Trotzdem Februar 2011

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DI E ZEI T U NG DER SOZ I A L IST ISCH E N J UGE N D ÖST ER R EICH.

LINKS IM DRUCK.

Ausgabe 1/11 Jänner 2011 www.sjoe.at

Offensiv Politik führen ! Vor seinem tragischen Tod warf Peter Kreisky im Interview mit Trotzdem einen Rückblick auf die Ära seines Vaters Bruno Kreisky – und spricht über Umverteilung, den Putsch in Chile oder den Vietnam-Krieg. seite 26

IUSY WORLD FESTIVAL IN ÖSTERREICH

Diskriminieren beim Adoptieren ? Seit einem Jahr gibt es die „Eingetragene PartnerInnenschaft“ – eine Bilanz. seite 24

Unter dem Motto „We know where we come from – we know where we are going“ findet im Juli 2011 das IUSY Summer Camp in Österreich statt. Die Austragung des IUSY Festivals rückt unsere Prinzipien internationale Solidarität und Internationalismus ins Zentrum unserer politischen Arbeit. seite 3, 23

10 Jahre linke SJ Berichte zum Kurswechsel der SJ im Jahr 2000 „aus erster Hand“: Eine Interviewkette mit buntgemischten „Alt-SJlerInnen“. seite 14


INHALT INHALT

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100 Jahre Kreisky ! „Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie“ – lautete ein zentrales Ziel Bruno Kreiskys. Mit Kreisky übernahm 1970, 25 Jahre nach dem Fall des Nationalsozialismus, ein jüdischer Exilant Verantwortung in einem Land mit einer stark antisemitischen Vergangenheit. In den 13 Amtsjahren der Regierung Kreisky wurde an allen Ecken und Enden reformiert: Einführung von Schulfreifahrt, kostenlose Schulbücher, Gleichbehandlung der Frau in der Ehe, Einführung der Fristenlösung, Strafrechtsreform, Abschaffung der Studiengebühren, Demokratisierung in Schule und Uni, Verbesserung der betrieblichen

Mitbestimmung, Einführung des Zivildienstes, Abschaffung der AHS-Aufnahmeprüfung, etc. Auch die vorbildliche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Vollbeschäftigung in Zeiten der Ölkrise), sowie die massiven Investitionen in Infrastruktur, Bildung (Schulen, Universitäten) und Gesundheit (Krankenhäuser) sind ein Verdienst Kreiskys. Aus dem reaktionär-verzopften Österreich wurde nach und nach ein modernes Land. Nur schade, dass in der Zeit nach Kreisky viele Errungenschaften wieder schrittweise zunichte gemacht wurden. Ein Beispiel dafür: Die von Kreisky gekippte althergebrachte, undemokratische Ordinarienuniversität kehrt heute

in neuen Kleidern zurück – mit Zugangsschranken, Demokratieabbau und finanzieller Barrieren (Kürzung der Familienbeihilfe). Höchst an der Zeit wäre es auch, die auseinanderklaffenden Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern endlich zu beseitigen, sowie die Verwirklichung einer gemeinsamen Schule der 6- bis 14-Jährigen voranzubringen, anstatt neue Hürden aufzustellen. Denn - um ein weiteres Kreisky-Zitat zu bringen: „Nichts ist schlimmer als nur zu verwalten!“ Alles Gute, Bruno! Die Trotzdem-Redaktion

Inhalt Editorial 3 Vorwort von Wolfgang Moitzi:

2010: Wir bleiben unbequem!

Coverstory 4 – 5 Budget:

Der Staat beißt sich in den Schwanz

Innenpolitik 6 Berufsheer: Links um! 7 Kopftuch: Feministisch und selbstbestimmt oder doch rechtlos und unterdrückt?

8 Wien: Rot-Grün in Wien. Rot-Grün für alle! Pro / Contra 9 HPV-Impfung:

Impfschutz für alle vs. Epidemieartige Impfwellen

Gastkommentar 10 Gastkommentar von Peter Ulrich Lehner: Bekenntnis statt Analyse?

Umwelt 11 Volksbegehren: „Raus aus Euratom“ Musik / Film / Buch 12 Sufjan Stevens: The Age of Adz

Anna Katharina Wohlgenannt: Einmal mehr als nur reden Ulrike Herrmann: Hurra, wir dürfen zahlen: Der Selbstbetrug der Mittelschicht!

Gastkommentar 13 Gastkommentar von Christian Schörkhuber: Freiheit, Gleichheit und Solidarität statt Fekterismus!

Schwerpunkt: 10 Jahre linke SJ 14 – 18 Interviewkette mit „Alt-SJlerInnen“:

„Moderne“ Misere? Sozialistischer Aufbruch!

Internationales 19 Tunesien: Revolution im Urlaubsparadies 20 – 21 USA: Yes we can? 22 Brasiliens neues Gesicht 23 IUSY – a century-young movement Gesellschaft 24 – 25 Adoptionsrecht für homosexuelle Paare:

IMPRESSUM Trotzdem 1/2011: Verlagspostamt: 1050 Wien Aufgabepostamt: 3432 Tulln Zulassungsnummer: GZ 02Z032957 S Herausgeberin: Sozialistische Jugend Österreich (SJÖ), Amtshausgasse 4, 1050 Wien Tel.: 01/523 41 23, Fax: 01/523 41 23-85, Mail: office@sjoe.at, Web: www.sjoe.at DVR: 0457582, ZVR: 130093029 Medieninhaberin: Trotzdem VerlagsgesmbH, Amtshausgasse 4, 1050 Wien. Geschäftsführer: Klaus Seltenheim, Eigentümerin: SJÖ (100%), Tel.: 01/526 71 12, Fax: 01/526 71 12-85, Mail: office@trotzdem.at Grundlegende Richtung: Das Trotzdem versteht sich als Medium zur Information von Mitgliedern, FunktionärInnen und SympathisantInnen der SJÖ. Das Trotzdem informiert über aktuelle politische Debatten und thematisiert jugend-relevante Ereignisse. Chefredaktion: Boris Ginner, Wolfgang Moitzi MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Sandra Breiteneder, Lisa Butzenlechner, Jakob Flossmann, Michael Gogola, Anastasia Hammerschmied, Sybilla Kastner, Martin Oppenauer, Martina Punz, David Rautner, Laura Schoch, Tamara Smilevski, Leonie-Maria Tanczer, Irini Tzaferis, Max Wallner, Max Zirkowitsch, Ramona Zmolnig

Diskriminieren beim Adoptieren

Interview 26 – 27 Interview mit Peter Kreisky: Offensiv Politik führen!

Frauen 28 – 29 100 Jahre Frauentag:

Happy Birthday, 8. März! Alles Gute, kämpferischer Frauentag!

Kalender 30 – 31 Was war – Was kommt:

Oktober 2010 – Juli 2011

Produktion: NGL-Mediamondial, 3151 St. Georgen Art Direktion, Grafik und Layout: Peter Rüpschl, peru@wibs.at Coversujet: Peter Rüpschl Powered by: BMWFJ, gem. § 7 Abs. 2 B-JFG


EDITORIAL EDITORIAL

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Vorwort von Wolfgang Moitzi

2011: Wir bleiben unbequem Der Beginn eines neuen Jahres bietet natürlich die Gelegenheit, kurz zurück, aber vor allem nach vorne, auf die kommenden politischen Herausforderungen, zu blicken.

Rückblick 2010 war von vielen Wahlen (Stmk, Blgd, Wien, Präsidentschaftswahl) geprägt. Neben den teils erheblichen Verlusten für die Sozialdemokratie, waren aus unserer Sicht bei den Wahlgängen 2 Ergebnisse aber doch erfreulich: 1. Die SPÖ war bei allen Wahlen die stimmenstärkste Partei bei den JungwählerInnen. Dies ist vor allem auch den breiten Kampagnen und Aktivitäten der Sozialistischen Jugend zu verdanken. 2. Durch die breite Mobilisierung der SJ (Lichtertanz gegen Rosenkranz, Anti-StracheWahlkampf, Vorzugsstimmenkampagne in der Steiermark) konnte auch die SJ einen erfreulichen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Aber auch bei den Koalitionsverhandlungen waren wir eine unüberhörbar starke Stimme für fortschrittliche Inhalte in der SPÖ, so traten wir für die erste rot-grüne Koalition in Wien ein oder gegen einen Pakt mit der FPÖ in der Steiermark. Für 2011 gilt es, auf dieser erfolgreichen Arbeit aufzubauen, aber auch neue Schwerpunkte in der politischen Arbeit zu finden. Dabei sicherlich wieder im Zentrum: Verteilungsgerechtigkeit. Nach der Einführung minimaler vermögensbezogener Steuern bei gleichzeitig großen Einschnitten im Sozialsystem (und hier insbesondere bei den Jungen), müssen wir unse-

Das IUSY World Festival hat eine lange Tradition und ist wichtiger Bestandteil unserer Bewegung, weil es den Grundsatz „internationale Solidarität“ mit Bedeutung erfüllt. Im Laufe der letzten 100 Jahre hat die IUSY speziell durch Camps und Festivals viel dazu beigetragen, dass Internationalismus und Solidarität integrale Prinzipien unserer Bewegung bleiben.

ren Kampf für Vermögenssteuern in der Partei und der Öffentlichkeit weiterführen. Dass wir dabei auch eine breite Mehrheit der Bevölkerung hinter uns haben, zeigt eine aktuelle Umfrage des Market–Instituts: 89% der Befragten sorgen sich über die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich in Österreich.

Integrations-Schwerpunkt 2011 Neben der bewährten Lehrlingskampagne „Mei Lehr is ned deppat!“ und dem im SJ-Jahreskalender fixen

„Antifa–Monat“ im Frühjahr werden wir uns 2011 einem weiteren Thema widmen: Integration. Das vieldiskutierte Thema wird derzeit vor allem durch bewusst geschürten Neid und Ängste geprägt, die sich in Ablehnung, Hass und Gewalt manifestieren. Auf Probleme im Zusammenleben reagieren bürgerliche Parteien und bisweilen auch die SPÖ mit Forderungen nach mehr „Regeln“, „Verträgen“, „Sicherheit“ und „Härte“. Wir müssen den Blick auf strukturelle Benachteiligungen und Barrieren richten, die zu sozia-

ler Ungleichheit und Diskriminierung führen. Denn nicht die Herkunft eines Menschen, sondern seine Klassenzugehörigkeit ist es, die für uns als ArbeiterInnenbewegung relevant ist. Wir fordern offensive Integrationspolitik, die das Potential von MigrantInnen von Beginn an durch Bereitstellung von Information und Bildung fördert – nach dem Motto „von betreuten AusländerInnen hin zu mündigen MitbürgerInnen“. Wir akzeptieren es nicht, wenn SPÖVertreterInnen über „die Ausländer“ nörgeln oder einen türkischen Botschafter verteufeln, der die offensichtlichen Integrationsprobleme in Österreich anspricht. Unsere Aufgabe wird es daher sein, einen Diskussionsprozess in der SPÖ einzufordern und eine bundesweite Kampagne zu starten. Auch wir als SJ müssen unsere Hausaufgaben machen und uns verstärkt jungen MigrantInnen gegenüber öffnen.

IUSY – World Festival 2011 Ein Highlight für viele SJ-Mitglieder wird das IUSY World Festival in der letzten Juliwoche 2011. Nach 30 Jahren wird das IUSY World Festival (Motto: “We know where we come from – we know where we are going”) erstmals wieder in Österreich ausgerichtet. Jugendliche aus über 100 Ländern können sich dabei eine Woche lang kennenlernen, austauschen, debattieren und neue Ideen entwickeln. 2011 ist auch ein historisches Jahr: Zum 100. Mal jährt sich der Geburtstag von Bruno Kreisky, dem wohl bedeutendsten österreichischen Sozialdemokraten der Nachkriegszeit. Nutzen wir gemeinsam die politischen Chancen für die SJ im Jahr 2011! Wolfgang Moitzi Verbandsvorsitzender der SJÖ


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Budget

Der Staat beißt sich in den Schwanz

Allen Unkenrufen und Protesten von ExpertInnen und Betroffenen zum Trotz verabschiedeten SPÖ und ÖVP am 22. Dezember 2010 das Budget 2011. Es ist ein unkreatives und mutloses Zahlenkonvolut, das lieber dort etwas wegnimmt, wo ohnehin der Schuh drückt und in jenen Bereichen „nachsichtig“ ist, wo entschlossenes Handeln bitter nötig wäre. Die ungerechte Vermögensverteilung bleibt trotz neuer vermögensbezogener Steuern unangetastet. Kurzum: Das Budget trifft die Falschen und wirft mehr Probleme auf als es zu lösen vermag.

L

iest man den Budgetbericht der Bundesregierung wird einem mulmig. Es entsteht der Eindruck, dass man den Staatshaushalt konsolidiere, um der Wirtschaft auch weiterhin verlässlich den Steigbügelhalter zu machen. Alles werde im Zuge des Budgets daran gesetzt, so die Regierung, um „Österreichs Wirtschaftsposition nachhaltig zu stärken“ und die „Position Österreichs auf den internationalen Finanzmärkten (…) zu festigen“. Im Bereich der Sozialleistungen seien zum Glück nur „sozialverträgliche Einsparungen geplant“. Zynischer Euphemismus wohin das Auge schaut. Dass die österreichischen Sparmaßnahmen im internationalen Vergleich moderat ausfallen, ist, ebenso

wie die verhältnismäßig geringe Arbeitslosigkeit, nur ein schwacher Trost.

Was bisher geschah Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise ist das Budgetdefizit in Österreich von einer Milliarde Euro 2008 auf etwa zwölf Mrd. Euro 2010 gestiegen. Ausfälle von Beiträgen zur Sozialversicherung sowie von Lohn- und Gewinnsteuern infolge der höheren Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt die großzügigen Maßnahmen, die strauchelnde Banken und Konzerne retten sollten, haben dazu beigetragen. Insgesamt hat der Staat den österreichischen Banken mit 5,4 Mrd. Euro ausgeholfen. 10 Mrd. Euro wurden für Staatshaftungen aus dem Bankenpaket

Die reichsten zehn Prozent in Österreich besitzen rund zwei Drittel (900 Mrd. Euro) des Gesamtvermögens. Hätte man deren Vermögen mit durchschnittlich einem Prozent besteuert, brächte das neun Mrd. Euro für die Staatskasse. umgewidmet. Zum Vergleich: Rund 7 Mrd. Euro beträgt das gesamte Schulbudget. Weitere Milliarden flossen in Konjunktur- und Arbeits-

marktpakete. Damit wurden die Symptome der Krise, nicht aber die Ursachen beackert. Trotz alledem sind wegen der Finanzkrise 60.000 Menschen arbeitslos oder in Schulungen des Arbeitsmarktservices, darunter 20.000 Jugendliche.

Krisenursache Politisch von den Regierenden nur unzureichend beantwortet, bleibt bis heute, was zur Krise geführt hat und welche logischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind.Als MarxistInnen wissen wir freilich, dass der Kapitalismus aufgrund seiner Beschaffenheit in der Produktionssphäre zyklisch immer wieder Krisen produziert. Die gegenwärtige Krise ist ohne spezifische Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten


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COVERSTORY COVERSTORY

Der Kuschelkurs zwischen Pröll und Faymann hat abgedankt. Der eine sorgt sich um den Finanzstandort und das „scheue Reh“ Kapital, der andere sollte die Interessen der Bevölkerungsmehrheit vertreten und Reichensteuern durchsetzen.

Neun Mrd. Euro: Quelle: Christian Felber, „Der Falter“, 44/10, S. 6f

Ein zähes Ringen sieht anders aus: Nach eineinhalb Tagen Verhandlungen bei Saunaatmosphäre in der Therme Loipersdorf waren Sparpaket und neue Steuern ausgehandelt.

1976 Oberste 20%: 40,2% Unterste 40%: 17,5%

Gini-Koeffizient: 0,349 2008 Oberste 20%: 47,1% Unterste 40%: 11,5%

aber nicht denkbar – das war kein blödes Missgeschick, sondern die Auswirkung eines neoliberalen politischen Programms. Genauso wie die immer schiefere Einkommensverteilung. Zwar griff die SPÖ diesen Punkt im Zuge der Verhandlungen auf, schaffte es aber nicht, sich beim Budget in wesentlichen Punkten, wie etwa einer richtigen Vermögenssteuer, durchzusetzen.

10 Prozent besitzen zwei Drittel Auf 1,35 Billionen Euro schätzt die Österreichische Nationalbank (OeNB) das Vermögen in Österreich. Die reichsten zehn Prozent in Österreich besitzen rund zwei Drittel (900 Mrd. Euro) des Gesamtvermögens. Hätte man deren Vermögen mit durchschnittlich einem Prozent besteuert, brächte das neun Mrd. Euro für die Staatskasse. 3,5 Milliarden Euro hätte das Vermögenssteuermodell der GPA-djp bringen können; Einsparungen im Bereich der Familien oder ausbleibende Investitionen in die Universitäten wären damit vom Tisch gewesen (siehe Kasten). Die Steuervorteile für multinationale Konzerne blieben von der Regierung ebenfalls unberührt. Noch immer sparen sich Multis in Österreich Milliarden Euro an Steuern, indem sie etwa Verluste ausländischer Satellitenfirmen hierzulande abschreiben.

Gerechtes Budget wäre ein Klacks gewesen Mit der Wiedereinführung einer progressiven Erbschafts- und Schenkungssteuer hätte sich der Staat weitere 1,2 Mrd. Euro pro Jahr holen können. Rechnet man dann noch eine ordentliche Besteuerung von Stiftungen, eine Anhebung der Einheitswerte von Grundstückpreisen sowie die Abschaffung von Steuerschlupflöchern von Kapitaleinkommen hinzu, wäre eine gerechte Budgetkonsolidierung ein Klacks gewesen. Sozialabbau und Massensteuern blieben uns erspart und Österreich hätte als „Standort“ nichts an Attraktivität eingebüßt – selbst in bürgerlichen Kategorien gedacht.

Die Regierung spart an der Zukunft

Gini-Koeffizient: 0,448

Universitäten und Schulen werden weiterhin systematisch ausgehungert. „Offensivmaßmahmen“ in der Höhe von 360 Mio. Euro jährlich für Schulen

Budget Zahlen, Daten, Fakten Das von der Regierung geschnürte Sparbudget sieht im kommenden Jahr Einsparungen von 1,44 und Steuererhöhung von 1,17 Mrd. Euro vor. Das Budgetbegleitgesetz bildet den Rahmen für das gesamte Steuer- und Sparpaket der Regierung. Insgesamt 144 Gesetze werden damit geändert, zehn neue kommen hinzu.

— Weitere 300 Mio. Euro sollen durch das Schließen von Steuerlücken und Betrugsbekämpfung erbracht werden. — Konzernbesteuerung. Die Finanzierungszinsen beim Kauf von Konzerntöchtern werden künftig nicht mehr absetzbar sein. Diese praktisch kostenlose Finanzierung für Konzerngruppen wurde damit abgeschafft. Ab 2012 fließen dadurch 200 Mio. Euro jährlich in das Budget.

Vermögensbezogene Einnahmen

— Vermögenssteuer: fehlt.

— Bankenabgabe. Sie soll 500 Mio. Euro bringen. Die Höhe der Steuer ist nach Größe der Bank gestaffelt. Die Ausschüttungen der Top-10 Banken haben sich von 2005 bis 2008 beinahe verdreifacht (von 584 Mio. Euro auf 1,473 Mio. Euro). Allein im Jahr 2008 haben die Top-10 Banken Österreichs 1,5 Mrd. Euro und damit drei Mal das Volumen der Bankenabgabe an ihre Eigentümer ausgeschüttet. Hinsichtlich dessen ist die Bankenabgabe ein wichtiger Schritt. Wie viel davon von den Banken auf die KundInnen abgewälzt wird, ist allerdings noch unklar.

— Reform bzw. Abschaffung der Gruppenbesteuerung: fehlt.

— Vermögenszuwachssteuer. Bisher war es möglich Aktien nach einem Jahr steuerfrei zu veräußern. Nun fällt die sogenannte Spekulationsfrist. Damit fällt für Gewinne aus Wertpapieren ohne Frist eine 25-prozentige Kapitalertragssteuer an. Die Abgabe wird von den Banken eingehoben und an die Finanz abgeführt. Das bringt 2011 30 Mio. Euro und steigt bis 2014 auf 250 Mio. Euro jährlich an. — Stiftungen. Zinsgewinne wurden innerhalb von Stiftungen bisher nur mit 12,5 Prozent, also der halben Kapitalertragssteuer belegt („Zwischensteuersatz“). Dieser Satz wird auf 25 Prozent angehoben. Weiters werden Liegenschaftsgewinne, wenn der Stifter eine juristische Person ist, künftig besteuert. Bisher konnten Unternehmen Immobilien verwalten bzw. in Stiftungen geben und sich so Körperschaftssteuer ersparen. 50 Mio. Euro soll das 2011 bringen und jährlich bis zu 100 Mio. Euro ab 2014.

(80 Mio.), Universitäten (80 Mio.), höhere Forschungsförderung (100 Mio.) und thermische Sanierung (100 Mio.) sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Universitäten sind in einem desolaten Zustand. Für die Neue Mittelschule und wichtige Schritte im Schulwesen sowie für eine Entlastung der Lehrlinge braucht es ebenfalls Geld. Auf all das verzichtet die Regierung. Es wird weiter an der Zukunft junger Menschen gespart. Wer an

— Finanztransaktionsteuer bzw. Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer: fehlt. Belastungen — 2011 werden rund 270 Mio. Euro durch Kürzungen bei der Familienbeihilfe eingespart. Sie wird künftig nur noch bis zum 24. Geburtstag (bisher 26.) ausgezahlt. Bei länger dauernden Studien, für Präsenz- und Zivildiener, für Mütter und für Absolventen des freiwilligen Sozialen Jahrs wird sie um ein Jahr verlängert. — Im Bereich der Pflege hat die Regierung ebenfalls den Sparstift angesetzt. Für die Pflegestufen 1 und 2 wird der Zugang erheblich erschwert. 17 Mio. Euro sollen dadurch 2011 und ab 2014 sogar 140 Mio. Euro jährlich eingespart werden. — PensionistInnen nimmt der Staat 250 Mio. Euro weg. — Massensteuern: Die Tabaksteuer wird um 25 bis 35 Cent pro Packung angehoben. Auf Flugtickets wird eine Sonderabgabe eingeführt. Auf Kurzstrecken fallen 8 Euro, auf Mittelstrecken 20 Euro und bei Langstreckenflügen 35 Euro an. Die Mineralölsteuer wird durch einen CO 2 -Zuschlag in Höhe von 20 Euro pro Tonne erhöht. Das entspricht einer Anhebung von 5 Cent pro Liter Diesel und 4 Cent pro Liter Benzin.

der Bildung spart, spart an der Zukunft. Wer im Handumdrehen Milliarden für strauchelnde Banken und Konzerne zur Hand hat, kann niemandem glaubhaft vermitteln, warum ausgerechnet für die Bildung und Ausbildung junger Menschen – und somit deren Chancen auf Arbeit und ein geregeltes Leben – kein Geld da ist. Mit dem Budget 2011 beißt sich der Staat in den Schwanz. Martin Oppenauer

Schiefere Einkommensverteilung: Gini-Koeffizient (statistisches Maß der Ungleichverteilung: 0 = Einkommen völlig gleichmäßig aufgeteilt, 1 = eine Person besitzt alles): 1976: 0,349, 1995: 0,410, 2008: 0,448 (siehe Grafik) Quelle: Sozialbericht 2010 (BMASK)


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INNENPOLITIK INNENPOLITIK

Berufsheer

Links um ! Warum die Wehrpflicht erhalten und ein Berufsheer verhindert werden muss … Die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland hat auch bei uns in Österreich Auswirkungen gezeigt: Die mittlerweile jahrelange Diskussion um die Einführung eines Berufsheeres hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Zuge des Wiener Wahlkampfes wurde die Wehrpflicht sogar von Bürgermeister Häupl infrage gestellt.

Die Sinnhaftigkeit des österreichischen Bundesheeres ist generell infrage zu stellen – eine Umwandlung in einen Katastrophenschutzdienst wäre an der Zeit.

D

ass sich nun auch VertreterInnen der Sozialdemokratie in der Frage eines Berufsheeres offen zeigen, zeugt nur davon, wie wenig ihnen der Zusammenhang zwischen Österreichs Neutralität und der allgemeinen Wehrpflicht bewusst ist und wie sehr wahltaktisches Geplänkel gegenüber ernsthaften demokratiepolitischen Überlegungen im Vordergrund steht. Entstand die Wehrpflicht einst als Gegensatz zu den feudalen (Berufs-)Heeren um die gesamte(männliche)Bevölkerung in die Landesverteidigung einzubinden, so ist sie der Bourgeoisie lang schon lästig geworden. Ist sie doch einerseits geprägt vom Widerspruch zwischen den großteils bürgerlichen Offizierskadern und den aus der ArbeiterInnenschaft stammenden Wehrpflichtigen und stellt, aus der Masse an proletarischen Wehrpflichtigen resultierend, zunehmend ein Hindernis bei der Durchsetzung bürgerlicher Interessen im Inland und in aller Welt dar. Eine Armee, deren Angehörige zu einem überwiegenden Teil direkt aus dem Volk kommen, wird nie so geeignet sein wie ein Berufsheer, an der territorialen Neuaufteilung der Welt mitzuwirken oder, im äußersten Fall, soziale Bewegungen im Inland niederzuschlagen. Gerade das ist der Grund, warum

die Wehrpflicht in den aggressivsten imperialistischen Staaten der Welt nicht mehr zur Anwendung kommt. Die Tendenz geht leider in eine eindeutige Richtung: An einer EU-Armee („EU-Battlegroups“) für so genanntes „peace enforcement“ im Sinne des europäischen Imperialismus wird fleißig gebastelt, ihr Entstehen ist spätestens seit dem Vertrag von Lissabon und der Integration des Verteidigungsbündnisses WEU in die Europäische Union selbst beschlossene Sache. Ebenso erwähnenswert ist die Teilnahme österreichischer Einheiten an den „Partnerschaft für den Frieden“-Missionen der NATO seit 1995 in Bosnien und im Kosovo. Beide Einsätze dienen vorrangig dazu, die Interessen des europäischen Monopolkapitals in der Balkanregion demonstrativ (vor allem gegenüber der zweiten wirtschaftlichen und militärischen Macht Europas, Russland) durchzusetzen und zu sichern. Im Fall Kosovo wurde durch die NATO/EU-Mission und damit auch durch die Präsenz österreichischer Soldaten die völkerrechtlich mehr als zweifelhafte Abspaltung von der Republik Serbien aktiv betrieben und wird nun einzementiert. An all diesen Beispielen wird ersichtlich, wie wenig eine

Beteiligung an militärischen EU-Missionen mit der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs in Einklang steht. Vom Friedensbekenntnis, als das die Neutralität seit ihrem Beschluss stets zu verstehen war, ist schon heute nicht mehr viel übrig. Eine Berufsarmee würde das Bundesheer für eben solche Einsätze im Interesse der Bourgeoisie noch viel geeigneter machen. Gleichzeitig können wir in anderen Staaten Europas (z. B. Deutschland), die bereits viel stärker in Richtung Auslandseinsatz orientiert sind, massive Aufrüstungstendenzen erkennen. Als Sozialistinnen und Sozialisten verstehen wir uns als Teil der Friedensbewegung und halten an der Vision einer entmilitarisierten Welt fest. Um dieses Ziel zu erreichen, muss vorrangig das Volk die demokratische Kontrolle über das staatliche Heer behalten. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht geht diese Kontrolle für immer verloren.

Ein aufgerüstetes Berufsheer ist derzeit die wahrscheinlichste Alternative zur Wehrpflicht. Ein Mitmischen bei internationalen Kriegseinsätzen wie in Afghanistan stünde dann wohl auf der Agenda.

Für Frieden und Sozialismus! Michael Gogola

§ 2 Wehrgesetz, Abs. 1: „Aufgaben des österr. Bundesheeres“ Dem Bundesheer obliegen a) die militärische Landesverteidigung, b) auch über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus der Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit und der demokratischen Freiheiten der Einwohner sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt, c) die Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und d) die Hilfeleistung im Ausland bei Maßnahmen der Friedenssicherung, der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe sowie der Such- und Rettungsdienste (Auslandseinsatz).


INNENPOLITIK INNENPOLITIK

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Kopftuch

Feministisch & selbstbestimmt oder doch rechtlos & unterdrückt? Eine Debatte um ein Stück Stoff spaltet die Öffentlichkeit. In den vergangen Jahren hat ein simples Kleidungsstück für heftige Kontroversen in ganz Europa gesorgt und keineswegs an Brisanz verloren: Dieses Stück Stoff wurde emotional so stark aufgeladen, dass der ursprüngliche Kontext dabei völlig verloren ging. Je nach persönlichem Zugang dient es heute als Zeichen der Unterdrückung, der Selbstbestimmung oder der Fremdheit. Auf die Intentionen der Trägerin wird dabei kaum Rücksicht genommen. Nicht neu

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Burka: Ganzkörperverhüllung – betrifft in Österreich höchstens 150 Frauen.

er Diskurs über das Kopftuch ist keineswegs neu, da schon zu Zeiten des Kolonialismus die Eroberer geglaubt haben, sie müssten die muslimischen Frauen entschleiern, um sie zu „befreien“. Gegenwärtig ereilt die Thematik einen europaweiten Trend: Alle wollen mitmischen und ihre Meinung kundtun. Die Grenzen zwischen pseudoemanzipatorischen und rassistischen Ansätzen vermischen dabei immer mehr. In Frankreich und Belgien gilt beispielsweise ab 2011 ein Burka-Verbot.Juristische Bedenken, dass das Verbot mit den Persönlichkeitsrechten kollidieren könnte, stören wenig. Auch in der Schweiz wird darüber nach dem kürzlich per Volksabstimmung beschlossenen MinarettVerbot diskutiert, in Italien setzt sich die Rechtspartei Lega Nord dafür ein.

Kopftuch als Wahlkampfhit Auf die österreichische Medienlandschaft bezogen ist dasselbe Dilemma ersichtlich und natürlich gibt es kaum eine Partei, die sich noch nicht zu

In der Debatte um ein Burka- oder Kopftuch-Verbot vermischen die Grenzen zwischen pseudoemanzipatorischen und rassistischen Ansätzen immer mehr. diesem Thema geäußert hat. Vor allem die Bekundungen der FPÖ im Wien-Wahlkampf („Wir schützen freie Frauen – Die SPÖ den Kopftuchzwang“) drängten das Kopftuch erneut ins negative Licht.

Westliche Feministinnen … Frauenministerin HeinischHosek spricht sich für ein Verbot der Burka aus. Zum Tragen von Kopftüchern meinte die Ministerin, dass die Entscheidung bei den Frauen selbst liegen sollte. Auch in der feministischen Debatte ist die Bedeutung des Kopftuches heftig umstritten. In westlichen Kreisen wird es oft als Zeichen der Unterdrückung der Frau gedeutet. „Feministinnen“ á la Alice Schwarzer versuchen durch Aussagen wie: „Das Verbot der Burka in unseren Ländern finde ich selbstverständlich, es ist schon tragisch genug, dass die Frauen in den islamitischen Ländern sie tragen müssen,“ zu profilieren.

… überlegen und emanzipiert? Diese Form der Darstellung weist nicht nur rassistische Züge auf, sondern auch antifeministische. Europäerinnen werden als „emanzipiert“ aufgewertet, wodurch eine „Überlegenheit“ gegenüber islamischen Frauen konstruiert wird. Diese mediale Inszenierung erweckt den Eindruck, als wäre feministisches Engagement in der so genannten Leitkultur nicht mehr notwendig. Das Kopftuch oder die Burka

werden als kollektive Zeichen für Unterdrückung und Rückständigkeit eingesetzt und stellen das Negativ-Pendant zur Europäerin dar. Feministische Strömungen im Islam, und damit eine weitere gesellschaftliche Wirklichkeit, werden durch diese Art der Berichterstattung untergraben. Oft wird auch der Eindruck erweckt, dass das wissenschaftliche Interesse in der westlichen Welt an Frauenbewegungen und Feminismus im Islam besonders groß sei. Das wissenschaftliche Interesse beschränkt sich allerdings meist auf eine Kritik der ungleichen Stellung von Frauen und deren Rechtlosigkeit in islamisch geprägten Gesellschaften. Die Geschichte islamischer Frauenbewegungen, ihrer Anliegen, Probleme aber auch Erfolge werden eher selten thematisiert. Über die Rolle der Frau im Islam an sich wird viel gesprochen und geschrieben, doch die nicht-europäischen Frauenbewegungen sind bis heute weitgehend unerforscht. Daher ist es wichtig, erst durch eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Thematik unter anti-sexistischen und -rassistischen Aspekten ein Urteil zu fällen, denn nur so lässt sich ein Zusammenleben in Toleranz und Akzeptanz erreichen. Sybilla Kastner

Über das Kopftuch wird meist dann diskutiert, wenn von akuten Problemen abgelenkt werden soll. Diskriminierung und staatliches Verbot werden die religiöse Abkapselung bereits unterdrückter Bevölkerungsschichten vorantreiben. Der Einfluss von FundamentalistInnen wird nicht geschwächt, sondern gestärkt.


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INNENPOLITIK INNENPOLITIK

Wien

Rot-Grün in Wien. Rot-Grün für Alle! Wien, 10.10.2010: Die Wiener SPÖ verliert ihre absolute Mehrheit bei den Gemeinderatswahlen, die Freiheitlichen werden mit rund 26 % Zweite. Nach dem desaströsen Wahlergebnis der ÖVP, die in den Wochen vor dem Stichtag alles getan hat, um die FPÖ rechts zu überholen, kommt es zu Koalitionsverhandlungen mit den Grünen – zum ersten Mal in Österreich. Über die neue Koalition in Wien und Möglichkeiten für den Bund. Einzige Alternative!

Foto: gemedj89, sxc.hu

Rot-grüne Pläne – ein Auszug Eine Mehrheit für Rot-Grün auf Bundesebene scheiterte zuletzt 2006 am haarknappen Einzug des BZÖ (4,11%). Das Erlangen einer rot-grünen Mehrheit muss bei den nächsten Nationalratswahlen zentrales Ziel sein.

Am 25. November war es soweit: die rot-grüne Stadtregierung wurde präsentiert und nahm ihre Arbeit auf. Der Koalitionspakt beinhaltet einige Fortschritte: Die Neue Mittelschule soll in Wien flächendeckend verwirklicht und nebenbei das Angebot von Ganztagsschulen ausgebaut werden – zudem werden weitere bildungspolitische Pilot-Projekte angestrebt. Kinderbetreuungsplätze werden weiter ausgebaut, der Gratis-Kindergarten bleibt, ebenso das in Wien recht hohe Budget für offene Jugendarbeit. Einer der wichtigsten Punkte ist wohl die Anhebung der Mindestsicherung für Kinder von 134 auf 203 Euro – kein Kind soll in Armut aufwachsen, lautet die Prämisse. Stutzig muss eineN jedoch eine zentrale Abmachung, die in dem Papier zu finden ist,

Die Politik der SPÖVP-Koalitionen der letzten Jahre frustriert und treibt die eigentliche Klientel der Sozialdemokratie in die Arme der FPÖ. Um einen weiteren Aufstieg Straches zu verhindern, braucht es Mut für neue, fortschrittliche Ideen, statt Mitte-Rechts-Politik, wie wir sie schon kennen und satt haben.

machen: die sogenannte Wiener Charta. Diese Charta ist ein „Wiener Vertrag“ mit allen MigrantInnen, die in Wien leben und arbeiten möchten. Mit der Unterzeichnung verpflichten sie sich, nach den „Wiener Werten“ zu handeln. Wie die aussehen, ist bisher unklar. Sollte die Charta mit einer vorgeschobenen „Werte-Debatte“ den Rassismus der FPÖ auch nur in Ansätzen noch stammtischtauglicher und salonfähiger machen, als er es mittlerweile hier zu Lande schon ist, muss die Sozialistische Jugend aufstehen und laut sein!

Bundespolitische Möglichkeiten Die rot-grüne Rathauskoalition muss als eine Chance verstanden werden, die es zu nutzen gilt. Die Politik der SPÖVP-Koalitionen der letzten Jahre frustriert und treibt die eigentliche Klientel der Sozialdemokratie in die Arme der FPÖ. Um einen weiteren Aufstieg Straches zu verhindern, braucht es Mut für neue, fortschrittliche Ideen, statt Mitte-Rechts-Politik, wie wir sie schon kennen und satt haben. Damit die erhoffte Koalition links der Mitte für die Parteibasis und die WählerInnen vorstellbar wird, muss sie erst in Wien funktionieren.

Dass die Grünen in ihren Grundfesten eine bürgerliche Partei sind, die an der Überwindung des vorherrschendenWirtschaftssystems ebenso wenig interessiert scheinen wie an der Einbindung von ArbeiterInnen in ihren Strukturen, steht außer Frage. Klar ist allerdings auch, dass die Sozialdemokratie von einer absoluten Mehrheit im Bund soweit entfernt ist wie noch nie, dass mit der ÖVP keine soziale Politik möglich ist und sich dieser Zustand auch in Zukunft nicht ändern wird. Die einzige Alternative zur reaktionären Volkspartei sind nun einmal die Grünen.

Die Jugendorganisationen SJ, VSSTÖ und AKS am Tag nach der Wahl: Die Rot-Grün-Kampagne nimmt ihren Anfang.

Eine andere Politik ist möglich! Die SPÖ muss den Aufschwung der Rechtsextremen bremsen – dafür braucht es gute Bildung für alle, wirksame Armutsbekämpfung und eine Asyl- und Integrationspolitik, die auf Mitbestimmung und nicht auf Ausgrenzung basiert. Nur wenn sich die politischen Verhältnisse nach links verschieben, kann eine Gesellschaft, in der alle die gleichen Rechte auf Arbeit, Bildung und Selbstbestimmung haben, möglich werden. Ob die SPÖ in einer Koalition links der Mitte fähig ist, linke Politik zu machen, muss sich zeigen. Wir wissen, dass eine rot-grüne Koalition noch kein Garant für tatsächlich fortschrittliche Politik ist. Unsere Aufgabe ist jedenfalls klar: den Druck auf die Sozialdemokratie ausbauen, fortschrittliche Positionen an die Basis und die Grünen ins Spiel bringen. Der Weg dorthin scheint zwar manchmal mühselig, aber wir sind bereit! Laura Schoch

Pilot-Projekte: z. B. Campus Schule: Unter einem Dach werden Ganztagsvolksschulen und Kindergärten eingerichtet – quasi gemeinsame Schule der 0- bis 10-Jährigen.


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PRO / CONTRA CONTRA HPV-Impfung

Wichtiger Schutz oder Schmäh der Pharmafirmen ? Wie sehr ist gewinnorientierten Pharmaunternehmen zu glauben, wenn es um die Notwendigkeit gesundheitlicher Vorsorgemaßnahmen geht? Wie sehr ist MedizinerInnen zu glauben, die oft selbst vom Medikamentenverkauf profitieren? Die Notwendigkeit der HPV-Impfung ist umstritten.

PRO PRO

CONTRA CONTRA

Impfschutz für alle Seit 2006 ist in Österreich ein Impfstoff zur vorbeugenden Immunisierung gegen einen Virus zugelassen, der HumanpathologenPapolima heißt. Eine Infektion mit diesem Virus gehört zu einer der häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten, er ist unter anderem dafür verantwortlich, dass sich Gebärmutterhalskrebs entwickelt.

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iese Viren können außerdem Feigwarzen verursachen. Der schlimmste Fall, der eintreten kann, ist die Entfernung der gesamten Gebärmutter. Ein Kondom schützt hier leider nicht, die Übertragung kann nämlich durch bloßen Hautkontakt erfolgen. Dass es also eine Impfung gibt, die dazu führt, dass der Körper gegen diesen Virus immunisiert wird, ist eine großartige Sache. Der Impfstoff ist getestet und zugelassen.Wer grundsätzlich gegen Impfungen ist, wird auch diese Impfung nicht in Anspruch nehmen, das ist klar. Grundsätzlich finde ich es wichtig, festzuhalten, dass die Verstaatlichung der Pharmaindustrie eine wichtige Forderung ist und dass man jede Kraftanstrengung aufbringen muss, um diese zu erreichen. Die Kritik an der Pharmaindustrie an sich darf aber keinesfalls verwechselt werden mit Kritik an dem, was diese Industrie

Die HPV-Impfung: Eine effektive Vorbeugung gegen Gebärmutterhalskrebs … produziert. Wer gegen den HPVImpfstoff ist, weil er von der Pharmaindustrie produziert wird, sollte konsequenterweise auch gegen Antibiotika, Aspirin und alle anderen Medikamente auftreten. Aber wer vom medizinischen Fortschritt überzeugt ist, wer ihre Gebärmutter und seinen Penis schützen möchte, sollte diese Impfung unterstützen. Dass diese aus drei Teilen bestehende Impfung pro Teil 170 Euro kostet, ist jedoch Wahnsinn. Österreich ist hier neben Finnland das einzige Land in Europa, das die Impfung noch nicht finanziert. Die Impfung ist für die Zielgruppe viel zu teuer. Der politische Anspruch muss sein, Gesundheit und Schutz vor Krankheiten allen Menschen zugänglich zu machen. Deshalb muss diese Impfung ins Kinderimpfschutzprogramm aufgenommen werden und allen zugänglich sein! Irini Tzaferis

Epidemieartige Impfwellen Die (Massen)medien leben von den großen Sensationen, den fetten Stories, Krieg und Liebe, Zerstörung, Not, Verwüstung. Die Pharmaindustrie lebt vom Verkauf von Medikamenten. Wen wundert es da, dass beide Seiten im Kapitalismus eine fruchtbare Symbiose eingegangen sind?

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us Larifari-Krankheiten machen die Medien Epidemien, Pandemien, Gehenna– und die Kassen der Pharmakonzerne klingeln nimmermüde. Hühnergrippe, Schweinegrippe, SARS, Feinstaub,Terrorismus – die Reiter der Apokalypse galoppieren durch die Regenbogenpresse, Schutz versprechen Bayer, Novartis und Co. Der Gebärmutterhalskrebs steht nun am Horizont und droht, die Töchter unserer Gesellschaft dahinzuraffen, doch ein Impfstoff dagegen ist bereits getestet und zugelassen. Hurra? Alle Impfungen enthalten

… oder ein neuer Schmäh der Pharmaindustrie? sog. Hilfsstoffe, die deren Verträglichkeit beeinflussen und deren Wirkungen aufgrund des ökonomischen Drucks, schnell Marktreife zu erlangen, nicht zur Gänze getestet werden. Regelmäßig müssen Präparate vom Markt genommen werden. In Europa sterben mehr Menschen an bekannten Nebenwirkungen zugelassener Medikamente, als im Straßenverkehr. In den USA ist das inzwischen die vierthäufigste Todesursache (hinter Herzinfarkt, Krebs und Schlaganfall). Die HPV-Impfung kostet 500 Euro, aber verängstigte Menschen sind zu allem bereit, um ihre Angst zu besiegen – besonders, wenn es um Kinder geht, aber wer profitiert dabei wirklich? Solange die Pharmaindustrie nicht vergesellschaftet ist, werden wir nicht wissen, was wir schlucken und dafür bezahlen, betrogen zu werden. Max Wallner


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GASTKOMMENTAR GASTKOMMENTAR

Gastkommentar

Bekenntnis statt Analyse? Im SPÖ-Parteiprogramm von 1978 war (erstmals in einem SPÖ-Programm) der Begriff „Grundwert“ als handlungsleitendes Element verankert worden. Ein erstes Anzeichen des Schwenks von der sozialistischen Theorie zur bloßen Verkündung von Wünschenswertem.

Peter Ulrich Lehner ist Mitgründer und geschäftsführender Redakteur der „mitbestimmung. zeitschrift für demokratisierung der arbeitswelt“ und Mitstreiter der Initiative für eine sozialistische Politik der SPÖ (ISP).

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innfällig dafür war die Forderung, „sozialistische Politik muss danach trachten, eine menschengerechte und menschenwürdige Arbeitswelt auch dort zu verwirklichen, wo dies keinen unmittelbaren Produktivitätsfortschritt bringt.“ Als ob es den durch Marktkonkurrenz bedingten Zwang zur Produktivitäts- und Renditesteigerung nicht gäbe und das Kapital das Wünschenswerte so ohne Weiteres zuließe. Begriffe wie Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit, Solidarität und Ähnliche haben so gut wie alle in ihrem Sprachgebrauch. Aber wenn alle das Gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht auch das Gleiche.

Begriffe wie Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit, Solidarität und ähnliche haben so gut wie alle in ihrem Sprachgebrauch.

Das hängt mit unterschiedlichen Erfahrungen, Wahrnehmungsmustern und Ausdrucksmöglichkeiten zusammen. Diese sind durch die Stellung des menschlichen Einzelwesens im gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der außermenschlichen Natur (ökonomisch als Produktionsprozess gefasst) bedingt. Ist es gezwungen, zum Lebensunterhalt seine Arbeitskraft zu vermieten oder kann es ihn aufgrund von Kapitaleigentum beziehungsweise in dessen Auftrag (Management) durch die Aneignung der Arbeitsergebnisse anderer bestreiten? Diese gesellschaftliche Ausgangslage konstituiert die einzelmenschlichen Interessen und bündelt sie zu sozialen Interessen von Klassen, Schichten und Gruppen. Sie bleibt aber bei der Erörterung so genannter Grundwerte so gut wie unberücksichtigt. Grundwerten wird von ihren Beschwörer/inne/n unausgesprochen eine „ewige allgemeine Gültigkeit“ unterstellt. So erfüllt der Begriff Grundwert eine Ersatzfunktion. Gesellschaftspolitisch Wünschenswertes wird bloß moralisch oder ethisch begründet. Aber Moral und Ethik ohne Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und Interessen laufen auf willkürliche Idealisierungen hinaus. Soll die Wirklichkeit nach einem abstrakten Ideal ausgerichtet werden? Oder geht es darum, die stofflichen Grundlagen von Interessen herauszufinden und damit zusammenhängende Zielvorstellungen, zum Beispiel Gerechtigkeit, zu charakterisieren? Handlungsleitende Zielsetzungen und durch sie bestimmte Regeln erfordern ein Bewusstsein von der eigenen Lage sowie Kenntnisse über gesellschaftliche Zusammenhänge und Bedingungen der Möglichkeiten für Veränderungen. Auch eine

philosophisch-materialistische Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse wird nicht absichtslos und voraussetzungslos, sondern unter dem Gesichtspunkt des Wünschenswerten vorgenommen. Doch dieses Wünschenswerte kristallisiert sich aus menschlich-gesellschaftlichen Lebensbedürfnissen heraus, deren Befriedigung zwar möglich wäre, aber an herrschaftlichen Schranken scheitert, die überwunden werden müssen. Daher bietet die Theorie des Sozialismus dem Wollen eine gediegenere Grundlage als nur Moral und Ethik (deren Bedeutung als Handlungsregeln in Verbindung mit dieser Grundlage nur gewinnen kann). Sie macht nicht das Sollen zum Fetisch, sondern steuert das Wissen für das Wollen bei und

So erfüllt der Begriff Grundwert eine Ersatzfunktion. Gesellschaftspolitisch Wünschenswertes wird bloß moralisch oder ethisch begründet. Aber Moral und Ethik ohne Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und Interessen laufen auf willkürliche Idealisierungen hinaus. hält (im Gegensatz zu einem mechanistischen oder „vulgären“ Materialismus) das Wollen als Element des materiellen Prozesses lebendig. Deswegen wurde Sozialismus auch nicht als „fertiges System“ proklamiert, sondern als offene Vision beschrieben, die von den Unterdrückten und Ausgebeuteten selbst, unter den Bedingungen ihrer Epochen und auf ihre Weise, anzustreben wäre. Wird die SPÖ wieder auf diesen Weg gebracht werden können? Oder muss es zur Herausbildung eines neuen linken Projekts kommen? Peter Ulrich Lehner

Eine ausführlichere Darlegung findet sich im Beitrag „Gerechtigkeit als Widerspruch“ im Buch Michael Rosecker und Bernhard Müller (Hg.), „Gerechtigkeit. Zwischen allen alles und jedem das seine“, Verein Alltag Verlag, Wiener Neustadt 2006, Seiten 145 bis 155.


UMWELT UMWELT

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Volksbegehren

Raus aus Euratom ! Alle neun Landtage haben sich in den vergangenen vier Jahren kritisch mit der Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom auseinandergesetzt. Über 170 Gemeinden haben Resolutionen für einen Ausstieg Österreichs aus Euratom verabschiedet. 86 Unterstützerorganisationen – so auch die Sozialistische Jugend Österreich – haben sich der Forderung nach „Raus aus Euratom“ angeschlossen.

Die Atomgemeinschaft Euratom ist eine Finanzspritze für die einflussreiche Atomlobby.

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uch Umfragen zeigen einen steigenden Anteil der Bevölkerung, der raus will aus Euratom – im Jahr 2008 waren es bereits 78 % der Bevölkerung. Die Bundesregierung ignoriert die parlamentarischen Initiativen zum Ausstieg Österreichs aus Euratom, sie ignoriert die Bundesländer und deren kritische Positionierung zu Euratom, sie ignoriert die Gemeinden, sie ignoriert die 86 Unterstützerorganisationen und letztlich ignoriert sie damit den Willen der Bürgerinnen und Bürger. Mit dem EuratomVolksbegehren soll das Votum der ÖsterreicherInnen verstärkt werden!

Was ist das Ziel des Euratom-Volksbegehrens? Das Euratom-Volksbegehren hat das Ziel, eine Volksabstimmung

über den Ausstieg Österreichs aus der Euratom zu erreichen. Das Euratom-Volksbegehren ist überparteilich und überkonfessionell. Der Ausstieg Österreichs aus Euratom versteht sich als Beitrag für eine zukunftsfähige europäische Energiepolitik, die von erneuerbaren Energien getragen wird. Die bisher für Euratom gezahlten Beiträge sollen in Richtung erneuerbare Energien umgelenkt werden! Der Ausstieg Österreichs aus Euratom kann ein Signal auch für andere EUMitgliedstaaten sein und einen Dominoeffekt auslösen, wenn diese Staaten dann ebenfalls aus Euratom aussteigen.

Warum raus aus Euratom? Euratom fördert seit 50 Jahren die Atomindustrie mit Milliardenkrediten. Der erklärte Plan hinter Euratom ist der Aufbau einer mächtigen Atomindustrie in Europa. Jeder Neu- und Ausbau von Atomanlagen rund um Österreich erhält dadurch seine Berechtigung aus Brüssel. Auf der einen Seite wird gegen grenznahe Atomkraftwerke wie Temelin oder Mochovce gewettert – auf der anderen Seite soll es zugelassen werden, dass mit unseren Steuergeldern die Atomwirtschaft gestützt wird?! Anstatt einen konsequent antiatompolitischen Standpunkt einzubringen, stimmen österreichische VertreterInnen in Brüssel mit der Atomlobby –

etwa für eine Verdreifachung des Euratom-Forschungsbudgets im Jahr 2007! Das Argument „man muss bei Euratom bleiben, um die Atompolitik in Europa mitbestimmen zu können“ ist absurd: Tschechien will neue Atomkraftwerke bauen, die Slowakei tut das bereits, Deutschland verlängert die Laufzeiten seiner Atomkraftwerke. Und Österreich? Österreich darf über Euratom diesen Irrsinn mitfinanzieren … Roland Egger, Initiator des EURATOM-Volksbegehrens

Wer darf unterschreiben, wo und wann: 28. Feber – 7. März Unterschreiben dürfen alle ÖsterreicherInnen, die spätestens am 7. März 2011 das 16. Lebensjahr vollendet haben. Unterschreiben muss man in der Gemeinde, in der man mit Hauptwohnsitz gemeldet ist (wer in Wien gemeldet ist, darf in allen Eintragungslokalen – unabhängig vom Wohnbezirk – unterschreiben)! Amtszeiten österreichweit gleich: an Werktagen – Montag (28. Feber) bis Montag (7. März) – jeweils von 8 bis mindestens 16 Uhr (in Wien bis 18 Uhr). Außerdem an zwei Werktagen bis 20 Uhr (an welchen Werktagen legt die Gemeinde fest – in Wien sind das Donnerstag, 3. März und Montag, 7. März bis 20 Uhr). Außerdem auch am Samstag, 5. März und am Sonntag, 6. März – für mindestens zwei Stunden am Vormittag (in Wien von 8 bis 13 Uhr).


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MUSIK MUSIK / FILM / BUCH

MUSIK MUSIK

The Age of Adz von Sufjan Stevens Erscheinungsdatum Online: 8.10.2010 Vinyl: 29.10.2010 Label Asthmatic Kitty Records (Soulfood)

Sufjan Stevens – The Age of Adz Von ehrgeizigen Plänen, jedem US-Bundesstaat ein eigenes Album zu widmen, nach Michigan und Illinois abgerückt, kehrt Multiinstrumentalist Sufjan Stevens zurück. Ein Konzeptalbum ist es geworden, in dem Stevens Themen des amerikanischen Künstlers Royal Robertson verarbeitet.

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chüchtern hallt noch der Opener „Futile Devices“ in gewohnter Singer/SongwriterManier, die nächsten Titel ergehen sich bereits in orchestraler Opulenz und schier nicht enden wollendem Detailreichtum. Elektronisch reduziert „I Walked“, melancholisch zurückhal-

Einmal mehr als nur reden „Wo ich vielleicht in meiner Jugend mit Herz dabei war – bei einer Gerechtigkeit auf der Welt, bei etwas, was ich damals Sozialismus genannt habe, oder Revolution oder Volksherrschaft oder Kommune – das hat sich im Alter im Kopf als richtig herausgestellt.“

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inmal mehr als nur reden – nämlich etwas tun: Im Februar 1984 bilden 50 ÖsterreicherInnen die Arbeitsbrigade „Februar ’34“ und brechen auf nach Nicaragua. Ihr Motiv ist die Solidarität mit der sandinistischen Revolution, die die jahrzehntelange Diktatur des Somoza-Clans gestürzt hat, jetzt aber durch die Invasionspolitik der USA bedroht ist. Einen knappen Monat lang bauen sie unter schwierigen Bedingungen an einem Gemeindezentrum und lernen währenddessen ein Land im revolutionären Prozess kennen.

BUCH BUCH

Hurra, wir dürfen zahlen: Der Selbstbetrug der Mittelschicht Der Titel des Buches der deutschen Autorin Ulrike Herrmann, die als Journalistin bei taz arbeitet klingt vielversprechend und erfüllt die Erwartungen der LeserInnen.

Hurra, wir dürfen zahlen: Der Selbstbetrug der Mittelschicht Autorin: Ulrike Herrmann Verlag: Westend Broschiert: 224 Seiten Preis: € 17,50

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erade wer die Diskussion um Vermögenssteuern genauer verfolgt hat und die Aussagen die dazu immer wieder im Raum stehen, findet sich in den Thesen die Herrmann in ihrem Werk aufwirft wider und hat handfeste Gegenargumente bei der nächsten Diskussion in Petto.

tend „Vesuvius“; „The Age of Adz“ ist nicht weniger als eine Werkschau der Vielseitigkeit Sufjan Stevens, hangelt sich durch alle Facetten seines Könnens und gipfelt im über 20 Minuten langen „Impossible Soul“, einem Lied das dermaßen aus allen Nähten platzt, dass andere vier daraus gemacht hätten. Apokalypse, religiöse Verschwörungstheorien, biblische Prophezeiung trieben den paranoid schizophrenen Robertson sein ganzes Leben lang. So ist auch „The Age of Adz“ im Innersten getrieben, zerrissen und erzählt eine sehr persönliche Geschichte von der Unfähigkeit mit seiner Außenwelt zu korrespondieren, der Brüchigkeit und dem Wahnsinn sozialer Beziehungen. Jakob Flossmann

Ein Film über Engagement, Ernüchterung und die anhaltenden Sehnsucht nach einer anderen Welt. Die österreichische Regisseurin Anna Katharina Wohlgenannt lässt die AkteurInnen ihre unterschiedlichen Hinter- und Beweggründe, die Geschehnisse reflektieren. Der Film zeigt, wie Solidarität aussehen kann. „Es ist ein Privileg der Jungen mehr mit Herz und weniger mit Hirn bei einer Sache zu sein. Und ich finde es glückhaft, dass mein Hirn mir später im Alter gesagt hat, dass mein Herz in der Jugend recht gehabt hat …“ Max Zirkowitsch

FILM FILM

Einmal mehr als nur reden Dokumentarfilm, 72 Min. Österreich, 2010 Regie: Anna Katharina Wohlgenannt Trailer: tinyurl.com/ einmalmehralsnurreden

Nach Unten treten, nach Oben buckeln ! Genauso, oder so ähnlich sieht die Situation momentan in Österreich aus. Sie nimmt sich der Frage an, warum sich gerade die Mittelschicht eher mit den Reichen solidarisiert und mit diesen Näher verbunden fühlt, als den sozial Schwachen. Herrmann thematisiert dieses Defizit und versucht anhand konkreter Beispiele die „Mittelschicht“ zu durchleuchten und herauszufiltern welche Auswirkung der Faktor Bildung auf den sozialen Stellenwert hat und warum die Pensionisten in Österreich bevorzugt behandelt werden. Eine Art Resolution für ein solidarisches Miteinander und ein sozial gerechteres Steuersystem. Lesenswert! Leonie-Maria Tanczer


GASTKOMMENTAR GASTKOMMENTAR

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Gastkommentar

Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität statt Fekterismus! Komani, Zogaj, Araksya, Lakota – alles Namen von Einzelfällen. Aber alle zusammen ergeben ein Gesamtbild. Ein Gesamtbild einer inhumanen, unmenschlichen, unchristlichen, den vielzitierten stolzen Werten unserer zivilisierten Welt – des christlichen Abendlandes wie es manche nennen – widersprechenden Gesetzgebung.

Christian Schörkhuber Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung

2010 in einer Gemeinde in Oberösterreich: Um 5 Uhr früh dringen Polizisten in eine Flüchtlingsunterkunft ein. Was wie eine Suche nach einem Schwerverbrecher aussieht, ist eine „normale“ Abschiebeaktion einer Asylwerberfamilie. Die Eltern und ihre kleinen Kinder werden brutal aus ihrem Schlaf gerissen und abtransportiert. Sie haben keine Zeit sich von ihren FreundInnen zu verabschieden, sie dürfen nur das allerwenigste einpacken. Die Kinder haben keine Gelegenheit ihren MitschülerInnen auf Wiedersehen zu sagen. Am späten Vormittag wird sich die Lehrerin an die Volkshilfe wenden um anzufragen, warum die Kinder nicht zur Schule gekommen sind – um diese Zeit befinden sie sich schon im Flugzeug zurück in ihr alte Heimat von der sie geflohen sind. Die Kinder weinen, die Eltern zittern voller Angst vor der Zukunft.

Verschärfte Gesetze Mit 1.1.2010 trat das neue Asylund Fremdenrecht in Kraft. Trotz

vernichtender Kritik wurde es mit breiter Mehrheit im Parlament beschlossen. Leichtere Abschiebungen durch Reduzierung der Rechte, Ausweitung der Schubhaft, Missachtung der Kinderrechtskonvention, u.v.m. wurde in den Stellungnahmen zu den neuen Gesetzen kritisiert. „Diese Aspekte stellen aus Sicht von UNHCR (UN-Flüchtlingshochkommissariat) einen ungerechtfertigten Eingriff in menschenrechtliche und verfahrensrechtliche Standards von Asylsuchenden dar“ oder „Die Verhängung obligatorischer Schubhaft ist mit Grundwerten der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unvereinbar (Ö. Rechtsanwaltskammertag) urteilten zwei ungesehene Institutionen. Leider umsonst.

Rückendeckung durch SPÖ VertreterInnen der SPÖ, allen voran Chefverhandler Norbert Darabos und der Vorsitzende des Innenausschusses im Parlament, Otto Pendl, ignorierten alle Einwände und gaben Innenministerin Fekter volle Rückendeckung. NGOs wurden für ihre kritischen Stellungnahmen kritisiert, angefeindet, als „typische Aussagen einer Beratungsindustrie“ diffamiert. Die Innenministerin hat de facto die Kooperation auf Eis gelegt. Doch jeder einzelne Fall gibt uns leider wieder einmal Recht.

Gefängnis für AsylwerberInnen Als NGOs zur Begutachtung zur sogenannten Anwesenheitspflicht von AsylwerberInnen – die nichts anders darstellt als Gefängnis – die Verfassungskonformität in Frage stellten, wurden wir einfach ignoriert. Wir

könnten ja dagegen berufen, so die zynische Antwort.

Fekter – hoffnungsloser Fall Vorurteile gegen die „Fremden“ sind an der Tagesordnung. Salonfähig gemacht auch von PolitikerInnen der beiden Regierungsparteien. „Wir müssen die Gemäßigten stärken, damit wir die Fundamentalisten, die im Vormarsch sind, im Zaum halten und aus Österreich eliminieren“, oder „Ich will nicht mit meinen Abgaben Familienbeihilfe für Jugendliche zahlen, die nichts tun, außer einbrechen zu gehen“, so die für Integration zuständige Ministerin anlässlich der Verleihung des Sicherheitspreises in der Raiffeisenlandesbank.

Christian Schörkhuber arbeitet bei der Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung und ist damit ein Insider und Kenner der heimischen Asyl- und Fremdenrechtspolitik.

Bedenkliche Zahlen … Solche Aussagen verstärken fremdenfeindliche und rechtspolitische Entwicklungen, wie auch die österr. Wertestudie vom Jahr 2009 bestätigt. So hat das Vertrauen in österreichische Institutionen massiv abgenommen. Nur noch 13 % haben Vertrauen in die politischen Parteien, 19 % gaben zur Antwort, die Demokratie sei nicht gut, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. 21 % meinen, man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um ein Parlament und um Wahlen kümmern muss. Diese Zahlen müssen doch zu Denken geben, zu Aktivitäten führen. Und zwar nicht in Richtung einer noch größeren Anbiederung nach Rechts, sondern im Sinne unseres Parteiprogramms zu einer demokratischeren, humaneren Gesellschaft, wo Werte wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität im Mittelpunkt stehen. Christian Schörkhuber

Die Vorlage zur Anwesenheitspflicht ist vorerst einmal vom Tische des MinisterInnenrats. Ein erster Erfolg der Zivilgesellschaft.


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Erstes starkes Lebenszeichen der „neuen SJ“ nach Jahren der Abwesenheit: eine breite Mobilisierung zur Demonstration gegen das in Salzburg tagende Weltwirtschaftsforum (WEF) im Jahr 2002.

10 Jahre linke SJ

» Moderne « Misere ? Sozialistischer Aufbruch! Zum Kurswechsel der Sozialistischen Jugend Österreich im Jahr 2000 befragte das Trotzdem-Redaktionsteam mehrere „Alt-SJlerInnen“, die den Umschwung miterlebten. Hier eine Interviewkette mit Flo Wenninger, Sabine Schatz, Bernhard Wieland, Muna Duzdar, Peter Binder und Gernot Trausmuth. Florian Wenninger, Gedenkdienst

Flo Wenninger, heute tätig am Institut für Zeitgeschichte, sowie Obmann des Vereins Gedenkdienst, war 2000 Funktionär der SJ Wien, später deren Landessekretär.

1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? Die SJÖ hatte bis 2000 einen jahrelangen organisatorischen Niedergang erlebt. Etliche der leitenden Funktionäre vertraten angesichts dessen die Auffassung, dass Mitgliederstrukturen generell überholt seien und man die SJÖ zu einer Art Jugendkampagnen-Referat ummodeln müsse. Die schwarzblaue Wende hat bewiesen, dass das falsch war. Plötzlich verzeichneten SJ-Strukturen im ganzen Land regen Zulauf. Die Frage war, ob man versuchen sollte diesen Strom für systematischen Strukturaufbau zu

nützen, oder nicht. Die Wahl von Andreas Kollross war ein klares Bekenntnis zur verbandlichen Jugendarbeit und zur Reideologisierung der Organisation. 2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? Dass der Kollross ein Fuchs und die Organisation am Ende war. Dass es sich ausgezahlt hat, auf den Strukturaufbau zu setzen. Zudem war der Kurswechsel im Bund eine wesentliche Vorbedingung für die Neuorientierung der SJ Wien, ohne die wiederum das linke Projekt im Bund auf tönernen Beinen gestanden wäre.


SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT 3. Wie siehst du die Rolle der SJ heute? In der SPÖ ist die Stimme der Vernunft leise, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber wenn man sie doch hört, kommt sie eigentlich immer aus den Jugendorganisationen, meistens aus der SJ. Die SJ ist nicht mehr nur das Herz der Sozialdemokratie, sie ist auch ihr Hirn. Ihr angehört zu haben macht mich stolz. 4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ? Ich war Wiener Delegierter auf dem Verbandstag 2000, Andreas Kollross trat damals gegen eine Kandidatin meiner Landesorganisation an. Diese Kandidatin hielt ich aus mehreren Gründen für ungeeignet. Weil ich aber wusste, dass ich mir erheblichen Ärger mit meiner Landesführung einhandeln würde, wenn ich das auch laut sagte, kam ich mit dem Vorsatz auf den Verbandstag, in der Wahlzelle gegen sie zu stimmen und ansonsten den Mund zu halten. Irgendwann im Verlauf der Diskussion ist mir das alte Lied der Roten Falken eingefallen: „Wenn du keine Meinung hast, musst du eine finden / wenn du sie gefunden hast, musst du sie begründen / wenn du sie begründet hast, musst du zu ihr stehen …“ Da hab ich mich vor mir selbst geschämt. Also hab ich mich zu Wort gemeldet und erklärt, warum ich gegen meine Landesorganisation stimme. Ab diesem Zeitpunkt gab’s kein Zurück mehr, der nun aufbrechende Konflikt musste auch ausgetragen werden. Ein halbes Jahr später haben wir die Wiener Landeskonferenz gewonnen.

Bernhard Wieland, Kinderfreunde

Bernhard Wieland ist heute Landesgeschäftsführer der Kinderfreunde NÖ. 2000 war er Landessekretär der SJ NÖ, danach lang dienender Landesvorsitzender.

1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? Im Kern ging es um eine grundsatz- und organisationspolitische Richtungsentscheidung. Die bis ins Jahr 2000 in der Mehrheit befindlichen „ModernistInnen“ hatten sich organisatorisch und politisch-ideologisch verirrt. Ihre Reaktion auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die dazu führten, dass die SJÖ viele ihrer Mitgliederstrukturen schleichend verlor, war, kurzerhand das Mitglieder- und damit das Organisationsprinzip in Frage zu stellen. Dieses passive Anpassen an gesellschaftliche Entwicklungen wurde auch ideologisch-politisch vollzogen, indem vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des sich als real bezeichnenden Sozialismus der Wissenschaftliche Sozialismus einfach über Bord geworfen wurde. Man verstand die SJÖ nicht mehr als eigenständige linke Denkfabrik mit dem Ziel eigene inhaltliche Forderungen und Programm zu entwickeln, sondern begnügte sich mit einem pragmatischen Übernehmen von SPÖ-Inhalten auf pseudojugendlich. Auch organisatorisch war der Karren verfahren. Die SJÖ des Jahres 2000 hatte zwar keine Internetseite, dafür aber einen Schuldenberg. Für junge Linke hatte die SJÖ keine Strahlkraft. 2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? Der Kurswechsel war notwendig und richtig. Es gibt seither anhaltende Erfolge beim Neuaufbau der SJÖ und damit wieder mehr junge Menschen, die für ein politisches Engagement und für sozialistische Inhalte gewonnen werden können. Die post-modern inspirierten Einstellungen und Prägungen der jugendlichen Lebenswelten machten das Erreichen dieser schwieriger. Die Aufbauerfolge geben der SJÖ aber Recht, dieses Zugehen aller Widrigkeiten zum Trotz unaufhörlich zu versuchen. Die Methoden die hierfür entwickelten wurden wie z. B. der Aufbau von Sympathisant/innen-Datenbanken, das bereits in Vorinternetzeiten praktizierte In-Dialogtreten mittels Rücksendepostkarten und AktivistInnentreffen oder das Beitragen zur aktiven Bündnisarbeit waren neue Wege und wichtige Erfolge zugleich. Die emanzipatorische Kraft dieses Wirkens kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

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4 Fragen an 6 „Alt-SJlerInnen“ 1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? 2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? 3. Wie siehst du die Rolle der Sozialistischen Jugend heute? 4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ? 3. Wie siehst du die Rolle der SJ heute? Mit einer SPÖ in einer SPÖ-ÖVP Regierung ist es natürlich schwerer als zu Oppositionszeiten die eigene Glaubwürdigkeit zu verteidigen und attraktiv zu sein. Im Prinzip war die SJÖ dabei bisher gar nicht unerfolgreich. Den teilweisen Kurswechsel der SPÖ am letzten Parteitag in Richtung mehr Verteilungsgerechtigkeit kann sich die SJÖ mit auf ihre Fahnen heften. Das SJÖ Engagement für höheres Besteuern von Vermögen und Kapital ist richtig und notwendig, ebenso das Drängen auf ordentliche Bildungspolitik, der Einsatz gegen Jugendarbeitslosigkeit und eine grüne Energiewende. Die Denkfabrik als Versuch progressive Persönlichkeiten in und rund um die Sozialdemokratie zu vernetzen, ist ebenso angebracht. Einzig das beschlossene aber nie umgesetzte StudiengebührenVolksbegehren als Reaktion auf den Wiedereintritt der Gusi-SPÖ in die Große Koalition halte ich für einen schweren Fehler, der der Linken in der SJÖ durch Uneinigkeit passierte. Überhaupt ist es wichtig, dass alle Beteiligten

Überhaupt ist es wichtig, dass alle Beteiligten in den mitunter hitzig geführten internen Debatten beständig das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Denn die SJÖ-Linke kann derzeit wohl nur über sich selbst stolpern. in den mitunter hitzig geführten internen Debatten beständig das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Denn die SJÖ-Linke kann derzeit wohl nur über sich selbst stolpern. 4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ? Die damals noch unverbrauchten Grünen waren heftige Kon-


SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT

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kurrenz. In der SJ OÖ und der SJ NÖ wurde die Orientierungslosigkeit der SJÖ schon früh als Fehlentwicklung kritisiert. Insbesondere in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre gelang es der SJ NÖ ein Gegenmodell zu entwickeln, welches diese rasch zur stärksten Landesorganisation machte. Dieses beruhte auf einer sich als marxistisch verstehenden Programmatik, sowie einer offensiven Kampagnentätigkeit mit jugendkulturellen Elementen und dem Ziel, Jugendliche langfristig wieder in SJ-Strukturen zu organisieren. Gemeinsam mit der SJ OÖ, der SJ Burgenland, Teilen der SJ Wien und der SJ Vorarlberg war es so möglich, 2000 eine linke Mehrheit zu erreichen. Als Verbandsvorsitzender hat Andreas Kollross die bereits auf Landesebene bewährten Rezepte (linke Programmatik, offensive Kampagnentätigkeit, aktive Medienarbeit, autonome frauenpolitische Arbeit in einer Frauenkommission usw.) auf Verbandsebene übernommen und weiterentwickelt. Mit der linken Übernahme der SJ Wien bei der Landeskonferenz 2001 wurde die fortschrittliche Hegemonie in der SJÖ langfristig abgesichert.

Sabine Schatz, Kinderfreunde

Sabine Schatz war 2000 Funktionärin der SJ OÖ, danach mehrere Jahre im Verbandssekretariat tätig und Geschäftsführerin des SJ-Europacamps – heute ist sie Angestellte der Kinderfreunde.

1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? Die Sozialistische Jugend war in den 90er Jahren de facto in 2 Blöcke geteilt. Auf der einen Seite die so genannten „ModernistInnen“, auf der anderen die so genannten „TraditionalistInnen“. Während Erstere sich hauptsächlich mit der Organisation von Methodikseminaren

und Hip-Hop-Jams beschäftigten und dabei Karl Marx beinahe mit Karl May verwechselten, waren die TraditionalistInnen der Ansicht, dass die SJ Jugendliche in Strukturen organisieren und politisch bilden sollte. Diese vollkommen konträren Ansichten haben praktisch zur Spaltung der Organisation geführt und die Ablösung des modernistischen Verbandes notwendig gemacht. Denn dieser war zu diesem Zeitpunkt eine reine Geldvernichtungsmaschinerie, der Output für die LOs und Strukturen quasi Null. Kampagnen und inhaltliche Seminare, Öffentlichkeitsarbeit, all das, was wir in der SJ heute als selbstverständlich betrachten, war nicht vorhanden. Die Wende, also den FPÖÖVP-Pakt, hat die SJÖ verschlafen und die Proteste nicht für sich nutzen können. Das einzige, an das ich mich erinnern kann, war die Produktion zweier Aufkleber, auf denen die SJ in der ersten Auflage nicht einmal erwähnt wurde. Als SJ OÖ haben wir zu diesem Zeitpunkt sehr eng mit der SJ NÖ kooperiert, welche uns unterstützend beim Wiederaufbau unserer LO unter die Arme gegriffen hat. So ist es gelungen eine eigene Kampagne gegen SchwarzBlau in unseren Bundesländern durchzuführen. Sehr viele Ortsgruppen in OÖ sind dadurch und durch die gemeinsame Teilnahme an den großen AntiSchwarz-Blau-Demos, entstanden. Die Unterstützung, die wir von der SJ NÖ erhalten haben, wäre aber eigentlich die Aufgabe der Verbandsorganisation gewesen.

2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? Dass es sich lohnt, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, andere gleich Denkende zu gewinnen und gemeinsam dafür zu kämpfen. Und nur weil etwas so ist, heißt es noch lange nicht, dass es auch so bleiben muss. Wir hätten ja auch unser eigenes oberösterreichisches Süppchen weiter kochen und auf die Unterstützung durch die SJ NÖ hoffen können. Aber durch die gemeinsame Arbeit im neuen Verband, allen voran ist natürlich der damals neugewählte Verbandsvorsitzende Andreas Kollross zu erwähnen, wurde die SJÖ relativ rasch zu einer echten Unterstützung für die Länder und Struktu-

Mit einer Lesung für die Opposition protestierte die SJ 2002 gegen die Absichten der Parteiführung, in Koalitionsgespräche mit der Schüssel-ÖVP einzutreten. Am Bild: FreiheitskämpferBundesvorsitzender a. D. Hugo Pepper, Flo Wenninger und Muna Duzdar.

Die Wende, also den FPÖ-ÖVP-Pakt, hat die SJÖ verschlafen und die Proteste nicht für sich nutzen können. Das einzige, an das ich mich erinnern kann, war die Produktion zweier Aufkleber, auf denen die SJ in der ersten Auflage nicht einmal erwähnt wurde. ren, von der wir in unserer täglichen Arbeit profitieren konnten. Und das unter denkbar schlechten Voraussetzungen, wenn ich mir den damaligen Kontostand und das schlechte Image, das der SJ auf Bundesebene anhaftete, ins Gedächtnis rufe. 3. Wie siehst du die Rolle der SJ heute? Die SJ heute ist meiner Einschätzung nach immer noch das


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SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Resultat dessen, was durch den Umschwung auf Verbandsebene 2000 eingeleitet wurde. Natürlich hat sich seither schon einiges geändert und weiterentwickelt, viel Neues ist entstanden. Und das ist auch gut so und notwendig. Die SJ muss sich den laufend ändernden Voraussetzungen in der Jugendpolitik stellen und neue Strategien entwickeln. Gleichzeitig darf die SJ aber keinesfalls darauf vergessen, was eine starke SJ ausmacht: die AktivistInnen und FunktionärInnen in den Ortsund Bezirksstrukturen. Ohne diese kann meiner Meinung nach SJPolitik nicht funktionieren. Auch das ist eine Lehre aus den Ereignissen in den 90er Jahren. 4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ? Meine prägendste Erinnerung ist natürlich der Verbandstag im September 2000 in Wien selbst. Ich bin damals in der Wahlkommission gewesen und war somit eine der ersten, die das Ergebnis schwarz auf weiß hatten, nämlich, dass sich das linke Bündnis durchsetzen konnte und die Wende in der SJ-Politik eingeläutet hat.

Gernot Trausmuth, Der Funke

Herumdoktern. Dazu herrschte ein unglaubliches Regime in der SJ (v. a. in Wien), wo oppositionelle Meinungen keinen Platz hatten. Die wenigen Linken in der SJ schwammen damals gegen den Strom, aber unsere Konzepte erwiesen sich letztlich als erfolgreich. Mit marxistischer Bildungsarbeit und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen gelang es in NÖ und vereinzelt in anderen Bundesländern (OÖ, Vorarlberg, Wien) wieder neue AktivistInnen zu organisieren. 2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? Dass es notwendig ist, dass die einzelnen linken Strömungen, die es in der SJÖ traditionell gab und die zusammen eine linke SJ mehrheitsfähig machten, sich um einen solidarischen Umgang bemühen und das Gemeinsame vor das Trennende stellten. Diese Bereitschaft ein linkes Bündnis zu schmieden schuf eine sehr demokratische Atmosphäre. Das führte meiner Meinung nach der Organisation den nötigen Sauerstoff zu, den es brauchte um die Aufbauarbeit zu leisten. Der gemeinsame Nenner war ein Bekenntnis zum Marxismus (festgeschrieben im Grundsatzprogramm) und dazu, dass die SJ als Massenorganisation Jugendliche organisieren muss. 3. Wie siehst du die Rolle der SJ heute?

Gernot war von 1990 bis 2002 in der SJ aktiv und engagiert sich bis heute für die marxistische Strömung „Der Funke“.

1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? In den 1990ern hatten in der SJ Kräfte das Sagen, die außer der eigenen Karriere keine großen Ziele verfolgten. Die SJ lief in Wirklichkeit Gefahr liquidiert zu werden. Es war eine Mischung aus postmodernen Ideologien, wonach es unmöglich sei Jugendliche für eine sozialistische Perspektive zu organisieren, und rechtssozialdemokratischem

Die SJÖ ist heute die stärkste linke Jugendorganisation mit einem großen Mobilisierungspotential. Das hat auch ihren Stellenwert in der SPÖ wieder erhöht. Die heutige SJ steht noch immer auf der politischen Grundlage der „linken SJ“, aber organisationsintern hat sich viel verändert. Von einer pluralen Organisation, einem gleichberechtigten Nebeneinander der einzelnen Strömungen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Der Wendepunkt war sicher die Bildung der Großen Koalition. Damals spielte die SJ eine wichtige Rolle bei den Protesten gegen die Umfaller von Gusenbauer. Die Herausbildung eines linken Flügels in der SPÖ stand nach der Bildung von „Wir sind SPÖ“ auf dem Programm. Diesen Schritt zu gehen, war man aber nicht bereit, weil das einen offenen Konflikt mit der Parteispitze bedeutet hätte. Die SJ ist aus meiner Sicht viel zu sehr auf ein gutes Auskommen mit der SPÖ aus. Realpolitik im Sinne eines

„linken Gewissens der SPÖ“ und marxistisches Selbstverständnis geraten da leider nicht selten in Widerspruch. 4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ? Sicher die Beteiligung der SJÖ an den Protesten gegen das World Economic Forum (WEF) in Salzburg 2001 und 2002. Nach den großen Antiglobalisierungsprotesten in Seattle und Prag sahen

Die SJ ist aus meiner Sicht viel zu sehr auf ein gutes Auskommen mit der SPÖ aus. Realpolitik im Sinne eines „linken Gewissens der SPÖ“ und marxistisches Selbstverständnis geraten da leider nicht selten in Widerspruch. wir die Möglichkeit rund um die WEF-Tagung in Salzburg diese weltweite Bewegung auch nach Österreich zu bringen. Die neue Verbandsführung nahm diese Initiative auf und es gelang uns dann durch eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen politischen Ansätze die SJÖ bei diesen Demos stark zu positionieren. Nie zuvor hat die SJÖ bei einer bundesweiten Mobilisierung zu einer Demo so viele Jugendliche auf die Straße gebracht und sich als antikapitalistische Kraft präsentiert.

Muna Duzdar, SPÖ Bundesrätin

Muna Duzdar spielte als Vorsitzende der SJ Donaustadt eine wichtige Rolle beim Kurswechsel in der SJ Wien, war danach stv. Landesvorsitzende und internationale Sekretärin der SJÖ, sowie ab 2001 IUSYVizepräsidentin. Heute ist Muna Bundesrätin und aktiv in der SPÖ Donaustadt.

1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? In den späten 90er Jahren koalierte die SPÖ schon seit über einem Jahrzehnt mit der ÖVP. Die Entpolitisierung der Partei und die Tabuisierung von


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SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT allem Politischen färbten sich auch auf die Jugendorganisation ab. Das Image der SPÖ war an einem Tief angelangt und ein politisches Engagement für junge Menschen nicht vorstellbar. Ich war damals Vorsitzende einer Bezirksgruppe (Donaustadt) in Wien. Die Wiener Landesorganisation lag aus meiner Wahrnehmung – strukturell und politisch – brach. Es gab wenig bis kaum Kampagnen und nur noch wenige aktive Bezirksgruppen. Oft wurde nachträglich ein Streit zwischen ModernisiererInnen und TraditionalistInnen heraufbeschworen, den es meiner Meinung in der Form in Wien nicht gab, denn dies hätte eine inhaltliche Auseinandersetzung vorausgesetzt, die es so gar nicht gab. Moderne politische Arbeit wurde von der Landesorganisation immer wieder propagiert, war aber ein diffuser Begriff ohne Inhalt, währenddessen bestehende Strukturen (Gruppen und Gruppenarbeit) für obsolet und überholt betrachtet wurden. Politische linke Ansätze wurden oft nur ins Lächerliche gezogen. Es war so, als ob man sich fürs politisch sein schämen und rechtfertigen musste, wenn man die eine oder andere gute politische Idee hatte. Für Bezirksarbeit gab es wenig Unterstützung und jede gesetzte Aktivität wurde misstrauisch betrachtet.

Es war so, als ob man sich fürs politisch sein schämen und rechtfertigen musste, wenn man die eine oder andere gute politische Idee hatte. 2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? Dass es sich immer bewährt, für etwas zu kämpfen, und man den Glauben an politischen Veränderungen niemals aufgeben darf. 3. Wie siehst du die Rolle der SJ heute? Die SJ ist die einzige Organisation in der Sozialdemokratie, die jungen politisch begeisterten Menschen einen Raum für inhaltliche Diskussionen und Auseinandersetzungen sowie ein politisches Bildungsangebot bietet.

4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ?

Peter Binder, SPÖ Linz

Die Wiener Landeskonferenz 2000 und die Spannung über den Ausgang der Wahl. Diese fast noch kindliche Begeisterung und der Idealismus, mit dem für eine andere sozialistische Jugend eingetreten wurde.

Peter Binder

Peter Binder war von 1996 bis 1998 Vorsitzender der SJ Linz, danach bis 2000 Verbandssekretär der SJÖ. Heute ist er Büroleiter von Joschi Ackerl und in Linz für die SPÖ aktiv.

1. Was machte, deiner Meinung nach, den Kurswechsel in der SJÖ notwendig? In der SJÖ hat es immer mindestens zwei widerstreitende Strömungen gegeben. 2000 kam es meiner Meinung nach aus drei Gründen zu einem Wechsel an der Spitze der Verbandsorganisation. Der erste Grund liegt im demokratischen Grundverständnis und Aufbau der Organisation: die eine der beiden Strömungen hat eine langjährige, gute Aufbauarbeit geleistet und dadurch stark an Mitgliedern zugelegt, was ihr eine starke Position für den Verbandstag eingebracht hat. Die anderen beiden Gründe sehe ich in der Vernunft der handelnden Personen. Ich hätte selbst für die Funktion des Verbandsvorsitzenden kandidiert – das wäre meiner Einschätzung nach aber eine zu große Zerreißprobe für die Organisation geworden, die zu Spaltungen führen hätte können. Als Linzer weiß ich, dass Spaltungen für die Organisation nie gut sind, und Hand aufs Herz: so gut waren und sind wir als Organisation nicht, dass wir uns auch noch spalten hätten können, ohne gänzlich jeglichen Jugendvertretungsanspruch zu verlieren. Darum hab ich mich vor dem Verbandstag mit Andreas Kollross getroffen, um eine harmonische Lösung für beide existierenden Strömungen zu finden. Das ist uns auch gelungen, wie das gute Ergebnis für Andreas – trotz Gegenkandidatin – beim Verbandstag und die weitere Entwicklung der SJ zeigte. Der größtmögliche Zusammenhalt der SJ – im Zusammenhang mit der demokratischen Entwicklung – war also der eine Vernunftsgrund für die Einleitung des Kurswechsels. Der zweite Vernunftsgrund lag für mich darin, dass die SPÖ in Opposition ging – so wie die Partei eine andere Führung für die Oppositionsrolle brauchte, brauchte das auch die SJ.

2. Welche Lehren ziehst du aus den Ereignissen rund um den Kurswechsel? Bei allem Diskurs, den es in einer politischen Organisation geben kann, ja muss, weil eine politische Organisation ja vom inhaltlichen Diskurs lebt, sollten sich die handelnden Personen eine Gesprächsbasis bewahren, die sicherstellt, dass in schwierigen Zeiten gemeinsame Positionen zum Wohle des Ganzen gefunden werden können. 3. Wie siehst du die Rolle der SJ heute? Immer noch als die kritische Jugendorganisation schlechthin, die auf vielfältige Art und Weise – wobei diese Vielfalt nach wie vor das ist, was es meiner Meinung nach zu hegen und zu pflegen gilt – den Zugang zu Jugendlichen sucht, um mit Jugendlichen für Jugendliche Politik zu machen. Und die noch mehr – viel mehr – daran arbeiten muss, eine neue, kritische, solidarische Generation hervorzubringen, damit sich endlich linke Wertehaltungen in der Politik durchsetzen können. 4. Prägendste Erinnerung an den Umschwung in der SJÖ? Sicher meine erste Fahrt nach St. Pölten zuAndreas Kollross und die Diskussionen beim Verbandstag, bei denen einige wenige immer noch nicht verstanden hatten, dass in der damaligen Umbruchzeit das Miteinander und das Wohl der Gesamtorganisation vor persönliche machtpolitische Interessen zu stellen waren. Die Interviews führte Boris Ginner.


INTERNATIONALES INTERNATIONALES

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Tunesien

Revolution im Urlaubsparadies Das Ende des diktatorischen Regimes in Tunesien: Bereits seit Mitte Dezember tobt in Tunesien, unbeachtet von der Medienöffentlichkeit der westlichen Welt, eine Revolte. gen einbezogen. Dafür blieben die Schlüsselministerien Innenund Außenpolitik in der Hand der Minister der alten Regierung.

Foto: thumb_ina, sxc.hu

Weiter Proteste Die Interessen der herrschenden Schicht und der Ex-Kolonialmacht Frankreich und großer Konzerne wie der ÖMV bleiben gesichert. Die Gewerkschaftsvertreter der UGTT sind inzwischen aus Protest der Beteiligung der ehemaligen Regierungspartei RCD aus der Regierung ausgetreten. Die Proteste gehen weiter. Die Sozialistische Jugend Österreich erklärt sich mit den Protesten der Jugendlichen und ArbeiterInnen gegen das tunesische Regime solidarisch.

Fehlende Zukunftsaussichten Die geglückte Revolte gegen einen langjährigen Diktator in Tunesien könnte auch auf angrenzende Länder wie Algerien überschwappen. Denn auch dort sorgen, verschärft durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, schlechte Arbeitsaussichten für Junge und hohe Lebensmittelpreise für Frustration.

UGTT: Der Dachverband tunesischer Gewerkschaften war an den Protesten der vergangenen Wochen maßgeblich beteiligt. In der neuen „Regierung der nationalen Einheit“ sollte der UGTT mit drei MinisterInnen vertreten sein – diese traten aber aus Protest gegen den Verbleib alter VertreterInnen des Unterdrückungsregimes im Kabinett umgehend zurück.

Am 17. Dezember zündete sich ein 26-jähriger Universitätsabsolvent als Protest gegen das Regime an. Trotz guter Ausbildung fand er keinen Job. Er hatte versucht sich als Obsthändler durchzuschlagen, um seine Geschwister zu ernähren, die Lizenz wurde ihm allerdings verwehrt. Als einziger Ausweg blieb ihm die Selbstverbrennung. Unzählige Jugendliche folgten dieser Aktion. Dieses Zeichen der Ausweglosigkeit war der unmittelbare Anlass für Massenproteste gegen das Regime. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit nimmt in Tunesien den Jugendlichen, die die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Repression und Gewalt Der Spalt in der tunesischen Gesellschaft ist ein tieferer. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit und Armut, Korruption, politische Unterdrückung durch ein diktatorisches Regime und die Zensur der Medien sind der Nährboden für die Proteste. Die Polizei begegnete schon den ersten Demonstrationen mit Repression und Gewalt.

Das Eingreifen der Exekutive fordert immer wieder Tote, die Proteste reißen aber nicht ab. Trotz zahlreicher Todesopfer bei den Demonstrationen geht der Protest weiter und als die Regierung Facebook- und Twitterprofile von politischen AktivistInnen sperrte, legten HackerInnen die offiziellen Regierungsseiten lahm.

Präsident flüchtet, alte Elite bleibt Mitte Jänner lenkt Präsident Ben Ali von der Regierungspartei RCD ein und versucht durch die Entlassung des Innenministers und dem Versprechen der Einrichtung einer Antikorruptionskommission zu kalmieren. Die DemonstrantInnen lassen sich dadurch nicht ruhig stellen und zwei Tage später dankt der Präsident ab und verlässt das Land. Um das System am Leben zu erhalten, streben alte gesellschaftliche Eliten die Bildung einer „Regierung der Nationalen Einheit“ an. Die Zusammensetzung dieser Übergangsregierung führt erneut zu Protesten. Nur drei Minister sollen von der bisherigen legalen Opposition und Gewerkschaften gestellt werden. Durch das Regime verbotene Parteien wurden nicht in die Verhandlun-

Tunesien – für Urlaubende ein Paradies, nicht jedoch für die überwiegend junge Bevölkerung.

Sandra Breiteneder

Ben Ali Zine El Abidine Ben Ali (74) putschte 1987 und regierte 23 lange Jahre wie ein absolutistischer Monarch. Am 14. Jänner trat Ben Ali nach wochenlangen Protesten zigtausender DemonstrantInnen zurück und floh (mit 1,5 Tonnen Gold) nach Saudi-Arabien. Die Finger seines weitläufigen Familienclans, der als Dreh- und Angelpunkt des tunesischen Korruptionsnetzes gilt, reich(t)en bis in die Privatwirtschaft. Unterstützung erhielt Ben Ali als Partner im sogenannten „Kampf gegen den Terror“ auch von der EU, die auf die blutige Niederschlagung der Proteste (50 Tote) mit betretenem Schweigen reagierte. Jasminrevolution Bezieht sich auf die in Tunesien vorkommende Duftpflanze Jasmin. Die Revolution ist Ausdruck der Unzufriedenheit der TunesierInnen mit dem autoritär-neoliberalen Regime Ben Alis. Rasch bildeten sich BürgerInnenkomitees in den Stadtvierteln, um das Volk vor Übergriffen zu schützen. Die Revolte zeigt das wahre Gesicht des (laut EU) „wirtschaftlichen Musterknaben Nordafrikas“: Über 30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, enorme Ungleichverteilung, großes Stadt-Land-Gefälle und eine extrem niedrige Erwerbstätigkeit von Frauen.


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INTERNATIONALES INTERNATIONALES

USA

Yes, we can ? Nach zwei Jahren Amtszeit und Erfolgen mit historischem Ausmaß, beginnt die Obamamania langsam zu verschwinden und seine äußere Fassade der Unbezwingbarkeit zu bröckeln. Eine neue Welle des Hasses breitet sich in den USA aus. r sieht sich einem wütenden Volk gegenüber, dem die lang ersehnten Veränderungen nicht schnell genug kommen und welches ein gefundenes Fressen für die Tea-Party-Bewegung ist. Ein Rückblick auf Amerikas bisherige Präsidenten zeigt, dass nur Ronald Reagans Umfragen nach seinem ersten Amtsjahr negativer ausfielen. Nach Obamas Amtsantritt standen noch 70 Prozent der Bevölkerung hinter ihm, mittlerweile ist es nur noch etwa die Hälfte der US-BürgerInnen. Reagan gewann trotz negativer Umfragen seine Wiederwahl 1984 mit großem Vorsprung. Ähnliches könnte auch Obama ereilen – abgerechnet wird schließlich auch bei ihm erst 2012.

E

Der politische Messias und die Sehnsucht nach Erlösung Die Hoffnung der Demokraten war 2008 größer als ihre Erwartungen, da viele einen hohen Stimmenverlust befürchteten, als Clinton-Anhänger-

Trotz, oder vielleicht sogar wegen der großen Begeisterung, die Obama anfänglich entgegengebracht wurde, kam spätestens jetzt die Ernüchterung. Obamas Glanz ist verblasst. Innen Obama mieden und sich weiße SüdstaatlerInnen weigerten einen schwarzen Amerikaner zu wählen. Barack Obama gewann dennoch am 4. November 2008 mit überzeugender Mehrheit (28 von 50 Staaten) die Präsidentschaftswahl und sein Leitspruch „Yes, we can“ schallt bis heute aus Radio und Fernsehen, ist auf T-Shirts und Kappen zu lesen und machte Obama zum Hoffnungsträger für viele – nicht nur in den USA. Trotz, oder vielleicht sogar wegen der großen Begeisterung, die Obama anfänglich entgegengebracht wurde, kam spätestens jetzt die Ernüchterung. Obamas Glanz ist verblasst. Die strahlenden Zeiten während des

Wahlkampfes sind vorbei und an deren Stelle tritt der harte politische Alltag des ständigen Bemühens um WählerInnen.

“But in the unlikely story that is America, there has never been anything false about hope.” 1 Unbestreitbar ist, dass Obama in seinem ersten Jahr als US-Präsident die Meinung, welche die restliche Welt über die Vereinigten Staaten hatte, verbesserte. Am 9. Oktober 2009 wurde ihm der Nobelpreis vor allem für das, was er nach seinem Amtsantritt in Aussicht stellte (Abrüstungsbestrebungen), verliehen. Der Preis war somit mehr eine Auszeichnung für einen starken Willen und starke Visionen als eine Ehrung für vollbrachte Leistungen.

Außenpolitische Versprechen Obamas erstes Versprechen, innerhalb eines Jahres das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen

blieb bislang unerfüllt und scheiterte sowohl an innenpolitischen GegnerInnen als auch an fehlender Unterstützung aus Europa. Viele AnhängerInnen verlor Obama vermutlich auch mit seiner Entscheidung, doch nicht, wie vor der Verleihung des Nobelpreises angekündigt, mit dem Truppenabzug aus Afghanistan im Juli 2011 zu beginnen. Zu einem der Versprechen, welche Obama allerdings hielt, zählt der Abzug der US-Kampftruppen aus dem Irak. Als wichtiges Anliegen Obamas wird immer wieder friedliches Zusammenleben ohne Atomwaffen betont. Der Atomgipfel in Washington 2010 lief für Obama nicht schlecht, auch wenn er mit viel Ablehnung, selbst aus den eigenen Reihen, zu kämpfen hatte. Trotz allem wurde u. a. beschlossen, dass alle 47 Teilnehmerländer innerhalb von vier Jahren jegliches spaltbare Material sichern sollen. Mit Russland einigte sich Obama darauf, beiderseits die strategi-


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Tatsache ist jedoch, dass die amerikanische Bevölkerung weiterhin von Überschuldung geplagt und von den Folgewirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise heftig gebeutelt wird. Auch wenn die Rezession offiziell ihr Ende gefunden hat, gibt es Rekorddefizite und eine fast zehnprozentige Arbeitslosigkeit. START: Strategic Arms Reduction Treaty (Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen)

Skeptische Blicke zieht Obama wegen seiner versprochenen Reformen auf sich. Die wirklich Mächtigen in den USA werden wohl wirklichen „Change“ zu verhindern wissen.

1 “But in the unlikely story that is America, there has never been anything false about hope.” — aus Barack Obamas New Hampshire Primary Rede vom 8. Jänner 2008.

Dass die neue Radikalität leicht in Gewalt umschlagen kann, zeigt das jüngste Mordattentat in Arizona. Im Visier der Tea-Party: Demokratische Abgeordnete, die für die Gesundheitsreform stimmten.

schen Atomwaffen (START) abzubauen. Obamas Traum der atomwaffenfreien Welt wurde allerdings bislang nicht verwirklicht. Auch im Nahen Osten bemüht sich Obama um Frieden. Da Bush relativ wenig, bis gar nicht zum Friedensprozess im Nahen Osten beigetragen hatte, forderte Obama Israel und Palästina auf sich innerhalb eines Jahres auf eine Zweistaatenlösung zu einigen. Immerhin eine Gesprächsaufnahme zwischen Netanyahu (Israel) und Abbas (PalästinenserInnen) konnte erwirkt werden. Trotz Obamas Bemühungen ist die erhoffte Zweistaatenlösung aber noch immer nicht in Reichweite.

Innenpolitische Versprechen Ein weiteres wichtiges außenpolitisches Ziel Obamas ist und bleibt der Klimaschutz. Während des Klimagipfels in Kopenhagen im Dezember 2009 setzte sich Obama ein klares Ziel. Der Ausstoß der Treibhausgase in den USA sollte bis 2020 mindestens 17 Prozent unter dem Niveau von 2005 liegen. Jedoch wurde der dazugehörige Gesetzentwurf im Juli im US-Senat gestoppt. Obama zeigt sich weiterhin in Sachen Außenpolitik bemüht, allerdings ist er aufgrund der miserablen Wirtschaftslage der USA dazu gezwungen, sich verstärkt auf Innenpolitisches zu konzentrieren. Obamas innenpolitisches Engagement zeigt sich beispielsweise in der im Sommer fixierten Finanzmarktreform, welche z. B. die Errichtung einer Verbraucherschutzbehörde vorsieht. Den wohl größten innenpolitischen Meilenstein legte Obama mit seiner (ohnehin in vielen Punkten abgeschwächten) Gesundheitsreform und gab Amerika damit das, was schon seit langer Zeit dringend notwendig war. Die Gesundheitsreform, die den Stand der europäischen Sozialsysteme immer noch weit verfehlte, brachte Obama den

Ruf des „gefährlichen Sozialisten“ ein. Die Lobby der Pharmaindustrie hat bis heute auch in der demokratischen Partei nennenswerten Einfluss und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen „kommunistische“ staatliche Eingriffe.

Die Finanzkrise hat die US-Bevölkerung im Griff Die US-BürgerInnen scheinen schnell vergessen zu haben, dass Präsident Obama weder für die Wirtschaftskrise noch für das gewaltige Budgetdefizit verantwortlich ist, sondern diese von seinem Vorgänger George W. Bush geerbt hat und seine wirtschaftspolitische Reaktion anfänglich einen noch tieferen Abrutsch der USA in die Rezession verhindern konnte. Tatsache ist jedoch, dass die amerikanische Bevölkerung weiterhin von Überschuldung geplagt und von den Folgewirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise heftig gebeutelt wird. Auch wenn die Rezession offiziell ihr Ende gefunden hat, gibt es Rekorddefizite und eine fast zehnprozentige Arbeitslosigkeit.

Hope und Change haben ausgedient Während der Kongresswahlen am 2. November 2010 hatte die US-amerikanische Bevölkerung die Möglichkeit, ihrer Enttäuschung und Wut Ausdruck zu verleihen. Der Sieg der RepublikanerInnen im Repräsentantenhaus war nicht nur bitter, sondern kam in seinem Ausmaß für viele überraschend. Ihre Mehrheit im Senat konnten die DemokratInnen allerdings verteidigen. „Hope“ und „Change“ scheinen ihren Glanz mittlerweile verloren zu haben.

Wie mächtig ist ein Präsident? Gegen die jahrzehntelang gewachsene Macht von USKapital und Großunternehmen kommt offenbar auch ein demokratisch gewählter Präsident nicht so leicht an. Die teils ernüchternden, teils missglückten Reformen des US-Präsidenten kommen vor allem der rechtspopulistischen Tea-Party zugute, die ihre neue AnhängerInnenschaft nicht nur in den WechselwählerInnen finden, die je nach konjunktureller Lage mal DemokratInnen und mal RepublikanerInnen sind und sich jetzt bei den Konservativen doch am wohlsten fühlen. Vor allem haben die RepublikanerInnen neue Fans in der KernwählerInnenschaft der DemokratInnen gefunden, während die einstigen Obama-WählerInnen zuhause bleiben. Die Polarisierung der US-Politik ist ein kaum zu übersehendes Resultat der Frustration einer Bevölkerung, die ihre Hoffnung auf bessere Zeiten mit Obama als ihren Präsidenten verloren hat.

Yes, we can. Obama hat in seinen zwei Jahren als Präsident trotz einiger Rückschläge mehr erreicht als die meisten seiner Vorgänger innerhalb ihrer gesamten Amtszeit. Dass ihm genau auf die Finger geschaut wird und er mit viel Kritik zu kämpfen hat liegt in der Natur des Amtes und an den hohen Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden. Ein längst überfälliges Abweichen von der bisherigen Konsenslinie (mit RepublikanerInnen, die um jeden Preis Fortschritte verhindern und Obama zu Fall bringen wollen) sollte nun Teil der Erkenntnis des US-Präsidenten sein. Ramona Zmolnig

Für die Rechtspopulistin Sarah Palin sind die Zeiten des Wilden Westens noch nicht vorbei. Die USA gelten als Eldorado für Waffennarren – hier lassen sich PolitikerInnen gerne mit Geschützen aller Art ablichten.

Die „Tea Party“ ist eine Bewegung aus erzkonservativen und waffenvernarrten Weißen, die sich als Reaktion auf Obamas Wahl gebildet hat. Ihr Einfluss innerhalb der republikanischen Partei steigt stetig. Ihr Programm: Nein zu Obamas Gesundheitsreform, Steuererleichterungen für Reiche, Verringerung der Sozialleistungen und Wiederherstellung des Unilateralismus (USA als einzige Weltmacht). Galionsfigur der Bewegung ist die Ex-Gouverneurin Alaskas, Sarah Palin, zugleich realistisch gesehen derzeit die wahrscheinlichste Alternative zu Obama. Palin träumt schon von einer Kandidatur bei den nächsten Präsidentschaftswahlen, setzt auf Sozialabbau und Privatisierung, sowie auf Kriegsführerei, um die weltweite US-Hegemonie wiederherzustellen.


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INTERNATIONALES INTERNATIONALES

Südamerika

Brasiliens neues Gesicht Am 3. und 31. Oktober wurde in Brasilien gewählt – zum 3. Mal, seit ihrem ersten Wahlsieg 2003, gewinnt die brasilianische ArbeiterInnenpartei Partido dos Trabalhadores im zweiten Wahlgang, die Stichwahl gegen die zweitstärkste Partei PSDB mit 56 %.

Die Linke feierte in Brasilien deutliche Zuwächse. So konnte nicht nur die PT (Partei Lulas) 5 Sitze dazugewinnen, auch die Sozialistische Partei (+7) und die Kommunistische Partei Brasiliens (+2) konnten Zugewinn verbuchen.

Lula: Spitzname des scheidenden Präsidenten, der zuletzt 2006 mit 61 % wiedergewählt wurde. Gini-Koeffizient: Kennzahl für die Verteilung von Einkommen und Vermögen, die zwischen 0 (auf alle BewohnerInnen gleichmäßig verteilt) und 1 (das gesamte Vermögen eines Staates gehört einer/m einzigen BewohnerIn) liegen kann. In Brasilien erhalten 10 % der Bevölkerung fast 45 % des Nationaleinkommens, die ärmsten 10 % dagegen nur 1,2 %.

A

uf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches und doch ist diese Wahl eine besondere – zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur 1985 ist auf dem Wahlzettel der Name Luiz Inácio Lula da Silva nicht zu finden: Auf Grund des brasilianischen Wahlrechts war eine erneute Kandidatur für Lula, der seit 2003 Präsident Brasiliens war, nicht mehr möglich. Deshalb nominierte er Dilma Rousseff als Kandidatin seiner in den 70ern gegründeten ArbeiterInnenpartei PT. Mit ihr wird am 1. Jänner 2011 zum ersten Mal eine Frau das höchste Amt Brasiliens, wo Frauen seit 1932 zum Wählen berechtigt sind, bekleiden. Damit wird innerhalb von kurzer Zeit zum dritten Mal (nach Michelle Bachelet in Chile von 2006 bis 2010 und Cristina Fernández in Argentinien seit 2007) eine Frau Präsidentin in Südamerika.

Engagement gegen Militärdiktatur Die 62-jährige Brasilianerin bulgarischer Abstammung (ihr Vater war dort Mitglied der Kommunistischen Partei und emigrierte in den 30ern nach Südamerika)

war bis zu ihrer Nominierung medial relativ unbekannt. Ihr politischer Werdegang wurde wie der von vielen BrasilianerInnen, durch die von 1964 bis 1985 andauernde Militärdiktatur geprägt: In dieser Zeit studierte sie Volkswirtschaftslehre, wovon sie aber auf Grund ihres politischen Engagements gegen die Diktatur im Untergrund exmatrikuliert wurde (es blühten ihr auch Haftstrafen). Nach 1985 war sie in verschiedenen Parteien tätig und wurde unter Lulas Präsidentschaft Energieministerin.

Ziel Armutsbekämpfung? Ihr zentrales Wahlversprechen war es, die Politik Lulas weiterzuführen, dazu zählen die Weiterführung und Ausweitung von verschiedenen Sozialprojekten, um die Ungleichverteilung in ihrem Land, das mit einem GiniKoeffizienten von 0,567 an 10. Stelle im weltweiten Vergleich bezüglich Ungleichverteilung liegt (im Vergleich: Österreich liegt mit einem Gini-Koeffizient von 0,26 an 125. Stelle), zu verringern. Dieses Wahlversprechen erklärt auch ihre verhältnismäßig große Zustimmung in den

ärmeren Gebieten des Landes (in den nördlichen Provinzen Bahia und Maranhão stimmten rund 80 Prozent für sie). Der Beliebtheit des scheidenden Präsidenten Lulas entgegen steht, dass die Sozialprojekte und Armutsbekämpfungsmaßnahmen der Regierung zwar die Armut deutlich senken konnten, die Kluft zwischen Arm und Reich ist aber nichts desto trotz weiter auseinandergegangen. Ein weiterer Brennpunkt etwa ist die Ökologie: So steht auf der Liste der Wahlversprechen neben der Verringerung der Treibhausgase um 39 Prozent bis 2020 auch die Reduzierung der Abholzung des Amazonas um 80 Prozent (Ziele, die auch bei der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 angekündigt wurden). Somit ist es aus sozial-, wirtschaftspolitischer und ökologischer Sicht interessant, was in dem größten und bevölkerungsreichsten südamerikanischen Land in den nächsten Jahren geschieht. Es bleibt zu hoffen, dass das wirtschaftliche Wachstum im südamerikanischen „Tigerstaat“ künftig verstärkt den ärmeren Schichten zugute kommt und die massive Ungleichverteilung reduziert wird.

Trotz der Sozialprogramme der Regierung ist die Armut immer noch allgegenwärtig – hier ein Slum (favela) in Sao Paulo.

47,8 % der Fläche 50,3 % der südamerikanischen EinwohnerInnen

Lisa Butzenlechner

Politische Macht von Frauen — 17 der 192 UN-Mitgliedsstaaten haben ein weibliches Staatsoberhaupt (Stand Juni 2010). — die Isländerin Vigdís Finnbogadóttir wurde 1980 das erste gewählte weibliche Staatsoberhaupt der Welt. — Dilma wird 11. weibliches Staatsoberhaupt in Lateinamerika: Neben Argentinien, wo bereits zweimal Frauen Regierungschefinnen waren, verfügten auch Bolivien, Haiti, Nicaragua, Ecuador, Guyana, Panama, Chile und Costa Rica bereits über eine Frau an der Staatsspitze — 1. weibliches Staatsoberhaupt Afrikas wurde 2006 Ellen Johnson-Sirleaf in Liberia


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International Union of Socialist Youth

IUSY – a century-young movement Values and principles remain the same. With more than 140 member organizations from 100 countries all over the world, International Union of Socialist Youth is today the largest and strongest international political youth organization.

I

t is present at all continents and its member organizations are nowadays reaching out to young people of all corners of the world. Through its political activities IUSY is tackling all of the challenging issues of our time. Thousands of participants are taking part in the program of the IUSY Festival every two to three years, hundreds of delegates are taking decisions at each IUSY Congress or World Council and hundreds of youth activists take part in activities of the IUSY regional committees and working groups every year. Having in mind its active participation in the political developments of our world — including large international campaigns and political debates — we often think about the roots of this organization and the path it has crossed to become what it is today. The international youth camps became to the most popular activity of IUSY.

Beginnings The founding congress of the International Union of Socialist Youth Organizations was held at the Trade Union House in Stuttgart on August 24 – 26th 1907. At these early years the international socialist youth movement was diverse, without a common political agenda, functioning more as a syndicate than an organization. The socialist youth movements that were founded in the industrialized countries in Europe at the beginning of the last century aligned themselves with the existing socialist parties and trade unions — recognizing the matching ideological beliefs and political directions. The founding congress contributed to defining the main tasks of the movement — among them the need to educate the working youth (many young people

did not find education provided by public schools sufficient) or support the economic struggle of youth.

First activities Looking at these early years of the movement and the ways in which IUSY is functioning nowadays, we see that it worked on similar bases. From its very beginning the Union followed several main lines of work — including compiling regular overviews of development in different countries, encouraging and supporting founding of new organizations, publishing a bulletin, organizing international gatherings. Some of these activities were maintained even during the challenging periods — for example during the WW1, the Union kept providing socialist youth associations in the countries at war with flyers, manifestos and its new journal — Youth International — often using illegal means for distributing them from the temporary office in Zürich, thus contributing to maintain the voice of international solidarity at this difficult time. Nowadays IUSY is continuing to put special efforts in supporting the organizations working in the most challenging conditions and situations, faithful to its main line of ideology and political values.

International solidarity Whether dedicated to education of working youth, decolonization, European unification or demanding full respect of human rights for all, the main lines of political advocacy of IUSY have always been avantgarde. As creators of new progressive political ideas and solutions, looking one step fur-

ther than the goals already set, IUSY has been dedicated to setting the demands and pledges to be realized by their mother parties. Its work remains firmly based on strong political values and principles, globally oriented and progressive. Never satisfied with the accomplishments in the struggle for equality, full respect of human rights, universal justice and lasting peace, IUSY is always promoting the power of international solidarity as the main tool in this global struggle of youth for a better world. Tamara Smilevski IUSY secretariat

In 1964 IUSY organized a meeting against colonialist policy in Berlin.


GESELLSCHAFT GESELLSCHAFT

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Foto: knorthern, sxc.hu

Homosexuelle Personen sind in Österreich immer noch mit menschenverachtenden Anfeindungen und systematischer Schlechterstellung konfrontiert.

Adoptionsrecht

Österreich: Diskriminieren beim Adoptieren Seit etwas mehr als einem Jahr haben in Österreich gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit eine Eingetragene Partnerschaft einzugehen. Diese ist weitgehend der Ehe gleichgestellt, allerdings bleibt ein gravierender Unterschied bestehen: Gleichgeschlechtlichen Paaren wird nach wie vor das Recht verweigert, Kinder zu adoptieren. urch die Einführung der eingetragenen Partnerschaft wurde für gleichgeschlechtliche Paare zwar einiges vereinfacht, wie z. B. das automatische Erbrecht, im Adoptionsrecht gab es jedoch keine Änderungen. Homosexuellen Paaren, auch eingetragenen PartnerInnen, ist es noch immer verboten, gemeinsam ein Kind zu adoptieren. EinE eingetrageneR PartnerIn kann auch nicht die Kinder des/der anderen annehmen wie es mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durch eine Stiefkindadoption möglich wäre. Diese Art von Patchwork-Familie gilt nicht einmal als Familie und genießt so auch nicht die üblichen Rechte einer solchen. Dies bringt sowohl steuerliche Nachteile für die Familien, als auch Unsicherheiten, weil der Stiefelternteil weder Rechte noch

D

Pflichten hat. Es kann sein, dass Kinder jahrelang mit ihren Stiefeltern zusammen wohnen und sie im Falle einer Trennung nie wieder sehen oder dass die Stiefeltern nach der Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft einfach verschwinden und niemandem Rechenschaft schuldig sind. Anscheinend wird in Österreich alles daran gesetzt, homosexuelle Menschen daran zu hindern, sich eine Familie zu schaffen. So ist es lesbischen Frauen sogar verboten, sich künstlich befruchten zu lassen, da dieses Recht Lebensgemeinschaften von Personen verschiedenen Geschlechts vorbehalten ist.

Weiter benachteiligt Man sieht also, dass es in Österreich für homosexuelle Paare keine Mög-

Es kann sein, dass Kinder jahrelang mit ihren Stiefeltern zusammen wohnen und sie im Falle einer Trennung nie wieder sehen oder dass die Stiefeltern nach der Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft einfach verschwinden und niemandem Rechenschaft schuldig sind. lichkeit gibt sich den Wunsch nach gemeinsamen Kindern zu erfüllen. Viele entschließen sich deshalb dazu, als Einzelperson ein Kind zu adoptieren. Dazu war es früher oft notwendig, die eigene sexuelle Neigung zu verbergen. 2008 entschied jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass ein

EU-Mitgliedsstaat, der die Adoption durch Einzelpersonen zulässt, diese unabhängig von der sexuellen Orientierung gewähren muss. Trotzdem ist diese Möglichkeit keine ideale Lösung: Als Einzelperson ein österreichisches Kind zu adoptieren ist praktisch unmöglich, da dabei Ehepaare bevorzugt werden, und auch eine Auslandsadoption kann sehr schwierig sein und lange dauern, unter anderem weil sich auch hier die abgebenden Mütter eine „vollständige Familie“ für ihr Kind wünschen. Sollte es dennoch einem homosexuellen Paar möglich sein, dass einE PartnerIn allein ein Kind adoptiert, ist diese Familie anderen Familien gegenüber stark benachteiligt, weil das Kind nur einen sorgeberechtigten Elternteil hat. Im Fall des Todes des erziehungsberechtigten Elternteils


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GESELLSCHAFT GESELLSCHAFT Was ist so undenkbar dabei, dass sich schwule und lesbische Paare und/oder Einzelpersonen zusammentun, um gemeinsam ein Kind aufzuziehen? Denn auch das ist bereits Realität.

Stiefkindadoption: Von einer Steifkindadoption spricht man dann, wenn ein Partner oder eine Partnerin bereits Kinder in die Ehe oder PartnerInnenschaft mitbringt und diese dann vom jeweils anderen Partner/der jeweils anderen Partnerin adoptiert werden.

Fremdkindadoption: Von einer Fremdkindadoption spricht man dann, wenn beide PartnerInnen nicht die leiblichen Eltern des Kindes darstellen.

würde das Kind z. B. wieder in staatliche Obhut fallen und auch sonst ist es für solche Familien schwieriger ihre Lebensverhältnisse rechtlich abzusichern. Außerdem wird im Alltag vieles erschwert, weil sich der nicht sorgeberechtigte Elternteil z. B. auch keinen Pflegeurlaub nehmen kann und sein Kind nicht einmal in der Schule abmelden darf. Durch das Ermöglichen einer gemeinsamen Adoption durch homosexuelle Paare könnten all diese Probleme beseitigt werden. Davon ist Österreich jedoch noch weit entfernt, was hauptsächlich daran liegt, dass sich FPÖ und ÖVP mit aller Kraft gegen ein solches Gesetz wehren. So sagte z. B. die Vorarlberger Landesrätin Schmid, dass es für ein Kind nicht gut sei, in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aufzuwachsen, weil ihm der Bezug zu einem Geschlecht fehle.

Aus der Praxis … Das Gegenteil beweist die Familie von Karl S.: Der in Oberösterreich lebende Schauspieler wünschte sich ein Kind mit seinem Partner Rainer B., weshalb er als Einzelperson ein Mädchen aus den Slums in Chicago adoptierte. Das Paar wohnt in einer kleinen Gemeinde am Land und ist dort wie jede andere Familie integriert, außerdem hat das Mädchen durch weibliche Bekannte und zwei Omas genügend weibliche Bezugspersonen. In Bad Leonfelden, wo die Familie lebt, stört sich niemand daran, dass das Mädchen mit zwei Vätern aufwächst, was zeigt, dass die Bereitschaft der Bevölkerung für eine Gesetzesänderung wächst. Trotzdem ist es durch die österreichische Rechtslage so, dass Rainer B. seine Tochter nicht einmal vom Kindergarten abholen darf, wenn es ihm von seinem Partner nicht ausdrücklich erlaubt worden ist.

Wie diskriminiert Deutschland? Auch in Deutschland gibt es eine eingetragene Partnerschaft, die dort „Lebenspartnerschaft“ genannt wird. Sie ähnelt grund-

sätzlich der österreichischen, beim Thema Adoption gibt es jedoch einen kleinen Unterschied. Zwar ist es homosexuellen Paaren auch in Deutschland verboten, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, dafür hat einE eingetrageneR LebenspartnerIn die Möglichkeit, die Kinder des/der anderen anzunehmen. Eine Stiefkindadoption bei vom Partner adoptierten Kindern ist trotzdem nicht möglich, da es sich dabei nur um leibliche Kinder handelt. Deshalb ändern diese Neuerungen nichts daran, dass auch Deutschland Homosexuellen gegenüber noch immer ungerecht und diskriminierend handelt. Da aber sehr viele leibliche Kinder in eine homosexuelle Lebensgemeinschaft mitgenommen werden, erleichtert es dennoch die Situation vieler Familien und ist zumindest als Schritt in die richtige Richtung zu sehen.

Wie schaut’s woanders aus? Zum Vorbild könnten sich sowohl Deutschland als auch Österreich die Niederlande nehmen. Dort können homosexuelle Paare schon seit 2001 Kinder adoptieren und auch eine Stiefkindadoption ist möglich. Diesem Beispiel folgten fünf weitere europäische Länder, unter anderen Großbritannien und sogar das tief katholische Spanien.

Weiter denken Insgesamt muss aber ein gesellschaftlicher Prozess angestoßen werden, der Familie anders definiert als Vater, Mutter, Kind. Auch heute leben schon viele Menschen nicht mehr in dieser Realität, man denke nur an die vielen kinderlosen Paare, die unzähligen Alleinerzieherinnen und die wenigen Alleinerzieher oder an Kinder, die bei ihren Großeltern, Onkeln oder Tanten groß werden. Was ist so undenkbar dabei, dass sich schwule und lesbische Paare und/oder Einzelpersonen zusammentun, um gemeinsam ein Kind aufzuziehen? Denn auch das ist bereits Realität. Es ist also höchst an der Zeit, der Diskriminierung homosexueller Lebensgemeinschaften in diesem Bereich ein Ende zu setzen, indem man sowohl Stief kind-, als auch Fremdkindadoption erlaubt und somit homosexuellen Paaren und ihren Kindern ermöglicht, mit denselben Sicherhei-

ten und Rechten zu leben wie jede andere österreichische Familie. Es ist längst überfällig, Familie weiter zu denken und den rechtlichen Raum zu schaffen, den sich die Realität schon längst erobert hat. Anastasia Hammerschmied, Martina Punz

In der PflegeelternKampagne der Stadt Wien wurden gezielt auch homosexuelle Paare angesprochen. Dies führte zu wilden Protesten von FPÖ und ÖVP.

Pflegekinder Neben der im Text erwähnten Adoption für Einzelpersonen gibt es in Österreich die Möglichkeit ein Pflegekind aufzunehmen. Die meisten Pflegekinder gibt es in Wien, diese Kinder werden aber an Paare in ganz Österreich vermittelt. Die Stadt Wien hat eigene Kampagnen gemacht, die gezielt lesbische und schwule Paare sowie Einzelpersonen dazu ermutigen sollen, Pflegekinder bei sich aufzunehmen. Zwar bestehen oft große Bedenken, dass das Kind wieder in die Ursprungsfamilie zurückkommt, dies kommt aber äußerst selten vor (im Jahr 2009 waren das 4 von 1.296 Pflegekindern). Eingetragene Partnerschaft und die wichtigsten Unterschiede zur Ehe Die Eingetragene Partnerschaft ist in Österreich seit Jänner 2010 in Kraft. Sie setzt homosexuelle Paare steuerrechtlich und im Pensionsrecht mit Ehepaaren gleich. Es ist eingetragenen PartnerInnen auch möglich, den gleichen Namen zu tragen. Dieser wird aber nicht Familienname genannt, sondern Nachname – dieser Unterschied muss anscheinend sein. Und damit nicht genug: Es besteht zwar das Recht, einen Doppelnamen zu tragen, dieser wird aber nicht – wie bei verheirateten Paaren – durch einen Bindestrich verbunden, sondern die zwei Namen stehen ohne Verbindung nebeneinander. Das mag zwar klingen wie eine Kleinigkeit, es bedeutet aber, dass jedes Schreiben des Namens bei Behörden, am Arbeitsplatz oder bei anderen Institutionen einem Outing gleichkommt. Ein weiterer gravierender Unterschied ist, dass die Eintragung nicht auf dem Standesamt erfolgt. Die Möglichkeit, gemeinsam für Kinder zu sorgen, wird bei der Eingetragenen Partnerschaft ausgeschlossen. Im ersten Jahr wurden bereits über 600 Eintragungen registriert.


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INTERVIEW INTERVIEW

m Interview wirft Peter Kreisky einen kritischen Rückblick auf das Wirken seines Vaters Bruno, beleuchtet Konflikte mit ihm, die Reformpolitik der 70er Jahre und nimmt Stellung zu außenpolitischen Entwicklungen während der Ära Kreisky, wie etwa den Vietnam-Krieg oder den Putsch in Chile. Von der SPÖ wünscht sich Kreisky eine mutigere Umverteilungspolitik statt dem bloßen Erhalten und Verwalten von Macht.

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Trotzdem: Der 100. Geburtstag deines Vaters nächstes Jahr könnte für die Sozialdemokratie Anlass sein, sich mit der Ära Kreisky – die ja nicht gerade zu ihren schlechtesten Zeiten gehört – auseinanderzusetzen. Im Moment scheint es aber so, als würde dieses „Jubiläum“ beinahe spurlos an der SPÖ vorbeigehen. Warum? Peter: Ich glaube, das ist Ausdruck dafür, dass ein Teil der SpitzenfunktionärInnen – vielleicht nicht bewusst – Angst hat, damit konfrontiert zu werden, wie man eigentlich offensiv Politik führt. Das hat auch mein Vater noch erlebt und beklagt, nicht nur aus persönlicher Eitelkeit. So wurde in den letzten Tagen seiner Lebenszeit in der AZ (Arbeiterzeitung, Anm.) rund um Sinowatz so eine Losung ausgegeben, dieser müsse sich vom übermächtigen Schatten meines Vaters lösen. Auch eine sichtbare Öffnung der SPÖ in Richtung kritischer Menschen hab ich zumindest bisher übersehen. Diese gute sozialdemokratische Tradition von einem Wechselspiel zwischen politischer Führung – eigentlich schon ein problematischer Ausdruck – und kritischer Wählerinnen- und Parteibasis kommt leider immer mehr abhanden. Trotzdem: Was ist von der Ära Kreisky deiner Meinung nach geblieben? Peter: Manche Reformen wurden zurückgenommen, viele letztlich nicht. Insgesamt ist – glaube ich – eine viel offenere Atmosphäre in unserem Land geblieben. Sonst wäre auch das Wahlergebnis für Heinz Fischer kaum erklärbar. Trotzdem: Glaubst du, dass die Sozialdemokratie auch heute noch an den Erfolgen und der Beliebtheit deines Vaters zehrt? Peter: Ja, das glaube ich schon.Wobei die Erfolge sicherlich nicht allein meinem Vater zu verdanken sind, sondern immer auch verschiedensten Strömungen innerhalb und außerhalb der Sozialdemokratie. Wobei man trotz aller Erfolge und Sozialreformen natürlich immer sagen muss, dass auch die 70er Jahre keine heile Welt waren. Mein Vater hat auch nicht

David Rautner und Boris Ginner trafen Peter Kreisky im Café Schottenring zu einem ausgiebigen Interview – und behandelten dabei eine breite Themenpalette, von der Gesamtschule bis Tschernobyl.

Interview mit Peter Kreisky

Offensiv Politik führen! Tiefe Erschütterung herrschte in der Sozialistischen Jugend nach dem Bekanntwerden des plötzlichen, tragischen Tods Peter Kreiskys am 27. Dezember. Mit seinem kompromisslosen Engagement war Peter Kreisky stets ein Verbündeter der Sozialistischen Jugend. Trotzdem interviewte Peter Kreisky knapp ein Monat vor seinem Tod anlässlich des bevorstehenden 100. Geburtstags seines Vaters Bruno Kreisky, langjähriger SPÖ-Parteivorsitzender und Bundeskanzler (1970–1983). als der sozialdemokratische Held ohne Fehl und Tadel regiert. Dies soll aber kein politisch-moralischer Vorwurf sein, sondern es waren oft sicher auch Handlungszwänge, denen er einfach unterworfen war. Trotzdem: Würdest du sagen, dass Wahlergebnisse jenseits von 50 Prozent für eine Partei auf Dauer möglich sind? Peter: Kaum, das ist auch in Skandinavien nicht möglich gewesen. Das ist wohl eher nur in Ausnahmesituationen, in denen es um fundamentale Erneuerungs- und Modernisierungsbedürfnisse geht, möglich. Diese Bögen sind dauerhaft so nicht zu hal-

Zwentendorf war sicher ein harter Konflikt, vielleicht der härteste. Wobei mein Vater in den letzen Jahren seines Lebens schon zu einem prinzipiellen Gegner der Atomenergie wurde. ten, das Ausmaß der Schrumpfung in den letzen Jahren wäre aber schon vermeidbar gewesen. Trotzdem: Als Nixon 1972 nach Österreich reiste, wäre seine Ankunft beinahe von einer Demonstration hunderter VietnamkriegsgegnerInnen verhindert worden – darunter auch

du. Als Nixon deinen Vater begrüßte und nach dem Befinden der Familie fragte, soll dieser angeblich gesagt haben: „Danke, gut. Mein Sohn ist da drüben“ und auf die Demo gezeigt haben. Stimmt das? Peter: Ich weiß das auch nicht. Ich war ja hinter dem Zaun. (lacht) Wir waren damals jedenfalls für das erst neu gegründete sozialdemokratische Indo-China-Komitee dabei, weil wir zeigen wollten, dass es eine wachsende Anzahl von Menschen gibt, die mit der Schweige- oder Komplizen-Politik der SPÖ bzw. der Parteiführung nicht einverstanden sind. Trotzdem: Hat dir dein politisches


INTERVIEW INTERVIEW

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Trotzdem: Ihm wurde oft ein autoritärer Führungsstil nachgesagt. Wie hast du das erlebt?

Österreichs längst dienender Bundeskanzler Bruno Kreisky erlangte 1970 erstmals in der zweiten Republik die Mehrheit für die SPÖ. Nach einem Jahr Minderheitsregierung regierte er bis 1983 mit absoluter Mehrheit – und setzte mit PolitikerInnen wie Johanna Dohnal und Hertha Firnberg ein umfassendes Modernisierungs- und Reformprogramm um.

Engagement auch Konflikte mit deinem Vater eingebracht und wie seid ihr damit umgegangen? Peter: Dabei ist es meistens um Bürgerinitiativen rund um die Verkehrs- und Umweltpolitik in Wien gegangen, die ich stark unterstützt habe. Zum Beispiel um die Verbauung der SteinhofGründe, ein großes Wald- und Wiesengebiet in Wien. Dabei wären 60 Mitglieder der SPÖ Wien, darunter auch ich, fast aus der Partei ausgeschlossen worden. Da war er schon ziemlich empört, würde ich meinen. Auch weil er glaubte, wir tun dies nur für uns selbst, da wir damals nur unweit davon gelebt haben. Das war aber nicht so, ich sah darin ein wichtiges Naherholungsgebiet für den gesamten Westen Wiens … Zwentendorf war sicher ein harter Konflikt, vielleicht der härteste. Wobei mein Vater in den letzen Jahren seines Lebens schon zu einem prinzipiellen Gegner der Atomenergie wurde. Sicher auch angesichts der Katastrophe in Tschernobyl, aber auch weil er sich immer mehr mit der Anti-AtomkraftBewegung auseinandergesetzt hat. Wobei eben nicht mehr als Bundeskanzler, das machte es sicher auch leichter für ihn. Trotzdem: Wie würdest du deinen Vater als Familienmensch und Privatmann charakterisieren? Peter: Er hat nicht wirklich eine Trennung zwischen Privatem und Politischem gemacht. Erstens war das durch seine Arbeit bedingt, da er in seiner Freizeit viel gearbeitet und Gespräche geführt hat. Den späteren Slogan „Das Private ist politisch und das Politische privat“, hat er eigentlich seit seiner Jugend mehr oder weniger gelebt.

Einer seiner Sätze war ja immer, dass er das bloße Machterhalten und -verwalten nicht als Aufgabe sozialdemokratischer Politik sieht. Und das wäre ihm sicher zuviel passiert in den letzen Jahrzehnten.

Peter: Er hat sicher autoritäre Anwandlungen gehabt, wie seinen Hang zum Monologisieren. Aber wenn jemand selbstbewusst genug war und auch ein bisschen Zivilcourage gehabt und riskiert hat, hat ihm das gefallen und wurde von ihm auch sehr geschätzt. Er mochte, wenn ihm die Leute widersprachen. Oft war er anfangs skeptisch gegenüber neuen Ideen, hat sich dann aber auch überzeugen lassen. Trotzdem: In der Bildungspolitik ist in der Ära Kreisky zwar viel passiert. Dennoch wurde das Schulsystem an sich nicht geändert, sondern die frühe Trennung in Hauptschule und AHS beibehalten. Warum? Peter: Es gab ja schon damals Schulversuche und den Wunsch nach einer Ganztags- und Gesamtschule von Seiten der SPÖ. Da zur Beschließung einiger Teile im Schulgesetz aber eine Zweidrittelmehrheit nötig war, waren der SPÖ leider auch damals schon die Hände gebunden. Zudem gab es auch innerhalb der Partei mehr GegnerInnen der Gesamtschule als das heute der Fall ist. Trotzdem: Der Militärputsch in Chile 1973 ist in die Amtszeit Bruno Kreiskys gefallen. Welche Rolle hat er da gespielt bzw. wie ist er dazu gestanden? Peter: Er hat zuerst wegen der Zusammenarbeit der SozialistInnen mit der sehr Moskauorientierten chilenischen KP leider mit dem Satz „Wer sich mit Hunden ins Bett legt, darf sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht“ reagiert – den ich und andere ihm dann sehr vorgeworfen haben. Vielleicht ist diese Aussage auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die europäische Sozialdemokratie realpolitisch sehr abhängig von den USA war, zu sehen. Vielleicht aber auch angesichts persönlicher Erfahrungen mit dem Stalinismus. Er hat das dann aber durch große Solidarität mit den SandinistInnen in Nicaragua und einer sehr aktiven Flüchtlingspolitik für Chile und Südamerika in gewisser Weise wieder gutgemacht. Trotzdem: Was, glaubst du, würde dein Vater zum jetzigen Zustand der SPÖ sagen?

Peter: Einer seiner Sätze war ja immer, dass er das bloße Machterhalten und -verwalten nicht als Aufgabe sozialdemokratischer Politik sieht. Und das wäre ihm sicher zuviel passiert in den letzen Jahrzehnten. Das andere wäre sicherlich das Abhandenkommen von Mobilisierungsfähigkeit und Aktivierung der Basis. Er hat immer die Beteiligung der aktiven Mitglieder und SympathisantInnen als sehr wichtig empfunden. Da hat es zwar schon immer Schwächen gegeben – schon Ende der Fünfzigerjahre soweit ich mich zurückerinnern kann – aber das hat sich in den letzen Jahren sicher nicht verbessert. Mein Vater hat auch immer gewarnt vor einem unkontrollierten Kapitalismus – sicher nicht zu Unrecht wie sich jetzt gerade wieder zeigt. Ich persönlich würde mir von der SPÖ jedenfalls eine mutigere Umverteilungspolitik wünschen. Nicht dass man alles umsetzen könnte, aber die Parteiführung sollte schon etwas ambitionierter versuchen den politischen Diskurs zu bestimmen, das nächste Thema vorzugeben – wie das eben unter meinem Vater als Parteivorsitzenden und Bundeskanzler geschehen ist. Das Interview führte David Rautner

Peter Kreisky engagierte sich früh selbst in der sozialistischen Bewegung – bereits 1959 als Aktivist im Verband Sozialistischer Mittelschüler (VSM), später im VSStÖ Wien, zu dessen Vorsitzenden er 1965 gewählt wurde. In den 1970er und 80er Jahren fiel Kreisky durch sein aktives Engagement in Basis- und Bürgerinitiativen auf, sowie als Organisator mehrerer Demonstrationen, z. B. gegen den Vietnam-Krieg, das AKW Zwentendorf oder den späteren Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Der an der Uni Wien promovierte Jurist arbeitete seit 1973 in der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK Wien.


FRAUEN FRAUEN

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Seit 100 Jahren kommt es am 8. März zu wütenden Protesten emanzipierter Frauen, die nicht länger zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden wollen!

100 Jahre Frauentag

Happy Birthday, 8. März! Alles Gute, kämpferischer Frauentag! Seit 100 Jahren ist der Frauenkampftag – 8. März – in Österreich nun schon ein Symbol für weltweiten Widerstand von Frauen, die tagtäglich aufs Neue für Menschenrechte, Anerkennung und Gleichstellung kämpfen müssen. Er ist damit gleichzeitig auch ein Symbol für ein System, in dem wenige viel besitzen, das auf Unterdrückung basiert – besonders auf der Unterdrückung von Frauen. 19. März 1911, Wien: Auf der Wiener Ringstraße demonstrieren knapp 20.000 Menschen – mehrheitlich Frauen – für die Rechte von Frauen. Ihre Anliegen: das allgemeine Frauenwahlrecht, Arbeitsschutzgesetze, Mutter- und Kinderschutz, der 8-Stunden-Tag, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Senkung der Lebensmittelpreise, Einführung einer Sozialversicherung und die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs. Gleichzeitig setzen die marschierenden ArbeiterInnen ein Zeichen gegen den 1. Weltkrieg, der quasi vor der Tür steht. Viele ihrer Forderungen von damals sind heute Gesetz. Mutterschutz und

8-Stunden-Tag, Frauenwahlrecht und Sozialversicherung sind, dank der zahlreichen Kämpferinnen des letzten Jahrhunderts, Realität. Tatsächliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Gesellschaft wurde aber ganz offensichtlich noch nicht erreicht – viele der Forderungen, die Frauen schon vor hundert Jahren aufgestellt haben, sind 2011 noch weit von ihrer Realisierung entfernt. Zeit für eine Demonstration für Frauenrechte!

SozialistInnen kämpfen für Frauenrechte! Die ArbeiterInnen, die 1911 auf die Straße gingen, setzten ein Zeichen.

„Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der Besitzenden, und ihrer willfährigen Dienerschaft, der Regierung, ist. “ Clara Zetkin, 1911

Nachdem das Wahlrecht für Männer „schon“ Tatsache war, kämpften (mehrheitlich) Sozialistinnen nun um das allgemeine Wahlrecht, das auch für Frauen gelten sollte. Bei der Demonstration waren in erster Linie Arbeiterinnen dabei: nach Sternmärschen durch die ganze Stadt trafen sie sich am Ring beim Stadtpark in Wien um gemeinsam am Parlament vorbei bis zum Wiener Rathaus zu marschieren. Einen Aufmarsch für Frauenrechte dieser Größe hat es davor noch nie gegeben. Plötzlich waren arbeitende Frauen sichtbar, an ihren Forderungen sind die Herrschenden nicht vorbei gekommen. Anlässlich der aktuellen


FRAUEN FRAUEN

Die deutsche Marxistin Clara Zetkin (1857–1933) setzte sich 1910 mit ihrer Forderung nach einem Internationalen Frauentag bei der II. Frauenkonferenz der Sozialistischen Internationalen in Kopenhagen durch. Der Kampftag sollte in erster Linie für das Frauenwahlrecht genutzt werden.

Diskussionen rund um Frauenpolitiken in Österreich, muss eine solche Situation wieder geschaffen werden.

Konservative Standpunkte widerlegen! Damalige Forderungen wurden umgesetzt, neue – an die Zeit und ihre Politik angepasste – sind dazu gekommen, andere wurden verworfen. Tatsache ist, dass Frauen- und Familienpolitiken, die ja leider in erster Linie Frauen betreffen, wieder immer rückschrittlicher diskutiert werden. Fortschrittliche, linke, feministische Standpunkte werden von der Öffentlichkeit auch 2011 genauso ungern wahrgenommen wie schon Jahrzehnte davor. Konservative Meinungen hingegen finden ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft. Dafür gibt es viele Beispiele. Sei es die aktuelle Debatte rund Pränataldiagnostik. Ministerin Bandion-Ortner möchte einen Gesetzesentwurf durchsetzen, der besagt, dass ÄrztInnen, die in ihrer pränatalen Diagnostik falsch liegen, nicht mehr haften. Argumente: Kinder, die mit einer Behinderung zur Welt kommen, dürfen nicht als Schaden empfunden werden. Dass solche Punkte für die GegnerInnen der Novelle nicht an erster Stelle stehen, sondern es einzig und allein um das Selbst-

bestimmungsrecht von Frauen geht, wird ignoriert und um dem ganzen noch eines drauf zu setzen, wird auch der frauenverachtenden Organisation „AktionLeben“ Platz einberaumt, mit ÄrztInnen und Betroffenen allerdings nicht gesprochen. Claudia Bandion-Ortner, vermeintlich unabhängige Justizministerin, die mit einem Ticket der ÖVP in der Regierung mitmischen darf, setzt sich auch für die automatische gemeinsame Obsorge nach Scheidungen/Trennungen ein. Feministinnen, Linke, SozialdemokratInnen sind dagegen. Nicht, weil sie nicht wollen, dass Väter sich um ihre Kinder kümmern, sondern weil Errungenschaften der Frauenbewegungen nicht einfach zunichte gemacht werden dürfen. Die alleinige Obsorge der Mutter für ihre Kinder bedeutet nicht, dass Väter ihre Kinder nicht sehen dürfen, sie heißt einzig, dass die Menschen, die den größten Teil der Versorgungsarbeit übernehmen, auch eigenständig Entscheidungen zum Wohl des Kindes treffen können. Für dieses Recht haben SozialistInnen jahrelang gekämpft. In Salzburg musste erst kürzlich ein Frauenhaus geschlossen werden. Die zuständige Landeshauptfrau musste einsparen und meinte, dass es für Frauen die im Salzkammergut leben, kein Problem darstellen würde, ob sie nun in die Stadt fahren müssten oder nicht. Expertinnen sehen das anders: Schon seit Jahrzehnten ist klar, dass Frauenhäuser immer überbelegt sind und es für Betroffene von Gewalt wichtig ist, dass ihr Leben halbwegs normal weiterlaufen kann – ein Umzug vom Land in eine Stadt stellt eine schwerwiegende Veränderung der Lebensumstände dar. Neben diesen drei aktuellen Beispielen, gibt es noch eine Vielzahl an Punkten, die dringend umgesetzt werden müssen – für Frauen und damit die Gesellschaft in der wir leben. Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen liegt knapp bei einem Drittel, Österreich ist im EU-Vergleich an vorletzter Stelle. Schwangerschaftsabbrüche sind immer noch nicht völlig straffrei, der Aufenthaltsstatus von Frauen ist an ihre Männer gekoppelt, Gewalt gegen Frauen ist ein reales Problem, dass nicht verschwiegen werden darf. In Medien werden Frauen auf erniedrigende Weise dargestellt, Frauen in Spitzenfunkti-

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onen – egal in welcher Institution – müssen wir lange suchen. Diese Liste ließe sich noch lange, lange fortsetzen.

Laut sein! Viele sein! 20.000 sein! Es ist Zeit für sichtbare Frauenpolitik, an der sich viele beteiligen. Wütende, selbstbestimmte Frauen und Männer, die ein unterdrückendes System nicht mehr wollen. Verändern wir gemeinsam die HERRschenden Diskussionen, die die Lebensrealitäten der Hälfte der Bevölkerung maßgeblich bestimmen und setzen wir ein Zeichen für eine andere Gesellschaft, in der die Unterdrückung von Frauen Vergangenheit ist. Am 19. März 2011 um 14 Uhr am Schwarzenbergplatz bei der großen Demonstration für Frauenrechte! www.zwanzigtausendfrauen.at

Während die aktuelle Justizministerin Bandion-Ortner bei den kriminellen Machenschaften der Grassers, Meinls und MensdorffPouillys mit Untätigkeit glänzt, zeigt sie großes Engagement bei rechtlicher Schlechterstellung von Frauen.

Laura Schoch

HERstory Über die Wahl des 8. März als Datum für den jährlichen Frauenkampftag gibt es verschiedene Erklärungen, die sich zeitlich unterscheiden. Ein Überblick. Die früheste Erwähnung eines Ereignisses, das die Entstehung dieses Tages begründen könnte, liegt etwas mehr als 150 Jahre zurück und wird an einem Streik New Yorker Textilarbeiterinnen festgemacht. Sie sind am 8. März 1858 auf die Straße gegangen um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren, der Widerstand wurde blutig niedergeschlagen. 1907 gedachten angeblich New Yorker Sozialistinnen den Opfern dieses Arbeitskampfes. Anderen Quellen zufolge wurde der Tag gewählt, um 149 Arbeiterinnen zu gedenken, die am 8. März 1908 gemeinsam in einen Streik getreten sind. Um eine Solidarisierung von anderen ArbeiterInnen und der Gewerkschaft zu verhindern, wurden die Frauen in der Fabrik eingesperrt. Aus unerklärlichen Gründen brach in jener Textilfabrik ein Brand aus, nur wenige der Frauen konnten sich retten. Die Wurzel des 8. März liegt offensichtlich in der Tradition der ArbeiterInnenbewegung. Schon 1909 hielten nordamerikanische Feministinnen einen nationalen Frauentag ab um auf das Frauenwahlrecht zu pochen und für den Sozialismus zu werben. Der erste Frauentag im eigentlichen Sinn fand ein Jahr danach am 19. März 1911 in Europa statt, er sollte an die Märzgefallenen der Revolution 1848 erinnern. Dass sich der 8. März dann durchgesetzt hat, ist unmittelbar mit der Russischen Revolution 1917 verknüpft: Arbeiterinnen forderten „Brot und Frieden“, ihr Streik war der Auslöser der russischen „Februarrevolution“. Nach dem heute gültigen Gregorianischen Kalender war es der 8. März, in damaliger Zeitrechnung der 23. Februar 1917.


KALENDER KALENDER Bundesweite Tour

„Mei Lehr is ned deppat!“ – so lautet der Leitspruch der SJ-Lehrlingskampagne. Ziel der Kampagne ist es, Lehrlinge zu organisieren und in die SJ zu holen, aber auch auf die bestehenden Missstände im Lehrlingsbereich hinzuweisen. Die Lehrlingskampagne thematisiert die niedrige Lehrlingsentschädigung, hohe Internats- und Fahrtkosten, mittelalterliche Vorschriften in Berufsschulen und Lehrlingsinternaten, sowie Qualitätsmängel in der Lehrausbildung. Das rege Interesse seitens der Jugendlichen und die panische Reaktion mancher Verantwortlicher zeigt: Die Kampagne ist der volle Erfolg und sollte weiter fortgesetzt werden.

Nachdem immer noch jede 5. Frau in Österreich mit Gewalt konfrontiert ist, bleibt der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen ein Fixpunkt im SJ-Jahr. Die SJ wies mit mehreren Aktion im gesamten Bundesgebiet darauf hin, dass Frauen von verschiedenen Formen der Gewalt betroffen sind: Ökonomische, physische und psychische. Unter dem Motto „Gewalt gegen Frauen kommt mir nicht in die Tüte“ wurden eigens (Frühstücks-)Tüten hergestellt, die unters Volk gebracht wurden.

Der TeilnehmerInnenrekord mit 300 Jugendlichen und die blendende Stimmung machten die Bildungswerkstatt (BiWe) der SJÖ, die wie immer im Jugendgästehaus Cap Wörth (Velden/Wörthersee) über die Bühne ging, zum Highlight des Jahres. In verschiedenen Workshops konnten sich die AktivistInnen zu Themen wie SchülerInnen- und Ortsgruppenarbeit, Aktionismus, sozialistische Strategien, Klimawandel, Wirtschaftskrise, Feminismus oder Antifaschismus weiterbilden. Als besonderes Schmankerl gab es heuer eine eigene Biwe-Halloween-Party, sowie eine spannende Diskussion mit SP-Landesparteivorsitzendem Peter Kaiser und das legendäre ArbeiterInnenliedersingen mit unserem SJ-Troubadix Gigs Buchinger.

Demos

Kein Sparen bei Kindern, Jugend und Familie

Aktion

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen!

SJ Burgenland

Landeskonferenz Seit Ende November verfügt die SJ Burgenland über ein neues Führungsteam: Kilian Brandstätter wurde mit überwältigender Mehrheit zum neuen Landesvorsitzenden gewählt, als Sekretär zur Seite steht ihm Martin Giefing.

28.11.2010

Bildungswerkstatt

27.11.2010

Seminar

Anlässlich des Sparpakets zulasten der Jugendlichen und Familien, das die Bundesregierung geschnürt hat, gab es eine ganze Reihe an Protestkundgebungen und Demonstrationen. Die Sozialistische Jugend war als federführende Kraft bei Organisation und Bewerbung der Protestmaßnahmen integriert und mit unzähligen Mitgliedern, sowie unserer Forderung nach Vermögenssteuern präsent.

25.11.2010

WAS WAR WAS WAR

Lehrlingskampagne 2010

SJ Wien

Landeskonferenz Auch das Führungsteam der SJ Wien wurde bei der Landeskonferenz bestätigt: Landesvorsitzender bleibt weiterhin Stefan Jagsch, als Landessekretär fungiert wie bisher Fabian Looman.

4. – 5.12.2010

27.11.2010

30.10. – 2.11.2010

Mitte Oktober – Ende November 2010

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Bundeskonferenz

Verbandstag 2010 Das höchste Gremium der SJ, der Verbandstag, tagte heuer erstmals in der NÖ Landeshauptstadt St. Pölten. Schauplatz der SJ-Konferenz war die Fachhochschule. Vorsitzender Wolfgang Moitzi wurde nicht nur mit einer Zustimmung von über 92 Prozent in seinem Amt bestätigt, auch zahlreiche neue Gesichter wurden in den Verbandsvorstand gewählt. Nach einer hitzigen Diskussion mit SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann standen die übrigen Arbeits- und Tagungsstunden im Zeichen der Antragsdebatte.


18. – 20.2.2011

WAS KOMMT WAS KOMMT

25. – 31.7.2011

KALENDER KALENDER

Seminar

FEMSEM

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Summercamp

IUSY Festival „Wir wissen wo wir herkommen, wir wissen wohin wir gehen!“ Unter diesem Motto steht das kommende IUSY Festival (Internatonal Union of Socialist Youth), das seit über 35 Jahren wieder einmal in Österreich veranstaltet wird. Mit 2.000 anderen Jugendlichen aus der ganzen Welt verbringst du im Europacamp in Weißenbach/Attersee eine spannende Woche voller spannender Podiumsdiskussionen, Workshops, Ausflüge und kannst viele neue internationale Kontakte knüpfen. Natürlich wird auch für ein abwechslungsreiches Abendprogramm mit Lifebands, DJs und Djanes und jeder Menge Spaß geboten. Also gleich den Termin freihalten und eine Woche Sommer, Sonne, Sozialismus erleben. Wann? 25.– 31.7.2011 Wo? Europacamp, Weißenbach am Attersee TeilnehmerInnenbeitrag Ermäßigt: 130 € (Anmeldung bis 1. Mai) Normal: 150 € (Anmeldung ab 1. Mai) Wochenendtarif möglich (näheres in Kürze auf www.sjoe.at)

Workshops.Filme.Diskussion.Party.Frauenpolitik. Mädchen und junge Frauen aus ganz Österreich treffen sich ein Wochenende lang um sich auszutauschen, zu vernetzen und gemeinsam auf neuen Wegen Wissen zu sammeln. Filmabende, Spiele, Spaß und Discoparty machen das feministische Seminar der SJÖ (FEMSEM), das wie jedes Jahr kurz vor dem Weltfrauentag abgehalten wird, alles andere als langweilig und verkürzen die Nächte! Die Workshops: Frauen Körper, Fight Racism!, Girls are strong!, Feminist Tube!, Fight Sexism!

Seminar

Wintersportfest

Volksbegehren

RAUS aus EURATOM Das Volksbegehren „RAUS aus EURATOM“ hat das Ziel, eine Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM zu erreichen. EURATOM fördert seit 50 Jahren mit Milliardenkrediten die Atomindustrie – Österreich ist dabei zahlendes Mitglied ohne Einfluss. Wie bei der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf sollen die ÖsterreicherInnen ein für die Politik verbindliches Votum abgeben können. Wann? Eintragungswoche ist von 28. Februar bis 07. März 2011. Wo? In allen Gemeindeämtern/Magistraten.

Im März wird wieder Mariazell unsicher gemacht: Das legendäre Wintersportfest (WSF) der SJ steht vor der Tür. Über 300 Jugendliche aus allen möglichen Teilen Österreichs treffen Mitte März zu einem unvergesslichen Wochenende zusammen. Das WSF bietet kreative und inhaltliche Workshops, allerlei sportliche Angebote und Freizeitaktivitäten, große Parties und damit die beste Gelegenheit, um sich kennen zu lernen und abzufeiern. n: lde t me .a an jnoe ich w.s le w G w

Wann? 18.– 20. März 2011 Wo? Jugendgästehaus Sigmundsberg bei Mariazell (Steiermark) TeilnehmerInnenbeitrag ErsteinzahlerInnen: 20 €, Lehrlinge: 25 €, SJ-Mitglieder: 38 €, Nichtmitglieder: 55 €

4. – 6.2.2011

18. – 20.3.2011

TeilnehmerInnenbeitrag SJ-Mitglieder: 10 €, Nichtmitglieder: 25 € Anreise: Nähere Infos über Anreisemöglichkeiten aus deinem Bundesland erhältst du nach der Anmeldung. Weitere Infos: www.sjoe.at/frauen

28.2. – 7.3.2011

Wann? 18.– 20. Februar 2011 Wo? Jugendgästehaus Bruck/Mur (Steiermark)

Seminar

Feministische Theorien Auf dem feministischen Seminar der SJ-Wien wollen wir uns in Workshops über grundsätzliche Fragen feministischer Theorie und Praxis sowie unterschiedliche feministische Zugänge und Strategien unterhalten und auch mit einer Expertin über aktuelle Frauenpolitiken in Österreich diskutieren. Wann? 4.– 6. Februar 2011 Wo? Jugendgästehaus Bruck/Mur (Steiermark) TeilnehmerInnenbeitrag ErsteinzahlerInnen: kostenlos, SJ-Mitglieder: 25 €


Bei Finanzproblemen ist die Schuldnerberatung für dich da – in ganz Niederösterreich, vertraulich und kostenlos! Finanzielle Probleme sind keine Schande. Viele sind das eine oder andere Mal mit nötigen Investitionen, offenen Rechnungen und Mahnungen überfordert. Die Hauptgründe für Überschuldung sind seit Jahren dieselben: Arbeitslosigkeit und das damit verbundene gesunkene Einkommen, gescheiterte Selbständigkeit, Wohnraumschaffung und Scheidung bzw. Trennung. Wichtig ist dann rasch professionelle Beratung aufzusuchen. Mit dem flächendeckenden Ausbau der Schuldnerberatung in Niederösterreich und regelmäßigen Sprechstunden in allen Bezirken geht das nun noch einfacher.

Die Forderung von NÖ Soziallandesrätin Mag.a Karin Scheele nach einer flächendeckenden Schuldnerberatung in Niederösterreich konnte umgesetzt werden. Beratungen und Interventionen werden nun in allen politischen Bezirken angeboten. Das Team der Schuldnerberatung Niederösterreich umfasst 24 BeraterInnen verteilt auf die fünf Regionalgeschäftsstellen in St. Pölten, Wr. Neustadt, Hollabrunn, Zwettl und Amstetten. Bei der verpflichtenden telefonischen Voranmeldung in einer dieser Geschäftsstellen erfährst du Zeit und Ort der Sprechstunde in deinem Bezirk: Zentrale Geschäftsstelle in St. Pölten: GS Waldviertel in Zwettl: GS Mostviertel in Amstetten: GS Weinviertel in Hollabrunn: GS Industrieviertel in Wr. Neustadt:

02742 / 355420 02822 / 57036 07472 / 67138 02952 / 20431 02622 / 84855

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Trotzdem 1/2011 – Die Zeitung der Sozialistischen Jugend Verlagspostamt: 1050 Wien – Aufgabepostamt: 3432 Tulln P.b.b. Zulassungsnummer: GZ 02Z032957 S

ICH WILL mich zur FEMSEM anmelden. nähere Infos über die SJ. bei euch mitmachen – kontaktiert mich! Materialien zur Kampagne „Reiche müssen zahlen“. Materialien zur Kampagne „Mei Lehr is ned deppat!“.

An die Sozialistische Jugend Österreich Amtshausgasse 4 1050 Wien


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