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SPONTAN, SPONTANER, OSTERN
Jedes Jahr dieselben Bilder vor Ostern: Kilometerlange Blechlawinen stauen sich vor dem Gotthardtunnel – alle wollen in den Süden. Das wird auch dieses Jahr so sein. Doch die Zeiten, in denen die Ostertage traditionellerweise den Auftakt der Sommersaison im Tessin darstellten, sind gemäss Jurij Meile, Head of Communication bei Ticino Turismo, vorbei: «Die Tendenz zum Spätbuchen nimmt massiv zu – folglich spielen auch Wetterverhältnisse u nd Wettervorhersagen eine immer grössere Rolle.» Rund eine Woche vor Ostern lag der Buchungsstand bei etwa 40 Prozent. Die so genannte Desaisonalisierung sei längst nicht nur ein Schlagwort im Angebot, sondern eine klare Tendenz auch bezüglich der touristischen Nachfrage: «Eigentlich hat d ie Saison längst begonnen. Es gibt keinen Startschuss mehr, sondern sie schleicht sich über Wochen ein.» Das sei einerseits positiv, da eine ausgewogenere Auslastung nicht zuletzt bezüglich Nachhaltigkeit Sinn mache.
« Andererseits ist es schwieriger für die Kommunikation, wenn es keinen k laren Saisonbeginn gibt.» Diese zunehmende Spontaneität der Gäste beobachtet auch Andreas Züllig, Präsident des Branchenverbands Hotelleriesuisse. «In den Ferienregionen ist die Buchungslage für das Ende der Wintersaison eher verhalten», sagt er. «Nach der Coronapandemie kommen die Buchungen wieder kurzfristiger.» Auch in seinem eigenen Betrieb, dem Hotel Schweizerhof Lenzerheide, war der
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Buchungsstand knapp zehn Tage vor Ostern zwar gut, aber nicht auf dem Niveau der letzten Jahre. «Viele werden wohl je nach Wetter kurzfristig für ein paar Tage in die Berge kommen.» In den Städten, wo die Ostertage traditionell etwas ruhiger sind, sei die Nachfrage hingegen weiterhin sehr positiv. Für die nächsten Monate stellt Züllig eine gute Prognose: «Nach der Aufholjagd in der zweiten Hälfte 2022 sind die Aussichten auf internationale Gäste weiterhin intakt.»
Der Schokoladenfriedhof
Schon Ende Februar gibt es im Detailhandel fast kein Entkommen mehr. Osterhasen in allen Grössen und Formen warten auf den Regalen darauf, gekauft zu werden. Wenige Wochen vor Ostern sind die süssen Tiere – Hasen und Entchen, aber auch Dinosaurier und Einhörner –auf der Verkaufsfläche so omnipräsent, dass mir beim Wochenein kauf schon zwischen der Gemüse- und Tiefkühlabteilung die Lust auf Oster-Schokolade vergangen ist. Wie man sich in dem Überangebot entscheiden soll, ist mir schleierhaft. So lan det in den Osternestchen vieler Kinder dann auch mehr als ein Osterhase – von den Eltern, vom Grosi, vom Götti. Ein Grossteil davon wird im besten Fall ein paar Monate später zu Schoggimousse oder Kuchen verarbeitet. Im Netz finden sich dafür zahlreiche Rezepte. Eines davon nennt sich liebevoll «Schokoladenfriedhof». Ganze vier mittelgrosse Osterhasen braucht man dafür. Doch warum statt auf fünf verschiedene nicht auf einen besonderen Osterhasen setzen? Chocolatiers und Confiseriebetriebe bieten eine Auswahl an Osterschokolade, die vielleicht weniger umfangreich ist, aber dafür umso mehr mit Qualität und Handarbeit überzeugt. Liebevoll gestaltete Osterhasen, die so gut schmecken, dass der Schokoladenfriedhof gar nicht erst Thema wird.
ANGELA HÜPPI ALICE GULDIMANN
No Digitainment, please!
Meret Schneider, Nationalrätin Grüne, Politisches Consulting Vier Pfoten
Wer mich kennt, weiss: Gastronomie ist eine Leidenschaft von mir. Ich habe jahrelang nebenher als Servicekraft, aber auch in der Küche gearbeitet und es geliebt. Noch heute verfolge ich Trends in der Gastrobranche mit grossem Interesse. Eine Tendenz, die in ihrer Disruptivität die ganze Gesellschaft durchdringt und nun auch die Gastrobranche erreicht hat, bringt mich zum Nachdenken. Die Rede ist vom so genannten Digitainment. Um die betriebsinternen Abläufe zu optimieren und die Kommunikation mit Gästen einfacher und informativer zu gestalten, wird mittlerweile alles digitalisiert, was digitalisierbar ist – und leider auch vieles mehr. Von Reservierungssystemen über digitale Gastroführer und Bewertungsplattformen bis zur digitalen Speisekarte. Prozesse sollen effizienter und der Restaurantbesuch dadurch noch kundenfreundlicher werden, so die Absicht. Aber bereits das Wort «Kunde» hinterlässt bei mir den leicht bitteren Nachgeschmack eines billigen Sake. Im Restaurant möchte ich nicht Kunde sein. Ich möchte auch keine Effizienz, keine reibungslosen Abläufe und kein einfaches Feedback. Im Restaurant möchte ich Gast sein und wahrgenommen werden. Ich frage den Kellner, ob das Curry scharf sei, statt auf der digitalen Speisekarte die zwei statt der drei Chilis anzuklicken. Ich warte gern, und wenn ein Gericht aus ist, dann bestelle ich etwas anderes. In einer perfekt digitalisierten Welt freue ich mich im Restaurant auf echte Begegnungen und das Ungeschliffene, das ein Restaurant von einem Apple Store unterscheidet. Lasst uns im Restaurant den Zufluchtsort einer analogen Oase erhalten. Mein Chef im Restaurant meinte damals: «Der Service ist das Herz. Wir verkaufen Wohlbefinden.» Und ich denke, damit ist alles gesagt.