DI E ZEI T U NG DER SOZ I A L IST ISCH E N J UGE N D ÖST ER R EICH.
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Ausgabe 2/11 Juli 2011 www.sjoe.at
„Rettet die Eisbären!“ & „Wie wir Zwentendorf verhinderten!“ Was Naturkatastrophen mit sozialem Elend zu tun haben und wie es die Sozialistische Jugend in den späten 1970er Jahren erfolgreich schaffte, Stimmung gegen das AKW Zwentendorf zu machen. seite 14
Real democracy, not capitalism! GenossInnen aus Mexiko und Neuseeland zu internationalen Herausforderungen der sozialistischen Jugendbewegung anlässlich des bevorstehenden IUSY World Festivals. seite 18
„Aus der Finanzkrise wurde sehr wenig gelernt!“
Überall wird eifrig gespart, privatisiert und gekürzt. Angesichts des Wiedererstarkens neoliberaler Politikkonzepte ein Interview mit dem Ökonomen Markus Marterbauer, sowie ein Widerlegen der Mythen und Lügenmärchen rundum die Griechenland-Krise. seite 4
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INHALT INHALT
Die Krise ist noch lange nicht vorbei Dass wir in einem Wirtschaftssystem leben, in dem die Profitinteressen einer reichen Minderheit mehr zählen als die Bedürfnisse der Menschen und der Umwelt, ist ja keine Neuigkeit. Dass die neoliberale Umgestaltung der Wirtschaftspolitik auf globaler Ebene Narrenfreiheit für das mobile Kapital und seine EigentümerInnen ermöglichte, „freien Handel“ und damit Masseninsolvenzen zigtausender Kleinunternehmen bedeutete und zum Diktat der Finanzmärkte über die Realwirtschaft führte, ist auch einleuchtend. Ergebnis ist eine gewaltige Umverteilung von unten nach oben und zunehmender Druck auf die Rechte und Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen.
Die jüngste Weltwirtschaftskrise hätte eigentlich jeglichen neoliberalen Dogmen ein für alle Mal den Wind aus den Segeln nehmen müssen. Gekommen ist es anders rum: Sparpolitik, Kürzungen, „Downsizen“ der sozialen Sicherungssysteme, Schuldenproblematik, Arbeitslosigkeit und Lohnverluste für die breite Masse der Bevölkerung. Den Gürtel enger schnallen müssen nicht die Banken, Superreichen und Großkonzerne, sondern die Masse der Lohnabhängigen. Schon längst geht es wieder weiter mit Spekulationen und der neoliberalen Privatisierungswut. In einem weltumspannenden System von wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Sachzwängen, denen
sich alle unterzuordnen haben und wodurch Demokratie zu einer leeren Hülle geworden ist, hilft nur eines: Lauter Widerstand. Und zwar auch gegen die Lügenmärchen, die uns von Medien und Politik derzeit wieder aufgetischt werden. Die Coverstory dieser Ausgabe ist daher der Widerlegung neoliberaler Mythen gewidmet. Solidarität mit Griechenland! Widerstand gegen Kapitalismus und Ausbeutung! Internationale Solidarität statt Sündenbockpolitik!
Die Trotzdem-Redaktion
Inhalt Editorial 3 Vorwort von Wolfgang Moitzi: Wir wissen, wohin wir gehen!
Coverstory 4 – 6 Finanzkrise:„Aus der Finanzkrise wurde sehr 7–8
Schwerpunkt 14-15 Ökologie: Rettet die Eisbären 16-17 Atom: „Wie wir Zwentendorf verhinderten“ Internationales
wenig gelernt“
18-19 ECOSY/IUSY: Real democracy, not capitalism!
Griechenland-Krise:Lügen, Märchen, Mythen
20-21 Peru: Ein Hinterhof weniger?
Innenpolitik 9 Austria Tabak: Nach 10 Jahren ausgeraucht 10 Kleines Glücksspiel: Game over! oder doch rechtlos und unterdrückt?
Pro / Contra 11 Bundesländer beibehalten? Musik / Film / Buch 12 Buch:
Drogenkrieg ohne/mit Ausweg? – Peter Michael Lingens; Film: Black Brown White – Erwin Wagenhofer; Musik: Jukebox Gypsy – The Month
Satire 13 GRASSER 2.0: Zu jung?
22 Arabischer Raum: Arabisches Frühlingser-
IMPRESSUM Trotzdem 2/2011: Verlagspostamt: 1050 Wien Aufgabepostamt: 3432 Tulln Zulassungsnummer: GZ 02Z032957 S Herausgeberin: Sozialistische Jugend Österreich (SJÖ), Amtshausgasse 4, 1050 Wien Tel.: 01/523 41 23, Fax: 01/523 41 23-85, Mail: office@sjoe.at, Web: www.sjoe.at DVR: 0457582, ZVR: 130093029 Medieninhaberin: Trotzdem VerlagsgesmbH, Amtshausgasse 4, 1050 Wien. Geschäftsführer: Max Wallner, Eigentümerin: SJÖ (100%), Tel.: 01/526 71 12, Fax: 01/526 71 12-85, Mail: office@trotzdem.at Grundlegende Richtung: Das Trotzdem versteht sich als Medium zur Information von Mitgliedern, FunktionärInnen und SympathisantInnen der SJÖ. Das Trotzdem informiert über aktuelle politische Debatten und thematisiert jugend-relevante Ereignisse. Chefredaktion: Boris Ginner, Wolfgang Moitzi
wachen?
23 Libyen: Gewalt verhindern, nicht vermehren! Geschichte 24 – 25 Spanien: Auf holprigen Straßen durch das 20. Jahrhundert
Frauen 26 – 27 Frauen-WM: Der Ball ist rund Gesellschaft 28 – 29 ZARA-Bericht: Rassismus grenzt aus – Zivilcourage verbindet!
Kalender 30 – 31 Was war – Was kommt:
MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Sandra Breiteneder, Mirza Buljubasic, Lisa Butzenlechner, Marion Draxler, Markus Gartner, Anastasia Hammerschmied, Sybilla Kastner, Stefan Minarik, Kathrin Niedermoser, Martin Oppenauer, Alois Reisenbichler, Laura Schoch, Lukas Schreyer, Sebastian Schublach, Leonie-Maria Tanczer, Max Wallner, Max Zirkowitsch Produktion: NGL-Mediamondial, 3151 St. Georgen Art Direktion, Grafik und Layout: Peter Rüpschl, peru@wibs.at Bernhard Grießler Coverfoto: IUSY Festival 2009, Zánka
Februar 2011 - Oktober 2011 Powered by: BMWFJ, gem. § 7 Abs. 2 B-JFG
EDITORIAL EDITORIAL
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Vorwort von Wolfgang Moitzi
Wir wissen, wohin wir gehen! Das IUSY World Festival 2011 markiert den vorläufigen Höhepunkt der immer wichtiger werdenden internationalen Arbeit in der Sozialistischen Jugend. Der Orientierungslosigkeit und Gelähmtheit der Sozialdemokratie in Zeiten der Finanz- und Eurokrise setzen wir internationale Solidarität und vereinten Kampf gegen Neoliberalismus und Kapitalismus entgegen! Schon in den vergangenen 3 Jahren verankerten wir die internationalistischen Grundausrichtung der Sozialistischen Jugend auch in der Gestaltung unserer Seminare. Die Beteiligung von SJ-Delegationen benachbarter Länder am jährlichen Antifaschismus-Seminar und an der Bildungswerkstatt, aber auch die Erringung der Vizepräsidentschaft in der ECOSY und in der IUSY zeigen, dass wir als SJ Österreich über den eigenen Tellerrand hinausblicken und der Internationalismus nicht nur eine leere Floskel bleibt. Verstärken müssen wir noch die Einbettung internationaler Aktivitäten und Themen in die „normale“ Ortsgruppenarbeit. Denn in einer internationalisierten, globalisierten Welt sind Problemlösungen oft nur noch auf globaler Ebene zu finden. Wenn sich das Kapital international organisiert, müssen dies auch die Jugendlichen und Lohnabhängigen tun! Die aktuelle Euro-Krise zeigt doch, in welcher unerträglichen Gelähmtheit die Sozialdemokratie steckt. Da lassen sich die letzten paar verbliebenen sozialdemokratischen Regierungschefs im Süden Europas von IWF und EU dazu drängen, neoliberale Politik zu betreiben, den Sozialstaat zu zerschlagen und die Armut zu erhöhen. Sozialistische PolitikerInnen dürfen niemals als HandlangerInnen des Kapitals agieren! Sachzwänge und von oben verordnete Sparpolitik drängen den Einfluss der Politik zurück, und das schon seit Jahrzehnten. Privatisierungen und Kürzungen erscheinen auch in unserer Medienlandschaft und im politischen Diskurs als „unvermeidlich“ und als logischer Teil einer Krisenbewältigung. Dieser neue geschickte Schachzug der Neoliberalen mündet in explodierende Jugendarbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven und Einsparungen auf dem Rücken der Lohnabhängigen. Das IUSY World Festival bietet die
optimale Gelegenheit, um ein kräftiges Zeichen gegen diese zukunftsund jugendfeindliche Politik zu setzen. Dieses Festival wird daher eine politische Veranstaltung, bei der eine unmissverständliche Botschaft gegen die Abwälzung der Kosten der Krise auf uns Jugendliche vermittelt wird. Die Lösung aus unserer Sicht: Tax the Rich! Auch diese politische Message wird elementarer Bestandteil des IUSY-Festivals sein. Lasst uns auf einem tollen, politischen IUSY World Festival ein starkes Zeichen gegen neoliberale Sparpolitik, Jugendarbeitslosigkeit und für höhere Vermögenssteuern, sowie eine Abkehr vom Wirtschaftsmodell des Kapitalismus setzen. Denn in einem von den Profitinteressen einer Minderheit dirigierten Wirtschaftssys-
tem werden die Bedürfnisse von uns Jugendlichen niemals im Mittelpunkt stehen. Veränderungen fallen nicht
Dieses Festival wird daher eine politische Veranstaltung, bei der eine unmissverständliche Botschaft gegen die Abwälzung der Kosten der Krise auf uns Jugendliche vermittelt wird. Die Lösung aus unserer Sicht: Tax the Rich! vom Himmel, sondern müssen bitter errungen und mühsam erkämpft werden. Die Jugendrevolten im Süden Europas und im Norden Afrikas zeigen vor, wie wir Jugendliche für eine bessere Welt und Gesellschaft
bekämpfen können. Vollste Solidarität mit den Jugendaufständen! Her mit einem internationalen Kampf der Jugend gegen ein System, das uns krank und zu Arbeitslosen macht! So lauten die Devisen unseres IUSY Festivals. Wichtig dabei ist: Das Highlight dieses Sommers bedarf der Mitarbeit jedes einzelnen und jeder einzelnen. JedeR ist auch selbst Teil eines gelungenen IUSY Festivals. Also: Sommer, Sonne, Sozialismus – und anmelden zum IUSY Festival, falls dies nicht ohnehin schon geschehen ist!
Wolfgang Moitzi Verbandsvorsitzender der SJÖ
„Wir sind keine Handelswaren!“, steht auf dem Schild spanischer Protestierender. Wir brauchen kein Wirtschaftssystem, indem wir Jugendliche Produkte oder Güter darstellen, die sich rentieren müssen. Eine bessere Welt ist möglich!
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COVERSTORY COVERSTORY
Dr. Markus Marterbauer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung), Autor („Wem gehört der Wohlstand?“), Volkswirt und Lehrbeauftragter an mehreren Universitäten.
» Aus der Finanzkrise wurde sehr wenig gelernt« Ob es den Pensionsbereich betrifft oder die Griechenland-Debatte: Nur wenige Jahre nach dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise greift ein neoliberaler Propagandafeldzug für Privatisierungen, Einsparungspolitik und Umverteilung von unten nach oben um sich. Dazu äußert sich im Interview der Ökonom Markus Marterbauer. diverse Spatzen: Vereint im Kampf gegen das öffentliche Pensionssystem: Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, neoliberale ÖVPKreise, selbsternannte Pensions-„Experten“ à la Wolfgang Mazal
Das brandaktuelle Buch von Markus Marterbauer „Zahlen bitte! Die Kosten der Krise tragen wir alle“ ist ab 29. August erhältlich! Deuticke-Verlag, Preis: EUR 17,90
„Die Pensionen sind nicht mehr finanzierbar“, pfeifen seit Jahren diverse Spatzen von den Dächern. Das Vertrauen der Jugendlichen in das öffentliche Pensionssystem wurde im Zuge systematischer Verunsicherungskampagnen gründlich demoliert, zudem vermiesen hohe Jugendarbeitslosigkeitsquoten und prekäre Beschäftigungsverhältnisse die Zukunftsperspektiven. Gleichzeitig zürnen Medien und PolitikerInnen über die Kreditunterstützung für die „Pleitegriechen“, die über ihren Verhältnissen gelebt hätten. Höchste Zeit für eine Klarstellung, oder? Trotzdem: Lieber Markus, die Pensionsdebatte ist wieder auf-
geflammt. Derzeit wird heftig über eine Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters diskutiert und die angebliche „Unfinanzierbarkeit“ des öffentlichen Pensionssystems kursiert wieder in Medienberichten. Was sagst du dazu? Marterbauer: Das öffentliche Pensionssystem ist heute und auch in den nächsten Jahrzehnten finanzierbar. Es ist aber in Folge der von Banken und Finanzmärkten ausgelösten Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Ausfälle an Beitragseinnahmen sowie in Folge der Alterung der Gesellschaft in gewisse Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Kurzfristig ist
COVERSTORY COVERSTORY die beste Möglichkeit darauf zu reagieren, eine aktive Beschäftigungspolitik, die möglichst viele Menschen in Erwerbstätigkeit bringt und sie dadurch zu BeitragszahlerInnen macht. Die größten Potenziale bestehen bei den Arbeitslosen, bei Frauen und bei Älteren. In diesem Sinn ist auch ein höheres faktisches Pensionsantrittsalter wünschenswert.
Die angebliche „Unfinanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems“ ist ein Wunschtraum neoliberaler Privatisierungsfans, hat aber nichts mit der Realität zu tun. Der EU-Report 2009 zeigt, dass das Ausgabenwachstum in den nächsten fünfzig Jahren relativ niedrig sein wird. Zwar steigen die Belastungen an die Bundeszuschüsse für die gesetzliche Pensionsversicherung aufgrund der demographischen Entwicklungen, gleichzeitig erhalten immer weniger BeamtInnen direkt vom Bund Pensionen. In Summe steigt der Bundesbeitrag von heute 5,2% auf 5,8% des BIP im Jahr 20601.
Trotzdem: Einem Erwerbstätigen könnten bald schon 2 PensionistInnen gegenüberstehen, die zu „erhalten“ wären, warnen Neoliberale. Daher seien Kürzungen und „strukturelle Reformen“ überfällig. Ist dem so? Marterbauer: Entscheidend ist nicht das Verhältnis von Erwerbstätigen zu PensionistInnen, sondern die Höhe des erwirtschafteten Einkommens der Erwerbstätigen, aus dem dann alle - Erwerbstätige, Junge, Ältere - finanziert werden. Strukturelle Reformen sind tatsächlich notwendig: Ich zähle dazu die Vereinheitlichung der Pensionssysteme, die Nutzung des Rückgangs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ab dem Jahr 2020 zu einer Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters und die Entwicklung neuer Finanzierungsformen für das Pensionssystem. Trotzdem:WelcheAuswirkungen hatte die sogenannte „Pensionssicherungsreform“ der schwarzblauen Koalition 2003 auf das Pensionssystem?
ren Seite hat die Parallelrechnung nach alter und neuer Pensionsrechnung zu einer enormen Intransparenz und Unsicherheit bezüglich der erwarteten Pensionshöhen geführt. Am problematischsten ist aber sicherlich die Ausweitung der steuerlichen Förderung für private Pensionen in der 2. und 3. Säule. Diese schwächt die Solidarität und stellt primär eine Förderung von Banken, Kapitalmarkt und BesserverdienerInnen dar. Trotzdem: Welche Aussichten haben die Jungen von heute auf eine ausreichende Pension? Marterbauer: Die Jungen können eine gute Absicherung durch eine öffentliche Pension erwarten, insbesondere dann, wenn sie bereit sind, sich für eine solidarischen Sozialstaat zu engagieren. Trotzdem: Ist die Erhöhung des Antrittsalters tatsächlich unabwendbar? Marterbauer: Die Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters ist langfristig aufgrund der steigenden Lebenserwartung sehr sinnvoll. Es ist wichtig durch stärkere Anreize für Unternehmen und Beschäftigte, sowie durch bessere Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Im Gegenzug sollte eine Verkürzung der Arbeitszeit während des Erwerbslebens angestrebt werden. Trotzdem: Was wären die 3 wichtigsten Maßnahmen, um das Pensionssystem langfristig zu sichern? Marterbauer: 1. Höhere Erwerbstätigkeit und höhere Löhne; 2. Einbeziehung von Vermögensbeständen und Vermögenseinkommen in die Finanzierung von Pensionen und Pflegeausgaben; 3. schrittweise Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters.
Marterbauer: Einerseits führte die Ausweitung des Durchrechnungszeitraumes für die Berechnung der Pensionshöhe zu einer Verbesserung, die das Versicherungsprinzip stärkt.Auf der ande-
Trotzdem: IV, ÖVP und „Junge Wirtschaft“ fordern fast schon im Wochenrhythmus „Reformen“ und meinen damit oftmals Kürzungen, höheres Antrittsalter oder den „Abbau von Pensionsprivilegien“. Gleichzeitig wird mit einer Privatisierung des Rentensystems geliebäugelt. Angenommen, nach den nächsten Wahlen kommt wieder eine schwarzblaue Koalition welche Veränderungen könnten im Pensionswesen bevorstehen?
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Marterbauer: Zu befürchten wären Pensionskürzungen und eine Ausweitung der steuerlichen Förderung für Privatpensionen; das wäre falsch, weil es das Solidarsystem schwächen würde. Trotzdem: Der ehemalige Sozialminister Dallinger hat schon Ende der 1980er Jahre die Verbreiterung der Finanzierungsbasis des Pensionssystems durch eine Wertschöpfungsabgabe vorgeschlagen. Wie stehst du zu dieser Idee - würde sie dem Wirtschaftsstandort Österreich schaden? Marterbauer: Eine Verschiebung der Belastung durch Steuern und SV-Beiträge in Richtung Vermögenseinkommen und Vermögensbestände wäre eine der wichtigsten Maßnahmen zur Stärkung der Finanzierung des Sozialstaates. Die Mittel wären vielleicht andere als in den 1980er Jahren angedacht, die Ziele aber dieselben. Trotzdem: Ein anderes derzeit heiß diskutiertes Thema ist der mögliche Fall Griechenlands. Wie konnte es zu einer derartig ausufernden Krise in Griechenland kommen?
Entscheidend ist nicht das Verhältnis von Erwerbstätigen zu PensionistInnen, sondern die Höhe des erwirtschafteten Einkommens der Erwerbstätigen, aus dem dann alle - Erwerbstätige, Junge, Ältere finanziert werden. Marterbauer: Griechenland leidet seit Jahren einerseits an fehlender Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft und ist dabei ein Opfer der Osterweiterung der EU; andererseits an fehlender Funktionsfähigkeit des öffentlichen Sektors, was sich in Steuerhinterziehung und Nepotismus äußert. Die Budgetsituation war deshalb schon vor der Finanzkrise angespannt; doch die von Banken und Finanzmärkten ausgelöste Wirtschaftskrise hat die Probleme massiv verschärft, insbesondere seitdem die Finanzmärkte gegen Griechenland spekulieren. Die EU-Politik war unentschlossen und zaghaft und ist damit gegenüber den Finanzmärkten in die Defensive geraten, aus der sie bislang nicht herausgekommen ist. Trotzdem: Welche Parallelen zeigen sich zu anderen südlichen Ländern, die gerade in wirtschaftlichen „Troubles“ stecken (z.B. Portugal, Spanien, etc.)?
COVERSTORY COVERSTORY
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hypertroph: überspannt
Marterbauer: Portugal hat in Bezug auf die fehlende industrielle Basis und den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit Parallelen zu Griechenland. In Spanien bildet die Immobilienblase und deren Platzen die Hauptursache für die Schwierigkeiten, in Irland der hypertrophe Bankensektor. Hinter allen Schwierigkeiten in den einzelnen EU-Ländern steht aber ein gemeinsames Problem: Die spekulativ ausgerichteten liberalisierten Finanzmärkte und die von ihnen verursachte Wirtschaftskrise. Trotzdem: IWF und EU diktieren den GriechInnen ein hartes Sparprogramm. Ist das tatsächlich der einzige Ausweg aus der ausweglos erscheinenden Situation oder nicht vielmehr eine Vertiefung der Krise? Marterbauer: In Griechenland waren schon vor der Krise Staatsschuld und Budgetdefizit zu hoch. Doch nun zwingen EU und IWF Mitten in einer schweren wirtschaftlichen Krise Griechenland immer neue Sparpakete auf, was die Krise verschärft. Das ist extrem kontraproduktiv. Trotzdem: Obwohl die Weltwirtschaftskrise erst vor wenigen Jahren ausbrach, scheinen neoliberale Rezepte wie Privatisierungen wieder voll Aufwind zu haben. Was haben die Regierungen eigentlich aus der Krise gelernt? Wann werden wir die nächste Krise erleben? Marterbauer: Aus der Finanzkrise wurde sehr wenig gelernt. In der Krise waren kurzfristig alle KeynesianerInnen, doch dieses Moment dauerte nur solange als die Banken gerettet und ein Konjunktureinbruch im Ausmaß der 1930er Jahre verhindert war. Heute sind nahezu alle Regierungen der EU neoliberal ausgerichtet, zum Schaden von Wirtschaft und Menschen. Ein paar Verbesserungen sind im Rahmen der Neuregulierung des Finanzsektors gelungen, bei weitem nicht genug. Bei einer zentralen Ursache der Krise, der hohen Ungleichheit der Verteilung von Vermögen und Einkommen, hat sich gar nichts zum Besseren gewendet, im Gegenteil, die Ungleichheit verschärft sich in Folge der Krise. Trotzdem: Die GriechenlandKrise dominiert derzeit die Medienberichterstattung und den politischen Diskurs. Schon glauben rechtspopulistische
Parteien ein neues Thema gefunden zu haben, um rassistische Ressentiments („faule Pleitegriechen“) zu bedienen und die Entsolidarisierung der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Wie sollten SozialdemokratInnen jetzt auf europäischer Ebene zur Krisenlösung beitragen? Marterbauer: Der GegnerInnen sind die Vermögenden, die Finanzmärkte und die Banken, also die Verursachenden der Krise, nicht die GriechInnen. Die Sozialdemokratie muss sich an die Spitze einer Bewegung zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in der EU setzen. Eine soziale Investitionsstrategie, finanziert durch die VerursacherInnen der Krise - das wäre ein politisches Programm, für das es sich einzutreten lohnt. Trotzdem: Welche Interessen haben französische und deutsche Banken an den Hilfspaketen für Griechenland? Marterbauer: Im Fall einer Zahlungsunfähigkeit des griechischen Staates wären deutsche und französische Banken in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Bei den Hilfspaketen für Griechenland und andere EU-Mitgliedsländer sollte die Politik deshalb nicht vergessen, das europäische Banken- und Finanzsystem zur Finanzierung heranzuziehen, etwa durch eine Finanztransaktionssteuer oder eine EU-Bankensteuer. Trotzdem: Welche Rolle spielt das krasse Ungleichgewicht in den Leistungsbilanzen (z.B. „Exportweltmeister“ Deutschland vs. defizitäre Länder wie GR)? Marterbauer: Die Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz zwischen Deutschland, den Niederlanden, Österreich u. a. auf der einen Seite und Griechenland, Spanien u. a. auf der anderen Seite hat wesentlich zum Entstehen der wirtschaftlichen Probleme in der Währungsunion beigetragen. Eine Lehre ist, dass Österreich und Deutschland ihre Nachfrage und damit den Import steigern müssen, wenn die Währungsunion funktionieren soll. Trotzdem: Welche Schritte müssen auf europäischer Ebene nun folgen? Marterbauer: Zunächst die rasche Umsetzung des dauer-
haften Schutzschirmes im Rahmen des ESM, dann niedrige Zinsen und lange Laufzeiten für die Hilfskredite an die Länder mit Staatsschuldenkrise. Dann die Ausarbeitung einer sozialen Investitionsstrategie, mit der die Arbeitslosigkeit bekämpft und der Sozialstaat verbessert wird, finanziert durch koordinierte Vermögenssteuern, eine Finanztransaktionssteuer und EU-Bankenabgaben. Schließlich die Weiterentwicklung der EU zu einem Bundesstaat und die Stärkung des Europäischen Parlaments und demokratischer Mitwirkungsrechte. Trotzdem: Deutschland plädiert für eine „freiwillige Beteiligung“ Privater an den Hilfspaketen. Was ist davon zu halten? Warum steht eine Entschuldung Griechenlands nicht auf der Agenda?
Wie soll ein derartig kaputtgespartes Land wieder auf eigene Beine kommen? Das von IWF und EU verordnete Sparprogramm ist der Todesstoß für Griechenland, die Proteste dagegen sind mehr als verständlich.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist ein im Mai 2010 geschaffenes Kreditfinanzierungsinstrument, mit dem die finanzielle Stabilität der Eurozone gewährleistet werden soll.
Bei einer zentralen Ursache der Krise, der hohen Ungleichheit der Verteilung von Vermögen und Einkommen, hat sich gar nichts zum Besseren gewendet, im Gegenteil, die Ungleichheit verschärft sich in Folge der Krise. Marterbauer: Einen Schuldenschnitt halte ich kurzfristig nicht für sinnvoll, da er eine extreme Risikostrategie darstellt, eine neue Finanzkrise könnte die Folge sein. Die Beteiligung des privaten Sektors sollte über Vermögenssteuern, Finanztransaktionssteuer und Bankenabgaben erfolgen.
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COVERSTORY COVERSTORY Griechenland-Krise
Lügen, Märchen, Mythen „Man kann gar nicht soviel fressen, wie man kotzen möchte“, werden sich wohl einige angesichts der aktuellen Debatte und Berichterstattung über die Griechenland-Pleite denken. Das „Athen-Bashing“ ist allgegenwärtig. Höchste Zeit, um die Lügenmärchen von Medien und Politik zu entkräften und dem geschürten Hass entgegenzutreten!
D
BILD: Die deutsche BildZeitung tut sich bei der Verhöhnung und der herablassenden Berichterstattung über Griechenland besonders hervor. Die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands erscheint seit 1952 im Axel-Springer-Verlag.
Handelsblatt 2.5.2005
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a von einer differenzierte Analyse und Berichterstattung über die Schuldenkrise Griechenlands jede Spur fehlt, wird folgendes BILD vermittelt: Erst leben die GriechInnen über ihre Verhältnisse, dann retten wir sie mit unseren Steuergeldern und hinterher besitzen sie auch noch die Frechheit, gegen eigene Sparmaßnahmen zu protestieren. Im Folgenden Antworten auf die verbreiteten Unwahrheiten:
„Die Griechen sind faul“ Die tatsächliche Wochenarbeitszeit (abzüglich Mittagspausen) lag vor der Krise laut Eurostat bei 44,3 Stunden, in Deutschland waren es 41 Stunden und im EUDurchschnitt 41,71. Abgesehen davon, dass die GriechInnen viel arbeiten: Es ist prinzipiell falsch, die Ursache der Krise eines Landes im mangelnden Fleiß der EinwohnerInnen zu suchen. Die GriechInnen haben nicht die Wahl, einfach mal länger zu arbeiten, um die Krise zu beenden. Eher ist es umgekehrt: Wegen der Krise sind viele GriechInnen mittlerweile zum NichtArbeiten gezwungen (Arbeitslosenrate April 2011: 16,5%).
„Die Griechen machen ständig Urlaub“ Laut EU-Agentur Eurofound haben griechische ArbeitnehmerInnen durchschnittlich einen Urlaubsanspruch von 23 Tagen im Jahr. Die Deutschen
Es wird der Versuch gemacht, die Krise aus individuellem Fehlverhalten der GriechInnen zu erklären. sind in der glücklichen Lage, 30 Urlaubstage nutzen zu können. „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz
wenig!“, sagte Bundeskanzlerin Merkel Mitte Mai 2011. Hier handelt es sich um eine Variante des „Faulheits“-Vorwurfs. Es wird der Versuch gemacht, die Krise aus individuellem Fehlverhalten der GriechInnen zu erklären.
„Wir zahlen den Griechen Luxusrenten“ Laut OECD gehen in Griechenland Männer mit 61,9 Jahren in Pension (in Deutschland: 61,8 Jahre). Es handelt sich dabei keineswegs um „Luxusrenten“: Die griechische Durchschnitts-Rente beträgt 55% des Durchschnitts der Euro-Zone, 2007 lag sie bei 617 Euro. Zwei Drittel der griechischen PensionistInnen haben pro Monat weniger als 600 Euro zur Verfügung.
„Die Griechen haben einfach über ihre Verhältnisse gelebt“ Das Lohnniveau in Griechenland liegt bei nur 73% des Durchschnitts der Euro-Zone. Laut Eurostat war vor der Krise ein Fünftel aller GriechInnen von Armut bedroht, 25% der GriechInnen lebten in überbelegten
Hasserfüllte BILDSchlagzeilen zur Krise in Griechenland
Wohnungen (Deutschland: 7%). Wie bei der „Faulheit“ und bei den „Luxusrenten“ wird versucht, scheinbar eingängige Alltagsweisheiten auf die große Ökonomie anzuwenden. Nahezu jede Regierung der Welt „lebt über ihre Verhältnisse“, sprich: Sie gibt mehr aus als sie einnimmt. So rangierte das Budgetdefizit der deutschen Bundesregierung zwischen 2000 und 2007 zwischen 1,6% und 4,0% der Wirtschaftsleistung. Das Problem Griechenlands war nicht so sehr die Neuverschuldung, als die Tatsache, dass die Finanzmärkte irgendwann gegen Athen spekulierten und damit die Zinsen für Neukredite auf unbezahlbare Höhen trieben.
„Der griechische Staat ist viel zu aufgebläht“ Vor der Krise, zwischen 2000 und 2006, sank die griechische Staatsausgabenquote von 47% auf 43% und lag in diesem Zeitraum stets unter der niedrigen deutschen Quote. Erst im Jahr 2008 lag die Quote mit 48% über der deutschen Quote (44%). Für die „Aufblähung“ war also die Rezession verantwortlich, nicht
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Bei den Zwischenüberschriften handelt es sich um Schlagzeilen in den Medien und Zitate aus der Politik.
COVERSTORY COVERSTORY
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hellenische Verschwendungssucht. Schweden verzeichnet seit 10 Jahren Staatsausgabenquoten zwischen 51% und 55% des BIP – und ist doch nicht pleite.
„Die Griechen sollten erst einmal selbst sparen, bevor wir ihnen nochmals helfen“
Obwohl in Kärnten selbst ein Milliardengrab angerichtet, können auch die Freiheitlichen den Sündenbock Griechenland für ihre Zwecke brauchen: Plakat der FPÖ aus dem steirischen Landtagswahlkampf.
FAZ, 25.5.2011
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Mehr dazu in der Aufklärungsbroschüre „20 beliebte Irrtümer in der Schuldenkrise“, herausgegeben von der RosaLuxemburg-Stiftung: http://www.rosalux.de/ fileadmin/rls_uploads/ pdfs/sonst_publikationen/Broschur_PleiteGriechen_2011.pdf
Aus dem hohen Defizit 2011 lässt sich nicht ableiten, Griechenland spare nicht. Das tut es, und zwar brutal. Wegen der Sparprogramme haben die GriechInnen seit Anfang 2010 durchschnittlich fast 20% ihres Einkommens verloren2. „Kein Industrieland hat in den letzten 25 Jahren sein strukturelles Defizit binnen eines Jahres so stark gesenkt“, sagt selbst die Ratingagentur Fitch. Dass das Defizit 2011 höher sein dürfte als geplant, liegt nicht an der Verschwendungssucht Athens. Nicht die Ausgaben sind zu hoch, sondern die Einnahmen zu gering. Das liegt wiederum am harschen Sparprogramm: Da der Staat spart, Löhne und Renten kürzt, bricht die Wirtschaftsleistung ein. Der private Konsum z.B. lag im März 2011 um 18% niedriger als ein Jahr zuvor, im selben Zeitraum gingen 65.000 Unternehmen pleite. Im Gesamtjahr wird ein Schrumpfen des BIPs von fast 4% erwartet. Folge: Die Steuereinnahmen gehen zurück.
„Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen“ Die Regierung in Athen hat ein breit angelegtes Privatisierungsprogramm aufgelegt (Telekommunikationsfirmen, Stromkonzerne, Häfen, Wasserversorgung, Eisenbahnen, Autobahnen, Lotterien, Grundstücke etc.). Damit will Athen bis 2015 50 Mrd. Euro einnehmen. Da Griechenland verkaufen muss, wird es nur schlechte Preise für sein Eigentum erhalten. Die
men von morgen. Die Griechinnen und Griechen artikulieren ihre Wut daher zu recht.
„Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig“ Das stimmt – wenn man den Außenhandel als Maßstab nimmt (2009: Defizit von 14% der Wirtschaftsleistung). Griechenland importiert mehr als es exportiert und leidet daher unter einem Leistungsbilanzdefizit. Der Grund: Lohnsteigerungen. Daher soll das griechische Lohnniveau sinken, um das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen. „Wettbewerbsfähigkeit“ ist keine „Fähigkeit“. Sie beschreibt ein Verhältnis. Tatsächlich sind die Lohnstückkosten zwischen 2000 und 2010 um fast 40% gestiegen. Ein Problem war dies aber nur, weil die Lohnstückkosten in anderen Ländern weniger stark stiegen und die Unternehmen aus diesen Ländern daher einen Kostenvorteil auf dem Weltmarkt hatten. Europameister beim Lohnsparen war Deutschland (nur +5%). Ergebnis waren Exportüberschüsse für Deutschland und hohe Importüberschüsse für Länder wie Griechenland, Portugal, Irland oder Spanien. Der deutsche Exporterfolg wurde allerdings mit der Armut der Arbeitenden bezahlt: Da die Löhne sanken oder nur schwach stiegen, kam der private Konsum in Deutschland 10 Jahre lang kaum vom Fleck.
Wie ruiniert ist/wird Griechenland? Das von EU und IWF erzwungene und von der griechischen Regierung umgesetzte Sparprogramm verschärft die Krise und sorgt für schrumpfende Wirtschaft, steigende Armut, explodierende Arbeitslosigkeit und höhere Selbstmordraten (+30%).
Boris Ginner
Privatisierungen verschleudern die Grundlage für die Staatseinnahmen von morgen. Die Griechinnen und Griechen artikulieren ihre Wut daher zu recht. KäuferInnen – internationale Konzerne – werden die griechische Notsituation auszunutzen versuchen. Verkauft der Staat rentable Firmen, gehen ihm Einnahmen verloren. Fazit: Griechenland muss seine Wirtschaft ankurbeln, nicht totsparen. Privatisierungen verschleudern die Grundlage für die Staatseinnah-
Quelle: www.sxc.hu, milspa
INNENPOLITIK INNENPOLITIK
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Austria Tabak
Nach 10 Jahren ausgeraucht Mit der Schließung des letzten Produktionsstandortes in Hainburg ist die Austria Tabak AG endgültig Geschichte. Schuld am Untergang des Traditionsbetriebes ist die von der schwarz-blauen Regierung beschlossene Privatisierung, die das Unternehmen binnen weniger Jahre in den Ruin führte.
1784 bis 2011. Binnen weniger Jahre wurde das gewinnbringende Traditionsunternehmen beseitigt. Die Gewinne aus der Tabakproduktion kamen aber bereits vor der Totalprivatisierung zunehmend Privatunternehmen zugute und nicht mehr dem Staat.
Wie alles begann Seit 1784 gab es aufgrund eines Beschlusses von Kaiser Joseph II. in Österreich ein Tabakmonopol. Die Tabakregie, nach dem Zweiten Weltkrieg in „Aus-
In nur 10 Jahren wurde ein 240 Jahre altes Traditionsunternehmen in den Ruin getrieben; die bis zu diesem Zeitpunkt immer erfolgreiche „Austria Tabak“ völlig zerstört.
AUSTRIA TABAK
Opfer der Privatisierungswelle unter Schwarzblau
tria Tabak AG“ umbenannt, war Herstellerin österreichischer Kultzigaretten wie Memphis, Meine Sorte oder Falk, und bot jahrzehntelang sichere Arbeitsplätze und Abnahmegarantien. 1996 deckten die Werke noch 40% des heimischen Marktes, 20 Milliarden Zigaretten wurden jährlich hergestellt, vor kurzem war es noch die Hälfte. Mit der Schließung des Tabakwerkes Hainburg (NÖ) gehen 320 verlorene Arbeitsplätze und das Ende dieser jahrhundertlangen Tradition einher. Hainburg war der letzte von 4 Standorten der „Austria Tabak“, die in Folge der 1997 begonnenen Privatisierung geschlossen wurden. Damals wurde im Zuge des EU-Beitritts sämtlichen Monopolen in Öster-
reich ein Ende gesetzt, auch dem Alkohol- und Salzmonopol, lediglich beim Glücksspiel blieb der Staat vorerst der alleinige Betreiber.
„Gelungene Privatisierung“ Noch unter der alten SPÖ-ÖVPRegierung unter Kanzler Klima wurden größere Teile der „Austria Tabak“ an verschiedene AktionärInnen verkauft, das Unternehmen hat damals erstmals an der Börse notiert. Doch erst während der schwarzblauen Koalition unter Schüssel wurde ein vollständiger Verkauf der „Austria Tabak“ ermöglicht. 2001 übernahm der britische Konzern „Gallaher Group“ das gesamte Unternehmen. Die negativen Folgen dieses Schrittes, den der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser nach dem Verkauf noch als „Musterbeispiel gelungener Privatisierung“ lobte, wurden in kürzester Zeit bemerkbar. Bereits vier Jahre später kam es zur Schließung der ersten beiden Werke: Pünktlich nach dem Ablauf der 3-jährigen Bestandsgarantie für die „Austria Tabak“-Standorte wurden die Werke in Schwaz und Fürstenfeld geschlossen, womit 140 MitarbeiterInnen ihren Arbeits-
platz verloren. Als 2007 „Japan Tobacco International“ (JTI), der drittgrößte Tabakkonzern weltweit, die „Gallaher Group“ und somit die „Austria Tabak“ übernahm, schien die Verlegung der österreichischen Zigarettenproduktion in ein Niedriglohnland für ExpertInnen nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Im selben Jahr übte übrigens der Rechnungshof harte Kritik an der Nacht-und-Nebel-Privatisierung: Der Verkauf sei aus nicht ersichtlichen Gründen vorverlegt worden, die Werke dürften aufgrund der damals niedrigen „Austria Tabak“-Aktienkurse unter ihrem Wert verkauft worden sein. Außerdem hat es keine vertragliche Verpflichtung zur Erhaltung der Arbeitsplätze gegeben.
Verscherbelt und zugesperrt Als 2009 auch die Zigarettenproduktion in Linz, der größten Tabakfabrik des Unternehmens, eingestellt wurde, versuchte JTI noch mit einem Ausbau des Hainburger Werkes darüber hinwegzutrösten. Doch bereits kurz darauf wurden dort ebenfalls 100 MitarbeiterInnen entlassen, bis im Mai dieses Jahres bekannt wurde, dass auch der letzte Standort der „Austria Tabak“ nicht weitergeführt wird. In nur 10 Jahren wurde ein 240 Jahre altes Traditionsunternehmen in den Ruin getrieben; die bis zu diesem Zeitpunkt immer erfolgreiche „Austria Tabak“ völlig zerstört. Ab 2012 wird die Produktion österreichischer Zigaretten zur Gänze in ein anderes Land verlegt. Mit der einst so stolzen „Austria Tabak“ ist als nach Jahren einer verantwortungslosen Privatisierungspolitik endgültig zu Ende und selbst die besten Sozialpläne können nicht ersetzen, was dadurch verloren geht.
Anastasia Hammerschmied
Das Tabakwerk in Linz, das seit Ende der Produktion leer steht, wird mittlerweile als Kulturerbe behandelt und dient als Veranstaltungsort und Museum. Von Peter Behrens ab 1929 errichtet, gilt das Gebäude als Vorzeigeobjekt für modernes Industriedesign
Keines der „Austria Tabak“-Werke war defizitär – ganz im Gegenteil: Die Tabakwerke galten als Goldesel der Republik und bescherten dem Finanzministerium enorme Einnahmen.
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INNENPOLITIK INNENPOLITIK
Kleines Glücksspiel
Game over ! In Niederösterreich, Kärnten, der Steiermark und Wien ist das kleine Glücksspiel erlaubt, das Burgenland und Oberösterreich folgen bald nach. Das Nein der Landesparteitagsdelegierten der SPÖ Wien zum kleinen Glücksspiel könnte aber dazu führen, dass die Flutwelle an Automatencasinos endlich gestoppt wird. gert sich hin bis zum gesamten Monatslohn. Die durchschnittliche Verschuldung eines Spielsüchtigen beträgt 40.000 Euro, das entspricht 30 durchschnittlichen Monatslöhnen einer/s Beschäftigten in Österreich.
Abzocke, die Probleme schafft
Im Zuge der neu aufgeflammten Debatte über das kleine Glücksspiel startete die SJÖ eine Kampagne, um der Forderung nach einem Automaten-Verbot Gehör zu verschaffen
Gilt als „Visionär der Glücksspielbranche“, ist 6. reichster Österreicher und wurde vom Wirtschaftsmagazin „trend“ zum „Mann des Jahres“ gekürt.
Mächtige Lobby
E
ine Gesetzesnovelle im Herbst des Vorjahres hätte das „Automatenzocken“ neu und klar regeln sollen. Was blieb, ist jedoch, wie so oft, nur ein noch schwammigeres, unklareres Gesetz. Einer der Gründe, warum die Politik in diesem Existenz zerstörenden Bereich keine Reform zustande bringt ist, dass hinter Novomatic eine der mächtigsten Wirtschaftslobbys Österreichs steht.
Factbox Kleines Glücksspiel Beim kleinen Glückspiel darf der Einsatz 50 Cent und der Gewinn 20 Euro nicht übersteigen. Früher waren das klassische Spiele wie Black Jack oder Poker, doch 1980 änderte sich das schlagartig: Johann Graf gründete den Automatenkonzern Novomatic im niederösterreichischen Gumpendorf, importierte zunächst Flipperautomaten aus den USA, um kurze Zeit später Glücksspielautomaten auf den Markt zu bringen. Heute produziert Novomatic 80.000 solcher Geräte und verkauft sie in 60 Ländern, das bedeutet einen Umsatz von ca. 2,5 Mrd. Euro jährlich. Das Prinzip ist so, wie es das Gesetz vorschreibt: 50 Cent, 20 Euro möglicher Gewinn! Doch anders als bei Poker und Black Jack haben die SpielerInnen nicht die geringste Einflussmöglichkeit. Man kann 100 Euro in wenigen Minuten verspielen, da man eine vollautomatisierte Spielvariante hat, wo der Reihe nach 50 Cent verspielt werden, bis das Guthaben leer ist und der Automat nach mehr Geld schreit. In Österreich verfügt der Staat mit einigen Ausnahmen über ein Monopol für gewisse Bereiche von Glücksspielen. Doch das kleine Glücksspiel ist Sache der Länder, ein Auswuchs des Föderalismus.
Namhafte PolitikerInnen stehen auf der Gehaltsliste des Megakonzerns. Johannes Hahn, vielen noch als ÖVP-Wissenschaftsminister in Erinnerung und jetziger EU-Kommissar war 6 Jahre lang im Vorstand bzw. auch Vorstandsvorsitzender. Karl Schlögl, ehemaliger SPÖ-Innenminister, ist seit 2004 Aufsichtsratsmitglied. Auch in Deutschland pflegt Novomatic gute Beziehungen zur Politik, wo unter anderem der ehemalige CSU-Vorsitzende und Finanzminister Theo Waigel Aufsichtsratsvorsitzender eines Tochterunternehmens ist.
Die Argumente, die gegen diese Automaten sprechen, sind mehr als überzeugend. Mehr als 50.000 Menschen in Wien sind glücksspielsüchtig. Der Großteil von diesen sind jüngere Männer aus bildungsferneren Schichten mit niedrigem Einkommen, oft auch Notstandsbezieher nahe am Existenzminimum. 60% der Einnahmen der Glücksspielbetriebe stammen aus den Taschen von 1% der Spieler. Ein Argument, auf das sich die Politik stützt, sind die Steuereinnahmen, die durch die „legalisierten“ Geräte lukriert werden. Durch ein Verbot würden zwar genannte Einnahmen
Die Stadt Wien nimmt durch das kleine Glücksspiel jährlich rund 55 Mio. Euro ein.
An jeder Ecke winkt das Glücksspiel Die Automatencasinos sprießen wie Pilze aus dem Boden. Täglich werden mehr und mehr Automaten aufgestellt. In vielen Wiener Gemeindebezirken gehören sie schon fast zum Stadtbild. Das führt zu einem erhöhten Angebot in den Straßen. Und der Unterschied zwischen dem Besuch der Casinos Austria, in schickem Anzug oder Abendkleid, wo strengere Kontrollvorschriften herrschen, und dem „Dealer“ ums Eck ist groß. Während in den Casinos Austria klare Jugendschutzvorschriften herrschen, wird in den Spielhallen kaum kontrolliert. Zuerst wird nur das Taschengeld gesetzt, aber es stei-
verloren gehen, doch gleichzeitig erspart man sich die Folgekosten des kleinen Glücksspiels, die durch Therapien für Süchtige, Beschaffungskriminalität und Ähnliches anfallen. Dem Argument, dass es das Glücksspiel „sowieso immer“ geben werde, kann entgegengehalten werden: Gibt es weniger Angebot, ist auch die Versuchung, mit dem Glücksspiel zu beginnen, kleiner und damit hält sich auch die Nachfrage in Grenzen.
Mirza Buljubasic
Das Glücksrad, mit dem die SJ Oberösterreich in der Linzer Innenstadt gegen die geplante Legalisierung des kleinen Glücksspiels protestierte, bildet die Auswirkungen der Spielsucht ab: Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Insolvenz, Kriminalität, etc.
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PRO / CONTRA PRO / CONTRA Bundesländer
„Bundesländer beibehalten?“ PRO PRO
„Ja zu reformierten Bundesländern“ Ich werde versuchen; Argumente für den Erhalt der Bundesländer zu finden. Vorweg möchte ich hierbei betonen, dass ich mir bewusst bin, dass der österreichische Föderalismus auf Grund der EU-Mitgliedschaft Österreichs ohne Zweifel reformiert gehört.
Stattdessen würde ich eine von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte Landesregierung, die der Verwaltung vorsteht, vorschlagen. Diese Landesregierung soll dann gemeinsam mit der ihr unterstehenden Verwaltung Fördertöpfe für die regionale Wirtschaft, für regionale Vereine und für die Bürgerinnen und Bürger verwalten. So erfolgt die Wirtschaftsförderung regional und es kann dadurch auf regionale Besonderheiten Rücksicht genommen werden.
CONTRA CONTRA
Bundesländer – die undichte Gießkanne Österreich besteht aus neun Bundesländern, mit neun Landeshauptleuten, neun Landesregierungen, neun Landtagen. Diese produzieren hunderte und aberhunderte Landesgesetze. Warum? Dafür gibt es keine schlüssige Erklärung, seit wir nicht mehr auf Pferden reiten müssen und Telefone haben.
Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass die österreichischen Bundesländer in einer reformierten Art und Weise ein fixer Bestandteil der österreichischen Politik sein sollten, da sie nach den Gemeinden jene staatlichen Unterorganisationen sind, die am nächsten bei den Bürgerinnen und Bürgern sind und mit denen sich die Bürgerinnen und Bürger stark identifizieren (dies beweisen mir die Feierlichkeiten zum 90-JahreJubiläum meines Heimatbundeslandes Burgenland). Die Länder sind Anlaufstellen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort und können viele Serviceleistungen für die Menschen anbieten, für die die Gemeinden zu klein sind und die dafür zuständigen Organe im Bund zu weit weg sind. An diesem Punkt will ich auch gleich meine Reformvorschläge für die Bundesländer und den Föderalismus insgesamt anbringen. So sollte meiner Meinung nach die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer reduziert bzw. über weite Strecken ganz abgeschafft werden, damit in Österreich einheitliche gesetzliche Standards vorherrschen. Daraus ergibt sich, dass die Landtage unnötig sind.
Alpenidylle, Schweinsbraten, Kirchturm, Bundesländer – alles „typisch österreichisch” eben. (Foto: www.sxc.hu, PStrijards)
Markus Gartner
In erster Linie machen sie es, weil sie können. Die Landeshauptleute sind quasi das fleischgewordene Bundesland und hauen gerne auf den Tisch oder legen sich quer. Meistens, wenn ihnen etwas nicht ins ideologische Konzept passt (Siehe Aufsplitterung unseres Schulsystems). Meistens gewin-
nen sie, das heißt dann „österreichische Realverfassung“. Bundesländer sind für vieles zuständig aber für nichts verantwortlich, sie erfüllen realistisch betrachtet nur einen Zweck: Sie verteilen das Steuergeld, das die Republik einnimmt. Das wäre nicht so schlimm, würde unterwegs nicht fast die Hälfte verloren gehen. Stellen wir uns das ganze Steuergeld als Wasser in einem Teich vor, dann sind Bundesländer mit einer rostigen, unbrauchbaren weil löchrigen Gießkanne zu vergleichen, denn bis wir bei unseren Blumen sind, ist von dem Wasser, das wir hineingeschöpft haben nur noch wenig übrig. Klar wir könnten sie reformieren, die Bundesländer; aber wozu falsche, teure und nostalgische Strukturen künstlich am Leben halten? Die Bundesländer sind – entgegen anderslautender Behauptungen – nicht am nächsten am Menschen, das sind die Bezirke und Gemeinden. Diese abzuschaffen wäre nicht hilfreich. Österreich als Ganzes wird sich auch nicht auflösen. Also auch nach dem Ausschlussverfahren sieht es zappenduster für die Bundesländer aus. Und nein, es gibt keine vernünftige Erklärung, warum eine unter 16-jährige in Wien oder Tirol bis 1 Uhr fortgehen darf, in der Steiermark oder Salzburg aber nur bis 23 Uhr. Man verwechselt in Österreich Föderalismus mit provinzieller Kleinkariertheit und beugt sich der Großmannssucht kleiner Männer.
Max Wallner
MUSIK / FILM / BUCH MUSIK / FILM / BUCH
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MUSIK MUSIK
Jukebox Gypsy The Month Irish Folk meets Rock, Country und Jazz
The Month von Jukebox Gypsy Erscheinungsdatum 24.03.2011 Amazon 8,99 €
Eine noch unbekannte Band aus Liverpool, die aber durch ihre internationale Zusammensetzung und ihre energiegeladenen Songs die ZuhörerInnen zum Mitsingen einladet. Das Album spielt mit den unterschiedlichen Genres, wobei jeder der fünf Bandmitglieder zu dieser Vielfalt beiträgt. Gerade für LiebhaberInnen von Akustikgitarren wird Jukebox Gypsy zu einem Hörgenuss, wobei die Band einzelne Lieder des Albums auf ihrer Homepage zum Reinhören zur Verfügung gestellt hat.
Wenn Fernfahrer Pedro in seinem Truck tonnenweise Gemüse quer durch die Weltgeschichte karrt, bringt er auf dem Retourweg nach Europa afrikanische Flüchtlinge in einem versteckten Hohlraum im LKW-Anhänger über die Schengen-Grenze. Mit dabei: Jackie und ihr Sohn Theo, deren Ziel ein besseres Leben in der Schweiz ist. Mit viel Tricks, noch mehr Glück und der unfreiwilligen Hilfe eines Arztes ohne Grenzen schafft Pedro sie doch nach Spanien – und begegnet auf seinem Weg einer realpolitischen Absurdität nach der anderen. Denn wenn Wirtschaftsinteressen regieren, hat jeder gesunde Menschenverstand Pause: Wird ukrainischer Knoblauch von marokkanischen Kinderhänden auf „Herkunftsland: Spanien“ umetikettiert, ist das die derzeit profitabelste Lösung für GroßhändlerInnen.
Drogenkrieg ohne/mit Ausweg Peter Michael Lingens liefert mit Drogenkrieg ohne (mit) Ausweg eine fundierte Kritik der gängigen Drogenpolitik.
Autor: Lingens, Peter Michael Verlag: Kremayr & Scheriau Broschiert: 160 Seiten Preis: € 19,90
Eine ungemeine Harmonie zeichnet die Platte aus, wobei das Zusammenspiel von Gitarre Geige, Banjo und Kontrabass ihren Musikstil charakterisiert. Die Lyrics sind ausgesprochen einprägsam und amüsant, wie oberes Beispiel aus dem Song ‚Marine St. West’ dies verdeutlichen soll. Jukebox Gypsy hat eine Bandbreite an unterschiedlichen Stilen auf dem Album, nichtsdestotrotz wird man beim Durchhören bemerken, dass sich die Tracks eher für relaxte Abende als „fette Party machen“ anbieten. Trotz alledem sind Jukebox Gypsy wirklich empfehlenswert, und ihre Live-Performance schlägt die Aufnahmen um Längen. Es bleibt zu hoffen, dass sie auch bald in Österreich auf Tour gehen - bis dahin kann man sich mit dem Album trösten!
Black Brown White
BUCH BUCH
‚…like a Cancer on the Bay’
217.000.000.000 – eine beeindruckende Zahl. Selbst in einer Zeit, in der informierte LeserInnen durch Bankenrettungspakete in Milliardenhöhe längst an unvorstellbare Summen gewöhnt sind, beeindrucken die geschätzten 217 Milliarden Euro, die das internationale Verbrechen mit dem Drogenhandel jährlich umsetzt. Nicht weniger schockierend sind die Nachrichten und Todeszahlen, die im Wochenrhythmus aus dem mexikanischen „Drogenkrieg“ nach Österreich schwappen: Da ein Massaker mit 70 Todesopfern, dort eine Schießerei mit „nur“ ein paar Dutzend Toten. Darunter immer auch Jugendliche und Kinder. Insgesamt rund 30.000 in den letzten Jahren. Tendenz steigend.
Leonie-Maria Tanczer
Im (nicht mehr ganz so) neuen Drama von Erich Wagenhofer („We feed the world“, „Let´s make money“) prallen Zukunftshoffnungen an die bittere Realität. Europa, das Flüchtlingen von fern oft als gelobtes Land erscheint, zeigt bald seine hässliche Fratze. Der Film erzählt von langen, schrecklichen Fluchtstrecken, wahnwitzigen Transportwegen, gefährlichen Grenzübergängen, der Illegalität, entmenschlichten Leuten, vom Überleben statt vom Leben und bietet tiefen Einblick in den Wahnsinn der Immobilienspekulation: Riesige Geistersiedlungen, die nicht gebaut wurden, um darin zu wohnen, sondern um Geld zu machen. Positiv zu sehen ist, dass die Hauptakteurin Jackie selbst als Subjekt dargestellt wird und eine Stimme hat. Als gar zu gutmütiger Held fungiert dennoch der Hauptdarsteller Pedro.
Hubsi Tomacek
Peter Michael Lingens, Journalist und ehemaliger profil-Herausgeber, war von diesen Zahlen derart geschockt, dass er beschloss, sich genauer mit dem „Krieg gegen die Drogen“ auseinanderzusetzen. Herausgekommen ist Drogenkrieg ohne (mit) Ausweg. Darin umreißt und hinterfragt er die wichtigsten Säulen des weltweiten Geschäfts mit der Sucht. Von der Rolle der USA über rassistische Motive in der Klassifizierung von illegalen und legalen Drogen bis hin zur wirtschaftlichen Logik des Drogenhandels bearbeitet Lingens die Themen fundiert – aber keineswegs staubtrocken. Am Ende steht die Forderung nach einer Legalisierung von Hanf/Marihuana und einem staatlichen Produktions- und Verkaufsmonopol auf sämtliche Drogen, auch Kokain und Heroin. Und ein höchst lesenswertes Buch!
Lukas Schreyer
FILM FILM
Drama, 2010 Regie: Erwin Wagenhofer Trailer: http://www. youtube.com/watch?v=_ SHHjWhOqOw
SATIRE SATIRE
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GRASSER 2.0
Zu jung?! Ich habe ein Problem, liebe LeserInnen! Genau genommen habe ich zwei Probleme. Nein, eigentlich sind es drei Probleme und werden mit jedem Satz mehr. Was auch mehr wird, ist die Wörteranzahl. Der Chefredakteur hat mir nämlich viel Platz eingeräumt. Den reiz ich volle Wäsch‘ aus. Das ist nämlich auch ein bisschen Thema. merls ohne vorangegangene Frage. Pfui, grauslich!
Zeugnisse stellt sich KHG zwar stets selber aus („zu jung“, „zu schön“, „zu intelligent“ etc.) – hier, passend zum Schulschluss, eine offizielle Zeugnisvergabe unseres Trotzdem-Satirikers. Selbstverständlich geht meine wortgewaltige Fülle zulasten der politisch bedeutsamen, inhaltsschweren Artikel, aber das sorgt mich nicht. Damit habe ich auch schon mein zweites Thema angerissen, die Sorglosigkeit sehenden Auges. „Gut eingeleitet, Max!“ Wie erwähnt, sind es 3 Probleme, die mich quälen wie ein Tier (vgl. sog. Tierquälerei). Erstens habe ich „Trotzdem“ einen geharnischten, mit Schild und Schwert bewehrten Artikel über Karl-Heinz Grasser geschrieben, der sein Finale in der Forderung nach lebenslanger Ekelhaft für KHG findet. Das allein ist noch nicht schlimm, aber dass ich meinen Artikel täglich umschreiben musste, weil sich täglich Neues auftat. Entkernt man diesen Pudel, dreht uns die normative Kraft des Faktischen eine lange Nase und ich muss den Artikel auf den Müllhaufen der Geschichte werfen. Da liegt er jetzt neben dem „Weiter-wehren–Volksbegehren“, dem Koalitionsplatz der VP an der Seite der SP von 2000 und der Volksrepublik Österreich. Stattdessen setzt mir der Weltgeist, als ob wochenlange Beschäftigung mit Karl-Heinz
Grasser nicht schon schlimm genug wäre, einen Sebastian Kurz vor die Nase. Und hier beginnt mein zweites Problem. Ich finde Basti Kurz richtig gut (um nicht süß zu sagen). Während KHG noch Feindbild war, ist UHSSfI (Unser Herr Staatssekretär für Integration) nicht einmal mehr ein Symbol für den Klassenkampf oder zumindest einen Klassenkrampf. Klassenkatatonisch trifft es besser, aber das kann ich ihm nicht übel nehmen. Warum sollte ich überhaupt über ihn spotten? Spott ist auf Seite der Schwächeren und in unserem Lied der ProletInnen bekräftigen wir einander doch immer wieder, dass wir die Stärksten sind. Konsequenterweise ist jeder Angriff auf UHSSfI ein Schwächeeingeständnis vor der Klasse, die gerade zuckt. Wenn Sebastian (Ich darf doch?) kein Ausdruck des Klassengegensatzes ist, was dann? Naheliegend, dass er Ausdruck der Volkspartei ist. Das scheint logisch. Fraglich ist allerdings, was die Frage war. Manchmal muss sich gar keine Frage stellen. Talg und Eiter sind auch der Ausdruck eines Wim-
Zurück zu Basti. Ja, sein Alter können wir ihm ja nur schwerlich vorwerfen, sind wir doch selbst felsenfest davon überzeugt, in dem Alter bereits Politik machen zu können. Wir können ihm nicht einmal vorwerfen, dass er Politik macht! Bisher hat er ja eher durchgecoachte Medienauftritte und geile Wahlkämpfe gemacht. Politisch ist er noch nicht aufgefallen. Das ist geil, weil die JVP geil ist und das können wir ihm nun wirklich nicht vorwerfen. Da machen wir es uns zu leicht. Meine Damen und Herren GenossInnen, wo kommen wir denn da hin? Einem JVP-ler vorzuwerfen, dass er JVP-ler ist, ist so geistreich wie Grassers Budgetkonsolidierungspläne. Na, und die junge Garde, dir wir sein wollen („Wir sind die junge Garde des Proletariats, weil wir sie sein wollen – und umgekehrt!“), kann Bastl auch nicht vorwerfen, dass er sein Studium noch nicht abgeschlossen hat. Er betont sogar seine proletarische Herkunft. Es verging kein Tag ohne Interview mit dem neuen Posterboy des Party-Konservativismus und kein Interview vergeht, in
Dass es Schönbrunn und nicht das Schöpfwerk ist, vergisst er manchmal, aber das ist auch nicht so wichtig, wie Deutsch können. dem er nicht erzählt, dass er aus Meidling sei. Dass es Schönbrunn und nicht das Schöpfwerk ist, vergisst er manchmal, aber das ist auch nicht so wichtig, wie Deutsch können. Deutsch können ist überhaupt das Wichtigste, sagt UHSSfI. Mein drittes Problem ist - Ihr werdet es bereits erraten haben – dass ich mich nicht kurz fassen kann.
Max Zirkowitsch
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Ökologie
Rettet die Eisbären! oder: Was hat linke Politik mit ökologischen Fragen zu tun. Die Katastrophe von Fukushima hat ökologische Fragen wieder in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. „Grüne“ Themen haben Konjunktur und das zu Recht! Der Klimawandel – das dominante Thema innerhalb dieser Debatte – wird weitreichende Auswirkungen haben und stellt einmal mehr unser Gesellschaftssystem als Ganzes in Frage. Ein guter Anknüpfungspunkt für „rote“ Politik, sollte man meinen. So einfach ist die Sache dann aber doch nicht… istorisch betrachtet ist das Verhältnis zwischen ArbeiterInnenbewegung und „Natur“ sehr widersprüchlich und dieses Erbe wirkt bis heute nach. Bereits zu Beginn der Industrialisierung war „Umweltschutz“ ein Thema. Ausgehend von Emissions-, Abwässer- und Geruchsbelastungen in der näheren Umgebung entstanden bereits im frühen 19. Jahrhundert „Umweltprobleme“ wie wir sie heute kennen. „Arbeitsplätze vor Umweltschutz“ lautete bereits damals die Losung, auch seitens der ArbeiterInnenbewegung, wenn Fabrikbesitzer mit Standortverlagerungen drohten um Umweltauflagen zu entgehen. Diese Tradition, die in Österreich zweifelsohne rund um den geplanten Bau des Wasserkraftwerkes in Hainburg (1984) und dem Atomkraftwerk Zwentendorf (1977) seinen Höhepunkt fand, ist jedoch nur ein Teil der Geschichte. Es gab auch positive Zugänge zu ökologischen Fragen bzw. zur Natur, die sich etwa in der Gründung der Naturfreunde 1895 manifestierten oder die Beteilung
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der Sozialistischen Arbeiterjugend an einer Initiative, die den Verkauf und die Abholzung des Wienerwaldes verhinderte. Nicht zu vergessen die positive Rolle der linken Kräfte innerhalb der SPÖ und der SJ in Hainburg und Zwentendorf. An diese Traditionen lohnt es sich anzuknüpfen. Nicht zuletzt deshalb, weil ökologische Fragen heute mehr denn je als Teil der sozialen Frage verstanden werden müssen.
Ökologische Krisen als Teil der sozialen Frage betrachten… Der Hurrikan Katrina in New Orleans hat einmal mehr deutlich gemacht, dass die Auswirkungen von ökologischen Krisen an soziale Ungleichheiten anknüpfen und diese verstärken. Während die arme schwarze Bevölkerungsschicht dem Hurrikan und den Überschwemmungen beinahe schutzlos ausgeliefert war, konnte sich die Oberschicht rechtzeitig in Sicherheit bringen. Die Reichenvierteln wurden zudem, da sie in den Hügeln rund um New Orleans
liegen weitgehend von der Flutwelle verschont; die BewohnerInnen von armen Vierteln warten bis heute auf den Wiederaufbau ihrer Wohnhäuser. Auch in Österreich zeigen sich bereits die Vorboten der sozialen Auswirkungen von ökologischen Krisen. Die steigenden Lebensmittelpreise stellen für immer mehr von Armut betroffenen oder von Armut gefährdeten Menschen ein unlösbares Problem dar. Steigende Energiekosten, vor dem Hintergrund der zur Neige gehenden fossilen Brennstoffe, erzeugen zusätzlichen Druck und machen deutlich, dass die ökologische Krise zunehmend zur Verteilungsfrage wird. Global betrachtet wird der Zugang zu Wasser ein immer größeres Problem werden. Der UN-Klimabericht geht davon dass neben den chronisch von Wassermangel betroffenen Gebieten zukünftig auch in Teilen Europas und Nordamerikas Wasserknappheit ein massives Problem werden wird. Klassische linke Themen, wie Privatisierungen von Grundversorgungseinrichtungen
werden angesichts dieses Szenarios erneut an Bedeutung gewinnen. Denn die kapitalistische Logik, dass mit Mangel Geld zu machen ist, macht auch vor der Wasserversorgung nicht halt. Szenarien wie im Jahr 2000 in der bolivianischen Stadt Cochabamba könnten in nächster Zukunft also durchaus zur Regel werden: Nach dem der Internationale Währungsfond die Privatisierung der Wasserversorgung durchsetzte, haben sich die Wasserpreise innerhalb kürzester Zeit verdreifacht. Erst massive Proteste, begleitet von einem Generalstreik, konnten die Rücknahme der Privatisierung durchsetzen.
Es gibt kein gemeinsames Interesse… Doch nicht nur die Ursachen und Auswirkungen von ökologischen Problemen haben eine soziale Komponente. Auch die Bearbeitung von ökologischen Krisen ist nicht neutral, sondern spiegelt Macht- und Herrschaftsverhältnisse wieder. Lösungsvorschläge bezüglich des
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Klimawandels beispielsweise werden seitens der Herrschenden längst zu ihren Gunsten
Die steigenden Lebensmittelpreise stellen für immer mehr von Armut betroffenen oder von Armut gefährdeten Menschen ein unlösbares Problem dar. Steigende Energiekosten, vor dem Hintergrund der zur Neige gehenden fossilen Brennstoffe, erzeugen zusätzlichen Druck und machen deutlich, dass die ökologische Krise zunehmend zur Verteilungsfrage wird. Seit 2005 ist das EUProjekt zur Reduktion der CO2-Emissionen in Kraft. Dabei betreiben Betriebe und Länder einen Handel mit Zertifikaten, die zur Emission einer bestimmten Menge berechtigen. Bis dato verfehlte Österreich die erwünschte CO2Reduktion klar.
Zuerst Naturkatastrophe, dann soziale Misere. Lag der Unterschied zwischen jenen, die den Sturm überlebten und jenen, die starben, in nichts anderem als in der Armut und an der Hautfarbe?
Hurrikan Katrina …gilt als eine der verheerendsten Naturkatastrophen in den USA. Ende August 2005 verwüstete der Hurrikan weite Teile des Südostens des Landes. Bis zu 10.000 Menschen kamen dabei ums Leben, rund 1 Mio. Menschen wurden obdachlos.
gestaltet. So dominiert im Kyoto-Protokoll eine marktwirtschaftliche Herangehensweise. Der Emissionshandel hat sich zu einem profitablen Geschäftsfeld entwickelt. Während auf den CO2-Märkten jährlich Milliarden umgesetzt werden, wurde seit dem Inkrafttreten des KyotoProtokolles 2005 weltweit, im Vergleich zum Basisjahr 1990, noch keine einzige Tonne CO2 weniger produziert. Zudem wurden Instrumente (CDM, JI), geschaffen die aus entwicklungspolitischer Sicht höchst problematisch sind und von KritikerInnen als moderner Kolonialismus bezeichnet werden. Der Energiekonzern RWE beispielsweise lässt in Indien Energiesparlampen verteilen und kassiert dafür Emissionszertifikate im Wert von mehreren Millionen Euro1. Doch auch in Österreich zeigt sich, dass die Krisenbearbeitung
von einschlägigen Interessen dominiert wird. Zu Beginn des Jahres kritisierte die Arbeiterkammer einen Vorschlag von Wirtschafts- und Umweltministerium bezüglich der Förderkriterien für thermische Sanierung. Dieser sah in seiner ursprünglichen Form ausschließlich die Förderung von „reichen Hausbesitzern“ und Menschen, die sich einen hohen Eigenbeitrag leisten
konnten vor. Aber auch abseits des Klimawandels haben Konzerne erkannt, dass die Zeichen der Zeit auf „grün“ stehen und interpretieren Nachhaltigkeitskonzepte zu ihren Gunsten, um damit Gewinne zu machen. Die Feststellung, dass die ökologischen Krisen unserer Zeit ihre Ursachen in der kapitalistischen Wachstums und Profitlogik haben, hinkt den aktuellen Entwicklungen also hinterher. Vielmehr muss es darum gehen, eine Alternative zu entwickeln, die dem suggerierten „gemeinsamen Interesse“ bei der Bearbeitung von ökologischen Problemen klar eine Absage erteilt und grundsätzliche linke Positionen nicht aufgibt.
Alles Wachstum, oder was? Vor allem in Bezug auf Arbeitsplätze wird seitens der Industrie immer wieder auf die Notwendigkeit von Wachstum hingewiesen. Weite Teile der ArbeiterInnenbewegung knüpfen mit der Logik, dass Wachstum Wohlstand und Arbeitsplätze schafft, direkt an den Spruch der Wirtschaftskammer „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ an. Abgesehen von der Tatsache, dass unbegrenztes Wachstum in einer Welt mit endlichen Ressourcen nicht möglich ist, zeigt sich jedoch auch hier, dass soziale und ökologische Komponenten gemeinsam diskutierbar sind. Wirtschaftswachstum sagt nichts über die Verteilung von Wohlstand aus. Während in den 60er und 70er Jahren der wirtschaftliche Aufschwung der heutigen Industrieländern massiv auf Kosten der Länder des globalen Südens ging, ist die Verteilungsproblematik heute wieder in die Industrieländer zurück gekehrt. Sinkende Lohnquoten, die Zunahme von prekärer Beschäftigung – insbesondere der Leiharbeit – und der
stetige Abbau von sozialstaatlichen Leistungen in den letzten Jahrzehnten zeigen deutlich auf, dass es längst nicht mehr wir alle sind, die von steigender Produktivität und Wertschöpfung profitieren. Der Versuch soziale Verbesserungen auf Kosten von ökologischen Komponenten zu erreichen (Stichwort: „Arbeitsplätze vor Umweltschutz“), muss zudem als gescheitert betrachtet werden. Und so würde es sich lohnen, die zunehmende Verteilungsungerechtigkeit sowohl von einer sozialen wie auch einer ökologischen Perspektive heraus zu diskutieren. Wichtig ist dabei jedoch die globale Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren. Die ökologische Krise stellt eine große Herausforderung für linke Kräfte dar und darf keinesfalls bei der Bewusstseinsschaffung über individuelles Konsumverhalten stehen bleiben. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur wird heute mehr denn je auf gesellschaftlicher Ebene organisiert und reguliert und genau dort muss linke Politik auch ansetzen. Dabei ist es nicht notwendig klassisch linke Positionen über Bord zu werfen,
Ein paar Kilometer weiter im Süden, ein weiteres Paradebeispiel für die Bewältigung von Naturkatastrophen im Kapitalismus: Während die künstlich geschaffene „Zona Hotelera“ die Urlaubshochburg Cancún schon wenige Monate nach den Schäden durch „Hurrikan Wilma“ (Oktober 2005) in neuem Glanz erstrahlte, lässt der Wiederaufbau in den armen südlichen Staaten Mexikos bis heute zu wünschen übrig. (Foto: www.sxc.hu, sokekdi)
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Filmtipp auf YouTube: „Geschäfte mit heißer Luft“
Die ökologische Krise stellt eine große Herausforderung für linke Kräfte dar und darf keinesfalls bei der Bewusstseinsschaffung über individuelles Konsumverhalten stehen bleiben. vielmehr geht es darum Themen wie Verteilungsgerechtigkeit, Arbeitszeitverkürzung, Privatisierungen, aber auch Geschlechtergerechtigkeit und Internationale Solidarität mit ökologischen Fragen in Verbindung zu bringen und darüber einmal mehr den Kapitalismus als Ganzes in Frage zu stellen.
Kathrin Niedermoser
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Atom
„Wie wir Zwentendorf verhinderten“ Zeitzeugenbericht von Alois Reisenbichler: Heimabend der Sozialistischen Jugend Golling an der Erlauf (NÖ) am Freitag, 3. November 1978: Übermorgen wird über das Atomkraftwerk Zwentendorf abgestimmt. „Selbstverständlich werden wir verlieren – aber ein Drittel oder noch mehr Nein-Stimmen sind eigentlich ein Sieg für uns“, sagten sich die Genossinnen und Genossen, die in den letzten Wochen unermüdlich gekämpft haben.
Die Sozialistische Jugend beteiligte sich federführend an den Protesten gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf, hier am Bild eine Demonstration im Juni 1977.
Dennis und Donella Meadows, US-amerikanische ÖkonomInnen, berühmt geworden u. a. durch den 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“. Dieser enthielt als wesentliche Aussage, dass die Weltwirtschaft bei derzeitigem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum noch vor dem Jahr 2100 durch Umweltverschmutzung, Nahrungsmittel- und Rohstoffknappheit in sich zusammenbrechen werde.
A
uf die Wände haben sie „AKW nein danke“ gesprüht (das war damals „am Land“ geradezu revolutionär), „schwarz“ plakatiert, sich von manchem Chef (Chefinnen gab es damals fast keine) anhören müssen, dass „nur dumme Menschen“ gegen Atomkraft seien. Viele wurden für das Tragen des Anti-AKWStickers beschimpft. Aber es hat auch großen Spaß gemacht: Genosse Alfred Gusenbauer, der neue Bezirksvorsitzende der Sozialistischen Jugend, hatte immer bei den SPÖ-Sitzungen die Route der Pro-AKW-PlakatiererInnen der Partei mitgeschrieben, wir haben ihn dann von der Telefonzelle vor dem Gollinger Rathaus angerufen und uns mit unseren Fahrrädern auf den Weg gemacht, entlang der Route die Pro-AKW-Plakate zu überkleben. Oder wir verzierten die Rückseite des Gemeindeamtes (unökologischerweise waren wir damals sicherlich die HauptabnehmerInnen von Farbsprays). Die Zahl der Leute, die uns zustimmten, wurde immer mehr. Wir in Golling waren ganz stolz, dass wir erreicht hatten,
dass in jede Wahlkommission auch ein/e AKW-GegnerIn über die SPÖ delegiert werden konnte – immerhin auch ein kleiner Erfolg. Aber am Sonntagabend passierte das von uns erhoffte und doch auch unerwartete: 50,47 Prozent der Bevölkerung stimmte an jenem historischen 5. November mit „Nein“.
Anfänge des Widerstands Bereits in den 60er Jahren unter ÖVP-Alleinregierung Klaus geplant, wurde der Bau des AKW Zwentendorf 1971 von der Regierung Kreisky beschlossen. Erst Mitte der 70er Jahre regte sich ein wenig Widerstand, zu allererst wegen der Risiken: Was passiert, wenn es einen Unfall gibt? Schon damals warnten UmweltschützerInnen vor der Gefahr von Erdbeben. Wie hoch ist das Gesundheitsrisiko durch die Strahlung während des Betriebes? Oder die bis heute nicht gelöste Frage der Endlagerung der Brennstäbe. Eine weitere Kritiklinie waren die Warnungen vor einem „Atomstaat“ (wie es Robert Jungk, der Salzburger Zukunftsforscher nannte), wo
unter dem Vorwand des Schutzes der Atomkraftwerke demokratische Errungenschaften und Menschenrechte bedroht sind (wie wir es dann in den 90er Jahren im Zuge der Auseinandersetzungen um die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf in Bayern erleben konnten). „Die Grenzen des Wachstums“ – der Bericht des Club of Rome und die Bücher des US-amerikanischen Ehepaars Meadows zeigten deutlich auf, dass grenzenloses Wachstum nicht möglich ist. Dies stieß auf heftigen Widerspruch – nicht nur von Seiten der KapitalistInnen, sondern leider auch von GewerkschafterInnen. Einerseits weil es in der ArbeiterInnenbewegung eine zum Teil auch naive Hoffnung in Forschung und Technik gab, andererseits weil in der Vorstellung der durch die Sozialpartnerschaft geprägten GewerkschafterInnen in Österreich nur ein Mehr für die ArbeiterInnen bei einem steten Wachsen des Kuchens möglich war und der Kampf für eine Umverteilung vom Kapital zur Arbeit gescheut wurde.
Dennis und Donella Meadows, US-amerikanische ÖkonomInnen, berühmt geworden u. a. durch den 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“. Dieser enthielt als wesentliche Aussage, dass die Weltwirtschaft bei derzeitigem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum noch vor dem Jahr 2100 durch Umweltverschmutzung, Nahrungsmittel- und Rohstoffknappheit in sich zusammenbrechen werde.
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Sozialpanzerschaft Alles, was dem Wirtschaftswachstum dient, ist gut, weil dann sozialer Fortschritt für die ArbeiterInnenklasse ohne große Konflikte erreicht werden kann. Wenn sich UmweltschützerInnen gegen bestimmte umweltfeindliche Projekte stellen, dann wurden sie von Teilen der ArbeiterInnen als Feindinnen und Feinde angesehen (trauriger Tiefpunkt war die Auseinandersetzung um das Donaukraftwerk Hainburg 1984). Auch Waffen- und Panzerproduktion dient dem Wirtschaftswachstum. So engagierte sich die Sozialistische Jugend gemeinsam mit den beiden großen SozialistInnen Rosa Jochmann und Josef Hindels gegen einen Panzerexport in das damals faschistische Chile. Die Sozialpartnerschaft wurde auch „Sozialpanzerschaft“ genannt und der Liedermacher Winterstein sang: „Was ist das für ein Scheißsystem, in dem wir töten helfen müssen, um zu überleben“. Die Sozialistische Jugend und andere marxistische Kräfte – vor allem in der SPÖ Oberösterreich – sahen in der Auseinandersetzung um das AKW eine zentrale Kritik der Sozialpartnerschaftspolitik der Gewerkschaft.
Volksabstimmung dank SJ Die Herrschenden in der Gesellschaft – und teilweise auch in der SPÖ – versuchten mit viel Druck, die Pro-AKW-Linie durchzusetzen, aber selbst in der SPÖ wurden die Risse immer deutlicher. Die SPÖ Vorarlberg war gegen AKWs, immer größere Teile von SPÖ-Bezirken, selbst in der Arbeiterkammer und Gewerkschaft wurden die Aufkleber „Sozialisten gegen Atomkraft“ immer häufiger gesehen. Um die Nationalratswahl 1979 nicht zu gefährden, setzte Bundeskanzler Kreisky die Forderung der Sozialistischen Jugend und anderer AKW-GegnerInnen nach einer Volksabstimmung um. Und um die AKW-GegnerInnen wie die Mehrheit der Sozialistischen Jugend in der eigenen Partei zurückzudrängen, verband er den Ausgang der Volksabstimmung mit seiner Person. So stimmten die entscheidenden Prozente gegen AKW – bürgerliche WählerInnen, die es eben dem Kreisky „zeigen“ wollten. Die SPÖ tat sich mit dem Ergebnis sehr schwer. Bei einer Parteikonferenz ein paar Wochen nach der Volksabstimmung waren wir JungsozialistInnen richtig schockiert, wie offen überlegt wurde, mit welchen Tricks Zwentendorf trotz des eben beschlossenen „Atomsperrgesetzes“ doch noch aufgesperrt werden kann.
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Aber dem Kreisky und der gesamten SPÖ haben die Volksstimmung gut getan: 1979 gab es den größten Wahlsieg der SPÖ aller Zeiten!
Massenproteste und GAU Anfang der 80er Jahre begann der breite Protest gegen die Stationierung der US-amerikanischen Mittelstreckenraketen und Cruise Missiles – auch in Wien waren am 15. Mai 1982 70.000 und am 22. Oktober 1983 100.000 Menschen auf dem Wiener Rathausplatz und forderten ein atomwaffenfreies Europa. Das Engagement gegen den „Atomtod“ – in dem Fall Atomwaffen – war bis fast in den hintersten Winkel unseres Landes zum Thema geworden. Das Donaukraftwerk Hainburg wurde verhindert, wenn auch mit einer starken Unterstützung durch die Boulevardpresse. Der GAU von Tschernobyl 1986 war das endgültige Aus für das AKW Zwentendorf. 1999 wurde im Parlament ein Bundesverfassungsgesetz über das „atomfreie“ Österreich beschlossen – die erste Verfassung der Welt, die Atomwaffen und Atomkraftwerke verbietet. Nach dem GAU von Fukushima sind die Erfahrungen aus dem Kampf gegen das AKW Zwentendorf leider besonders aktuell.
Nein zur Atomkraft, Nein zum Kapitalismus So wichtig die technische und ökologische Kritik an AKWs auch ist, als Sozialistinnen und Sozialisten dürfen wir auf die Kritik am Kapitalismus nicht vergessen. Nicht nur jene am sogenannten Wachstumszwang, sondern dass kapitalistisches Wirtschaften für die Interessen einer kleiner Minderheit der Menschheit Mensch und Natur ausbeutet und zerstört. Das Nein zu AKWs muss mit einem ebenso klaren Nein zu Atombomben verbunden werden (zum Beispiel bei der HiroshimaAktion am 6. August ab 18.00 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz). Und vor allem: Kritisches Auftreten innerhalb der Sozialdemokratie ist ein wichtiger Beitrag für die gesamte Bewegung für fortschrittliche Veränderungen – ohne der Sozialistischen Jugend sowie vieler Genossinnen und Genossen an der Parteibasis hätte es nie eine Volksabstimmung gegeben – und ohne die SJ hätte Österreich heute wahrscheinlich mehrere AKWs (nach Zwentendorf war schon ein weiteres in Planung sowie noch eines projektiert).
Alois Reisenbichler ehemaliges Verbandsvorstandsmitglied, Friedensaktivist und langjähriger SJ-Unterstützer
AKW-Betonklötze sind innerhalb Österreichs dank des denkbar knappen Neins bei der Abstimmung 1978 nicht zu sehen, Atomstrom wird heute aber sehr wohl genutzt: Zwischen 6% (E-Control) und 15% (Global 2000) des heimischen Stroms können auf Atomenergie zurückgeführt werden. Dies ist vor allem der 2001 erfolgten Liberalisierung des Strommarktes zu verdanken.
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INTERNATIONALES INTERNATIONALES
Wütende Jugendproteste toben nun auch in Europa: Tausende Jugendliche demonstrieren in Spanien oder Griechenland für echte Demokratie und dagegen, dass die Finanzkrise zulasten ihrer Zukunftschancen saniert wird.
ECOSY / IUSY
» Real democracy, not capitalism! « Was geht ab in der ECOSY? Was tut sich in anderen befreundeten sozialistischen Jugendverbänden? “Trotzdem” bringt anlässlich des bevorstehenden IUSY Worldfestivals in Österreich ein Update über internationale Schwesterorganisationen und ihre Sicht über die anstehenden Herausforderungen auf internationaler Ebene. which continues to disadvantage the majority of people in our world, along with other issues. I also expect heaps fun to be had! Together, we can change the world!
James Sleep (Young Labour New Zealand, LGBT-Koordinator in der IUSY) We will be gathering at a challenging time for many progressive political parties across the world. Many of our sister parties are out of political office and have faced large defeats. IUSY World Festival 2011 provides us with an exciting opportunity to examine the economic and social changes that have taken place across the globe since the last World Festival in Zanka, and plan for the future.
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I‘m expecting rigorous debate about our progressive alternative to the economic framework
New Zealand Young Labour currently holds the LGBT Working Group Coordinator role on the IUSY Presidium. A committee has jointly been holding the role and I will be representing the committee at the World Festival.
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We‘re putting together the queer stream for the festival, along with others. This will include a political seminar discussing LGBT rights in the developing world (focusing on Asia Pacific and Africa), and a round table meeting of IUSY sister organisations and LGBT activists to discuss LGBT issues
within IUSY, and examine the progress being made within affiliated organisations to progress
I‘m expecting rigorous debate about our progressive alternative to the economic framework which continues to disadvantage the majority of people in our world, along with other issues. the rights of LGBT people within their own equality agendas.
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The New Zealand Labour Party is out of office after nine successful years in Government. 2011 is election year in New Zealand and we‘re working hard to win back office on November 26. Unemployment is high and wages are not keeping up with the rising cost of living. We have a huge fight on our hands to turn New Zealand around.
Abwechselnd mit der konservativen National Party stellte die NZLP in den letzten Jahrzehnten die Regierung in Neuseeland. Bis 2008 regierte die NZLP mit Premierministerin Helen Clark, wurde aber infolge einer Parteispendenaffäre abgewählt. Die NZLP versuchte, Privatisierungen und Deregulierungen schrittweise zurückzudrehen.
INTERNATIONALES INTERNATIONALES val is an extraordinary occasion to imagine them. The reason is that there are few chances in life for having comrades from all the corners of the Earth meeting in the same place, at the same time. And last but not least, when I leave Austria, I hope to carry a heavy luggage upon my shoulders, packed with unforgettable experiences, friends and fair causes.
Alejandro Encinas Nájera (Partido de la Revolución Democrática, Mexico) Die sozialdemokratische PRD wurde in den späten 1980er Jahren von desillusionierten ehemaligen Mitgliedern der jahrzehntelang regierenden PRI (Partido Revolucionario Institucional) gegründet. Mit Cuauhtémoc Cárdenas stellte die PRD bereits 1988 einen Präsidentschaftskandidaten, der knapp dem PRIKandidaten unterlag. Bis heute halten sich jedoch Wahlbetrugsvorwürfe. Ähnliche Manipulationen wurden bei den Wahlen 2006 betrieben, als die PRD mit dem Bürgermeister von Mexico-City, Andrés Manuel López Obrador, kandidierte und knapp dem konservativen Calderón unterlag.
Firstly, I am looking forward to share with my socialist comrades from all around the world an enriching dialogue concerning contemporary issues of great relevance. The general topics must address the future of our international organization, but also the challenges and opportunities of the progressive political forces and how can we encourage international solidarity. From distant countries we are receiving notices of events that are modifying the power relations and the paths of political and collective action. Against the “so called” political disaffection and apathy of the youth, we are witnessing a time when people -and specially the new generations-, from Spain to Egypt and from Latin America to Tunisia is demanding a real democracy. That is, an authentic deconstruction of the hegemonic ideas that have sustained in some cases autocratic regimes and in other cases, a cosmetic democracy.
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Against the “so called” political disaffection and apathy of the youth, we are witnessing a time when people -and specially the new generations-, from Spain to Egypt and from Latin America to Tunisia is demanding a real democracy.
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But on the other side, we have to recognize that the support for right wing and the conservatives is growing in many parts of the world. Surprisingly, the recent global economic crisis did not meant the retreat of the neoliberalism as the principle that organizes the world economy. At the same time, in some countries of Europe, the extreme right is accessing to the parliamentary representation. Xenophobic and racist attitudes are dramatically increasing. Therefore, we have to discuss about how are we going to confront this trends. We are obligated to represent an authentic and attractive alternative against hate and inequality. For achieving that, we need ideas, and the IUSY World Festi-
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Mexican PRD has being one of the most enthusiastic delegations in the previous IUSY World Festivals. Briefly, we are looking to participate in several conferences and forums, especially those that involve social movements, because of their amazing importance in our region. We will be committed to debate and deliberate. We will be open to clarify any doubt from any Latin American politics to comrades coming from other regions. And we will do what many expect from us: share our culture, traditions and music filled with joy.
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The creation of our youth organization is very recent. Before, youth issues depended on a secretary attached to the national executive committee. Even though by now we have these two instruments available, I am convinced that we have to bet for the development of the youth organization. First, we have to struggle to achieve an authentic autonomy from the adult comrades. That means that the youth must have the last word in the direction and decisions taken in the name of our organization. Secondly, it is fundamental to attract many young women and men in every city, village and town. Increasing our affiliates is unthinkable if our organization does not listen to the plurality or does not act congruently with its principles. Thirdly, young people are meant to be rebel, irreverent, original and creative. Our main function should be to constitute ourselves as the critic conscience of our party. This means to protest when we disagree, to break the silence and displace fear for hope. In summary, the main challenge of our organization is to be committed of giving voice to the youth concerns and demands, and besides, our efforts should be focused on reinforcing the democratic intern life of our recently created organization.
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Folgende Fragen wurden an die Jungsozialisten aus Neuseeland und Mexiko gestellt: 1. What are your expectations regarding the IUSY World festival 2011? 2. How will your organisation contribute to the IUSY World Festival? 3. What are the 3 biggest challenges at international and national level for your organisation? Bericht vom 10. ECOSY Congress in Bukarest, Rumänien
Talking about my generation Der zehnte ECOSY Congress in Bukarest stand im Zeichen der ECOSY Kampagne “Talking about my Generation” in der Jugendarbeitslosigkeit in Europa thematisiert und Lösungswege aufgezeigt werden sollen. Die SJÖ nahm mit fünf Delegierten am Kongress teil und ist mit Sandra Breiteneder als Vizepräsidentin das erste Mal seit Jahren wieder im Präsidium vertreten. Marko Miloradovic wird die SJÖ von jetzt an im Bureau, also im Ausschuss der ECOSY, vertreten. Der Kongress ließ, obwohl er nach wie vor von den Fraktionsstreitigkeiten der letzten Jahre geprägt war, Raum für breite politische Debatten. Die linken Organisationen innerhalb der ECOSY konnten bei diesem Kongress Mehrheiten in einigen inhaltlichen Fragen erringen und sind mit 40% der Präsidiumsplätze wieder verstärkt in der Organisation vertreten. Die Anträge der SJÖ zum Kampf gegen Rechtsextremismus, zum freien Hochschulzugang und zur Solidarität mit LGBTI Paraden wurden mit großer Mehrheit angenommen. Auch eine umstrittene Resolution zur Zukunft der europäischen Pensionssysteme, die von der SJÖ und unseren GenossInnen aus Belgien und Frankreich eingebracht wurde, wurde angenommen. Damit spricht sich die ECOSY gegen die Anhebung des Pensionsalters und für die Beibehaltung des öffentlichen Pensionssystems aus. Die von der SJÖ unterstützte Resolution für eine Abschaffung der NATO fand leider keine Mehrheit. Die Unterstützung für antimilitaristische Politik steigt aber dennoch. Gemeinsam mit dem VSSTÖ und SJD - Die Falken brachte die SJÖ auch ein Minderheitsstatement gegen Militarismus, Aufrüstung und Krieg ein. Durch unseren Einsatz konnte auch „Wählen ab 16“ als europaweite Forderung der ECOSY im Grundsatzprogramm verankert werden. Mit dem Kongress konnten die Weichen für die Zukunft der ECOSY gestellt werden und bereits einige sehr positive Projekte in die Wege geleitet werden. Die ECOSY wird als Organisation zugänglicher für die Mitgliedsorganisationen und nicht nur gewählte RepräsentanInnen, sondern auch interessierte AktivistInnen werden in Zukunft in Form von offenen Arbeitsgruppen an der Gestaltung der Politik der ECOSY teilnehmen können. Da mit diesem Kongress gerade die linken Organisationen der ECOSY gestärkt hervorgehen, sind für die Zukunft vermehrt politische Kampagnen und Seminare zu erwarten.
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INTERNATIONALES INTERNATIONALES
Humala wird daran zu messen sein, ob er es schafft, die Lebensbedingungen der armen Bevölkerungsmehrheit spürbar zu verbessern. (Foto: www.sxc.hu, eschu1952)
Peru
Ein Hinterhof weniger ? Wir befinden uns im Jahre 2011 - ganz Lateinamerika ist von progressiver, solidarischer Politik dominiert... Ganz Lateinamerika? Nein! Ein paar Bollwerke des Neoliberalismus und der rücksichtslosen Ausnutzung der eigenen Bevölkerung gibt es noch. Mit dem knappen Wahlsieg von Ollanta Humala in Peru könnte aber auch eines der letzten dieser Bollwerke weggefallen sein. ie meisten lateinamerikanischen Länder proklamierten um 1810 herum ihre Unabhängigkeit. Peru war mit seiner Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1824 eines der letzten Länder - vergleichbar mit der heutigen Situation. Peru stellte bis zur jüngsten Präsidentschaftswahl, gemeinsam mit Kolumbien und Chile, einen rechten Fleck auf der Linksruck-Landkarte des Kontinents dar. Während Staaten wie Kuba (seit der Revolution 1959), Venezuela (Hugo Chávez ab 1998), Brasilien („Lula“ da Silva ab 2003, ab 2011 Dilma Rousseff), Bolivien (Evo Morales ab 2005) oder Ecuador (Rafael Correa ab 2007) seit Jahren eine eigenständigere Politik verfolgen, war
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Humala gewann vor allem in den ländlichen Regionen, Fujimori sahnte in den wohlhabenderen Gegenden ab.
Peru jahrelang ein treuer Partner, ein „Hinterhof“ der USA. Ob im „war on drugs“, der den (nach Kolumbien und vor Bolivien) zweitgrößten Kokaproduzenten Peru im Visier hat oder beim Ausverkauf von Rohstoffen und Kohlenwasserstoffen, war Perus Regierung bei jeder neoliberalen Schandtat immer wieder mit dabei. Während in den meisten Nachbarländern nach der Reihe linke Parteien und PräsidentInnen an die Macht gewählt wurden, folgte in Peru ein neoliberaler Präsident dem nächsten.
Fujimori: Macht statt Knast? So prägte der von 1990 bis 2000 amtierende Präsident Alberto Fujimori den Ausspruch
„Mein Land ist ein Produkt, ich biete ein Produkt an, das Perú heißt“. Der Sohn japanischer EinwanderInnen, der 1990 die Wahl gegen den Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa gewann, sitzt momentan im Gefängnis. Zu mehr als 20 Jahren Haft wurde er wegen Amtsmissbrauchs, Korruption, Einsatz von Todesschwadronen, Verletzung der Menschenrechte und vielem mehr, verurteilt. Ob Medien, Justiz oder Parlament – Fujimori sicherte sich mittels Bestechung und schmutzigen Geschäften volle Kontrolle und zog seine Privatisierungspolitik ebenso brutal durch wie die Bekämpfung und Eliminierung aufständischer Gruppen. Um ein Haar wäre Fujimoris Einfluss in der peruanischen
INTERNATIONALES INTERNATIONALES Politik aber wieder schlagartig gestiegen, hätte der Linkskandidat Ollanta Humala nicht knapp vor dessen Tochter Keiko die Wahlen gewonnen. Keiko Fujimori zog mit Humala am 5. Juni 2011 in die Stichwahl und unterlag mit 48,5 Prozent. Ihr Wahlkampf wurde vom Papa höchstpersönlich „von der Zelle aus“ gesteuert.
Opus Dei und Law & Order
Opus Dei …ist eine 1928 in Madrid gegründete katholische Organisation, die ihren Mitgliedern strenge Disziplin in Form von bestimmten festgelegten Gebeten und Übungen vorschreibt und eine sektenartige Struktur aufweist. Der Opus Dei wird oft wegen seines politischen Engagements kritisiert. So war der Opus Dei ein fester Bestandteil des faschistischen Franco-Regimes in Spanien und in Zusammenarbeit mit dem chilenischen Diktator Pinochet (1973-1990).
Das Wahlkampfprogramm Fujimoris war ein ForderungsMix aus Law&Order (Todesstrafe für Kinderschänder, mehr Gefängnisse und Polizei) und Neoliberalismus, wie ihn auch ihr Vater prägte (neue Anreize für InvestorInnen, „Vereinfachung“ des Steuersystems, etc.). In einem weiteren Punkt lässt sich eine Parallele ziehen: Auch Keiko hatte mit einer Anklage zu kämpfen, die allerdings schnell wieder fallengelassen wurde. Der Grund: Ihr BWL-Studium an einer US-amerikanischen Elite-Uni soll aus der Staatskasse bezahlt worden sein. Der Wahlkampf Fujimoris wies wenige konkrete Inhalte auf abgesehen von Versprechungen wie auf Radikalität zu verzichten, um das Land für InvestorInnen attraktiv zu machen. Als Vizepräsidenten sah Keiko den Opus-Dei-Mann Rafael Rey vor, der sich vermehrt gegen jegliche Aufklärung der von der Armee begangenen Menschenrechtsverbrechen während der 1990er Jahre aussprach und schon dem „alten“ Fujimori als Berater zur Seite stand.
Wer ist Humala? Blicken die PeruanerInnen der lange ersehnten besseren Zukunft entgegen? (Foto: www.sxc.hu, getye1)
Diese Frage stellten sich zuletzt viele. Der „Linksnationalist“, wie er in europäischen Medien bezeichnet wird, trat mit dem Wahlbündnis „Gana Perú“ an und gewann schon die erste Wahlrunde mit 32 Prozent vor Fujimori (24%). Humala, der sich immer wieder mit Vor-
würfen konfrontiert sieht, zu freundlich gegenüber Venezuelas Präsident Chávez zu sein, hat diese Vorwürfe mehrmals dementiert. Um Wahlempfehlungen möglichst breiter Teile des Parteienspektrums zu gewinnen, entschärfte Humala auch sein Wahlprogramm. So distanzierte er sich beispielsweise von der Verstaatlichung der Ressourcen (Bergbau, Erdgas, …) und deutete lediglich eine Neuverhandlung der Verträge mit ausländischen Firmen über die Höhe ihrer Steuerabgaben an. Die dadurch gewonnenen Steuereinnahmen sollen vor allem in Bildungs- und Gesundheitsversorgung der Bevölkerung fließen, sowie in eine Erhöhung der Mindestlöhne, die im Moment bei umgerechnet etwa 150 Euro liegen.
Die politische Landkarte Südamerikas ist nun noch ein Stückchen weiter errötet. Rot: tendenziell linke Regierungen Blau: tendenziell konservative Regierungen Länder mit linker Regierung, von Nord nach Süd (Jahr der Linkswende, PräsidentIn): Kuba (1959, Raúl Castro) Venezuela (1998, Hugo Chávez) Brasilien (2003, Lula da Silva, seit 2011 Dilma Rousseff) Ecuador (2007, Rafael Correa) Peru (2011, Ollanta Humala) Bolivien (2005, Evo Morales) Paraguay (2008, Fernando Lugo) Argentinien (2003, Néstor Kirchner, seit 2007 Cristina Fernández de Kirchner) Uruguay (2005, Tábare Vázquez, seit 2010 José Mujica) Länder mit rechter Regierung, von Nord nach Süd (Jahr des Regierungsantritts, PräsidentIn) Kolumbien (2002, Álvaro Úribe, seit 2010 Juan Manuel Santos) Chile (2011, Sebastián Piñera)
Enttäuschte Hoffnungen Grassierende Armut, fehlende soziale Gerechtigkeit und Perspektiven, korrupte Regierungen etc. Das Vertrauen der PeruanerInnen in das politische System Perus und die Demokratie generell ist mehr als angeschlagen. Laut Latinobarómetro 2010 glaubten nur 16 Prozent der Bevölkerung, dass die Regierung zum Wohl des Volkes handle und nur 28 Prozent waren mit der Demokratie als Staatsform zufrieden. 48 Prozent – fast die Hälfte – würden demnach eine Militärregierung unterstützen. Die PeruanerInnen scheinen völlig desillusioniert. In Peru leben 54 Prozent der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums, nahezu 20 Prozent in absoluter Armut, wobei dabei ein großes Stadt-Land Gefälle herrscht. Auf dem Land befinden sich überwältigende 83 Prozent der BewohnerInnen unterhalb der Armutsgrenze, was sich unter anderem auch in der mangelnden Trinkwasserversorgung manifestiert. In den Städten verfügen 12 Prozent über kein fließendes Trinkwasser, während es am Land 68 Prozent sind. Die Kindersterblichkeitsrate bei unter 5-jährigen liegt bei 22 je 1000 Lebendgeburten (im Vergleich: Venezuela 17, Kuba 6), 26 Prozent der Kinder sind chronisch unterernährt.
Präsident der Armen? Vor allem im armen Süden des Landes, im Hochland um den Titicacasee, blickte man in den letzten Jahren hoffnungsvoll
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über die Grenze zum Nachbarn Bolivien, der unter Evo Morales einen großen sozialen Wandel vollzog. Hier und in den stark indigen geprägten Provinzen erreichte Humala auch seine besten Ergebnisse – etwa in Condorcanqui (Region Amazonas) mit über 91 Prozent der Stimmen. Die Lage für Ollanta Humala, der am 28. Juli sein Amt antreten wird, ist schwierig - sowohl wirtschaftlich, als auch demokratiepolitisch steht Perú auf wackeligen Beinen. Es bleibt abzuwarten in welche Richtung sich seine Regierung entwickelt. Klar ist: sein politischer Diskurs wurde in den letzten Jahren immer gemäßigter. Abzuwarten bleibt, ob dies Taktik war, um ausländische InvestorInnen und KreditgeberInnen nicht abzuschrecken oder ob er auch seine Politik dementsprechend gestalten will. Die Wahlkampfrhetorik lässt eher auf eine gemäßigte Sozialpolitik à la Lula da Silva schließen als auf große soziale Umbrüche à la Chávez oder Morales. Viele PeruanerInnen sprechen von Humala als dem „mal menor“, dem kleineren Übel im Vergleich zu seiner Konkurrentin Fujimori. Zu hoffen bleibt, dass der „Linksruck“ an den Wahlurnen auch wirklich eine Politikumkehr zur Folge hat, mit der die sozialen Ungleichheiten in Perú verringert werden können.
Lisa Butzenlechner
Bei den 644 wahlberechtigten PeruanerInnen in Österreich gewann Fujimori. Von 248 abgegebenen Stimmen entfielen 140 auf Fujimori, 89 auf Humala, 19 stimmten ungültig. Etwas knapper fiel Fujimoris Vorsprung in Deutschland aus: 663 zu 565.
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INTERNATIONALES INTERNATIONALES
Arabischer Raum
Arabisches Frühlingserwachen? Was im Winter 2010/11 als Demonstrationen einiger hundert meist junger Menschen in Tunesien begann, hat sich binnen Wochen zu einem regionalen Flächenbrand ausgeweitet. Die Revolten, Demonstrationen, Besetzungen zentraler Plätze wie dem Tahrir Platz in Ägypten haben sich zu Revolutionen ausgewachsen. Was kommt nach dem großen Umbruch.
Die Bilder der wochenlangen erfolgreichen Großkundgebungen und Proteste am Kairoer TahrirPlatz gingen um die Welt. Immer noch halten sich jedoch Teile der alten Eliten an der Macht fest.
Muhammad Husni Mubarak war von 1981 bis 2011 autokratisch regierender Staatspräsident in Ägypten und wurde von der Revolutionswelle hinweggefegt.
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euerdings firmieren die Umbrüche in der arabischen Welt unter „Arabischer Frühling“. Angesichts der historischen Reminiszenzen an den Prager Frühling – der bekanntlich durch den Einmarsch des WarschauerPakts ein jähes Ende gefunden hat – scheint der Begriff etwas unglücklich gewählt. Der Verlauf der Aufstände in der arabischen Welt ist denkbar heterogen: Das Spektrum reicht von der Beseitigung kleptokratischer Autokraten, die zur persönlichen Bereicherung und zum Machterhalt über Jahrzehnte die eigenen Bevölkerungen unterdrückten, über massive Repressionen und der gewaltsamen Niederschlagung der Bewegungen bis zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen mit westlicher Beteiligung.
Während in Tunesien der Zwischenschritt der Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung gemacht und somit ein grundlegender Neustart versucht wird, hat in Ägypten weiter das Militär die Zügel in der Hand. Zur ersten Gruppe zählen Tunesien und Ägypten. Beide Länder stehen nun vor tiefgreifenden
Reformen, vor einer (Neu-) Formierung eines demokratischen Staatengebildes. Während in Tunesien der Zwischenschritt der Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung gemacht und somit ein grundlegender Neustart versucht wird, hat in Ägypten weiter das Militär die Zügel in der Hand. Es stellt sich die Frage: folgt dem regime change auch ein system change? In Ägypten scheint dies nicht der Fall zu sein. An den grundlegenden (rein männlich dominierten) Machtverhältnissen hat sich nicht viel geändert, Mubaraks Sturz kann auch als Bauernopfer des Militärs gelesen werden, um „Schlimmeres“ abzuwenden. Beide Länder haben eine enorme regionale Strahlkraft: Ägypten ist als das bevölkerungsreichste arabische Land ein regionales Machtzentrum. Und bei dem „Vorzeigeland“ Tunesien – vergleichsweise hoher Lebensstandard und hohe Bildungsraten, politische Pluralität im Parteiensystem – drängt sich die Frage auf: Sollte die Transformation zu einer Demokratie hier nicht funktionieren, wo sonst? Beide Länder sind in den letzten
Wochen etwas aus dem Fokus der internationalen Öffentlichkeit gerückt. Kaum verwunderlich, angesichts der desaströsen Intervention der NATO in Libyen und der stillen Anteilnahme des Westens beim blutigen Vorgehen des syrischen Regimes gegen KritikerInnen. Während der Westen also unter Federführung ehemaliger Kolonialmächte eine beispiellos schlecht vorbereitete und legitimierte Intervention durchführt und Partei in einem Bürgerkrieg ergreift, gilt in anderen Ländern (mit weniger Öl?) das Gebot der vornehmen Zurückhaltung. (Man erinnere sich übrigens: 2007 wollte Frankreich in Libyen noch ein Atomkraftwerk bauen.) Zweifelsfrei, Gaddafi ist ein leicht verwirrter, exzentrischer Autokrat, der vor Gewalt nicht zurückschreckt. Aber würde man der Interventionslogik folgen und auf weitere Länder umlegen („Schutz der Zivilbevölkerung“), wäre die Misere vorprogrammiert. Speziell Europa muss seine Politik gegenüber der arabischen Welt überdenken. Solange die Vorteile überwogen, sah man wenig Notwendigkeit, zu handeln -Menschenrechtslage hin oder her. Sich jetzt als Hort der Demokratie und Menschenwürde zu gerieren, ist wenig glaubhaft. Europa sollte nun beim Aufbau einer neuen demokratischen, sozial gerechten Ordnung in der arabischen Welt behilflich sein. Zum einen in wirtschaftlicher Hinsicht, etwa durch Hilfszahlungen oder den Abbau protektionistischer Handelspolitiken in der Landwirtschaft, zum anderen beim Transfer von (politischem) Know-How. Von den verbliebenen Potentaten muss sich Europa schleunigst lösen.
Sebastian Schublach
Gesicherter Zufluss von Öl und Verhinderung des Zustroms von MigrantInnen durch die Regimes
Oberhaupt eines Stammes/Volkes/Reiches/ Landes
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INTERNATIONALES INTERNATIONALES
Seit Monaten bombt die NATO auf Libyen.
Libyen
Gewalt verhindern, nicht vermehren ! In vielen afrikanischen Ländern haben die Verhältnisse zu tanzen begonnen. Eingegriffen haben EU und NATO aber nur in Libyen. Rechtfertigt das gewaltsame Vorgehen eines Diktators gegen das eigene Volk einen Kriegseinsatz der NATO? Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat einen Haftbefehl gegen den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi und seinen Sohn Saif al-Islam erlassen. Vorgeworfen wird den beiden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Seit März sind in der Erdöloase nämlich blutige Kämpfe zwischen Rebellentruppen und Gaddafis Militärs im Gange. Das hat eine „Koalition der Willigen“ auf den Plan gerufen, gegen Libyen Krieg zu führen, um „Zivilisten vor dem Gaddafi-Regime zu schützen“ . Nach einer Bilanz der Allianz sind seit Übernahme der Führung des Militäreinsatzes durch die NATO am 31. März mehr als 4.748 Kampfeinsätze gegen „militärische Ziele“ geflogen worden. Gedeckt wird die Aktion durch eine UNO-Resolution, die eine Flugverbotszone über Libyen vorsieht.
Demokratie kann nicht eingebombt werden Das wirft viele Frage auf. Speziell die jüngere Geschichte hat gezeigt, dass Demokratie und Frieden einem Land nicht einzubomben sind (z.B. Irak, Afghanistan). Dafür braucht es wesentlich komplexere diplomatische und politische Anstrengungen. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass militärische Interventionen die Gewaltspirale weiter anheizen anstatt, wie gerne behauptet, sie zu einem schnellen Ende zu bringen. „Kriegsverhütung beginnt beim Verbot von Waffenlieferungen an Diktatoren“,
sagte Oskar Lafontaine in einem Zeitungsinterview kurz nach Kriegsausbruch. Hätten sich die kriegführenden Länder an sein Credo gehalten, wäre Libyen viel erspart geblieben. Und die viel wichtigeren Fragen: Stecken dahinter womöglich ökonomische und politische Interessen, die nichts mit den öffentlichkeitswirksamen und moralisch untersetzten NLP-Phrasen zu tun haben? Warum spielen die Konflikte in Bahrain, Syrien, usw. in den internationalen Gremien keine Rolle? Wurde
Speziell die jüngere Geschichte hat gezeigt, dass Demokratie und Frieden einem Land nicht einzubomben sind (z.B. Irak, Afghanistan) lieber doch mit der Wirtschaftskraft der Wüstenoase geliebäugelt?
Sonderfall Libyen Die gesellschaftliche Zusammensetzung der libyschen Protestbewegung unterscheidet sich gravierend von den anderen nordafrikanischen Staaten – zumal in Libyen verhältnismäßig stark ausgeprägte tribalistische Strukturen vorherrschen. Im Osten des Landes kam es bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Aufständen. Libyen ist sehr stark von Stammeskulturen geprägt, die sich in offener Feindschaft zum Regime befinden, allerdings auch von demokratischen Systemen wenig halten. Hier
haben partikulare Machtinteressen Vorrang. Anders als andere nordafrikanische oder arabische Länder ist Libyen ökonomisch verhältnismäßig reich und stabil. So hat etwa die GeschlechterGleichberechtigung einen für Arabische Länder recht hohen Index-Wert auf der dafür entwickelten UNO-Skala.
Libyen als gern gesehener Handelspartner 2007 schlossen der französische Präsident Sarkozy und Gaddafi ein Abkommen über „militärische und atomtechnische Zusammenarbeit“ . 8 Prozent des libyschen Exports fließen nach Frankreich. Über 90 Prozent der libyschen Exportwaren kommen aus der Erdöl- und Erdgasindustrie. Italien ist mit beinahe 40 Prozent einer der Hauptabnehmer libyscher Exportwaren. Die EU und Italien betrachteten Libyen als wichtigen Partner in Sachen Flüchtlingspolitik. Seit Mai 2009 gibt es ein „Rückführungsabkommen“ und gemeinsame Seepatrouillen; die EU-Kommission verhandelte bis vor kurzem noch darüber .
Martin Oppenauer
Einst gern gesehener Handelspartner, jetzt böser Feind und Kriegsverbrecher: Muammar al-Gaddafi ist seit 1969 Libyens Diktator.
Koalition der Willigen …aus USA, Großbritannien und Frankreich startete die militärische Intervention in Libyen. M Mittlerweile hat die NATO das Kommando übernommen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Handelsvolumen der beiden Länder um mehr als vier Prozent. Eine Tribalistische Struktur ist eine von Stämmen geprägte Gesellschaftsstruktur. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen 2 http://hdrstats.undp.org/ en/indicators/89106.html 3 Fischer Weltalmanach 2010, S. 337 4 Fischer Weltalmanach 2011, S. 314 1
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Gert Hoffmann, einer der letzten lebenden Spanienkämpfer Österreichs.
GESCHICHTE GESCHICHTE
Auf holprigen Straßen durch das 20. Jahrhundert
© Studio E. Hlas
Spanien
Ein Kommentar über das Zeitzeugengespräch mit dem Spanienkämpfer Gert Hoffmann vom 15. Juni 2011
„Barcelona – Grus – Managua“ lautet der Titel des Buches von Gert Hoffmann, einem der beiden letzten lebenden österreichischen Spanienkämpfer. Das Leben von dem er aus dem Gedächtnis und seinem Buch heraus rezitierte klingt abenteuerlich und erscheint fast wie das Drehbuch für einen Film. Doch hier handelt sich es um keine Fiktion. Alles war real: Die Repressionen durch das Dollfuß-Regime, der Einmarsch der Nazis in Österreich, das Elend in der tschechischen Migration sowie der Wahnsinn zweier Kriege und das Chaos danach. Doch auch seine Hoffnung auf ein besseres Morgen, damals wie heute, ist real und inspiriert.
Der Republikaner Gert Hoffmann Lebensgeschichte beginnt an einem Punkt der Weltgeschichte, der von Veränderungen geprägt ist. Gert wird 1917 als zweiter Sohn einer sozialdemokratischen jüdischen Anwaltsfamilie geboren. Es ist jenes Jahr, in dem Lenin und seine Bolschewiken die Macht in Russland übernehmen und mit ihrer Revolution den Grundstein für die Sowjetunion legen. 1918 erlebt der siebzehn Monate alte Gert gemeinsam mit seiner Mutter, wie in Wien die Habsburger-Monarchie beendet wird und man die Republik Deutsch-Österreich ausruft. Von da an sieht sich Gert als Republikaner. Schon früh kommt Gert mit Politik in Berührung. Sein älterer Bruder Wolfgang reißt, als Gert 14 war, von Zuhause aus und geht nach Hamburg um sich als Schiffsjunge durchzuschlagen. Mit dem Krisenjahr 1929 endet dies jedoch, der Schiffsverkehr auf der Nordsee wird durch den schwarzen Freitag und dessen Folgen jäh beendet. Sein Bruder kommt als gestandener Kommunist heim und spielte von da an eine bedeutende Rolle für Gert, ebenso wie dessen
Vater, ein „theoretischer Revolutionär“. Es lag auf der Hand, dass die Gebrüder Hoffmann gemeinsam politisch aktiv wurden. Gerts Ansicht war hier klar: Immer für die Gerechtigkeit eintreten. Die Zeichen stehen auf Sturm. Unter Diktator Dollfuß wird 1933 das Parlament ausgeschaltet und ein austrofaschistischer Ständestaat errichtet. Im darauffolgenden Jahr 1934 erlebt Gert die BürgerInnenkriegsereignisse vom 12. Feber hautnah. Hier sieht er seinen ersten Toten und merkt, dass es ernst wird für den Republikaner.
Kampf und Flucht Weder Gert noch sein Bruder denken ans Aufgeben nach der Niederlage in den Februarkämpfen 1934. Mehr als zuvor erkennen beide, wie wichtig es ist, für die Republik und gegen die Knechtschaft der DollfußDiktatur einzutreten. Diese versucht mit dem Standrecht, einem brutalen Polizeiapparat und dem Anhaltelager Wöllersdorf der Lage Herr zu werden, vergebens. Gewalt regiert den Alltag. Ebenfalls 1934 überfallen Nazis das Bundeskanzleramt und töten Dollfuß, welcher somit zur Ikone des „österreichischen Widerstands“ für christ-
lich-sozial-konservative Kreise wird. Trotz der starken Präsenz an Nazis waren die Gebrüder Hoffmann aktiv im politischen Kampf, was nicht ohne Folgen blieb. Abwechselnd saß einer der beiden Brüder ein, der Bruder sogar im berüchtigten Anhaltelager
Weder Gert noch sein Bruder denken ans Aufgeben nach der Niederlage in den Februarkämpfen 1934. Mehr als zuvor erkennen beide, wie wichtig es ist, für die Republik und gegen die Knechtschaft der DollfußDiktatur einzutreten. Wöllersdorf, welches als Sammelbecken für SozialistInnen, KommunistInnen, GewerkschafterInnen und Nazis diente.
Auf nach Spanien Gerts revolutionärer Eifer nahm mit dem 19. Juli 1936 eine neue Dimension an. Der spanische BürgerInnenkrieg war ausgebrochen. Junge SpanierInnen zogen bewaffnet gegen die VerräterInnen der Republik ins Feld. In der ganzen Welt löste ihr Kampf
Begeisterung, Zustimmung und Hilfsbereitschaft aus. Schon nach wenigen Wochen machten sich die ersten freiwilligen Internationalen Verbände auf dem Weg nach Spanien, um ihren GenossInnen zur Hilfe zu kommen. Mit dem Jahr 1937 trifft es den mittlerweile 20 Jahre alten Gert schwer: Er wird verhaftet und zu 5 Jahren schweren Zuchthaus verurteilt. Zeitgleich zu seiner Verhaftung endete die Schlacht um Madrid mit einem Sieg der RepublikanerInnen gegen das faschistische Lager, das rote Madrid hält Stand! Gerts Bruder war einer jener Interbrigadisten, die hier kämpften, was in Gert die Sehnsucht weckte gemeinsam mit seinem Bruder gegen den faschistischen General Franco und seine Handlanger zu kämpfen. Für den jungen Republikaner geht es aber nach Stein, wo er bis zur Amnestie von 1938 einsitzt. Die Lage hat sich in Österreich geändert. Hitler zwingt dem austrofaschistischen Diktator und Dollfuß-Nachfolger Schuschnigg seinen Vertrauensmann SeyssInquart als Innenminister auf, somit kontrollieren die Nazis die Polizei und das Sicherheitswesen. So wie die Nazis, werden auch SozialistInnen und KommunistInnen als politi-
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GESCHICHTE GESCHICHTE Frontstellung im spanischen BürgerInnenkrieg frente popular (Volksfront) Verbündete im Inland
Die katholische Kirche war treue Verbündete der faschistischen Franco-Diktatur. Der Opus Dei stellte in den letzten Regierungsjahren 10 von 19 Kabinettsmitgliedern.
Berühmteste Anti-Franco-Parole (Sie werden nicht durchkommen) des Spanischen BürgerInnenkrieges.
Internationale Verbündete sche Gefangene entlassen. Gert erlebt nun die letzten Tage, bevor Österreich als der Gau Ostmark ins Deutsche Reich aufgehen sollte. Am 11. März riet ihm der Vater „Du musst fort, so schnell es geht. Diese Bande kennt keine Gnade“. So emigrierte Gert Hoffmann nach Tschechien.
No Pasarán! Das tschechische Exil sollte nur eine kurze Station in Gerts Leben sein. Im Sommer 1938 schafft er es über Paris nach Spanien. Auch Jahre nach dem spanischen BürgerInnenkrieg sowie dem zweiten Weltkrieg besuchte Gert Spanien oft und immer fühlte er sich so, als kehre er heim. Beweisen konnte er
1938 tobt ein erbitterter Kampf: Republik gegen Diktatur! Demokratie gegen Faschismus! Sozialistische InterbrigadistInnen gegen faschistische Legionäre! Franco gegen die Menschen Spaniens!
Nazi in höchsten Führungspositionen. Nachdem Adolf Hitler vom österreichischen Kanzler Schuschnigg die Beteiligung der NSDAP an Regierungsämtern forderte, wurde Arthur Seyß-Inquart 1938 zum Innen- und Sicherheitsminister bestellt. Für 3 Tage war Seyß-Inquart Bundeskanzler, bevor er nach dem Einmarsch Nazi-Deutschlands zum Reichsstatthalter in Österreich bestellt wurde. Seyß-Inquart war verantwortlich für die Deportationen von über 100.000 Jüdinnen und Juden, die Erschießung unzähliger WiderstandskämpferInnen und die Einführung von Zwangsarbeit. 1946 wurde er als Kriegsverbrecher hingerichtet.
es nie, jedoch vermutet er, dass seine jüdische Familie spanische Wurzeln hat. Gerts großer Vorteil war, dass er sich im Selbststudium bereits Spanisch als Sprache angeeignet hatte. Dies verstärkte seine Verbundenheit gegenüber Spanien umso mehr. 1938 tobt ein erbitterter Kampf: Republik gegen Diktatur! Demokratie gegen Faschismus! Sozialistische InterbrigadistInnen gegen faschistische Legionäre! Franco gegen die Menschen Spaniens! Das war Spanien 1938 und Gert wollte für Frieden, Freiheit sowie Demokratie Partei ergreifen. Er solidarisierte mit den Töchtern und Söhnen Spaniens im Kampf um die Freiheit und stritt gemeinsam mit den internationalen Brigaden für ein besseres Morgen in Spanien und für den internationalen Sozialismus in der Welt. Nach seiner Grundausbildung wird Gert auch schon mit dem Bataillon 12. Februar, es bestand vorwiegend aus Österreichern, an die Front am Ebro geschickt. Als man die Internati-
frente nacional (Nationale Front)
SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen, Gewerkschaften, gemäßigte RepublikanerInnen, Mehrheitsbevölkerung
FaschistInnen, Monarchie-BefürworterInnen, Armee, katholische Kirche, GroßgrundbesitzerInnen
Internationale Brigaden (40.60.000), Hilfe von Sowjetunion
Unterstützung aus Deutschland u. Italien (D: Flugzeuge, Legion Condor, I: Zigtausende SoldatInnen), US-Geldmittel für Franco, Nichteinmischungspolitik GB, FR, US
onalen Brigaden demobilisierte, wurde Gert als Soldat der spanischen Republik mobilisiert. Doch diese ist verloren und Gert muss wie so viele InterbrigadistInnen 1939 nach Frankreich fliehen. Der Faschismus hat in Spanien gesiegt, doch für Gert geht der Kampf weiter!
Die Wirren des Krieges In Frankreich wird Gert in ein Internierungslager gesperrt, in dem der Lebensstandard miserabler kaum sein könnte. Viele der SpanienkämpferInnen werden an Deutschland ausgeliefert oder kommen spätestens mit der deutschen Besetzung Frankreichs in Konzentrationslagern um. Gert kann während der Zeit der Internierung sowohl seinen Bruder, als auch seinen Vater ausfindig machen. Das Treffen mit seinem Bruder soll das letzte sein: Wolfgang Hoffmann wird von den Nazis im Vernichtungslager Groß-Rosen ermordet. Der Vater kommt in einem französischen Lager ums Leben. Gert Hoffmanns Mutter, die nach Brüssel geflohen ist, wird von den Nazis in den letzten Kriegstagen ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Nach langen Monaten des Hungers und der Kälte in den Lagern St. Cyprien und Gurs schafft es Gert Hoffmann schließlich zu fliehen und in Frankreich unterzutauchen. Nach einer erneuten Verhaftung gelingt es ihm, an gefälschte spanische Papiere zu kommen und er wird „als Spanier“ von den Nazis zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Nach einem Bombardement konnten er und seine LeidensgenossInnen aus der Munitionsfabrik fliehen und sich schließlich dem französischen Widerstand anschließen. Gegen Kriegsende rekrutiert ihn die USArmee und er nimmt als GI an der Befreiung Deutschlands teil.
Im November 1945 schlussendlich kehrt er ins zerbombte Wien zurück.
Was bleibt? Gert kämpfte stets für die Solidarität und die Freiheit, gegen Faschismus, Unterdrückung, Ellenbogenmentalität, Konkurrenzdenken. Den Armen helfen statt an den eigenen Vorteil zu denken und gegen Ungerechtigkeit einzutreten, wo es nur geht. Gert hat Respekt und Anerkennung verdient. In das Buch, das ich mir von ihm gekauft habe, schrieb er: „Für Stefan, Wir sollen die Mühen der vergangenen Kämpfe nicht vergessen. Gert Hoffmann 15.6.2011“
Stefan Minarik
Zehntausende AntifaschistInnen aus Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich oder Jugoslawien kämpften in den Internationalen Brigaden gegen den Faschismus. Unter den KämpferInnen gab es auch einige Prominente (Pablo Picasso, Ernest Hemingway, George Orwell), die Leitung hatte einst Josip Broz Tito inne, der später jugoslawischer Staatschef wurde.
Spanischer Bürgerkrieg 17. Juli 1936
Beginn des Aufstands Francos gegen die Republik
Okt. 1936
Beginn der Belagerung Madrids durch die Faschisten
9. Okt. 1936 Internationale Brigaden werden aufgestellt 23. Dez. 1936
Italien greift in den Krieg auf Seiten der Faschisten ein
26. April 1937
Bombardierung Guernicas durch die deutsche Legion Condor
24. Juli 1938
Beginn der Ebroschlacht, an der Gert Hoffmann teilnahm
Jan. /Feb. 1939 Franco erobert Katalonien; George Orwell kämpfte hier 28. März 1939
Madrid fällt in faschistische Hand
1. April 1939
Franco verkündet den Sieg
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Der „FIFA Women’s World Cup Germany 2011“ wird von 26. Juni bis 17. Juli 2011 im Land der Titelverteidigerin Deutschland ausgetragen.
Frauen-WM
Der Ball ist rund Vom 26. Juni bis zum 17. Juli ist es soweit: Die Fifa Frauen WM 2011 wird als Happening in Deutschland gefeiert. Anders als in den Jahren davor, wird dem Frauenfußball heuer Aufmerksamkeit geschenkt, es gibt Public-Viewings und die Medien kommen um eine halbwegs ordentliche Berichterstattung nicht mehr herum
Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist der Weltfußballverband mit Sitz in Zürich (Schweiz). Er organisiert verschiedene Fußballwettbewerbe, darunter die Männerund die Frauen-WM.
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ennoch stolpern Interessierte bei der Beobachtung der WM über eine Menge an sexualisierten Meldungen rund um ein Event, bei dem es eigentlich um Fußball gehen sollte – nicht um Haare, Brüste und Beziehungen. Prinzipiell wird mit Fußball noch immer Männerfußball gemeint. Allein die Bezeichnung „Frauenfußball“ zeigt, dass Frauenteams noch immer das Andere im Fußball darstellen. Während ihre männlichen Kollegen sich regelrecht goldenen Nasen verdienen, müssen so gut wie alle Spielerinnen neben dem Sport zumindest Teilzeit arbeiten – ordentliche Gagen für Frauenteams: weit gefehlt. Obwohl das deutsche Nationalteam im Frauenfußball um einiges besser
ist als jenes der Männer, ist das Spektakel rund um die „normale“ FIFA Weltmeisterschaft um einiges riesiger und das, obwohl die Geschichte von Fußballerinnen sich wirklich zeigen lassen kann.
„Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!“* Fußball hat seine Ursprünge in England. 1863 wurden die beiden Sportarten Rugby und Fußball getrennt, die Football Association gegründet und die bis heute gültigen Regeln aufgestellt. 1894 war es soweit: die ersten englischen Fußball-Klubs für Frauen sprießen aus dem Boden. Frauen haben seit dem Bestehen des Fußballs auch Fußball gespielt, sie wurden mal mehr, mal weni-
ger von der Bildfläche verdrängt. Während des 1. Weltkriegs konnte sich der Frauenfußball rasant weiterentwickeln, weil die Männer im Krieg kämpften und den Sport nicht für sich beanspruchen konnten. Damals waren
Noch bis in die 1950er Jahre behaupteten fragwürdige MedizinerInnen, Leistungssport würde sich negativ auf die Psyche und Physis der Frau auswirken, das Treten der Bälle sei zu männlich bei bedeutenden Spielen sogar schon 53.000 Fans live dabei, als zwei englische „Frauschaften“ gegeneinander antraten. Während zwischen 1910 und 1920
FRAUEN FRAUEN
D as Logo der FrauenFußball-WM 2011.
Österreichischer FußballBund, Vereinigung aller Fußball-Landesverbände Österreichs und der Fußball-Bundesliga, Mitglied der FIFA, Sitz: Wien
in zahlreichen Ländern Teams gegründet wurden, diskutierte man in Österreich noch, ob Frauen und Fußball überhaupt zusammen passten. Nach dem Krieg verdrängten die Männer ihre Fußball spielenden Frauen wieder aus dem populären Sport – die alte Geschlechterordnung sollte wieder hergestellt werden. In Österreich wurde der erste Damenfußballklub „Diana“ 1924 gegründet, bis 1936 gab es regelmäßig Meisterinnenschaften. Dann sollte ein Verbot erlassen werden, das verhinderte, dass für Spiele von Frauen Sportplätze und Schiedsrichter zur Verfügung standen. Da Versuche, Fußball spielende Frauen mit Warnungen vor Gefährdung der Gesundheit und der Gebärfähigkeit, und mittels Infragestellung ihrer Weiblichkeit vom Fußball abzuhalten, nichts nützten, wurde der organisierte Fußball für Frauen durch den Entzug von Ressourcen einfach unmöglich gemacht. Mit dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 wurde der Frauenfußball endgültig verboten. Noch bis in die 1950er Jahre behaupteten fragwürdige MedizinerInnen, Leistungssport würde sich negativ auf die Psyche und Physis der Frau auswirken, das Treten der Bälle sei zu männlich. Der Frauenfußball wurde erst Ende der 1960er Jahre wieder belebt, vor Mitte der 1970er Jahre finden sich keinerlei Dokumente über Frauen und Fußball. Es ist kein Zufall, dass Frauenfußball in den späten 1960er Jahren, fast zeitgleich mit der sogenannten zweiten Frauenbewegung, einen neuen Aufschwung erlebte. Die erste inoffizielle Fußballweltmeisterinnenschaft fand 1970 in Italien statt, die Berichterstattung damals glänzte aber vor allem mit Geringschätzung der Frauen. Als Folge davon mussten immer noch bestehende Verbote aufgehoben werden. Bis es flächendeckend Nationalteams gab, dauerte es allerdings noch einige Zeit. Das österreichische Team wurde bis 1990 verhindert. Das Argument des ÖFB: zu teuer.
„Ich bin körperlich und physisch topfit!“ Vor 20 Jahren war es dann soweit: Die FIFA richtete die erste Weltmeisterschaft in China aus. Seit damals gilt Frauenfußball als die am schnellsten wachsende Sportart. Das Desinteresse am
Frauenfußball ist besonders in Europa verbreitet, in den USA und Asien wird der Sport ganz anders beachtet, die Spielerinnen verdienen meist genug, bekommen tolle Auszeichnungen – sie werden beachtet wie männliche Kollegen hierzulande. Der Grund dafür ist recht simpel: Weder in den USA noch in Asien gehört Fußball zu den traditionellen Nationalsportarten, sondern eher in eine Nische. Erst in den letzten Jahren hat Fußball an Popularität gewonnen, den großartigen Spielerinnen sei Dank.
mehr verschwiegen werden. All diese Errungenschaften wären ohne Feminismus und Frauenbewegungen niemals erreicht worden. Wenn Frauen allerdings Fußball spielen muss sofort interveniert werden, „Weiblichkeit“ wird betont und mit Feminismus will niemand etwas zu tun haben. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, dass es anscheinend Unbehagen auslöst, dass Frauen so erfolgreich in eine der letzten wirklich erfolgreich inszenierten
Wann immer in diesen Wochen über Fußball, Frauen und die WM geredet wird, geht es vor allem um die sexuelle Inszenierung mancher Spielerinnen und die Fragen, welche der Kickerinnen nun eigentlich lesbisch sind und wie viel Männlichkeit im Frauenfußball steckt.
„Abseits ist, wenn der Schiri pfeift“* Im Fußball müssen Frauen sich besonders gut auskennen, um von Männern akzeptiert zu werden. Weiblichen Fans wird immer wieder durch sexistisches Verhalten von Männern klar gemacht, dass sie hier nichts zu suchen haben. Welche Frau, die gerne bei Meisterschaften zuschaut wurde noch nicht gefragt, ob sie denn auch die Abseitsregel erklären kann. Und auch bei der WM 2011 fällt aufmerksamen LeserInnen und ZuschauerInnen der medialen Berichterstattung vor allem eines auf: Die Spielerinnen bekommen in erster Linie Tipps. Nicht nur solche, die sie vielleicht nutzen könnten – hier darf man sich die Frage stellen, warum die besten Spielerinnen der Welt sich Hilfe von weniger gut spielenden Männern holen sollten – sondern auch Ideen für ein feminineres Styling. Deutsche Spielerinnen haben sich sogar für den Playboy ausgezogen, um zu zeigen, dass sie gar nicht so „männlich“ sind, wie viele meinen, sondern sich sehr wohl wie „richtige Frauen“ fühlen.
„Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken“* Wann immer in diesen Wochen über Fußball, Frauen und die WM geredet wird, geht es vor allem um die sexuelle Inszenierung mancher Spielerinnen und die Fragen, welche der Kickerinnen nun eigentlich lesbisch sind und wie viel Männlichkeit im Frauenfußball steckt. Mit Feminismus wollen die wenigsten Spielerinnen in Interviews etwas zu tun haben. Was soll das eigentlich? In ganz Europa wird über Frauenquoten und Familienbilder diskutiert, Forderungen nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit werden immer lauter und Gewalt gegen Frauen kann nicht
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Männerbastionen vordringen. Mit dem sexualisierten Blick und dem Gerede über alles bis auf den Sport, wird heftig daran gewerkt, die Geschlechterordnung wieder herzustellen.
„Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär.“ Als Frauenfußball in den 1970ern populärer wurde und immer mehr Frauen den Sport wirklich aktiv betrieben, hatten Feministinnen weit Wichtigeres zu tun, als sich für die Anerkennung des Frauenfußballs zu engagieren: Kämpfe um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, Maßnahmen und Regelungen gegen Gewalt an Frauen und eine Neuverteilung der unbezahlten Arbeit standen auf dem Programm (und sind bei weitem noch nicht abgeschlossen). Trotzdem wäre es ohne die Erfolge der feministischen Kämpferinnen auch nicht möglich, Frauenfußball in dem Rahmen zu sehen, den die FIFA 2011 dennoch bietet. Die Spielerinnen sind Rolemodels für eine Menge junger Frauen, ein Bekenntnis zu echter Frauenpolitik ist also wünschenswert. Kritik am Umgang der Medien mit den besten Fußballspielerinnen der Welt ist ebenso notwendig wie die Forderung, dass weibliche Profis genauso finanziell abgesichert sind wie ihre männlichen Kollegen. Zur Erinnerung: Die Verbindung von Fußball und Männlichkeit ist nicht natürlich, sondern gesellschaftlich gewachsen und daher veränderbar.
Laura Schoch
„Weltmeisterlich! So schön sind Deutschlands Fußball Nationalspielerinnen“, titelte der Playboy in der Ausgabe 07/2011
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INTERNATIONALES INTERNATIONALES GESELLSCHAFT GESELLSCHAFT
Alexander Pschill ist seit 2002 ehrenamtlicher ZARA-Sprecher.
Zara-Bericht
Rassismus grenzt aus – Zivilcourage verbindet! ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit hat im Vorjahr 745 Fälle von Rassismus in Österreich aufgenommen und dokumentiert, eine Auswahl davon ist am 21. März im Rassismus-Report 2010 erschienen. Zwar ist die Anzahl der gemeldeten Fälle im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen, dennoch ist Alltagsrassismus in Österreich nach wie vor weit verbreitet. Besonders auffällig: Frauen mit Kopftuch wurden im vergangen Jahr vermehrt Opfer von rassistischen Angriffen. Und: Rassismus im Internet gerät zunehmend außer Kontrolle.
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as tun also, damit Alltagsrassismus nicht salonfähig wird? Am besten nicht wegschauen, so wie Herr I., der folgenden Fall beobachtet und ZARA gemeldet hat: Zwei Männer sitzen in einem Wiener Park und regen sich über die spielenden Kinder einer Kopftuch- tragenden Frau auf. Es fallen Bezeichnungen wie: „De Hund, wenn de groß sind,
de dreschen alle ihre Mütter.“ Außerdem äußern sich die Männer abfällig über den nicht anwesenden Vater der spielenden Kinder: „Der hat ja sicher einen 1.000-Euro-Job und hat längst frei, sicher was Besseres zu tun, die haben ja alle mehrere Frauen.“ Da die Männer sehr laut sprechen, können nicht nur Herr I., sondern auch die betroffene Frau und deren Kinder das Gespräch mitverfolgen. Deshalb
spricht die Frau die Männer auf ihr unpassendes und fremdenfeindliches Verhalten an, woraufhin diese verwundert meinen: „Die spricht ja sogar Deutsch!“ Da die Männer daraufhin immer aggressiver werden, verlässt die Frau mit ihren Kindern den Park. Als Herr I. sie später nochmals antrifft, erzählt sie ihm, dass sie eine „Österreicherin“ sei, die den muslimischen Glauben angenommen habe.
Aber nicht nur in Alltagssituationen wie diesen, sondern vor allem auch am Arbeitsplatz werden Frauen mit Kopftuch nach wie vor stereotypisiert und diskriminiert, obwohl seit 2004 Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit sowie der Religion am Arbeitsplatz verboten ist. Das Unrechtsbewusstsein für derartige Diskriminierungen habe zwar tendenziell zugenommen, jedoch „vor allem
GESELLSCHAFT GESELLSCHAFT auf der Seite der Opfer. Viele wissen mittlerweile Bescheid, dass Ihnen ein Arbeitsplatz nicht verweigert werden kann, weil die ethnische Zugehörigkeit nicht passt (…)“, beobachtet Wolfgang Zimmer, der langjährige Leiter der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus. Es ist also höchste Zeit, die Bevölkerung in Österreich so vielfältig wahr- und anzunehmen, wie sie ist. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn sich zukünftig niemand mehr daran stört, dass es sowohl im Dienstleistungsbereich als auch im öffentlichen Raum Frauen gibt, die als Ausdruck ihres Glaubens ein Kopftuch tragen. Ordensschwestern, auch in Zivilberufen, tun das schließlich auch, aber niemand regt sich darüber auf.
Cyber Hate im Vormarsch Im Moment scheint es aber eher so zu sein, dass die Hemmungen, jemanden rassistisch zu beschimpfen, sinken. Besonders drastisch zeigt sich dies im halböffentlichen Raum des Internets. In diversen Webblogs, Onlineforen und sozialen Netzwerken finden sich so viele rassistische Postings wie noch nie. Herr S. meldete im Mai vergangenen Jahres folgenden Fall von rassistischer Hetze im Internet an ZARA: Herr S. liest auf einer Internet-Nachrichtenseite einen Artikel über die Überfälle einer kriminellen Bande, die vermutlich aus dem Ausland stammt. Unter dem Artikel ist folgendes Posting zu lesen: „Bei diesem Gesindel hilft nur eines - öffnet Mauthausen und hängt sie dort zur Abschreckung des anderen Gesindels auf.“ ZARA leitet die Meldung dieses Postings an das Bundesamt für Verfassungsschutzund Terrorismusbekämpfung wegen eines möglichen Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz weiter. Durch die Meldung von aufmerksamen Internet-NutzerInnen können rassistische Postings entfernt werden, oftmals jedoch bleiben diese tagelang ungelöscht im Netz stehen und erreichen deshalb ein großes Publikum und haben massive Auswirkungen auf die Betroffenen. ZARA-Geschäftsführerin Barbara Liegl betont dabei, dass Interaktionen im Internet auch Anstoß für Handlungen in der Realität sein können. Im Moment gibt es jedoch noch keine adäquaten rechtlichen Regeln zur Eindämmung bzw. Bekämpfung von Rassismus im Internet, weshalb das Monitoring von rassistischen und rechtsextremen Inhalten im Internet besonders wichtig ist. Da dieses Monitoring derzeit aber nur von engagierten Einzelpersonen und zivilgesellschaftlichen Organisationen betrieben wird, ist es noch nicht systematisch. Viele rassistische Inhalte werden deshalb erst spät oder, mangels Infor-
mation, gar nicht aus dem Internet entfernt. Aufgrund dieser negativen Entwicklung hat sich ZARA bereits im November 2010 bei der INACH – Konferenz in Wien mit anderen NGOs sowie VertreterInnen aus Wirtschaft, Politik, Bildung und Medien mit der Thematik Cyber Hate auseinandergesetzt und mögliche Lösungsansätze diskutiert. ZARA sieht vor allem den Staat in der Verantwortung und fordert Strukturen, um die Aufmerksamkeit für rassistische Inhalte im Netz zu erhöhen, Beobachtungsstellen zur Bekämpfung von „cyber hate“ und effektive Gesetze. Zum Beispiel sollte die Meldestelle des Innenministeriums für NS-Wiederbetätigung auf eine breitere rechtliche Basis gestellt werden, um auch rechtsextreme Hetze im Internet wirksam bekämpfen zu können. Aufgrund des überschaubaren Einsatzes in diesem Bereich bekommt man eher den Eindruck, dass die Bekämpfung von Rassismus im Internet keine hohe Priorität hat. Somit werden jene gesellschaftlichen Kräfte gestärkt, die Rassismus im Internet dulden bzw. als Kavaliersdelikt sehen.
Erste Erfolge Auch diskriminierende Praktiken beim Einlass in Lokale wurden lange Zeit als legitim angesehen. Im vergangenen Jahr konnte ZARA jedoch in Kooperation mit dem Klagsverband in diesem Bereich erste wichtige Erfolge erzielen: Mit den Worten „Du sicher nicht!“ wurde einem Mann vor rund einem Jahr von einem Wiener Lokal der Einlass verweigert. Da dieser diese offensichtliche Diskriminierung nicht einfach so hinnehmen wollte, wandte er sich an ZARA. Zunächst scheiterte ein außergerichtlicher Klärungsversuch, weil die Lokalbetreiber die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft nicht erkennen wollten. Deshalb brachte der Mann, vertreten durch den Klagsverband, einer Organisation zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern, Klage ein. Dieser Klage wurde schließlich Ende 2010 letztinstanzlich Recht gegeben, weshalb die Lokalbetreiber Entschädigung zahlen müssen. Der Kläger zeigte sich erleichtert über das Urteil, es schenke ihm mehr Vertrauen in das österreichische Rechtssystem. Dennoch wird durch den weiteren Verlauf des Falls klar, dass eine positive Rechtssprechung offenbar nicht ausreicht. Die LokalbetreiberInnen sind nämlich bis dato völlig uneinsichtig und weigern sich standhaft, die Entschädigung zu zahlen. Damit Diskriminierungsopfer zukünftig also nicht mehr mit Worten wie „geschlossene Gesellschaft“ oder „deine Kleidung passt nicht“ von Tür-
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ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit… …wurde im Jahr 1999 mit dem Ziel gegründet, Zivilcourage und eine rassismusfreie Gesellschaft in Österreich zu fördern sowie alle Formen von Rassismus zu bekämpfen. Die Anti-Rassismus-Arbeit beruht auf drei Säulen: Beratung, Prävention und Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Mehr Infos: www.zara.or.at oder auf unserer Facebook-Seite. steherInnen abgespeist werden, bist vor allem DU gefragt. Denn eine engagierte Zivilgesellschaft ist ein wirksames Mittel gegen Rassismus. Der hohe Anteil der ZeugInnen unter den meldenden Personen (58 % im Jahr 2010) zeigt, dass es in Österreich durchaus Personen gibt, die Rassismus nicht einfach so hinnehmen wollen. Also sei auch DU zukünftig wachsam und schau nicht weg, denn nur so kann langfristig ein positiver Umgang mit Vielfalt und ein anti-rassistischer gesellschaftlicher Konsens erreicht werden.
Marion Draxler www.zara.or.at
Das “International Network against Cyber Hate” (INACH) ist ein Zusammenschluss von 18 Organisationen weltweit, in dem ZARA als österreichische Organisation vertreten ist.
Der ZARA-RassismusReport – ein Sammelwerk rassistischer Übergriffe und Strukturen in Österreich.
Information zu den einzelnen Bereichen und ihren Bezeichnungen: Unter Öffentlicher Raum sind alle Vorfälle bezeichnet, die sich an öffentlichen und der Allgemeinheit zugänglichen Orten zugetragen haben, wie beispielsweise Straßen, Plätze, Verkehrsflächen und Parks. Polizei umfasst alle Meldungen, die in irgendeiner Form mit der Sicherheitsverwaltung und Organen der öffentlichen Sicherheit zu tun haben. Internet listet alle Fälle, die im Internet stattgefunden haben. Es schließt Webseiten, Online-Foren, soziale Netzwerke und Blogs mit ein. Politik und Medien schließt alle rassistischen Vorfälle ein, die entweder von Politikern selbst oder Parteien und ihren Organen und von den klassischen Medien (Print, Radio und Fernsehen) generiert wurden. Beschmierungen zeigt alle gemeldeten Fälle rassistischer Beschmierungen im öffentlichen und halböffentlichen Raum wie beispielsweise Parkhäusern auf. Unter Sonstige Behörden sind alle Vorfälle gesammelt, die sich zwischen Einzelpersonen und Behörden (mit Ausnahme der Polizei) bzw. deren VertreterInnen zugetragen haben. Dazu zählen Ämter, Schulen und andere kommunale Einrichtungen. Beschäftigung und Unternehmertum beinhaltet Vorkommnisse, die im weitesten Sinne mit Arbeit und Beschäftigungsverhältnissen zu tun haben, also Arbeitsmarkt, -suche, -bedingungen, -Klima, Stellenausschreibungen usw. Zugang zu Gütern und Dienstleistungen bezeichnet erstens Vorfälle im Wohnbereich – von der Wohnungssuche bis zu Nachbarschaftskonflikten. Zweitens finden sich in diesem Bereich alle Vorkommnisse in und beim Zugang zu Lokalen, Geschäften und anderen Dienstleistungsunternehmen (außerhalb des Bereiches Arbeit). Rassismus als Reaktion auf Anti-RassismusArbeit bezeichnet jene Briefe, E-Mails, Anrufe und anders geäußerte Drohungen, Beschimpfungen und Einschüchterungen, die sich gegen ZARA und andere Institutionen richten, die gegen Rassismus eintreten.
30. April 2011
KALENDER KALENDER
Seminar
FemSem 2011
WAS WAR WAS WAR
Mit über 70 Teilnehmerinnen aus allen möglichen Teilen Österreichs wurde das Femsem 2011 zum großen Erfolg. Im Jugendgästehaus Bruck/Mur verbrachten die begeisterten SJ-lerinnen ein abwechslungsreiches Wochenende voller Workshops, Diskussionen und ausgelassener Partys.
Wintersportfest Hunderte Jugendliche besuchten das Wintersportfest, das Mitte März in der Jugendherberge Sigmundsberg über die Bühne ging. Neben Sportbewerben unterschiedlichster Art wurden auch Workshops zu verschiedenen Themen angeboten. Highlight des „WSF“ waren auch 2011 die nächtlichen Partysessions.
30. April 2011
Seminar Aufmarsch
Fackelzug gegen Rassismus Tausende Jugendliche marschierten auch heuer wieder beim legendären Fackelzug der SJ Wien mit. Der diesjährige Fackelzug richtete sich gegen den Rassismus im Land. Ab 22 Uhr stieg eine große Party gegen Rassismus mit einem Live-Konzert der Top-DJs von Milk & Sugar am Rathausplatz.
Demos Fest
Do daham und Islam
Aktion
Endlich Abschalten Direkt vor dem Eingang zur UNO und damit vor dem Sitz der internationalen Atomenergie-Behörde hielt die SJ eine Aktion für den schleunigsten Ausstieg aus der Atomkraft ab. Atomkraftwerke sind ein typischer Auswuchs des kapitalistischen Wirtschaftssystems, in dem Profit mehr zählt als die Sicherheit der Menschen und der Umwelt. Gleichzeitig kritisierten die SJ-AktivistInnen ÖVP-Minister Berlakovichs fehlende Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Atomkraft und forderten die Entfernung von Atomlobbyisten Schüssel aus dem Parlament.
Demo
Nein zum Fremden-Unrechtspaket
Crossing the Borders Tausende Jugendliche marschierten auch heuer wieder beim legendären Fackelzug der SJ Wien mit. Der diesjährige Fackelzug richtete sich gegen den Rassismus im Land. Ab 22 Uhr stieg eine große Party gegen Rassismus mit einem Live-Konzert der Top-DJs von Milk & Sugar am Rathausplatz.
6.-8. Mai 2011
Anlässlich der permanenten Debatten über „Burka-Verbote“ oder den „Kopftuchzwang“, die von Rechtspopulisten vom Zaun gebrochen werden, organisierte die Sozialistische Jugend Ende März eine Podiumsdiskussion mit Dr. Farid Hafez (Herausgeber des Jahrbuchs für Islamophobieforschung), Muna Duzdar (SPÖ-Bundesrätin und Sprecherin für Außen- u. Entwicklungspolitik) und Rodaina El-Batnigi von der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ).
8.Mai 2011
27. April 2011
9. April 2011
29. März 2011
18.-20. März 2011
18.-20. Feb. 2011
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Seminar
Antifaseminar TeilnehmerInnenrekord beim heurigen Antifaschismus-Seminar: Über 200 Jugendliche trafen von 6. bis 8. Mai im Europacamp am Attersee zusammen, um sich mit Rechtsextremismus, Austrofaschismus, Rassismus oder Islamophobie auseinanderzusetzen. Highlights waren die Exkursionen ins ehemalige KZ Mauthausen und nach Gusen, einem bisher kaum beachteten Schauplatz der Nazi-Vernichtungsindustrie. Wie schon im letzten Jahr beteiligten sich auch heuer wieder internationale Gäste am Seminar.
Gedenken
Befreiungsfeier Die jährliche Teilnahme an den Befreiungsfeierlichkeiten im ehemaligen KZ Mauthausen ist ein Fixpunkt im Jahresprogramm der SJÖ. Auch heuer stellten wir mit bis zu 500 Jugendlichen den größten Block der Jugendorganisationen. Nach dem Gedenkmarsch durch das Gelände des ehemaligen KZs folgte die Kranzniederlegung an der Grabtafel der Sozialistischen Jugend, um an die unzähligen ermordeten AktivistInnen der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) zu gedenken.
Als Zeichen für eine humane Asylpolitik und gegen die permanenten Verschärfungen im Fremdenrecht beteiligte sich die SJÖ an der Demonstration gegen das Fremden-Unrechtspaket. Die Demo wandte sich vor allem gegen den Aufbau neuer bzw. den Ausbau bestehender Hürden. „Deutsch vor Zuzug“, neue Barrieren bei der Einbürgerung, die Ausdehnung der Schubhaft und die „Mitwirkungspflicht“ bedeuten die Einzementierung jahrelang hier lebender MigrantInnen als Menschen zweiter Klasse.
Diskussion
Aufstand der Jungen? Jung gegen Alt? Nein. Die langfristige Sicherung des öffentlichen Pensionssystems liegt im Interesse aller. Selbsternannte neoliberale „PensionsexpertInnen“ und Medien wollen uns einreden, die Pensionen seien nicht mehr finanzierbar und ein wilder Generationenkampf im Gang. Um dieser neoliberalen Offensive etwas entgegenzusetzen, haben SJÖ und der Pensionistenverband (PVÖ) einen Generationendialog ins Leben gerufen, dessen Auftaktveranstaltung am 30. April in Wien war. Mittlerweile machte die „Heast Oida“-Diskussionsreihe auch schon in St. Pölten und Graz Station.
Gedenken
Tag der Befreiung Der 8. Mai – ein Tag des Feierns! Das sehen leider nicht alle in Österreich so. Die rechtsextreme Burschenschaft Olympia organisierte ein „Totengedenken“ am Heldenplatz, an dem auch hochrangige FPÖ-Politiker teilnahmen. Die SJÖ rief zu einer Demo auf, zu der tausende AntifaschistInnen kamen, um gegen das rechtsextreme Treiben zu demonstrieren. Der 8. Mai und damit die Kapitulation der Deutschen Wehrmacht darf nicht Ewiggestrigen überlassen werden, sondern muss als Kriegsende gefeiert werden.
31
Aktion
Sekt-Party für Banken
Fest
WAS KOMMT WAS KOMMT 25. – 31.Juli 2011
Anlässlich der überheblichen Kommentare von Bankmanagern wie Erste-Bank-Chef Treichl und der Gagenexplosion in den ErsteBank-Aufsichtsräten lud die Sozialistische Jugend zu einer Aktion vor der Ersten Bank am Graben. Dort wurde in Form einer „Party für Banken und Treichl“ die Unverschämtheit der Banken demonstriert. In feiner Anzugskleidung und mit Handschildern feierten die selbsternannten „LeistungsträgerInnen“, dass nach der (zulasten der Bevölkerung sanierten) Finanzkrise alles so weitergehen kann wie bisher („Gagenglück statt Geld zurück“).
Summercamp
IUSY World Festival Höhepunkt des Jahres ist zweifellos das IUSY World Festival, das nach 1929 und 1981 erstmals wieder in Österreich über die Bühne geht. Das IUSY World Festival hat eine lange Tradition und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Bewegung. Globale Herausforderungen verlangen nach globalen Lösungen. Dieses Bewusstsein kann nicht früh genug entwickelt werden. Im Laufe der letzten 100 Jahre hat die IUSY speziell durch Camps und Festivals viel dazu beigetragen, dass dieses Bewusstsein integraler Bestandteil unserer Bewegung ist und bleibt. Der Begriff “Internationale Solidarität” wird hier mit Bedeutung gefüllt.
Zahlreiche Fans aus der gesamten Steiermark strömten in die Brucker Sporthalle, um beim großen Finale des Forward.st-Bandcontests dabei zu sein. Unter dem Label „Forward.st“ betreibt die SJ Steiermark seit Jahren erfolgreiche Jugendkulturförderung in den Regionen. Die Bandcontest-Reihe soll es Newcomer-Bands ermöglichen, zu Bekanntheit zu gelangen und generell die JugendkulturSzene in der Steiermark beleben.
Demo
NEIN zum WEF
8. Okt. 2011
FORWARD.ST Finale
Veranstaltung
restart.tc Finale Wenn die Temperaturen am Thermometer sinken und der Herbstwind über das Land fegt, wird allen Festival- und Musicfans noch einmal so richtig heiß, denn der krönende Abschluss der restart.tc Skate Contest Series 2011 steht an. Die restart.tc After Contest Party findet heuer bereits zum 10. Mal statt und wird auch in diesem Jahr wieder für einen musikalischen Höhepunkt in Niederösterreich sorgen. Auf 5 Floors werden über 50 Acts wieder ordentlich einheizen. Eintrittsbänder gibt’s, wie immer, bei den Skatecontest-Vorrunden und den SJ-Mitgliedern zu erwerben.
Gegen eine Politik, die den Interessen weniger Reicher dient und die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandertreibt. Gegen ein Stelldichein der Wirtschaftsbosse, in dessen Rahmen die Einflussnahme auf die Politik koordiniert werden soll. Gegen das Diktat der Konzerne und GroßinvestorInnen, deren Gier nach neuen Einnahmequellen in der Politik mehr Gewicht hat als die Interessen der Bevölkerung. Gründe genug, um gegen den Gipfel des World-Economic-Forums (WEF) in Wien aufzumarschieren. Über 1.000 Jugendliche waren mit dabei!
Am 17. September 2011 wird es im Warehouse St. Pölten eine fette PreParty geben, mehr Infos findet ihr in Kürze auf Facebook und auf der Website www.restart.tc.
Veranstaltung
Festival des politischen Liedes Sigi Maron, Microphon Mafia, Bolshevikings, Jane Zahn und viele mehr traten beim heurigen Festival des politischen Liedes im Europacamp in Weißenbach/ Attersee auf. Das jährlich stattfindende Festival wird organisiert vom Kulturverein Willy.
8.-11. Dez. 2011
17.-19. Juni 2011
7. Juni 2011
21. Mai 2011
18. Mai 2011
KALENDER KALENDER
Seminar
BiWe Mit der BIWE rückt das größte Bildungsseminar der SJÖ immer näher. Von 8. bis 11. Dezember geht die BIWE wieder in der Österreichs schönster Jugendherberge in Velden/Wörthersee über die Bühne. Vormerken!
We know where we come from, we know where we are going.
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