dass die Erweiterung dieses Fächerkanons um Aspekte von Kunst und Design eine gewisse Attraktivität für Mädchen und Frauen schafft, so dass der Ansatz in STEAM (ergänzt um ‚Arts‘) umformuliert wurde. Diese Modifikation geht einher mit der Maker-Bewegung bzw. Maker Education, in der das Basteln, Tun und Etwas-Machen mit digitalen Funktionen verbunden werden (zum Beispiel Bau eines Roboters, der digital gesteuert werden kann). Weiterhin hat sich gezeigt, dass das Programmieren oder Coding auch Mädchen ansprechen kann, wenn entsprechende Anwendungen und Themen angeboten werden, die nicht rein technisch, sondern an der Lebenswelt von ihnen orientiert sind. Also weniger Roboter bauen oder Fahrzeuge programmieren, die einen Parcours umkurven, sondern eher etwas verwenden, was an den Alltag und der Lebenswelt von Mädchen anknüpft. Dies könnten blinkende Armbänder sein, Voodoopuppen, die auf Nadelstiche reagieren können, kugelförmige Roboter wie Dash & Dot Frühe Bildung (2019), 8 (1), 53–58
oder interagierende Gefährten wie der Cozmo, die alle Mädchen ansprechen. MINT kann und sollte auch schon im Kindergarten angegangen werden, jedoch ist dabei zu beachten, dass dieser Ansatz mit aktuellen Forderungen und Förderungen digitaler Kompetenzen verbunden wird, um beides nicht gegeneinander auszuspielen, sondern eher zu ergänzen. Die vielfältigen Anwendungen von digitalen Medien bieten dazu gerade für den Vorschulbereich gute Ansatzpunkte, um das Verständnis von Kindern für naturwissenschaftliche Phänomene zu fördern und ihre Neugierde zu befriedigen. Zugleich ermöglichen sie aber auch eine kreative Ergänzung, um vor allem Mädchen für MINT anzusprechen. Dies kann sehr gut mit Ansätzen kombiniert werden, die im Bereich von Programmierung weg von einer reiner Technikorientierung hin zu mehr Design oder künstlerischen Aktivitäten angeboten werden. Wird dies alles berücksichtigt, dann macht es den Kindern und auch den Mädchen besonders Spaß, sich der Natur, der Umwelt, aber auch der Technik und den Computern hinzuwenden und dies schon in jungen Jahren.
Literatur Aladé, F., Lauricella, A. R., Beaudoin-Ryan, L. & Wartella, E. (2016). Measuring with Murray: Touchscreen technology and preschoolers' STEM learning. Computers in Human Behavior, 62, 433 – 441. Institut der deutschen Wirtschaft (2017). MINT-Herbstreport 2017. Köln: Institut der deutschen Wirtschaft. Verfügbar unter: https:// www.iwkoeln.de/studien/gutachten/beitrag/christina-angersarah-berger-oliver-koppel-axel-pluennecke-mint-herbst report-2017-368955.html Kultusministerkonferenz (KMK). (2009). Empfehlung der Kultus ministerkonferenz zur Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bildung. Verfügbar unter https:// www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_ beschluesse/2009/2009_05_07-Empf-MINT.pdf Kultusministerkonferenz (KMK). (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. Berlin. Zugriff am 10.01.2017. Verfügbar unter https://www.kmk.org/fileadmin/ Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2016/Bildung_digitale_Welt_ Webversion.pdf Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs). (2015). miniKIM 2014 – Kleinkinder und Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 2- bis 5-Jähriger in Deutschland. Stuttgart: mpfs. Verfügbar unter https://www.mpfs.de/fileadmin/files/ Studien/miniKIM/2014/Studie/miniKIM_Studie_2014.pdf Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs). (2017). FIM-Studie 2016. Familie, Interaktion, Medien. Untersuchung zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien. Stuttgart: mpfs. Verfügbar unter https://www.mpfs.de/fileadmin/files/ Studien/FIM/2016/FIM_2016_PDF_fuer_Website.pdf Nationales MINT Forum (2018). Kernforderungen zum 6. Nationalen Mintgipfel: Qualität sichern – Wirkung erzielen – Zukunft gestalten. Verfügbar unter https://www.nationalesmintforum.de/ fileadmin/medienablage/content/veranstaltungen/6_NMG_ 2018/pdf/Kernforderungen_6._Nationaler_MINT_Gipfel_fuer_ Web_b.pdf © 2019 Hogrefe Verlag
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Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). (2017). Bildung auf einen Blick 2017. Paris: OECD. Verfügbar unter https://www.oecd-ilibrary.org/education/bildung-auf-einenblick-2017_eag-2017-de
Verfasser: Stefan Aufenanger, Hegelstr. 54, 55122 Mainz, stefan@aufenanger.de https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000411
Stellungnahme zum Beitrag von Assoudi und Petermann in Frühe Bildung, 7 (3) Carolin Machens, Jutta Trautwein und Renate Zimmer Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe)/Universität Osnabrück
Im kürzlich erschienenen Diskussionsbeitrag „Sprachstandserhebungen im Vorschulalter. Vor- und Nachteile und was ist nützlich?“ von Assoudi und Petermann (2018) wird der Diskurs über die Verwendung von Testverfahren bzw. Beobachtungsinstrumenten zur Diagnostik von Sprachentwicklungsverläufen bei Kindern im vorschulischen Alter aufgegriffen. Dabei wird ein kritisches Bild bezüglich der Verwendung von Beobachtungsverfahren gezeichnet. Die Autor_innen stellen fest, dass „die Tatsache, dass einige Bundesländer die sprachlichen Fähigkeiten von Vorschulkindern ausschließlich über die alltagsintegrierte Beobachtung erfassen, als problematisch bewertet werden muss“ (Assoudi & Petermann, 2018, S. 169). Als Beleg wird die Analyse „Die Qualität von Sprachstandsverfahren im Elementarbereich“ des Mercator-Instituts angeführt (Neugebauer & Becker-Mrotzek, 2013), nach der Beobachtungsverfahren im nationalen Vergleich „am schlechtesten abschneiden“.
Richtigstellung: Beispiel NRW In dem Beitrag wird Nordrhein-Westfalen (NRW) als eines der Bundesländer benannt, die eine Dokumentation sprachlicher Fähigkeiten von Kindern ausschließlich im Rahmen der alltagsintegrierten Sprachbildung befürworten. Dabei wird kritisiert, dass die vorliegenden Bedingungen verbindliche Standards bzw. Regelungen vermissen lassen, darunter z. B. Vorgaben zur Auswahl und Verwendung der Verfahren sowie zur wissenschaftlichen Prüfung. Dies entspricht nicht der aktuellen Situation. Seit der Neuausrichtung der Sprachbildung und Sprachförderung des Landes NRW 2014 ist eine entwicklungs- und prozessbegleitende Beobachtung der Sprachkompetenzen von Kindern sogar verpflichtend (Ministerium für Familien, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen © 2019 Hogrefe Verlag
[MFKJKS], 2014). Dabei besteht die Vorgabe, jedes Kind ab Eintritt in eine Kindertageseinrichtung mindestens jährlich anhand vorgegebener Verfahren zu beobachten. Zur Auswahl stehen die Beobachtungsverfahren Liseb, Sismik, Seldak und BaSiK, außerdem der DJI-Beobachtungsleitfaden. Diese Auswahl erfolgte unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie in Abstimmung mit Vertretern der Träger von Kindertageseinrichtungen. Zusätzlich zu den klassischen Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) wurde auf Qualitätsmerkmale wie die Berücksichtigung des gesamtsprachlichen Repertoires (unterschiedliche Sprachbereiche), Mehrsprachigkeit und Fairness, Ökonomie, Zumutbarkeit sowie das Vorliegen von Implikationen zur anschließenden Sprachbildung geachtet (vgl. MFKJKS, 2014). Allen Verfahren (mit Ausnahme der DJI-Beobachtungsleitfaden) liegen Norm- bzw. Orientierungstabellen zugrunde, sodass eine qualitative wie auch quantitative Auswertung möglich ist. Weitere Details zur wissenschaftlichen Prüfung der Verfahren können den jeweiligen Manualen bzw. Begleitheften der Beobachtungsverfahren entnommen werden (Zimmer, 2014; Ulich, Mayr & Staatsinstitut für Frühpädagogik [IFP], 2018a, b; Mayr, Kieferle & Schauland, 2014). Zusätzlich zu den verbindlichen Verfahren werden für spezifische Fragestellungen weitere Testverfahren empfohlen, z. B. LiSeDaZ (Schulz & Tracy, 2012) oder auch BISC (Jansen, Mannhaupt, Marx & Skowronek, 2002). Dabei wurde ausschließlich auf Verfahren verwiesen, die von pädagogischen Fachkräften verwendet werden können. Eine Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen ist nicht Bestandteil alltagsintegrierter Sprachbildung und Beobachtung und sollte von entsprechenden Professionen vorgenommen werden (Deutsches Jugendinstitut [DJI] / Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte [WiFF], 2016). Die Beobachtungsverfahren können diesen Prozess unterstützen, indem sie durch die Normwerte Hinweise auf eine vom Durchschnitt abweichende Sprachentwicklung geben. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 53–58
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Testverfahren vs. Beobachtungsverfahren In dem Beitrag von Assoudi und Petermann (2018) wird argumentiert, dass die Verwendung von Testverfahren gewinnbringend für die Planung anschließender Fördermöglichkeiten sei. Dies lässt sich nach den Expertisen von Lisker (2013) keinesfalls bestätigen, hier finden sich eher gegenläufige Befunde. Die fehlende Passung lässt sich u. a. damit begründen, dass die in Testverfahren enthaltenen Untertests für den Anwender meist wenig transparent in ihrer Bedeutung für die Sprachentwicklung und vor allem für die Sprachbildung bzw. Förderung erscheinen (vgl. Lüdtke & Kallmeyer, 2007). Darüber hinaus konnten unterschiedliche Studien keine Wirksamkeit klassischer Sprachförderprogramme (in Verbindung mit dem Einsatz von Testverfahren) belegen. Positive Effekte wurden dagegen in alltagsintegrierten Sprachbildungssettings nachgewiesen (zusammenfassend Egert & Hopf, 2016). Während Testverfahren häufig einmalig in einer künstlichen, für das Kind nicht sinnhaften Situation zum Einsatz kommen, ermöglichen Beobachtungsverfahren eine Dokumentation des Sprachgebrauchs in authentischen Situationen. Sie werden durch eine (oder mehrere) vertraute Person(en), die das Kind kennt (bzw. kennen), durch geführt und umfassen viele verschiedene, sprachrelevante Anlässe über einen längeren Zeitraum im Kita-Alltag (Neugebauer & Becker-Mrotzek, 2013). Darüber hinaus wirkt sich die Anwendung von Beobachtungsverfahren positiv auf die Qualifizierung der Fachkräfte aus (z. B. Weltzien & Viernickel, 2012). Abschließend soll noch einmal auf den Prozess der Neuausrichtung der Sprachbildung in NRW Bezug genommen werden. Die Abschaffung des über mehrere Jahre eingesetzten Testverfahrens Delfin 4 wurde ausdrücklich vonseiten der Praxis begrüßt (Freie Wohlfahrtspflege NRW, 2014). Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass pädagogische Fachkräfte fortwährend selbst Beobachtungsverfahren entwickeln (Lisker, 2013), wirft die Frage auf, welche Nützlichkeit Anwender_innen in der Verwendung von Testverfahren sehen. Neben der Erfüllung von Standards muss die Qualität immer auch an der wahrgenommenen Nützlichkeit im pädagogischen Alltag gemessen werden. Diese scheint bei vielen Test- oder Screeningverfahren zweifelhaft (vgl. Lisker, 2013).
Literatur Assoudi, L. & Petermann, F. (2018). Sprachstandserhebungen im Vorschulalter. Vor- und Nachteile und was ist nützlich? Frühe Bildung, 7, 167 – 170. Deutsches Jugendinstitut (DJI) / Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). (Hrsg.). (2016). Inklusive Sprach liche Bildung. Grundlagen für die kompetenzorientierte Weiter bildung (WiFF Wegweiser Weiterbildung, Band 11). München: Deutsches Jugendinstitut e. V. Egert, F. & Hopf, M. (2016). Zur Wirksamkeit von Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen in Deutschland – Ein narratives Review. Kindheit und Entwicklung, 25, 153 – 163. Freie Wohlfahrtspflege NRW (2014). Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kinderbildungsgesetzes und weitere Gesetze der Landesregierung NRW vom 18.03.2014. Verfügbar unter https://www.freiewohl fahrtspflege-nrw.de Jansen, H., Mannhaupt, G., Marx, H. & Skowronek, H. (2002). Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (BISC). Göttingen: Hogrefe. Lisker, A. (2013). Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung vor der Einschulung. Aktualisierte Expertise im Auftrag des DJI. München: Deutsches Jugendinstitut e. V. Lüdtke, U. & Kallmeyer, K. (2007). Kritische Analyse Ausgewählter Sprachstandserhebungsverfahren für Kinder vor Schuleintritt aus Sicht der Linguistik, Diagnostik und Mehrsprachigkeitsforschung. Die Sprachheilarbeit, 52, 261 – 278. Mayr, T., Kieferle, C. & Schauland, D. (2014). Liseb – Literacy und Sprachentwicklung beobachten. Freiburg: Herder. Ministerium für Familien, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MFKJKS). (2014). Alltagsintegrierte Sprachbildung und Beobachtung. Grundlagen für NRW. Ver fügbar unter https://www.kita.nrw.de/fachkraefte-fachberatung/ sprachliche-bildung#Grundlagen Neugebauer, U. & Becker-Mrotzek, M. (2013). Die Qualität von Sprachstandsverfahren im Elementarbereich. Eine Analyse und Bewertung. Köln: Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Schulz, P. & Tracy, R. (2012). LiSe-DaZ. Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache (Manual). Göttingen: Hogrefe. Ulich, M., Mayr, T. & Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP). (Hrsg.). (2018a). Seldak. Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern (Beobachtungsbogen und Begleitheft). Freiburg: Herder. Ulich, M., Mayr, T. & Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP). (Hrsg.). (2018b). Sismik. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen (Beobachtungsbogen und Begleitheft; überarb. Aufl.). Freiburg: Herder. Weltzien, D. & Viernickel, S. (2012). Die Einführung stärkenorientierter Beobachtungsverfahren. Gelingensbedingungen für den Kompetenzerwerb pädagogischer Fachkräfte. Frühe Bildung, 1, 78 – 86. Zimmer, R. (2014). BaSiK. Begleitende alltagsintegrierte Sprachentwicklungsbeobachtung in Kindertageseinrichtungen. Freiburg: Herder. Verfasserinnen: Carolin Machens, Jutta Trautwein und Renate Zimmer, Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe)/Universität Osnabrück, Jahnstraße 75, 49080 Osnabrück, carolin.machens@nifbe.de, jutta.trautwein@nifbe.de, rzimmer@uos.de https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000412
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Replik auf die Stellungnahme von Machens, Trautwein und Zimmer Lisa Rennecke und Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen
Die Autorengruppe Machens, Trautwein und Zimmer (2019) bezieht sich in ihrem Beitrag „Stellungnahme zum Beitrag von Assoudi und Petermann in Frühe Bildung, 7 (3)“ auf den von uns verfassten Diskussionsbeitrag (Assoudi & Petermann, 2018) und relativiert die von uns empfohlene, flächendeckende Sprachstandserhebung anhand standardisierter Erhebungsverfahren. Wir weisen in unserem Beitrag darauf hin, dass Nordrhein-Westfalen (NRW) eines der Bundesländer ist, welches die Dokumentation der sprachlichen Fähigkeiten von Kindern ausschließlich über die alltagsintegrierte Beobachtung erfasst. Machens et al. (2019) bemerken in ihrer Stellungnahme, dass dies nicht dem aktuellen Sachstand in NRW entsprechen würde und dass eine entwicklungs- und prozessbegleitende Beobachtung der Sprachkompetenzen in NRW mittler weile verpflichtend sei. Anschließend benennen Machens et al. (2019) einige Beobachtungsverfahren, die den Kindertageseinrichtungen in NRW zur Sprachüberprüfung zur Verfügung stehen, weitere Möglichkeiten einer direkteren Datenerhebung werden nicht genannt. Die empfohlenen Verfahren sollen kurz kommentiert werden: Das Beobachtungsinstrument Sismik ist vorrangig zur Erfassung der sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit einem Migrationshintergrund zu nutzen, nicht aber zur Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen konzipiert (Ulich & Mayr, 2003). Im Fokus des Beobachtungsverfahrens Seldak steht das Sprachverhalten der Kinder und ihr Interesse an Sprache. Die Autoren verstehen die Sprachbeobachtung mit Seldak als Grundlage für die Entwicklung verschiedener pädagogischer Angebote, nicht aber als diagnostisches Instrument (Ulich & Mayr, 2006). Das Beobachtungsverfahren Liseb ist für Kinder im Alter zwischen 2 und 4 Jahren geeignet, nicht aber für Kinder im Vorschulalter (Mayr, Kieferle & Schauland, 2014). Zusammenfassend sind die von Machens et al. (2019) genannten Beobachtungsverfahren geeignete Instrumente, um die sprachliche Entwicklung zu dokumentieren und ggfls. auch einen vorhandenen Förderbedarf zu erkennen. Durch den hohen Anteil an förderbedürftigen Kindern im fünften Lebensjahr (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016) sprechen wir uns aber für eine Sprachstandüberprüfung im Vorschulalter aus, die den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ent© 2019 Hogrefe Verlag
spricht und frühzeitig entsprechende Auffälligkeiten entdecken kann. Beobachtungsverfahren weisen besonders hinsichtlich des hohen zeitlichen und personellen Aufwands sowie der Urteilsverzerrung durch den Beobachter Nachteile auf. Auch sind insbesondere die grammatikalischen Fähigkeiten, die für den Eintritt in die Grundschule unbedingt benötigt werden, anhand von alltagsintegrierter Beobachtung häufig sehr schwierig zu bestimmen. Weiter können bei der Überprüfung mehrsprachiger Kinder Sprachdefizite ggfls. nicht erkannt werden, da diese im Sprachgebrauch Vermeidungsstrategien verwenden, um Bereiche in der Sprachproduktion, dem Wortschatz oder bestimmte grammatikalischer Felder zu umgehen (Eckhardt, Grgic & Leu, 2011; Rißling & Petermann, 2015); somit wären beim Vorliegen eines Migrationshintergrundes kognitive Leistungen verzerrt (vgl. Daseking, Pauls, Petermann & Becker, 2018). Häufig können Einschätzungen durch Beurteilungsfehler der pädagogischen Kräfte beeinflusst werden. Beispielsweise können Urteilsverzerrungen aufgrund einer hervorstechenden Merkmalsausprägung eines Kindes entstehen (z. B. kann ein Kind, was sehr viel redet, als sprachlich „stärker“ beurteilt werden als ein Kind, was eher zurückhaltend ist). Die Qualität der Beobachtung hängt entscheidend von der Schulung des Beobachters in einem Kategoriensystem ab, das der Beobachtung zugrunde gelegt wird. Weiter beziehen sich Machens et al. (2019) auf die zusammenfassenden Studienergebnisse von Egert und Hopf (2016) und verweisen auf positive Effekte alltagsintegrierter Sprachförderung. Diese Effekte beziehen sich allerdings vorrangig auf Kinder im Alter von unter drei Jahren. Darüber hinaus kann nicht dargelegt werden, dass die Effekte von den zur Sprachüberprüfung eingesetzten Erhebungsverfahren abhängig sind. Da aktuell bundesweit nur wenig standardisierte Testverfahren zur Sprachstands erhebung eingesetzt werden, kann nicht geschlussfolgert werden, dass eine darauf aufbauende Sprachförderplanung nicht effektiv sein könnte. Hier sind Folgestudien zur abschließenden Bewertung unumgänglich. Strukturierte Sprachförderprogramme (in Verbindung mit dem Einsatz von Testverfahren) bringen mehrere Vorteile mit sich: Die Spezifität hinsichtlich der Inhalte von Förderprogrammen, Frühe Bildung (2019), 8 (1), 53–58
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sowie die Transparenz der Fördermaßnahmen durch detaillierte Dokumentation und auch die diagnostischen Prozesse im Vorfeld stehen hier im Vordergrund (Petermann, 2015). Die grundlegende Fragestellung der Diskussion flächendeckender Sprachstandserhebungen im Kindergartenalter bezieht sich nicht hauptsächlich auf die Möglichkeiten zur Förderplanung, sondern primär auf den Einsatz bestimmter Verfahren zur Sprachstandserhebung. In der Praxis gestaltet sich die Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen aufgrund der hohen Variabilität im Spracherwerb und auch im Hinblick verschiedener Störungsschwerpunkte schwierig (Petermann, 2018). Auch wenn die Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen nicht in der Verantwortung von Kindertagesstätten liegt, empfehlen wir, die flächendeckende Sprachstandserhebung im Kindergartenalter an die Empfehlung der S2K-Leitlinie anzupassen und dazu Erhebungsverfahren einzusetzen, die die sprachlichen Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen differenziert erfassen und dabei sowohl expressive als auch rezeptive Sprachebenen berücksichtigen (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2013). Wir vertreten die Ansicht, dass nur die objektive, standardisierte und umfassende Erhebung aller Teilbereiche der Sprache sprachliche Auffälligkeiten umfassend aufklären kann.
Literatur Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). (2013). Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen (SES) unter Berücksichtigung umschriebener Sprachentwicklungsstörungen (USES). Zugriff am 09.11.2018. Verfügbar unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 049-006l_S2k_Sprachentwicklungsstoerungen_Diagnostik _2013-06-abgelaufen_01.pdf
Assoudi, L. & Petermann, F. (2018). Sprachstandserhebung im Vorschulalter. Vor- und Nachteile und was ist nützlich? Frühe Bildung, 7, 167 – 170. https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000384 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016). Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Berlin: BMBF. Daseking, M., Pauls, F., Petermann, F. & Becker, A. (2018). Welchen Einfluss hat ein Migrationshintergrund auf die kognitiven Leistungen in der WISC-V? Kindheit und Entwicklung, 27, 175 – 183. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000257 Eckhardt, A. G., Grgic, M. & Leu, H. R. (2011). Vermessung der Kindheit im Rahmen von Sprachstandserhebungen? Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 3, 263 – 280. Egert, F. & Hopf, M. (2016). Zur Wirksamkeit von Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen in Deutschland – Ein narratives Review. Kindheit und Entwicklung, 25, 153 – 163. Machens, C., Trautwein, J. & Zimmer, R. (2019). Stellungnahme zum Beitrag von Assoudi und Petermann in Frühe Bildung 7 (3). Frühe Bildung, 8, 55 – 56. Mayr, T., Kieferle, C. & Schauland, N. (2014). liseb. Literacy- und Sprachentwicklung beobachten (bei Kleinkindern). Freiburg: Herder. Petermann, F. (2015). Alltagsintegrierte Förderung oder Förderprogramme im Vorschulalter? Frühe Bildung, 4, 161 – 164. https:// doi.org/10.1026/2191-9186/a000220 Petermann, F. (2018). Umschriebene Entwicklungsstörungen. Kindheit und Entwicklung, 27, 1 – 4. https://doi.org/10.1026/09425403/a000239 Rißling, J. K. & Petermann, F. (2015). Standardisierte Sprachdiagnostik in der Kita: Pro und Contra. Frühe Bildung, 4, 226 – 228. https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000232 Ulich, M. & Mayr, T. (2003). Sismik. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen (Beobachtungsbogen und Begleitheft). Freiburg: Herder. Ulich, M. & Mayr, T. (2006). Seldak. Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern (Beobachtungsbogen und Begleitheft). Freiburg: Herder. Verfasser_innen: Lisa Rennecke (ehem. Assoudi) und Franz Petermann, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen, rennecke@uni-bremen.de, fpeterm@uni-bremen.de https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000413
Bethel baut Zukunft
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Gemeinsam für ein neues Kinderzentrum. Bitte helfen Sie mit!
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 53–58
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Innovation Das Projekt BEFAS Ein Programm zur Qualifizierung von Personen mit ausländischen pädagogischen Hochschulabschlüssen zu Kindheitspädagog_innen Tina Friederich Katholische Stiftungshochschule München
Der Fachkräftemangel im Arbeitsfeld Kindertagesein richtungen ist allgegenwärtig und die Bundesländer und Kommunen entwickeln vielfältige Strategien, um diesem entgegenzuwirken. Erste Evaluationen zeigen, dass es insbesondere durch vergütete Ausbildungsangebote gelingt, die Heterogenität der Auszubildenden in Bezug auf Alter, Geschlecht, Berufsabschluss, Migrationshintergrund und Familienstand zu erhöhen (Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“, 2017, S. 15). Vor allem Personen mit Migrationshintergrund stellen aktuell im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung nur einen kleinen Teil der Erwerbstätigen in der Frühen Bildung ( Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017). Ein Grund hierfür ist die fehlende Anerkennung von Qualifikationen aus dem Ausland (Gereke, Akbaş, Leiprecht & BrokmannNooren, 2014), aber auch, dass die meisten Anpassungsmaßnahmen, die zum Fachkräftestatus für Personen mit ausländischen Studien- oder Berufsabschlüssen führen, im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen meist auf einem mittleren Ausbildungsniveau angesiedelt sind. Die Fachkräfte aus dem Ausland verfügen dagegen häufig über einen akademischen Abschluss und würden gerne wieder als Akademiker anerkannt werden. Auch das Fachkräftebarometer Frühe Bildung konstatiert, dass ein akademischer Abschluss bei Fachkräften mit Migrationshintergrund viermal häufiger vorkommt als bei Fachkräften ohne Migrationshintergrund (22 % ggü. 6 %) (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 173). Das Projekt BEFAS (Bildung und Erziehung für Bewerber_innen mit ausländischem Studienabschluss im pädagogischen Bereich) setzt hier an und richtet sich an Personen, die bereits ein pädagogisches Studium in einem anderen Land abgeschlossen haben und aktuell als pädagogische Ergänzungskräfte tätig sind, da ihre Qualifikation aus dem Heimatland nicht auf Fachkraftniveau anerkannt wird. Sie werden zu Kindheitspädagog_innen qualifiziert und erhalten auf diesem Weg ihre Anerkennung als Fachkräfte. © 2019 Hogrefe Verlag
Hintergrund der Entstehung des Projektes BEFAS Das Projekt BEFAS wurde im Wintersemester 2013/14 durch eine Initiative der Landeshauptstadt (LH) München und der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) München aufgrund des Fachkräftemangels ins Leben gerufen. Die Voraussetzungen für das Projekt waren erst durch die Verabschiedung des Bayerischen Sozial- und Kindheits pädagogengesetzes (BaySozKiPädG) am 24. Juli 2013 geschaffen worden, das in Artikel 3 regelt, unter welchen Bedingungen ausländische Berufs- und Studienabschlüsse als gleichwertig anzusehen sind und in Artikel 6 Ausgleichsmaßnahmen vorsieht. Die Idee war, durch die Anerkennung bereits erbrachter, passender Studienleistungen einen Sockel zu schaffen, der das Durchlaufen einer Anpassungsmaßnahme zur Erlangung des Bachelors „Kindheitspädagog_in“ ermöglicht.
Konzept und Aufbau des Projekts An der KSH München existiert bereits seit 2007 der berufsbegleitende Studiengang „Bildung und Erziehung im Kindesalter“, der mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen wird und zum Führen der Berufsbezeichnung „staatlich anerkannte_r Kindheitspädagog_in“ berechtigt. Das Konzept dieses Studiengangs wurde der individuellen Anerkennung der Studienleistungen der Bewerber_innen zugrunde gelegt. Voraussetzung für die Aufnahme in das Projekt BEFAS sind ein ausreichendes Deutschniveau von C1, eine B eschäftigung in einer Kindertageseinrichtung von max. 25 h / Woche, in der Regel als pädagogische Ergänzungskraft, sowie mindestens 100 h Praxis im RahFrühe Bildung (2019), 8 (1), 59–61
60 Innovationen
men des Erststudiums oder nach Studienabschluss, einen in Deutschland a nerkannten Hochschulzugang und einen anerkannten Hochschulabschluss. Erst dann folgt die Anerkennung der individuellen Studienleistungen aus vorangegangenen Studienabschlüssen, die mit Hilfe eines übersetzten und beglaubigten Diploma-Supplements nachgewiesen werden. Aus den Modulen, die nicht anerkannt werden konnten, ergibt sich ein individueller Studienplan, der für jede Studierende1 anders aussieht. Dies ist für die Studienorganisation eine große Herausforderung, hinzu kommt ein hoher Beratungsbedarf, damit die Studierenden das Studium zeitlich (z. B. wie viele Module pro Semester machbar sind) und inhaltlich (z. B. ausreichendes Sprachniveau) bewältigen können.
Entwicklung und Erfahrungen mit dem Projekt Nachdem das Projekt zunächst von der LH München finanziert wurde, übernahm in einer weiteren Förderphase MigraNet Bayern, die zahlreiche Maßnahmen zur Qualifizierung von Fachkräften mit Migrationshintergrund bündeln (z. B. auch Ärzt_innen, Ingenieur_innen oder Techniker_innen). Trotz schwieriger Finanzierungsbedingungen ist es gelungen, das Angebot seit 2013 ohne Unterbrechung aufrecht zu erhalten. Im BEFAS-Programm konnten bislang jährlich 20 neue Studierende zugelassen werden und mittlerweile gibt es 68 Absolventinnen. Vor jeder Bewerbungsphase führt die BEFAS-Projektleitung Informationsveranstaltungen durch, die durchschnittlich von jeweils 50 Personen besucht werden. Im Anschluss folgen Beratungen in Form von Gesprächen oder Mails, um die Zahl der Bewerber_innen einzugrenzen. Die zugelassenen Studierenden benötigen dann in der Regel zwischen drei und vier Semestern, um die fehlenden Module zu studieren. Nur sechs Personen haben das Studium bislang abgebrochen.
Potentiale des Projekts Die Studierenden im BEFAS-Projekt können durch den Bachelor-Abschluss ihre Anerkennung als Hochschul absolvent_in und kindheitspädagogische Fachkraft in Deutschland erlangen. Dies bedeutet den meisten sehr viel, da sie sich endlich mit ihren Leistungen wertgeschätzt fühlen. Darüber hinaus leisten die Absolvent_innen einen wichtigen Beitrag zur interkulturellen Zusammenarbeit in
den Kitas. Die Themen Mehrsprachigkeit, Integration und Interkulturalität werden im Rahmen des Studiums gezielt aufgegriffen und professionell bearbeitet. Weiterhin trägt BEFAS zu einer Erhöhung des Akademiker_innenanteils am Personal in Kindertageseinrichtungen bei. Somit leistet das Projekt BEFAS sowohl einen Beitrag zur persön lichen Entwicklung der Studierenden als auch zur inter kulturellen Weiterentwicklung in den Kitas und darüber hinaus wirkt es dem Fachkräftemangel – wenn auch nur in begrenztem Umfang – entgegen.
Fazit und Ausblick Bislang gibt es in Deutschland kaum Angebote für Personen mit Migrationshintergrund, die einen im Ausland erworbenen pädagogischen Hochschulabschluss mitbringen, der als Basis für einen Bachelor Kindheitspädagogik genutzt wird. Es gibt keine Daten, wie viele Personen unterhalb ihres Ausbildungsniveaus in den Einrichtungen beschäftigt sind, die Bewerberzahlen in München deuten aber darauf hin, dass es noch ausreichend Interessent_ innen für die nächsten Jahre geben wird. Angebote zur Qualifizierung auf Fachschulniveau scheinen dagegen gerade Personen mit ausländischem H ochschulabschluss häufig nicht zu erreichen (mündliche Berichte aus Berlin im Rahmen des Netzwerktreffens der Robert-BoschStiftung am 6. Dezember 2017 in Berlin). Die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen der LH München stellt in ihrem Jahresbericht 2017 fest, dass v. a. Lehrkräfte mit 12,3 % (von 4738) die größte Beratungsgruppe darstellen (Landeshauptstadt München, Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, 2017, S. 3), für die bislang Angebote der Qualifizierung fehlen. Hier zeigt sich eine Zielgruppe, die möglicherweise mit ähnlichen Programmen für die Frühe Bildung gewonnen werden kann. Der Erfolg des BEFAS-Programms zeigt sich sowohl in der hohen Zufriedenheit der Absolventinnen als auch in ihrem beruflichen Aufstieg nach dem Studium (Friederich & Gisdakis, 2018). Mit dem BEFASProjekt ist es damit gelungen, ein innovatives Studienangebot zu schaffen, das eine hohe Arbeitsmarktrelevanz besitzt, die berufliche Integration von Migrant_innen mit pädagogischem Hochschul abschluss unterstützt und noch deutliches Wachstums potential aufweist. Damit trägt das Projekt zur weiteren Professionalisierung des Arbeitsfeldes Kindertageseinrichtungen bei, indem die Akademisierung gestärkt wird und die Heterogenität der Kinder auch auf der Personalseite zunehmend eine Entsprechung findet.
Bislang waren alle Studierenden im Projekt BEFAS weiblich.
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Literatur Autorengruppe Fachkräftebarometer (2017). Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2017. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. München. Friederich, T. & Gisdakis, B. (2018). BEFAS-Alumni-Befragung 2018. Zentrale Ergebnisse. Unveröffentlichter Bericht. München. Gereke, I., Akbaş, B., Leiprecht, R. & Brokmann-Nooren, C. (2014). Pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten: Ressourcen – Potenziale – Bedarfe. Schlussbericht. Oldenburg. Zugriff am 12.11.2018. Verfügbar unter https:// uol.de/fileadmin/user_upload/paedagogik/personen/rudolf. leiprecht/01NV1112_Schlussbericht-uebearb_15.12.14.pdf Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ (2017). (Quereinstiegs-) Wege in vergütete Ausbildungsformen und in
den Beruf der Erzieherin / des Erziehers. Eine Bestandsaufnahme. Zugriff am 7.5. 2018. Verfügbar unter https://www.chancequereinstieg.de/fileadmin/company/pdf/Newsletter/v4_ broschurere_bestandsanalyse_MIKA_2017_einzelseiten_ korrekturen_10.pdf . Landeshauptstadt München, Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration (2017). Jahresbericht 2017. Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen. Unveröffentlichter Bericht. München. Verfasserin: Tina Friederich, Katholische Stiftungshochschule München, Preysingstraße 83, 81667 München, tina.friederich@ ksfh.de https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000414
Entspannungsgeschichten für Kinder
Petermann
Ulrike Petermann
Die Kapitän-NemoGeschichten
Die Kapitän-Nemo-Geschichten
Geschichten gegen Angst und Stress
Ulrike Petermann
Die Kapitän-NemoGeschichten Geschichten gegen Angst und Stress
20., korrigierte Auflage 2019, 100 Seiten, Kleinformat, € 9,95 / CHF 13.50 ISBN 978-3-8017-2969-1 Auch als eBook erhältlich
Die Entspannungsgeschichten zielen darauf ab, Kindern Strategien zur Selbstberuhigung und Entspannung zu vermitteln, die sie selbstständig in schwierigen Alltagssituationen anwenden können. Sie sind für Kinder im Alter von etwa fünf bis zwölf Jahren konzipiert und eignen sich sowohl zum Vorlesen als auch zum selbstständigen Lesen. Leitfigur ist Kapitän Nemo, der die Kinder zu Reisen durch die Weltmeere mit dem Unterwasserboot Nautilus einlädt.
20., korrigierte Auflage
www.hogrefe.com
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 59–61
Informationen Frühe naturwissenschaftliche Bildung im Spiegel des Deutschen Bildungsservers Andrea Völkerling DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Die folgenden Linktipps beinhalten zum einen Internetseiten zur praktischen Umsetzung früher naturwissenschaftlicher Bildung. Zum anderen beleuchten online abrufbare Fachbeiträge das Feld aus wissenschaftlicher Sicht, er gänzend zu den in diesem Heft enthaltenen Schwerpunkt beiträgen. Zur weiteren Vertiefung bieten zwei Dossiers des Deutschen Bildungsservers umfangreiche Sammlungen zu Naturwis senschaften und Umweltbildung im Elementarbereich: www.bildungsserver.de/Naturwissenschaften-Technik2640-de.html und www.bildungsserver.de/Naturund-Umwelt-entdecken-2489-de.html.
1. Praxis MINT-Atlas 3 – 10 für Deutschland www.znl-mintatlas3-10.de Die vom ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellte Datenbank weist Projekte und Initiativen für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter zu MINT-Themen nach. Es kann u. a. nach MINT-Themen bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), Angebotsart (wie Unterrichtsmaterialien oder Fortbildungen) und Bundesland recherchiert werden. Stiftung Haus der kleinen Forscher www.haus-der-kleinen-forscher.de Die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ engagiert sich für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) – mit dem Ziel, Mädchen und Jungen stark für die Zukunft zu machen und zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Gemeinsam mit ihren Netzwerkpartnern vor Ort bietet die Stiftung bundesweit ein Bildungsprogramm an, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt, Kinder im Kita- und Grundschulalter qualifiziert
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beim Entdecken, Forschen und Lernen zu begleiten. Partner der Stiftung sind die Helmholtz-Gemeinschaft, die Siemens Stiftung, die Dietmar Hopp Stiftung und die Deutsche Telekom Stiftung. Gefördert wird sie seit 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Forscherstation – Klaus-Tschira-Kompetenzzentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung www.forscherstation.info Ziel der Forscherstation ist es, pädagogische Fach- und Lehrkräfte aus Kita und Grundschule für Naturwissenschaften zu begeistern, damit sie gemeinsam mit Kindern die Welt entdecken. Dafür setzt die Forscherstation auf berufsbegleitende Fortbildungen, die Bereitstellung geeigneter Experimentierideen, praxisbezogene Forschung sowie die Qualifizierung wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Forscherstation wird von der Klaus Tschira Stiftung getragen und ist ein An-Institut der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Anleitungen für Experimente in der Kita im Deutschen Bildungsserver www.bildungsserver.de/Praxishilfen-Anleitungenfuer-Experimente-5683-de.html Auf dieser Seite des Deutschen Bildungsservers findet sich eine Zusammenstellung von Internetangeboten mit Experimentieranleitungen für Kinder im Kita- und Grundschulalter. Es wird außerdem auf speziell für Kinder entwickelte Webseiten zu den Themen Physik, Natur und Umwelt sowie Astronomie verwiesen. Thema Science Center im Deutschen Bildungsserver www.bildungsserver.de/Science-Center-3211-de.html Science Center – auch Mitmachausstellungen genannt – können Kindern die spannende Welt von naturwissenschaftlichen und technischen Phänomenen eröffnen. Die Seite des Deutschen Bildungsservers verlinkt zu zahlreichen Science Centern, zu Schülerlaboren und Veranstaltungen.
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Informationen 63
2. Fachliteratur Anders, Y. et al. (2013). Wissenschaftliche Untersuch ungen zur Arbeit der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Band 5. Schaffhausen: Schubi www.bildungsserver.de/fisonline.html?FIS_Nummer= 1030757 „Im Rahmen der Schriftenreihe ‚Wissenschaftliche Untersuchungen zur Arbeit der Stiftung Haus der kleinen Forscher‘ werden regelmäßig wissenschaftliche Beiträge von renommierten Expertinnen und Experten aus dem Bereich der frühen Bildung veröffentlicht. … Der vorliegende fünfte Band der Reihe stellt Ziele naturwissenschaftlicher Bildung für Kinder und pädagogische Fach-und Lehrkräfte sowie prozessbezogene Qualitätskriterien für den naturwissenschaftlichen Unterricht im Elementar- und Primarbereich in den Fokus.“ Beez, S. (2018). Frühe naturwissenschaftliche Bildung im Kontext von Lernwerkstattarbeit. KiTa Fachtexte www.bildungsserver.de/link/kita-fachtexte_beez „In diesem Kita-Fachtext werden verschiedene Aspekte früher naturwissenschaftlicher Bildung thematisiert und erläutert, inwiefern Lernwerkstattarbeit einen geeigneten Ansatz darstellt, mit dem sich Kinder auf individuelle Weise der belebten und unbelebten Natur nähern und sich mit ihr auseinandersetzen können. Ausgehend von den einzelnen bundesdeutschen Bildungsplänen im Bereich der frühkindlichen Bildung wird den Fragen nachgegangen, welche Ziele naturwissenschaftliche Bildung in der frühen Kindheit verfolgen kann.“ Kramer, F. & Rabe-Kleberg, U. (2011). Wissenschaftliche Untersuchungen zur Arbeit der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Band 2. Köln: Bildungsverlag Eins www.bildungsserver.de/fisonline.html?FIS_Nummer =977557 „In einer explorativen Studie, die auf der im ersten Band dargestellten Untersuchung ‚Erzieherinnen und ihre Haltung zu Naturwissenschaft und Technik für Jungen und Mädchen‘ aufbaut, nehmen sich die Autorinnen … KoKonstruktionsprozessen von Erzieherinnen und Kindern an. Wie können Ko-Konstruktionsprozesse beim Experimentieren entstehen und wie hängen die Haltungen der Erzieherinnen mit der tatsächlichen Gestaltung der Interaktion zusammen?“ Nölke, C. (2013). Erfassung und Entwicklung des naturwissenschaftlichen Interesses von Vorschulkindern. Dissertation, Christian-Albrechts-Universität Kiel www.bildungsserver.de/fisonline.html?FIS_Nummer= 1010751
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„Über das naturwissenschaftliche Interesse von Vorschulkindern liegen bislang kaum empirische Erkenntnisse vor. Damit verbunden fehlen standardisierte Erhebungsinstrumente zur Erfassung des naturwissenschaftlichen Interesses von Vorschulkindern. Zielperspektive der vorliegenden Arbeit ist deshalb die Entwicklung eines Fragebogens, der das naturwissenschaftliche Interesse von Vorschulkindern objektiv, reliabel und valide erfasst. Mit Hilfe dieses Fragebogens sollen empirische Erkenntnisse zur Ausprägung des naturwissenschaftlichen Interesses, zu geschlechtsspezifischen Interessenunterschieden, zum Zusammenhang zwischen naturwissenschaftlichem Interesse und Wissen sowie familiären Merkmalen und zum Einfluss naturwissenschaftlicher Lehr-Lernangebote auf das kindliche Interesse gewonnen werden.“ Steffensky, M. (2017). Naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtungen. WiFF Expertise, Band 48. München: Deutsches Jugendinstitut www.bildungsserver.de/fisaktuell.html?FIS_akt_Nr= 27803 „Kinder erkunden ihre Umwelt mit großem Eifer. Frühe naturwissenschaftliche Bildung zielt darauf, diese kindliche Neugier für die Entwicklung eines nachhaltigen Interesses zu nutzen. … Die Autorin geht den vielfältigen Bezügen zur Frühpädagogik und Naturwissenschaftsdidaktik nach. Sie gibt einen Überblick über aktuelle Forschungsbefunde, analysiert die Rolle der Naturwissenschaften in den Bildungsplänen und diskutiert schließlich die Anschlussfähigkeit der Elementar- zur Primarpädagogik. Abschließend umreißt die Autorin Herausforderungen, die sich bei der Umsetzung naturwissenschaftlicher Bildung in der Kita ergeben, und formuliert zukünftige Aufgaben für die Praxis.“ Sturm, S. (2014). Altersabhängige Verhaltensunterschiede beim Experimentieren. Eine videografische Analyse vom Kindergartenkind bis zum Zehntklässler an physikalischen Experimentierstationen. Dissertation, Universität Flensburg www.bildungsserver.de/fisonline.html?FIS_Nummer= 1049306 „Es wurden Unterschiede beim Verhalten während des Handelns an physikalischen Experimentierstationen der Miniphänomenta von Kindern und Jugendlichen vom Kindergartenalter bis zum Ende der Sekundarstufe I untersucht. Die Messung erfolgte dabei mit Hilfe von Frage bögen, die Kenntnisse über das Erleben der Begegnung mit den Stationen aus der Sicht der Kinder lieferten und mit Hilfe von Fotografien und einer kategoriengeleiteten Videoanalyse, die das tatsächlich gezeigte Verhalten aufzeichneten.“
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64 Informationen
Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (Hrsg.) (2018). Frühe naturwissenschaftliche Bildung. Grundlagen für die kompetenzorientierte Weiter bildung. WiFF Wegweiser Weiterbildung, Band 13. München: Deutsches Jugendinstitut www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/details/ data/fruehe-naturwissenschaftliche-bildung „Wie können Kita-Fachkräfte an Naturerfahrungen anknüpfen und so frühe naturwissenschaftliche Bildung anregen? Welche Kompetenzen benötigt das Team, um Bildungsprozesse altersgerecht und orientiert an den individuellen Voraussetzungen der Kinder zu gestalten? Welche Rolle spielen die Rahmenbedingungen und Res-
sourcen in den Einrichtungen? Unabhängig von speziellen Programmen beschäftigt sich der Wegweiser Weiter bildung mit den Grundlagen früher naturwissenschaft licher Bildung und deren Stellenwert für die Aus- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte.“ Kontakt: Andrea Völkerling, Redaktionsbereich Elementarbildung beim Deutschen Bildungsserver, DIPF | LeibnizInstitut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Rostocker Straße 6, 60323 Frankfurt am Main, voelkerling@dipf.de https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000415
Veranstaltungen 19.02. – 23.02.2019 didacta – die Bildungsmesse Veranstaltungsort: Messe Köln Internet: www.didacta-koeln.de/ 21.02.2019 Fachtag „Gelebte MehrSprachigkeit in Krippen, Kitas und Schulen“ Veranstaltungsort: didacta, Messegelände Köln, Offenbachsaal Internet: www.fmks-online.de/Fachtag/ 22.02.2019 Fachtag „Was tun FachberaterInnen? Professionelles Handeln sichtbar machen“ Veranstaltungsort: didacta, Messegelände Köln, CongressCentrum Ost Internet: www.bildungsserver.de/link/fachtag_fachberatung
23.05. – 25.05.2019 Tagung der DGfE-Sektion Sozialpädagogik und Pädagogik der frühen Kindheit Familie im Kontext pädagogischer Institutionen. Theore tische Perspektiven und empirische Zugänge Veranstaltungsort: Leuphana Universität Lüneburg Internet: www.leuphana.de/sektionstagung2019 Weitere Veranstaltungen finden Sie im Veranstaltungs kalender des Deutschen Bildungsservers unter www.bildungsserver.de/veranstaltungen.html Hier können Sie gezielt nach aktuellen und zukünftigen Veranstaltungen im frühpädagogischen Bereich recherchieren. HOGREFE Tagungsplaner© (HTP) http://www.hogrefe.de/veranstaltungen/tagungen-undkongresse/
25.03. – 26.03.2019 Jahrestagung des Mercator-Instituts Auf pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte kommt es an – Professionalisierung für sprachliche Bildung Veranstaltungsort: KOMED im Mediapark in Köln Internet: www.bildungsserver.de/link/jahrestagung_ mercator
Der HOGREFE Tagungsplaner© (HTP) bietet Ihnen darüber hinaus ein umfassendes Verzeichnis von Tagungen, Kongressen und Symposien im Bereich der Psychologie und Psychiatrie. Sie können sich nach verschiedenen Suchkriterien die passende Tagung oder den passenden Kongress anzeigen lassen.
26.03. – 27.03., 09.04. – 10.04., 07.05. – 08.05., 21.05. – 22.05., 25.06. – 26.06., 24.09. – 25.09.2019 Deutscher Kitaleitungskongress Veranstaltungsorte: Düsseldorf, Leipzig, Berlin, Stuttgart, Augsburg Internet: www.deutscher-kitaleitungskongress.de/2019/
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Rezension Im Fokus – MINT-Bildung in Kita und Schule Dagmar Winterhalter Miriam Leuchter (2017) Kinder erkunden die Welt. Frühe naturwissenschaftliche Bildung und Förderung Stuttgart: Kohlhammer, 135 Seiten, € 29,00 ISBN 978-3-17-023434-5
Die Lehrbuchreihe „Entwicklung und Bildung in der Frühen Kindheit“ soll Studierenden und Fachkräften in Kindertageseinrichtungen und Schulen Grundlagenwissen vermitteln, wie Bildungsarbeit gestaltet werden kann. Der Band „Kinder erkunden die Welt – Frühe naturwissenschaftliche Bildung und Förderung“ fokussiert dabei die naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtungen. Die Autorin fasst den aktuellen Forschungsstand mit fundierter Fachkompetenz und mit Blick auf relevante Studien zusammen. Eine klare Gliederung und wissenschaftlich relevante Erläuterungen zu diesem komplexen Bildungsbereich werden durch praktische Beispiele mit konkret umsetzbaren Handlungsideen untermauert. Ein Grund für eine kritische Beurteilung gängiger naturwissenschaftlicher Bildung in der Praxis ist, so Leuchter, dass aufgrund u. a. der TIMMS und Pisa Studie, bei der Deutschland nur im Mittelfeld lag, nun gefordert wurde, verstärkt naturwissenschaftliche Experimente im Kindergarten anzuleiten, ohne ein didaktisches Konzept zu transferieren. Ausgehend von diesem Problemaufriss, was naturwissenschaftliche Bildung bedeutet, und einer fundierten Darstellung von Forschungsfragen und Methodologie, wird dieser Bildungsbereich vielperspektivisch beleuchtet. Die aufgeworfenen Untersuchungsbereiche werden in einer sehr stringenten Argumentation bearbeitet. Der Vielzahl an Veröffentlichungen, die meist nur Experimente für den Elementarbereich beschreiben, stellt die A utorin Miriam Leuchter ein entwicklungspsychologisches und naturwissenschaftsdidaktisches Konzept entgegen. Das erste Kapitel befasst sich mit der Analyse, was Kennzeichen naturwissenschaftlicher Forschung sind, denn „allein die Fragen und das Explorieren der Kinder sind noch keine naturwissenschaftlichen Tätigkeiten, sondern erst naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen können als naturwissenschaftliche Grundbildung gewertet wer© 2019 Hogrefe Verlag
den“, so die Autorin. Eine entwicklungspsychologische Perspektive sowie das Verständnis von kognitiven, emotionalen und motivationalen Voraussetzungen bilden das Grundkonzept altersangemessener Frühbildung. Ziel dieser Bildung ist es, vorläufige Erklärungen zu finden, die verifiziert und wiederholt werden können. Aufgrund dieser Erkenntnisse können Begriffsbildungen und Kategorisierungen vorgenommen werden. Ein Erkenntniszirkel verdeutlicht eine didaktische Erarbeitung in der Praxis und definiert, veranschaulicht und erörtert naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen. Das Kapitel „Fachliche und bildungspolitische Richtlinien und Ziele“ beschreibt das Konzept von Scientific Literacy, zeigt bildungspolitische Richtlinien auf und die daraus resultierende Rolle der Fachkräfte in diesem Bildungsbereich. Erwähnenswert wird die Korrelation von gesellschaftlichem Wandel in Bezug auf das Bild vom Kind und den daraus resultierenden pädagogischen Themenschwerpunkten in der Kita aufgezeigt und kurz historisch beleuchtet. Im folgenden Kapitel wird auf die Entwicklung von Kompetenzen und Basiswissen der Kinder im Alter von null bis sechs Jahren eingegangen. Hier wird implizites und explizites Wissen anhand relevanter Forschungen erklärt. Studien aus der Säuglingsforschung und Befunde aus Studien der frühen Kindheit diskutieren u. a. die Ergebnisse zur Bildung von Kategorien zum Erkennen kausaler Zusammenhänge, zu schlussfolgerndem Denken und das Wissen über das eigene Denken und dem Denken der anderen, zu Strategien der Problemlösung, der Kontrolle von Variablen sowie der Koordination von Theorien und Evidenz. Dies wird exemplarisch am Themenfeld Physik dargestellt. Wie die Autorin selbst resümiert, kann dadurch noch keine didaktische Schlussfolgerung gezogen werden, wie Wissen den Kindern vermittelt werden kann. Frühe Bildung (2019), 8 (1), 65–66
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setzung in eine heterogene Kindergruppe mit unterschied lichem Entwicklungs-Wissenstand der Kinder erfordert.
Resümee Neben theoretischen Abhandlungen und Verweisen auf aktuelle Studien werden zu jedem Unterkapitel kleine Beispiele zur Umsetzung in der Praxis verdeutlichend beschrieben. In farblich abgehoben Kästen werden zudem Ergebnisse einzelner Studien aufgezeigt und auf aktuelle Literatur verwiesen. Auch werden Grenzen und Einschränkungen aus entwicklungspsychologischer Sicht bezüglich Lernen und Wissenserwerb bei Kindergartenkindern erörtert. Als Fazit bleibt zu sagen, dass dieses Lehrbuch zur naturwissenschaftlichen Bildung vor dem Hintergrund einer Professionalisierung von Erzieher_innen und der qualitativen Ausgestaltung von Kindertageseinrichtungen einen wichtigen Beitrag leistet. Rezensentin: Dagmar Winterhalter, Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), Winzererstr. 9, 80797 München, Dagmar.WinterhalterSalvatore@ifp.bayern.de
https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000417
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Frühe Bildung (2019), 8 (1), 65–66
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Grundlegend ist jeweils auch, mit welchem Vorwissen die Kinder an die Aufgaben herangehen. Weiterführend wird das Verständnis von Wissen als Konzept und Lernen als konzeptueller Wandel beschrieben. Die Entstehung und Stabilität kindlicher Konzepte werden mit Beispielen anschaulich aufgezeigt. Auch die Grenzen der Konzeptforschung bei Kindern im Kindergartenalter sind thematisiert, da Kinder nur bedingt ihre Konzepte verbalisieren oder begründen können. Ausgehend von der Zielsetzung naturwissenschaftlicher Frühbildung, dass Kinder in ihrer späteren Lebensbiografie vernetztes und flexibles Wissen über die Welt haben, Interesse an Naturphänomen sowie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erlangen konnten, erfordert dies von den Pädagog_innen eine ko-konstruktive pädagogische Arbeitsweise. Am Beispiel der Entwicklungszonen im Sinne Vygotsky wird der Aufbau von sozial gesteuerten Prozessen definiert. Im letzten Drittel des Lehrbuches werden praktische Anregungen zu naturwissenschaftlichen Konzepten bei Vorschulkindern und Grundschulkindern beschrieben. Auch diese Kapitel weisen eine didaktisch fundierte und strukturierte Anregungspalette auf. Als große Herausforderung für die Fachkräfte wird das materiale und verbale Scaffolding erachtet, da es einerseits ein fundiertes Wissen über naturwissenschaftliche Inhalte und andererseits deren Um
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Mitteilungen Call for Papers Frühe Bildung 4/2020 Schwerpunkt „Risikokinder – Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf in Kindertageseinrichtungen“ Betreuung des Themenschwerpunkts: Marcus Hasselhorn und Fabienne Becker-Stoll
In Kindertageseinrichtungen werden viele Kinder betreut, die keine diagnostizierte Behinderung haben, aber trotzdem erhöhte bildungsrelevante Entwicklungsrisiken (z. B. Migrationshintergrund, geringer sozioökonomischer Status, neurologische Auffälligkeiten) aufweisen (u. a. Mayr & Held, 2010; Albers, 2012; Wirts, Wertfein & Wölfl, 2018). Man spricht in diesem Zusammenhang oftmals von „Risikokindern“. Sie haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, Entwicklungs- oder Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln und stellen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen damit vor vielfältige Herausforderungen, da sie besonderer Unterstützung bedürfen. Da diese Kinder im sozialrechtlichen Sinne jedoch keinen Sonderstatus haben, fallen sie durch die Lücken des Versorgungsnetzes. Studien konnten bereits zeigen, dass Kinder mit Entwicklungsrisiken durch gezielte Förderung im Elementarbereich profitieren, besonders, was den zukünftigen schulischen Werdegang angeht (Hartmann, Hasselhorn & Gold, 2017). Nur bei hoher pädagogischer Qualität und mit zusätzlichen externen Ressourcen sind Kindertageseinrichtungen in der Lage, für diese Kinder auch kompensatorisch zu wirken und ihnen jene Aufmerksamkeit und Unterstützung zu geben, die sie benötigen. Wirksame Präventions- und Interventionsprogramme, familienorientierte Maßnahmen der frühen Hilfen sowie eine gute Vernetzung mit z. B. Frühförderstellen sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe können einen wesentlichen Beitrag leisten. Autorinnen und Autoren sind eingeladen, Beiträge im Themenfeld „Risikokinder – Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf in Kindertageseinrichtungen“ einzureichen. Diese können präventive Ansätze und evaluierte Programme für Kinder, Eltern und Fachkräfte vorstellen, um aufzuzeigen, wie diese Kinder in Kindertageseinrich-
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tungen und im Übergang in die Schule unterstützt werden können. Von Interesse sind auch Angebote zur Unterstützung der Teams im professionellen Umgang mit der wachsenden Heterogenität sowie Modelle zur interdisziplinären Vernetzung der institutionellen Akteure rund um frühe Bildung und Förderung. Die grundlagen- oder praxisorientierten Beiträge sollten eine klare Orientierung an Gütekriterien sowie Standards sozialwissenschaftlicher Forschung erkennen lassen. Manuskripteinreichungen werden an Prof. Dr. Marcus Hasselhorn (jeanette.ziehm@dipf.de) oder Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll (fabienne.becker-stoll@ifp.bayern.de) bis spätestens 01.08.2019 erbeten. Bitte beachten Sie zwingend die Hinweise zur Manuskriptgestaltung (https://www.hogrefe.com/j/zfb)
Literatur Albers, T. (2012). Mittendrin statt nur dabei. Inklusion in Krippe und Kindergarten (2. Aufl.). München: Ernst Reinhardt. Hartmann, U., Hasselhorn, M. & Gold, A. (2017). Entwicklungs verläufe verstehen – Kinder mit Bildungsrisiken wirksam fördern. Forschungsergebnisse des Frankfurter IDeA-Zentrums. Stuttgart: Kohlhammer. Mayr, T. & Held, L. (2010). RisKid Zwischenbericht. Verfügbar unter https://www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/ wasserstand_1.pdf Wirts, C., Wertfein, M. & Wölfl, J. (2018). IVO – Eine Studie zur Umsetzung von Inklusion als gemeinsame Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und Frühförderung in Bayern. Verfügbar unter https://www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/ projektbericht_33_ivo_vernetzung_barrierefrei.pdf https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000418
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Gutachterinnen und Gutachter 2018 Das Herausgeberteam möchte den folgenden Personen, die Gutachten für Frühe Bildung verfasst haben, für das Einbringen ihrer Expertise im Jahr 2018 danken. Ihre umsichtigen und fachgerechten Beurteilungen sind sehr geschätzt und wichtig für die Aufrechterhaltung der hohen Qualitätsstandards der Zeitschrift. Rene Böhme Anika Bürgermeister Anke Buschmann Peter Cloos Simone Dunekacke Andrea Eckhardt Franziska Egert Sebastian Ehlen Antje Ehlert Jan-Henning Ehm Klaus-Peter Eichler Havva Engin Tina Friederich Kirsten Fuchs-Rechlin Martin Gartmeier Hedwig Gasteiger Ingrid Gogolin Meike Grüßing Frauke Hildebrandt Christiane Hofbauer Michaela Hopf Lars Jenssen Alexander Kauertz Raingard Knauer Anke König Susanne Koerber
Frühe Bildung (2019), 8 (1), 67–68
Martin Krause Miriam Leuchter Claudia Müller-Brauers Sabina Pauen Annedore Prengel Volker Pudzich Astrid Rank Steffi Sachse Christine Schiltz Daniel Schmerse Julia Schneewind-Landowsky Antonia Scholz Kirsten Schuchardt Dorothee Seeger Katja Seitz-Stein Wilfried Smidt Mirjam Steffensky Janina Strohmer Dieter Thoma Marion Weise Monika Wertfein Silvia Wiedebusch-Quante Gerald Wittmann
https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000419
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Hinweise für Autorinnen und Autoren Die Zeitschrift Frühe Bildung versteht sich als multidisziplinäres Forum der wissenschaftlichen und praktisch-relevanten Diskussion aller Themen der frühen Bildung einschließlich des Schulübergangs und der Schuleingangsstufe. Sie repräsentiert mit theoretischen und empirischen Beiträgen den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung im Hinblick auf, Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindesalter. Aufgegriffen werden Fragen der Professionalisierung von pädagogischen Fachkräften, der organisatorischen Verankerung früher Bildung sowie der individuellen Entwicklung von Kindern in frühen Bildungskontexten. Publiziert werden auch aktuelle Diskurse, Projekte und Innovationen der Frühpädagogik. Veröffentlicht werden in der Frühen Bildung die Rubriken: Schwerpunktbeiträge, Freie Beiträge, Diskussionen, Innovationen, Informationen und Rezensionen. Einsendung von Manuskripten. Alle Manuskripte sind in elek tronischer Form an die geschäftsführende Herausgeberin zu senden: Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll, E-Mail: FrueheBildung@ifp. bayern.de Detaillierte Hinweise für Autorinnen und Autoren finden Sie unter https://www.hogrefe.com/j/zfb Urheber- und Nutzungsrechte. Urheber- und Nutzungsrechte. Der Autor bestätigt und garantiert, dass er uneingeschränkt über sämtliche Urheberrechte an seinem Beitrag einschließlich eventueller Bildvorlagen, Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen verfügt, und dass der Beitrag keine Rechte Dritter verletzt. Der Autor räumt – und zwar auch zur Verwertung seines Beitrages außerhalb der ihn enthaltenen Zeitschrift und unabhängig von deren Veröffentlichung – dem Verlag räumlich und mengenmäßig unbeschränkt für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts das ausschließliche Recht der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. der unkörperlichen Wiedergabe des Beitrags ein. Der Autor räumt dem Verlag ferner die folgenden ausschließlichen Nutzungsrechte am Beitrag ein:
a) Das Recht zum ganzen oder teilweisen Vorabdruck oder Nachdruck – auch in Form eines Sonderdrucks, zur Übersetzung in andere Sprachen, zu sonstiger Bearbeitung und zur Erstellung von Zusammenfassungen (Abstracts); b) das Recht zur Veröffentlichung einer Mikrokopie-, Mikroficheund Mikroformausgabe, zur Nutzung im Weg von Bildschirmtext, Videotext und ähnlichen Verfahren, zur Aufzeichnung auf Bildund/ oder Tonträger und zu deren öffentlicher Wiedergabe – auch multimedial – sowie zur öffentlichen Wiedergabe durch Radio- und Fernsehsendungen; c) das Recht zur maschinenlesbaren Erfassung und elektronischen Speicherung auf einem Datenträger (z. B. Diskette, CDRom, Magnetband) und in einer eigenen oder fremden OnlineDatenbank, zum Download in einem eigenen oder fremden Rechner, zur Wiedergabe am Bildschirm – sei es unmittelbar oder im Wege der Datenfernübertragung – sowie zur Bereithaltung in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank zur Nutzung durch Dritte; d) das Recht zu sonstiger Vervielfältigung, insbesondere durch fotomechanische und ähnliche Verfahren (z. B. Fotokopie, Fernkopie) und zur Nutzung im Rahmen eines sogenannten Kopienversands auf Bestellung; e) das Recht zur Vergabe der vorgenannten Nutzungsrechte an Dritte in In- und Ausland sowie die von der Verwertungsgesellschaft WORT wahrgenommenen Rechte einschließlich der entsprechenden Vergütungsansprüche. Nutzungsrichtlinien für Hogrefe Zeitschriftenartikel. Hinweise für Autorinnen und Autoren zur Online-Archivierung einer elektronischen Version Ihres Manuskriptes finden Sie auf unserer Homepage unter http://hgf.io/nutzungsrichtlinien.
September 2016
Frühe Bildung Interdisziplinäre Zeitschrift für Forschung, Ausbildung und Praxis g
Jahrgang 6 / Heft 1 / 2017 Herausgeber Marcus Hasselhorn Yvonne Anders Fabienne Becker-Stoll Klaus Fröhlich-Gildhoff Iris Nentwig-Gesemann Franz Petermann Hans-Günther Roßbach Wolfgang Schneider Susanne Viernickel
Frühe Bildung Interdisziplinäre Zeitschrift für Forschung, Ausbildung und Praxis Schwerpunkt Zusammenarbeit mit Eltern
Wir freuen uns über die Einreichung von Beiträgen für unsere Zeitschrift. Weitere Informationen zur Zeitschrift sowie alle notwendigen Hinweise für die Einreichung von Manuskripten (Autorenhinweise) finden Sie auf unserer Homepage.
www.hogrefe.com/produkte/zeitschriften
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Unsere Buchtipps von Gontard
Alexander von Gontard
Trichotillomanie bei Kindern und Jugendlichen Pia Fuhrmann Alexander von Gontard
Trichotillomanie bei Kindern und Jugendlichen Informationen zum krankhaften Haareausreißen für Eltern und Betroffene
Informationen zum krankhaften Haareausreißen für Eltern und Betroffene 2018, 121 Seiten, Kleinformat, € 16,95 / CHF 21.90 ISBN 978-3-8017-2902-8 Auch als eBook erhältlich
Enuresis
Enuresis
Ratgeber Trichotillomanie bei Kindern und Jugendlichen
Fuhrmann / von Gontard
Pia Fuhrmann / Alexander von Gontard
Alexander von Gontard
Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie 3. A.
Grasmann / Legenbauer / Holtmann
Goletz / Döpfner / Roessner
Dörte Grasmann / Tanja Legenbauer / Martin Holtmann
Wütend, traurig und gereizt
Ratgeber Zwangsstörungen Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher
Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher (Reihe: „Ratgeber Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 25). 2019, ca. 70 Seiten, Kleinformat, ca. € 9,95 / CHF 13.50 ISBN 978-3-8017-2646-1 Auch als eBook erhältlich
Der Ratgeber informiert über die Symptomatik, die Ursachen, den Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten von Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Die Eltern, Lehrer und Erzieher erhalten konkrete Ratschläge und Anleitungen zum Umgang mit der Problematik in der Familie, in der Schule und im Kindergarten. Jugendlichen werden Ratschläge und Anleitungen zur Selbsthilfe gegeben.
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Wütend, traurig und gereizt
Zwangsstörungen
Ratgeber Zwangsstörungen Hildegard Goletz Manfred Döpfner Veit Roessner
(Reihe: „Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 4) 3., vollständig überarbeitete Auflage 2018, XII/189 Seiten, € 24,95 / CHF 32.50 (Im Reihenabonnement € 17,95 / CHF 24.50) ISBN 978-3-8017-2934-9 Auch als eBook erhältlich
Die Neubearbeitung des Bandes vermittelt anhand von Leitlinien die Standards in der Diagnostik und Therapie von Enuresis. Dabei wird die Bedeutung und Wirksamkeit von nicht pharmakologischen Interventionen bei Kindern mit Ausscheidungsstörungen betont und das Vorgehen in der Standardurotherapie sowie der speziellen Urotherapie veranschaulicht. Zahlreiche Materialien, die sich in der Diagnostik des Einnässens sowie in der Urotherapie bewährt haben, werden zur Verfügung gestellt.
Trichotillomanie (pathologisches Haareausreißen) ist definiert durch das dranghafte Ausreißen von Haaren. Die Störung kann schon junge Kinder betreffen, verläuft oft chronisch und ist mit hohem Leidensdruck verbunden. Der Ratgeber vermittelt den aktuellen Wissensstand und gibt praktische Hinweise zur Abklärung und psychotherapeutischen Behandlung der Trichotillomanie. Er enthält konkreten Ratschlägen für Eltern, Kinder und Jugendliche, hilfreiche Materialien, Beobachtungsbögen und Kontaktadressen.
Hildegard Goletz / Manfred Döpfner / Veit Roessner
3., vollständig überarbeitete Auflage
Enuresis
Dörte Grasmann Tanja Legenbauer Martin Holtmann
Wütend, traurig und gereizt Informationen zur Emotionsregulation für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher
Informationen zur Emotionsregulation für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher (Reihe: „Ratgeber Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 22). 2018, 53 Seiten, Kleinformat, € 8,95 / CHF 11.90 ISBN 978-3-8017-2511-2 Auch als eBook erhältlich
Der Ratgeber zeigt auf, woran man Störungen der Emotionsregulation erkennen kann und wie sie sich von entwicklungstypischen Verhaltensweisen und anderen psychischen Störungen abgrenzen lassen. Er gibt Eltern, Erziehern und Lehrkräften zahlreiche Hinweise zum Umgang mit den Schwierigkeiten in Familie und Schule an die Hand. Kinder und Jugendliche erhalten konkrete Tipps dazu, wie sie ihre starken Stimmungsschwankungen in den Griff bekommen und ihre eigenen Gefühle besser kontrollieren können.
Zukunftsweisende Bildung
Karl Mäder / Erika Stäuble (Hrsg.)
Wirken statt blockieren Führung in Bildung und Schule 2018. 280 S., 12 Abb., 10 Tab., Kt € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85804-3 Auch als eBook erhältlich
Wenn wir die Zukunft beeinflussen wollen, ist Bildung zentral. Experten und Expertinnen zeigen, wie Führungspersonen ihre LehrerInnen oder Dozierenden entscheidend fördern – oder blockieren können. 06.08.18 14:03
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Schulleitende und weitere Führungspersonen im Bildungsbereich haben die Aufgabe, die beruflichen Kompetenzen der Lehrkräfte oder Dozierenden zu fördern, Lern- und Entwicklungsprozesse von Schülerinnen,
Schülern und Studierenden zu unterstützen sowie Rahmenbedingungen für einen attraktiven Arbeits- und Lernort zu schaffen. Wie tun sie das? Womit erzielen Führungspersonen positive Wirkungen? Wodurch blockieren sie Entwicklungen? Was braucht es von ihnen an persönlichen Voraussetzungen und Kompetenzen? – Mit diesen Fragen setzt sich der vorliegende Band „Wirken statt blockieren – Führung in Bildung und Schule“ auseinander.
Unsere Buchtipps
Klaus A. Schneewind
Familienpsychologie und systemische Familientherapie
Albert Lenz
Lenz
Familienpsychologie und systemische Familientherapie
Ressourcen psychisch kranker und suchtkranker Eltern stärken
Ressourcen psychisch kranker und suchtkranker Eltern stärken
Familienpsychologie und systemische Familientherapie
Schneewind
Klaus A. Schneewind
Albert Lenz
Ein Gruppenprogramm zur Prävention von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung
Ressourcen psychisch kranker und suchtkranker Eltern stärken Ein Gruppenprogramm zur Prävention von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung
(Reihe: „Therapeutische Praxis“). 2019, 133 Seiten, Großformat, inkl. CD-ROM, € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-8017-2816-8 Auch als eBook erhältlich
Nach einer Bestandsaufnahme des Familienlebens in der heutigen Zeit stellt der Autor Präventionsprogramme für Familien und die Möglichkeiten der systemischen Familientherapie vor und bewertet deren Wirksamkeit.
Das Manual beschreibt ein modular aufgebautes Gruppenprogramm, mit dem das Stress- und Belastungsmanagement psychisch kranker Eltern gefördert werden soll. Ziel ist es, die Mentalisierungsfähigkeit der Eltern zu stärken, um das Vernachlässigungs- und Misshandlungsrisiko für Kinder zu vermindern.
KIDS 4 – Aggressiv-dissoziale Verhaltensstörungen
Anja Görtz-Dorten / Manfred Döpfner / Hans-Christoph Steinhausen
KIDS 4 – Aggressiv-dissoziale Verhaltensstörungen
Anja Görtz-Dorten Manfred Döpfner Hans-Christoph Steinhausen
KIDS Kinder-Diagnostik-System
2019, ca. 150 Seiten, Großformat, ca. € 64,95 / CHF 79.00 ISBN 978-3-8017-1991-3 Der Band stellt Verfahren zur Diagnostik aggressiv-dissozialer Verhaltensstörungen vor. Zunächst werden diagnosegenerierende Verfahren vorgeschlagen, die das Störungsbild weiter eingrenzen. Danach können in störungsspezifischen Verfahren aggressiv-dissoziale Verhaltensstörungen differenziert erfasst werden und schließlich lassen sich zusätzliche therapierelevante Informationen anhand von Explorationsschemata, und Beurteilungsskalen erheben.
www.hogrefe.com
Schulte-Körne / Galuschka
2018, 148 Seiten, € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-8017-2950-9 Auch als eBook erhältlich
Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)
Aggressiv-dissoziale Verhaltensstörungen
Görtz-Dorten / Döpfner / Steinhausen
Therapeutische Praxis
Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)
Gerd Schulte-Körne / Katharina Galuschka
Lese-/Rechtschreibstörung (LRS)
Gerd Schulte-Körne Katharina Galuschka
Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie
(Reihe: „Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 26). 2019, 192 Seiten, € 24,95 / CHF 32.50 (Im Reihenabonnement € 17,95 / CHF 24.50) ISBN 978-3-8017-2721-5 Auch als eBook erhältlich Der Leitfaden bietet in Form von Leitlinien einen umfassenden Überblick über die Diagnostik und multimodale Behandlung von Lese-/Rechtschreibstörungen (LRS). Materialien, die zur Diagnostik und Therapie eingesetzt werden können, sowie ein Fallbeispiel runden den Leitfaden ab.