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©Photograph: Masa Ushioda, « Reaching out », Fifty Fathoms Edition 2009

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5 EDITORIAL

Im Jahr 2014 wurde uns die Gelegenheit geboten, das Commerzhaus am Rathausplatz in Vaduz zu erwerben. Nach über 40 Jahren als treuer Mieter – von 1973 bis 1988 waren es mein Onkel Roland und meine Tante Elisabeth – sind wir in den Besitz dieser für uns strategisch wichtigen Immobilie gekommen. Da wir im Weissen Würfel keinen Platz für Büroräumlichkeiten hatten (es wäre auch zu teuer und zu schade in einem so tollen Gebäude), ist die gesamte Backoffice-Belegschaft, bestehend aus zehn Personen, an den neuen Standort gezogen. Seither habe auch ich dort meinen Arbeitsplatz, und ich gehe jeden Tag an einem Spruch vorbei, der lautet (noch vom Vormieter Josef Wohlwend Treuhand AG): «You don’t need to predict the future – but you need to be prepared for it.» (Du musst die Zukunft nicht voraussagen, aber du musst auf sie vorbereitet sein.) Diese Weisheit passt genau zu unserer Strategie. Anfang Juni dieses Jahres eröffnen wir im Commerzhaus und im ehemaligen Hotel-Restaurant Engel unseren neuen Flagship Shop für Kunden aus aller Herren Länder. Auf über 630 Quadratmeter präsentieren wir ein neues Shop-in-Shop-Konzept unserer langjährigen Uhren- und Schmuckpartner. Im Gegensatz zum Weissen Würfel, welcher dezent mit Markenlogos umgeht, gebührt diesem Shop zu Recht das Attribut «World of Watches». Der visuelle Auftritt dieser Shops ermöglicht dem Kunden die freie Wahl. Weisser Würfel oder World of Watches – dezenter Luxus oder Markenwelt. Eines ist klar: We are prepared for the future. Wir freuen uns auf Ihren Besuch in einem unserer Geschäfte. Ihr

Norman J. Huber


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Nr. 49 / 2017

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Erfolgreich auf dem Holzweg.

Tickende Leidenschaft.

Pure Lebenslust.

Mal ist er Erfinder, mal Berater, mal Pate: Hermann Blumer. Der Holzbauingenieur aus dem Appenzellerland hat den Holzbau revolutioniert und begeistert mit zukunftsweisenden Bauten ohne Nägel, Stahlverbinder und Schrauben. Sein Ziel: dem nachwachsenden Rohstoff, der einst von Beton und Stahl verdrängt wurde, eine Renaissance zu ermöglichen.

Aurel Bacs war 23 Jahre jung und hatte keine Berufserfahrung, als er sich bei einem bekannten Auktionshaus bewarb. Seine ersten Auktionen waren alles andere als erfolgreich. Heute erzielt der 45-jährige Uhrenexperte Rekordumsätze für Vintage-Uhren. Ein Gespräch mit dem weltbesten Auktionator über Erfolg und seine Leidenschaft für seltene Uhren.

Die Wolken zaubern fantasievolle Bilder in den blauen Himmel. Die Sonnenstrahlen glitzern im Wasser. It’s summertime. Zeit für rauschende Partys, gediegene Cocktailabende oder für romantische Momente am Pool oder am Strand. Unsere neue Schmuckkollektion lädt zum Träumen ein. Auf einen bezaubernden Sommerlook. Magische Blicke garantiert.


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10 P O R T R A I T

Hermann Blumer. 14 P E O P L E

Das bewegende Leben von Toni Mathis. 18 C U L I N A R I U M

Die Fischerstube in Weesen. 22 COLLECTORS CLUB

Aurel Bacs im Interview. 29 COLLECTION

Jewellery Collection. 4 0 W AT C H N E W S

Men´s Classic Collection. 4 2 W AT C H N E W S

Men´s Casual Collection. 4 3 W AT C H N E W S

Women´s Collection. 44 CRAFT

Serafino Consoli schafft den Wow-Effekt. 4 8 P R I N C E LY C O L L E C T I O N S

Eine Entdeckungsreise mit Johann Kräftner. 52 BE AUT Y

Luxushandcreme aus dem Wallis. 56 DELICACY

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Schatzkammer des Fürsten.

Schimmelfleisch für Gourmets.

Direktor Johann Kräftner leitet die Fürstlichen Sammlungen – eine der grössten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt. Der leidenschaftliche Kunstsammler ist stets auf der Suche nach Kunstwerken und inszeniert die Schätze der Sammlung für Ausstellungen immer wieder neu. Ein Rundgang mit dem Meister seines Fachs – ein wahres Kunsterlebnis.

Sie haben richtig gelesen. Man nehme hochwertiges Fleisch und verfeinere es mit Edelschimmel. Das ist Luma Beef mit seinem unverkennbar nussigen Geschmack. Hinter Luma stehen Marco Tessaro und Lucas Oechslin. Aus den beiden Nobodys in der Gastroszene sind zwei erfolgreiche Unternehmer geworden, die mit ihren Ideen international durchstarten.

Luma Delikatessen. 60 HAUTE CUISINE

The Big Green Egg. 64 GUT GEBAUT

Lissabons neues Kunstmuseum. 68 SCIENCE

Alte Erfindung neu entdeckt. 70 HOTSPOT

Charmantes Aarhus. 74 A N N I V E R S A R Y

100 Jahre Cartier Tank. 79 IMPRESSUM


“...und OMEGA ist die Uhr, die zum Mond geflogen ist.”


GEORGE CLOONEY’S CHOICE #moonwatch


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Visionen in Holz. Hermann Blumer im Porträt

Spektakuläre Bauten in Holz zeugen weltweit von Hermann Blumers Ingenieurskunst. Der Appenzeller hat den Umgang mit dem nachwachsenden Werkstoff revolutioniert. Er lässt filigrane Konstruktionen in den Himmel wachsen, die vor nicht allzu langer Zeit als nicht realisierbar galten. Dem Holz sagt er eine grosse Zukunft voraus. Text Caroline Zollinger Fotos Hermann Blumer

Das Centre Pompidou-Metz in Frankreich, der Nine Bridges Golfclub im südkoreanischen Yeoju oder der Neubau von TA Media in der Schweiz: Sie alle haben nach ihrer Fertigstellung für Furore gesorgt. Denn ihr Tragwerk besteht nicht wie so oft aus Beton und Stahl, sondern aus einer raffinierten Holzkonstruktion, die zu einem filigranen Ganzen geformt ist. Der Architekt, der hinter den futuristisch anmutenden Gebäuden steht, ist der Japaner Shigeru Ban. Für die Planung der Holzkonstruktionen zog er den Schweizer Bauingenieur Hermann Blumer bei, ohne den die Realisierung dieser Bauten so nicht möglich gewesen wäre. In den vergangenen Jahrzehnten hat Blumer den Holzbau mit immer neuen Entwicklungen vorangetrieben und in neue Sphären gehoben. «Hätte man mir in jungen Jahren eine Skizze des Centre Pompidou-Metz gezeigt», meint Blumer, «hätte ich es wohl selber nicht für möglich gehalten, dass man so etwas je aus Holz würde bauen können». Entstanden sind lichte Räume und Hallen von atmosphärischer Leichtigkeit. Ein weit aufgespanntes Dach überbrückt riesige Spannweiten.

Die erlösende Eingebung Wie kaum ein anderer versteht Blumer das Wesen des Holzes und weiss, wie er die einzelnen Elemente konstruktiv so verbinden kann, dass daraus riesige Bauwerke wachsen können. Die Zusammenarbeit mit dem Architekten Shigeru Ban bei der Konstruktion des Kunstmuseums Centre Pompidou-Metz

markierte für Blumer den internationalen Durchbruch und war ein Meilenstein auf seinem «Holzweg». Das Gebäude, das eine Grundfläche von über 10 000 Quadratmeter hat, wurde 2010 eröffnet. Es folgten Projekte wie der I-Park in Norwegen, ein Bürokomplex für innovative Unternehmen, der durch seinen speziell gestalteten Eingangsbereich


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mit fächerartig angeordneten Holzkastenelementen auffällt. Mit jedem Projekt wächst Hermann Blumers Erfahrungsschatz, der ihm als Basis dient, die Machbarkeit neuer Ideen einschätzen zu können. Zu Beginn seiner Karriere musste er sich immer wieder auf unbekanntes Terrain wagen, um ein neues Level zu erreichen. «Es kam einige Male vor, dass ich einem Architekten zusicherte, den Bau wie gewünscht umzusetzen, ohne die konkrete Lösung in diesem Moment zu kennen», erinnert sich Blumer. Dann ging er nach Hause, grübelte und arbeitete unter Hochdruck an der Entwicklung einer Idee. Über Wochen baute er Modelle, verwarf sie wieder, zeichnete und rechnete. Immer folgte an einem gewissen Punkt unvermittelt die erlösende Eingebung, und er wusste plötzlich, wie er es angehen musste. Von der Praxis zur Wissenschaft Hermann Blumer ist 1943 geboren und im elterlichen Zimmerei- und Schreinereibetrieb im appenzellischen Waldstatt zwischen Holzspänen und Brettern gross geworden. Früh hat er sich für die Arbeiten im Betrieb interessiert und einen engen Bezug zum

Material gefunden. In der Schule zählten Mathematik und Technisches Zeichnen zu seinen Lieblingsfächern. Nach abgeschlossener Lehre zum Zimmermann spürte er, dass da noch mehr sein musste. «Ich ahnte, dass der Holzbau noch viel unentdecktes Potenzial barg. Doch zuerst musste ich mir das nötige Wissen aneignen», erzählt er. So suchte er nach dem praktischen den wissenschaftlichen Weg ins Holz. Nach der Matura und dem Studium zum Bauingenieur an der ETH Zürich verfeinerte er sein Holzwissen in Karlsruhe am Lehrstuhl für Ingenieurholzbau. Dann zog es ihn zurück ins Appenzellerland, in seine «Holz-Heemet», die Heimat mit jahrhundertealter Holzbautradition. Von dort aus eroberte er mit seiner Ingenieurskunst Jahre später die ganze Welt. Doch zunächst stieg er in den Familienbetrieb ein und befasste sich mit Bauten in der Region. Auch wenn er später für seine Projekte oft unterwegs war und weit reiste, blieb seine starke Verwurzelung mit dem Geburtsort immer bestehen. Beginn einer neuen Ära Erst die Erfindung eines neuartigen Verbindungssystems für Holztragwerke hatte den

Boden geebnet für Projekte wie das Centre Pompidou-Metz. 1978 bringt Hermann Blumer nach vielen Jahren des Tüftelns das «BSB-System» (Blumer-System-Binder) auf den Markt und leitet damit eine neue Ära in der Konstruktion von Holzbauten ein. Das System ermöglicht das Überbrücken von Spannweiten von bis zu 100 Metern. Ebenso ausschlaggebend für den weiteren Verlauf seiner Projekte war der Entscheid Blumers, die Prozesse in seinem Betrieb zu automatisieren. Schon früh hatte er erkannt, dass der Einsatz von Computern den Schritt in eine neue Dimension des Holzbaus ermöglichen würde. Dank computergesteuerten Maschinen beschleunigte sich der Arbeitsprozess um Faktor 10. Dabei erreichte man eine nie gesehene Präzision, die in Handarbeit nicht möglich ist. 2003 gründete Blumer mit verschiedenen Partnern die «Création Holz» mit Sitz in Herisau. Das Kompetenzzentrum hatte zum Ziel, die besten Fachleute aus verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen. Um eine Kerngruppe formierten sich Experten, um ganzheitliche, zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln und den Holzbau weiter voranzubringen.


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Wichtiges Thema war damals der Brandschutz, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine einheitlichen Vorgaben dazu gab. Mittlerweile hat sich Hermann Blumer aus der Création Holz sowie aus weiteren von ihm mitbegründeten Firmen zurückgezogen und arbeitet nur noch gezielt bei besonders kniffligen Projekten mit. In Balance mit dem Planeten Blumers Ziel ist es, dem Holz, das einst durch Stahl und Beton aus dem Ingenieurwesen verdrängt worden war, eine Renaissance zu ermöglichen, indem er seine Verwendung auf eine neue Stufe bringt. Denn der Holzbau sei nicht nur präziser als der Stahl- und Betonbau, sondern besteche auch durch seine ökologischen Vorzüge. «Holz als nachwachsender Rohstoff ermöglicht es uns, in ein Wirtschaftssystem hineinzukommen, in dem der Ressourcenverbrauch so abgestimmt ist, dass wir in Balance mit unserem Planeten sind und auch kommende Generationen eine Lebensgrundlage haben», sagt Hermann Blumer. Er ist überzeugt davon, dass die Entwicklung im Holzbau weiter voranschreiten wird. Sie sei noch lange

nicht ausgereizt, es gebe nach wie vor viel Potenzial. Der Spezialist prognostiziert für die kommenden Jahrzehnte einen Wettlauf um das weltweit höchste Haus ganz aus Holz. Daneben werde aber auch die Kombination von Beton mit Holz immer mehr an Bedeutung gewinnen. Knifflige Aufgaben reizen Zu Blumers aktuellen Projekten zählen das Aspen Art Museum in den USA, das 2015 fertiggestellt wurde, oder die Stavanger Bank in Norwegen, die sich gerade im Bau befindet. Wie schon beim TA-Mediagebäude in Zürich wird auch dort ohne Nägel, Stahlverbinder und – wo immer möglich – ohne Schrauben gebaut. Diese neuartige Technik sorge weltweit für grosses Aufsehen, erzählt Blumer. Trotz seiner internationalen Erfolge strahlt der Bauingenieur Bescheidenheit aus. Seine Projekte seien immer ein Teamwerk, betont er, denn im Alleingang erreiche man nichts. Dass bei den realisierten Bauten in der Regel der Architekt und nicht der Holzbauingenieur im Mittelpunkt steht, stört ihn gar nicht, ganz im Gegenteil. «Ich mag den Rummel und das Rampenlicht nicht», erzählt

er. «Wenn ich sehe, dass ein Architekt dank meiner Mitarbeit seine Vorstellungen verwirklichen konnte, ist dies das schönste Geschenk für mich.» Mit seinen 74 Jahren könnte sich Hermann Blumer verdient zurücklehnen und mit Stolz auf das Erreichte blicken. Doch das entspricht nicht seinem Charakter. Er schaut weiter nach vorne und verspürt noch immer den Drang, sich in den Dienst der Holzbranche zu stellen und diese stetig weiterzubringen. Im Glauben daran, dass noch mehr möglich ist, bleibt er aktiv. «Solange Projekte an mich herangetragen werden und es mich braucht, mache ich weiter», sagt er. «Je verzwickter eine Sache, desto mehr reizt sie mich. Ich mag Projekte mit Neuheitswert und ein bisschen Risiko», verrät der Ingenieur. Er steht auf, geht zum Fenster und nimmt eine riesige Schraube von der Ablage. Sie ist komplett aus Holz gefertigt, 66 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von rund sieben Zentimetern. Entwickelt hat er den Prototyp für einen Neubau in Appenzell. Seine neuste Erfindung wird in der Branche wohl einmal mehr für Aufsehen sorgen und ist ein weiteres Puzzleteil in der Revolutionierung des Holzbaus.


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Ein Rebell geht seinen Weg. Das bewegende Leben von Toni Mathis

Mit 69 Jahren ist der Vorarlberger Sporttherapeut Toni Mathis in Halbpension – wie er selbst sagt – und geniesst es, nun auch einmal für ein paar Tage mit seiner Frau Marietta in Urlaub zu fahren oder Zeit mit den Enkeln zu verbringen. Der Müssiggang ist dennoch nicht sein Ding, schliesslich ist Leben Bewegen. Text Christiane Mähr Fotos Roland Korner, Adolf Bereuter

«40 Jahre habe ich so gut wie durchgehend sieben Tage pro Woche gearbeitet: unter der Woche in der Praxis, an den Wochenenden war ich mit den Profisportlern unterwegs – ob im Rahmen der DTM, der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft, im Rennsport oder im Skizirkus. Es war eine tolle Zeit, aber private Dinge kamen da halt doch manchmal zu kurz», sagt Mathis. Untätig ist der Fitnessguru freilich auch in seinem «Fast-Ruhestand» nicht. Vielmehr steht er nach wie vor (Profi-)Sportlern mit Rat und Tat zur Seite, behandelt Klienten in seiner Praxis im Illpark in Feldkirch, geht mit ihnen auf die Berge oder schickt sie die Feldkircher Himmelsstiege hinauf und wieder hinunter – und zwar mehrmals. Nur geht er es jetzt eben ein bisschen ruhiger an und gönnt sich hin und wieder einen freien Nachmittag. Bis heute betrachtet Mathis seine Arbeit als Berufung, der er bereits im Alter von 22 Jahren gefolgt ist: «Bei einem Reha-Aufenthalt nach einer Bandscheibenoperation war mir klar, dass das so nicht funktionieren kann. Doch auch nach der Ausbildung zum Sportund Heilmasseur stand für mich fest, dass

die klassische Massage vom Erfolg her sehr limitiert ist.» Durch Zufall oder Fügung des Schicksals kam er bald darauf mit der Akupunkt-Massage nach Penzel in Berührung, was in Verbindung mit der klassischen Therapie eine enorme Verbesserung der Behandlung bewirkte. Der Mensch sei kein Stück Fleisch, sagt Toni Mathis, «sondern lebendig und voller energetischer Ströme, die man alle messen kann. Allerdings benötigen wir nicht nur Messergebnisse, sondern das Handwerk, mit dem wir unsere Energie nutzen können.» Dem Vater von zwei erwachsenen Kindern war rasch klar, dass er sich östlicher Heilmethoden bedienen müsse. Und so machte er als einer der ersten Qi Gong, Tai Chi, Karate, Kung-Fu und Atemübungen auch hierzulande «salonfähig». Weitere Aus- und Fortbildungen folgten – von der Kinesiologie über diverse alternative Heilmethoden und energetische Therapie bis hin zum Schamanismus. Fitte Wochen Über die Grenzen hinaus bekannt wurde Toni Mathis unter anderem mit seinen Fitnesswochen. 35 Jahre lang haben Hobby-

und Profisportler aus verschiedenen Disziplinen daran teilgenommen, wobei nicht nur die 1 000 Höhenmeter der Europatreppe in Gaschurn-Partenen im vorarlbergischen Montafon für alle Teilnehmer eine Herausforderung darstellte. Übrigens: Ohne Hannes Androsch gäbe es gar keine Fitnesswochen. Wie der Zufall es nämlich wollte, waren Mathis und der damalige österreichische Vizekanzler Anfang der 1980er-Jahre zur selben Zeit in Lech am Arlberg, Androsch jedoch litt unter heftigen Rückenschmerzen. «Nach zwei Behandlungen ging es ihm besser. Ich war aber schon damals davon überzeugt, dass Therapie und Bewegung Hand in Hand gehen müssen. Also haben wir vereinbart, uns im folgenden Sommer wieder am Arlberg zu treffen, um gemeinsam mit anderen bekannten Namen aus der heimischen Politik eine Woche im Zeichen von Bewegung, Fitness, Entspannung und Ernährung zu verbringen. Die Fitnesswochen waren geboren», erinnert sich Mathis. So hat sich eines nach dem anderen ergeben, denn nicht nur Androsch hat darüber gesprochen, dass es da einen Sport-


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therapeuten im äussersten österreichischen Westen gibt, der mit «ein paar Handgriffen viel erreicht». Immer öfter wurde der Name Toni Mathis in Profikreisen genannt, was dazu führte, dass sich nicht nur Spitzensportler, sondern ganze Sportverbände an ihn wandten. Durch seine Arbeit mit Profisportlern hat er seine eigene Philosophie entwickelt: Zuerst therapieren, dann operieren. Energie fliessen lassen Wunder vollbringt Mathis trotzdem keine – wenngleich viele seiner Klienten wohl dieser Meinung sind. Er selbst sieht sich eher als Wegbereiter, der «lediglich» den Anstoss gibt, für den eigenen Körper (wieder) die Verantwortung zu übernehmen. Das lässt sich etwa am Beispiel Schmerzen gut erklären: Im Grunde kann uns unser Körper nur durch den Schmerz ein Signal geben, dass etwas nicht stimmt. Der Schmerz ist also ein Schrei des Körpers nach fliessender Energie. Doch es reicht eben nicht, diese Blockade zu therapieren: «Solange man nicht selbst in Bewegung kommt, kann der

Körper nicht wieder in Balance kommen», ist der Energetiker überzeugt. Und es ist das Gleichgewicht, das den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg macht: «Ist die Balance weg, ist die Leistung weg», weiss Toni Mathis, der im Rahmen seiner Arbeit mit Profiathleten kontinuierlich Wissen angereichert hat, um es auch für seine «normalen» Klienten zu nutzen. «Das Prinzip war und ist immer dasselbe – egal ob Profi oder Hobbysportler. Um dem Organismus eine Chance zu geben, müssen erst einmal Grundlagen geschaffen werden. Und diese bestehen unter anderem darin, dass stets ein Gleichgewicht zwischen Beweglichkeit und Muskulatur, Ausdauer und Krafttraining, Ruhe und Anspannung besteht. Alles, was man zu lange und zu einseitig macht, belastet den Körper.» Tino und Toni Dass Sohn Tino in seine Fussstapfen getreten ist, freut den Vater. Gepusht wurde das allerdings nie. «Beide Kinder waren etwa bei den Fitnesswochen von Anfang an

schon dabei. Doch es war Tinos eigene Entscheidung, Physiotherapeut zu werden. Er ist auch immer seinen eigenen Weg gegangen und steht heute mit seinem Studio in Vaduz komplett auf eigenen Füssen», sagt Mathis sichtlich stolz, der seinem Sohn mit Rat und Tat beiseite steht, wenn dieser es denn möchte. In vielen Dingen, vor allem aber in einem, sind sich Toni und Tino Mathis ähnlich: Sie gehen ihren eigenen Weg und heben sich von anderen ab. Dass sie damit mitunter anecken, war und ist ihnen durchaus klar: «Ich war schon immer irgendwie rebellisch und habe nicht wirklich ins System gepasst», sagt Mathis und ist heute mehr denn je davon überzeugt, dass 95 Prozent des Übels im Hirn entstehen – seien es Krankheiten, Verletzungen oder seelisch-emotionale Probleme. Der Kopf denkt nämlich anders als der Körper möchte. Mit anderen Worten: Sport ohne Spass ist zum Scheitern verurteilt. Und: Der Mensch muss stets in seiner Mitte sein, erst dann kann er Leistungen bringen und Erfolge feiern – im Sport wie im alltäglichen Leben.


#BornToDare

BLACK BAY


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Gastgeber aus Leidenschaft. Die «Fischerstube» in Weesen überzeugt mit delikaten Fischgerichten


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Das Restaurant Fischerstube in Weesen ist bekannt für exquisite Fischgerichte. Hanni und Dieter Frese führen das Haus seit 46 Jahren und geniessen einen hervorragenden Ruf bei Feinschmeckern. Die Fischsuppe mit Rouilles sowie der Fischgratin sind legendär. Nach einem zerstörerischen Murgang vor zwölf Jahren bauten Freses das Restaurant wieder auf und knüpften an ihren Erfolg an. Text Regula Burkhardt-Lehmann Fotos Roland Korner

In Weesen scheint die Sonne und im Walensee spiegeln sich die verschneiten Bergspitzen. Nur wenige Schritte vom malerischen Ufer entfernt liegt das Restaurant Fischerstube. Im schmucken Haus mit der denkmalgeschützten Fassade wirten seit 46 Jahren Hanni und Dieter Frese. Für seine raffinierte und konstant hochstehende Fischküche ist das Lokal weitherum bekannt. Der aktuelle Gault-Millau-Guide rühmt die «Fischerstube» als «eines der besten Fischrestaurants zwischen Zollikon und Chur» und bewertet sie mit 14 Punkten. Im Restaurant, dem separaten Stübli sowie im Bistro finden etwa 80 Gäste Platz. Zudem lädt eine gemütliche Raucherlounge im Kellergewölbe dazu ein, den Abend bei einer feinen Zigarre gediegen ausklingen zu lassen. Wir treffen Dieter Frese im Bistro. Die Wände sind in Aubergine gehalten. Farbenfrohe Gemälde von Fischen ziehen den Blick auf sich. Der Küchenchef bringt zwei Kaffees und setzt sich. Er sprudelt förmlich vor Energie, seine fröhlichen Augen glänzen und wenn man es nicht wüsste, man würde nicht denken, dass er bereits 73 Jahre alt ist. Während andere in seinem Alter längst die Küchenschürze an den Nagel gehängt haben, dreht Dieter Frese nochmals richtig auf. Das tut er gerne, sagt er: «Ich liebe meinen Beruf und meine Gäste, die mich motivieren, jeden Tag mein Bestes zu geben.» Man nimmt ihm die Freude ab, denn wenn er von seiner Arbeit und den Gästen spricht, gerät er förmlich ins Schwärmen.

Den Tag startet Dieter Frese immer um acht Uhr. Nach einer Tasse Kaffee geht er in die Küche und beginnt sein Tageswerk: Gemüse rüsten, Juliennes schneiden und Fond ansetzen. Seine Küche ist aufwendig und arbeitsintensiv, denn er macht jede Sauce und jeden Dipp selber, auch die Teigwaren sind hausgemacht. Einige der bekannten «Fischerstube»-Gerichte sind schon seit Jahrzehnten eine feste Konstante auf der Speisekarte, etwa die würzige Fischsuppe mit Rouilles und Toast oder der beliebte Felchengratin nach Hausart. «Meine Gäste bestellen zu etwa 99 Prozent Fischgerichte, obwohl ich

auch einige Fleischstücke auf der Karte habe. Aber für den Fisch bin ich bekannt», so Frese. Geheimnis der Fischküche Den Meerfisch, etwa Kabeljau oder Loup de Mer, sowie Meeresfrüchte bezieht Dieter Frese beim Lieferanten Bianchi. Die Familie kennt er bereits seit vier Generationen, eine Beziehung, die sich bewährt hat. Eine ebenso persönliche und freundschaftlich wohlwollende Beziehung pflegt der Küchenchef zur Fischerin Marina Züger, die ihm Fische aus dem Obersee bringt. «Ich lege grossen Wert auf einheimischen Fisch.


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Das ist ein wunderbares Produkt und ist biologisch und frisch», sagt Dieter Frese. Allerdings hat die Natur ihre Launen. Es gibt Tage, an denen zahlreiche Fische ins Netz gehen, aber es gibt auch die anderen, die schlechten Tage, an denen die Ausbeute extrem klein ist und es sich für die Fischerin kaum lohnt hinauszufahren. Trotz dieser Schwankungen bietet die «Fischerstube» keine importierten Süsswasserfische an. «Wenn ich keine Egli oder Felchen aus dem Obersee habe, dann habe ich eben keine.» Ein Genuss der ganz besonderen Art ist der gebackene Hecht, übrigens der Lieblingsfisch des Küchenchefs. Die mundgerechten Knusperli im feinen Bierteig sind dünn geschnitten und werden auf den Punkt im heissen Öl ausgebacken. Die Köstlichkeiten sind grätenlos, mit Ausnahme eines kleinen Knochenstücks in der Grösse eines Stecknadelkopfes in der Mitte. Die anderen Gräten verbrühen im heissen Öl und lösen sich auf. Ein weiteres Geheimnis des delikaten Gerichts liegt in der Frische: «Ein Hecht darf nicht älter als zwölf Stunden sein, wenn er ausgebacken wird, sonst verbindet sich der Bierteig nicht mit dem Fisch», so Dieter Frese. Zudem braucht es viel Erfahrung, Geduld und Fingerspitzengefühl.

«Wer Hecht ausbäckt, muss aufmerksam danebenstehen, um den Moment nicht zu verpassen, in dem man den Fisch aus dem Öl nehmen muss.» Aller Anfang ist schwer Wenn man den erfolgreichen Gastwirt, Küchenchef, Ehemann, Vater zweier Töchter und Grossvater von drei Enkelkindern heute sieht, würde man nicht denken, dass der Anfang seiner Geschichte alles andere als einfach war. Dieter Frese wurde 1944 in Lübeck geboren. Seinen Vater verlor er mit 13, die Mutter im Alter von 16 Jahren. Weil dem jungen Mann die Gastronomie Kost und Logis bot, entschied er sich für eine Kochlehre, die er im Restaurant Schnabbelhaus, dem Geburtshaus des Schriftstellers Thomas Mann, absolvierte. Das Lokal war damals eines der besten Restaurants zwischen Hamburg und Kiel. Nach der Lehrzeit zog es Frese nach Zürich, wo er als Commis im Dolder Grand Hotel arbeitete. Später heuerte er als junger Koch auf einem Frachtschiff an, zurück in der Schweiz war er unter anderem im Restaurant Mövenpick tätig. 1967 lernte er bei der Arbeit auf der Halbinsel Au seine Frau Hanni kennen. Nachdem Dieter Frese die Hotelfachschule Luzern

absolviert hatte, wollte sich das junge Paar selbstständig machen. «Am liebsten wären wir nach Zürich gegangen, dafür reichte aber unser Budget nicht aus», erzählt er. Stattdessen kamen sie nach Weesen und kauften das Restaurant Fischerstube. Der Anfang auf dem Land gestaltete sich schwierig. Hanni und Dieter Frese wurden als Neulinge nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Zudem kam das Wirtepaar mit einem für das ländliche St. Gallen zu exotischen Konzept nach Weesen und bot eine Gastronomie, die hier niemand verstand. Das erste Jahr war ein wirtschaftliches Desaster: «Es gab Tage, an denen kein einziger Gast bei uns war», erinnert sich Dieter Frese. Dann aber wendete sich das Blatt: Die Oberschicht und die Politiker aus Glarus entdeckten das gehobene Restaurant. Bald sprach es sich herum, dass hier ein junger Koch Grosses leistete und allmählich konnten Hanni und Dieter Frese Fuss fassen und sich einen guten Ruf erarbeiten. Nach wie vor geben sich im Restaurant Fischerstube Politiker, Unternehmer und bekannte Profisportler die Klinke in die Hand. Die hochstehende Küche ist beliebt, und die Stammgäste wissen die herzliche Gastfreundschaft des Ehepaars zu schätzen. «Die Gastronomie ist


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ein strenges, aber schönes und dankbares Metier», sagt Hanni Frese. Neuanfang nach Murgang 2005 traf die Fischerstube ein grosses Unglück. Im August ging eine Schlammlawine nieder und verwüstete das Restaurant sowie den gut bestückten Weinkeller. Eine umfangreiche Bordeaux-Sammlung fiel der Katastrophe zum Opfer und konnte nicht mehr gerettet werden. Als die Mure abging, hatte es zuvor bereits drei Tage lang anhaltend geregnet. Der Dorfbach, der direkt unter dem Restaurant Fischerstube hindurchfliesst, führte viel Wasser. Trotzdem ahnte an diesem Tag niemand, was sich nachts ereignen sollte. Hanni und Dieter Frese wurden zwar hellhörig, als die ersten Steine durchs Bachbett rollten und das Haus erzittern liessen. Dennoch hätten sie sich eine derart gewaltige Katastrophe nicht ausgemalt. An jenem Abend bewirteten die beiden noch ihre Gäste. Als jedoch die Feuerwehr zur Überwachung im Restaurant Posten bezog, schickten die Gastgeber ihre Kundschaft vorsorglich auf den Heimweg. Kurze Zeit später kam der Befehl zu evakuieren. Hanni und Dieter Frese flüchteten sich in ihr Ferienhaus nach Amden und konnten so dem Murgang entkommen.

Am nächsten Morgen bot sich ihnen ein tristes Bild: Das Restaurant war mannshoch gefüllt mit Schutt und Schlamm, die Einrichtung war zerstört. Die ersten Aufräumarbeiten dauerten rund fünf Tage, die anschliessende Totalrenovierung zwei Jahre. «Wenn so etwas passiert, kommt man an seine Grenzen, ohne es zu merken», sagt Dieter Frese. Seine Frau dachte in dieser Zeit an eine vorzeitige Pensionierung, er aber wollte um jeden Preis weitermachen. «Es ist nicht meine Art, einen Schicksalsschlag einfach so hinzunehmen. Ich war überzeugt, dass wir es nochmals schaffen – und habe Recht behalten.» Auf die Frage, woher er denn die Energie genommen habe, das Restaurant wieder aufzubauen, im Pensionsalter neu anzufangen und danach nochmals über zehn Jahre lang auf konstant hohem Niveau zu kochen, sagt Dieter Frese: «Ich habe grosse Freude daran, Gastgeber und Koch zu sein.» Dass er nicht mehr der Jüngste ist, gesteht er sich ein. Zum ersten Mal in seiner Karriere gönnt er sich dieses Jahr einen zweiten freien Tag in der Woche und fünf Wochen Ferien. Dies seiner Frau zuliebe. Zudem hat er nun mehr Zeit für sein Hobby, das Golfen, und für die Planung neuer Projekte und Gerichte.


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Es geht ums Liebhaben. Auktionator Aurel Bacs im Interview

Mit 23 Jahren bewarb sich Aurel Bacs als Uhrenexperte bei einem bekannten Auktionshaus. Sein Leistungsausweis war dünn: Eine grosse Leidenschaft für seltene Uhren. Er bekam den Job dennoch – oder gerade deshalb. Heute ist Bacs der weltbeste Auktionator, der Rekordumsätze mit Vintage-Uhren erzielt. Ein Gespräch mit einem Mann, der trotz grossen Erfolgen bodenständig geblieben ist. Text Silke Knöbl Fotos Bacs & Russo, Keystone


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Aurel Bacs ist ein vielbeschäftigter Mann. An ein Interview mit ihm in Zürich oder gar in Vaduz ist nicht zu denken, weshalb wir uns in Genf treffen. Sein Büro liegt im Uhren- und Finanzzentrum am Quai de l'lle direkt am Ufer der Rhone. Von weitem sieht man das Genfer Wahrzeichen, den Jet d’eau (franz. für Wasserstrahl) – ein Springbrunnen im Genfersee mit einem bis zu 140 Meter hohen Wasserstrahl. Es ist ein unscheinbares Gebäude, in dem der gefragte Uhrenexperte mit seinem Team arbeitet. Genauso schlicht sind auch die Büros. Sie spiegeln das, was es ist: ein Start-up-Unternehmen, das Bacs 2014 mit seiner Frau gegründet hat. Uhren-Kataloge stapeln sich auf den Schreibtischen im Gemeinschaftsbüro, das sich zwei Mitarbeitende und Bacs’ Frau teilen. Im kleinen Büro daneben arbeiten der Auktionator und seine Assistentin. Luxus findet man keinen. Ein spannender Gegensatz. Herr Bacs, Sie erzielen bei Auktionen Millionenbeträge für Vintage-Uhren. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Ich glaube, wenn man eine Leidenschaft für etwas hat – egal, ob für Sport, fürs Schachspielen, für Gärtnerei oder Uhren – dann ist man anderen, die das nur aus beruflichen Gründen machen wollen, um Nasenlängen voraus. Solange man den Kunden schöne Auktionen, tolle Kataloge, seltene Uhren und exzellente Resultate bietet, ist das vergleichbar mit einer Maschine, die sich immer wieder neu erfindet – fast wie ein Perpetuum mobile. Zudem wissen wir mittlerweile, welche Uhren

sich gut verkaufen und welche nicht. Ich steuere die tollen Resultate und hohen Verkaufsquoten insofern, als dass ich nur solche Uhren in die Auktion aufnehme, bei denen ich weiss, dass sie bei Sammlern beliebt sind. Woher wissen Sie das? Wenn man rund 35 Jahre nichts anderes macht als an Uhren zu denken, am Tag 12 bis 16 Stunden in Kontakt mit Dutzenden von Sammlern steht und wenn man selbst vom Uhrenvirus infiziert ist, dann weiss man, was die Kunden wollen. Es ist nicht Routine, sondern vielmehr Feingespür. Wie gross ist Ihre Angst, bei Auktionen zu versagen? Ich bin kein ängstlicher Typ. Aber wenn man sich einer Sache zu sicher ist und keine Angst hat zu versagen, dann muss man es erst gar nicht machen. Deshalb bin ich bei Auktionen immer nervös, da Verschiedenes misslingen könnte. Was denn zum Beispiel? Wir stellen selbst keine Produkte her. Insofern sind wir davon abhängig, was uns Kunden anbieten. Hinzu kommt deren Bedürfnis. Es kann sein, dass sie sagen: Dieses Mal ist nichts dabei, was mir gefällt. Ein Auktionator wird in so einem Fall schon mal nervös, wenn er den Geschmack seiner Kunden nicht trifft. Darüber hinaus spielen äusserliche – nicht beeinflussbare – Faktoren eine Rolle. Dazu zählen etwa terroristische Anschläge. Wenn am Tag vor meiner Auktion ein Flugzeug in

das World Trade Center fliegt – und das ist tatsächlich passiert – dann nützt es nichts, wenn ich die schönsten Uhren der Welt anbiete. Die Menschen haben Angehörige verloren und denken an ganz andere Dinge als an Uhren. Das sind Faktoren, die heute noch mehr Einfluss haben als 2011. Die Welt ist generell unstabiler geworden und man weiss nicht, was morgen passiert. Aber ich bin kein Mensch, der sich Sorgen um die Zukunft macht und sich in Horrorszenarien verstrickt. Was war Ihr bislang grösster Flop? Es gab verschiedene Flops. Unter anderem habe ich Uhren nicht verkauft, weil ihre Bilder im Katalog nicht gut waren. Jean-Claude Biver, ein guter Freund, hat einmal gesagt: Man lernt nicht aus seinen Erfolgen, sondern aus seinen Misserfolgen. Und man darf Fehler auch nicht verteufeln. Wer Angst hat, solche zu machen, wagt es nicht mehr, sich auf unternehmerisches Neuland zu begeben. Den Beruf des Auktionators kann man nicht erlernen. Das ist richtig. Es gibt keine theoretische Ausbildung dafür. Als Teenager durfte ich meinen Vater – ein leidenschaftlicher Uhrensammler – an Uhrenbörsen, Flohmärkte und Auktionen begleiten. Damals wusste ich noch nicht, dass ich mein Hobby später zum Beruf machen würde. Ich studierte an der Universität in St. Gallen und später in Zürich Recht und Wirtschaft. Ein halbes Jahr vor dem Abschluss entdeckte ich zufällig ein Stelleninserat eines Auktionshauses in einem


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Uhrenmagazin. Dieses suchte einen Spezialisten für seine Uhrenabteilung in Genf. Ich war damals 23 Jahre alt, hatte null Berufserfahrung und eine grosse Leidenschaft für schöne Uhren. Zuerst hat man dort gemeint, dass meine Bewerbung ein Witz sei. Nach mehreren Interviews und Tests habe ich die Zusage für den Job erhalten. Haben Sie diesen Berufswechsel nie bereut? Am Anfang schon. Ich war jung und ein Nobody – in einer Branche, in der Erfahrung und Seniorität eine grosse Bedeutung haben. Alle meine Kollegen, mit denen ich an der Uni studiert hatte, bekamen später tolle Jobs. Jeder hatte einen Berufstitel, ein sehr gutes Gehalt und ein tolles Auto. Mein Job war überhaupt nicht gut bezahlt. Ich hatte die Komplexität der neuen Aufgabe auch völlig unterschätzt. Und meine ersten Auktionen waren alles andere als erfolgreich. Das hat sich aber nach ein paar Jahren geändert. Als ich 28 Jahre alt war, habe ich eine Uhr für eine Million Schweizer Franken verkauft. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Kollegen klopften mir auf die Schulter, Kunden nahmen mich plötzlich ernst und ich erhielt einen Bonus. Was zunächst sehr frustrierend begann, wandelte sich zu etwas Spannendem. 2014 haben Sie im Auftrag eines Sammlers die Taschenuhr von Henry Graves – den Heiligen Gral der Uhren – um über 23 Millionen Schweizer Franken ersteigert. Trotz der Besonderheit:

Ist das nicht ein bisschen viel Geld für eine Uhr? Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Eine Million Schweizer Franken ist ja schon viel Geld, und 23 Millionen sind völlig verrückt. Aber wie viel kostet zurzeit der wertvollste Ferrari? 50 Millionen? Also mehr als Doppelte für ein Auto, das nicht einzigartig ist, sondern zigmal produziert wurde. Was ist der höchste Preis für ein Bild? 150 Millionen oder 180 Millionen? Für ein Bild mit Ölfarben auf einer Leinwand. Bei der Henry-Graves-Taschenuhr, die Sie ansprechen, dauerte es fünf Jahre, bis sie fertiggebaut war. Insofern ist diese Uhr – relativ betrachtet – günstig. Das Gefüge ist heutzutage sehr komplex. Ich kann Ihnen deshalb nicht sagen, ob die Uhr noch viel mehr wert wäre. Aber der neue Besitzer und ich können sehr gut schlafen, weil wir beide der Meinung sind, dass sie im Vergleich zu Objekten in anderen Sammelgebieten relativ günstig war. Trägt man solche Uhren überhaupt? Oder lagern sie wie ein kostbarer Schatz in einem Safe? Die Taschenuhr ist mit einer grösseren Auster vergleichbar. Sie wurde auf Wunsch von Henry Graves angefertigt. Der amerikanische Bankier ist 1933 zu Patek Philippe gegangen und hat gesagt: Ich möchte, dass ihr mir die komplizierteste und schönste Uhr auf der Welt baut. Das Modell – vollständig von Menschenhand gefertigt – war die Antwort. Graves’ Ziel war es nie, die Uhr zu tragen. Es gibt jedoch andere Sammler, die ihre wert-

vollen Zeitmesser tragen. Der Herr, der vor ein paar Monaten eine Uhr für 11 Millionen Franken gekauft hat, trägt sie. Er ist sehr vorsichtig. Und die Uhr sieht so schlicht aus, Sie würden nie auf den Gedanken kommen, dass sie wertvoll ist. Sind Vintage-Uhren ein Liebhaberobjekt oder einfach eine alternative Wertanlage? Ich wünsche mir, dass es mehr Liebhaber als Spekulanten gibt. Es geht ums Liebhaben und nicht primär um die Wertentwicklung. Man heiratet ja hoffentlich auch nicht eine Frau oder einen Mann wegen des Kontostands (lacht). Mit Uhren zu spekulieren, ist zum Glück nicht so einfach. Aber manche haben das Gefühl, sie müssten nur eine Patek Philippe oder eine Rolex kaufen, diese zwei Jahre lang aufbewahren und sie dann zum doppelten Preis verkaufen. So einfach geht das nicht. Der Sammler-Uhrenmarkt ist sehr komplex, und wer nicht Fachwissen und Erfahrung hat, kann sich unter Umständen die Finger verbrennen. Patek Philippe und Rolex sind die beiden bedeutendsten Marken. Heuer wird auch immer beliebter. Bei welchen weiteren Uhren sehen Sie Potenzial? Jede alte Uhr hat Potenzial. Sie muss selten, original und darf nicht kaputt sein. Allerdings sind über 50 Prozent der alten Uhren nicht mehr original, weil sie oft revidiert und restauriert wurden. Darum empfehle ich jedem Sammler, nicht daran herumzuschrauben


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oder sie zu putzen. Zeigen Sie die Uhr einem Spezialisten. So machen Sie keinen Schaden, der nicht mehr gutzumachen ist. Nordamerika und Europa sind die wichtigsten Märkte ... Sie waren es. ... und in Hongkong finden auch regelmässige Auktionen statt. In welchen Märkten liegt Potenzial und wer bestimmt den Preis? Das Schöne ist, dass keine Nation den Preis bestimmt. Das fände ich auch nicht gut, wenn das so wäre. Im Gegenteil: Wir haben ein sehr gutes Gleichgewicht zwischen Amerika, Europa, dem Mittleren Osten und den Ex-Sowjetstaaten sowie Asien. Die Märkte Hongkong, Japan und Taiwan waren vor 30 Jahren schon gross. Und in den letzten zehn Jahren sind Thailand, Singapur, Malaysia, Indonesien und China dazugekommen. Wenn ein einziger Markt dominiert und dann wegfällt, könnte das zu einer gewaltigen Korrektion führen.

Nimmt die Nachfrage nach alten Uhren zu, quasi als Gegentrend zur digitalisierten Welt? Absolut – und das ist auch messbar. Das Thema Vintage erfreut sich derzeit grosser Beliebtheit. In der heutigen Welt, die sehr schnelllebig ist, vieles weggeworfen wird, ist die Nachfrage nach Vintage viel grösser als früher. Ein Wegwerfartikel, nehmen wir ein T-Shirt für 9.90 Franken, gibt Ihnen keinen Halt. Eine Kommode aus Holz, die Sie von der Grossmutter geerbt haben, gibt Ihnen das Gefühl von Solidität und Ewigkeit. Die Leute tragen auch immer mehr schwere Lederschuhe, die das Beständige ausdrücken. Andere sammeln Weinraritäten, seltene Kunst oder alte Häuser. Es geht bei Vintage auch um Exklusivität. Eine moderne, schwere Golduhr kaufen können viele. Und das Risiko, dass man jemand trifft, der die gleiche Uhr hat, ist real. Das passiert Ihnen mit einer alten Uhr nicht; sie ist viel seltener und hat eine einmalige Geschichte. Wie finden Sie aussergewöhnliche Uhren? Es ist eher umgekehrt: die Uhren finden mich. Uhrensammler sind sehr diskrete Menschen. Die meisten Sammler, die ich kenne, sind seit 20 oder 30 Jahren aktiv. Und mit vielen arbeite ich schon genauso lange zusammen. Bieter wollen so wenig wie möglich bezahlen, während Sie einen möglichst hohen Preis erzielen wollen. Wie locken Sie Bieter aus der Reserve? Ein guter Auktionator ist nicht einer, der viel, am lautesten oder am längsten redet. Das Erste, das man lernen muss, ist, dass jeder Sammler sein eigenes Motiv hat. Der eine will eine Uhr, weil er sie bereits seit 20 Jahren sucht und sie ihm noch in der Sammlung fehlt. Ein anderer will sie, weil ihm Freunde gesagt haben, dass er diese Uhr einfach haben muss. Als Auktionator muss man die vielfältigen Gründe der Sammler kennen. Nur so kann man ihnen die richtige Uhr im richtigen Moment anbieten. Merken Sie, wenn jemand das Limit beim Bieten erreicht oder überschritten hat?


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Viele Sammler sind vor der Auktion sehr offen und sagen mir, dass sie für diese Uhr bis 600 000 Franken bieten. Bei der Auktion hören sie dann bei 550 000 auf. Andere bieten bis 900 000 Franken und überschreiten damit ihr persönliches Limit. Im Sammlermarkt werden nicht viele Entscheidungen rational gefällt; sie beruhen auf Emotionen und vielem mehr. Das sind Parameter, die wir nicht steuern können. Es ist ja auch immer ein Mysterium, wie viel Wert eine Uhr tatsächlich erzielt. Sind solche Auktionen eher eine Männerdomäne oder sind auch Frauen als Bieterinnen anzutreffen? Die Anzahl der Frauen ist leider sehr klein. Woran liegt das? Uhren sind recht technisch. Vielleicht liegt es aber auch an unserer Kultur: Männer interessieren sich mehr für Autos und Motorräder. Frauen hingegen weniger – ich weiss es nicht. Ich würde es auf jeden Fall begrüssen, wenn mehr Frauen dabei wären. Der Markt wäre grösser. Wie viele Auktionen organisieren Sie pro Jahr? Sehr wenige; im letzten Jahr haben wir vier reguläre Auktionen durchgeführt, zwei in Genf und zwei in Hongkong. Daneben gab es zwei spezielle Themenauktionen zu Stahlchronographen und zur Geschichte von Rolex. Ihre Frau ist ebenso Uhrenexpertin. Zusammen mit ihr haben Sie das Unternehmen Bacs & Russo gegründet. Holen Sie manchmal ihren Rat ein? Natürlich. Der Markt ist so komplex. Es wäre nicht möglich, dass einer allein alles weiss. Man braucht immer jemanden, der schwierige Fragen stellt und einen herausfordert. Warum haben Sie sich entschieden, mit dem Auktionshaus Phillips zusammenzuarbeiten? In meiner langen Karriere habe ich bei drei Auktionshäusern gearbeitet. Fünf Jahre bei Sotheby’s, drei Jahre bei Phillips und zehn Jahre bei Christie’s als Leiter der Uhrenabteilung. Nach der Tätigkeit bei Christie’s haben meine Frau und ich vereinbart, dass wir uns

eine Zeit lang eine Pause gönnen. Wir sind gereist und haben die Freizeit genossen. Als wir zurückkamen, habe ich Edward Dolman getroffen. Er ist CEO bei Phillips und war früher Vorstandsvorsitzender bei Christie’s. Er fragte uns, ob wir nicht Lust hätten bei Phillips zu arbeiten. Ich sagte: Nein, danke. Nach mehreren Gesprächen schlug er uns ein Joint-Venture vor. Er sagte: Ihr baut unser Departement so auf, wie ihr das für richtig findet. Meine Antwort: Okay, klingt gut. Der Rest ist Geschichte. Sie konzentrieren sich auf Qualität und wenige, dafür hochkarätige Auktionen. Wie müssen sich Ihrer Ansicht nach die verschiedenen Auktionshäuser positionieren, um künftig erfolgreich zu sein? Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Ich weiss, was mir Spass macht. Dank meiner Eltern und Grosseltern war mir Qualität schon immer wichtig. Das zeigt sich in vielen Bereichen. Lieber die ganze Woche gutes Gemüse als schlechtes Fleisch essen. Lieber auf wenigen Quadratmetern schön als auf mehreren hässlich wohnen. Ich will kein Volumengeschäft aufbauen. Für mich ist entscheidend, jedem Kunden genügend Zeit zu geben, damit er sich jeder Uhr in ausreichendem Masse widmen kann. Wenn ich sehe, wie andere Firmen Tausende von Uhren versteigern, aber weniger Spezialisten als wir beschäftigen, dann kann ich daraus nur einen Schluss ziehen: Jeder Experte verbringt weniger Zeit mit einer Uhr und auch weniger Zeit mit dem Kunden. Das entspricht nicht meinem Ideal. Gibt es eine Uhr, die Sie unbedingt noch er- oder versteigern wollen? Ja, nämlich immer die nächste. Ich freue mich auf jede Uhr, die ich in der Art und Weise noch nie gesehen habe. Damit meine ich Sammlerstücke, die beispielsweise in den 1940er-Jahren gekauft und in einen Banktresor gelegt wurden. Und wer weiss, vielleicht ist das die nächste Weltrekord-Uhr bei einer Auktion. Das Finden solcher Uhren ist vergleichbar mit einem Seefahrer, der eine neue Insel entdeckt. Das macht meinen Job auch so spannend.

Aurel Bacs Jahrgang 1971, wurde in Zürich geboren und lebt mit seiner Familie in Genf. Der 45-Jährige ist mit der Uhrenexpertin Livia Russo verheiratet. Die beiden haben 2014 das Unternehmen Bacs & Russo gegründet. In Kooperation mit dem britischen Auktionshaus Phillips bauen sie dessen Uhrendepartement erfolgreich aus und brechen dabei sämtliche Rekorde bei Auktionen. Seine elfjährige Tochter hat Bacs noch nicht mit dem Uhrenvirus infiziert. «Wir fördern das auch nicht», erzählt er. «Sie holt meine Frau und mich in ihre eigene Welt – weit weg von Uhren.» Es verwundert nicht, dass der Uhrenexperte keiner regelmässigen Freizeitbeschäftigung nachgeht. Schliesslich hat er sein Hobby – die grosse Leidenschaft für seltene Uhren – zum Beruf gemacht.



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Collection HUBER WATCHES JEWELLERY

Ringe und Armschmuck Serafino Consoli


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Collier, Ring, Ohr- und Armschmuck Bulgari


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Collier und Ohrschmuck Atelier Huber Armschmuck Serafino Consoli


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Collier und Ohrschmuck Shamballa


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Collier, Bracelet, Ring Pomellato


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Ringe, Ohrschmuck Pomellato


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Ringe, Ohrschmuck, Collier und Bracelet Pomellato


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Armschmuck, Ringe, Collier und Ohrschmuck Ole Lynggaard


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Audemars Piguet fertigt seit mehr als 80 Jahren aussergewöhnliche Armbanduhren mit kreativ gestalteten Zifferblättern. Bei der diesjährigen Chronographen-Serie greift Audemars Piguet einen beliebten Klassiker aus dem Jahr 2008 auf. Die Details sind in verschiedenen Materialien verarbeitet. Es gibt vier Modelle in Roségold mit farblich abgestimmten Armbändern aus Roségold oder aus Alligator-Leder mit Zifferblättern in Braun oder mit Grande-Tapisserie-Muster. Die Stahlmodelle sind mit verschiedenen Grande-Tapisserie-Zifferblättern in Schwarz, Silber oder Blau erhältlich und mit einem Edelstahlarmband ausgestattet.

Der Big Pilot Spitfire Jahreskalender von IWC hat ein ardoisefarbenes Zifferblatt und ein Edelstahlgehäuse – passend zum grauen Rumpf der Namensgeberin Spitfire, ein einmotoriger Jagdflieger der Royal Air Force. Der Jahreskalender zeigt den Monat, das Datum und den Wochentag in separaten Fenstern an. Das Manufakturkaliber 52850 mit zwei Federhäusern sorgt für sieben Tage Gangreserve.

Die 2016 entstandene Kollektion Drive de Cartier ist für Herren gedacht, die einen Hang zur Freiheit haben und einen raffinierten Stil pflegen. Der in jeder Hinsicht elegante Drive-de-Cartier-Mann ist ein Ästhet, der sein Leben in vollen Zügen geniesst, sei es in lässigem Chic oder im feinen Smoking. Wie er zeichnet sich auch seine Uhr durch Facettenreichtum aus. Nach der Drive de Cartier Stunde Minute Sekunde, dem Modell mit zweiter Zeitzone und der Ausführung mit fliegendem Tourbillon wird die Kollektion um zwei neue Kreationen erweitert, die ebenfalls von Uhrwerken der anspruchsvollen Handwerkskunst angetrieben werden.

Das unvergleichbare Venezia-Leder von Berluti mit seiner berühmten Patina schmückt das neue Modell der Classic Fusion von Hublot – neu in «Ocean Blue». Wenn herausragende Uhrenmechanik unübertroffenem Know-how bei der Lederverarbeitung begegnet, entsteht eine charakterstarke limitierte Auflage, die ihresgleichen sucht.


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Wenn sich Komplikationen und ein Retro-Design vereinen, erwacht eine Uhr für wahre Kenner zum Leben. Die Reverso Tribute Moon von Jaeger LeCoultre lässt das Jahr «1931» wieder aufleben. Ihre Vorderseite wurde von den charakteristischen Merkmalen der ersten Reverso inspiriert. Die silberne Farbe des gekörnten Zifferblatts mit handapplizierten gebläuten Indizes ist perfekt auf das Gehäuse aus Edelstahl abgestimmt. Bei sechs Uhr folgt eine vollständig von Hand gehämmerte Mondphase. Auf der Rückseite zeigt sich dank des Duoface-Konzepts eine weitere faszinierende Eigenschaft: eine zweite Zeitzone.

Der Nuancenreichtum des schiefergrauen Zifferblattes wird durch das Weissgold des Gehäuses und der Indexe unterstrichen. Piaget entwickelte für das 40 mmGehäuse das passgenaue Automatikwerk 1203P, welches die wesentlichen Elemente der Zeitlesung aufnimmt, während das Datum addiert wird. Als besonderes Merkmal wird die neue Uhr mit dem historischen Schriftzug «Piaget Automatique» geziert, der bereits auf den allerersten ultraflachen Uhren der Marke prangte und auf die reiche Geschichte der Linie verweist.

Die im Vorfeld des Salon International de la Haute Horlogerie 2017 vorgestellte Patrimony mit Mondphase & retrograder Datumsanzeige lädt dazu ein, den Blick zum Himmel zu richten. Der neue Zeitmesser mit seinen der Patrimony-Kollektion typischen klaren Linien ist mit einem Zifferblatt ausgestattet, dessen Mondphasen- und Mondalteranzeige nur alle 122 Jahre einer Korrektur bedarf. Vacheron Constantin kombiniert diese elegante Komplikation mit einer retrograden Datumsanzeige von 1 bis 31, die das obere Zifferblatt in einem Bogen ziert. Die Patrimony Mondphase & Retrograde Datumsanzeige ist mit einem Uhrwerk der Manufaktur ausgestattet und trägt die renommierte Genfer Punze – der Inbegriff höchster Qualität.

Eine Hommage an eine Vintage-Uhr aus den 1930erJahren. Die Radiomir 3 Days Acciaio von Panerai mit braunem Zifferblatt interpretiert das typische Design der Uhren-Ikone neu.


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Die von Hublot kreierten Modelle zeichnen sich schon immer durch ein markantes Design aus. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit Ferrari – eine Kooperation, die 2011 begann. Jede neue Edition verkörpert das konstante Streben nach Innovation, Exzellenz und Leistung. Werte, die beide Marken verbinden. Die Big Bang Ferrari bildet da keine Ausnahme. Inspiriert von dem ikonischen sowie innovativen Design der neuesten Ferrari-Modelle haben Ferrari und Hublot noch einmal das bereits gemeinsam entworfene Big-BangUnico-Modell überarbeitet.

Die Geographic von Jaeger LeCoultre ist ein symbolträchtiges Modell der Kollektion Master Control, die dem Reisenden eine ganz neue Art der Anzeige einer zweiten Zeitzone bietet: In einer Öffnung am unteren Zifferblattrand erscheinen die Namen von 24 Städten in aller Welt, die für die verschiedenen Zeitzonen stehen. Sie fängt das Licht auf besondere Weise ein und bildet einen eleganten Kontrast zu den anderen Finissierungen des Zifferblatts. Mit ihrem Design präsentiert sich diese Uhr in einem neuen Licht. Sie bleibt dabei jedoch schlicht und klassisch.

Die Da Vinci Perpetual Calendar Chronograph in 18 Karat Rotgold von IWC kombiniert erstmals in der Geschichte der Schaffhauser Manufaktur einen Chronographen der Kaliberfamilie 89000 mit der Mondphasenanzeige des ewigen Kalenders auf dem Innenzifferblatt bei «12 Uhr». Dafür drehen sich der auf einer einzigen Scheibe dargestellte Mond und der Erdschatten unter einer Öffnung im unteren Teil des Innenzifferblatts und bilden eine harmonische Einheit.

Luminor Submersible 1950 von Panerai ist die erste mechanische Uhr, deren Gehäuse aus BMG-Tech™ besteht – einem metallischen Glas, das sein ästhetisches Erscheinungsbild dank seiner ausserordentlichen Festigkeit und Widerstandsfähigkeit über viele Jahre bewahrt.


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2017 präsentiert Audemars Piguet eine neue Royal Oak für Damen. Das juwelenbesetzte Modell besticht durch ein wirbelndes Diamantreliefmuster, das sich über Zifferblatt, Lünette und Armband erstreckt. Angelehnt an die Geschichte des Hauses setzt Audemars Piguet die Diamanten in einer eigenen Technik zusammen, welche die hohe Uhrmacherkunst der Schweizer Uhrenmanufaktur widerspiegelt.

Die exklusivste Art eine Da Vinci Automatic 36 von IWC zu tragen, mit Gehäuse und Gliederarmband in 18 Karat Rotgold sowie mit 54 reinweissen Diamanten auf der Lünette. Der dezent abgesetzte Innenkreis auf dem Zifferblatt, die markante halbrunde Krone und das kreisrunde Datumsfenster bei «6 Uhr» tragen zum femininen Erscheinungsbild der Drei-Zeiger-Uhr bei. Mit der Gravur «Blume des Lebens» würdigt IWC Leonardo da Vincis unermüdliche Suche nach den mathematischen Regeln für Schönheit und Proportion.

Majestätisch zieht der Mond im Herzen der Master Ultra Thin Moon aus Rotgold seine Bahnen. Ein Modell von Jaeger LeCoultre mit ganz besonderem Charme, das insbesondere zarten Handgelenken schmeichelt.

Cartier Panthère: Als zeitlose Ikone – wild und elegant zugleich – prägt der Panther zahlreiche Schmuckkreationen und Luxusuhren des französischen Hauses. So bleibt die Uhrenkollektion Cartier Panthère auch nach der Einstellung der Produktion weiterhin gefragt. Das wilde Tier dient fortwährend als Inspiration für neue, ausgefallene Uhrmacherkunstwerke von Cartier.

Die erste Luminor Submersible 1950 von Panerai mit einem 42 mm grossen Gehäuse aus Rotgold. Die Scheibe aus schwarzer Keramik auf der drehbaren Lünette verleiht der Uhr ein sportliches Erscheinungsbild mit markanter Persönlichkeit.


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Wandelbare Kostbarkeiten. Serafino Consoli schafft den «Wow-Effekt»


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Gute Ideen entstehen, wenn man ausgetretene Pfade verlässt, neue Perspektiven einnimmt und bereit ist, vorherrschende Annahmen über Bord zu werfen. Das italienische Unternehmen Serafino Consoli ist diesen Weg gegangen und begeistert heute seine Kunden auf der ganzen Welt mit Schmuckstücken, die sich in der Grösse anpassen lassen. Text Britta Kaula Fotos Serafino Consoli

Die Provinzhauptstadt Bergamo liegt auf einem malerischen Hügel in der Lombardei, nur 50 Kilometer von Mailand entfernt. Die historische Altstadt ist von venezianischen Stadtmauern umgeben. Man schlendert durch verwinkelte Gassen und stöbert in kleinen Geschäften. Anschliessend geniesst man auf der prachtvollen Piazza Vecchia einen echten italienischen Espresso oder ein Eis. Hier wurde auch das berühmte Stracciatella-Eis erfunden. Noch immer gibt es die Gelateria, in der man die originale Spezialität probieren kann. 1959 eröffnete Serafino Consoli zusammen mit seiner Frau ein kleines Juweliergeschäft in Bergamo. Das breit gefächerte Angebot reichte von Trauringen über Pokale für Vereine bis hin zur klassischen Jubiläumsuhr und entsprach den Wünschen der damaligen Kundschaft. In den neunziger Jahren übernahm Ivan Consoli, unterstützt von seinen Schwestern Nadia und Raffaela, das Juweliergeschäft seines Vaters und erweiterte das Unternehmen schrittweise. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wuchs Serafino Consoli konsequent, erhöhte seinen Marktanteil kontinuierlich und ging strategische Partnerschaften mit renommierten Luxus-Uhrenund Schmuckmarken ein. Der Fokus von Serafino Consoli lag dabei besonders auf

hochwertigen, aber noch weitgehend unbekannten Marken. Ingenieurskunst für den Prototyp Im Verlauf der weiteren Expansion als Juwelier und Einzelhändler war der Gedanke naheliegend, auch Hersteller zu werden und ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen in Bergamo wurde dabei angetrieben von der Vision, nicht nur eine eigene Marke zu etablieren, sondern etwas wirklich Neues zu kreieren. Echte Innovationen sind in der Schmuckbranche selten. In der Regel werden die Ideen der Designer umgesetzt und Formen, Materialien und Edelsteine dabei immer wieder neu und anders kombiniert. Wie sollte also eine echte Innovation gelingen? Serafino Consoli half der genaue Blick auf die Kunden und deren Bedürfnisse. Schmuckstücke werden häufig zu besonderen Anlässen verschenkt und hier spielt die richtige Grösse eine wichtige Rolle. Auch soll das Schmuckstück seine Trägerin ein Leben lang begleiten. So kam die Idee auf, einen hochwertigen «Multisize-Ring» zu entwickeln. Ein kleines Team um Gianluca Rusconi, verantwortlich für den europäischen Markt und Mitbegründer des «Multisize»-Projektes und den CEO Ivan Consoli beschäftigte

sich fortan intensiv mit der Realisierung. Aussergewöhnlich war dabei die Herangehensweise. Ausgangspunkt waren nicht die Fertigkeiten eines Goldschmieds, sondern das Know-how von Ingenieuren und Feinmechanikern. Zunächst entstand ein erstes mechanisches Modell, das tausende von Lötstellen hatte und aus mehr als hundert Komponenten bestand. In der zehnjährigen Entwicklungszeit mussten viele Hürden genommen werden. Der Prototyp wurde intensiv auf Funktionalität und Beständigkeit getestet. Die Patentierung nahm insgesamt drei Jahre in Anspruch. Dann erst kam die traditionelle italienische Goldschmiedekunst zum Zuge und machte aus der innovativen Idee ein Schmuckstück aus Gold, Diamanten und Edelsteinen. Mit dem «Wow-Effekt» den Markt erobern Das Unternehmen brachte 2013 die eigene Produktlinie «Brevetto», zu Deutsch «Patent», auf den Markt. Die Vision war Wirklichkeit geworden. Durch leichten Druck oder Zug lässt sich die Grösse des Rings variieren. Diese einfache, leichte Berührung hat etwas Spielerisches und sorgt bei den Kundinnen für einen besonderen «WowEffekt». Egal ob fünf oder fünfzig Jahre alt,


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der Ring passt sich seiner Trägerin ideal an. Die «Brevetto»-Kollektion wurde in den Folgejahren konsequent weiterentwickelt. Die Goldschmiede von Serafino Consoli planten auch einen «Multisize-Armreif», der sowohl am Handgelenk als auch am Arm getragen werden kann. Es gab keine Herausforderung, an der sie scheiterten, denn den langen Atem hatte das Team schon im Innovationsprozess für den «Multisize-Ring» bewiesen. Allerdings brauchte es mehrere Anläufe, um mit diesem komplexen Produkt Marktreife zu erlangen. Heute umfasst die «Multisize»-Kollektion Ringe, Ohrringe und Anhänger, den Armreif für Handgelenk oder

Arm und schliesslich auch den sogenannten «Ringcelet», ein Ring, der sich wie von Zauberhand in einen Armreif verwandelt. Im Zentrum der Goldschmiedekunst Die Produktion von Serafino Consoli ist heute in Valenza angesiedelt. Im Dreieck zwischen Genua, Turin und Mailand gelegen, zählt die Kleinstadt international zu den wichtigsten Zentren italienischer Goldschmiedekunst. Valenza hat die höchste Dichte an Goldschmieden und die meisten Goldwerkstätten in Italien. Serafino Consoli vereint hier die Tradition der hohen Handwerkskunst mit neuesten Technologien. Die Herstellung eines «Brevetto»-Schmuckstücks dauert zwischen einem Tag und zwei Wochen. Heute werden pro Tag durchschnittlich sechs Exemplare der «Brevetto»-Kollektion in Valenza gefertigt. Die Produkte in unterschiedlichen Designs können bis zu 42 000 Lötstellen und 988 Komponenten aufweisen und bestehen aus hochwertigem Gelb-, Weiss- oder Rotgold versehen mit kostbaren Diamanten und luxuriösen Edelsteinen. Familienunternehmen auf Erfolgskurs Im Jahre 2009 wurde der neue Firmensitz in Grumello del Monte, unweit von Bergamo eingeweiht. Die futuristische Architektur spiegelt den besonderen Spirit des Unternehmens wider und stünde auch einem jungen High-Tech-Unternehmen gut zu Gesicht. Die Gebäudeform greift Elemente der hochtech-

nologischen Chronografen auf und steht für die Verbindung von Tradition, Handwerk und Technologie. Das Herzstück des Firmensitzes ist ein überragender Showroom, der der Uhrmacher- und Goldschmiedekunst gewidmet ist. Er repräsentiert auch das neue Konzept, für das Serafino Consoli im internationalen Juweliergeschäft steht: für die ausgeprägte mechanische Komponente verbunden mit einem «out-of-the-box»-Denken und dem Mut, neue Ideen umzusetzen. In den nächsten zwei bis drei Jahren soll die Produktion des Unternehmens verdoppelt werden. Serafino Consoli arbeitet intensiv an neuen Designs und der Innovationsprozess wird kontinuierlich vorangetrieben. Es gilt, sich in einem schwierigen, nur marginal wachsenden Markt gegenüber den etablierten Herstellern zu behaupten. Man sagt, eine Innovation werde am Markt entschieden. Ist ein Produkt erfolgreich, ist es eine Innovation. Floppt es, ist es lediglich eine von vielen Neuerungen, die Jahr für Jahr den Markt überschwemmen. «Brevetto» hat den Beweis, eine Innovation zu sein, erfolgreich angetreten. Die überraschend anderen Schmuckstücke sind inzwischen bei über 120 Juwelieren und Einzelhändlern weltweit erhältlich. Auch in Zukunft will das Familienunternehmen seine Kundinnen und Kunden mit besonderen Kollektionen überraschen und so die Erfolgsgeschichte des kleinen Juweliergeschäfts aus der malerischen Provinz Bergamo weiter fortschreiben.


To bracelet

From ring

collection

serafinoconsoli.com


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Fürstliche Schätze. Eine Entdeckungsreise mit Johann Kräftner

Direktor Johann Kräftner leitet die Fürstlichen Sammlungen, zu denen nicht nur kostbarste Kunstwerke, sondern auch grandios restaurierte Gebäude zählen. Auf einem Rundgang durch das prachtvolle Stadtpalais Liechtenstein im Herzen Wiens lernen wir den leidenschaftlichen Kunstsammler, Architekten und Autor von einer sehr persönlichen Seite kennen. Text Claudia Schanza Fotos Martin Nussbaum; Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Johann Kräftner kann nicht anders. Wenn er die jüngste Neuerwerbung der Fürstlichen Sammlungen betrachtet, beginnt er augenblicklich strahlend zu lächeln. Die kostbare Büste ist mehr als fünfhundert Jahre alt und zeigt den römischen Kaiser und Philosophen Mark Aurel, der einen Teil seiner berühmten «Selbstbetrachtungen» im 2. Jahrhundert n. Chr. im Militärlager Vindobona verfasste. Und hier schliesst sich der Kreis: Aus der antiken römischen Siedlung wurde später Wien, wo wir im 3. Jahrtausend n. Chr. im Kunstdepot des Stadtpalais Liechtenstein einen exklusiven ersten Blick auf diese feuervergoldete Bronzebüste werfen dürfen. Es war kurz vor Weihnachten 2016, als der Deal bei einem Londoner Kunsthändler über die Bühne ging. Erst im Sommer 2017 wird der weit gereiste Mark Aurel im Rahmen der Präsentationen eines Teils der Fürstlichen Sammlungen öffentlich ausgestellt werden. Den Grundstock dieser Kollektion hatte bereits Fürst Karl I. zu Anfang des 17. Jahrhunderts gelegt. Vier Jahrhunderte später wird das neue Exponat vom Tiefspeicher in

der Innenstadt ins Gartenpalais Liechtenstein in der Wiener Rossau übersiedeln. Der Architekt als kunstsinniger Stratege Über die Restaurierung dieser beiden barocken Palais knüpfte Johann Kräftner (Jahrgang 1951) vor fast zwanzig Jahren die Bande zur Fürstlichen Familie. Er hatte in Wien Architektur mit Schwerpunkt Kunstgeschichte und Denkmalpflege studiert und war bis 1998 an der Technischen Universität der Lehre verpflichtet. Nachdem er gleichzeitig auch viele Ausstellungen in Europa konzipiert und gestaltete, war Kräftners erste grosse Aufgabe für Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein die künstlerische Leitung eines Umbaus, und zwar des damals sehr renovierungsbedürftigen Gartenpalais. Schon bald wurde die Zusammenarbeit intensiver, mittlerweile hat der Architekt eine zweite Mammutaufgabe gestemmt. Mehr als fünf Jahre lang dauerte die Sanierung des Stadtpalais Liechtenstein, das ein barockes Juwel in der Wiener Innenstadt ist und vor vier Jahren unter grossem Interesse der


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kunstsinnigen Experten und Medien wieder eröffnet wurde. Während in den Obergeschossen des Stadtpalais Parkettböden, Stuckfiguren, Kronleuchter, goldene Rahmen und einzigartige Möbel von den besten Fachleuten aus Mitteleuropa restauriert wurden, ging Kräftner auf Schatzsuche in den Keller. Dort fand er mit seinem Team immer wieder Kisten, auf denen der Staub von Jahrzehnten lag. Sechs rund um die Uhr für die Sammlungen arbeitende Restauratoren und viele engagierte Experten hatten jahrelang zu tun, um diese kunsthistorischen Puzzles zusammenzusetzen. Das Ergebnis bewegt Kräftner noch immer. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, streicht er mit der Rückseite seiner Finger über kostbare chinesische Vasen, die vom berühmtesten Gold- und Silberschmied seiner Zeit in Wien, Ignaz Sebastian Würth, zu Kandelabern montiert worden waren. Im Grossen Kurbarizimmer im zweiten Stockwerk beeindrucken den Gast vier riesige Kerzenleuchter. Asiatische Kunstexperten, die hier vorbeikommen, geraten in blankes Verzücken, denn sie können den Wert der einzigartigen Porzellanvasen schätzen – vergleichbar mit Rubens für die Flamen oder Canaletto für die Italiener.

Tausend angekaufte Objekte Die adeligen Ahnen des Fürstenhauses begannen bereits vor Jahrhunderten gezielt anzukaufen. Einige Schätze, wie etwa das «Porträt der Ginevra de Benci» von Leonardo da Vinci, mussten krisenbedingt nach dem Zweiten Weltkrieg zu Geld gemacht werden. Aber die meisten schmerzlichen Verluste sind mittlerweile kompensiert, weil seit 1977 fast tausend Objekte angekauft wurden – von der Porzellantasse bis zum Roentgen-Möbel, von Rubens‘ Ölskizzen bis zum restituierten Biedermeiergemälde Friedrich von Amerlings. Die Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein umfassen Hauptwerke europäischer Kunst aus fünf Jahrhunderten und gehören zu den bedeutendsten Privatsammlungen der Welt. Ihre Anfänge liegen im 17. Jahrhundert und wurzeln im barocken Ideal kunstsinnigen fürstlichen Mäzenatentums. Das Haus Liechtenstein hat dieses Ideal über Generationen konsequent gepflegt und die Bestände planvoll ergänzt. Kräftners Job ist es, durch eine aktive Ankaufspolitik die Sammeltätigkeit fortzusetzen. Jeden ins Auge gefassten Ankauf bespricht er zuerst mit einem Beirat von drei Kunsthistorikern und danach mit

Fürst und Erbprinz. Schliesslich geht es um drei Kriterien – neben dem finanziellen Aspekt und der Frage, wie sehr das neue Objekt die Sammlung bereichert, ist jeder Kunstankauf auch eine Geschmacksfrage. Vater und Sohn, die Familie, entscheiden gemeinsam und finden mitunter durchaus verschieden starken Gefallen an der einen oder anderen Option. Direktor Kräftner ist aber nicht nur mit der Erweiterung der Sammlung befasst, sondern auch mit dem Clearing. Da die Fürstenfamilie neben den grossen, wie Fort Knox gesicherten, Kunstdepots in Wien und Vaduz kein weiteres errichten lassen wird, muss immer wieder Platz geschaffen werden. Nicht zuletzt purzelte über die Jahrhunderte einiges in die Sammlung, das zwar sehr kostbar ist, aber thematisch nicht wirklich ins Konzept passt. Und so leitete Kräftner bereits zwei international sehr beachtete Versteigerungen ein, die von Sotheby’s London und Christie’s Amsterdam abgewickelt wurden. Sozialkritische Biedermeier-Maler Wer in den Genuss kommt, von Johann Kräftner durch die Repräsentationsräume des Stadtpalais geführt zu werden, erlebt einen Kunstkenner, der im Beruf zweifellos


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seine Berufung gefunden hat. Glückselig erweckt er Gemälde zum Leben, indem er deren Einzigartigkeit so logisch erklärt, dass Zuhörer gar nicht anders können, als die Sozialkritik des Biedermeier-Malers Ferdinand Georg Waldmüller zu verstehen. Wer «Die unterbrochene Wallfahrt» aus dem Jahr 1853 betrachtet, sieht eine fast fotorealistisch festgehaltene Szene, in der eine Pilgerin mangelernährt zusammenbricht. Barfuss und in ärmliche Kleidung gehüllt sitzt sie auf der blanken Erde, gestützt von Frauen und Männern, die sie laben. Es waren die Biedermeiermaler, die den Fokus erstmals auf die Menschen in Waschküchen, bei der Feldarbeit, auf Almen oder in der Gosse richteten. Es klingt ein wenig Stolz in Kräftners Stimme mit, wenn er sagt, dass die Fürstlichen Sammler bereits Werke dieser Künstler ankauften, als Gauermann & Co. noch Zeitgenossen waren und nicht Rekordpreise im internationalen Kunsthandel erzielt hatten. Vor zwölf Jahren sorgte die «Unterbrochene Wallfahrt» mit 1.1 Millionen Euro für einen weltweiten Auktionsrekord für Waldmüller. Es sagt viel über einen Menschen, wenn man betrachtet, für welche Art von Kunst er bereit ist Geld auszugeben. Die Werte und

Prioritäten der heutigen Generation der Fürstenfamilie decken sich offenbar mit jenen ihrer Ahnen, was erklären könnte, warum sie überhaupt nicht in Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts investieren. Der Direktor der Fürstlichen Sammlungen schlägt bei seinem Rundgang immer wieder Brücken in die Gegenwart. Lachend öffnet er die Seitentüre einer Spieluhr, die er als «Jukebox aus dem Jahr 1793» bezeichnet und lauscht den erklingenden Tönen andächtig. Gleich daneben steht ein Biedermeier-Schreibtisch, den er als «erstes Designermöbel» bezeichnet, entworfen und gebaut 1825 vom Ebenisten (Kunsttischler) und Maler Josef Franz Danhauser. Jubiläen, Tourneen und Sonderschauen Während andere Männer in Kräftners Alter überlegen, ob sie ihre Rente lieber auf Mallorca oder in Marbella beim Golfspiel geniessen, erfreut sich der Kunstexperte an anderen Projekten. Demnächst werden die Leihgaben aus Bern zurückkehren. 2018 werden viele Kisten mit Objekten der Fürstlichen Sammlung zu einer grossen Ausstellung nach Seoul ins Palastmuseum geflogen. Die Kunstspediteure werden zwischen Wien, Vaduz und den National

Galleries der USA und Kanada unterwegs sein, und schliesslich steht 2019 im Zeichen von «300 Jahre Fürstentum Liechtenstein» – grosse Ausstellungen zu diesem Ereignis in der Wiener Albertina und im Vaduzer Kunstmuseum sind geplant. Ein Jahr später, 2020, steht eine Ausstellungstournee durch Nordamerika mit Washington, Ottawa und Houston auf dem Programm. Und 2021 zelebriert die LGT Bank ihr einhundertjähriges Jubiläum, das mit Anlässen in wichtigen Museen der Welt gefeiert werden soll. Neben all diesen Aktivitäten verfasst Kräftner immer wieder beeindruckende Kunstbücher rund um die Fürstlichen Sammlungen und die beiden Barockpalais. Der Rundgang endet mit einer weiteren Überraschung. Kräftner fährt ins erste Tiefgeschoss, wo sechs Meter hohe Hallen perfekt klimatisiert sind. Dort strahlt der goldene Mark Aurel und wartet darauf, wieder Tageslicht zu sehen. Unter ihm sind noch zwei weitere Depotetagen, jeweils vier Meter hoch. Hätte der Feldherr vor knapp zweitausend Jahren eine Zeitreise in dieses Stadtpalais angetreten, dann würde er sich wundern, dass Häuser unter der Erde jetzt genauso hoch sind wie von der Strasse aus betrachtet nach oben.


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Edel, weiss und wirkungsstark. Die Luxushandcreme aus dem Wallis


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Lavinie heisst das Elixier, das den Händen sicht- und spürbar Gutes tut. Die Creme enthält natürliche Ingredienzen aus der Schweizer Bergwelt, fühlt sich sanft wie Kaschmir an, wirkt über Stunden erfrischend und pflegend. – Und wer hat’s erfunden? Zwei junge Walliser, die 2012 ihren Unternehmergeist in handfeste Taten umsetzten. Text Sonja Brunschwiler Fotos Lavinie

Mit ihrem Claim «Superior Handcare» nehmen es die beiden Gründer von Lavinie vorweg: Michel Kuonen und sein Partner Stefan Furrer haben vor bald fünf Jahren eine Luxuskreation auf den Markt gebracht, welche die feinste Pflege derer garantiert, die wir täglich am meisten beanspruchen – die Hände. Zudem verpflichtet sich das Unternehmen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, was sowohl die Produktion als auch das Produkt selbst anbelangt. Ihrer fortschrittlichen Firmenphilosophie entspricht auch der Name der Marke: Lavinie setzt sich zusammen aus «la vie» (franz. für «das Leben») und «l’avenir» (franz. für «die Zukunft»). Ethisches Unternehmertum «Wir wollten eine Marke entwickeln, die zu 100 Prozent in der Schweiz hergestellt wird. Das ist uns zu 99 Prozent gelungen», erzählt Michel Kuonen. «Nur die Dispenser-Glasflasche, in welcher sich die Creme befindet, stammt aus Italien. Alles andere ist made in Switzerland.» Die Zutaten für Lavinie wer-

den in einem Kosmetiklabor am Zürichsee gemischt, die Verpackung wird im Rheintal von Hand hergestellt und der Beipackzettel in einer Druckerei im Wallis gedruckt. Menschen mit Handicap fertigen in einer sozialen Institution in Brig-Glis den Halter des Dispensers an, der aus zertifziertem Ahornholz besteht. Sie verpacken zudem das erlesene Produkt am Schluss in hauchdünnes Seidenpapier; anfangs übernahmen das noch die Mütter, Schwestern und Freundinnen der Gründer. «Die nachhaltige Komponente erachten wir als zentral, und unser Qualitätsanspruch ist gross», sagt Kuonen. Er ist überzeugt, dass sie nur mit dieser Haltung eine Chance hatten, für ihr Produkt einen Markt zu finden. Das ethische Verständnis eines Unternehmens ist für die Gründer daher nicht nur Ehrensache, sondern lag mit Blick auf nachhaltige Erfolgsaussichten vom Start weg auf der Hand – im doppelten Sinn. Von der Idee zur einzigartigen Creme Wie kommt man nach einem abgeschlossenen Jurastudium auf die Idee, den riesigen

Kosmetikmarkt mit einer Handcreme erobern zu wollen? Gibt es nicht schon genügend solcher Produkte? «Nein», so Kuonen, «ein solches Produkt gab es bisher nicht. Denn Lavinie besteht aus natürlichen Essenzen aus den Walliser Alpen. Und jedes Produkt ist ein nummeriertes Unikat, das überdies einen von Hand unterschriebenen Liebesbrief enthält.» Zudem ist Kuonen ein Macher: Schon immer hat es ihm Freude bereitet, etwas auf die Beine zu stellen, wovon dann auch viele andere profitieren. Auf die Handcreme ist Kuonen über einen Umweg gekommen – über die Fusscreme: «Im Militär habe ich festgestellt, wie wichtig es ist, die Füsse zu pflegen. Später hatten wir im Kreis der Familie einmal die Gelegenheit, einen Betrieb zu besuchen, in welchem Kosmetik hergestellt wird. Da packte mich das Thema so richtig.» Nach eingehenden Marktrecherchen in der Schweiz sowie in arabischen und asiatischen Ländern entschied er zusammen mit seinem Partner, eine Handcreme zu entwickeln. «Dafür bestanden beste Aussichten, eine Nische im


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Markt zu finden und vielleicht sogar irgendwann eine ganze Produktlinie zu entwickeln. Eine Fusscreme hätte uns da von Anfang an eingeschränkt.» Vor allem der Luxusmarkt bot Chancen; die Gründer machten in der Schweiz und im Ausland ein grosses Interesse an Top-Produkten mit hoher, nachhaltiger Schweizer Qualität aus. Was macht Lavinie so einzigartig? Zu den aussergewöhnlichen Bestandteilen von Lavinie gehört zunächst das Edelweiss. Die Wunderblume aus den helvetischen Alpen ist das Sinnbild ewiger Liebe. «Es gibt diese Legende von den jungen Edelmännern, die ihr Leben riskierten, um ihrer Angebeteten als Liebesbeweis ein Edelweiss zu pflücken – dieses wächst nämlich nur an schwer zugänglichen Stellen. Daher stammt unsere Idee mit dem Liebesbrief in jeder Verpackung.» Neben Liebesglück verspricht das Edelweiss aber noch mehr und hält es auch: Es ist von jeher bekannt für seine entzündungshemmende Heilwirkung und erzielt dank zellelastizitätssteigernden Eigenschaften einen hervorragenden Antiaging-Effekt. Seit Jahren steht diese Blume

unter Naturschutz, weshalb sie für Kosmetik in einem kontrollierten Alpengarten gezüchtet und von Hand gepflückt wird. Mit dem Edelweiss verheiratet sich in Lavinie die Schweizer Alpenrose, die sich optimal an die enormen Temperaturschwankungen und UV-Strahlungen in den Bergen angepasst und die Fähigkeit entwickelt hat, in ihren Blättern ein überlebenswichtiges Protein zu bilden. Dieses wird extrahiert und kosmetisch genutzt, indem es die hauteigenen Stammzellen stimuliert und die Haut gegen Umweltstressfaktoren schützt. Weiter enthält Lavinie Schweizer Bergquellwasser, das reich an wertvollen Mineralien und Spurenelementen ist. So macht es die Haut elastisch und versorgt sie mit lang anhaltender Feuchtigkeit. In Lavinie kommen auch hochwertige Öle zur Wirkung sowie Stoffe, die dazu beitragen, Altersflecken zu verhindern. «Weil wir für unser Produkt weder chemische Konservierungsstoffe noch Petroleum-Nebenprodukte verwenden, beträgt die Haltbarkeit nicht mehr als drei Jahre. Aber», fügt Kuonen schalkhaft hinzu, «wir denken, die Creme ist so gut, dass unsere Kundinnen und Kunden

im Regelfall deutlich weniger lange benötigen, um den Inhalt der 50-Milliliter-Flasche aufzubrauchen.» Hand in Hand zum Erfolg Der Erfolg gibt den Gründern recht: Lavinie ist den Kinderschuhen entwachsen und findet im In- und Ausland Beifall. Das Unternehmen bedient aktuell etwa zwölf Verkaufsstellen in der Schweiz, darunter viele Tourismusdestinationen, und daneben mehrere Absatzkanäle in anderen Ländern. Trotz der Beliebtheit ihres Produkts – oder gerade deswegen – hat das Unternehmen nächstens nicht vor, das Sortiment zu erweitern. «Vorerst belassen wir es bei der Handcreme, denn ein Einzelprodukt hat auch seine Vorteile: Es bleibt einzigartig.» Zudem sei es leichter, in Absatzkanäle hineinzukommen, weil Lavinie die Mitbewerber so nicht allzu stark konkurriert; lieber nehmen die Läden eine sehr exklusive Handcreme auf als eine ganze Kosmetiklinie. Die Gründer machen keinen Hehl daraus, dass ihnen als Jungunternehmer auch Fehler unterliefen. Aber die juristische Ausbildung des einen und das wirtschaftliche Know-how des andern halfen, die Hürden zu überwinden. Ebenso hilfreich war der Schritt der beiden Gründer zurück in ihre Walliser Heimat: Hier durften sie von der Unterstützung ihrer Familien und Freunden profitieren. Aus Passion Neues schaffen Was rät Kuonen anderen jungen Unternehmungslustigen? «Für mich stand von Anfang an nicht das Geldverdienen im Vordergrund, sondern die Leidenschaft für etwas Einzigartiges. Ich wollte den Traum verwirklichen, etwas Neues zu schaffen, und nahm dafür auch ein langsames Wachstum in Kauf. Ich bin sicher, damit kommt man weiter, als wenn man den schnellen Reibach machen will.» Es bereite auch Spass, betont Kuonen, ein solches Projekt mit Freunden zu teilen – wie etwa mit Damian Zenklusen. Er stand Lavinie von Beginn an tatkräftig zur Seite und übernimmt nun immer mehr Verantwortung im Unternehmen. Lavinie geht also seinen Weg weiter, und das ist gut so. Denn in diesem Produkt sind leidenschaftliche Kraft, edler Sinn und innovativer Spirit aufs Schönste vereint – sodass es hier nur Gewinner gibt: all jene, die ein Händchen für Lavinie haben.


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Gammelfleisch wird salonfähig. Mit Luma Delikatessen erobert eine Bieridee die Welt


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Sie haben mit Gammelfleisch so viel gemein wie ein Fiat mit einem Maybach: Luma D.A.C. Produkte. Zwei Jungunternehmer veredeln hochwertiges Fleisch mit Schimmelpilzen zu Gourmet-Lieblingen. So schaffen sie es, höchsten kulinarischen Ansprüchen gerecht zu werden. Eine Geschichte voller Widersprüche, origineller Einfälle und gelungener Experimente. Text Asta Breitenmoser Fotos Luma Delikatessen

Die Produktionsstätte von Luma Delikatessen liegt in Neuhausen in der Schweiz, bloss einen Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt, inmitten eines Industriegebietes. Nur ein leicht verloren wirkender Roll-up-Banner verkündet im kargen Treppenhaus, um welche Firma es sich im zweiten Stockwerk handelt. Als ich die Büroräumlichkeiten betrete, umfängt mich sofort die typische Start-up-Atmosphäre: Kartons und Verpackungsmaterial stapeln sich im Flur. Die Küche, die gleichzeitig auch Gemeinschaftsraum ist, fände sich in ähnlicher Art wohl in jeder guten Studenten-WG, und die Skaterampe im Lager ist nicht zu übersehen.

Doch der Schein trügt, denn für das Skaten bleibt den erfolgreichen Jungunternehmern schon seit Längerem keine Zeit mehr. Die zwei Gründer, Marco Tessaro und Lucas Oechslin, konnten bereits über ein Dutzend Mitarbeitende einstellen und haben sich von reinen Fleischveredlern zu wahren Allroundern gemausert, sich gar in fremde Gefilde vorgewagt. Zu ihrem Fleischimperium gehören heute Pop-up Steakhouses, das Smith and de Luma Restaurant in Zürich, Fleischkurse an der Tasting Academy sowie Edelschimmelpilz-Projekte mit Fisch oder Experimente mit Obst. Auch besondere Fleischsorten wie Kobe-Rindfleisch durften sie bereits veredeln.

Mit Schimmelpilz Fleisch veredeln? Wie genau funktioniert diese Idee, die zwei Surferjungs nach ein paar Bier auf dem heimischen WG-Sofa hatten? Ein nicht ganz unwichtiges Detail ist das Biotechnologiestudium von Lucas Oechslin, durch das er Fleisch bis in die molekulare Ebene versteht. Man füge professionelle Forschung und Entwicklung hinzu und nehme sich genügend Zeit, und dann ist es eigentlich ganz einfach: Die Grundlage bildet ein sehr gutes Stück Fleisch. Nur etwa drei Prozent des Fleisches sind hochwertig genug und eignen sich qualitativ überhaupt für den Veredelungsprozess. Auf diese ausgesuchten Stücke wird nun ein spezieller Edel-


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schimmelpilz aufgetragen. Über die nächsten Wochen hinweg bildet sich äusserlich ein gut sichtbarer «Pelz», welcher die Oberfläche vor Verderbniskeimen schützt und dem Fleisch durch seinen Stoffwechsel einen ganz besonderen, nussigen Geschmack verleiht. Auch im Verborgenen, unter der Oberfläche, geschieht etwas. Der Schimmelpilz frisst sich ins Fleisch hinein und ernährt sich dabei von dem, was es zäh macht. Fertig abgehangen, entfernt man den Pilzflaum. Übrig bleibt ein unglaublich zartes Stück Gourmetfleisch mit unverwechselbarem Geschmack. Wenn das so einfach ist, weshalb hat sich dann noch niemand über das Patent hinweggesetzt und sein eigenes Luma Beef produziert? Was in der Theorie simpel klingt, hat dennoch seine Tücken in der praktischen Umsetzung. Die gute Grundqualität des Fleisches ist die erste Hürde, die es zu meistern gilt. Denn geringere Qualität, zum Beispiel aus Massentierhaltung, verdirbt schneller während der langen Lagerung und ist deshalb nicht für die Veredelung geeignet. Ausschlaggebend für die Fleischqualität sind verschiedene Komponenten wie die Rasse der Tiere, ihre Haltung, das Alter, das Geschlecht und ihre Fütterung. Die Zucht des Edelschimmelpilzes ist eine weitere Herausforderung. Die Anzahl Sporen, die auf das Fleisch aufgetragen werden, der genaue Prozess des Aufbringens ebenso wie die perfekten klimatischen Rahmenbedin-

gungen sind wohlbehütete Geheimnisse der Jungunternehmer. Denn auch sie haben sich ihr Know-how und ihre wertvollen Erfahrungswerte teuer und mühsam erarbeiten müssen. Trotz Startschwierigkeiten zum Erfolg Der Anfang war steinig, da die beiden Freunde aus Kindertagen den langsameren, dafür selbstbestimmten Weg wählten. Das heisst: Keine Investoren, keine Geldspritze von aussen. Stattdessen begannen sie mit ein paar hundert Franken Eigenkapital und einer kleinen, gemieteten Kühltruhe bei einem wohlgesinnten Metzger. Auf ihrer Reise standen die Gründer immer wieder vor Problemen. Liquidität und Cashflow sind bekannte Schwierigkeiten für alle Start-ups, und in diesem speziellen Fall ergab sich ein ungutes Zusammenspiel aus hohen Initialkosten, immensen Anforderungen an Infrastruktur und Lagerung und einem langen Reifeprozess bis hin zum ersten Verkauf. Eine der grössten Schwierigkeiten war jedoch eine gehörige Portion Skepsis, die den absoluten Nobodys in der Gastroszene verständlicherweise entgegenwehte. Dieser begegneten die findigen Fleischveredler mit einer «Volle-Kraft-Voraus»-Strategie: Sie fingen an, bekannte Spitzenköche von ihren Produkten zu überzeugen. Mit steigendem Interesse der Gourmetköche, diversen Promotionen in bekannten Kochshows und wachsen-

der internationaler Fangemeinde stieg auch die Glaubwürdigkeit – und der Name Luma wurde rasch zum Garant für beste Qualität. Die erste reine Onlinemetzgerei Zum Erfolg beigetragen hat sicher die lockere und entspannte Art der Gründer gepaart mit ihrer Bereitschaft, jederzeit neue Wege zu gehen. Lucas und Marco nutzen moderne Kommunikationskanäle, setzen soziale Netzwerke gekonnt ein und kreieren eine ganze Genusswelt rund um ihre Gourmetprodukte. Genau das ist auch ein Kernpunkt ihrer Strategie und ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem traditionellen Metzger von nebenan. Dort hat sich eine gewisse Trägheit verbreitet; niemand hält es für nötig, Neues auszuprobieren. Nur so war es den jungen Unternehmern möglich, mit www.luma-delikatessen.ch den ersten Onlineshop aufzubauen, der sich rein auf Fleisch konzentriert. Bei Luma Delikatessen finden sich nur beste Stücke aus der ganzen Welt und natürlich die Luma D.A.C. Produkte aus der Schweiz. Und hier ist die Rede von «handverlesenen, ausgezeichneten Produzenten» nicht bloss reines Marketingkalkül. Tatsächlich kennen die beiden Fleischveredler alle ihre Lieferanten persönlich und besuchen sie regelmässig vor Ort. Damit das ausgezeichnete Fleisch auch in Topzustand beim Kunden ankommt, setzen die beiden eine neuartige Gefriermethode ein.


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Die Delikatessen werden genau zum perfekten Reifezeitpunkt, sprich Wochen vor dem Verfallsdatum, bei minus 50 Grad schockgefroren. Durch das schnelle Gefrieren bilden sich keine Eiskristalle, und das bedeutet keinerlei Qualitätsverlust. Im Versandpaket bleibt das Gourmetfleisch bis zu 48 Stunden gefroren. Es kann in der heimischen Tiefkühltruhe auf das nächste Festessen warten oder auch nach dem Auftauen noch eine Weile bis zum Verzehr gelagert werden. Anfang 2017 hat eine neue Produktionsstätte im deutschen Leipzig eröffnet. Von dort aus beliefert die Onlinemetzgerei ganz Europa. Auch für Asien gibt es momentan Expansionspläne. Gourmetfleisch hat Zukunft Weshalb sich Fleischveredler im heutigen Umfeld mit dem Trend zur vegetarischen oder gar veganen Lebensweise trotzdem durchsetzen können, zeigt ein Blick auf die Statistiken. Die fleischlosen Ernährungsweisen machen trotz eines leichten Anstiegs noch immer nur einen marginalen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus. Nach einer Gesundheitsbefragung des Schweizer Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 1997 essen 2.3 Prozent der Schweizer kein Fleisch. Im Ernährungsbericht von 2005 war die Zahl mit 2.5 Prozent zwar leicht angestiegen, jedoch noch immer erstaunlich niedrig. Was gemäss Umfragen hingegen durchaus zugenommen hat, ist

der Anteil an sogenannten Flexitariern. Diese Gruppe konsumiert nur wenig Fleisch und isst an gewissen Tagen bewusst keines, sei es aus ökologischen oder gesundheitlichen Aspekten oder aus Beweggründen des Tierschutzes. Ganz nach dem Motto: Sich lieber einmal die Woche ein gutes Stück Fleisch gönnen, als täglich Billigfleisch konsumieren. Vielleicht ist auch das einer der Gründe, weshalb Luma genau den Nerv der Zeit trifft. Die beiden Herren hinter Luma Delikatessen leben auch selbst nach diesem Motto. Mit einem schelmischen Grinsen gesteht Geschäftsführer Marco Tessaro, dass sie ab und zu recht viel Fleisch degustieren «müssen», dass bei ihnen aber unter der Woche

praktisch kein Fleisch auf den Familientisch kommt. Seine Tochter sei schon fast Vegetarierin, und wenn sie doch einmal ein Stück Fleisch esse, dann selbstverständlich nur Luma Beef. Lucas und Marco sind beide Familienväter und bewegen sich zusätzlich im spannenden Umfeld einer Firma im Aufbau. Wo es anfänglich keinerlei Regeln gab, musste die lockere Arbeitsweise mittlerweile einigen Prozessen und Strukturen weichen. Bevor jedoch mein Mitleid überhandnimmt, lässt mich Marco wissen, dass ich die Freigabe für meinen Artikel bei Lucas einholen müsse. Er sei nämlich ab nächster Woche für eine längere Zeit auf Hawaii zum Surfen. Richtig so!


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Grüner Alleskönner. The Big Green Egg


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Ein bisschen komisch sieht er schon aus – nicht John Daly, sondern sein Big-Green-Egg-Grill, den er in der Schweiz und in Liechtenstein vertreibt. Die seltsamen grünen Eier haben es in sich. Denn es sind Multitalente in Sachen Grillen, Kochen und Backen. Beim Anblick eines Green Egg pocht längst nicht mehr nur Dalys Herz laut. Text Karin Huber Fotos Big Green Egg

Tanja Grandits hat ihn, Andreas Caminada hat ihn, auch Martin Real, ebenso viele andere Spitzenköchinnen und Spitzenköche. Aber nicht nur. Der Big-Green-Egg-Grill, ein Kochgerät der Superlative, steht mittlerweile genauso in vielen Gärten und auf vielen Balkonen von Hobbyköchen. Der Grill, man merkt es schnell, kann mehr als nur grillieren. Mit dem Big Green Egg holt man sich eine kleine, kompakte Profiküche ins Haus respektive in den Garten. «Das Big Green Egg ist multifunktional, ist Grill, Back- und Räucherofen sowie Kochgerät in einem. Mit diesem Multitalent kann man alles machen: Von der Vorspeise über den Hauptgang bis zum Dessert. Du kannst Brot und Kuchen backen und zeitgleich einen Fisch grillieren.» Der dies erklärt, ist der Irland-Schweizer John Daly. Er ist der Mann, der das «grüne Ei» hierher holte und in der Bündner Hauptstadt Chur ein Vertriebsgeschäft aufgebaut hat. Profis und generell Menschen, die einfach gerne kochen und grillieren, gehören zu den Käufern. So wie etwa Markus Fischer, pensionierter CEO, langjähriger und hervorragender Hobbykoch, der auch eigene Rezepte entwickelt. «Ich habe», sagt er, «in meinem langen Leben viele Grills benützt und sie wieder entsorgt. Mit dem Big Green Egg aber habe ich den Grill meines Lebens gefunden.»

Rundherum gesund Das grüne Multitalent ist zwar teuer, aber wer je einmal damit experimentiert hat, gibt es offenbar nie wieder her. «Allerdings», räumt John Daly ein, «wer nur ein Steak grillieren will, der braucht kein Big Green Egg. Zudem macht der Grill aus einem schlechten Stück Fleisch kein besseres. Nur mit hochwertigen Stücken ist höchster Genuss garantiert. Die Qualität der Lebensmittel ist immer entscheidend für ein gutes Geschmackserlebnis. Wer also vielfältig und gesund kochen möchte, somit Wert auf höchste Produktqualität legt, der sollte dieses besondere Kochgerät unbedingt ausprobieren.»

Es sind viele Dinge, die für ein perfektes Zusammenspiel sorgen: Der Ofen selbst, der mit Schamott ausgekleidet und mit einer hochwertigen Keramikglasur überzogen ist, die eingebaute Lüftung, welche das Gebläse überflüssig macht und auch ausgewählte Qualitäts-Holzkohle für eine perfekte Glut. Daly erklärt das Prinzip: «Die Luft wird durch die untere Ventilationsschublade gezogen, dann durch die Holzkohle und als Letztes aus dem Dämpfer ganz oben. Das ist das ganze Geheimnis.» Anders als üblich muss man beim Big Green Egg lediglich die oberste Schicht Holzkohle anzünden. Die Kohle wird dann von der unte-


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ren Lüftungs-Schublade gefächert und brennt von oben nach unten ab. «Dieses Verfahren», so Daly, «erklärt auch, weshalb man mit ganz wenig Holzkohle auskommt. Kurz gesagt: Im Grundsatz funktioniert das Kochgerät ähnlich wie ein indischer Tandoori-Ofen respektive ganz nach dem Römertopfprinzip.» Das Green Egg mit der NASA-Keramik Das Big Green Egg wurde vor gut 40 Jahren in Amerika «erfunden» und gebaut. Ed Fisher, ein ehemaliger Vietnam-Kämpfer, lernte im Küstenstaat fern der Heimat die Kamado-Tonöfen, die auf einem 3 000 Jahre alten Kochprinzip basieren, kennen. Zurück in den USA liess er nach diesem Prinzip in einer Tonfabrik die ersten «Eggs» herstellen. Aber die Qualität war für ihn nicht nachhaltig. Ed Fisher machte sich darum auf den Weg zur NASA, um zu fragen, ob aus den Weltraumfahrten Produkte resultierten, die man für seine Öfen verwenden könnte. Tatsächlich wurde Fisher fündig. Die NASA hatte zu jener Zeit bereits hochstehende Keramikplatten entwickelt, die sie als Aussenhaut für die Weltraumshuttles verwendete. Die Keramikplatten liessen sich auf über 1 200 Grad erhitzen. Sie konnten also die Hitze beim Eintreten der Shuttle in die Erdumlaufbahn gut absorbieren. Das Ei-Fieber ist entfacht Ed Fisher war begeistert und baute seine Grills fortan nach der «NASA-Rezeptur», die ähnliche gute Eigenschaften wie der asiatische Kamado-Ofen aufweist. Das Big Green Egg, zusätzlich ausgestattet mit modernen Technologien, war geboren. Doch bis es seinen Weg

nach Europa fand, dauerte es noch lange. Vor zwölf Jahren erst brachte ein Holländer diesen Grill in sein Land und vertrieb ihn bald in Europa. Dann kam John Daly, den das GreenEgg-Fieber vor sechs Jahren packte und der die eiförmigen luxuriösen Kochgeräte seither selber vertreibt. Die grünen Eier haben längst ihren Siegeszug fast schon rund um die Welt angetreten und das spezielle Green-Egg-Fieber somit weltumspannend entfacht. «Mit weit über 100 000 verkauften Grills ist das Big Green Egg unangefochtener Marktführer bei Keramikgrills in den USA und in Europa», weiss John Daly. «Allein im letzten Jahr habe ich über 800 Stück verkauft. Das ist sensationell. Für uns und Big Green Egg war es ein Traumjahr. Das zeigt, dass die Big Green Egg höchste Qualität haben und höchsten Ansprüchen gerecht werden», sagt Daly. «Billigere chinesische Kopien kommen nie an den Grill heran.» Dass er längst sein Herz an diese grünen Eier verloren hat, kann kaum übersehen werden. Tatsächlich gibt es auf dem Markt kein vergleichbares AllroundOutdoor-Kochgerät. Der Zufall John Daly selber ist per Zufall auf das grüne Ei gekommen. «Ich suchte überall nach einem guten Outdoor-Kocher, wollte aber keinen Gasgrill und auch keinen Elektrogrill und entdeckte bei einem Fest den BigGreen-Egg-Grill, der in einem privaten Garten stand. Ich kaufte dann auch einen – und war begeistert. Denn so einen Grill hatte ich noch nie gesehen. Und weil das Kochen mit Feuer

auch in mir meine Urinstinkte weckte, war ich einfach glücklich mit diesem Kochgerät.» Das Ei in vielen Grössen Der Grill, der äusserlich vielleicht kein design-kritisch geschultes Auge zu begeistern vermag, überzeugt rundum durch seine unschlagbaren Eigenschaften, die es ermöglichen, sämtliche Kochtechniken anzuwenden. Im grünen Ei kann man auch niedergaren und natürlich mit 300 Grad ein Steak scharf anbraten oder bei voller Hitze (350 Grad) beste Pizza backen. «Das Big Green Egg ist die Harley Davidson unter den Grills. Wer gelernt hat, es zu steuern, wird mit besten Kochergebnissen belohnt. Es sind oft kleine Finessen, die man mit der Zeit lernt und die zu immer noch perfekteren Resultaten führen», so Daly. «Sicher ist: Jedes Mal, wenn du das grüne Ei einfeuerst, hast du noch mehr Spass. Ich staune schon lange nicht mehr darüber, dass auch Frauen sehr gerne mit dem grünen Ei kochen.» Das Big Green Egg ist so robust, dass es auch im Winter draussen bleibt und darum rund ums Jahr genutzt werden kann. Es gibt den Grill von small bis XXL in sieben Grössen. Das Sortiment an Zubehör ist überdies erstaunlich gross und umfasst organische Holzkohle-Grillanzünder, Grillplatten aus Gusseisen, Rollwagen, Holz- und Chromstahltische, Pfannen und Woks, Bratkörbe, Backund Pizzasteine, Holzschnitzel zum Räuchern und Dutzende von weiteren praktischen Teilen. «Natürlich gibt es bei uns auch Kochbücher, Grillkurse und persönliche Tipps», doppelt John Daly nach.


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Weisse Welle wogt am Tejo. Lissabons neues Kunstmuseum


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Seit März rühmt sich Lissabon eines weiteren Wahrzeichens. Das «Museu de Arte, Arquitetura e Tecnologia» gilt als neuer architektonischer Hotspot. Amanda Levete hat ein filigranes Gebäude in Form einer weissen Meereswelle entworfen. Dieses bildet mit dem monumentalen ehemaligen Elektrizitätswerk eine Einheit. Pedro Gadanho präsentiert im MAAT zeitgenössische Kunst. Text Karl Schuster Fotos MAAT©Hufton+Crow, Karl Schuster

Im gut besetzten Zug geht es aus dem Stadtzentrum in rund acht Minuten hinaus in den noblen Lissabonner Stadtteil Belém. Dort steigt ein guter Teil der Passagiere aus. Die meisten Touristen wenden sich nach links, um an den Tejo zu gelangen. Dort bietet sich ein atemberaubender Anblick: Vom gegenüberliegenden Flussufer grüsst die 28 Meter grosse Christkönig-Statue, die auf einem 81 Meter hohen Sockel den Tejo überragt, es ist eine verkleinerte Kopie der Statue aus Rio de Janeiro. An die Golden Gate Bridge in San Francisco erinnert der Anblick der auf lediglich zwei Stützpfeilern ruhenden, zwei Kilometer langen Hängebrücke «Ponte 25 de Abril». Nun zieht es die Leute nach rechts zum berühmten Torre de Belém, dem Wahrzeichen von Lissabon. Aussergewöhnliche Architektur Neuerdings schwenken viele Touristen in die andere Richtung. Dort steht das im März fertig erstellte Museum of Art, Architecture and Technology (oder in Portugiesisch: Museu de Arte, Arquitetura e Tecnologia),

kurz MAAT. Es ist nicht nur die gewagte Kombination des Museumskonzepts, die für Staunen sorgt. Zunächst sticht die Architektur ins Auge. Die Londoner Architektin Amanda Levete hat das MAAT als grosse, weisse Meereswelle entworfen. Das MAAT bildet einen sehr modernen Kontrast zu den altehrwürdigen Sehenswürdigkeiten Lissabons. «In England wäre ich mit diesem Entwurf nicht durchgekommen. Zum Glück hat Lissabon eine liberalere Einstellung», sagte Levete zur britischen Tageszeitung «The Guardian». Am neuen Gebäude können sich auch die Einheimischen kaum satt sehen, wenn sie auf der Flusspromenade dem Tejo entlang spazieren. Die Fassade ist mit knapp 15 000 weissen und teilweise dreidimensionalen, gebrannten Kacheln verkleidet. In diesen spiegelt sich der Tejo, die Sonne wird durch das überhängende Dach abgeschirmt. So spielt die Architektin mit dem Wasser und zollt mit ihrer Meereswelle (andere sehen in der Form einen Schiffsbug) auch der Geschichte Portugals Tribut. Unweit

von hier, vom Hafen Restele in Belém aus, segelte Vasco da Gama 1497 los, durch die Tejo-Mündung hinaus in den Atlantik Richtung Indien. Zwei Jahre später kehrte er reich beladen mit kostbaren Gewürzen zurück. Portugal stieg darauf zur führenden Handels- und Seemacht dieser Zeit auf. Begehbares Dach als Anziehungspunkt Viele Hauptstädter haben das MAAT bereits in ihr Herz geschlossen. Dafür sorgt nicht zuletzt das begehbare Dach des Museums unter dem stahlblauen Himmel Lissabons. Von hier geniesst man die Aussicht, jeder macht ein Selfie oder fotografiert seine Begleiter, gegen Abend wird die Atmosphäre ausgesprochen romantisch. Für die Lissabonner ist das MAAT zu einem neuen Hotspot geworden, zumal der Ort für sie schon vorher ein Anziehungspunkt war. Ins MAAT integriert ist das alte thermo-elektrische Kraftwerk, das Lissabon über vier Jahrzehnte mit elektrischer Energie versorgte. Der riesige Ziegelsteinbau von Anfang des 20. Jahrhunderts ist seit 1990 ein Elektrizitätsmuseum


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(Museu da Electricidade), das im MAAT den Bereich «Tecnologia» repräsentiert. Wie aussen ist der Kontrast im Innern der beiden miteinander verbundenen Gebäude riesig. Tritt man ins ursprüngliche Kohlekraftwerk ein, blickt man in einen düsteren, bedrückenden Schlund. Man will sich gar nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen hier die riesigen Kessel bedient werden mussten – eine Sammlung von Fotografien und audiovisuellen Darstellungen gibt Auskunft darüber. Wie viel lichter und erbauender ist dann der Gang durch den Neubau. Während Levante die fantastische Hülle des MAAT designt hat, ist Pedro Gadanho als Museumsdirektor verantwortlich für das Innenleben. Der Portugiese war vorher Kurator der Abteilung für Architektur und Design beim Museum of Modern Art (MoMA) in New York. An seiner neuen Wirkungsstätte in Lissabon hat er sich viel vorgenommen. Um die 20 Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst will er in den acht Ausstellungsräumen pro Jahr zeigen. Gegenüber «Deutschlandradiokultur.de» erklärte Gadanho, man wolle Fragen nach dem urbanen Leben oder nach der Wirkung von Technologie auf unseren Alltag aufwerfen und beantworten. Im MAAT soll Kunst entstehen, «die einen kritischen Diskurs mit all dem führt, was uns umgibt.» Utopia/Dystopia Gadanho sorgt bereits seit Oktober 2016 für interessante Ausstellungen. Das MAAT

ist bereits im vergangenen Jahr in einer ersten Phase eröffnet worden. Teile des Elektrizitätswerks wurden für die Kunst-/ Architekturausstellungen umgebaut. Erst im März war die Meereswelle fertig gebaut und somit der Platz für umfassende Expositionen geschaffen. Zur Eröffnung gab es in einem bereits benutzbaren Teil des Neubaus ein interaktives Projekt der Französin Dominique GonzalezForester zu sehen. In ihrem «Pynchon Park» wurde in der «Oval Gallery» auf 1 000 Quadratmeter die komplexe Welt des amerikanischen Schriftstellers Thomas Pynchton mit übergrossen, aufgeschlagenen Textilmatten veranschaulicht. Gonzalez-Forester kombinierte Skulpturen, Musik, Licht und Performance. Ihr Auftritt bildete den Auftakt zur ersten «Manifesto exhibition» – die «Utopia/ Dystopia» im neuen MAAT. Fortgesetzt worden ist dieses Manifest mit einer im März eröffneten Gruppenausstellung. Zu sehen sind bis 14. August 60 Kunstwerke und Projekte von beinahe ebenso vielen Künstlern, deren Werke bei «Utopia/Dystopia» in einen Dialog miteinander treten. «Der technische Fortschritt schürt die Erwartungen an bessere Verbundenheit und höhere Lebensqualität. Doch zyklisch wiederkehrende Krisen stören regelmässig die sozialen, politischen und ökologischen Sphären. Mit dem typischen Auftauchen von utopischen und dystopischen Narrativen in solchen Krisenzeiten spielen Künstler,

Architekten, Schriftsteller und Regisseure eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von Vorschlägen für neue Möglichkeiten. Man trifft eine breite Palette an Ideen an, von einer tiefen Spiegelung von Modernismus bis hin zur aktuellen politischen Szene», umschreibt der quer und progressiv denkende Museumsdirektor seine Idee hinter dieser ersten, umfassenden Ausstellung im MAAT. Die 60 Kunstwerke sollen die einzigartigen Sichtweisen auf diese Themen seit den Siebzigerjahren darstellen. Informationen über weitere laufende und künftige Ausstellungen finden sich auf www.maat.pt (in Portugiesisch und Englisch). Stiftung investiert 20 Millionen Euro Finanziert worden ist das MAAT von der Fundaçâo Energias de Portugal (EDP). EDP ist einer der grössten europäischen Konzerne für erneuerbare Energie und investierte 20 Millionen Euro ins MAAT. Dieses wird mit einer 60 Meter langen Fussgängerbrücke mit dem touristischen Zentrum von Belém und dessen weiteren Sehenswürdigkeiten verbunden. Mit der «Electrica», der historischen Strassenbahn, geht es von dort zurück ins pulsierende Zentrum von Lissabon. Das ist dann nach einem Besuch im MAAT der letzte grosse Kontrast. Weg von der am Tejo wogenden, futuristischen Meereswelle zurück auf die grossen, altertümlich anmutenden Plätze der Metropole. Ein reizvoller Gegensatz.



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Kleinod für Sammler. Curta – alte Erfindung neu entdeckt

Kennen Sie Curta? Die kleinste mechanische Rechenmaschine der Welt war Ende der 1940er-Jahre eine Sensation. Heute ist sie ein Kultobjekt. Sie gilt als legendäres Vermächtnis ihres Erfinders Curt Herzstark aus Wien. Als «Intelligenzsklave» hat er im Konzentrationslager Buchenwald Konstruktionszeichnungen seiner Curta erstellt. Ihre Mechanik soll mit der eines Uhrwerks vergleichbar sein. Text Alexandra Ospelt Fotos Roland Korner, Hansjörg Nipp, Louis Jäger


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In den 1950er-Jahren avancierte die stilvolle und handliche Curta zum Begleiter von Architekten, Vermessungstechnikern, Ingenieuren und Handwerkern. Sie funktionierte verlässlich wie ein Uhrwerk: Die 571 Einzelteile waren in der ersten Version Curta 1 so orchestriert, dass das elegante Gerät die vier Grundrechenarten und später in der Version 2 auch das Wurzelziehen in hoher Präzision ermöglichte. Aber das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile. Warum ist Curt Herzstark, Sohn eines Rechenmaschinenfabrikanten, die Realisation eines mobilen Taschenrechners gelungen? So viele andere fachkundige Zeitgenossen hatten dies erfolglos versucht. Hinweise findet man bei Recherchen im Web und in Büchern: Herzstark erkannte schnell, dass sich die bestehenden Rechenmaschinen nicht ausreichend verkleinern liessen. Er orientierte sich daher an den Dimensionen und der Feinmechanik eines Uhrwerks beziehungsweise einer Taschenuhr und überlegte, wie er den winzigen Mechanismus vergrössern könnte. Er wählte also den umgekehrten Weg. Ausserdem tat er so, als hätte er den mobilen Taschenrechner schon erfunden und legte die besondere Form des Geräts in seiner Vorstellung vorab fest. Dabei orientierte er sich auch an den Vorgaben seiner Kunden – und bewegte sich somit am Puls des Marktes. Seine technische Begabung, die unkonventionelle Denkweise und die praktische Erfahrung aus der Mitarbeit in der Fabrik seines Vaters erlaubte es ihm schliesslich, die komplexe Mechanik im runden Gehäuse mit der Kurbel unterzubringen. Verwandt mit der Uhr? Der pensionierte Reparatur-Fachmann HansRudolf Roshard aus Zürich, der in seinem Leben rund 700 Curtas aus aller Welt repariert hat, reduziert die Gemeinsamkeiten zwischen einer Curta und einer Uhr auf die anspruchsvolle Feinmechanik: «Die Curta funktioniert mittels einer Staffelwalze, diese Technik ist in einer Uhr so nicht vorhanden.» Walter Beck, der kürzlich verstorbene Gründer des Museums für historische Schreib- und Rechenmaschinen in Schaan/FL, zieht den Kreis etwas weiter. Er wählt unter anderem den Vergleich

mit der historischen Rechenmaschine des deutschen Pfarrers Matthäus Hahn aus dem Jahre 1770. Hahn war ein angesehener Uhrmacher; für die Erfindung seines Rechners bediente er sich einer Staffelwalze und bevorzugte eine Art Dosenform. Eine weitere historische Verbindung zu Uhren ergibt sich für Beck durch die altehrwürdigen Schweizer Rechenuhren im Taschenformat. Auf dieser Ebene sind Parallelen zur Uhrenwelt ersichtlich. Das bestätigt auch Hansjörg Nipp aus Mauren/FL, der aktuell an einem Buch zu diesem Thema arbeitet. Er weist darauf hin, dass für die Herstellung des Geräts in der Contina AG anfangs vor allem erfahrene Uhr- und Feinmechaniker aus dem benachbarten Ausland angeworben wurden. Fazit: Menschen, die mit der filigranen Mechanik von Uhren geschickt umgehen können, verfügen über die Kompetenz und oft auch über das Interesse, hervorragende, mechanische Taschenrechner herzustellen. Curta forever Aus dem Konzentrationslager befreit, folgte Curt Herzstark später dem Ruf des damaligen Landesfürsten Franz Josef II., der für die Produktion des Taschenrechners in der Gemeinde Mauren in Liechtenstein den Weg ebnete. Heute erinnert der «Contina-Weg» an die einstige Produktionsstätte – sie wurde 1971 geschlossen. Die Curta ist mehr als ein geniales Produkt, dem die Elektronik den Rang abgelaufen hat. Ihrem Erfinder hat sie im Konzentrationslager das Leben gerettet. Beschäftigt man sich mit ihrer Entstehung, so begegnet man zum Beispiel ihrem Schöpfer, einem kreativen, hoch motivierten Menschen, der über eine ungewöhnliche innere Kraft, technische Begabung und musisches Talent verfügte. Zahlreichen Widerständen und Widersachern zum Trotz hat Herzstark mit seinem Team 1948 den ersten und kleinsten mechanischen Taschenrechner auf den Markt gebracht. Die Curta ist heute nicht nur ein intelligentes Spielzeug für Mathematikbegeisterte und ein Kleinod für Sammler. Sie ist auch ein Beweis dafür, dass Entschlossenheit und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten (fast) alle Hindernisse überwinden können. Danke, Curt Herzstark.


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Es denkt im Staate Dänemark. Charmantes Aarhus


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Shakespeare würde sich heute wohl nicht mehr getrauen, Hamlets Freund Marcellus sagen zu lassen, dass «etwas faul im Staate Dänemark ist». Im Gegenteil: Er würde bestimmt in eitler Freude seinen Stolz darüber kundtun, dass Aarhus zur Kulturhauptstadt 2017 ernannt wurde. Text Jnes Rampone-Wanger Fotos Shutterstock, VistAarhus

Als Kulturhauptstadt 2017 tritt Aarhus aus dem Schatten der grossen Schwester Kopenhagen. Die zweitgrösste Stadt Dänemarks ist bekannt für ihre Vielfalt: Auf überschaubarem Raum bietet Aarhus Wikingertradition, atemberaubende Architektur und exklusive Gastronomie gepaart mit der genialen dänischen Entspanntheit. In diesem Jahr kommen 350 kulturelle Veranstaltungen hinzu, wenn Aarhus gemeinsam mit dem zypriotischen Paphos Kulturhauptstadt Europas ist. «Rethink», umdenken, lautet das Motto des Kulturjahres. Die Kultureinrichtungen aus Aarhus und Umgebung beleben das Programm mit ganz unterschiedlichen Projekten, die mit den Grenzen der Kunstformen, der Sprache und nicht zuletzt der Räumlichkeiten spielen. Das für unkonventionelle Stadtplanung bekannte Dänemark ist das perfekte Land für Ideen wie die kilometerlange Kunstmeile oder eine auf dem Dach eines Museums aufgeführte Wikingersaga. «Los geht's, Aarhus!» Mit einer Lichtershow hat die dänische Stadt Aarhus am 21. Januar ihr Jahr als Kulturhauptstadt Europas begonnen. Dänemarks Königin Margrethe gab bei einer Feier den offiziellen Startschuss für das Projekt mit einem freudigen «Los geht's, Aarhus!» Nach dem Festakt schickte die Monarchin einen Umzug mit rund 4 000 kleinen leuchtenden Wikingerschiffen und sechs grossen Booten auf den Weg. Zehntausende beglei-

teten den Umzug durch die Innenstadt bis zum Hafen. Dort endete das Fest mit einem Feuerwerk und einer Musik- und Lichtershow. Im Konzerthaus hatten die Organisatoren einigen tausend Gästen zuvor einen Vorgeschmack auf das Jahr gegeben. Auch ein Chor aus dem zyprischen Paphos, mit dem sich Aarhus den Titel Kulturhauptstadt 2017 teilt, trat bei der Feier auf. Die Hafenstadt ist stolz darauf, das Jahr mit historisch knappem Budget zu bestreiten. Highlight über Highlight Aarhus verspricht für 2017 viel: «Wir werden das ganz Jahr über arbeiten und spielen! Wir

feiern die volkstümlichen Traditionen und das Neueste, was uns die Kultur in den Bereichen Kunst, Theater, Tanz, Musik, Literatur sowie handwerkliches Können in Gastronomie, Architektur und Design bietet. Wir sorgen für Spektakel und Spekulationen, Feierlichkeiten, Vertiefung und Provokation. Wir untersuchen unsere dänische DNA und geniessen stolz die ganz besondere Geschichte unseres Landes. Wir fragen uns selbst: Was möchten wir auf dem Weg in die Zukunft mitnehmen, und was sollten wir loslassen?», heisst es auf der Website www.aarhus2017.dk. Das Programm des Kulturjahres 2017 hat es in sich, und Kulturbegeisterte werden wohl


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kaum davon abzuhalten sein, sich im hohen Norden für ein paar Tage dem genüsslichen Schwelgen in allerlei Ausstellungen und Veranstaltungen hinzugeben. Schon ein kurzer Blick in die Highlights des Veranstaltungskalenders genügt. «The Garden – End of Times, Beginning of Times» ist ein beeindruckendes Kunstprojekt des Aarhuser Kunstmuseums ARoS, das die Verschmelzung von Kunst, Natur und Stadtleben in den Mittelpunkt stellt. «The Garden» findet im Kunstmuseum, in der Innenstadt sowie an der Küste in Aarhus statt. Mit «Aarhus erzählt» ist bis Ende Jahr die Geschichte der Stadt von der Wikingerzeit bis zur Gegenwart zu sehen. Es lohnt sich diese Ausstellung anzuschauen, bevor man sich auf Entdeckungsreise in der Kulturstadt macht. Rasanter geht es Mitte Mai zu und her, wenn das Classic Race stattfindet. Dann liefern sich 300 Rennwagen aus dem In- und Ausland auf der schönsten kulturgeschichtlichen Rennbahn Nordeuropas ein tolles Rennen rund um den Gedächtnispark. Eine Woche mit allerfeinsten Jazz, der Halbmarathon, das World-Tour-Konzert von Justin Bieber, das Wikingertreffen, das Food Festival sowie Konzerte, Theateraufführungen, Mitmachaktionen, Soundinstallationen und Newcomer-Acts stehen ebenfalls auf dem Programm. Progressive Moderne und dänische Entspanntheit Langeweile kennt Aarhus, das von den Dänen liebevoll und zu Recht «die Stadt des Lächelns» genannt wird, nicht. Und das liegt wohl auch daran, dass selbst die traditionsbeladene Königin bei der Eröffnung des Kulturjahres sagte: «In einer immer internationaleren Welt müssen lokale und nationale Kulturen bewahrt und weiterentwickelt werden. Aber wir sollten auch für Inspiration von aussen offen bleiben.» Besonders gut sichtbar wird die Inspiration im Um- und Andersdenken an der modernen AarhusArchitektur. In der Seestadt «Aarhus Ö» prägt der Eisberg-Komplex mit spitz zulaufenden Bauten und türkisen Balkonen die Silhouette am Wasser. Ein Stück Ländlichkeit bewahren sich die Bewohner der betonlastigen Anlage in ihren mobilen Schrebergärten: Zwischen Häusern und Uferpromenade entfaltet sich ein Meer an Holzkisten, in denen Familien Kräuter und Gemüse anbauen. Angenehm anders ist auch die Architektur des Kunstmuseums ARoS. Als ob das Museum mit zehn Etagen minimalistischer Architektur, der überlebensgrossen Skulptur «Boy» und der zwei Jahrhunderte durch-

schreitenden Gemäldegalerie nicht schon spektakulär genug wäre: Der isländischdänische Künstler Olafur Eliasson hat noch ein begehbares Kunstwerk obenauf gesetzt. «Your Rainbow Panorama» ist eine kreisförmige, von buntem Plexiglas umgebene Aussichtsplattform, die man an einem lauen Sommerspätnachmittag nie mehr verlassen will. Typisch dänische Gelassenheit findet sich in der «alten Stadt», die wie eine Parallelwelt neben dem modernen, pulsierenden Aarhus wirkt. Gemeint ist nicht etwa der mittelalterliche Stadtkern, sondern ein aus Gebäuden verschiedener Epochen zusammengestelltes Freilichtmuseum für Stadtkultur, angeblich das Erste seiner Art. Im Eintritt sind historische Schmankerln wie Kohleintopf und Bier nach einem Rezept aus 1860 inbegriffen. Die Häuser der 30 Handwerker zeigen, wie eng Beruf und Privates vor der Industrialisierung zusammenhingen. Ein neuerer Teil wagt den Sprung ins letzte Jahrhundert: In einem Wohnhaus von 1974 leben Hippies und konservative Businessleute nebeneinander, in den Keller eines Nachbarhauses ist der einst weltberühmte Jazzclub Bent J. eingezogen. Natürlich gibt es auch eine richtige Altstadt. Als Latinerviertel bekannt, lebt Aarhus’ historisches Zentrum von der warmen Atmosphäre zwischen Häusern in Gelb und Orange und zahllosen Geschäften, Cafés und Restaurants. Seit der Guide Michelin 2015 erstmals über die Grenzen der skandinavischen Hauptstädte hinwegschaute, tragen drei Lokale in Aarhus einen Stern, darunter das Gastromé in der Altstadt. Sonnenbad, Sauna und Sport Nach so viel Kunst, Musik, Architektur und Gastronomie brauchen irgendwann Körper und Geist Zeit und Ruhe zum Entspannen. Die Dänin Cathrine Lundager, die Aarhus wie ihre Westentasche kennt, empfiehlt die Strände nördlich und südlich der Stadt, an herrlicher Lage dicht am Wald und unweit von Wohnsiedlungen. Sie sind leicht erreichbar, haben günstige Parkmöglichkeiten und bieten ruhiges Wasser, was sie besonders gut geeignet für Kinder macht. Beliebt sind sie nicht nur im Sommer, denn an vielen Stränden laden das ganze Jahr über öffentliche Saunen zum gesunden Schwitzen ein. Eine gute halbe Stunde nördlich von Aarhus entfernt können Sportfans in Djursland und Mols Bjerge nach Herzenslust wandern und biken, damit Seele, Geist und Körper im Einklang bleiben.


73 HOT SPOT


74 ANNIVERSARY

Zeitloser Zeitmesser. Die Cartier Tank wird 100 Jahre alt


75 ANNIVERSARY

Jeder kennt sie, jeder hat sie schon gesehen: An den Handgelenken anderer Leute, in den Schaufenstern der Uhrengeschäfte, in Anzeigen und immer, wenn von Mode und Stil die Rede ist. Die Cartier Tank prägt seit 100 Jahren die Bildwelten, wenn es um Uhren geht. Kaum eine andere Uhr kann auf eine solch lange und illustre Geschichte zurückblicken. Text Rosanna Carbone Fotos Cartier

Die Uhr ist ein Stilklassiker und wird immer wieder unter den zehn berühmtesten Uhren genannt; ihre zeitlose Eleganz erfreut sich so grosser Beliebtheit, dass Cartier von diesem Modell ständig neue Variationen auflegen kann, Männer- wie Frauenmodelle. Dem Panzer abgeschaut Ihren Namen verdankt sie dem Kampfpanzer (tank = engl. für Panzer). Unter dem Eindruck der Kriegshandlungen, als im Ersten Weltkrieg die ersten Kampfpanzer zum Einsatz kamen, kreierte Louis Cartier die Tank. Eines der ersten Modelle schenkte er General Pershing aus Dankbarkeit für den Eingriff der Amerikaner in das Kriegsgeschehen zugunsten der Alliierten – so geht die Legende. Cartier entwarf eine Armbanduhr, deren Design tatsächlich etwas an einen Panzer erinnert, guckt man sich einen solchen von oben an. Die Ketten der Panzer bilden dabei das Pendant zu den typischen Seitenstegen dieser Uhr. Gehäuseseiten und Bandansätze verbinden sich dabei zu einer einzigen geraden Linie und verleihen so der Tank ihr legendäres, ikonisches Äusseres. Das war 1917. Das Geburtsjahr der Tank, der rechteckigen Armbanduhr, die mit ihrem schlichten, geradlinigen Stil einen neuen Massstab für zeitlose Eleganz setzte. Tank etabliert den Cartier-Code Der Ruf von Cartier als eines der führenden Schmuck- und Uhrenunternehmen weltweit

förderte den Bekanntheitsgrad der Tank zu einer Zeit, in der die runde Taschenuhr noch weit verbreitet war und als männliches Statussymbol galt. Die Armbanduhr hingegen musste sich erst noch durchsetzen und stand gerade am Anfang ihrer umwälzenden Revolution der Uhrengeschichte. In der Anfangszeit wurde sie fast nur für Damen hergestellt. Den Männern galt sie als Modetorheit, und es ist vor allem dem gelungenen Auftritt der Tank zu verdanken, dass der Durchbruch von der Taschenuhr zur Armbanduhr so rasch vollzogen wurde. Allein dieses Verdienst hätte sie schon herausragend gemacht. Unvergesslich aber wurde die Tank schliesslich durch ihr schlichtes, unvergängliches Design. Dieses trug übrigens zudem noch wesentlich dazu bei, die typischen Cartier-Insignien zu etablieren: die römischen Zahlen auf dem Zifferblatt, die blauen Zeiger und den Saphir-Cabochon als Aufzugskrone, die zum berühmten CartierCode wurden. Lieblingsstück mit Namen des Meisters Die Ikone aus dem Haus Cartier ist bis zum heutigen Tag so beliebt, dass sie stetig von Neuem aufgelegt wird. Ihr grundlegendes ästhetisches Prinzip ermöglicht eine Vielzahl von Varianten, die immer wieder neu interpretiert werden: Américaine, Anglaise, Chinoise, Cintrée, Française, Solo und viele weitere. Louis Cartier selbst hatte diese Uhr so geliebt, dass er ihr ein Modell mit seinem

eigenen Namen widmete: die Tank Louis Cartier. Dieses besondere Modell aus dem Jahr 1922 soll nun neu aufgelegt werden, und zwar erstmals mit mechanischem Uhrwerk und Handaufzug und in der trendigen Goldvariation Roségold sowie in edlem Weissgold. Bisher war sie ausschliesslich in Gelbgold erhältlich. Eine Uhr mit Geschichte Die Tank verkörpert dezenten Luxus und einen eleganten Lebensstil. Kein Wunder, sah und sieht man sie an Handgelenken der Prominenz. Über die Jahrzehnte hat sie viele berühmte Liebhaberinnen und Liebhaber begeistert wie Gary Cooper, Fred Astaire, Jackie Kennedy, Andy Warhol, Catherine Deneuve, Lady Diana, Madonna – die allesamt für Stilbewusstsein stehen. Andy Warhol soll einst sogar über seine Lieblingsuhr gesagt haben: «Ich trage sie nicht, um zu wissen, wie spät es ist. Darum ziehe ich sie auch nie auf.» Das sagt alles, wofür die Tank steht: Ästhetik, Eleganz, Klassik. Und so lassen sich auch die typischen Käufer einer Cartier Tank charakterisieren: stilbewusste Personen mit Sinn für Eleganz und Ästhetik und mit Interesse an Formuhren und Uhren mit Geschichte. Der Star im Hause Cartier wird heuer hundert Jahre alt. Als zeitlose Zeitzeugin ihrer Stilepoche hat die Tank schon längst Kultstatus erreicht. Ein Meisterwerk der Uhrmacherkunst.



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