Deshalb sind wir Feministinnen
Neuauflage
sozialistische jugend
Deshalb sind wir Feministinnen
impressum
Medieninhaberin: Trotzdem Verlag GmbH Herausgeberin: Sozialistische Jugend Österreich Autorinnenkollektiv: Stefanie Vasold, Kati Hellwagner, Carina Altreiter, Laura Dobusch, Denise Groschan, Romina Lercher, Kathi Luger, Jasmin Malekpour, Raphaela Pammer, Martina Punz, Sabine Schatz, Irini Tzaferis, Chritine Utzig, Daniela Wickenschnabel Wir danken allen GenossInnen für die zahlreichen Anmerkungen, Diskurse und Korrekturvorschläge. Und Anja Meulenbelt. Alle: Amtshausgasse 4, 1050 Wien Layout: modularplus.com 1. Auflage 2003 2. Auflage 2007
„Als eine Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die Welt.“ (Marie von Ebner–Eschenbach) .
inhalt
Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Die Geschichte der Frauenbewegung . . . . . . . . . . . . . 9 1. Bürgerliche Frauenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Französische Revolution Bürgerliche Frauenbewegung in Österreich Radikale bürgerliche Frauenbewegung international Bildungszugang für Frauen 2. Die proletarische Frauenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Ein erstes Aufflackern – die Frauen der Pariser Kommune Sozialistische Emanzipationstheorie Das Leben einer Arbeiterin Proletarische Frauenbewegung in Österreich Streitpunkt Wahlrecht Sozialistische Fraueninternationale 3. Der erste Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4. Auswirkungen der russischen Revolution auf die Frauenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
7. Zweite Republik und neue Frauenbewegung . . . . . . . . . 45 Vom Kriegstrauma in die „heilen“ 50er und 60er Die fetzigen 60er und 70er Der Kampf um die legale Abtreibung Sozialistische Alleinregierung und die Rechtsreform 80er und 90er Jahre III. Feministische Theorien, Themen, Entwicklungen . . . 58 Bildung ist Befreiung Theoretische Grundlagen der aktuellen feministischen Debatte Gender Mainstreaming Sprache als Thema der Frauenbewegung IV. Aktuelle Situation und Unterdrückung von Frauen . . . 65 Arbeitswelt Armut ist weiblich Unbezahlt und unsichtbar Schönheitsterror Gewalt gegen Frauen V. Deshalb sind wir Feministinnen – Wer wir sind und was wir wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5. Erste Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 6. Faschismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Ständestaat und Austrofaschismus Die Rolle der Frau in der Ideologie des NS-Faschismus
VI. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Verwendete Literatur Linktipps Sozialistische Jugend vor Ort .
vorwort zur 2. auflage
Wir stehen auf den Schultern von Riesinnen!
Diese Broschüre entstand im Rahmen der Kampagne „Deshalb sind wir Feministinnen“, die von den Frauen der Sozialistischen Jugend im Jahr 2003 entwickelt wurde. Die Broschüre rief sehr viel positives Echo inner- wie außerhalb der SJ hervor und war bald vergriffen. Von vielen Seiten hörten wir, dass die Broschüre als kompakter Überblick über die Geschichte der Frauenbewegung in Österreich in ganz verschiedenen Zusammenhängen positive Verwendung erfahren hat. Aus diesem Grund haben wir uns auch entschlossen eine zweite, leicht überarbeitete und neu gelayoutete Version der Broschüre zu produzieren. Mittlerweile ist die Kampagne selbst Geschichte – und vielleicht auch zu einem kleinen Teil zur Geschichte der Frauenbewegung geworden. Doch die Broschüre gibt es wieder und richtet sich an all jene, die sich mit der Geschichte der Frauen beschäftigen wollen, mit den Kämpfen der Generationen vor uns, deren Erfolge so wesentlich unsere Stellung in der Gesellschaft heute bestimmen. Mit dem Versuch einen Teil der zahlreichen Frauen-Bewegungen aufzuschreiben .
und festzuhalten, schaffen wir uns unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zu viele Frauen sind verschwunden durch die Geschichtsschreibung, die so lange nur von und für Männer betrieben wurde. Geschluckt durch die Herrschenden. Lange Zeit haben Frauen damit zugebracht wie Paläontologinnen kleine, verstreute Stücke einzusammeln, zusammenzusetzen, Lebensgeschichten zu rekonstruieren, Verläufe und Wandel weiblichen Wirkens zu dokumentieren. Und das Sammeln geht weiter. Die Geschichte der Frauenbewegung wird jeden Tag weiter geschrieben - durch alle Frauen, die sich und damit auch ihre Umwelt bewegen und verändern. In diesem Sinne hoffen wir, dass die Neuauflage der Broschüre Frauen (und Männer) dazu anregt, sich auseinanderzusetzen, weiterzudenken, selbst einen kleinen oder größeren Schritt zu machen und damit die Geschichte der Frauenbewegung weiter zu schreiben. Stefanie Vasold & Kati Hellwagner Für die frauenpolitische Kommission der SJ Österreich
I. Einleitung Weil Frauenarbeit nie aufhört und unterbezahlt oder unbezahlt, langweilig und monoton ist, weil wir die Ersten sind, die entlassen werden, weil es wichtiger ist, wie wir aussehen, als was wir können, weil es unsere Schuld ist, wenn wir vergewaltigt werden, weil wir es provoziert haben, wenn wir geschlagen werden, weil wir nymphomanisch sind, wenn wir Freude beim Sex haben und frigide, wenn wir keine haben, weil uns nur der richtige Mann fehlt, wenn wir Frauen lieben, weil wir ungeduldig und hysterisch sind, wenn wir zu viele Fragen stellen, weil wir egoistische Rabenmütter sind, wenn wir staatliche Kinderbetreuung fordern, weil wir aggressiv und unweiblich sind, wenn wir für unsere Rechte kämpfen, weil wir schwach sind, wenn wir es nicht tun und wir Torschlusspanik haben, wenn wir heiraten wollen, weil wir unnatürlich sind, wenn wir es nicht wollen, weil wir gewissenlos sind, wenn wir abtreiben und weil an atomarer Hochrüstung mehr Interesse besteht als an der Verbesserung von Verhütungsmitteln … … deshalb und aus vielen, vielen anderen Gründen sind wir Feministinnen! Wie Frauen es drehen und wenden, ganz recht können sie es nicht machen und ganz gleichberechtigt sowieso nicht. Konservative PolitikerInnen und Medien wollen uns glauben machen, Frauen wären mittlerweile „eh schon gleichberechtigt“:
Sie hätten die gleichen Chancen und Möglichkeiten auf Selbsterfüllung wie ihre Brüder, Freunde, Ehemänner oder Väter. Sie müssten sich nur richtig bemühen, dann ginge es schon. Sie bräuchten sich eigentlich überhaupt nicht „künstlich aufzuregen“ und auch nicht gegen die Männer an ihrer Seite zu „hetzen“. Solche Aussagen sind nach wie vor auf der Tagesordnung. Frauen, die sich engagieren und sich für ihre Rechte einsetzen, Frauen, die offen gegen Diskriminierung und Sexismus auftreten, werden verächtlich als hysterische, frustrierte Emanzen und radikale Feministinnen abgetan. Offensichtlich hat die „Männerdomäne Welt“ die Erschütterung, die ausgelöst wurde, als Frauen endlich gemeinsam aufstanden, um das Menschsein dritter Klasse abzuschaffen, schwer berührt. Mit Erniedrigung und Verachtung wird denen, die aufbegehren, begegnet. Dieses Schicksal teilen Frauen mit allen anderen in der Menschheitsgeschichte, in der, wann immer die Herrscher ihre Machtposition in Frage gestellt oder sogar bedroht sahen, mit Einschränkungen, Gewalt und auch Mord reagiert wurde. Schließlich gibt niemand gern und freiwillig Macht ab. Feminismus an sich bezeichnet die Theorie, die der Frauenbewegung und ihren Zielen zu Grunde liegt. Feministinnen sind also, entgegen aller negativen Assoziationen mit Männermörderinnen, nicht die, die Herrschaft ergreifen und alle Männer unterdrücken wol .
einleitung
len, sondern Frauen, die für ihre Rechte kämpfen – Rechte, die ihnen zustehen. Mit dem Ziel einer gleichberechtigten Gesellschaft, in der Lebensentwürfe ohne die Kategorie Geschlecht stattfinden können. Feminismus umfasst alle Lebensbereiche. Die so genannte „Frauenfrage“ ist alles andere als ein Kapitel für sich. Sie stellt sich in allen Bereichen unseres Lebens täglich aufs Neue und beschränkt sich nicht auf sogenanntes „Frauenspezifisches“ allein. Jedes Aufbäumen gegen Ungerechtigkeit im Geschlechterverhältnis ist feministisch. Und jeder Kampf gegen die Unterdrückung der Menschen, jeder Widerstand gegen systematische AusbeuWir haben es satt, mitgemeint zu sein! Frauen werden in vielen Bereichen des täglichen Lebens unsichtbar gemacht. Die Geschichtsschreibung wird beherrscht von großen Männern. Überall ist die Rede von wichtigen Politikern, Malern, Architekten, Physikern, Mathematikern und Genforschern. In kaum einem Text können wir von Arbeiterinnen, Technikerinnen, Schülerinnen, usw. lesen. Gibt es sie etwa nicht, die Künstlerinnen, die Ökonominnen, die Politikerinnen, die Philosophinnen? Wir meinen: Überall dort, wo von Männern die Rede ist, gibt es auch Frauen. Sie werden uns jedoch durch eine männliche Sprache einfach vorenthalten. Denn obwohl es immer heißt, Frauen wären eh „mitgemeint“, werden sie durch eine männliche Sprache ins Abseits gedrängt und noch weniger wahrgenommen. Sprache schafft Bewusstsein: Durch die in dieser Broschüre verwendete, geschlechtergerechte Sprache wollen wir Frauen ein Stück weit aus ihrer Unsichtbarkeit befreien und ihnen einen Teil ihrer Geschichte und ihres Anteils an der Gesellschaft zurückgeben. Und wir wollen andere ermutigen, die Lücken zu füllen. Im Sinne der Originalität haben wir bei Zitaten darauf verzichtet, Veränderungen vorzunehmen. .
tung und reines Profitinteresse zum Vorteil von Wenigen, jedes Aufbegehren gegen undemokratische und unmenschliche Verhältnisse muss verbunden sein mit dem grundsätzlichen Streben nach der Gerechtigkeit für jenes Geschlecht, das durch all diese systembedingten Umstände doppelt betroffen ist. Jeder Kampf für die Freiheit der Menschen muss also auch ein Kampf für die Freiheit der Frauen sein und umgekehrt! Die Broschüre wirft einen Blick auf die Riesinnen unserer Geschichte. Frauen, die sich in der Vergangenheit zusammengetan und gekämpft haben. Sie haben uns den Weg geebnet. Ihr Erbe ist uns Verantwortung und Aufgabe. In diesem Sinne soll diese Broschüre einen weiteren kleinen Schritt hin zu einer Veränderung und Verbesserung der Verhältnisse durch das Schaffen von Bewusstsein setzen. Wir wollen aufzeigen, dass Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen gesamtgesellschaftliche Ursachen haben und dass das kapitalistische System sich auf diese Unterdrückung stützt – ebenso wie auf die Ausbeutung des Großteils der Menschen unserer Welt. Diese Broschüre ist nur ein Werkzeug im Kampf für Gleichberechtigung. Schließlich ist klar, dass das Wissen um die vorherrschenden, undemokratischen und unmenschlichen Bedingungen allein noch keine Veränderung mit sich bringen kann. Aber das Wissen um diese Situation ist die Voraussetzung für das gemeinsame Auftreten gegen herrschende Strukturen und dafür, sie endgültig umzuwerfen und eine neue Welt zu erschaffen!
II. Geschichte der Frauenbewegung
Frauenbewegung?
Es ist anzunehmen, dass es seit je her eine weiblich Form des Kampfes gegen Unterdrückung gab. Einzelnen Frauen gelang es aufgrund ihrer Position, oft als Frauen oder Töchter von einflussreichen Männern, indirekt Macht auszuüben. Immer wieder schafften es Frauen, sich geltenden Normen und Regeln zu widersetzen. Nur war das lange keine Bewegung im heutigen Sinne.
ist im Folgenden stark auf den deutschsprachigen Raum konzentriert und versucht, die österreichische Frauenbewegung ins Zentrum zu stellen. Die Broschüre kann nur einen Einstieg in das Thema und einen Überblick bieten, aber vielleicht macht dieser Einstieg Lust zum Weiterlesen, zum Beispiel über die Black Feminists, über frauenpolitische Initiativen in Entwicklungsländern oder in die Welt der feministischen Theorie. Das „aufgeklärte“ Weltbild
Kann aber heute überhaupt von „der Frauenbewegung“ gesprochen werden? Etwas genauer nachgefragt, kann schon Verwirrung entstehen: oftmals ist die Rede von der ersten und der zweiten Frauenbewegung, von der bürgerlichen, der proletarischen oder der autonomen Frauenbewegung. Kämpften diese Frauen miteinander für das gleiche Ziel? Oder traten sie gar gegeneinander auf? Um diese Fragen zu klären und um den Frauen ein Stück ihrer Geschichte zurückzugeben, befasst sich der folgende Text mit der Geschichte des Kampfes von Frauen um ihre Rechte. Die Geschichte der Frauenbewegung
Die Phase der Aufklärung mit ihrem zentralen Gedanken, dass alle Menschen gleich sind, war ein wesentlicher Anstoß für die Frage nach Geschlechtergleichheit und für den Beginn der organisierten Frauenbewegung. Nur zeigte sich schon in dieser Zeit, dass gerade jene, die für die Freiheit und Gleichheit „aller Menschen“ eintraten, damit nicht wirklich alle Menschen meinten. Frauen blieben von ihren Bestrebungen ausgeschlossen. Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), ein französischer Aufklärer, schreibt: „Die Frau [ist] eigens geschaffen, um dem Mann zu gefal .
geschichte der frauenbewegung
len.“ Er schreibt Erziehungsromane, in denen nachzulesen ist, wie Mädchen und Burschen ihrer „natürlichen“ Bestimmung entsprechend erzogen werden sollten. Das Bild von den „natürlichen“ und „angeborenen“ Unterschieden zwischen Mann und Frau taucht erst in dieser Zeit auf. Bürgerliche Familienideologie
Den Begriff der „Familie“ im heutigen Sinn gibt es erst seit dem späten 18. Jahrhundert. Das hängt zusammen mit einem grundlegenden gesellschaftlichen Strukturwechsel – dem Wechsel von Feudalismus zu Kapitalismus. Die vorindustrielle Familienform meinte das „ganze Haus“, also alle in einem Haus lebenden Personen. Sie war gleichzeitig eine Gemeinschaft der Produktion und Konsumption. Alle lebten, produzierten und arbeiteten gemeinsam. Es gab zwar eine Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, doch waren die Grenzen fließend und dadurch, dass der Arbeitsplatz gleichzeitig der Wohnort blieb, kam es zu keiner örtlichen, fixen Trennung der Arbeitsbereiche. Mit dem Übergang vom feudalen zum kapitalistischen Produktionssystem änderte sich die Struktur grundlegend und mit ihr entstand die bürgerliche Familie. Es kam zu einer Tren10.
nung von Heim und Beruf. Mit diesem Auseinanderbrechen ging auch die geschlechtsspezifische Zuteilung einher: die außerhäusliche Berufsphäre wurde dem Mann und die innerhäusliche Sphäre der Frau zugeteilt. Mit dem Bruch entwickelte sich auch die bürgerliche Familien- und Geschlechterideologie – es tauchte ein umfassender Regel- und Pflichtenkatalog für die Frau und den Mann auf. Zahlreiche Schriften lieferten eine Anleitung für das „richtige“ Leben gemäß den Geschlechterrollen. Dem Mann obliege alles öffentliche Wirken, gleich ob Beruf, Politik, Wissenschaft oder das Vertreten der Familie nach Außen. Frauen seien zuständig für Kindererziehung, Haushaltsführung und vor allem dafür, dem Mann ein anständiges Heim zu bieten. Auch wenn es seit jeher Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern gab, eröffnete dies in zweifacher Hinsicht neue Dimensionen, nämlich sowohl in der Legitimation als auch in der Bewertung dieser Arbeitsteilung. Legitimiert wurde die Arbeitsteilung nicht mehr damit, dass es sich in der Praxis als nützlich erweist, die Arbeit in bestimmten Bereichen so oder so aufzuteilen, sondern damit, dass gewisse Aufgabengebiete der „Natur“ des Mannes oder der der Frau entsprächen. Der Mann zeichnete sich fortan durch Eigenschaften wie Stärke, Mut, Verstand, Härte, Aktivität und dergleichen aus. Der Frau
geschichte der frauenbewegung
wurden Passivität, Schwäche, Güte, Weichheit, Geduld usw. zugeschrieben. Dies sind Verhaltenszuschreibungen, die bis heute in unserer Gesellschaft verwurzelt sind und von denen uns nach wie vor gesagt wird, sie wären „schon immer“ so gewesen. Tatsächlich sind sie „erst“ vor 200 Jahren aufgetaucht. Begleitet wurden sie seitdem von zahlreichen pädagogischen Schriften, wie Kinder ihren „natürlichen Bestimmungen“ gemäß erzogen werden sollten. Damit setzte sich ein Kreislauf in Bewegung, der ebenfalls bis heute besteht: Kinder werden geschlechtsspezifisch unterschiedlich erzogen und entwickeln dementsprechend geschlechtsspezifisch unterschiedliche Verhaltensweisen. Die zweite neue Dimension macht die Bewertung dieser Arbeitsteilung aus. Die geldbeschaffende Tätigkeit des Mannes wurde höherwertig eingestuft als die „geldverbrauchende“ Tätigkeit der Frau. Nachdem diese Tätigkeiten aber ihrer „Natur“ entsprachen, liegt eine unterschiedliche Bewertung der Geschlechter sehr nahe. Darauf bauten die Aktivitäten der Frauenbewegung auf. Einig waren sich die Frauen im Kampf gegen die Ungleichbewertung. Was die Ursachen dafür seien, welche Methoden im Kampf angewandt werden müssten und was Gleichberechtigung überhaupt heißt, darüber waren die unterschiedlichen Richtungen in der Frauenbewegung nicht immer einer Meinung.
Die namenlosen Frauen (Bruni Regenbogen) Ihr namenlosen Frauen, ihr namenlosen Frauen Aus der Vergangenheit! Ihr Schwestern, wie habt ihr gelebt, was wissen wir denn von euch?! Den Heldentaten der Männer Lauschen wir nun nicht mehr. Wo ist die Geschichte der Frauen, wo ist unsere Vergangenheit? Ihr ungezählten Frauen, ihr ungezählten Frauen, die für Frauenrechte gekämpft. Zurück an den Herd gedrängt Hat man stets euch, wenn ihr erwachtet. Wenn Gewalt nicht half, half Gesetzesmacht, um Frauenkraft zu brechen. Und was ihr getan, wurde ausgelöscht In den Büchern der Vergangenheit. Ihr starken, tapferen Frauen, ihr starken, tapferen Frauen Der französischen Revolution. Zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit Habt ihr gefordert die Schwesterlichkeit! Im Kerker und auf dem Schafott habt ihr Frauen Für unsere Sache gelitten. Gelöscht hat man eure Taten In den Büchern der Vergangenheit. Wir neu erwachten Frauen, wir neu erwachten Frauen Suchen unsere Vergangenheit. Zwischen Lügen und zwischen Zeilen Sind Spuren noch zu finden. Die Fetzen unserer Geschichte Werden wir zusammensetzen, ja. Denn wissen wir, was die Frauen taten, wissen wir auch, was wir tun. 11.
Delacroix 1830: „Die Freiheit führt das Volk an” 12.
geschichte der frauenbewegung
1. Bürgerliche Frauenbewegung
Französische Revolution
Die bürgerliche Frauenbewegung fand ihre Anfänge vor allem in Frankreich und England. Wohlhabende und gebildete Frauen der Oberschicht begannen sich gegen die Ungleichbehandlung zur Wehr zu setzen. Einen der ersten prominenten Schritte unternahm Olympe de Gouges. Die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin 1789 wurde nach der Französischen Revolution die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ verkündet. Der Katalog forderte gleiche Bürgerrechte für alle. Für „alle“ hieß allerdings nur für alle Männer. An eine Verbesserung der Situation von Frauen wurde nicht gedacht. Olympe de Gouges verfasste daraufhin die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die sie 1791 der Nationalversammlung vorlegen wollte. Darin forderte sie, alle von der Revolution erkämpften Rechte auch Frauen zugänglich zu machen. In der Präambel schreibt sie: „Mann, bist du fähig, gerecht zu sein? Eine Frau
„Sag mir, wer hat dir [Mann] die selbstherrliche Macht verliehen, mein Geschlecht zu unterdrücken?“ Olympe de Gouges (1748–1793) Olympe de Gouges wird 1748 in Montauban nahe Toulouse als Marie Gouze geboren, sie ist kleinbürgerlicher Herkunft. Aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau ist, wird ihr keine entsprechende Bildung zuteil und so kann sie ihr Leben lang weder besonders gut lesen noch schreiben. Als Zwanzigjährige geht sie nach Paris und gibt sich den Namen Olympe de Gouges. Dort versucht sie ihren großen Traum zu verwirklichen und Schriftstellerin zu werden. Ihr erstes öffentlich aufgeführtes Stück „Zamore und Mirza oder Der glückliche Schiffbruch“ wird vom großteils adeligen Publikum abgelehnt, weil das Thema des Werkes Kritik an der SklavInnenhaltung in den Kolonien ist. Nach der bürgerlichen Revolution 1789 beginnt sie sich mehr und mehr politisch zu engagieren. In der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ fordert sie gleiche Rechte für die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs. Das Privateigentum bleibt aber unangetastet. 1783 fordert sie in ihrer Schrift „Drei Urnen“, die BürgerInnen selbst über ihre Verfassung abstimmen zu lassen. Aufgrund dieser Forderung und der Verteidigung des Königs kommt sie 1793 vor ein Revolutionstribunal und wird am 3. November 1793 geköpft. 13.
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„… Ach Männer, Männer, welch ein Geschlecht! Weshalb protestiert ihr so gegen alle Bestrebungen, die Frauen zu einer höheren Bildungsstufe zu erheben? Nun gut, wenn es nicht mit euch sein kann, so wird es ohne euch und trotz euch geschehen.“ (Malvida von Meysenbug 1816–1903)
stellt dir diese Frage. Dieses Recht wirst du ihr zumindest nicht nehmen können. Sag mir, wer hat dir die selbstherrliche Macht verliehen, mein Geschlecht zu unterdrücken? Deine Kraft? Deine Talente? … Suche, untersuche und unterscheide, wenn du es kannst, die Geschlechter in der Ordnung der Natur. Überall findest du sie ohne Unterschied zusammen, überall arbeiten sie in einer harmonischen Gemeinschaft an diesem unsterblichen Meisterwerk. Nur der Mann hat sich aus der Ausnahme ein Prinzip zurechtgeschneidert. Extravagant, blind, von den Wissenschaften aufgeblasen und degeneriert, will er in diesem Jahrhundert der Aufklärung und des Scharfsinns, doch in krassester Unwissenheit, despotisch über ein Geschlecht befehlen, das alle intellektuellen Fähigkeiten besitzt.“ 1 Neben dieser Kampfschrift schrieb de Gouges zahlreiche andere. In einer schlug sie vor, die BürgerInnen selbst über die Verfassung abstimmen zu lassen. Daraufhin ließen sie die RevolutionärInnen 1793 mit dem Argument, sie sei für die Wiederherstellung der Monarchie, köpfen. Zwei Wochen nach ihrem Tod wurde sie in einer Rede des Führers Chaumette anderen Frauen als warnendes Beispiel vorgehalten: „Erinnert Euch dieser schamlosen Olympe de Gouges, … die die Pflichten ihres Haushaltes vernachlässigt hat, die politisieren wollte und Verbrechen beging. Alle solchen unmoralischen Wesen wurden vom Rachefeuer der Gesetze
„Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerin“ unter: www.sjoe.at/frauen
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Courrier Républicain, 19. November 1793
vernichtet … Ihr möchtet sie imitieren? Nein, Ihr spürt wohl, dass ihr nur dann interessant und der Achtung würdig seid, wenn Ihr das seid, was die Natur wollte, das Ihr seid.“ 2 Bürgerliche Frauenbewegung in Österreich
Der „Wiener demokratische Frauenverein“ Zu organisieren begannen sich Frauen in Österreich rund um und nach der bürgerlichen Revolution von 1848. In Österreich nahm Karoline von Perin eine Pionierinnenstellung für die bürgerliche Frauenbewegung ein. Sie gründete 1848 den „Wiener demokratischen Frauenverein“ als unmittelbare Reaktion auf die gewaltsame Niederschlagung einer Arbeiterinnendemonstration – der ersten Frauendemonstration in Österreich. Der damalige Arbeitsminister Ernst Schwarzer senkte den ohnehin niedrigen Lohn für Erdarbeiterinnen. Betroffen davon waren 8.000 Frauen. In Folge dessen kam es am 21.8.1848 zu einer Frauendemonstration durch die Wiener Innenstadt. Als einige Tage später eine weitere Demonstration durch den Prater zog, wurde diese gewaltsam niedergeschlagen. Das Resultat der so genannten „Praterschlacht“ waren 18 Tote und 282 Verwundete, darunter viele Frauen. Zwar gab es schon vor der Gründung des „Wiener demokratischen Frauenvereins“ Zusammenschlüsse von Frauen, diese waren jedoch lose Verbindungen mit dem Zweck,
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karitative Arbeit zu leisten. Das lehnte Perin ab. Politische Ziele standen im Vordergrund. Bei der ersten Versammlung des Vereins eine Woche nach der Demonstration kamen zeitgenössischen Berichten zufolge die „Frauen in Scharen“. Diskutiert wurden private Geldsammlungen, um die Arbeiterinnen zu unterstützen. Die Versammlung musste allerdings abgebrochen werden, weil Männer, die es skandalös fanden, nicht teilnehmen zu dürfen, die Fensterscheiben eindrückten und den Saal stürmten. Ziel des Vereins war es „das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen zu verbreiten“. Sie forderten die Gleichberechtigung von Frauen im Bereich der Bildung, soziale Gleichberechtigung und das allgemeine Wahlrecht. In den Statuten war festgelegt, dass der Verein aus „wirkenden (weiblichen) und unterstützenden männlichen und weiblichen Mitgliedern“ besteht. Männer konnten sich dem Verein also nur als finanzielle Förderer anschließen. Bei Sitzungen waren sie nur ausnahmsweise als „Ehrenmitglieder“ zugezogen, erhielten allerdings kein Stimmrecht. Bemerkenswert ist zusätzlich, dass in den Statuten explizit festgeschrieben stand, dass „unter den Mitgliedern kein Standesunterschied gelten darf“ 3. Die Öffentlichkeit reagierte sehr drastisch auf den neuen Verein. Die Presse berichtete vom „Treffen der Freudenmädchen“, wo sich „hässliche“ Frauen, „die keinen Mann mehr bekommen“ und „nicht geheiratet werden würden“ zusammen tun.
Reaktionen im Reichstag Zur Forderung nach dem Frauenwahlrecht gab es auch eine Diskussion in dem während der Revolution gewählten Reichstag. In den Protokollen ist zu lesen, dass sich der spätere liberale Minister Rudolf Brestel zur Debatte äußerte: „Wollte man die Weiber zulassen, weil sie an den Staatlasten teilnehmen, so müsste man aus dem gleichen Grunde auch Kinder und Narren zulassen.“. Bestärkt wurde er vom liberalen Abgeordneten Adolf Fischhof 4: „ … hinsichtlich der Weiber streiten die Gesetze der Menschen nicht gegen die Gesetze der Natur. Eine diesfällige Weiberagitation habe noch nie stattgefunden, sie seien in und außer der Familie vom Manne vertreten und wünschen auch nichts anderes.“ 5 Nach der Niederwerfung der Revolution wurde jede politische Aktivität verboten. Karoline von Perin wurde verhaftet und gefoltert. Ihr Eigentum wurde konfisziert und man entzog ihr das Sorgerecht über ihre Kinder. Schließlich flüchtete sie nach München. Die Rückkehr wurde ihr nur durch die Rücknahme ihrer programmatischen Aussagen und Dementierung jeder Beteiligung an dem Aufruhr gestattet.
„Dem Mann ist im Kampf ums Dasein jede Waffe erlaubt, während der Frau mit brüderlicher Zärtlichkeit allein eine Nähnadel in die Hand gedrückt und gesagt wurde: Nun wehr´ dich tapfer!“ (Hedwig Kettler, 1891)
Das feine Leben einer adeligen Frau … Nicht nur unterschiedliche Formen der Organisierung und der Zielsetzung unterschieden proletarische und bürgerliche Frauen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Natürlich war auch ihr Alltag und ihre Lebensrealität gänzlich unterschiedlich.
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Hauch, Gabriella (1990)
http://www.aeiou.at/ aeiou.encyclop.f/f454672.htm 4
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Feigl, Susanne (2000)
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Rosa Mayreder
Für Frauen des Adels und des wohlhabenden GroßbürgerInnentums kam Lohnarbeit nicht in Frage. Gelassenes Nichtstun galt als Beweis für die finanzielle Sicherheit, die der Ehemann bot. Der Bereich der anstrengenden Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Notwendigkeit wurde von der bürgerlichen Familie tabuisiert. Arbeit bedeutete für die feinen Damen der charmante Schmuck des Hauses zu sein, Kinder in die Welt zu setzen und die DienstbotInnen zu koordinieren. Handarbeiten und Klavierspielen unterbrachen den Müßiggang, freiwilliger karitativer Einsatz und Repräsentationspflichten ergänzten ihren Alltag. Hausund Pflegearbeit wurde an DienstbotInnen ausgelagert. … wird jäh unterbrochen In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Wirtschaftskrise. Viele bürgerliche Frauen, die bis dahin vom Ehemann versorgt wurden und dem skizzierten Bild entsprachen, begannen sich Fragen zu stellen: Was passiert, wenn der Ehemann die Arbeit verliert oder stirbt? Viele bangten aufgrund der wirtschaftlichen Notsituation um die ausreichende Existenzsicherung durch den Ehemann. Die damalige Mädchenbildung war keine geeignete Berufsvorbereitung. Aus dem Wunsch auch für Frauen Verdienstmöglichkeiten zu schaffen, wurde der „Wiener Frauenerwerbsverein“ gegründet. Näh- und Strickstuben, Fortbildungsschulen und eine Frauenhandelsschule wurden errichtet. Das Berufsspektrum
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blieb begrenzt: bürgerlichen Frauen stand ein Beruf als Erzieherin, als Kindergärtnerin oder Krankenpflegerin zur Auswahl. Frauenvereine Aus diesem „Dilemma“ heraus gründete Auguste Fickert 1893 gemeinsam mit Marie Lang und Rosa Mayreder den „Allgemeinen Österreichischen Frauenverein“. Dieser Verein hob sich von anderen bürgerlichen Frauenvereinen insofern ab als dass er soziale Unterschiede zum Thema machte und die Strukturen der Wirtschaft und Gesellschaft in Frage stellte. Sie schufen Bibliotheken und eine Stellenvermittlung. Sie forderten absolute staatsbürgerliche Gleichstellung, die Zulassung zu allen Bildungsstätten und gleiche Berufsmöglichkeiten für Frauen bei gleichem Lohn. Fickert setzte sich aber auch für Prostituierte ein. Sie initiierte 1895 die erste Frauenrechtsschutzstelle Österreichs. Frauen gehen an die Öffentlichkeit Die verschiedenen entstandenen Frauenvereine wandten sich am Ende des 19. Jahrhunderts auch mit eigenen Zeitschriften an die Öffentlichkeit. In dieser Zeit entstanden die „Dokumente der Frauen“ von Fickert, Mayreder und Lang, die „Österreichische Frauenzeitung“ der katholischen Frauenorganisation und die „Arbeiterinnen-Zeitung“ der sozialistischen Frauen.Auch wenn die Positionen zum Teil sehr
geschichte der frauenbewegung
unterschiedlich waren, waren sich alle einig, dass der Zugang zu Bildung für Frauen ein wichtiger Schritt im Kampf um die Gleichberechtigung sein muss. Fickert schrieb in den „Dokumenten“: „Diese Zeitschrift (… ) ist allen kämpfenden Frauen gewidmet. Sei es der Kampf um des Lebens Nothdurft oder der Kampf um das höchste Gute des menschlichen Daseins, das Ringen nach Erkenntnis – er wird ohne Menschenfurcht und unermüdlich geführt werden. Alle, die mühselig und in harter Arbeit ihr tägliches Brot verdienen, sollen aus diesen Blättern Hoffnung und Erquickung schöpfen (… )“ 6 Bund Österreichischer Frauenvereine Einen weiteren Schritt unternahm Marianne Hainisch. Sie gründete 1902 den „Bund Österreichischer Frauenvereine“, ein Zusammenschluss von zunächst 13 Frauenvereinen in Österreich. Bis zur Auflösung des Bundes durch die NSDAP traten über hundert weitere Vereine bei. Marianne Hainisch Marianne Hainisch stammte aus einer wohlhabenden FabrikantInnenfamilie, wurde jedoch aufgrund der aussichtslosen finanziellen Situation einer Freundin politisch wachgerüttelt. Der Ehemann der Freundin war krank und konnte die Familie nicht ernähren. Obwohl die Frau mehrere Sprachen beherrschte, fand sie keinen Beruf. „Unsere Arbeiterinnen konnten sich und ihre Kinder ernähren (… ) War-
um konnten wir Bürgerlichen nichts erwerben? (…) Nun wurde mir plötzlich klar, dass bürgerliche Mädchen für den Erwerb vorbreitet werden müssten. Ich war tief ergriffen und wurde an diesem Tag zur Frauen-Vorkämpferin.“ 7 So beschrieb Marianne Hai-nisch ihre eigene Politisierung. Sie hielt vor der Generalversammlung des Bundes eine Rede „Zur Frage des Frauenunterrichts“, in der sie Mädchenklassen in Realgymnasien und eigene Mädchenschulen forderte. In ihrer politischen Ausrichtung blieb Hainisch stets konservativ. Einmal entschuldigte sie ihre Verspätung bei einer Versammlung mit den Worten: „Die Anteilnahme am öffentlichen Leben darf die Familienmutter nie und nimmer der Pflichterfüllung gegen ihre Familie entziehen.“ 8 1929 gründete sie die „Österreichische Frauenpartei“. Eine Partei, die sich hauptsächlich als Friedenspartei verstand und Frauen ansprach, weil die „friedfertig, sittlich und mütterlich“ seien und deshalb die prädestinierten Trägerinnen für den Frieden darstellen würden. Auguste Fickert distanzierte sich ausdrücklich von dieser Art des Feminismus. Aus diesem Grund trat der Allgemeine Österreichische Frauenverein auch bereits ein Jahr nach der Gründung des Bundes Österreichischer Frauenvereine wieder aus. Katholische Frauenorganisation in Österreich 1907 wurde die Katholische Frauenorganisation gegründet. Sie sprach sich gegen
Versammlung des Bundes österreichischer Frauenvereine
http://www.onb.ac.at/ ariadne/vfb/02guinfl.htm 6
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Feigl, Susanne (2000)
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Wiesinger, Marion (1992)
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geschichte der frauenbewegung
„Empörung ist der erste Schritt zur Veränderung“ (Margret Gottlieb)
ein Frauenstimmrecht aus. Sigismund Waitz, Weihbischof von Brixen, nahm 1917, etwas spät, aber doch, zur Debatte Stellung. Er hielt das Frauenwahlrecht für eine „russische Erfindung“. Die eigentliche Aufgabe der Frau, so seine Auffassung, würde darin bestehen, ihre Familie als ihr Heiligtum und Paradies zu betrachten und zu preisen. Man solle nicht von Wahlrecht sprechen, sondern vom Recht der Frau, davor bewahrt zu bleiben. Er befürchtete, dass mit dem Wahlrecht die Vermischung der Geschlechter einhergehen würde. Damit würden die Frauen ihrer Würde beraubt. Die Unterordnung der Frau sei gottgewollt. Radikale bürgerliche Frauen- bewegung international
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu Gründungen von vielen Frauenvereinen, die später als „bürgerliche Frauenbewegung“ zusammengefasst wurden. Diese Bewegung setzte sich aber wie auch andere, aus sehr unterschiedlichen Strömungen zusammen, mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen und Zielsetzungen. Der radikale Teil der Frauenbewegung war innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung am linken Rand angesiedelt. Ihre Forderungen waren sehr weitgehend. Bedingungslos forderten sie das Frauenwahlrecht und den Zugang zu Ausbildung. Darüber hinaus sahen sie die Entwicklung der Frau lostgelöst vom Status der Ehefrau und Mutter. Sie sprachen sich gegen die Ächtung lediger Mütter aus und 18.
fragten nach den gesellschaftlichen Ursachen von Prostitution, prangerten sexuelle Dopelmoral an und forderten eine neue Sexualmoral. Bekanntheit erlangten die radikalen Frauen vor allem in Großbritannien. Blaustrümpfe Bis ins 17. und 18. Jahrhundert meinte die Bezeichnung „Blaustrumpf“ VerleumderIn, PolizeidienerIn. Als diskreditierende Bezeichnung für gebildete und frauenbewegte Frauen hat sie ihre Wurzeln in einem geistigen Zirkel in London um 1750. Dort erschien neben einigen teilnehmenden Frauen der Botaniker Stillingfleet in blauen statt den sonst üblichen schwarzen Strümpfen. Seit 1830 bürgerte sich der Name als Spottbezeichnung für gebildete Frauen, vorzugsweise in Kombination mit Flachbrüstigkeit und Hässlichkeit. Die Blaustrümpfe waren keine organisierte Bewegung, sondern einzelne gebildete Frauen. Aber auch das reichte schon, um dem Frauenbild zu widersprechen und Aufsehen zu erregen. Suffragetten Vor allem die frühe bürgerliche Frauenbewegung Großbritanniens ist bekannt für ihre unorthodoxen Maßnahmen zur Artikulation ihrer Interessen. Der heute bekannte Name „Suffragetten“ leitet sich von dem englischen „suffrage“, also Wahlstimme, ab. Allen voran war es die 1903 gegründete „Womens Social and Political Union“ (WSPU), die von Christabel und Emeline Pankhurst geführt wurde, die
geschichte der frauenbewegung
Suffragettenparade in Washington
sich durch „Taten statt Worte“ 9 Gehör für ihre Anliegen verschaffte. Nach einigen Jahren verfügte die WSPU über mehrere Sektionen in größeren Städten. Ihre Mitglieder setzten sich vorwiegend aus dem BürgerInnentum und dem Adel, aber auch aus der ArbeiterInnenschaft zusammen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass das Frauenwahlrecht durch Diskussion, Petitionen und Demonstrationen nicht zu erreichen war, änderten sie ab 1908 ihre Strategie: Sie ketteten sich vor Unter- und Oberhaus, kappten Strom- und Telefonleitungen, traten in Hungerstreiks und warfen Sprengsätze in Gebäude. Das Haus eines Abgeordneten, der sich öffentlich gegen das Frauenwahlrecht wandte, nachdem er die WSPU zuvor unterstützt hatte, wurde niedergebrannt. Als am 18. November 1910 im britischen Parlament einem Vorschlag für ein eingeschränktes Frau-
enwahlrecht nicht zugestimmt wurde, versuchten an die 300 Frauen, in das Haus einzudringen. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die sie mit Gewalt davon abzuhalten versuchten. Mehr als 100 Frauen wurden verhaftet, das Auto des Premierministers wurde von den Suffragetten demoliert. Dieser Tag ging als „schwarzer Freitag“ in die Geschichte der Frauenwahlrechtsbewegung ein und löste auf der einen Seite große Empörung, auf der anderen aber eine Welle öffentlicher Unterstützung und regen Zulauf zur Organisation aus.Tragischer Höhepunkt der SuffragettenBewegung war der Tod Emely Wilding-Davisons. Sie warf sich als Akt der Verzweiflung und Aufrüttelung bei einem Pferderennen 1913 vor 9
„Deeds not words“, also „Taten statt Worte“ war das Motto der radikalen WSPU http://www.onb.ac.at/ariadne/projekte/frauen_waehlet/nebRaum11a.html
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geschichte der frauenbewegung
gen mit ihren Forderungen weit über das bürgerliche Spektrum hinaus. Bildungszugang für Frauen
Emeline Pankhurst wird verhaftet
ein königliches Pferd. Ihr Begräbnis wurde zu einer gigantischen Demonstration im Zeichen des Frauenwahlrechts. Durch das kurz danach ausgesprochene Verbot der WSPU konnten die Suffragetten nur mehr im Untergrund organisieren. Das tatsächliche Ende der Bewegung kam mit dem Ersten Weltkrieg. Die WSPU stellte sich voll in den Dienst für das Vaterland. Aber auch in Deutschland gab es rund um Hedwig Dohm, Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann und Minna Cauer einen radikalen Flügel der Frauenbewegung. In Österreich lässt sich der radikale Flügel rund um Auguste Fickert finden. Diese Strömungen zeichneten sich zwar nicht durch den spektakulären Aktionismus der Britinnen aus, aber auch sie gin20.
Der Zugang von Frauen zur Bildung entwickelte sich nur sehr zögerlich: das erste Mädchengymnasium in Wien eröffnete 1892 in der Hegelgasse. Das Ministerium gestattete die Öffnung der Schule nur unter der Bedingung, dass sie nicht Gymnasium genannt würde, sondern „gymnasiale Mädchenschule“. Vorreiterin in der Frage des Uni-Zugangs war die Universität Zürich, wo Frauen ab 1863 inskribieren konnten. Zwischen 1870 und 1894 gewährte man in vielen Ländern Europas Frauen den Zugang zum Hochschulstudium. Ausnahmen blieben Preußen und Österreich. Hier bot die Universitäts- und Mittelschulreform von 1849/50 den Gegnern des Frauenstudiums eine unbeabsichtigte, aber willkommene Handhabe: ohne Matura war ein Studium nicht möglich. Erst 1896 wurde die gesetzliche Voraussetzung für die Ablegung der Matura für Frauen geschaffen. Der stete Druck von Frauenvereinen und die gesellschaftliche Notwendigkeit führten schließlich dazu, dass 1897 Frauen zum Studium an der Philosophischen Fakultät zugelassen wurden. Im Jahr 1900 wurde ihnen auch der Zugang zum medizinischen Studium eröffnet. Erst nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1919 konnten Frauen an der juridischen Fakultät als ordentliche Hörerinnen inskribieren. 1923 an der evangelisch-theologischen und erst ab 1946 an der katholisch-theologischen Fakultät.
geschichte der frauenbewegung
2. Die proletarische Frauenbewegung
Ganz anders betrachteten die proletarischen Frauen den Weg zur Gleichstellung. Sie kämpften gemeinsam mit den männlichen Genossen gegen das System, in dem sie die Wurzel des Problems erkannten. „Die Befreiung der Frau ist nur durch den Sozialismus möglich, weil ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Frauenfrage und sozialer Frage besteht. Jede Klasse hat auch ihre eigene Frauenfrage. Die proletarische Frau muss sich deshalb auf ihre eigene Klassengrundlage stellen und sich fest in den Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus eingliedern. Die Befreiung der Arbeiterklasse von der Klassenherrschaft verbirgt deshalb auch für die Frau erst ihre volle Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit. Die wahre Ursache aller Unterdrückung liegt auch für die Proletarierinnen in der Klassengesellschaft.“ 10 Clara Zetkin Die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung waren eng verbunden mit der Entstehung der ArbeiterInnenbewegung und dem der sozialistischen Emanzipationstheorie. Die Ausbreitung der kapitalistischen Arbeitsweise brachte völlig neue soziale Strukturen mit
„Die bürgerliche Frauenbewegung ist nicht Vorkämpferin, Interessenvertreterin aller befreiungssehnsüchtigen Frauen. Sie ist und bleibt bürgerliche Klassenbewegung.“ Clara Zetkin (1857–1933) Clara Zetkin wird am 5. Juli als Clara Eißner in Wiederau (Sachsen) geboren. Sie ergreift den selben Beruf wie ihr Vater - sie wird Lehrerin. Als sie aber mit der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Kontakt tritt, führt dies zum Bruch mit ihrer Familie. In Paris setzt sie sich eingehend mit den Lehren des Marxismus auseinander. Als Leiterin der Zeitung der deutschen Arbeiterinnen, der „Gleichheit“, wird sie zur Leitfigur der proletarischen Frauenbewegung. Als Vorsitzende des Internationalen Frauensekretariats schlägt Zetkin die Einrichtung eines internationalen Frauentages vor. Weil sie, so wie Rosa Luxemburg, den reformistischen Kurs ihrer Partei ablehnt, schließt sie sich 1917 der USPD, 1919 der KPD an. Von 1921–1925 leitet sie die Zeitschrift „Die Kommunistische Fraueninternationale“ und ist von 1925–1933 Präsidentin der Internationalen Roten Hilfe. Am 20. Juni 1933 stirbt Clara Zetkin nach schwerer Krankheit in Archangelskoje bei Moskau. Ihre Urne wird an der Kremlmauer beigesetzt.
10
weitere Informationen: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/ZetkinClara
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geschichte der frauenbewegung
sich. Arbeiterinnen wurden voll in die kapitalistische Wirtschaft eingegliedert. Der Kampf um ein menschenwürdiges Arbeitsrecht deckte sich mit den Anliegen der männlichen Genossen. Sie unterschieden sich allein dadurch in Methoden und Zielen grundlegend von den bürgerlichen Frauen. Ein erstes Auff l ackern – Die Frauen der Pariser Commune
Die Pariser Commune war der erste Versuch einer sozialistischen Revolution. 1871 übernahmen die Pariser ArbeiterInnen für 72 Tage die Macht in ihrer Stadt. Zahlreiche Verbesserungen für die Bevölkerung von Paris folgten. So wurden zum Beispiel die Fabriken unter die Kontrolle der ArbeiterInnen gestellt und die Kirche verlor ihren Einfluss auf die Pariser Gesellschaft. Der unmittelbare Auslöser für die Kämpfe in Paris ist bei den Frauen zu suchen: Die Französische Armee versuchte in den Morgenstunden des 18. März 1871, die Pariser Nationalgarde zu entwaffnen und die Kanonen vom Montmartre abzutransportieren. Die Frauen, die bereits unterwegs waren um Nahrungsmittel zu besorgen, stellten sich vor die Kanonen. Die Soldaten hatten Skrupel auf Frauen zu schießen und so verblieben die Kanonen in Paris und die Armee musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Beeindruckt durch den Mut der Frauen liefen Teile der französischen Armee zur Pariser Nationalgarde über. Ein Mitglied der Föderierten der Nationalgarde erklärte den bürgerlichen Bataillonen: 22.
„Glaubt mir, ihr könnt euch nicht halten; eure Frauen zerfließen in Tränen und unsere weinen nicht einmal.“ Während der preußischen Belagerung im Winter 1870/1871 hatten sich viele Kooperativen und Nachbarschaftsgruppen zur Nahrungsmittelversorgung gebildet, die Aufgaben übernahmen, die traditionellerweise von Frauen erledigt wurden; es wurden Volksküchen (so genannte „Revolutionäre Kochtöpfe“) eingerichtet und Krankenkassen gegründet. Notsituationen führen oftmals dazu, dass traditionelle Geschlechterrollen aufbrechen. Der Rückzug ins Private war nicht mehr möglich, weil die Verstrickungen zwischen politischen Ereignissen – in diesem Fall der Deutsch-Französische Krieg – und dem Alltag mit seiner Hungersnot viel zu stark geworden waren. Ein zweiter wichtiger Punkt für die Organisierung von Frauen waren die so genannten Widerstandskomitees. Diese gründeten sich nach dem Kriegsausbruch in ganz Paris. Teils ausschließlich männlich – teils gemischt, gab es auch viele, die rein weiblich waren. Das einflussreichste dieser Komitees war das Widerstandskomitee am Montmartre, unter anderem gegründet von Louise Michel, Andre Leo und Sophie Poirier. Außerdem gab es einige Initiativen, Frauenerwerbsarbeit zu unterstützen, zum Beispiel durch die Schneiderei-Werkstatt von Sophie Poirier, in der zwischen 70 und 80 Arbeiterinnen beschäftigt waren. Einige der von der Commune verabschiedeten Dekrete veränderten das Leben der
geschichte der frauenbewegung
Pariserinnen maßgeblich. So wurde Prostitution als „kommerzielle Ausbeutung von menschlichen Kreaturen durch menschliche Kreaturen“ abgelehnt, die Hausarbeit wurde ins öffentliche Leben ausgelagert – also vergesellschaftet –und einseitige Scheidungen wurden möglich gemacht, was für viele Frauen eine Erlösung aus Gewaltverhältnissen darstellte. Nicht zu vernachlässigen ist auch die militärische Beteiligung der Frauen an den Kämpfen um die Commune. Kämpften die Frauen vorerst nur im Hintergrund, indem sie die Männer versorgten und sich um deren Wunden kümmerten, taten sie dies bald mit der Waffe in der Hand an der Front. Die sozialistische Emanzipationstheorie
Die sozialistische Emanzipationstheorie stützt sich zu Beginn auf zwei wesentliche Werke: August Bebels „Die Frau und der Sozialismus“ 11 und Friedrich Engels „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ 12. Bebels und Engels stützten sich auf zwei Thesen: Erstens, dass Sexualität und Familienform keine biologisch festgelegten sondern geschichtlich gewachsene Institutionen sind und zweitens, dass die Befreiung der Frau von patriarchaler Bevormundung nur im Prozess der Emanzipation beider Geschlechter von jeglicher Form der Ausbeutung möglich ist. Bebel wies auf die doppelte Unterdrückung der Frauen im Kapitalismus hin: „Das weibliche Geschlecht in seiner Masse leidet in doppelter Beziehung: Einmal leidet es unter der sozialen und
gesellschaftlichen Abhängigkeit von der Männerwelt – diese wird durch formale Gleichberechtigung vor den Gesetzen und in den Rechten zwar gemildert, aber nicht beseitigt – und durch die ökonomische Unabhängigkeit, in der sich die Frauen im Allgemeinen und die proletarischen Frauen im Besonderen gleich der proletarischen Männerwelt befinden.“ 13 Clara Zetkin bringt den Unterschied zwischen proletarischer und bürgerlicher Frauenbewegung in einer Artikelserie in der sozialistischen Frauenzeitschrift „Gleichheit“ auf den Punkt: „Die Frauenrechtlerinnen (die bürgerlichen Frauen, Anm.) erstreben nur einen Kampf von Geschlecht zu Geschlecht, gegen die Männerherrschaft ihrer eigenen Klasse, gegen die Vorrechte männlicher Privilegien, die sie auch für sich reklamieren. Die proletarischen Frauen dagegen zielen auf einen Kampf von ausgebeuteter zu ausbeutender Klasse, einen in enger Ideen- und Waffengemeinschaft mit den Männern ihrer Klasse geführten Krieg gegen kapitalistische Ausbeutung“ 14 Das Leben einer Arbeiterin
Frauenarbeit Am Anfang stand innerhalb der ArbeiterInnenschaft – wie auch bei den Bürgerlichen – die Diskussion um Frauenarbeit. Nur wurde sie unter ganz anderen Vorzeichen geführt. Um die Familie ernähren zu können, reichte das Männereinkommen nicht aus. Frauen waren gezwungen, Arbeit unter schlechtesten Bedingungen anzunehmen und oft war ein
11
1. Auflage 1878
12
1. Auflage 1884
13
Bebel, August (1878)
14
Die Gleichheit, Nr. 8, 4. Jg., 18.4.1894, S. 63
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geschichte der frauenbewegung
zusätzliches Einkommen durch Kinderarbeit die einzige Möglichkeit zu überleben. Nachdem das Gehalt von Frauen nur einem Bruchteil des durchschnittlichen Männereinkommens entsprach, wurden sie als Lohndrückerinnen eingesetzt. Viele Genossen (auch der von Ferdinand Lassalle gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein) forderten daher ein Frauenarbeitsverbot. Einerseits mit dem Argument der Lohndrückerei, aber auch mit dem Argument, es widerspreche der weiblichen Natur. Clara Zetkin hielt ihnen entgegen: „Die Frauenarbeit sei eine gesellschaftliche Notwendigkeit, auf der ökonomischen Unabhängigkeit oder Abhängigkeit beruhe die Freiheit oder die soziale Sklaverei. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau sei die Vorraussetzung für die Beseitigung der Unterdrückung der Frau.“ 15 Zur Erwerbsarbeit … Das Recht auf Erwerbsarbeit war für die Arbeiterinnen in der Praxis kein Thema: Sie mussten Geld beschaffen, auch wenn viele ihrer männlichen Kollegen sie lieber aus der Fabrik draußen haben wollten. Für Proletarierinnen begann die Erwerbsarbeit im Alter zwischen 11 und 15. Der Arbeitstag hatte zwischen 11 und 18 Stunden. Die Wohnsituation war erbärmlich. Sie teilten sich oft ihr Bett als „Bettgeherinnen“ mit anderen Frauen, die in einer anderen Schicht arbeiteten. Im Wohnheim am Wienerberg schliefen in einem Raum 15 http://dielinke.at/artikel/hintergrund/ clara-zetkin-1857-1933-vorkampferin-der-sozialistischen-frauenbewegung
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20 bis 30, in schlimmen Zeiten sogar bis zu 60 Ziegelarbeiter und -arbeiterinnen. Ihre Arbeit in der Fabrik stand der „schweren Männerarbeit“ um nichts nach: dort, wo Männer zuviel kosteten, rückten Frauen an deren Stelle. Mit dem Argument, dass Frauen aufgrund ihrer schwächeren körperlichen Konstitution weniger leisten könnten und Männer als „Familienernährer“ gesehen wurden, bekamen Frauen für die gleiche Arbeit oft nicht einmal 40 % des männlichen Lohns. Existenzsicherung war damit nicht möglich. In der „Gleichheit“ war ein Bericht über die Arbeit in einer Textilfabrik zu lesen: „Wer heute einen der großen Säle einer Wuppertaler Riemendreherei betritt, bleibt im ersten Augenblick sprachlos inmitten des ihn umtosenden Höllenlärms stehen. Zwanzig bis dreißig im Gang befindliche, durch Dampf getriebene Riementische verursachen ein Getöse, dass es dem Unkundigen scheint, auch der stärkste Mann müsste davon taub werden, müsste es auf die Dauer nicht ertragen können. Dazu herrscht im Saale eine drückende, schwüle Atmosphäre, die Luft ist erfüllt von Wolken voll Woll- und Baumwollfäserchen, die durcheinander wirbeln, es riecht nach Maschinenöl, nach den Ausdünstungen vieler Menschen. Schon der bloße Aufenthalt in diesem Raume erscheint als ungesund, um wie viel mehr muss die langstündige, intensive Arbeit in demselben gesundheitsschädigend sein! Und doch sind hier zahlreiche Frauen und halbwüchsige Mädchen tagein tagaus 11 Stunden und oft länger beschäftigt. … es braucht deshalb nicht wundern, dass die Textilarbeiterinnen meist bleich
geschichte der frauenbewegung
Die harte Lebensrealität …
und blutarm sind, früh altern, an Husten, Krankheiten der Atmungsorgane leiden und sehr oft in jungen Jahren schon von Schwindsucht dahingerafft werden. … obgleich sie schon nach wenigen Tagen ‚angelernt’ sind, müssen sie sich doch mit Anfängerlöhnen begnügen, welche geradezu skandalös niedrig sind.“ 16 … kommt die doppelte Belastung durch unbezahlte Hausarbeit Waren die Arbeiterinnen einmal verheiratet, eröffnete sich ihnen eine neue, zweite Arbeitswelt: der Haushalt. Ihm fallen vorwiegend zwei Reproduktionsfunktionen zu: verbrauchte Arbeitskraft wieder herzustellen und den Nachwuchs für den Arbeitsmarkt zu schaffen. Beides war (und ist) Frauensache. Nach einem 16 Stunden Tag oblag es den Frauen, Essen zu kochen, Wäsche zu waschen und Kleidung zu flicken. Die Kindersterblichkeitsrate war extrem hoch. Ein Vergleich zwischen der Rate im (bürgerlichen) 1. Wiener Gemeindebezirk und dem
(proletarischen) 10. Bezirk bringt die soziale Dimension dieser Frage klar zum Ausdruck: Währende 1908 in der Inneren Stadt 9,3 % aller Kinder im ersten Lebensjahr starben, waren es in Favoriten 29,9 % 17. Mutterschutz gab es nicht. Arbeiterinnen verloren ihre Arbeit von einem Tag auf den anderen. Dann mussten die Frauen Heimarbeit verrichten. Diese fabriksmäßige Heimarbeit wurde häufig noch durch zusätzliche Arbeiten aller Art ergänzt. Frauen blieben Hilfsarbeiterinnen, die um ihre Existenz bangen mussten und der Unterdrückung der Männer im Betrieb, im Haus und in der Partei ausgeliefert waren. Proletarische Frauenbewegung in Österreich
Frauen kämpfen… Doch die proletarischen Frauen sahen diesem Ausgeliefert-Sein nicht tatenlos zu: Sowohl bei der bürgerlichen Revolution 1848 als auch bei der Verteidigung der Pariser
16
Die Gleichheit, Nr. 17, 4. Jg., 1894
17
Frauenwahlrecht und Arbeiterinnenschutz, Verhandlungen der dritten sozialdemokratischen Frauenkonferenz in Österreich, Wien 1908
25.
geschichte der frauenbewegung
Früh morgens bis spät abends…
„Die Bewegung. 100 Jahre Sozialdemokratie“, SPÖ-Magazin Nr. 2, Feb.1989
Commune spielten Frauen eine große Rolle und kämpften bewaffnet mit. Es wurden revolutionäre Frauenclubs und eine Union der Frauen gegründet. Diese mussten aber nach der Zerschlagung der Revolution von 1848 wieder aufgelöst werden. Für die sozialistischen Frauen war die Befreiung der Frauen nur in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung vorstellbar, sie organisierten sich innerhalb der ArbeiterInnenund Gewerkschaftsbewegung und kämpften vor allem für Verbesserungen für Arbeiterinnen. Dass sie dennoch eigene Strukturen brauchten, stand außer Frage: „Sozialdemokratinnen haben es seit jeher als ihre Aufgabe betrachtet, gemeinsam mit den Männern der Partei gegen politische und wirtschaftliche Unterdrückung zu kämpfen. Gleichzeitig war ihnen immer klar, dass dieser Kampf, und sei er auch noch so erfolgreich, nicht automatisch auch die Überwindung patriarchalischer Strukturen bedeutet. Die österreichischen Sozialdemokratinnen haben den Anspruch auf eine eigene Frauenorganisation nie aufgegeben – aus der Überzeugung heraus, dass es in der jetzigen Gesellschaft Problemstellungen gibt, von denen Frauen in stärkerem Maße betroffen sind als Männer und die geschlossene Vorgangsweise von Frauen die Durchsetzung ihrer Forderungen erleichtert.“ 18
breitet. Tief verwurzelt war die Ansicht, dass es nicht die Aufgabe der Frauen war, in der Öffentlichkeit aufzutreten und politisch aktiv zu sein. Beim Einigungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Hainfeld 1988/89 waren keine weiblichen Mitglieder zugelassen. Die einzige weibliche Delegierte, Anna Altmann, wurde abgewiesen. Später erinnerte sie sich: „Ich war damals in Österreich die einzige Agitatorin. Im Jahre 1889 wurde der Parteitag nach Hainfeld einberufen, und auch die Polzentaler Genossen wurden davon in Kenntnis gesetzt, mit der Aufforderung, zu delegieren. Ich wurde als Delegierte gewählt und erstattete nach Wien die Meldung. Die Wiener Genossen schrieben damals, dass sie einen männlichen Delegierten wünschen, die Frauen wären noch nicht so weit. Ich ließ es sein und dachte, ,wir geigen wieder’.“ 19
… auch innerhalb der Partei
Der Kongress stimmte Zetkin zu und verabschiedete eine Resolution, in der die sozialdemokratischen Parteien in Europa und Amerika aufgerufen wurden, Arbeiterinnen gleichberechtigt in ihre Organisation aufzunehmen.
1898, beim Gründungskongress der II. Sozialistischen Internationalen war Clara Zetkin eine von sechs Frauen aus 400 Delegierten. Dort hielt sie am vorletzten Tag eine Rede zur Lage der Arbeiterinnen im Kapitalismus und die Notwendigkeit, Frauen in die ArbeiterInnenbewegung zu integrieren. Sie nannte die politische Aufklärung als die einzige Möglichkeit, einer Spaltung der ArbeiterInnenklasse entgegenzutreten.
18
19
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http://www.onb.ac.at/ ariadne/vfb/ bio_ altmannanna.htm
Innerhalb der Parteiorganisation hatten es die proletarischen Frauen nicht leicht. Antifeminismus war bei den Arbeitern weit ver-
geschichte der frauenbewegung
Außerdem wurden gleicher Lohn für gleiche Arbeit und gesetzliche Schutzbestimmungen für Arbeiterinnen gefordert. Die proletarischen Frauen arbeiteten weiter. Sie agitierten mit Flugblättern und Plakaten, in Fabriken, Betriebsversammlungen und auf der Straße. Sie wollten ihre Rechte mit Streiks erkämpfen. Arbeiterinnen-Bildungsverein Viele der Arbeiterinnen hatten keine Ausbildung und arbeiteten seit Kinderjahren als ungelernte Hilfskräfte. Deshalb versuchten die sozialistischen Frauen, ihren Mitstreiterinnen über Bildungsvereine politisches und praktisches Wissen zu vermitteln. 1890 wurde der Arbeiterinnen-Bildungsverein am Neubaugürtel gegründet. Dort fanden jeden Samstag ideologische Vorträge statt. Unter der Woche unterrichteten Lehrerinnen ehrenamtlich Themen wie Gesundheit und Schrifttum. Eine große Bibliothek stand den Frauen zur Verfügung. 1893 wurde der Bildungsverein durch den Lese- und Diskutierclub „Libertas“ abgelöst, der die gleiche Funktion erfüllte. Die Arbeiterinnenzeitung Ab 1892 erschien die Arbeiterinnenzeitung. Ihre wichtigste Autorin, Schriftleiterin und Vorreiterin der österreichischen sozialistischen Frauen war Adelheid Popp. Mit einer nur 3-jährigen Schulbildung gelang es ihr, die erste weibliche Angestellte in der Partei zu werden.
Die Arbeiterinnenzeitung wurde nach dem Vorbild der deutschen sozialistischen Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“ gestaltet, die ab 1891 von Clara Zetkin herausgegeben wurde. In der ersten Ausgabe der „Gleichheit“ war zu lesen: „Die Gleichheit tritt für die volle gesellschaftliche Befreiung der Frau ein, wie sie einzig und allein in einer im Sinne des Sozialismus umgestalteten Gesellschaft möglich ist. Sie geht von der Überzeugung aus, dass der letzte Grund der Jahrtausende alten, niedrigen gesellschaftlichen Stellung des weiblichen Geschlechtes nicht in der jeweiligen ‚von Männern gemachten’ Gesetzgebung, sondern in den durch die wirtschaftlichen Zustände bedingten Eigentumsverhältnissen zu suchen ist.“ 20 Eigene Frauenzeitungen waren nicht nur Zeichen für das Erstarken an Selbstvertrauen für die proletarischen Frauen, sondern auch ein innerparteiliches Signal: „Wir sind hier! Man(n) kann uns nicht übersehen!“ Am Parteitag 1891 ergänzte die Sozialdemokratische Partei in ihrem Programm die Forderung nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht durch den Zusatz „ohne Unterschied des Geschlechts“. Im Oktober desselben Jahres veranstaltete Adelheid Popp die erste sozialdemokratische Frauenrechtsversammlung in der Penzinger Au. Es nahmen etwa 1000 Frauen daran teil. Eine Resolution, die die Forderung nach dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht unabhängig vom Geschlecht beinhaltete, wurde beschlossen. Die beiden Referentinnen der Veranstaltung, Lotte Glas (später Pohl) und Amalie Ryba (später Seidl), mussten sich vor Gericht
Die „Arbeiterinnenzeitung“, gegründet 1892
20
Die Gleichheit, Probenummer, 2. Jg., 28.12.1891, S.1 27.
geschichte der frauenbewegung
li.: Frauenreichskomitee 1905 mi.: 1893 – Erster Streik von Arbeiterinnen in Österreich
verantworten. Glas wurde verurteilt, die „Ehrfurcht gegen Mitglieder des Kaiserlichen Hauses durch Schmähungen verletzt zu haben“ und Ryba musste eine Haftstrafe wegen „Aufreizung zum Klassenkampf“ absitzen. 21 Streik der 700
re.: Popp spricht zu arbeitslosen Frauen 1892
Feigl, Susanne (2000) 22 Parteitagsprotokoll 1898, S. 115, in: Fröschl, Erich (1989) 21
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1893 kam es in Gumpendorf zum ersten von den Sozialistinnen organisierten Arbeiterinnenstreik. 700 Frauen demonstrierten 3 Wochen lang gegen die unwürdigen Arbeitsbedingungen. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit den Behörden. Zeitungen wurden zensuriert. Eine Ausgabe der Arbeiterinnenzeitung mit leeren Blättern machte das provokant zum Thema. Auch der innerparteiliche Kampf der Frauen ging weiter: Am Linzer Parteitag 1898 wurde den Genossinnen eine eigenständige politische Organisation abgesprochen. Adelheid Popp meldete sich zu Wort und machte auf die Notwendigkeit aufmerksam, auch „Frauen des Haushalts und die Ehefrauen“ für politische
Betätigung in der Sozialdemokratie zu gewinnen. Franz Schuhmeier, damaliger Parteisekretär, antwortete ihr: „Ich sagte schon vorhin, dass es über die Frauenorganisationen zwei Ansichten gibt. Die ledigen Sozialdemokraten urteilen anders und die verheirateten urteilen wieder anders. (Heiterkeit und Widerspruch im Saal) Ich behaupte: je mehr ein Parteigenosse in der Organisation tätig ist, desto mehr hat seine Frau zu Hause zu tun. Ich für meinen Fall erkläre ihnen, dass sie meine bessere Hälfte nicht mehr zu organisieren brauchen, die hab ich mir bereits selber organisiert. (Heiterkeit)“ 22 Erst 1902 erreichten die Frauen die Schaffung einer eigenen Struktur: Der „Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen“ wurde gegründet. Ihre Gründerinnen waren Adelheid Popp, Gabriele Proft, Anna Boschek und Amalie Seidl. Sozialistische Forderungen Die sozialistischen Frauen setzten sich für ein Verbot von Kinderarbeit und für die
geschichte der frauenbewegung
Reduzierung der Tagesarbeitszeit ein. In der „Gleichheit“ war dazu 1903 zu lesen: „Berechtigt die Forderung: denn jede Stunde weniger, in der die Arbeiter und Arbeiterinnen nicht der Maschine dienen müssen, [… ] in der sie nicht zu einem lebendigen Anhängsel des toten Räderwerks herabgewürdigt werden, ist ein Gewinn für ihr Menschtum, bringt eine Ersparnis an Gesundheit und Lebenskraft, verleiht ein Mehr an Bildungsmöglichkeit und Lebensglück, macht tüchtiger zur Pflichterfüllung in der Familie, im Staate, im proletarischen Klassenkampf für Freiheit und Kultur.“ 23 Außerdem war die Forderung nach Vergesellschaftung der Hausarbeit für die Sozialistinnen zentral. Sie erkannten in der Haus- und Pflegarbeit eine gesellschaftliche Notwendigkeit, die nicht unbezahlt auf dem Rücken der Frauen ausgetragen werden dürfe. Sie forderten, dass die Gesellschaft dafür gemeinschaftlich aufkommen müsse. Durch die Vergesellschaftung würden Frauen außerdem aus ihrer innerhäuslichen Isolation gelöst, was die Grundvoraussetzung für ihre Politisierung wäre. Sie sprachen sich weiter für eine demokratische Gestaltung des Mutter- und Kinderschutzes aus und forderten volle politische Rechte. Dazu gehörte die Aufhebung der frauenfeindlichen Vereins- und Versammlungsrechte. Denn laut § 30 des österreichischen Vereinsgesetzes von 1867 war es „Ausländern, Frauenpersonen und Minderjährigen“ nicht gestattet, Mitglied eines politischen Vereins zu werden. 24 Außerdem kämpften die Sozialistinnen für die Gleichwertigkeit von Bildung, Beruf und
„Die Frauen werden erst ihre Emanzipation erlangen, wenn sie selbst aus eigener Kraft darum kämpfen.“ Adelheid Popp (1869–1939) Als fünfzehntes Kind einer Weberfamilie in Inzersdorf geboren muss sie bereits im Alter von 9 Jahren zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen - als Dienstmädchen, Weberin und Fabrikarbeiterin. Im Alter von 17 Jahren kommt sie mit sozialistischen Ideen in Berührung. Emma Adler, die Ehefrau des Parteivorsitzenden Victor Adler, nimmt sich ihrer als Mentorin an. Als es am 3. Mai 1893 zum ersten organisierten Frauenstreik – dem „Streik der 700“ kommt, tritt Popp dort als Rednerin auf. Der Streik der Arbeiterinnen wird nach drei Wochen erfolgreich beendet. Immer wieder setzt sich die engagierte Sozialistin für die Organisierung von Haus- und Ehefrauen ein, wobei sie dabei auch gegen den Widerstand der männlichen Genossen ankämpfen muss. Sie wird die erste weibliche Parteiangestellte. 1919 wird sie in die Nationalversammlung gewählt, der sie bis zur Ausschaltung des Parlaments 1933 durch die Austrofaschisten angehört. Aufgrund ihrer angegriffenen Gesundheit entgeht sie einer Verhaftung. 1939 stirbt sie an den Folgen eines Schlaganfalls. 23
Die Gleichheit, Nr. 24, 1903
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geschichte der frauenbewegung
Streitpunkt Wahlrecht
Karikatur zum Frauenwahlrecht
24
Feigl, Susanne (2000)
„Was fordern die Arbeiterinnen Österreichs?“ Bericht über die zweite Konferenz der sozialdemokratischen Frauen Österreichs, Wien, am 8. November 1903 25
30.
Verdienst für Frau und Mann. Sie forderten die freie Wahl des Partners und die freiwillige Eheschließung. Sie forderten das Recht auf Abtreibung. Sie kämpften für Frieden und Abrüstung und natürlich traten sie für das freie, gleiche und geheime Wahlrecht, also für das Frauenwahlrecht ein. In all diesen Forderungen sahen sie die Frauenfrage jedoch nie losgelöst von der sozialen Frage. Für sie war klar, dass eine tatsächliche Befreiung der Frau nur im Sozialismus möglich ist – und dafür kämpften sie auch.
Nach der Jahrhundertwende wurde der Ruf nach dem allgemeinen Wahlrecht immer lauter. Mit ihm war die Forderung des Frauenwahlrechts nicht mehr zu überhören. Der Kampf um das allgemeine Frauenwahlrecht brachte allerdings Konflikte innerhalb der Bewegung mit sich, innerhalb der Frauenbewegung sowie innerhalb der Partei. Obwohl die Forderung nach dem Frauenwahlrecht seit dem Brünner Parteitag 1891 ein Teil des Programms der Sozialistischen Partei war, waren viele Genossen in der Partei skeptisch. Es müsse zuerst das „allgemeine“ Wahlrecht für Männer erkämpft werden und erst danach könne das Frauenwahlrecht gefordert werden, so argumentierten viele. Victor Adler kommentierte die Forderung nach dem Frauenwahlrecht noch 1903 so: „Es hat niemals eine Sozialdemokratie gegeben, die nicht das Frauenwahlrecht als eine ebenso notwendige Sache angesehen hätte wie das Männerwahlrecht. Aber es fragt sich, ob die politische Lage reif ist, um einen Feldzug für das Frauenwahlrecht zu unternehmen. Und da sage ich Ihnen rundweg, in Ländern wie Österreich, Belgien usw., wo das Männerwahlrecht noch nicht einmal erkämpft ist, wo wir alle Kraft auf diesen Punkt konzentrieren müssen, wäre es eine politische Torheit, diesen Kampf abzulenken auf einen Punkt, der voraussichtlich erst später zu erreichen sein wird.“ 25 Anders als die Sozialdemokraten fanden die Christlich-Sozialen die Forderung nach dem Frauenwahlrecht schlicht absurd. 1906
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schrieb Franz Martin Schieder, ein Theoretiker der Partei, in der Publikation „Die soziale Frage der Gegenwart vom Standpunkt des Christentums“: „Ihre körperliche Organisation wie ihre geistige Eigenart weisen die Frauen im allgemeinen vom Kampfplatz des öffentlichen Lebens ab und stellen als die natürliche Bestimmung für ihre Lebensbetätigung klar und unzweideutig hin das Walten im Inneren des Hauses als Gattin und Mutter (… ) Ihr natürlicher Mangel an wehrhafter Kraft, der Tiefe und Besonnenheit im Urteil, der Entschiedenheit im Wollen und der Ausdauer im Handeln (… ) legt Protest (ein) gegen ihre völlige Gleichstellung mit dem Manne in seiner Familie wie im politischen Leben.“ 26 Auch innerhalb der Frauenbewegung wurde dem Frauenwahlrecht unterschiedliche Bedeutung zugemessen. Für die bürgerlichen Frauen war mit dem Wahlrecht eines ihrer größten Ziele erfüllt. Aber auch reformistische Sozialdemokratinnen glaubten, dadurch die volle Gleichberechtigung erreichen zu können. Die revolutionären Frauen warnten vor diesem Trugschluss, wie z.B. Rosa Luxemburg im Text „Frauenwahlrecht und Klassenkampf“ 27. Sie sahen das Frauenwahlrecht als zentrale Forderung und als einen wichtigen Schritt zur Mitbestimmung, das Wahlrecht allein würde aber niemals die Befreiung der Frauen bringen. Die Sozialistische Fraueninternationale
1907 fand in Stuttgart die erste Sozialistische Internationale Frauenkonferenz statt, bei
„Marxismus ist eine revolutionäre Weltanschauung, die stets nach neuen Erkenntnissen ringen muß, die nichts so verabscheut wie das Erstarren in einmal gültigen Formen, die am besten im geistigen Waffengeklirr der Selbstkritik und im geschichtlichen Blitz und Donner ihre lebendige Kraft bewahrt.” Rosa Luxemburg (1871–1919) Sie wird am 5. März 1871 in Zamost, Polen geboren. Bereits während ihrer Schulzeit in Warschau engagiert sie sich in illegalen politischen Zirkeln. 1889 muss sie in die Schweiz fliehen. Dort studiert sie Staatswissenschaften und setzt sich mit Problemen der Volkswirtschaft auseinander. Zur Gründung der Zeitschrift „Sache der Arbeiter“ verlässt sie die Schweiz für kurze Zeit, um schließlich in Zürich zum Thema „Die industrielle Entwicklung Polens“ zu promovieren. 1898 übersiedelt sie nach Berlin und engagiert sich in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. 1917 ruft sie bei einer Kundgebung zur Kriegsdienstverweigerung auf, worauf sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wird. Bis 1918 bleibt sie in den verschiedensten Gefängnissen in Sicherheitsverwahrung. Von der Haft entlassen, engagiert sie sich im Spartakusbund und beteiligt sich an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands zur Jahreswende 1918/19. Am 15. Jänner 1919 wird sie gemeinsam mit Karl Liebknecht von Soldaten verschleppt, verhört und schließlich ermordet. Ihre Leiche wird am 31. Mai im Berliner Landwehrkanal gefunden. 26 27
Feigl, Susanne (2000) www.mlwerke.de/lu/lua.htm
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geschichte der frauenbewegung
Erste Konferenz der sozialistischen Fraueninternationale 1907 in Stuttgart Demo zum Internationalen Frauentag 1911 in Wien
32.
der es hauptsächlich um das Entwickeln von gemeinsamen Aktionen für den Kampf um das Frauenwahlrecht ging. Clara Zetkin wurde zur Vorsitzenden des Internationalen Frauensekretariats gewählt. Die Österreicherinnen waren dort mit Adelheid Popp vertreten. Sie nahm in der Wahlrechtsdiskussion den Standpunkt ein, es dem Ermessen der jeweiligen Länder zu überlassen, das Frauenwahlrecht zugunsten des allgemeinen Männerwahlrechts hinten an zu stellen. Mit dieser Meinung blieb sie aber in der Minderheit. Auf der Konferenz wurde eine Petition beschlossen, die die Sozialistischen Parteien aufrief, ihren Prinzipien gemäß nicht erst für das Männerwahlrecht und dann für das Frauenwahlrecht zu stimmen, sondern für ein allgemeines Wahlrecht einzutreten, das für Frauen ebenso wie für Männer gilt. Im Dezember 1906 wurde eine Wahlrechtsreform, die als Zugeständnis an die immer weiter erstarkende ArbeiterInnenbewegung gewertet werden kann, umgesetzt. Das Ku-
rienwahlrecht, das die Stimmen von Wohlhabenden stärker gewichtete als die Stimmen von Besitzlosen, wurde durch das allgemeine, gleiche Männerwahlrecht abgelöst. Bei den Wahlen im Mai 1907 gelang es der Sozialdemokratie so auch, erstmals als stärkste politische Kraft mit 87 von insgesamt 510 Mandaten in den Deutschen Reichstag einzuziehen. Die Frauen mussten für ihr Wahlrecht noch 11 Jahre kämpfen. Internationaler Frauentag Bei der Frauenkonferenz der II. Internationalen, die 1910 in Kopenhagen tagte, beschlossen die Frauen auf Initiative von Clara Zetkin, alljährlich einen Kampftag zu begehen. Er sollte international stattfinden und in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dienen. Der Internationale Frauentag, der heute noch jedes Jahr am 8. März begangen wird, war damit geboren.
geschichte der frauenbewegung
3. Der Erste Weltkrieg
Ein weiterer Schwerpunkt dieser Konferenz war der drohende 1. Weltkrieg. Die sozialistischen Frauen erkannten diesen Krieg als einen Krieg der Herrschenden, die mit patriotischem Geheul versuchten, die ArbeiterInnen glauben zu machen, der Krieg läge in ihrem Interesse. Die Sozialistinnen riefen zur internationalen Solidarität der ArbeiterInnen auf um den Krieg zu verhindern. Bekanntlich waren sie damit nicht erfolgreich. Die meisten Sozialdemokratischen Parteien Europas unterstützten die Kriegstreibereien ihrer Herrscher. In Österreich wurde der erste Internationale Frauentag 1911 begangen. Bertha von Suttner, die 1905 für ihren Roman „Die Waffen nieder“ den Friedensnobelpreis erhielt, schrieb über diesen ersten Frauentag: „In Wien haben die Arbeiterinnen eine Riesendemonstration zugunsten des Frauenstimmrechts veranstaltet. Zu Tausenden, aber in größter Ordnung und Ruhe, zogen sie durch die Straßen. Im Gartenbausaal wurden Reden abgehalten. Adelheid Popp sagte u. a.: ‚Wir wollen aber auch dagegen kämpfen, dass Millionen verschwendet werden für Mordzwecke und Bruderkrieg. Wir wollen, dass die Mordrüstungen ihr Ende nehmen und
diese Millionen verwendet werden für die Bedürfnisse des Volkes!’ – Feminine Politik? Nein! – humane Politik!“ 28 Anders sahen Teile der bürgerlichen Frauen den bevorstehenden Krieg, wie auch Gertrud Bäumer, eine führende Frau im „Bund deutscher Frauenvereine“. Sie schrieb zur Debatte um den 1. Weltkrieg: „ Ja, wir Frauen sind in diesen Augusttagen wie in eine neue Welt getreten [… ]. In uns sprach, fühlte, wollte Deutschland, unsere persönliche Seele ging auf in der Seele unseres Volkes. Aus dem Gefühl, dass es ihm einzig von Millionen anderen beschieden ist, selbst seinem Tode noch den Adel des Zwecks zu geben, hat zu allen Zeiten der Soldat es süß und erhaben gefunden, für das Vaterland zu sterben. Und das können die Frauen in tiefster Seele nachfühlen. Es ist ein mütterliches Grunderlebnis, dass Leben und Kraft hingeopfert werden muss, damit neues Leben umso schöner erblühen kann.“ 29 Mit Kriegsbeginn und dem Abziehen der meisten Männer an die Kriegsfront wurden Frauen aus sämtlichen Bevölkerungsschichten mobil gemacht und an die Arbeits-
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Kohlhagen, Norgar (1981)
29
Bäumer, Gertrud (1914)
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geschichte der frauenbewegung
Arbeiterinnen in einer Munitionsfabrik
front geschickt. Arbeiten, die „männliche“ Muskelkraft, Lehre und Ausbildung erforderten, mussten nach kurzer Einweisung von Frauen geleistet werden. Fast keine Industrie und fast kein Berufszweig blieben ihnen verschlossen. Frauen wurden aus ihren alten Arbeitsdomänen entlassen und fanden sich in der Metallindustrie und dem Maschinenbau, der Chemie- und Elektroindustrie wieder – in Arbeitsfeldern, die bisher nur Männern vorbehalten waren und für Frauen als ungeeignet, da als „wider ihre Natur“, betrachtet wurden. Während der Kriegsjahre war das Leben geprägt von Hunger, Elend und Tod. Die Lebensbedingungen waren – wie in jedem Krieg – katastrophal. Frauen wurden zwar in alten, 34.
traditionellen „Männerbereichen“ eingesetzt, ihr Lohn betrug aber nicht einmal die Hälfte des Männerlohns. Trotzdem erfuhren Frauen in dieser Zeit, dass all das, wovon man ihnen Jahrhunderte lang gesagt hatte sie wären dafür nicht geeignet, Realität wurde. Frauen mussten harte Arbeit leisten und sich selbstständig um das eigene Überleben und das ihrer Kinder kümmern. Frauen waren aber nicht nur „willige Gehilfinnen“ in der Kriegsproduktion. Immer wieder gab es Proteste und Arbeitsniederlegungen gegen den Krieg, die von Frauen organisiert und durchgeführt wurden. Der Internationale Frauentag 1917 stand unter dem Motto der Russischen Revolution „Friede und Freiheit“.
geschichte der frauenbewegung
4. Auswirkungen der Russischen Revolution auf die Frauenbewegung
Die Oktoberrevolution 1917 hatte weit reichende Auswirkungen auf die Situation der Frauen in Russland. Frauen waren maßgeblich an der Revolution beteiligt. Es wurden zahlreiche Gesetze beschlossen, die das Leben von Frauen erheblich erleichterten. Trotzdem verschweigen fast alle Geschichtsschreiber die Rolle der Frauen in dieser Revolution. Eine der schillerndsten Gestalten in diesem Zusammenhang ist Alexandra Kollontai. Sie wurde als erste weibliche Ministerin der Welt 1917 ins Zentralkomitee der Partei berufen. Als erste und wichtigste Maßnahme sah sie die Einführung der Arbeitspflicht für alle Männer und Frauen zwischen 16 und 50 Jahren. Frauenpolitik in der Sowjetunion Frauen wurden in der Produktion gebraucht. Das Hausfrauendasein war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, begleitend dazu wurden zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um Hausarbeit in öffentliche Einrichtungen auszulagern. Kinderkrippen und Kinderheime wurden geschaffen, Hausarbeit wurde kommunalisiert, d.h. öffentliche Wäschereien und Volksküchen wurden eingerichtet. In den
„Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!“ Alexandra Kollontai (1872–1952) Als Tochter eines russischen Generals und einer Finnin wird Alexandra Kollontai am 31. März 1872 in St. Petersburg geboren. Als erste Frau gehört Kollontai als Ministerin für Soziales dem revolutionären Kabinett der sowjetischen Regierung an und übernimmt 1919 die Leitung der Frauenabteilung des Zentralkomitees der Partei. Sie setzt sich für Verbesserungen in vielen Bereichen im Leben von Frauen ein. So können zum Beispiel ab diesem Zeitpunkt Ehen einseitig aufgelöst werden. Die Ehe erhält den Status eines Vertrags. Abtreibungen werden kurzzeitig legalisiert, Hausarbeit wird in öffentliche Wäschereien und Volksküchen ausgelagert. Kollontai gehört der ArbeiterInnenopposition an. Sie vertritt von 1923–1946 die Sowjetunion in Mexiko, Norwegen und Schweden und trägt maßgeblich dazu bei, Finnland den Ausstieg aus dem 2.Weltkrieg zu ermöglichen. Am 9. März 1952 stirbt sie in Moskau.
35.
geschichte der frauenbewegung
Jahren 1919/20 wurden fast 90 % der St. Petersburger Bevölkerung in Volksküchen versorgt, in Moskau waren es etwa 60 %. Kurz gesagt war mensch bemüht, möglichst viel Arbeit, die traditionellerweise von Frauen in Kernfamilien verrichtet wurde und wird, in die Öffentlichkeit auszulagern – Kollontai nannte dies „die Trennung von Küche und Ehe“. Doch in der Durchführung ergaben sich einige Schwierigkeiten: so entsprach der Organisationsgrad von Frauen in den Betriebskomitees nicht dem Prozentsatz der tatsächlich dort arbeitenden Frauen. Um dieser Tatsache entgegenzuwirken, wurde 1919 in der Frauenabteilung des ZK der Beschluss gefasst, Frauen und Männer in gleicher Weise an der betrieblichen Demokratie zu beteiligen. Dass Frauen und Männer gleichen Lohn für die gleiche Arbeit bekamen, war in der Sowjetunion gesetzlich geregelt – was zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich war. Trotzdem entsprach der durchschnittliche Frauenlohn nur etwa der Hälfte eines durchschnittlichen Männerlohns. Dies erklärt sich vor allem dadurch, dass Frauen in den „traditionellen" Frauenberufen wie der Textilindustrie und den Volksküchen beschäftigt waren, die schlechter bezahlt wurden. Diesem Problem versuchte die Sowjetunion durch verstärkte Ausbildung von Frauen in „frauenunty36.
pischen“ Berufszweigen, wie der chemischen Industrie, entgegenzuwirken. In den Arbeitsgesetzen wurde folgendes geregelt: Einführung des Acht-Stunden-Tages (in gefährlichen Branchen sogar nur 6 oder 7 Stunden), Verbot von Nachtarbeit für Frauen und ein gänzliches Verbot von Frauenarbeit in der Untertagearbeit. Auf dem ersten allrussischen Arbeiterinnenkongress im November 1919 wurde eine Resolution beschlossen, die 16 Wochen Schwangerschaftsurlaub und staatliches Urlaubsgeld in der Höhe des entgangenen Lohns beinhaltete. Nach der Geburt des Kindes erhielt die Arbeiterin neun Monate lang Karenzgeld, außerdem zehn Meter Stoff und Babyausstattungsartikel. In Mütterheimen hatten schwangere Frauen die Möglichkeit, ihrem Eigenheim zu entfliehen und sich in den ersten Monaten ausschließlich um sich und ihr Kind zu kümmern. Danach übernahmen PädagogInnen und PflegerInnen in Kinderclubs, Gemeindehäusern und Kinderkrippen die Betreuung der Kinder. Mahlzeiten wurden dort kostenlos zur Verfügung gestellt. So wurde auch sichergestellt, dass keine Ehefrau in einer Gewaltbeziehung verbleiben musste, weil die Versorgung ihrer Kinder unabhängig vom Ehemann gewährleistet war. Am 18. November 1920 wurde folgende Verordnung zur Legalisierung von Abtreibungen
geschichte der frauenbewegung
erlassen: „In den letzten Jahrzehnten wächst sowohl im Westen als auch bei uns die Zahl der Frauen, die zur Unterbrechung der Schwangerschaft ihre Zuflucht nehmen. Die Gesetzgebungen anderer Länder bekämpfen dieses Übel auf dem Wege der Bestrafung [… ] Diese Methode hat nicht zu positiven Ergebnissen geführt, sondern nur die Operationen illegalisiert und die Frauen zu Opfern gewinnsüchtiger und oft unwissender Aborteure gemacht [… ] Als Folge hiervon erkrankten etwa 50 % der Frauen an Infektionen und etwa 4 % von ihnen starben [… ] Aber solange die übereinkommenden moralischen Gewohnheiten [… ] und die schweren wirtschaftlichen Bedingungen der Gegenwart einen Teil der Frauen zwingen, sich zu einer Operation zu entschließen, stimmt das Volkskommissariat für Gesundheitswesen und das Volkskommissariat für Justiz: 1. Die unentgeltliche Durchführung von Schwangerschaftsunterbrechungen wird in den Sowjetkrankenhäusern, wo für die Operationen die größte Sicherheit besteht, zugelassen.“ Mit neuen Wohnformen wurde versucht, die traditionelle Kernfamilie aufzubrechen. In Wohnkommunen wurden Wohnungen für alleinerziehende Mütter geschaffen, Brennstoff und Energie wurde kollektiv besorgt, die Küche war gemeinschaftlich organisiert, ebenso die Kindererziehung durch Kinderkrippen
und Kindergärten. Reinigungsarbeiten wurden von bezahlten Putzkräften erledigt, eine zentrale Wäscherei besorgte das Waschen der Wäsche. Statistisches Material aus dieser Zeit liegt wenig vor, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass es 1920 in Moskau insgesamt 23 000 Häuser gab – 40 % davon waren in gemeinschaftlichen Wohnformen organisiert. Frauenpolitik unter Stalin Viele dieser Verbesserungen im Leben von sowjetischen Frauen wurden von Stalin wieder rückgängig gemacht. Durch den Zweiten Weltkrieg und dem damit verbundenen Bedarf an „Menschenmaterial“ fand 1936 eine Revision der Ehe- und Familiengesetzgebung statt. Scheidungen wurden erschwert und Abtreibung verboten. Das Familiengesetz, das 1944 erlassen wurde, drängte die Frau wieder in die Rolle der Mutter – durch diverse Medaillen und Prämien, die Erhöhung der Sozialleistungen für Mütter und steuerliche Erleichterungen für kinderreiche Familien wurde die Familie als gesellschaftliche Institution gefördert. Alexandra Kollontai, eine Kritikerin von Stalins Politik, ging 1923 ins Ausland. In verschiedenen skandinavischen und südamerikanischen Ländern wirkte sie als Botschafterin der Sowjetunion. 37.
geschichte der frauenbewegung
5. Erste Republik
Sitzung der Nationalversammlung
30 Therese Schlesinger, Informationsblätter 1926, in: Feigl, Susanne (2000)
38.
Das Frauenwahlrecht wurde in Österreich erst nach dem Krieg eingeführt. Es kam erstmals 1919 zur Anwendung. Nach den Wahlen im März 1919, bei denen die Sozialdemokratie stärkste Kraft wurde, zogen acht Frauen in die gesetzgebende Versammlung ein: sieben Sozialdemokratinnen – Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel, Maria
Tusch – und eine Christlich-Soziale: Hildegard Burjan. Auch nach der Erlangung des Wahlrechtes arbeiteten die Sozialdemokratinnen in der Ersten Republik konsequent weiter für die rechtliche Gleichstellung der Frauen. Erfolg hatten sie mit ihrer Forderung zur Neuregelung des Haushilfinnengesetzes 1920. Dienstbotinnen wurden dadurch vom Züchtigungsrecht ihrer DienstgeberInnen und vom „Dienstbüchl“, in das die „Herrschaft“ ihre Bemerkungen über das Verhalten der Dienstbotinnen eintragen konnten, befreit. Zum ersten Mal wurden den Haushilfinnen soziale Rechte zuteil. Außerdem wurden Frauen als Parteienvertreterinnen vor Gericht zugelassen, eine Neuregelung des Hebammenwesens wurde erreicht und Schutzbestimmungen für jugendliche ArbeitnehmerInnen per Gesetz verankert. Eine Aufwertung erfuhr auch die Mädchenausbildung. Bei ihren Versuchen zur Neuregelung des Ehe- und Familienrechtes, der Einführung der Zivilehe, der Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern oder bei der Liberalisierung der Abtreibungsgesetze scheiterten die Sozialdemokratinnen am Widerstand der Christlichsozialen Partei und der Kirche.
geschichte der frauenbewegung
Internationales Frauenkomitee 1926
Therese Schlesinger kommentierte die Debatte um Letzteres: „Die Sorge um die Volksvermehrung ist es nicht, was die Abtreibungsparagraphen in Geltung hält, die Sorge um Leben und Gesundheit der Schwangeren ebenso wenig. Gar kein irgendwie erkennbares und berechtigtes Interesse wird durch diese grausamen Maßnahmen geschützt. (… ) jene Strafparagraphen (heben) das Recht, das allen Menschen zusteht, über den eigenen Leib zu verfügen, für die Frauen teilweise auf. Einen Überrest der Leibeigenschaft der Frau und nichts Anderes bedeuten die Abtreibungsparagraphen.“ 30 Darüber hinaus forderten die Sozialdemokratinnen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, unbeschränkten Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten und Berufen und reihenweise sozialpolitische Maßnahmen. Innerhalb der SPÖ entwickelte sich in dieser Zeit der sozialdemokratische Mädchen-
und Frauenverein weiter zu einer eigenen Frauenorganisation. Seit 1919 existierte ein Frauenkomitee innerhalb der Partei. Die Frauenkonferenz konnte eigenständige Beschlüsse fassen. Ab 1920 organisierte die Partei „Frauenschulen“, um weiblichen Mitgliedern und Funktionärinnen ebenfalls Bildungsangebote zukommen zu lassen. Viele davon befassten sich allerdings nicht mit politischen Fragen, sondern mit medizinischen und hauhalterischen Inhalten. Nichts desto trotz gelang es den sozialistischen Frauen in diesem Zeitraum, die Genossinnen innerhalb der Partei zu stärken und sozialistische Männer von der Notwendigkeit des Kampfes um die Gleichberechtigung der Geschlechter zu überzeugen. Weitgehend fanden sich Forderungen der Frauenorganisation im „Linzer Programm“, das 1926 beschlossen wurde, wieder.
„Die Funktionen der Ehe und Mutterschaft müssen allein und vollständig der Wahlfreiheit der Frau unterliegen.“ (Elizabeth Wolstehnholme Elmy)
39.
geschichte der frauenbewegung
6. Faschismus
Ständestaat und Austrofaschismus „Keine hat das Recht zu gehorchen“ (frei nach Hannah Arendt)
Mit der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 und der Machtübernahme Dollfuß’ endete die legale Tätigkeit der Sozialdemokratischen Partei. Im Jänner 1934 setzte die Regierung die gewählte Vertretung der ArbeiterInnenkammern ab, verhängte über die „Arbeiterzeitung“, die Zeitung der Partei ein Verkaufsverbot und begann damit, ehemalige Schutzbund-Leiter zu verhaften. Gleichzeitig mit der Entwaffnung des Schutzbundes wurde die austrofaschistische Heimwehr mobilisiert und bewaffnet. Die tragische Entwicklung, die ihren Gipfel im BürgerInnenkrieg 1934 und in der Einrichtung einer autoritären, ständischen Verfassung fand, ist bekannt. Von da an spielten Frauen in der Politik keine Rolle mehr. Die katholischen Frauen forder-
31 32
33
40.
Ennsmann, Brigitte (1993)
Motzko, Alma: Gegenwartsprobleme in der Mädchenjugend. In: Reichspost vom 7.6.1933, in: Feigl, Susanne (2000)
Flugblatt Käthe Leichter, 1936, www.renner-institut.at/frauenakademie/ images/i_sd_frgesch/widerstand.gif
ten zwar eine „Hauswirtschaftskammer“, die das Recht haben sollte, Frauen in politische Gremien zu entsenden, diese Forderung wurde aber nicht erfüllt. Ziel des Ständestaates war es, „gute Mütter heranzuziehen, um unserem Volke gesunde und große Söhne schenken zu können und Hausfrauen, die in Küche und Keller, Garten und Hof recht Bescheid wissen.“ 31 Alma Motzko, bis 1935 Präsidentin der Katholischen Frauenorganisation und ab 1937 Frauenreferentin der Vaterländischen Front in Wien, befürwortete dieses Konzept. Sie sprach davon, „das Familienmuttertum aus seiner Isolierung herauszulösen (… ) und zum Volksmuttertum empor zu heben.“ 32 Die Illegalität der Sozialdemokratie beendete auch die offene Agitation der sozialistischen Frauen. Viele Sozialistinnen beteiligten sich aktiv im Widerstand 33 der „Revolutionären Sozialisten“. Sie verbreiteten vor allem Agitationsmaterial und legten die verbotene „Arbeiter-Zeitung“ wieder auf. Rudolfine Muhr, eine spätere Wiener Gemeinderätin, erinnerte sich an den Widerstand: „Der Prozentsatz der
geschichte der frauenbewegung
Frauen war unter den Revolutionären Sozialisten verhältnismäßig hoch. Das war die einzige Zeit, wo wir gleichberechtigt waren. Sowohl vor dem Richter [… ] als auch innerhalb der Organisation. Da hat es oft geheißen, das oder jenes soll besser eine Frau machen.“ 34 Viele Sozialistinnen teilten in den folgenden Jahren das Schicksal ihrer Genossen. Sie wurden verfolgt und viele kamen in Konzentrationslagern ums Leben. Die Rolle der Frau in der Ideologie des NS-Faschismus
Zu Beginn ausschließlich Zuchtstute… Das faschistische Frauenbild war (und ist) eigentlich kein Frauen-, sondern ein Mutterbild. Die Frau galt als ein naturbestimmtes Wesen. Daher sei „die Welt der Frau die Familie, ihr Mann, ihre Kinder, ihr Heim“ 35 . „Das Eindringen der Frau in die Welt des Mannes“ war für die Nationalsozialisten „eine Fehlentwicklung, die im Interesse der Frau wieder rückgängig gemacht werden musste“. Die „Rückführung in den natürlichen Lebens- und Arbeitsbereich“ sollte aber nicht bedeuten, dass die Frau minderwertig sei. Die Propaganda versuchte, genau das Gegenteil zu vermitteln, indem die traditionelle Rolle der Frau nicht nur gutgeheißen, sondern gefördert und ideologisch überhöht wurde. „Denn 34 35
„Alle sind uns willkommen, die mit uns gemeinsam gegen die erstarkenden Kräfte des Faschismus auftreten wollen (… ) Der Kampf, den wir führen, ist ein Kampf, der nie zu Ende geht!“ Rosa Jochmann (1901–1994) Geboren am 19. Juli 1901 in Wien, ist sie im ArbeiterInnenmilieu aufgewachsen. Der frühe Tod des Vaters zwingt sie dazu, im Alter von 14 Jahren eine Stelle in einer Fabrik anzunehmen, wodurch sie Kontakt zur Gewerkschaft knüpft. Sie wird Sekretärin im Fachverband der ChemiearbeiterInnen, 1932 Frauensekretärin der SPÖ und 1933 Mitglied des Parteivorstands. Durch den BürgerInnenkrieg im Februar 1934, der zum Verbot aller sozialdemokratischen Organisationen und Gewerkschaften führt, wird sie gezwungen, in den Untergrund zu gehen. Aufgrund ihrer Tätigkeit im Zentralkomitee der Revolutionären Sozialisten wird sie aber bald verhaftet und verurteilt. Von 1940 bis 1945 ist sie im KZ Ravensbrück interniert. Dort ist sie im Lagerwiderstand aktiv und engagiert sich nach der Befreiung für den Heimtransport der verbliebenen Frauen. Sie wird Frauenzentralsekretärin und ist bis 1967 Bundesvorstandsmitglied der SPÖ. Bis ins hohe Alter ist sie in zahlreichen Gesprächen bemüht, ihr Wissen in Schulen zu vermitteln.
Feigl, Susanne: Kein Flugblatt, keine Weisung. Gespräche mit Rudolfine Muhr. In: Die Frau 6/1984 Rede Hitlers am „Parteitag der Ehre“ 1936
41.
geschichte der frauenbewegung
Die Frau im Faschismus: Mutter des „Volkskörpers“
gerade ihr Muttertum, die Fähigkeit zur Mutterschaft ist es, was eine Frau dem Manne gleichberechtigt und überlegen macht“ 36 . In den Augen der Nazis lag ihre Verantwortung im „biologischen und geistigem Bestand des Volkes“. Und sie verbreiteten ein Uneigennützigkeitspathos, das in besonderem Maße den Frauen galt. „Die deutsche Frau, wie wir sie uns denken, muss, wenn es die Lage des Volkes erfordert, verzichten können auf Luxus und Genuss, sie muss arbeiten können, geistig und körperlich gesund sein, und sie muss aus dem harten Leben, das wir heute zu leben gezwungen sind, ein schönes Leben machen können“ 37 . Das Pathos gipfelte in der Forderung nach dem „Recht des Dienendürfens“ und sah
36
http://projects.brg-schoren.ac.at/nationalsozialismus/ideologie.html 37
42.
ebd.
für die Mutter in der Selbstaufopferung das höchste Glück. Dieses von den deutschen Faschisten propagierte Frauenbild warf die Frauen hinter das bisher von der Frauenbewegung Erreichte weit zurück. Die Frau wurde wieder offen unter die Herrschaft des Mannes gestellt. Eine der ersten Maßnahmen des faschistischen Regimes im „Deutschen Reich“ war es, durch gezielte Weisungen an das Arbeitsamt Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Die Arbeitsämter sollten nach zwei Kriterien Arbeit vergeben: Erstens durfte es keine „DoppelverdienerInnen“ mehr in Familienhaushalten geben und zweitens kam es zu einer Bevorzugung von Männern bei der Vergabe von Arbeitsplätzen. Die Zahl der zur Universität zugelassenen Studentinnen wurde drastisch reduziert. Es wurden kleine, massenwirksame Maßnahmen getroffen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehörten zum Beispiel die
geschichte der frauenbewegung
Instrumentalisierung des Muttertags und der Verleihung des Mutterkreuzes ab 1938. Ein Symbol für die Reduktion der Frau auf ihre Fähigkeit, Kinder zu gebären und dem Staat als kostenlose Erzieherin von „rassisch wertvollem“, einsatzfähigem und gehorsamen „Menschenmaterials“ zu dienen. Für das Verhältnis der Geschlechter zueinander und ihre Beurteilung galt das Prinzip „gleichwertig, nicht gleichartig“. Hieraus leitete sich die „artgemäße“ häusliche und außerhäusliche Arbeitsteilung ab. … und dann Arbeitspferd Arbeitsmarktpolitisch brachte dieses Konzept nichts. Die Massenarbeitslosigkeit ging erst zurück, als die Wirtschaft auf Kriegsproduktion umgestellt wurde. Von da an stieg auch die Erwerbstätigkeit von Frauen wieder. Für sie wurden vorerst „arteigene“ Berufe definiert. Diese lagen vor allem im pflegerischen und fürsorgerischen Bereich. Entlassene Lehrerinnen wurden umgeschult und durften plötzlich sozialmedizinische Tätigkeiten als Krankenschwestern wieder ausüben. Wie in jedem Krieg mussten mit Kriegsausbruch wieder Frauen aus allen Bereichen mobilisiert werden, um die Kriegsproduktion aufrecht zu erhalten. Nach und nach wurden immer mehr Frauen für die Rüstungsindustrie eingezogen und schufteten wieder in Bereichen, die zuvor klar als „Männerberufe“ deklariert waren.
„Der faschistischen Massenbeeinflussung und ihren gefährlichen politischen Schlagworten sollen wir unsere Hauptagitation auf gemütlichen Frauenveranstaltungen mit Nähkursen und Haushaltsvorschlägen entgegensetzen? Nochmals: Auch das möge getan werden, aber auch: in Massenveranstaltungen, Flugschriften, Betriebs- und Arbeitslosenpropaganda dem verlogenen Dritten Reich gegenüber unser sozialistisches Ziel entwickeln.” Käthe Leichter (1895–1942) Aufgewachsen in gutbürgerlichen Verhältnissen besucht sie das Beamtentöchter – Lyzeum in Wien. Erst durch eine Klage erreicht sie 1914 die Zulassung zum Studium der Staatswissenschaften. Nebenher arbeitet sie als Erzieherin im Döblinger ProletarierInnenviertel „Krim“. Weil ihr in Wien die Abschlussprüfungen verweigert werden, übersiedelt sie nach Heidelberg, wo sie mit aktiven KriegsgegnerInnen in Kontakt tritt. 1918 schließt sie ihr Doktoratsstudium in Nationalökonomie bei Max Weber ab. Sie kehrt nach Wien zurück und nimmt dort an der Rätebewegung teil. Nachdem sie Otto Bauer als Mitarbeiterin in die Staatskommission für Sozialisierung geholt hatte, wird sie 1925 mit dem Aufbau des Frauenreferats der ArbeiterInnenkammer beauftragt. Nach dem Verbot der Sozialdemokratie 1934 arbeitet sie im Untergrund vor allem in der Bildungsarbeit. Durch einen Spitzel verraten, wird sie 1938 verhaftet, im Jänner 1940 ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert und 1942 im Zuge des nationalsozialistischen „Euthanasieprogramms“ in Bernburg an der Saale ermordet. Von der Schwarz-Blauen Bundesregierung wurde der von Johanna Dohnal geschaffene Käthe Leichter Preis für Frauenforschung seit dem Jahr 2000 nicht mehr vergeben und erst 2006 wieder eingeführt. 43.
geschichte der frauenbewegung
Kochwettbewerb in den 50ern 44.
geschichte der frauenbewegung
7. Zweite Republik & neue Frauenbewegung
Vom Kriegstrauma in die „heilen“ 50er und 60er
Der Krieg hat massive Trennlinien in die Erfahrungen der Geschlechter gezogen: Fast alle Männer waren als Soldaten im Krieg. Frauen hatten mit der schwierigen Situation allein fertig zu werden. Auch nach Kriegsende waren viele Frauen auf sich allein gestellt: 247 000 gefallene Männer, 200 000 waren nach Kriegsende noch in Gefangenschaft, 100 000 schwerverletzte Heimkehrer 38. Die Zahl der Alleinerzieherinnen war dementsprechend hoch. Die Tatsache, dass Frauen während des Kriegs, viele auch danach, oft alleiniges „Familienoberhaupt“ waren und für einige Jahre die Existenz der übrig gebliebenen Familie sichern mussten, brachte nicht nur neue Erfahrungen, sondern auch ein neues Selbstvertrauen mit sich. Es gab ein verändertes Frauenbewusstsein, das zum Teil jedoch bewusst zurückgesteckt wurde. Viele Frauen pflegten die heimgekehrten Männer und versuchten, sie nach dem „Frontschock“ psychisch zu stabilisieren. Die sprunghaft steigende Scheidungsrate lässt aber vermuten, dass die Erfahrungen
während der Kriegsjahre Risse in die alten Kulissen zogen. Im ersten Halbjahr 1945 wurden 2000 Ehen geschieden, im zweiten waren es 7500. Die Traumata des Krieges auf allen Seiten, der „erzwungene“ Emanzipationsschub in Richtung Selbstbehauptung, der Zugewinn an Kompetenz und die Konfrontation mit neuen Aufgaben ließ sich nur schwer in das alte Leben integrieren. Ab 1948 kam es zu einem Mangel an Arbeitsplätzen. Wie bis heute üblich, wurden in den ersten Entlassungswellen Frauen auf die Straße gesetzt. Sie fanden sich als unfreiwillige Hausfrauen wieder. Auf der Basis dieser sinkenden Frauenerwerbsquote entwickelten sich dann auch die fünfziger und frühen sechziger Jahre. Sie werden heute oft als „Blütezeit der Kernfamilie“ bezeichnet. Mit dem Ausdruck „Kernfamilie“ ist ein wohliges Heim gemeint, in dem der Mann als Oberhaupt der Familie diese durch sein Einkommen ernährt und die Frau als Hausfrau genug Zeit hat, sich „liebevoll“ um Mann und Kinder zu sorgen. Für die meisten Frauen gab es angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation keine Alternative, viele Frauen zogen sich aber auch bewusst zurück. Dieser
38
Bauer, Ingrid (1995)
45.
geschichte der frauenbewegung
Rückzug in die Familie verdeutlicht das Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung. Beispielhaft ein Auszug aus einer Frauenzeitschrift: „Zeigen wir uns ruhig einmal schwach, auch da, wo wir es gar nicht sind. Fragen wir um Rat und Unterstützung, beweisen wir durch Wort und Tat, dass wir den Mann brauchen, dass wir ja noch das beschützenswerte Geschlecht sind - und wie rasch wird sich der Beschützerinstinkt regen, wird der Mann seine Autorität fühlen und sie dann im rechten Moment einzusetzen wissen.“ 39 Mit dem Babyboom der frühen Sechziger manifestierte sich das Modell Mann als Familienernährer, Frau als Mutter und Hausfrau. Die fetzigen 60er und 70er
39 „Frau und Mutter“, in: Bauer, Ingrid (1995)
46.
Eine Wende gab es erst in den Jahren von 1965 bis 1975. Das „Wirtschaftswunder“ brauchte viele neue Arbeitskräfte. Der Bedarf an weiblichen Arbeitskräften stieg und die Erwerbstätigkeit von Frauen nahm wieder zu. Auch wenn die ursprüngliche Motivation für Frauen, arbeiten zu gehen in den meisten Fällen ökonomischer Zwang war, ist die Arbeit immer auch ein Schritt in die persönliche Freiheit und Eigenständigkeit. Durch außerhäusliche Lohnarbeit wird einerseits die „familiäre Isolation“ überwunden und andererseits auch bei unbefriedigender Arbeit durch ein eigenes Gehalt die Vorraussetzung für ökonomische Unabhängigkeit vom Ehemann geschaffen. Die technischen Innovationen in den 1960ern und 1970ern brachten für den Haushaltsbereich eine enorme Zeitersparung mit sich. Da-
von profitierten vor allem Frauen. Die Entwicklung der Waschmaschine, des Geschirrspülers oder auch fertiger Babynahrung erleichterte das Leben von Frauen entscheidend. War es früher schwer vorstellbar, neben der „ordentlich geführten“ Hausarbeit auch noch einer Erwerbsarbeit nachzugehen, so wurde mit der technischen Entwicklung der Grundstein dafür gelegt. Die Einführung der Anti-Baby-Pille in den 1960er-Jahren kam im Bezug auf die weibliche Sexualität einer Revolution gleich. Erstmals war es für Frauen möglich, sich frei zu entscheiden, ob sie Kinder bekommen wollen oder eben nicht. Es oblag ihrer eigenen Kontrolle. Die Rolle der Mutter war von da an keine „automatische und natürliche“ mehr. Die Jahrhunderte lang andauernde Angst vor eine Schwangerschaft bei jedem Geschlechtsverkehr fand damit ihr Ende. Das erste Mal konnten Frauen ihre Sexualität ohne diese Befürchtung genießen. 1968 – Studierendenrevolte und „neue“ Frauenbewegung Während die Studierendenrevolten in Österreich eher unspektakulär ausfielen, kam es in anderen europäischen Ländern und der USA zu tatsächlichen Aufruhren. Vor allem in Frankreich und Deutschland kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Frauen nahmen aktiv an dieser Rebellion gegen die Elterngeneration, gegen die unaufgearbeitete Nazi-Vergangenheit, gegen
geschichte der frauenbewegung
heuchlerische Moralvorstellungen und gegen autoritäre Universitätsstrukturen teil. In der generellen gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung wurden weitreichende Forderungen für eine gerechte, eine sozialistische Gesellschaft gestellt. Obwohl die Geschlechterfrage einen wesentlichen Aspekt in dieser politischen Auseinandersetzung gegen die etablierten Institutionen ausmachte, kam es auch innerhalb der rebellierenden Kreise zu Konflikten wegen diesem Thema. Die aktiven Frauen im SDS (Sozialistischer deutscher Studentenbund) warfen ihren Genossen vor, dass es nicht gelänge, das nach Außen gepredigte Geschlechterverhältnis auch selbst zu leben. 1968 kam es auf der 23. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt zum Eklat: Helke Sanders meldete sich für den „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ zu Wort. Sie machte eindeutig darauf aufmerksam, dass Politik und Privatleben nicht getrennt voneinander verlaufen können: „Wir sprechen hier, weil wir wissen, dass wir unsere Arbeit nur in Verbindung mit anderen progressiven Organisationen leisten können und dazu zählt unserer Meinung nach der SDS. Die Zusammenarbeit hat jedoch zur Voraussetzung, dass der Verband die spezifische Problematik der Frauen begreift. (… ) Wir stellen fest, dass der SDS innerhalb seiner Organisation ein Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse ist. Dabei macht man Anstrengungen, alles zu vermeiden, was zur Artikulierung dieses Konfliktes zwischen Anspruch und Wirklichkeit beitragen könnte, da dies eine Neuorientierung der SDS-Politik zur Folge haben
„Es war ja damals nicht vorstellbar, sich von einer Frau ein Haus bauen zu lassen. Ich konnte es mir ja selbst nicht vorstellen. Mein Vater hat gefragt: „Wo wirst du denn arbeiten?” (… ) Bei meinen ersten Preisen und Auszeichnungen wurde immer die Rationalität meiner Entwürfe gelobt. Auch das hat man einer Frau nicht zugetraut.” Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) Als erste Frau, die in Österreich ein Architekturstudium absolviert, schreibt sie Architekturgeschichte. Geboren 1897 in Wien besucht sie zwischen 1915 und 1919 die k. u. k. Kunstgewerbeschule gegen den Widerstand ihres Vaters und vieler Lehrender. Doch bereits während ihres Studiums zeigt sich ihr außergewöhnliches Können. So gewinnt sie 1920 ihren ersten Preis für eine Schrebergartenanlage. Dies bringt sie mit der Siedlerbewegung in Kontakt. Sie arbeitet mit Adolf Loos gemeinsam in einer Wohnbaugenossenschaft für Kriegsinvaliden. 1926 holt sie der deutsche Architekt Ernst May nach Frankfurt, wo sie vor allem Wäschereien, Kindergärten und spezielle Wohnungstypen für alleinstehende Frauen konstruiert. Berühmt wird sie für die Entwicklung der Frankfurter Küche, die als Prototyp für etwa 10 000 Wohnungen dient, weil sie sich als besonders platzsparend und funktionell erweist. Während des NS - Regimes arbeitet sie im Widerstand und wird 1940 von der GESTAPO festgenommen und bleibt bis 1945 inhaftiert. Nach 1945 erhält sie keine Aufträge in Österreich mehr, deshalb folgen zahlreiche Auslandsaufenthalte in der Sowjetunion, Kuba und der DDR. Am 18.1.2000 stirbt sie in Wien. 47.
geschichte der frauenbewegung
Frauen wehren sich
müsste. Diese Artikulierung wird auf einfache Weise vermieden. Nämlich dadurch, dass man einen bestimmten Bereich des Lebens vom gesellschaftlichen abtrennt und ihm den Namen Privatleben gibt. (… ) Diese Tabuisierung hat zur Folge, dass das spezifische Ausbeutungsverhältnis, unter dem die Frauen stehen, verdrängt wird, wodurch gewährleistet wird, dass die Männer ihre alte, durch das Patriarchat ge-
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Frick, Inge (1976)
Siehe dazu: Helke Sanders Rede des Aktionsrates zu Befreiung der Frau: http://www.glasnost.de/hist/apo/weiber3.html und Ulrike Meinhof: „Frauen im SDS“ 41
48.
wonnene Identität noch nicht aufgeben müssen.“ 40 Das war die erste Ankündigung der „neuen Frauenbewegung“. Sanders prägt damit die Aussage, die kennzeichnend für die Frauenbewegung nach 1945 wurde: „DAS PRIVATE IST POLITISCH!“ 41 Die Reaktion der Genossen auf Helke Sanders Rede war höhnisch und geringschätzig. Daraufhin beschlossen die Frauen, autonome „Weiberräte“ und Diskussionsrunden einzurichten, an denen ausschließlich Frauen teilnehmen durften. Damit wurde der Grundstein für die autonome Frauenbewegung gelegt.
geschichte der frauenbewegung
Der Kampf um die legale Abtreibung
Ausgehend von der Studierendenbewegung erreichte eine frauenpolitische Diskussion zu Beginn der 70er Jahre internationales Aufsehen: die Frage um den legalen Schwangerschaftsabbruch. Diese Forderung von Frauengruppen aus verschiedenen politischen Strömungen wurde immer lauter. Die gültige Gesetzeslage wurde durch den berühmt-berüchtigten § 144 des Strafgesetzbuchs aus dem Jahr 1852 geregelt: „Eine Frauenperson, welche absichtlich was immer für eine Handlung unternimmt, wodurch die Abtreibung ihrer Leibesfrucht verursacht oder ihre Entbindung auf solche Art, dass das Kind tot zur Welt kommt, bewirkt wird, macht sich eines Verbrechens schuldig.“ Das Strafmaß war durch § 145 geregelt: „Ist die Abtreibung versucht, aber nicht erfolgt, so soll die Strafe auf Kerker zwischen sechs Monaten und einem Jahr ausgemessen; die zustande gebrachte Abtreibung mit schwerem Kerker zwischen einem und fünf Jahren bestraft werden.“ 42 In den Jahren 1958 bis 1971 wurden pro Jahr durchschnittlich 115 Frauen wegen Abtreibung nach § 144 zu einem bis fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Paragraph, der die Abtreibung unter Strafe stellte, galt als „Klassenparagraph“. Der Klassencharakter zeigte sich in der Rechtssprechung: 83 % der Verurteilten waren schlecht ausgebildet, gering entlohnt oder Hausfrauen ohne eigenes Einkommen. Nur 6 % konnten sich einen ärztlichen Eingriff leisten, 94 % fielen „Engelma-
cherInnen“ zum Opfer.43 Wohlhabende Frauen aus der Oberschicht konnten gegen entsprechende Bezahlung das „Problem“ diskret und sachgemäß lösen und hatten nicht mit Konsequenzen zu rechnen. Im Jänner 1971 legte der damalige SPÖJustizminister Christian Broda einen Entwurf für ein neues Strafgesetz zum Schwangerschaftsabbruch vor. Es enthielt eine „Indikationenlösung“. Das heißt, der Abbruch sollte nicht prinzipiell straffrei sein, aber unter bestimmten Umständen, so genannten Indikationen, würde von einer Bestrafung Abstand genommen werden. Diese Indikationen sollten von einem Arzt oder einer Ärztin festgestellt werden. Vielen Frauen war der Entwurf zu wenig weitreichend. Gabriele Traxler, eine sozialdemokratische Gewerkschafterin, hielt dem Vorschlag entgegen: „Es ist interessant, dass in unserer Gesellschaft zwar der Arzt für eine so schwere Entscheidung die Verantwortung übernehmen kann, dass man aber die Frau als unmündig erklärt, diese Entscheidung selbst zu treffen.“ 44 Der katholischen Kirche war der Gesetzesentwurf erwartungsgemäß viel zu weitreichend. Er stieß auf massive Kritik. Im Juni gründete die Katholische Aktion ein Komitee und startete eine Unterschriftenaktion und zahlreiche Protestmaßnahmen. Am Muttertag 1971 gingen in Wien rund 100 Frauen für ihr Anliegen auf die Straße. Sie gingen mit Pfannen und Kochlöffeln über die Mariahilferstraße und riefen Parolen wie „Weg mit dem Familienoberhaupt – weg mit der
„Mein Bauch gehört mir“
42
Bauer, Ingrid (1995)
aus einem Flugblatt der SPÖ - Frauen 43
Mesner, Maria: Vom § 144 zum § 97. Eine Reform mit Hindernissen. In: Renner-Institut (1993) 44
49.
geschichte der frauenbewegung
Aufbegehren der Neuen Frauenbewegung
45
Feigl, Susanne (2002)
46 Biographie unter: http://www.dhm.de/lemo/ html/biografien/ vSchwarzerAlice/index.html
50.
Familie überhaupt“ und forderten „Selbstbestimmung über den eigenen Bauch.“ 45 Eine tragende Gruppe war der „Arbeitskreis Emanzipation der Frau“ in der Jungen Generation der SPÖ. Sie gingen mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit. Es wurden Pressekonferenzen organisiert, Straßenaktionen veranstaltet und Unterschriften gesammelt. Der legale Schwangerschaftsabbruch wurde nicht nur in Österreich heiß diskutiert. In vielen Ländern formierten sich Frauengruppen, die sich intensiv mit dem Thema auseinander setzten. Sie boten praktische Hilfe, vermittelten Adressen von ÄrztInnen, organisierten so genannte Abtreibungsfahrten in Länder, in denen Schwangerschaftsabbrüche bereits legalisiert waren oder richteten Beratungsstellen ein. In Österreich wurde Anfang der 70er Jahre die „Aktion unabhängiger Frauen“ (AUF) gegründet. Im April 1971 veröffentlichte die französische Zeitschrift „Le Nouvel Oberservateur“
ein Manifest, in dem sich 343 prominente Frauen, unter ihnen auch Simone de Beauvoir und Catharine Deneuve, öffentlich selbst bezichtigten, Abtreibungen vorgenommen zu haben. Im Juni desselben Jahres gelang es Alice Schwarzer 46, diese Aktion auf den deutschen „Stern“ umzulegen: 374 deutsche Frauen, darunter auch Romy Schneider, beteiligten sich daran. In den anschließenden Jahren kam es immer wieder zu Demonstrationen und öffentlichen Kundgebungen für das Recht auf Selbstbestimmung. 1972 wurde auf der Konferenz der SPÖ Frauen ein Antrag gegen die Indikationsund für die Fristenregelung beschlossen. Am anschließenden Parteitag der SPÖ forderte sogar Justizminister Broda die Delegierten dazu auf, dem Antrag der SPÖ-Frauen zuzustimmen. 1975 trat die Fristenregelung in Kraft. Im Parlament wurde sie allein mit den Stimmen der sozialdemokratischen Abgeordneten beschlossen. Alle anderen im Parlament vertretenen Parteien sprachen sich dagegen aus. Die Bewegung
Immer stärker unterschied sich diese „neue“ Frauenbewegung von der „alten“. Natürlich lässt sich das auch aus dem jeweiligen historischen und politischen Kontext erklären: hatten die Frauen der „alten“ Bewegung nicht einmal das Recht, sich zu versammeln oder ihre Stimme bei Wahlen abzugeben, so konnte die „neue“ Bewegung schon auf diesen er-
geschichte der frauenbewegung
reichten, formalen Rechten aufbauen und sich anderen Themen widmen: Mit dem Motto „Das Private ist politisch!“ erkannten sie, dass vieles, was sie als persönliche Schwierigkeiten empfanden, im Zusammenhang mit den Strukturen der Gesellschaft stand. Sie erkannten, dass sie ein Recht darauf hatten, alles, was bis dato unter den Tisch des „Privatlebens“ gekehrt wurde, öffentlich zu diskutieren und Rahmenbedingungen einzufordern, die ihre Situation verbessern würden. Sie stellten gesamtgesellschaftliche Verhältnisse in Frage, Rollenbilder sollten endlich über Bord geworfen werden. Natürlich gab und gibt es auch in dieser Bewegung unterschiedliche Zugänge. Die neue Frauenbewegung geht auf die StudentInnenbewegung zurück und verstand sich zunächst als feministische Gegenkultur. Sie rückte Bereiche ins Blickfeld, die vorher nicht oder kaum beachtet wurden. Kritisiert wurde die Nichtbeachtung der unbezahlten Reproduktionsarbeit, also Haus- und Pflegearbeit. Ihre Akteurinnen verknüpften diese Erkenntnis mit der Situation von Frauen am Arbeitsmarkt und führten sie darauf zurück, dass Männer während des Erwerbslebens doppelt soviel verdienten wie Frauen und danach eine doppelt so hohe Pension bezogen. Sie erkannten diese ökonomischen Bedingungen als Rahmen, in dem Diskriminierung, Gewalt und Abhängigkeit im privaten Bereich gedeihen können. Sie sprachen über die Gesundheitssituation von Frauen. Sie diskutierten das Thema der weiblichen Sexualität und sprachen
„Wir werden nicht als Frauen geboren, sondern dazu gemacht.“ Simone de Beauvoir (1908–1986) In einem wohlhabenden Elternhaus geboren, verliert ihr Vater nach dem 1. Weltkrieg fast sein gesamtes Vermögen. Simone besucht ein katholisches Mädcheninstitut, welches sie 1925 als Schulbeste abschließt. In der Pubertät beginnt sie, das Hausfrauendasein ihrer Mutter immer mehr zu verachten. Ab 1926 studiert sie Philosophie, wo sie den Mann kennenlernt, dem sie bis an ihr Lebensende tief verbunden sein wird – Jean Paul Sartre. Die beiden definieren ihre Beziehung über Freiheit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmtheit. Mit Beginn des 2. Weltkriegs wird sie zum politisch engagierten Menschen. Ihre Lehrtätigkeit kann sie trotzdem bis 1943 fortsetzen. Ihr bekanntestes Werk „Das andere Geschlecht“ wird 1949 veröffentlicht. Dieses Werk gilt als Meilenstein in der Frauenbewegung, weil es eine umfassende Standortbestimmung von Frauen in einer Gesellschaft bietet, in der der Mann als Norm und das weibliche Geschlecht immer als das „Andere“ definiert ist. Beauvoir stirbt am 14.April 1986 in Paris. 51.
geschichte der frauenbewegung
Die neue Frauenbewegung thematisiert Gewalt
52.
in Selbsterfahrungsgruppen über die persönlichen Schwierigkeiten und den eigenen Körper. Ohne Zweifel ist es der neuen Frauenbewegung zu verdanken, dass alte Tabus wie Masturbation oder sexuelle Gewalt aufgebrochen wurden. Sie sprachen offen von Gewalt gegen Frauen, brachten die Situation von Frauen in Forschung und Lehre aufs Tapet und machten Frauen in der Kultur sichtbar. Sie widmeten sich auch der Pornographie, kreideten sexistische Werbung an und thematisierten Prostitution. Es entstanden Frauenverlage, Frauenzeitschriften, Frauenbuchläden, Frauencafes, Frauenkulturgruppen, Frauenferienhäuser, Frauen-
gesundheitszentren, Frauenhäuser und Notrufe für misshandelte und vergewaltigte Frauen und Mädchen. „Autonomie“ fand sich in unterschiedlicher Auslegung in vielen Frauengruppen wieder. Es wurde erkannt, dass die Organisation ohne Männer die Voraussetzung dafür war, die eigenen Bedürfnisse und Probleme überhaupt zu erkennen und gemeinsam besprechen zu können. So wurde die Autonomie vom männlichen Geschlecht als notwendig für eine bestimmte Phase der Politisierung begriffen. Andere Gruppen verweigerten die Zusammenarbeit und das Zusammenleben mit Männern als Ganzes. Sie proklamierten ihre Autonomie von Männern, ihre Autonomie von Parteien, ihre Autonomie von der eigenen Gruppe. Das bedeutete für sie das Loslösen aus der patriarchalen Gesellschaft. Sie schufen Freiräume für Frauen, zu denen Männer keinen Zutritt hatten. Sie waren der Meinung, Frauen könnten sich nur gegen die Unterdrückung wehren, wenn sie sich vollständig von der patriarchalen Welt verabschiedeten. Eine Front tat sich dabei auch zwischen heterosexuellen und lesbischen Feministinnen auf. Nach dem Motto „Feminismus ist die Theorie – Lesbianismus ist die Praxis“ warfen manche radikale Lesben den Hetero-Frauen vor, sie würden allein schon durch die Beziehung mit einem Mann Verrat an der Bewegung begehen und die einzig „wahren“ Feministinnen seien lesbisch. Die neue Frauenbewegung hat in Österreich – abseits des Kampfes um die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches – nie eine Massenbasis erreicht. Ein Grund
geschichte der frauenbewegung
dafür dürfte sein, dass viele Forderungen ihre Unterstützung und Umsetzung durch die sozialistische Alleinregierung fanden. Zahlreiche Fraueninitiativen, die in dieser Zeit entstanden sind, gibt es aber bis heute. Die sozialistische Alleinregierung und die Rechtsreform
1970 erreichte die SPÖ die relative Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Sie bildete eine Minderheitsregierung, die von den Freiheitlichen unterstützt wurde. Ein Jahr später kam es nach einer mit der FPÖ verhandelten Wahlrechtsreform zu Neuwahlen, bei denen die SPÖ die absolute Mehrheit gewann, die sie bis 1983 behielt. In diesen 13 Jahren SPÖAlleinregierung wurden zahlreiche Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern entwickelt und umgesetzt. Maßgeblich dazu beigetragen hat die Frauenorganisation in der SPÖ und mit dieser namentlich Johanna Dohnal. Zu Beginn der „Ära Kreisky“ war sie Frauensekretärin der Wiener SPÖ, ab 1979 erste Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen und ab Jänner 1990 erste Frauenministerin in Österreich. Maßnahmen wie Karenzgeld oder Sondernotstandshilfe für alleinstehende oder arbeitslose Mütter zeigten neben dem sozialen Aspekt auch die gesellschaftspolitischen Hintergründe, mit denen Politik für Frauen umgesetzt wurde. Die Gesellschaft sollte von konservativen Zwängen befreit werden. Auch Frauen, die ohne Trauschein lebten, wurden Rechte zugestanden, womit verschiedene
„Was gehen mich seine Knöpfe an?“ Johanna Dohnal (*1939) Geboren am 14. Februar in Wien als uneheliche Tochter einer Fabrikarbeiterin. Nach Abschluss einer Lehre als Industriekauffrau wird sie Lohnverrechnerin in einer Wiener Werkstatt, wo sie auch zur Betriebsrätin gewählt wird. Mit 16 Jahren kommt sie zur SPÖ, wo sie bei den KinderfreundInnen aktiv ist. 1972 wird Dohnal Wiener Frauensekretärin. Unter Bruno Kreisky wird sie 1979 zur Staatssekretärin für Frauen- und Familienfragen berufen. In ihrer Amtszeit kommt es zu zahlreichen Verbesserungen für Frauen. So wird unter anderem das Gleichbehandlungsgesetz beschlossen, Frauen können ihre StaatsbürgerInnenschaft an ihre Kinder weitergeben, geschlechtsspezifische Stellenaussschreibungen werden verboten, die Elternkarenz eingeführt, das Wegweiserecht tritt in Kraft,… 1991 wird sie zur Bundesministerin für Frauenangelegenheiten berufen. Mit der Regierungsumbildung 1995 scheidet Johanna Dohnal aus der Bundespolitik aus und engagiert sich ab diesem Zeitpunkt in zahlreichen frauenpolitischen Initiativen wie z.B. dem Frauenvolksbegehren. 53.
geschichte der frauenbewegung
Demo zum Frauentag
Lebensformen abseits der bürgerlichen Kernfamilie staatliche Unterstützung und Akzeptanz fanden. 1975 wurde in Österreich die Familienrechtsreform verabschiedet. Damit wurde das bis dahin rechtlich gültige patriarchalische Versorgungs-Ehemodell durch ein partnerschaftlich -orientiertes ersetzt. Das davor gültige Recht des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahr 1811 hatte eine Form der Familie zur Rechtsnorm gemacht, die sich um das Vermögen bzw. den Erwerb des Man54.
nes konstituierte und die Leitungsgewalt und den Führungsanspruch in der Familie dem Mann zuteilte: „Der Mann ist das Haupt der Familie. In dieser Eigenschaft steht ihm vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen zu leiten; es liegt ihm aber auch die Verbindlichkeit ob, der Ehegattin nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen und sie in allen Vorfällen zu vertreten.“ (ABGB § 91, Alte Fassung von 1811) Außerdem war es bis 1976 (also bis zum Inkrafttreten der Reform) österreichisches Ge-
geschichte der frauenbewegung
setz, dass „die Gattin den Namen des Mannes erhält und die Rechte seines Standes genießt. Sie ist verbunden, dem Mann in seinen Wohnsitz zu folgen, in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beizustehen und, soweit es die häusliche Ordnung einfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln sowohl Selbst zu befolgen als befolgen zu machen.“ (ABGB § 92, alte Fassung von 1811) Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkung der Ehe – die Familienrechtsreform – geht vom Grundsatz aus, dass Mann und Frau in der Ehe gleiche Rechte und Pflichten haben. Der Mann war nicht länger „Haupt der Familie“ und konnte seiner Ehefrau nicht mehr verbieten, berufstätig zu sein. Hausarbeit wurde erstmals als gleichwertiger Beitrag zum Unterhalt anerkannt und die EhepartnerInnen konnten nun erstmals auch entscheiden, ob sie den Namen des Mannes oder der Frau als Ehenamen führen wollten. Die Fristenregelung und damit die Entkriminalisierung der Abtreibung trat 1975 in Kraft. Im Rahmen der Regelung kann in Österreich seit 1975 eine Schwangerschaft bis zum dritten Monat straffrei abgebrochen werden (da-
nach noch aufgrund medizinischer Indikation). Vorraussetzung für einen Schwangerschaftsabbruch ist eine vorhergehende ärztliche Beratung und die Durchführung von einem Arzt oder einer Ärztin. Ärzte und Ärztinnen können sich aber aus Gewissensgründen weigern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Die tatsächliche Durchführung der Fristenregelung ist damit bis heute nicht in allen österreichischen Bundesländern gewährleistet. Mit der Neuregelung des Kindschaftsrechts, das 1977 beschlossen und 1978 in Kraft getreten ist, wurde die „väterliche Gewalt“ über die Kinder beseitigt. Vater und Mutter hatten fortan gleiche Rechte und gleiche Pflichten. Auch Mütter sind seitdem berechtigt, z.B. Dokumente für ihre Kinder zu unterschreiben. Im Zuge der Neuordnung des Güterrechts, welches 1978 in Kraft getreten ist, wurde die bis dahin geltende Rechtsvermutung, dass das während der Ehe erworbene Vermögen vom Mann stammt, eliminiert. Im Falle der Auflösung eine Ehe wird die Teilung des in der Ehe erworbenen Vermögens vorgenommen. 55.
geschichte der frauenbewegung
Dohnal, Albrecht, Fast und Eypeltauer 1979
1979 wurde das Gesetz über die Gleichbehandlung von Mann und Frau bei der Entlohnung beschlossen und eine Gleichbehandlungskommission eingerichtet, die bis heute existiert. 1979 bildete Bruno Kreisky die Regierung um. Er schuf vier neue Staatssekretariate, die alle mit Frauen besetzt wurden. Eine davon war Johanna Dohnal, fortan Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt. Der Frauenanteil in der Regierung stieg damit erstmals auf über 25 %. Die Reaktionen waren heftig. Auch Genossen aus der SPÖ reagierten auf diesen „Paukenschlag“ empört. Kreisky ließ sich nicht beirren. Er zog seine Entscheidung durch. Rückblickend
47
Feigl, Susanne (2002)
48 Alle frauenpolitisch relevanten Maßnahmen seit 1970 unter: http://www.renner-institut.at/frauenakademie/sp_70er/sp_frpol.htm 49 Frauen in der Politik – Eine Übersicht: http://www.demokratiezentrum.org/de/startseite/wissen/timelines/ frauen_ in_der_ politik_-_ positionsinhaberinnen_-_ institutionelle_frauenpolitik.html
56.
meinte er dazu einmal: „Bei der Todesstrafe und der Emanzipation der Frau darf man die Basis nicht fragen.“ Nicht nur innerhalb der Partei war die Einsetzung der Frauen zutiefst umstritten, auch die Öffentlichkeit kommentierte diese Besetzung höhnisch: Vom „Vier Mäderl Haus“, von „Gehilfinnen“, von „Puppen“ oder vom „Damenquartett“ war in den Zeitungen zu lesen.47 In den 13 Jahren sozialdemokratischer Frauenpolitik wurden nicht nur formal-rechtliche Gleichstellungsmaßnahmen erlangt. Es wurden auch viele Themen enttabuisiert, die Frauen in ihrer Realität massiv betreffen. Viele Initiativen der autonomen Frauenbewegung wurden unterstützt, Frauenhäuser errichtet und Kulturprojekte gefördert.48 80er und 90er Jahre
Engagierte Feministinnen versuchten in dieser Zeit vor allem, die Spannung zwischen „öffentlich“ und „privat“ weiter abzubauen. Es ging ihnen darum, „die Öffentlichkeit zu feminisieren“. Das bedeutete, auf „private“ Probleme von Frauen aufmerksam zu machen und „öffentliche“ Verantwortung dafür zu fordern. Eine vehemente Forderung war, die „innereheliche“ Vergewaltigung unter Strafe zu stellen. Das geschah erst 1989. Ein anderer wichtiger Punkt war auch das Präsent - Machen von Frauen in und durch öffentliche Funktionen. In der Zeit der kleinen Koalition von 1983–1986 gab es erstmals in der Geschichte Österreichs mehr als 10 % Frauen bei den Nationalratsabgeordneten 49. 1985
geschichte der frauenbewegung
beschloss die SPÖ auf ihrem Parteitag als erste Partei in Österreich eine Quote von 25 %. Das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt mindestens 25 % aller Nationalratsabgeordneten der Partei weiblich sein mussten. 1993 wurde die Quote auf 40 % erhöht. 2007 sind 31,1 % aller Abgeordneten zum Nationalrat Frauen. Immer noch entspricht das keineswegs der Bevölkerungsstruktur, die der Nationalrat vertreten soll. Ein anderes Thema, um das sich viele Frauen in den 80er und 90er Jahren annahmen, war die Abrüstung und Friedenspolitik. Friedensmärsche wurden organisiert und öffentliche Kundgebungen gegen Atomwaffen abgehalten. Darüber hinaus beschäftigte sich die Frauenbewegung bis heute mit traditionellen Berufsbildern von Männer und Frauen mit dem Ziel, diese aufzuweichen. Frauen arbeiten bis heute eher in Dienstleistungssektoren, die traditionell schlecht bezahlt sind. Es gibt aber zahlreiche Projekte, die versuchen, Mädchen auch „unkonventionelle“ Berufe schmackhaft zu machen. Außerdem wurden von Frauengruppen Frauenkultur- und Kommunikationszentren initiiert. Allerdings machten fehlendes Interesse, grundlegende Differenzen zwischen den feministischen Gruppen und personelle Schwächen der Bewegung zu schaffen. Viele „alte“ Feministinnen festigten ihr Engagement in politischen Organisationen. Der neuen Generation schienen die Konzepte der 70er -Jahre verstaubt zu wirken.
Es wurden Diskussionen über das „autonome“ Konzept geführt und dessen Richtigkeit in Frage gestellt. Der Separatismus wurde auch seitens anderer Feministinnen kritisiert. Viele Frauen verstanden die Abgrenzung nicht nur als eine von Männern, sondern auch als Abwendung von anders denkenden Frauen. Heute stehen wir auf den Schultern von Riesinnen. Unzählige Frauen haben in den letzten zwei Jahrhunderten jene Rechte erkämpft, die uns jungen Frauen jetzt selbstverständlich erscheinen. Diese bewegten Frauen nahmen Schmach und Spott auf sich, ließen sich beschimpfen und verunglimpfen. Nicht wenige von ihnen wurden verfolgt, eingesperrt oder haben sogar ihr Leben im Kampf für Frauenrechte gelassen. Ihre Namen sind weitgehend aus der männlichen Geschichtsschreibung verschwunden. Auch wenn wir dadurch heute in ganz anderen Verhältnissen aufwachsen und leben, darf uns das nicht den Blick auf all jene Bereiche verstellen, in denen Frauen bis heute nicht gleich gestellt sind. Die folgenden Seiten beschäftigen sich mit aktuellen Debatten und versuchen eine Bestandsaufnahme aus heutiger Sicht. Für uns steht außer Frage, dass wir den hier genannten Frauen und vielen darüber hinaus verantwortlich sind, unsere Finger auf alte und neue offene Wunden zu legen und ihren Kampf weiter zu führen. Den Kampf für eine Gesellschaft jenseits von Geschlechterzugehörigkeit. 57.
111. Feministische Theorien, Themen, Entwicklungen …
Bildung ist Befreiung …
… vor allem, wenn Frauen die vermeintlich objektive Wissenschaft – die ebenso wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche von patriarchalen Strukturen durchdrungen ist – ein wenig entzaubern. Von 1970 bis 2007 stieg der Frauenanteil unter den StudienanfängerInnen von 26 Prozent auf etwa 55 Prozent. Insbesondere eine Sozial- und Hochschulpolitik, die auch Menschen aus bildungsferneren und einkommensschwachen Schichten ein Studium ermöglichte, eröffnete gerade Frauen den Zugang zur Wissenschaft. Dieser „Ansturm“ der Frauen auf die höheren Bildungseinrichtungen findet sich in den Universitätsstrukturen selbst jedoch nicht wieder. Im Jahr 2007 beträgt der Anteil an Frauen bei den AssistentInnen gerade mal 33 Prozent und bei den ProfessorInnen reduziert sich ihr Anteil auf nur mehr 14 Prozent. Auf universitärer Leitungsebene kann von einem Frauenanteil gar keine Rede sein. Am 1. Oktober 2007 tritt die erste Frau in der Geschichte ihr Amt als Rektorin einer österreichischen Universität an. 58.
Susanne Dermutz, Universitätsassistentin am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Klagenfurt: „Wissenschaft und Frau-Sein ist eine heikle, schwierige Beziehung, weil Frau-Sein im Wissenschaftsbetrieb für mich persönlich heißt, Widerstand gegen sehr etablierte Theoriekonstrukte oder gegen ein Wissenschaftsverständnis des Kontrollierens und Disziplinierens leisten zu müssen, ohne all das entscheidend ändern zu können.” Gegen diese vor allem gläsernen Wände ist es dennoch gelungen, wichtige Wissenschaften zu entwickeln, die sich unter den Begriffen „Frauenforschung“, „feministische Wissenschaft“ und „Genderforschung“ zusammenfassen lassen. Aber nicht nur in Bezug auf die spezifisch feministische Forschung mit all ihren Facetten ist einiges passiert. Auch in sämtlichen anderen wissenschaftlichen Disziplinen werden Frauenaspekte berücksichtigt. Eine richtige Durchflutung des Lehrstoffs mit geschlechtergerechten und –sensiblen Inhalten ist jedoch nicht der Fall. Meist wird die Frage der Geschlechtergerechtigkeit als „Frauen-Thema“ abgekanzelt und separat behandelt. Ein kleines Beispiel: Die World Health Organization (WHO)
theorien, themen, entwicklungen
führt die schlechtere Wirksamkeit pharmazeutischer Präparate auf den weiblichen Organismus auf die mangelnde Berücksichtigung von Frauen im Rahmen klinischer Studien zurück. So werden neue Medikamente in den USA und Großbritannien fast ausschließlich an männlichen Probanden getestet. Dieses Phänomen in der Forschung hat weniger etwas mit bewusstem Sexismus, sondern viel mehr mit so genanntem Androzentrismus zu tun. Dieser Begriff versucht dem Umstand, dass Frauen erst zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts am Forschungsprozess teilnehmen durften, Rechnung zu tragen. Die deutsche Sozialpsychologin Regina Becker-Schmidt zeigt die noch immer anhaltenden Auswirkungen männlicher Dominanz im Wissenschaftsbetrieb auf: „Ehe sich feministische Diskurse entfalten konnten, waren Vorstellungen von ‚Geschlecht’ und ‚Geschlechtlichkeit’ bereits aus männlicher Perspektive vorgedacht. Die Geschichte der Frauen- und Geschlechterforschung hat also, wissenschafts- und realhistorisch gesehen, nicht voraussetzungslos begonnen.“50
Becker-Schmidt, Regina Knapp Gudrun-Axeli (2003)
50
59.
theorien, themen, entwicklungen
„Das sexuelle Geschlecht ist eine biologische Gegebenheit für Männer und Frauen. Die geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen an Frauen und Männer stellen eine kulturabhängige Definition von Verhalten dar, das als den Geschlechtern in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit angemessen gilt. Diese kulturspezifische Bestimmung der Geschlechterrollen ist also ein historisch bedingtes Produkt.“ (Gerda Lerner)
60.
Theoretische Grundlagen der aktuellen feministischen Debatte
Besonders durch den vermehrten Zugang von Frauen zu höheren Bildungswegen erreichte auch die Debatte um die vermeintlichen oder realen Geschlechterunterschiede eine neue Qualität: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“ – Simone de Beauvoir legte Ende der 40er Jahre den Grundstein für die sex-/gender-Debatte in der neuen Frauenbewegung. Die englische Sprache unterscheidet zwischen „sex", dem biologischen Geschlecht, und „gender", dem sozialen Geschlecht bzw. der Geschlechtsidentität. Das soziale Geschlecht ergibt sich aus der Summe jener Eigenschaften, die als typisch weiblich oder typisch männlich angesehen werden (z.B.: Frauen sind sensibel, emotional, zurückhaltend; Männer sind aggressiver, selbstbewusst, sexhungrig etc.). Gender beschreibt schlicht und einfach die gesellschaftlichen Geschlechterrollen, die Vorstellungen und Erwartungen, wie Frauen und Männer sind bzw. sein sollen. Es sind Iden-
titätskonzepte, die auf Basis des biologischen Geschlechts zugeordnet werden. Es sind Zuschreibungen, die sich im Lauf der Zeit ändern können und von Kultur zu Kultur unterschiedlich sind. Die „Entdeckung“ des sozialen Geschlechts vergrößerte den Handlungs- und Argumentationsspielraum der Frauenbewegung, die die vorherrschenden Geschlechterrollen nicht als naturgegeben, sondern als veränderbar ansah. Anfang der 80er Jahre kam wieder Bewegung in die teils festgefahrenen feministischen Konzepte: Begriffe wie Ethnie und Klasse gewannen an Bedeutung und unter den Frauen selbst kam es zu einer Differenzierung. Es gab nicht mehr nur eine Gruppe von unterdrückten Frauen (vornehmlich weiß, bürgerlich und meist heterosexuell). Lesbierinnen, Migrantinnen in westlichen Ländern und vor allem auch Frauen aus dem Süden machten auf die teilweise anderen, teilweise auf Grund der Ausgangssituation ähnlichen Probleme aufmerksam. „[… ] feministische Theorie hat es heute mit einem vielstimmigen und in sich kontroversen Diskurs zu tun. Im Singular ist feminis-
theorien, themen, entwicklungen
tische Theorie nicht zu haben. Das interdisziplinäre Feld feministischer Theoriebildung wird allerdings durch ein gemeinsames Band zusammengehalten: das wissenschaftlich - politische Interesse an der Verfasstheit von Geschlechterverhältnissen und die Kritik an allen Formen von Macht und Herrschaft, die Frauen diskriminieren und deklassieren.“ 51 zeigen die Feministinnen Knapp und Becker-Schmidt die Vielschichtigkeit feministischer Theoriearbeit auf. Obwohl die Einteilung der Feminismen in gewisse Strömungen eine grobe Verallgmeinerung darstellt, kann sie dennoch ein nützlicher Kompass im Dschungel unterschiedlichster feministischer Debatten sein. Prinzipiell kann von vier Paradigmen innerhalb feministischer Theoriebildung gesprochen werden, die nachfolgend kurz skizziert werden:
wird als gegeben betrachtet. Das „Weibliche“ wird positiv besetzt und bringt ein Mehr an Erfahrungsreichtum und anderem Blickwinkel auf die Wissenschaft. Motto: „Die Frau ist anders, aber gleichwertig“
Die Egalitätstheorie
Dekonstruktion von Geschlecht
Dreh- und Angelpunkt ist die Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Typisch „männliche“ und typisch „weibliche“ Eigenschaften werden auf geschlechtsspezifische Sozialisation und Aufgabenteilung zurückgeführt. Männer werden (großteils) als Referenzpunkt herangezogen, wohin sich die Gleichstellung entwickeln soll. Ableitungen in der sozialen Praxis sind vor allem rechtliche Gleichstellungen.
Sämtliche Mechanismen der Identitätsherstellung und vor allem der Geschlechtsidentität werden auf ihre Ex- und Inklusionsmechanismen abgeklopft. Jede Abgrenzung/ Unterscheidung setzt symbolische Ordnung und gesellschaftliche Verhältnisse voraus, die diese Differenzen bedeutungs- und sinnvoll machen. Der universelle Anspruch des Ordnungssystems der Zweigeschlechtlichkeit wird hinterfragt, ebenso die herkömmliche Auffassung von Subjekt, Vernunft und Wahrheit. Heute sind es vor allem VetreterInnen der Dekonstruktionstheorien, die im feministischen Diskurs für Aufregung sorgen und oft-
Die Differenztheorie Die Verschiedenheit (biologisch, sozial, psychologisch) zwischen den Geschlechtern
Konstruktion von Geschlecht Es stehen nicht mehr die Folgen der Geschlechterdichotomie im Vordergrund, sondern die Frage nach der Herstellung der Kategorie Geschlecht bzw. Männlich- und Weiblichkeit. Es geht darum „to enable us to look at cultures’ gender-lenses rather than trough them“. Die Eindeutigkeit biologischer Konstanten wird in Frage gestellt und das Geschlecht als Ergebnis von permanenter Reproduktion innerhalb sozialer Interaktion ausgemacht („doing gender“).
Becker-Schmidt, Regina Knapp Gudrun-Axeli (2003) 51
61.
theorien, themen, entwicklungen
mals auch unter dem Schlagwort „postmoderner Feminismus“ zusammengefasst werden. Eindeutige Subjektkonzepte und „EntwederOder-Denken“ weichen einer differenzierteren bzw. dekonstruierenden Sichtweise auf das Geschlecht und der damit einhergehenden Identitätsbildung. Hier knüpfen unter anderem auch jene Strömungen an, die unter Transgender und Queer Theory zusammengefasst werden können. Gender-Mainstreaming
Mitte der 80er Jahre verschluckten das öffentliche Leben und die „offizielle“ Politik die autonome Frauenbewegung: Quotenregelung, Gleichstellungsbeauftragte, staatlich finanzierte Projekte, akademischer Feminismus etc. etablierten sich. Nun sollte eine für alle Frauen geltende Frauenpolitik durchgesetzt werden. Als beliebtes Mittel wurde hier das Prinzip des Gender Mainstreaming herangezogen. Der Begriff des Gender Mainstreaming kam erstmals in den 60er Jahren auf. Aber erst 1995 erhielt er internationale Aufmerksamkeit, als er auf der Frauenkonferenz in Peking 62.
thematisiert wurde. Mainstreaming bedeutet, dass ein bestimmtes Denken und Handeln in den „Mainstream“ – in Politik und Verwaltung, Programme und Maßnahmen von Regierungen übernommen, zu einem selbstverständlichen Handlungsmuster wird und somit ein Sonderthema zu einem Hauptthema wird. Mainstreaming heißt, den „Mainstream“ zu durchdringen und zu verändern. Gender mainstreaming bedeutet jedoch nicht, dass frauenspezifische Beobachtungen oder frauenfördernde Schritte gesetzt werden, sondern lediglich, dass die Auswirkungen aller Maßnahmen auf beide Geschlechter, Frauen und Männer, beobachtet werden. Gender Mainstreaming hat das Ziel, die unterschiedliche Stellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft in allen Bereichen und bei allen Planungs- und Entscheidungsschritten bewusst wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Tatsächlich ist diese Methode nur eine des Beobachtens, nicht aber des aktiven Handelns. Gender Mainstreaming umgesetzt in die Praxis: Du willst eine SchülerInnenzeitung nach dem Prinzip des Gender Mainstreaming
theorien, themen, entwicklungen
gestalten. Wichtig ist, dass die Artikel von beiden Seiten der Geschlechter zu gleichem Anteil verfasst werden. Außerdem soll ein Themenblock (z.B.: Bildungspolitik) nicht von einem Geschlecht dominiert werden. Wie oft kommen Frauen und Männer auf Bildern vor? Und vor allem: Wie sind diese abgebildet – werden dadurch die derzeit vorherrschenden Rollenklischees verfestigt? Sind die Artikel für beide Geschlechter gleich ansprechend? Und, und, und? Gender Mainstreaming soll traditionelle Sichtweisen der Frauenpolitik aufheben: Nicht Frauen haben spezifische Probleme, sondern gesellschaftlich hergestellte Bedingungen versetzen Frauen in problematische Situationen. Nicht Frauen haben Defizite, die beseitigt werden müssen, sondern Defizite sind auf Grund der gesellschaftlich definierten Geschlechterrollen auch bei Männern vorhanden – nicht auf Grund des biologischen Geschlechts. Nicht Frauen sind zuständig für die Lösung der Geschlechterprobleme, sondern Frauen und Männer übernehmen die Verantwortung für die Veränderung der Geschlechterverhältnisse gemeinsam. Gender Mainstreaming ist „modern“ geworden. NGOs, private Firmen und staatliche Einrichtungen wenden es an bzw. schreiben sich auf die Fahnen, „gegendert“ zu arbeiten. Allerdings werden in aktuellen Debatten von feministischer Seite aber auch immer mehr Stimmen laut, die vor einem Trend warnen: Die Gefahr, dass sich Gender Mainstreaming
von einer ergänzenden hin zu einer frauenfördernde Maßnahmen ersetzenden Strategie wandelt. Richtig und auch positiv ist daher der Ansatz, dass sich Gleichstellungsanliegen durch alle Bereiche und Maßnahmen ziehen müssen. Klar ist jedoch, dass Gender Mainstreaming eine konkrete Frauenförderungspolitik nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen kann. Sprache als Thema der Frauenbewegung
Sprache dient den Menschen nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern vermittelt auch maßgeblich unsere Weltanschauung und trägt zur Bildung unserer sozialen und psychosozialen Identität bei.
„Frauen, nichts mehr schlucken! Feuer spucken!“ (Demokratische Fraueninitiative DFI)
Wie eine Sprache aufgebaut ist, wie sie sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt, ist nicht dem Zufall überlassen, sondern hängt wesentlich von den sozialen Bedingungen der Menschen, die diese Sprache sprechen, ab. Das Verhältnis zwischen Sprache und Gesellschaft ist folglich als ein in ständiger Wechselwirkung Stehendes zu begreifen. Sprache wird von Menschen, die in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen leben, entwickelt und spiegelt diese gesellschaftlichen Strukturen wider. Gleichzeitig aber wirken die sprachlichen Strukturen in Form von Weltbildern und Ideologien auf die Individuen, die sie ent wickeln, benützen und verändern, wieder zurück. 63.
theorien, themen, entwicklungen
Sprache stellt also einen zentralen Bereich im Leben eines Menschen dar und ist untrennbar mit Identität verbunden. Mädchen und Frauen erscheint es oft selbstverständlich, von sich in der männlichen Form zu sprechen („Ich bin Student, Schüler, Angestellter, … “), oder sich mitgemeint zu fühlen, wenn männliche Bezeichnungen verwendet werden. Im Unterschied dazu ist es nahezu unvorstellbar, ausschließlich weibliche Endungen zu verwenden, ohne dadurch mit der Empörung von Burschen oder Männern rechnen zu müssen. Dass das Männliche als Norm angesehen wird und Frauen dieser Norm untergeordnet werden, wird allerdings nicht hinterfragt. Sprache ist sexistisch, wenn sie Frauen und ihre Leistungen ignoriert, wenn sie Frauen nur in Abhängigkeit von und Unterordnung zu Männern beschreibt, wenn sie Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt und ihnen so über das Stereotyp hinausgehende Interessen und Fähigkeiten abspricht und wenn sie Frauen durch herablassende Sprache demütigt und lächerlich macht. Die nichtsexistische Sprachverwendung folgt daher zwei wesentlichen Leitgedanken: Sichtbarmachung und Symmetrie. 64.
Sichtbarmachung von Frauen in der Sprache bedeutet, sie ausdrücklich und in nicht abwertender Weise zu benennen, zur Bezeichnung von Frauen keine männlichen Ausdrücke (Maskulina), sondern nur weibliche Wortformen (Feminina) zu verwenden. Frauen müssen jederzeit eindeutig entscheiden können, ob sie gemeint sind. Deswegen wird die maskuline Form eines Wortes nicht mehr als Oberbegriff verwendet, der Frauen und Männer gleichermaßen bezeichnen soll. Symmetrie bedeutet, dass Frauen dort, wo Frauen und Männer genannt werden, sprachlich gleich behandelt werden. Sie werden in gleicher Weise vorgestellt (das gilt besonders für die Nennung von Namen, Titeln, Berufsund Funktionsbezeichnungen). Sexistische Ausdrücke und Bezeichnungen, die Frauen abwerten oder lächerlich machen, werden nicht verwendet. Frauen werden als aktiv Handelnde, als Eigenständige und Gleichberechtigte dargestellt, nicht stereotyp als von Männern abhängig, ihnen untergeordnet oder im Verhältnis zu Männern zweitrangig.
1V. Aktuelle Situation & Unterdrückung von Frauen
Arbeitswelt
Der Anteil der beschäftigten Frauen in Österreich ist in den letzten Jahren weiter gestiegen und beträgt heute 60,7 %. Das ist zwar ein relativ hohes Level, liegt aber noch immer deutlich unter den skandinavischen Ländern und natürlich hinter der Beschäftigungsquote der Männer, die 74,9 % beträgt. Der Arbeitsmarkt in Österreich ist nach wie vor stark nach Geschlechtern geteilt. Auf der einen Seite findet eine horizontale Segregation statt, was bedeutet, dass es eine deutliche Trennung zwischen Frauen- und Männerberufen gibt. Klassische Frauenberufe finden sich im Gesundheits- und Sozialwesen, wo 77 % aller Beschäftigten Frauen sind sowie im Bereich Unterricht, hier sind es 65 % aller Beschäftigten. Auf der anderen Seite gibt es eine anhaltend starke vertikale Segregation, also das Phänomen, dass Frauen nur bis zu bestimmten Positionen in der Unternehmenshierarchie aufsteigen und nicht darüber hinaus kommen können. Laut Frauenbericht der Arbeiterkammer sind in börsennotierten Unternehmen nur 2,9 % Frauen in Managementfunktion zu finden .
Problematisch ist die Entwicklung der atypischen Beschäftigungsverhältnisse, die in erster Linie Frauen betrifft. In Österreich sind 38,7 % der Frauen in Teilzeitjobs beschäftigt – und dies meist nicht freiwillig. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Verantwortung für die Betreuung der Kinder bzw. Familie sind viele Frauen gezwungen, in flexiblen Beschäftigungsformen zu arbeiten, um Familie und Beruf irgendwie vereinbaren zu können.
„Unrecht“, meint Herr Keuner „gewinnt oft Rechtscharakter einfach dadurch, dass es häufig vorkommt“ (Bert Brecht)
In diesem Zusammenhang ist die Frage der Kinderbetreuungsangebote zentral. Laut einer Studie von Fuchs u.a. aus dem Jahr 2005 fehlen in Österreich rund 40 000 bis 50 000 Kinderbetreuungsplätze. Vor allem bei den unter 3-jährigen sieht die Lage nicht sehr rosig aus. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass die Karenzzeit bis zum 2. Geburtstag des Kindes reicht, aber nur für 21 % der Zweijährigen ein Betreuungsplatz vorhanden ist. Durch eine unzureichende Verfügbarkeit von Betreuungseinrichtungen sind Frauen dazu gezwungen, entweder zu Hause zu bleiben oder eben einen Teilzeitjob anzunehmen. Im Hinblick auf Familienpolitik in Österreich ist festzustellen, dass die traditionelle Famili65.
66.
aktuelle situation
enform von Vater, Mutter und mehreren Kindern im Auflösen begriffen ist. Der Anteil der AlleinerzieherInnen steigt, Patch-Work Familien und gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften werden häufiger. Die in den letzten Jahren stark rechts-konservativ dominierte Familienpolitik hat dieser Entwicklung allerdings kaum Rechnung getragen und baut nach wie vor auf einem Familienbild auf, in der der Mann der „Ernährer“ ist und das Einkommen der Frau nur als Zuverdienst gesehen wird.
vativen Kräften immer wieder als fortschrittliche Maßnahme verteidigt wird, werden Frauen aktiv daran gehindert, möglichst früh wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Studien zeigen, dass eine längere Bezugsdauer zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit und einer geringen Beschäftigung von Frauen führt. Ökonomische Sicherheit ist aber ein wesentlicher Grundstein für Unabhängigkeit und Selbstständigkeit von Frauen. Unbezahlt und unsichtbar
Armut ist weiblich
Armut ist immer noch weiblich. Obwohl seit 2000 ein allgemein starker Anstieg der armutsgefährdeten Personen in Österreich zu verzeichnen ist, sind nach wie vor vor allem Frauen davon betroffen. Besonders prekär ist die Entwicklung im Bereich der AlleinerzieherInnen: Jede dritte Person in einem allein erziehenden Haushalt ist armutsgefährdet und es sind in erster Linie Frauen, die ihre Kinder alleine erziehen. Im Hinblick auf Armutsprävention sind es wieder Frauen, die durch das bestehende soziale System benachteiligt werden. Durch meist lückenhafte Erwerbsbiografien (bedingt durch Kindererziehungszeiten), atypische Beschäftigungsverhältnisse, geringes Einkommen usw. erhalten viele Frauen nur geringe bzw. gar keine Sozialleistungen. In diesem Zusammenhang muss auch das familienpolitische Instrument des Kinderbetreuungsgeldes thematisiert werden. Gerade durch die lange Bezugsdauer, die über den Kündigungsschutz hinausgeht und von konser-
Jede Gesellschaft ist abhängig von geleisteter reproduktiver Arbeit, das bedeutet, dass Menschen versorgt, betreut, ausgebildet und gepflegt werden müssen. Diese Arbeit ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt. Sie ist unbezahlt und dabei für die Wirtschaft von großer Wichtigkeit. Sie stellt sicher, dass die benötigten Arbeitskräfte auch einsatztauglich sind.
Nackte Frauenkörper als Verkaufsschlager omnipräsent
Obwohl sich die Situation auf den ersten Blick über die letzten Jahrzehnte schrittweise verbessert hat und „nur mehr“ 57 Prozent der Frauen angeben, dass sie überwiegend oder ganz alleine für die Hausarbeit zuständig sind, sind wir noch weit von einer gleichberechtigten Aufteilung der unbezahlten Arbeit entfernt. Durchschnittlich wenden Frauen in Österreich pro Woche 45,2 Stunden für Job, Haushalt, Familie etc. auf, von denen fast zwei Drittel auf Hausarbeit und Kinderbetreuung entfallen. Im Vergleich dazu arbeiten Männer 67.
aktuelle situation
im Durchschnitt nur 35,1 Stunden pro Woche und wenden ein Fünftel ihrer Zeit für reproduktive Tätigkeiten auf. Aber was bedeutet das? Mehr Zeit für unbezahlte Arbeit aufwenden zu müssen, bedeutet weniger Zeit für andere Tätigkeiten wie Freizeit, Aus- und Weiterbildung zu haben. Eine Situation, die zu einer Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern führt. Schönheitsterror
Vor allem Frauen leiden unter den Zwängen von Schönheitsidealen, die uns tagtäglich durch Medien und Werbung vermittelt werden. Allein in Österreich leiden 2500 der 15 bis 20 Jährigen Mädchen an Magersucht. Resultierend aus einer ständigen Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper hat die Hälfte aller 11-jährigen Mädchen schon mindestens einmal in ihrem Leben eine Diät gemacht, obwohl sie medizinisch gesehen nicht übergewichtig sind. Die bestehenden gesellschaftlichen Anforderungen und der Druck für Frauen und Mädchen, schön und „sexy“ zu sein, zeigen sich in Ausformungen, die von Fastenkuren über Schönheitsoperationen bis hin zur Selbstverstümmelung und Tod reichen. Verhütung ist Frauensache. Laut einer Studie des Österreichischen Institutes für Familienplanung halten sich 95 Prozent der Mädchen und 93 Prozent der gesamten Jugendlichen für gut bzw. ziemlich gut aufgeklärt. Kommt es aber dann zu detaillierteren Kenntnissen über Verhütung und Sexualität verändert sich dieses Bild. Nach wie vor liegt es offensicht68.
lich an den Frauen, sich um die Verhütung zu kümmern. Es ist zwar allen Jugendlichen das Kondom bzw. die Pille bekannt, Frauen weisen aber eine deutlich höhere Kenntnis über verschiedene Verhütungsmethoden auf. Bei der Frage nach dem fruchtbarsten Zeitpunkt im Zyklus von Frauen können nur 20 Prozent aller Befragten den richtigen Zeitpunkt angeben. Das bedeutet, dass, obwohl sich Jugendliche sehr wohl für aufgeklärt halten, oft genaue Kenntnisse fehlen. Gleichzeitig stellen Pornohefte und -filme für 43 Prozent der Burschen Hauptaufklärungsquellen dar, über die sie Informationen beziehen, die oft eine problematisches Bild von Sexualität vermitteln. Die finanzielle Hürde bei Verhütungsmitteln stellt ein weiteres Problem dar: Kondome und die Pille werden nicht kostenlos abgegeben, ein selbstverantwortlicher Umgang zur Verhinderung von ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten wird dadurch zusätzlich erschwert. Frauen und Gewalt
Nicht zuletzt sind auch heute noch Frauen in Österreich tagtäglich von Gewalt betroffen, jede fünfte Frau wird Opfer von Gewalt durch Ehemann oder Partner. Meist befinden sich die männlichen Täter im unmittelbaren Verwandtschafts- oder Bekanntenkreis der Frau, somit werden statistische Erfassungen des Ausmaßes der geschlechterspezifischen Gewalt erschwert, da viele Frauen aus Angst oder Scham schweigen und Vorfälle nicht zur Anzeige bringen.
V. Deshalb sind wir Feministinnen! –
Wer wir sind und was wir wollen
Die Sozialistische Jugend setzt sich für eine gleichberechtigte, gerechte und soziale Gesellschaft ein, in der alle Menschen, gleich welchen Geschlechts, welcher Herkunft, Hautfarbe oder Sexualität die Möglichkeit haben, sich frei zu entfalten und ein menschenwürdiges Leben zu führen. In den vorhergehenden Kapiteln dieser Broschüre wurde aufgezeigt, wie sich Frauen über lange Zeit Rechte und Möglichkeiten erkämpft haben, wie sich die gesellschaftliche Einstellung bezüglich des Status der Frauen dadurch verändert hat und wie feministische Theorien und Gerechtigkeit schaffende Maßnahmen in den letzten Jahren Eingang in Politik, Bildung und Wissenschaft gefunden haben. Wir haben aber auch erfahren, dass Frauen nach wie vor in vielen Bereichen benachteiligt sind und totale Gleichberechtigung auf sich warten lässt. Tatsache ist, dass es noch immer große Unterschiede zwischen der offiziellen Gesetzgebung und der realen Situation von Frauen gibt, und das, obwohl Frauen und Männer mittlerweile rechtlich und formal gleichgestellt sind (zumindest in so genannten Erste–Welt-Ländern). Ob in Sprache, Familie, Ausbildung, Beruf, Medien, Politik oder Geschichtsschreibung, das Männliche
ist stets das Maß aller Dinge, während das Weibliche am Rand gedrängt steht und, wenn überhaupt, gesondert betrachtet wird. Als logische Konsequenz all dieser Überlegungen stellt sich nun die Frage, wie diesem Ungleichgewicht beizukommen ist bzw. woran die Benachteiligung der Frauen überhaupt liegt. Um diese Fragen zu klären, ist es notwendig, einen Blick auf unsere Gesellschaft, Geschichte und deren Verlauf zu werfen.
„Gebären und Stillen sind zwar ein Naturgebot, das Anwerfen der Waschtrommel schon nicht mehr.“ (Eva Windmöller)
Frauenunterdrückung ist kein Zufall Die Geschichte der Menschheit ist geprägt vom Unterschied zwischen Klassen – zwischen Unterdrückenden und Unterdrückten, zwischen arm und reich, zwischen Lohnabhängigen und Kapitalbesitzenden. Das Spezielle an der Geschichte der Frauen aber ist die Tatsache, dass sie die am dauerhaftesten, konsequentesten und allumfassendsten unterdrückten Menschen unserer Existenz sind. Und das, obwohl Frauen etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. Einerseits werden sie – genau wie lohnabhängige Männer – von den Herrschenden der Gesellschaft unterdrückt, die an der Ausbeutung der Menschen 69.
deshalb sind wir feministinnen
Nicht nur die gläserne Decke, sondern das ganze Haus zum Einsturz bringen
52 Erst 1989 wurde in Österreich ein Gesetz verabschiedet, dass innereheliche Vergewaltigung unter Strafe stellte und somit das offizielle Besitzverhältnis Mann-Frau aufhob.
70.
zugunsten ihrer eigenen Profitsteigerung interessiert sind, andererseits sind Frauen auch innerhalb ihrer eigenen sozialen Schicht, ihrer Klasse nicht gleichberechtigt, egal ob diese nun herrscht oder beherrscht wird. Frauen verrichten zwei Drittel aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit und besitzen im Gegensatz dazu nur 0,98 Prozent des weltweiten Vermögens. Unbezahlte Hausarbeit, Erziehungs- und Pflegearbeit ist nach wie vor fast ausschließlich weiblich dominiert und notwendig, um das Bestehen der herrschenden Ordnung absichern zu können. Ohne die kostenlose bzw. billige Arbeitskraft, die Frauen liefern, wäre ein Aufrechterhalten der bestehenden Gesellschaftsordnung nicht möglich. Während die großen Kulturen des antiken Griechenlands oder Roms auf dem Rücken der Sklavinnen und Sklaven aufgebaut wurden, so wäre eine Entwicklung der fortschrittlichen Gesellschaft, wie wir sie kennen, nicht möglich gewesen, hätte sie nicht zum Großteil auf die kostenlose Arbeitskraft der Frau aufbauen können. Die weiblichen Arbeitskräfte, genauso wie die Fähigkeiten, die Frauen zugestanden oder auch nicht zugestanden werden, sind, wenn wir die Geschichte betrachten, stets nach Bedarf eingesetzt, umgewandelt und angepasst worden. In frühen Steinzeitkulturen wäre niemand auf die Idee gekommen, dass Frauen nicht genauso zum Bestand der Gemeinschaft beitragen dürften oder könnten. Unter den schwierigen Umständen war die Zusammenarbeit aller Mitglieder einer Gemeinschaft Voraus-
setzung für das Überleben. Es zeigt sich, dass Frauen durchaus in der Lage sind, ebensolche Leistungen wie ihre männlichen Gefährten zu erbringen und tatsächlich waren Frauen auch sehr lange für den Großteil, ca. 80 Prozent der Nahrungsbeschaffung zuständig. Die Vorstellung des heroischen, aktiven Höhlenmannes, der auf die Jagd geht, während seine passive Frau in der Höhle hockt und das Feuer hütet, ist längst als männliche Wunschvorstellung und Fälschung der Geschichte entlarvt. Lange war Frauen ausschließlich die Rolle der passiven Ehefrau und Mutter zugeteilt, die nicht mehr als ein Teil des Besitzes ihres Ehemannes 52 war und darum auch zu Hause zu bleiben hatte. Solange, bis sich die äußeren Umstände veränderten und Wirtschaft und Industrie Frauen als zusätzliche, billige Arbeitskräfte brauchten. Das beste Beispiel dafür ist wohl der deutsche Faschismus und der damit verbundene Zweite Weltkrieg. Von Anfang an propagierten die Nazis das Ideal der Hausfrau und Mutter, deren einzige Fähigkeit und Lebensaufgabe sein müsse, für Ehemann und Kinder zu sorgen. Frauen wurde der Zugang zu höheren Lehranstalten verweigert, Propaganda wurde dafür betrieben, dass „der Platz der Mutter bei ihrem Kind“ und nirgendwo sonst sei. Doch in den letzten Jahren des Krieges kam es zur Kehrtwende: Während zuvor strikt behauptet wurde, die naturgegebene, alleinige, unumgängliche Bestimmung der Frau sei es, Kinder zu bekommen und dem Mann zu dienen,
deshalb sind wir feministinnen
wurde seitens der Herrschenden nun plötzlich versichert, Frauen wären genauso wie Männer dafür geeignet, einen Beruf zu ergreifen, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten, Straßenbahnen zu fahren, Flugzeuge zu fliegen, zu schießen und auch zu kämpfen – mit der gleichen Kompetenz wie ihre Männer. Um Frauen ein Vereinen von Familie und Beruf zu ermöglichen, wurden als logische Konsequenz Kinderbetreuungsplätze geschaffen und propagiert. Nicht um Gleichberechtigung zu fördern, nicht weil erkannt wurde, dass Frauen die selben Aufgaben wie Männer genauso gut erfüllen können, nicht um ihnen die Selbstverwirklichung zu erleichtern. Allein aus ökonomischen und wirtschaftlichen Gründen: aus Mangel an Arbeitskräften aufgrund des so gut wie verlorenen Krieges und, was am wichtigsten war, um die Rüstungsindustrie am Laufen halten zu können. Hier zeigt sich, wie widersprüchlich und den jeweiligen Umständen angepasst die „Heim und Herd“ Ideologie wirklich ist, wie stark die Arbeitsfähigkeit der Frauen davon abhängig ist, ob sie ihnen zugestanden wird, d.h. in einem weiteren Schritt, ob der Markt die Arbeitskraft der Frauen benötigt. Frauen wird dann ermöglicht, einen Beruf zu ergreifen, wenn es einen Überfluss an Arbeitsplätzen und Mangel an männlicher Arbeitskraft gibt, wie z.B. im Wiederaufbau nach Kriegen. Sie sind die Ersten, die in Wirtschaftskrisen entlassen werden und dazu eingesetzt werden, Verschlechterungen im Wirtschaftsund Sozialsystem im öffentlichen wie privaten Bereich etwas abzufedern.
Eine andere Welt ist nötig! Wir leben in einem System, das voller Widersprüche ist. Während in den westlichen Industriestaaten tagtäglich Nahrungsmittel vernichtet werden, um die Profitmaximierung einer Minderheit weiterhin zu gewährleisten, sterben jeden Tag 100 000 Menschen an Hunger, Unterernährung und den direkten Folgen davon. Nach wie vor leiden speziell Frauen unter Armut und Hunger – der Reichtum der 358 globalen Milliardäre entspricht dem Gesamteinkommen der 2,3 Milliarden ärmsten Menschen, von denen wiederum 70 Prozent Frauen sind 53! Auch in den sogenannten Sozialstaaten wie Österreich, das zu den Wohlhabendsten gehört, klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinander und besonders Frauen sind davon betroffen. Der Grund dafür liegt nicht in der „Natur“ der Frau und nicht in der des Mannes. Der Grund dafür liegt im bestehenden kapitalistischen System, das eine ungerechte, undemokratische Verteilung der Güter und des vorhandenen Reichtums in sich trägt. Die totale Gleichberechtigung der Frauen kann in diesem System, das sich stark auf deren Unterdrückung und Benachteiligung stützt und davon profitiert, nicht gewährleistet werden. Solange es Menschen gibt, die andere Menschen unterdrücken und solange es Menschen gibt, die vom Leid anderer Menschen profitieren – solange wird es Frauen geben, die benachteiligt, ausgebeutet, unterdrückt und getötet werden. Der Kampf für die Gleichberechtigung muss also in letzter Konsequenz
It's also safe to say that the kind of feminism we are most interested in is the kind that not only challenges misogyny but also stands against racism, homophobia, classism, imperialism etc.” (Le Tigre)
53 UNDP (United Nations Development Programme) Bericht 1997
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auch ein Kampf gegen herrschende Strukturen sein – die totale Gleichberechtigung der Frau innerhalb des kapitalistischen Systems ist genauso wenig möglich, wie eine gerechte Gesellschaft ohne die Gleichstellung der Frau in allen Lebensbereichen möglich wäre. Deshalb bedeutet Kämpfen für Gleichberechtigung auch Kämpfen gegen die systematische Unterdrückung und Ausbeutung weltweit – und umgekehrt. In einem System, dessen Ziel es ist, die wenigen Reichen immer reicher und die vielen Armen immer ärmer werden zu lassen, reicht es nicht aus, zu hoffen, dass „die da oben“ irgendwann einsehen, dass Frauen die selben Chancen auf ein erfülltes Leben verdienen wie Männer. Genauso wenig dürfen wir uns darauf verlassen, das eine gerechte, demokratische Verteilung der Güter und eine Demokratisierung der Lebensbereiche automatisch zur Gleichberechtigung der Frauen führen muss und die fortschrittlichen Männer selbstverständlich auf ihre Privilegien verzichten. Die Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen zieht sich durch jeden Gesellschaftsbereich durch, hinein bis in das kleinste Element, das individuelle Bewusstsein eines Menschen. Dieses individuelle Bewusstsein wird vor allem durch unser Sein stark geprägt (unsere Eltern, Erziehung, das gesellschaftliche, ökonomische System, in dem wir aufwachsen mitsamt den Normen, die darin gelten, …). Viele Rollenbilder und Klischees werden von uns unbewusst angenommen und durch fehlenden Anreiz selten hinterfragt. Zu Hinterfragen, Bewusstsein zu bilden und Hintergründe aufzuzeigen sind wesentliche Be72.
standteile im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit. Doch um die Dinge tatsächlich ändern zu können, braucht es mehr als das: Die Geschichte hat gezeigt, dass eine Veränderung und Verbesserung der Verhältnisse erreicht werden kann, sobald Menschen sich zusammenschließen und gemeinsam für ihre Interessen kämpfen. Alle Errungenschaften der Frauenbewegung, Recht auf Bildung, Wahlrecht, Recht auf Abtreibung, um nur wenige Beispiele zu nennen, wären nie erreicht worden, hätten Frauen nicht gemeinsam dafür gekämpft! Für uns als Sozialistische Jugend besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Kampf für eine Gesellschaft ohne Klassen und dem Kampf für eine Gesellschaft, in der es keinen Unterschied macht, ob jemand als Mann oder als Frau zur Welt kommt. Der Kampf für eine gerechte Welt kann von uns nur ernst genommen werden, wenn er die eine Hälfte der Menschheit nicht ausschließt. Kämpfen wir gemeinsam gegen Kapitalismus und Patriarchat! Für eine gerechte und gleichberechtigte - für eine sozialistische Gesellschaft, denn: Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus! (Alexandra Kollontai)
VI. Anhang
Verwendete Literatur Bauer, Ingrid (1995): Frauen, Männer, Beziehungen … Sozialgeschichte der Geschlechterverhältnisse in der zweiten Republik, in: 1945–1955, Entwicklungslinien der zweiten Republik, BmUK, Wien
Frick, Inge (1976): Frauen befreien sich. Bilder zur Geschichte der Frauenarbeit und Frauenbewegung, München Fröschl, Erich u.a. (1989): Die Bewegung. Hundert Jahre Sozialdemokratie in Österreich, Wien
Bäumer, Gertrud (1914): Der Krieg und die Frau, Stuttgart
Kohlhagen, Norgard (1981): Nicht nur dem Manne untertan. Frauen, die die Welt veränderten, Frankfurt/Main
Becker-Schmidt Regina und Gudrun-Axeli Knapp (2003): Feministische Theorien zur Einführung. Hamburg
Hauch, Gabriella (1990): Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848, Wien
Bebel, August (1878): Die Frau und der Sozialismus, Zürich-Höttingen
Wiesinger, Marion (1992): Land der Töchter, 150 Jahre Frauenleben in Österreich, Wien
Renner Institut (Hg.) (1993): Beharrlichkeit, Anpassung und Widerstand. Die Sozialdemokratische Frauenorganisation und ausgewählte Bereiche sozialdemokratischer Frauenpolitik. 1945–1990, Wien 1993
www.dhm.at www.onb.ac.at/adriadne www.mlwerke.de
Ennsmann, Brigitte (1993): Frauenpolitik und Frauenarbeit im Austrofaschismus. Diplomarbeit, Universität Wien
Linktipps
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www.sjoe.at Die Homepage der Sozialistischen Jugend Österreich
Feigl, Susanne (2002): Was gehen mich seine Knöpfe an? Johanna Dohnal – eine Biographie, Wien
www.sjoe.at/frauen Die Frauenhomepage der Sozialistischen Jugend Österreich 73.
anhang
Information und Bildung
Feministische Forschung
www.ceiberweiber.at Die Ceiberweiber geben uns fast täglich erfrischende feministische Lektüre zum politischen Geschehen in Österreich.
www.onb.ac.at/ariadne Ariadne – Informations- und Dokumentationsstelle für Frauen-, Geschlechter- und feministische Forschung, Serviceeinrichtung der Österreichischen Nationalbibliothek
www.diestandard.at Die Standard ist österreichweit die beste und einzige Frauen-Tageszeitung
www.univie.ac.at/gender Projektzentrum Frauen- und Geschlechterforschung der Uni Wien
www.auf-einefrauenzeitschrift.at AUF-Frauenzeitschrift online
http://www.vfw.or.at Verband feministischer Wissenschafterinnen
www.frauenhetz.at Frauenhetz – feministische Bildung, Beratung und Kultur
Institutionen
www.frida.at Verein zur Förderung und Vernetzung frauenspezifischer Informations- und Dokumentationseinrichtungen in Österreich: Sehr interessant für frauenpolitische Recherchen, nützliche Datenbanken www.stichwort.or.at Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung www.maedchenmacht.at Auf der mädchenMACHT-Homepage findest du alles über coole Berufe in der Informationstechnologie (IT) und jede Menge Spiel und Spaß. Die wichtigsten Links zu allen IT-Projekten, Schulen & Ausbildungen, Adressen und Infos gibt es hier. 74.
www.frauenring.at Der österreichische Frauenring ist die größte Dachorganisation österreichischer Frauenvereine. Ihm gehören Vertreterinnen aller Parlamentsparteien, die Frauenorganisationen der Gewerkschaften und der Wirtschaft, der Katholischen und Evangelischen Kirche und Vertreterinnen autonomer Frauengruppen an www.arbeiterkammer.com oder www.arbeiterkammer.com/www-5249.html Die Frauenredaktion der AK Oberösterreich bietet schnelle und aktuelle Hintergrundinformationen zu sozialpolitischen, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen. Von Frauen für Frauen – aber selbstverständlich auch für interessierte Männer http://www.frauen.spoe.at Frauen Seite der SPÖ – Infos über die Frauenarbeit der SPÖ
anhang
http://www.ams.or.at/frauen Frauen-Bereich des ArbeitsMarktService. Online Beratung über Wiedereinstieg, Kinderbetreuung und vieles mehr Beratung und Hilfe http://www.haltdergewalt.at Eine informative Seite über das Gewaltschutzgesetz, Links zu allen österreichischen Frauenhäusern und die Möglichkeit, sich per Chat (zum eigenen Schutz registriert) beraten und informieren zu lassen Österreichische Frauenhäuser: Autonome österreichische Frauenhäuser: www.aoef.at Frauenhaus Amstetten: www.frauenhaus-amstetten.at Frauenhaus Graz: www.frauenhaeuser.at/graz/start.htm Frauenhaus Innviertel: www.frauenhaus-innviertel.at Frauenhaus Linz: www.frauenhaus-linz.at Frauenhaus Steyr: www.frauenhaus-steyr.at Frauenhaus Vöcklabruck: www.frauenhaus-voecklabruck.at Frauenhaus Wels: www.frauenhaus-wels.at ARGE Oberösterreichische Frauenhäuser: www.frauenhaus.at Frauenhaus Salzburg: www.frauenhaus-salzburg.at Frauenhaus Neunkirchen: www.frauenhaus-neunkirchen.at Frauenhaus Innsbruck: www.fhf-tirol.at Frauenhäuser Steiermark www.frauenhaeuser.at Frauenhaus Kapfenberg: www.frauenhaeuser.at/kapfenberg/start.htm
www.die-abtreibung.at.tf/ Die Seiten für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen www.fem.at Frauengesundheitszentrum Wien www.fgz.co.at Frauengesundheitszentrum Graz www.fgz-kaernten.at Frauengesundheitszentrum Kärnten www.fgz-linz.at Frauengesundheitszentrum Linz www.frauengesundheitszentrum-isis.at Frauengesundheitszentrum Salzburg Andere nützliche Links www.frauenweb.at Frauenweb – Internet von Frauen für Frauen www.frauen.wien.at Frauenabteilung der Stadt Wien – digitaler Frauenstadtplan, Telefonhelplines für Mädchen und Frauen, Publikationen,
www.sexuelle-gewalt.de Eine Seite zur Information für Opfer von sexueller Gewalt. Österreichspezifische Informationen gibt es unter www.sexuelle-gewalt.de/oesterreich.html
Mehr frauenspezifische Links findest du unter www.sjoe.at/frauen 75.
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