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Neuanfang nach der Pandemie
from sb 2/2022 (deutsch)
by IAKS
NEUANFANG NACH DER PANDEMIE –TRENDS BEI DER PLANUNG VON STADIEN UND ARENEN
IMPULSE DES IAKS EXPERTENKREISES „STADIEN UND ARENEN“
Die pandemiebedingten Einschränkungen und Schließungen nehmen Einfluss auf das Nutzerverhalten und den Betrieb von Stadien und Arenen. Welche neuen Technologien und sozioökonomischen Ansätze gibt es für den Betrieb der Zukunft? Welche Veränderungen werden wir mittel- und langfristig bei Stadien und Arenen sehen? Und was bedeutet dies für die Anlagenplanung? Der IAKS-Expertenkreis „Stadien und Arenen“ hat sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt. Die Mitglieder analysieren die Frage, welche infrastrukturbezogenen Aufgaben Stadien im urbanen Kontext übernehmen sollten. Sie fordern eine Erweiterung des Stadionkonzepts auf Mobilitätshubs, Freiflächen und Raumplanung. Sie sehen Potenzial bei Luftqualität und Hygienestandards, und sie erkennen Möglichkeiten im Bereich der Datenerfassung und -nutzung. Impulse aus Australien, Europa, Südafrika, Nord- und Südamerika.
Harald Fux, Architekt, Geschäftsführer von Raumkunst Sportarchitektur, Österreich Gustavo Amaral, Doktorand und Dozent, School of Architecture | Georgia Institute of Technology, USA
Die Rolle von Stadien im urbanen Umfeld steht im Fokus der Überlegungen von Harald Fux und Gustavo Amaral. Die beiden Experten diskutieren die öffentliche Freizeit- und Fußgängernutzung, die Nutzung von Freiflächen und die Positionierung als strategische Notfallinfrastruktur.
Sportveranstaltungen ziehen Jahr für Jahr Hunderte Millionen Zuschauer an. Für die Ausrichtung werden jedes Jahr neue Großanlagen geplant und gebaut, um die Anforderungen des stetig wachsenden Sportsektors zu erfüllen. Viele dieser Anlagen werden oftmals als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der jeweiligen Gemeinden geplant, verbunden mit der Hoffnung, dass es über die Architektur und Stadtplanung gelingen kann, ganze Stadtviertel neu zu gestalten oder wiederzubeleben. In Fachkreisen besteht diesbezüglich in einem Punkt Einigkeit: Investitionen in Sportinfrastruktur allein sind kein Garant für eine erfolgreiche gesellschaftliche und wirtschaftliche Neubelebung. Angesichts der sozialen Verwerfungen und der Gesundheitskrise der jüngsten Vergangenheit ist die Integration von Stadien und Arenen in das Stadtgefüge zu einem der zentralen Erfolgsfaktoren dieser Anlagen geworden. Sozioökonomische Auswirkungen Sportstätten können zur Entstehung dynamischer Umgebungen mit gemischter Nutzung beitragen. Sie bieten die Möglichkeit, enorme wirtschaftliche Renditen zu erwirtschaften, Vorteile für die Gemeinschaft zu erzeugen und immobilienwirtschaftliche Chancen zu eröffnen. Noch wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass sie für die Menschen in Notfallsituationen als Gebäude fundamentale Bedeutung erlangen können. Dieser Faktor hat Auswirkungen, die weit über die klassische Rentabilitätsanalyse hinausgehen. Bei der Analyse moderner Bauprojekte für urbane Stadien müssen Fragen hinsichtlich der Stadt der Zukunft beantwortet werden. Folgende Faktoren sind zu bewerten: die Auswirkungen neuer Bautechnologien auf die Art und Weise, wie Megaprojekte gebaut werden, der Einfluss des Klimawandels auf den Charakter des urbanen Lebens und die ihm zugrundeliegende Infrastruktur und die sozioökonomischen Auswirkungen all dieser Faktoren zusammen.
Bedeutung einer strategischen Integration in das Stadtgefüge Die Covid-19-Pandemie und ihre verheerenden Auswirkungen auf den Sport- und Unterhaltungssektor haben die
Fotos: Stadt Wien
Sportstätten weltweit wurden vorübergehend in Behandlungszentren und zuletzt auch in Impfzentren umgewandelt, was die Eignung dieses Gebäudetyps als strategische Infrastruktur bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie unter Beweis gestellt hat.
Bedeutung einer strategischen Integration der Anlagen in das Stadtgefüge unterstrichen. Die meisten isoliert gelegenen Stadien und Arenen verloren während der Pandemie ihren Nutzen, während andere, besser in das urbane Gefüge integrierte Anlagen sich zu wertvollen öffentlichen Räumen gewandelt haben: Sie wurden von der Bevölkerung als Freiflächen für sportliche Aktivität unter Beachtung der gebotenen Abstandsregeln genutzt. Neben den großen Außenanlagen von Stadien eröffnen auch das Spielfeld, die Tribünen und die Verkehrsflächen aufgrund des Schutzes, den sie vor Witterungseinflüssen bieten, Potenzial für eine anderweitige Nutzung, wenn große Flächen gebraucht werden.
Sportanlagen als Notfallinfrastruktur Die Umwandlung von Stadien und Arenen in Notfallzentren zur Unterstützung der Bemühungen, eine Überlastung der Gesundheitssysteme zu vermeiden, war ein in verschiedenen Teilen der Welt beobachtetes Muster. In den letzten Jahrzehnten wurden Sportstätten bereits verschiedentlich als Notfallzentren genutzt, vor allem bei der Bewältigung immer häufiger auftretender klimabedingter Katastrophen. In unserer von einer Pandemie heimgesuchten Welt ist diese wichtige Rolle jedoch noch offensichtlicher geworden: Sportstätten weltweit wurden vorübergehend in Behandlungszentren und zuletzt auch in Impfzentren umgewandelt, was die Eignung dieses Gebäudetyps als strategische Infrastruktur bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie unter Beweis gestellt hat.
Im neuen Zeitalter der Klimakrise ist davon auszugehen, dass Stadien und andere Sportanlagen in Zukunft immer häufiger als Notfallinfrastruktur genutzt werden müssen. Sie werden daher nicht nur bei Veranstaltungen eine große Anzahl von Zuschauern beherbergen, sondern auch die räumlichen Voraussetzungen bieten müssen, um in Krisenzeiten als Notfallzentren zu fungieren. Planung unter Berücksichtigung der Anbindung an die städtische Infrastruktur Bei der Betrachtung der Funktion von Sportstätten als städtische Notfallinfrastruktur ist der Standort ein wesentlicher Aspekt. Eine gute Anbindung an andere städtische Netzwerke verwandelt diese Gebäude in wertvolle Ressourcen, in denen eine große Anzahl von Menschen untergebracht und versorgt werden kann. Entscheidend ist hier eine guter Anschluss an andere Netze, beispielsweise Verkehr, Gesundheitseinrichtungen, Notfalldienste und eine große Vielfalt anderer Leistungen und Funktionen.
Bedeutendste Veränderungen Die Pandemie und die extremen Klimaereignisse der jüngsten Zeit haben aufgezeigt, dass sich Big-Data-Analysen und urbanistische Parametermodelle zunehmend zu einem wichtigen Bestandteil des Planungs- und Managementprozesses entwickeln werden. Planer und Betreiber müssen ein umfassendes Verständnis dafür erarbeiten, wie Stadien nach ihrer Fertigstellung bei gesellschaftlichen Krisen als Notfallzentren für die Stadtbevölkerung dienen können.
Eine solide datengestützte Planung und ein neues Verständnis der Rolle von Stadien im städtischen Umfeld könnten die bedeutendsten Veränderungen der jüngeren Zeit für diesen Gebäudetyp sein. Bei der Stadionplanung wird der Begriff des Infrastruktur-Ökosystems zunehmend Bedeutung erlangen, und Stadien werden als strategisches Element des städtischen Infrastruktur-Ökosystems einer Region konzipiert werden. Vor dem Hintergrund der Klimakrise können sich für Städte und für das menschliche Verhalten drastische Veränderungen ergeben. Dieser Faktor sollte zukünftig bei der Planung und Gestaltung großer und symbolträchtiger Gebäude wie Stadien antizipiert und eingeplant werden.
DER SOZIALE WERT VON SPORTVERANSTALTUNGEN
Al Baxter, Senior Principal, Populous, Australien
Mit Blick auf die Zukunftstrends bei der Stadion- und Arenaplanung lässt sich glücklicherweise feststellen, dass die Pandemie offenkundig das Bedürfnis der Menschen, zusammenzukommen und sich zu treffen, nicht beeinflusst hat und zumindest kurzfristig eher einen gegenteiligen Effekt hatte. In seinem Statement stellt Al Baxter die Vorteile heraus, Zuschauer (und Spieler) wieder in den Stadien begrüßen zu können.
Die Covid-19-Pandemie hat viele Unwägbarkeiten für LiveSportveranstaltungen mit sich gebracht, und am stärksten betroffen sind hier zweifellos die Planer und Betreiber von Sportstätten. Es bestand die Gefahr, dass die Pandemie einen fundamentalen kulturellen Wandel bewirkt hat und kaum noch Interesse besteht, Sportveranstaltungen als Zuschauer zu besuchen. Glücklicherweise sind mit dem Abklingen der pandemischen Lage nun wieder Zuschauer bei Live-Veranstaltungen erlaubt, und die Menschen begeistern sich erneut dafür, vor Ort dabei zu sein. Ob Fußballstadien im Vereinigten Königreich, College-Stadien in den USA oder die Gastgeberstädte des AFL Grand Final in Australien – sie alle sind Beispiele dafür, dass die Fans zurück in die Stadien strömen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.
Die Wirkung von Live-Publikum bei diesen Veranstaltungen ist nicht zu unterschätzen. Für die Fans ist der Besuch eines Spiels gemeinsam mit anderen Fans eine wichtige Möglichkeit der sozialen Begegnung, die ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl erzeugen kann. Für die Sportvereine hängen die Finanzierung und wirtschaftliche Überlebensfähigkeit unter anderem von den Ticketverkäufen und Gastronomieumsätzen an Spieltagen ab. Für die Spieler wirkt sich die An- oder Abwesenheit von heimischen oder gegnerischen Fans unmittelbar auf die Einzel- und Teamleistung aus.
VOM MOBILITÄTSHUB BIS ZUM SITZPLATZ
Ruben Reddy, Direktor, Ruben Reddy Architects, Südafrika
Basierend auf seiner Erfahrung aus der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika stellt Ruben Reddy Überlegungen zur An- und Abreise der Zuschauer sowie ihrer Bewegung im Stadion an.
Integration ins Stadtgefüge/Mobilitätshubs Stadien sollten als soziale Infrastruktur betrachtet werden, die an spielfreien Tagen von der Bevölkerung für die Freizeitgestaltung genutzt werden kann. Die Sicherheitsabsperrungen sollten in Abhängigkeit vom Vorbereitungsbedarf erst ein bis zwei Tage vor einer Veranstaltung sowie am Spieltag selbst geschlossen werden. Die Sicherheitsstandards im öffentlichen Personenverkehr zum und vom Stadion sollten jenen für das betreffende Stadion entsprechen. Es sollte einen direkten und kontrollierten Zugang von den Mobilitätshubs zum Stadiongelände geben, um eine Kontamination nach der Einlasskontrolle zu vermeiden.
Verfolgung der Fanbewegung bei der Ankunft Dieses Verfahren wurde von den südafrikanischen Gastgeberstädten während der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010 sehr erfolgreich umgesetzt. Die Systeme erstrecken sich mittlerweile auf diverse Veranstaltungen und decken auch den Zugang zu Freizeitbereichen wie Parks und Stränden in Küstenstädten ab. Kritische Punkte werden ermittelt, und es wird eine Entlastungsinfrastruktur eingerichtet, um Engpässe und die Ansammlung von Menschenmengen zu vermeiden. Die Besucher werden aufgefordert, sich kontinuierlich in Richtung ihrer Sitzplätze zu bewegen. Die Pandemie wird dazu führen, dass es an den Eingängen weniger Unterhaltungsangebote für Fans geben wird, eine vor der Pandemie beliebte Attraktion.
Eingänge/Bewegung von Menschenmengen Die Stadioneingänge müssen neu bewertet werden, um sicherzustellen, dass die Besucher das Stadion schneller betreten und verlassen können. Jede Veranstaltung ist anders und erfordert jeweils maßgeschneiderte Lösungen. Engpässe und andere Hindernisse sollten beseitigt werden. Die vorhandene Videoüberwachung sollte durch zusätzliche Technologien ergänzt werden.
Während der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2010 wurden Simulationstechnologien eingesetzt, um die Bewegungsmuster von Menschenmengen zu simulieren. Sitzplatzsimulationen und Ticketing-Tools zur Steuerung der Sitzplatzkapazitäten und Besucherzahlen haben sich bewährt. Die derzeitigen Evakuierungszeiten für die Stadionschüssel sind ausreichend und müssen nicht angepasst werden. Die allgemeinen Zugangs- und Evakuierungspläne sollten jedoch auch die Bewegung der Zuschauer von den Mobilitätshubs zum Sitzplatz und zurück einschließen. Die Verkehrsplaner und -behörden müssen bei der Ausarbeitung dieser Pläne eine Schlüsselrolle übernehmen.
STADIEN ALS KATALYSATOREN DER VERKEHRSWENDE
Javier Dávila de Eusebio, Leiter Geschäftsentwicklung Sportarchitektur, IDOM, Spanien
Die Pandemie hat eine andere Seite unserer Städte gezeigt, die wir so noch nicht gesehen hatten: leere Straßen, geschlossene Einrichtungen und dann allmählich der Trend, den öffentlichen Raum inmitten der vielschichtigen Einschränkungen zurückzuerobern.
Die Rückeroberung dieser Räume brachte eine interessante Entwicklung mit sich: Da der Autoverkehr in den Städten aufgrund von Home Office und des Herunterfahrens des sozialen Lebens erheblich zurückging, wurde der städtische Raum von Fußgängern für die Freizeitgestaltung und Fortbewegung in Anspruch genommen. Zu beobachten war die Rückkehr einer lange vergessenen intensiven Nutzung der Stadtzentren durch den Fußgängerverkehr. Stadien, die in das städtische Gefüge integriert sind, sollten zu einem wichtigen Leuchtturm dieser Fußgängernutzung werden. Sie sollten zudem durchlässiger werden und ihre Grenzen öffnen, um als Verbindung zwischen den umliegenden Stadtvierteln öffentlich genutzt werden zu können. Gründe für eine Abkehr vom Individualverkehr Die zunehmende Abkehr vom Individualverkehr bedeutet in der Tat eine Veränderung der Verhaltensmuster, die eng mit den globalen Ansätzen zur Förderung der Nachhaltigkeit verbunden ist. Zwar spricht das Gebot der sozialen Distanzierung zunächst für einen verstärkten Rückgriff auf den Individualverkehr. Gleichzeitig vervielfacht die verkehrsbedingte Luftverschmutzung jedoch nachweislich die Wirkung des Virus, da Covid-19 die Atemwege betrifft. Emissionssenkungen werden zum Schlüsselfaktor. In vielen Großstädten weltweit hat ein kultureller Wandel zur Reduzierung des Individualverkehrs begonnen.
Stadien sollten diesen Wandel reflektieren und sich zu Mobilitätshubs entwickeln, an denen ein einfacher und problemloser Umstieg vom Individualverkehr auf gemeinsam genutzte private oder öffentliche Verkehrsmittel und den nachhaltigen Individualverkehr möglich ist. So wird sich auch unser Ansatz hinsichtlich Parkflächen ändern. Fahrradparkplätze und Einzelstellplätze werden an die Stelle von Großparkplätzen treten, und öffentliche Verkehrsmittel werden auf den Flächen ihren Platz finden, die bisher ausschließlich für Autos reserviert waren.
SICHER UND VERNETZT
Agustin Garcia Puga, Architekt, Geschäftsführer AGP Arquitectura +, Argentinien
Die Zugangs- und Sicherheitskontrollsysteme der Zukunft werden eine kombinierte Überprüfung des Gesundheitsstatus von Besuchern und rechtlicher Zugangsbeschränkungen ermöglichen.
wachungssystem. Es besteht aus 58 festen Kameras, 16 Dome-Kameras und acht Schwenk-Neigekopf-Kameras und arbeitet mit IP-Technologie für eine höhere Signalauflösung. Die Überwachung erfolgt über eine Videowand mit neun Bildschirmen. Vier Hauptmonitore plus ein Hilfsmonitor mit bis zu 16 Signalen pro Monitor sind möglich. Die Monitore haben eine 4K-Auflösung.
Sicheres Stadion für Herzpatienten Die argentinische Stiftung für Kardiologie (FCA) hat das Boca Juniors-Stadion als sicheren Ort für Herzpatienten ausgewiesen. Personal und Ausrüstung ermöglichen eine medizinische Versorgung von Herzpatienten in weniger als drei Minuten. Dieses Zeitfenster ist für eine Reanimation entscheidend.
WLAN-Konnektivität Die WLAN-Konnektivität in argentinischen Stadien verbessert sich. Im Boca Juniors-Stadion wurden 300 WLAN-Zugangspunkte eingerichtet, um die Konnektivität zu verbessern, Rekordmeister River Plate installierte 500 Zugangspunkte. Jeder Zugangspunkt bietet Konnektivität für 200 Zuschauer, um genau das umzusetzen, was sich die Vereine wünschen: Internet-Zugang in hoher Qualität für Tausende von Zuschauern und Besuchern.
In Argentinien arbeiten die Stadionbetreiber bei der Zugangs- und Sicherheitskontrolle derzeit mit zwei Apps. Eine App dient der Überprüfung des Covid-19-Impfstatus mittels QR-Code. Mit der anderen App wird das Vorliegen rechtlicher Zugangsbeschränkungen geprüft. In Zukunft sollen beide Apps in einer integrierten Lösung zusammengeführt werden, um die Zugangskontrollen zu vereinfachen.
Zugangskontrolle zum Stadion Für den Stadionzugang testen einige Vereine derzeit die biometrische Gesichtserkennung. Bei diesem System ist ein Upload der Fotos aller Mitglieder erforderlich. Das intelligente System erkennt Gesichter aus der Datenbank sehr schnell, auch bei Verwendung einer Atemschutzmaske.
Kontroll- und Videoüberwachungsraum Das Heimstadion von CA Boca Juniors „La Bombonera“ verfügt über ein umfassendes Kontroll- und Videoüber-
LUFTQUALITÄT UND HYGIENEPROTOKOLLE FÜR GESÜNDERE VERANSTALTUNGSORTE
Colleen McKenna, Leiterin Sport und Freizeit, Direktorin, CannonDesign, USA
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist unter Beweis zu stellen, dass unsere Anlagen sichere Orte sind, die nicht zur Verbreitung von Infektionskrankheiten beitragen. In vielen Fällen wurden große Veranstaltungsstätten als potenzielle „Virenschleudern“ wahrgenommen. Die Betreiber möchten ein möglichst sicheres und gesundes Umfeld gewährleisten, um wieder Zuschauer begrüßen zu können.
Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die Diskussionen auf eine Verbesserung der Außenluftzufuhr und eine intensivere und optimierte Be- und Entlüftung. Zu den Strategien zählen eine aktive und passive Belüftung unter Nutzung der natürlichen Luftzirkulation auf den verschiedenen Ebenen der Stadionschüssel sowie Optionen für eine zusätzliche Belüftung direkt unterhalb der Sitzplätze. Dies kann den Energiebedarf und damit die Betriebskosten erhöhen und langfristige Umweltauswirkungen haben (insbesondere bei Bestandsanlagen). Nachhaltige Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs, darunter bedarfsgesteuerte Belüftungssysteme oder die Nutzung von Solarenergie, sind für jede Lösung von entscheidender Bedeutung.
Innenluftqualität Zu den weiteren Strategien zur Steuerung der Luftqualität in Innenräumen zählen Technologien auf der Grundlage von UV-Licht oder bipolarer Ionisation in HLK-Systemen, mit denen die Luftqualität durch den Abbau luftübertragener Schadstoffe verbessert wird. Mithilfe cloudbasierter Systeme zur Raumluftüberwachung können Gebäudemanager in Echtzeit auf eine unzureichende Luftqualität reagieren. Eine weitere Schlüsselfrage ist die Gesundheit von Spielern und Zuschauern. Mit dem Anstieg der Emissionen und der Luftverschmutzung wächst die Besorgnis um die diesbezüglichen Auswirkungen auf Hochleistungssportler. Die Pandemie hat das Bewusstsein für die Luftqualität geschärft, doch das größere Problem könnte letztlich der Klimawandel sein. Auf dem Weg zu saubereren und gesünderen Veranstaltungsorten Vor der Pandemie kam der Sauberkeit der öffentlichen Toiletten bei Veranstaltungen nie genügend Aufmerksamkeit zu. Inzwischen müssen Reinigungsverfahren und -protokolle transparent gemacht werden, um die gesundheitsbezogenen Erwartungen an die Hygienebedingungen von Zuschaueranlagen dauerhaft zu erfüllen – und die Standards stetig zu verbessern. Diese Standards umfassen in der Regel eine Kombination aus der häufigen Reinigung berührungsintensiver Oberflächen (z. B. Drehkreuze, Toiletten, Türgriffe) und der Reinigung größerer Flächen vor oder nach der Veranstaltung (z. B. Sitze, Geländer, Mannschaftsräume). Moderne Desinfektionsverfahren können mittels Vernebelung, elektrostatischer Sprühgeräte oder Sprühdrohnen automatisiert werden. Denkbar ist auch, dass die Anlagen in Zukunft so programmiert werden können, dass sie zu bestimmten Zeiten vor/nach Veranstaltungen desinfiziert werden, was zu saubereren und gesünderen Veranstaltungsorten führen wird.
Kontaktlose Ticketausstellung und -abholung Unabhängig von der Nutzungshäufigkeit werden berührungsintensive Oberflächen immer häufiger durch kontaktlose oder bewegungsgesteuerte Lösungen ersetzt. So wird nicht nur die Übertragung von Erregern verringert, sondern auch ein besseres Zuschauererlebnis gewährleistet. Kontaktlose Zahlungsvorgänge und digitales Ticketing waren schon vor der Pandemie weit verbreitet. Inzwischen sind die Spiele von mindestens 14 Major League BaseballTeams in dieser Saison komplett bargeldlos organisiert. Die Versorgung mit Speisen und Getränken wurde schon früh durch kontaktlose Verfahren revolutioniert. So wurden die Zahl der Kontaktpunkte und damit das Übertragungspotenzial minimiert. Es ist unmöglich, die Berührung von Oberflächen an einem Veranstaltungsort vollständig zu vermeiden. Durch eine verbesserte Desinfektion können dennoch Fortschritte erzielt werden, um sicherzustellen, dass die Veranstaltungsorte stets höchsten Hygieneanforderungen entsprechen und gleichzeitig ein besseres Zuschauererlebnis bieten.
FLEXIBLE RAUMKONFIGURATIONEN UND OUTDOOR-ANGEBOTE
Mike Trice, Senior Principal, Populous, UK
Eine der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die künftige Gestaltung von Stadien ist die Entwicklung flexibler Räume, die als Reaktion auf sich ändernde Richtlinien und Vorschriften angepasst und neu konfiguriert werden können, damit die Stadien offen und betriebsbereit bleiben können und gleichzeitig der Notwendigkeit Rechnung tragen, ein gesünderes Umfeld sicherzustellen.
Frischluftzirkulation in Hospitality-Bereichen tragen dazu bei, die Konzentration luftübertragener Viren zu senken.
Innerhalb der Stadionschüssel werden Hospitality-Zonen als Open-Air-Bereiche unter dem Hauptstadiondach konzipiert. Sie bieten eine neue Art des Zuschauererlebnisses, bei dem Speisen und Getränke direkt am Platz serviert werden. So erhalten die Besucher ein Hospitality-Angebot in gewohnter Qualität und kommen gleichzeitig in den Genuss der Atmosphäre eines Sitzplatzes direkt in der Stadionschüssel.
Flexibel nutzbare Räume können voneinander abgetrennt oder miteinander verbunden werden, um auf Veränderungen der Vorgaben zur sozialen Distanzierung oder Kapazitätsbeschränkungen zu reagieren. Hierzu zählt auch die Möglichkeit, große, offen gestaltete Hospitality-Lounges mit Schiebe-/Falttüren und -wänden so zu gestalten, dass eine flexible Kapazitätsanpassung an die Vorgaben zur sozialen Distanzierung möglich ist. Bewegliches Mobiliar, das sich auch an Layout-Veränderungen und geltende Abstandsregeln anpassen lässt, ist für eine möglichst flexible Gestaltung und Nutzung von Innenräumen ebenfalls hilfreich.
Die natürliche Belüftung von Hospitality-Bereichen mit Fenstern, die geöffnet werden können, fördert die Luftzirkulation. Dies bedeutet eine Abkehr vom konventionellen Ansatz geschlossener und klimatisierter Hospitality-Bereiche. Öffenbare Fenster, natürliche Belüftung und Hospitality-Bereiche und Verkehrsflächen können auf Außenterrassen und -flächen ausgeweitet werden, wo die Gäste als Teil des Spieltagerlebnisses unter freiem Himmel zusammenkommen können. Überdachte Außenbereiche können ebenfalls vorgesehen werden, um einen besseren Wetterschutz anzubieten.
Solche Außen-Hospitality-Bereiche können auch auf Outdoor-Fanzonen und Sponsoring-Aktionsbereiche ausgedehnt werden, um die Gäste außerhalb des Stadions zu aktivieren und gleichzeitig eine direkte Verbindung zu den Hospitality-Bereichen und Verkehrsflächen mit schnellem Zugang zu den Sitzplätzen zu gewährleisten. Hier können zusätzlich für den Außenbereich geeignete Pop-up-Stände mit einem veranstaltungsspezifisch angepassten Speisen- und Getränkeangebot angeordnet werden.
NEUE HORIZONTE DER DATENERFASSUNG
Gustavo Amaral Doktorand und Dozent, School of Architecture | Georgia Institute of Technology, USA
Mit der Verfügbarkeit neuer Datenmodi stehen den Planern für den Bau und die Modernisierung von Sportanlagen umfassendere Datenstrukturen und Datenanalysen zur Verfügung. Diese neuen Möglichkeiten helfen dabei, komplexe Fragestellungen zu beantworten, beispielsweise mithilfe welcher Planungsstrategien Stadien und Arenen zu einem Schlüsselelement in einem dichten, vielfältigen und aktiven urbanen Ökosystem werden können oder wie wirksam die Gebäudeorganisation mit Blick auf die Nachhaltigkeit und das allgemeine Fanerlebnis ist.
Im Datenzeitalter ergeben sich für Planer und Betreiber viele Möglichkeiten, das Potenzial von Informationstechnologie, Datenanalyse und Algorithmen des maschinellen Lernens für die Interpretation des Raums zu nutzen. Zwei zentrale Probleme im Zusammenhang mit datenbezogenen Modellen müssen jedoch bearbeitet werden: die ständig wachsende Größe der Datensätze und die zunehmende Komplexität der Daten.
Graphdatenbanken als geeignete Systeme Im Informationszeitalter ist die Entwicklung von Methoden zur Sammlung und Interpretation räumlicher Daten ein neues Feld, das von den entsprechenden Experten erkundet werden muss. Graphdatenbanken sind ein Beispiel für neue Technologien, die von Planern und Facility Managern implementiert werden, um Informationen mit graphähnlichen räumlichen Daten zu verwalten.
Graphdatenbanken eignen sich für die Gestaltung digitaler Plattformen, mit denen räumliche Probleme modelliert werden sollen. Sie liefern wichtige Erkenntnisse zu komplexen baubezogenen Fragestellungen in unterschiedlichen Situationen und Kontexten. Digitales Marketing, Energieleistung, Barrierefreiheit, Lieferantenauswahl und Umsatzprognosen sowie die Überwachung von sozialer Distanzierung, Bewegungsmustern und Hygieneprotokollen sind komplexe Themen, die mithilfe dieser Technologien potenziell bearbeitet werden können.
Der Innenraum von Gebäuden kann beispielsweise in eine graphähnliche Struktur übersetzt werden, die durch Knoten und sie verbindende Kanten definiert ist. Die Knoten stehen für wichtige Orte in der räumlichen Organisation des Gebäudes, beispielsweise Toiletten, Bars, Eingänge, Verkaufsstellen, Desinfektionsstationen. Sobald diese lokalisiert sind, werden Daten mithilfe von Sensoren und anderen Technologien gesammelt. Diese Daten werden zu einem Attribut ihres entsprechenden Datenbankknotens und verwandeln den Innenraum der Veranstaltungsstätte in ein Live-Datenmodell, das bei jeder Veranstaltung aktualisiert wird. So gewinnen Architekten, Ingenieure und Betreiber in einer neuen Dimension Erkenntnisse zu den raumbezogenen Merkmalen der Veranstaltungsstätte und können bei künftigen Neubau- und Modernisierungsprojekten besser informierte Entscheidungen treffen.
Big Data erfordern Technologieintegration Das oben beschriebene Szenario unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden Technologieintegration über den gesamten Lebenszyklus eines Veranstaltungsorts. Im datengesteuerten Planungsprozess beginnt die Technologieintegration bereits in der Entwurfsphase. Diese Notwendigkeit der Integration eröffnet den Planern die Möglichkeit, das Potenzial von Building Information Modelling (BIM) bei der Entwicklung datengesteuerter Verfahren zu erkunden. So kann beispielsweise eine Graphdatenbank mit BIM integriert werden. Auf diese Weise können die Planer in der Entwurfsphase das Architekturmodell nutzen, um die Platzierung der Datenerfassungsgeräte, die entsprechenden Knoten und folglich die Konfiguration des analytischen Gebäudedatenmodells zu definieren. So kann erheblicher Mehrwert für Kunden und Betreiber generiert werden.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Javier Dávila de Eusebio, Leiter Geschäftsentwicklung Sportarchitektur, IDOM, Spanien
Die Analyse hat uns die Gewissheit gegeben, dass LiveVeranstaltungen nach der Covid-19-Pandemie nicht einfach verschwinden werden, denn sie spielen eine Schlüsselrolle für unser gesellschaftliches Leben. Der Stillstand während der Pandemie und die nachfolgende Erholungsphase haben vielmehr bereits bestehende oder neu aufkommende Trends bei der Gestaltung von Veranstaltungsstätten beschleunigt, darunter die breitere Einführung erneuerbarer Energiesysteme bei der Stadionplanung einschließlich Energiegewinnung und -speicherung, beispielsweise durch Ausweitung auf Bereiche wie Verkaufsstellen und Einzelhandelsflächen im Stadion.
Zudem stehen einige betriebliche Aspekte im Fokus der Aufmerksamkeit und werden aufgrund ihrer gesundheitsbezogenen Auswirkungen weiterentwickelt, beispielsweise Abfallmanagement, hocheffiziente Belüftungssysteme und moderne Reinigungsverfahren in Veranstaltungsstätten. Die Betreiber richten ihr Augenmerk inzwischen auch auf die Umgebung der Veranstaltungsorte. In diesem Zusammenhang wurde das Fanerlebnis an den Eingängen als ein wichtiger Aspekt erkannt, der nicht vernachlässigt werden darf.
Diese Erkenntnisse aus der Praxis werden durch neue Sichtweisen ergänzt, die die Zukunftstrends in der Planung von Stadien und Arenen für die Jahre nach der Pandemie bestimmen werden: Hier geht es um die urbane Integration von Stadien und Arenen in ihrer Eigenschaft als Katalysatoren, die immense Vorteile für die Gemeinschaft erzeugen können. Diese müssen mit einem soliden datengesteuerten Planungsansatz erfasst, gemessen, optimiert und umgesetzt werden unter Berücksichtigung der Zusatzfunktion als Notfallinfrastruktur.
Wichtige Trends sind:
• Integration von Mobilitätshubs in die Anlagenplanung, um eine Anbindung an das urbane Umfeld und seine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen,
• Einsatz moderner Technologien für einen sichereren Stadionzugang und die Kontrolle von Menschenmengen,
• Ersatz berührungsintensiver Oberflächen durch kontaktlose Lösungen,
• Technologiesprung, um die Datenanalyse zu einem
Schlüsselelement für die Planung und den Betrieb von
Veranstaltungsorten zu machen, komplexe räumliche
Bedingungen zu ermitteln und in wirksamere Designlösungen zu überführen,
• und flexible Nutzungsoptionen, mit denen die Nutzbarkeit dieser Großanlagen in den kommenden Jahren verbessert wird.
Sämtliche Experten, die mit der Planung und dem Betrieb von Stadien und Arenen befasst sind, erkennen diese Trends und Anforderungen zumindest teilweise an. Wir durchleben eine wahrhaft interessante Zeit, in der wir gemeinsam unser Bestes geben, um diese umfassenden Erkenntnisse in die Planung von Stadien und Arenen für die Zeit nach der Pandemie einfließen zu lassen.