Rundbrief 1

Page 1

Café con leche * Matagalpa

2

Auf geht‘s

Nicaragua

4

Nicaraguas bewegte Jahre

5

Mein Einsatz

6

Ankommen

Rundbrief 2015/Nr. 1

Legende 1 Ein letzter Ausflug mit meinem Motorrad am Genfersee

*In Nicaragua werden die Weissen „chele“, also umgekehrt für leche (Milch), genannt...

Imesch Caroline


Auf geht’s! Endlich! In zwei Wochen werde ich bereits in Matagalpa mitten in meinem neuen Leben sein. Au-revoir Genève, hola Nicaragua! Für drei Jahre werde ich die Schweiz nur noch während meinem Urlaub sehen... bei diesem Gedanken wird es mir langsam schon ein wenig mulmig... Aber alles der Reihe nach!

Zen-Meditation, ping-pong und Filmabende Der Ausreisekurs dauerte einen ganzen Monat und fühlte sich ein bisschen wie ein Schullager an. Während vier Wochen lebten wir unter einem Dach in der Alten Villa des Lassalle-Hauses bei Bad Schönbrunn. Für mich bedeute das ein absolutes Eintauchen in die Interteam-Philosophie und ein erstes bewusstes Auseinandersetzen mit meinem zukünftigen Arbeitsort, wozu ich davor ja gar nicht wirklich Zeit hatte.

Auf der Suche nach einer neuen Kein Kurstag glich dem anderen, es gab eher theoretische Kurstage, z.B. zu EntwicklungsAufgabe Nachdem ich nun seit über sieben Jahren in Genf bin, kam ich vor einigen Monaten zum Schluss, dass es mal wieder Zeit für eine neue Herausforderung ist. Deshalb machte ich mich intensiv auf die Suche nach einer Stelle im Ausland. Davor hatte ich während zweieinhalb Jahren bei einer NGO in Genf als Direktionsassistentin gearbeitet. Obwohl ich die Funktion als Angelpunkt zwischen Kollegen und dem Managementteam immer als sehr herausfordernd und interessant empfunden hatte, kam ich dann doch irgendwann zum Schluss, dass mir eine praxisbezogenere Arbeit im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mehr liegen würde. Zwischenzeitlich wechselte ich für sechs Monate zur Caritas Genf, wo ich beim Service de Coopération au Développement konkrete Arbeitserfahrung zu Management von Entwicklungsprojekten sammeln konnte. Als ich mich dann im letzten Sommer auf eine Stelle von Interteam beworben habe, ging plötzlich alles ganz schnell. Ende Oktober war klar, ich gehe nach Nicaragua! Und ein paar Tage später sass ich, zusammen mit 13 weiteren Teilnehmenden, im Ausreisekurs.

2

Café con leche Matagalpa Nicaragua

politik und dann auch wieder ganz interaktive, wie z.B. das Planspiel, das einen ganzen Tag lang dauerte:

Wir bekamen alle eine Rolle zugewiesen, die wir während eines ganzen Tages spielten. In einem fiktiven Land drohte ein Lehrerstreik, das Erziehungsministerium wollte die Gelder für die Gassenküche streichen, die katholische Kirche wollte auch noch ein Wörtchen mitreden und mittendrin waren zwei Interteam-Fachpersonen, wovon ich die Ehefrau gespielt habe, die in der Gassenküche einen Einsatz leistete. Da wurde mir das erste Mal so richtig bewusst, wie heikel manche Situationen werden können, wenn man so als wohlhabende Schweizerin betrachtet wird, die in der Gassenküche mithilft und von ihren Kolleginnen dazu überredet werden soll, ein paar Kontakte zu reichen Schweizer Unternehmen zu schaffen. Darf man das? Wie neutral kann man sein? Für wen arbeitet man eigentlich; für die Partnerorganisation oder Interteam? Wem ist man verpflichtet? All diese Fragen und noch viele mehr kamen bei mir während dem Kurs auf und wurden sehr professionell beantwortet. Was ich besonders schätzte, war diese Professionalität auf persönlicher Ebene. Bei Interteam hatte ich nie das Gefühl, nur eine unter vielen zu sein, es wird sehr genau auf die Stärken und Schwächen des Einzelnen eingegangen, und somit analysiert, ob man der zukünftigen Aufgabe gewachsen ist. Imesch Caroline Rundbrief 2015/Nr. 1


Auch die Gruppe als solche war eine echte Bereicherung - so viele verschiedene Leute und Backgrounds - aber alle mit der gleichen Motivation. Besonders beeindruckt haben mich die zwei Familien, die mit ihren Kindern nach Tansania, bzw. nach Nicaragua ausreisen... ich habe ja mit mir selbst schon so viel zu tun, wie machen die das noch mit den Kindern??? Chapeau! Und dann waren da auch Helen und Thomas, die in einigen Jahren pensioniert werden, aber einfach davor noch einmal etwas Sinnstiftendes erleben und v.a. tun wollten. Für mich ist ja Entwicklungszusammenarbeit der Beruf und daher ist es normal, die Zelte abzubrechen und für längere Zeit im Ausland zu sein, aber für Helen und Thomas fängt ein ganz neues Leben in Bolivien an. Ich finde es einfach wirklich mutig und bewundernswert, dass sie das packen! Eigentlich könnte ich hier über jeden Einzelnen etwas schreiben, es waren wirklich alles ganz inspirierende Leute, mit denen ich hoffentlich noch lange in Kontakt sein werde.

Wo bitte liegt Nicaragua? Naja, so schlimm stand es dann doch nicht um meine Geographiekenntnisse. Aber ich musste mich doch ganz schön einlesen, da ich bisher vor allem die andine Region bereist habe und verschiedenste Arbeitserfahrungen in Ecuador gesammelt habe. Je mehr ich aber im Laufe der Monate über das Land gelesen, gehört und ausgetauscht habe, umso mehr bin ich gespannt darauf, einen völlig neuen Kontext kennenzulernen. Kreolische Einflüsse an der Atlantikküste, baseball als Nationalsport und NICHT Fussball, die Überbleibsel der Revolution, Nicaraguas Poesie, arroz y frijoles, Ometepe... Ach ja, Nicaragua ist nicht Nigeria ;)

Imesch Caroline Rundbrief 2015/Nr. 1

Café con leche Matagalpa Nicaragua

3


Nicaraguas bewegte Jahre FSLN, Contra-Krieg, Ortega zum ersten Nicaragua hat Ende der 70er Jahre Schlagzeilen gemacht, als 1979 die linksgerichtete Frente Sandinista de Liberación Nacional (Sandinistische Nationale Befreiungsfront) die langjährige Diktatur stürzte. Die FSLN leitet ihren Namen vom Volkshelden und Guerillaführer Augusto César Sandino ab, der in den 1930er Jahren den Widerstand gegen die US Besatzung anführte.

Kriegs bildete die USA militärische Einheiten im Nachbarland Honduras aus, welche die Opposition im Bürgerkrieg unterstützte. Die Wirtschaft litt sehr stark unter diesem Krieg, u.a. auch unter dem von der USA auferlegten Handelsembargo. 1989 schliesslich kam es zu einem Waffenstillstand und zu den zweiten freien Wahlen, an denen aber 1990 die Oppositionskandidatin Violeta de Chamorro gewann. Für die sandinistische Führung kam diese Niederlage völlig überraschend.

Die Neoliberalen Jahre und Ortega zum Zweiten Wie für viele andere lateinamerikanische Länder waren die 90er Jahre auch für Nicaragua von neoliberalen Politiken geprägt. Die FSLN verlor während diesen Jahren mehrere bekannte Parteimitglieder, so zum Beispiel Gioconda Belli und Sergio Ramírez. Dennoch kam Daniel Ortega 2006 wieder an die Macht und ist es bis heute.

Legende 2 Sandino mit seinem typischen breitkrempigen Hut (https://encryptedtbn0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQyP531i08qEsRUZsLTcGXVxiv099bwuvK1mtBVh1c9r99RJwa)

Selbst von ihrem Erfolg überrascht, haben die Sandinisten es verstanden, das völlig verarmte Land mit sozial- und wirtschaftspolitischen Umstrukturierungsprozessen auf einen neuen Kurs zu bringen. Eine Verfassungsreform erlaubte es, Ende 1984 erstmals freie Wahlen durchzuführen, bei denen der bisher der Regierungsjunta angehörige Daniel Ortega zum Präsident gewählt wurde. Ein oft zitiertes Beispiel des sandinistischen Reformprogramms ist die breit angelegt Alphabetisierungskampagne, die die Sandinisten gleich im ersten Jahr nach der Revolution begannen. V.a. aus Städten wurden Studenten und Lehrer angeworben, damit diese der ländlichen Bevölkerung Lesen und Schreiben beibringen konnten. Diese Kampagne war äusserst erfolgreich. Jedoch stürzte der sogenannte Contra-Krieg das Land kurz darauf in einen bis Ende 80er Jahre dauernden Bürgerkrieg. Im Kontext des Kalten

4

Café con leche Matagalpa Nicaragua

Legende 3 Graffito der FSLN und Sandino (https://nicaragua30.files.wordpress.com/2010/12/peg6 11.jpg)

Was ich so in den letzten Wochen von Leuten erfahren konnte, die das Land kennen, gehört es einfach dazu, dass man die politische, sprich sandinistische Geschichte des Landes kennt. Vieles ist geprägt von ParteiIdeologismus und ich wurde auch gewarnt, dass es nicht immer einfach sein wird, mit Kooperativen zu arbeiten, die sich mit dieser oder jener Partei identifizieren (sprich: Sandinisten oder nicht), ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Dies wird bestimmt eine Herausforderung. Doch nun zu meinem Einsatz: Imesch Caroline Rundbrief 2015/Nr. 1


Mein Einsatz Cafenica Als hätte das Team in Luzern es mir angesehen, dass ich eine Kaffeeliebhaberin bin! Ich werde nämlich bei der Cafenica in der Öffentlichkeitsarbeit tätig sein. Die Cafenica ist ein Verband von zehn Kooperativen von Kaffeekleinbauern und repräsentiert somit 24% der nicaraguanischen Kaffeekleinbauern. Sie unterstützt die Kooperativen im Bereich der institutionellen Stärkung, Marktpositionierung, Zertifizierungsprozesse, und vertritt die Anliegen der Kleinbauern bei den betreffenden Instanzen. Partizipation, Geschlechtergleichheit, Transparenz, Qualität, sowie wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit werden bei der Cafenica gross geschrieben. Die Cafenica hat ihren Sitz in Matagalpa, der eigentlichen Kaffeehauptstadt Nicaraguas.

Matagalpa

Es gibt also mehr als genug zu tun!

Legende 5 Dort liegt Matagalpa! (https://encryptedtbn0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcSUW3u4WWa3WYcY2Fh RM4o8BCImXDuzjxg5TJtoWp6QrZARIC5JNA)

Legende 4 Matagalpa's berühmte Kathedrale (http://mw2.google.com/mwpanoramio/photos/medium/2347029.jpg)

Imesch Caroline Rundbrief 2015/Nr. 1

Matagalpa, auch bekannt als die Perle des Nordens, liegt im nördlichen Hochland von Nicaragua auf ca. 700 m.ü.M. Die Stadt mit rund 120'000 Einwohnern ist auch die Hauptstadt des gleichnamigen Departements. Matagalpa ist zwar nur die fünftgrösste Stadt Nicaraguas, aber nach Managua die wichtigste. Nicht nur der Kaffeeanbau trägt beträchtlich zur nationalen Exportwirtschaft bei, sondern allgemein die produktive Landwirtschaft (Rindviehwirtschaft, Bananen, Bohnen, Kakao, Mais).

Café con leche Matagalpa Nicaragua

5


Ankommen Interteam ist sich bewusst, dass die Fachleute nicht gleich in der ersten Woche mit der Arbeit beginnen können, da ja die ganzen neuen Eindrücke verdaut werden müssen, kommt dazu die Wohnungssuche etc. Konkret heisst das für mich, dass ich nach ein paar Tagen in der Hauptstadt Managua, wo ich am Flughafen vom Lokalkoordinator abgeholt werde, nach Matagalpa reisen werde. Für den Anfang hat mir ein Schweizer Pärchen, das in Matagalpa für eine andere Organisation tätig ist, ein Zimmer bei einer Bekannten reserviert. Ich werde meinen neuen Arbeitsplatz kennenlernen, mich auf die Wohnungssuche machen und mich mit meiner neuen Heimat anfreunden.

Legende 7 Frisch geerntete Kaffeebohnen http://www.mio-tours.de/uploads/pics/kaffeebauer.jp

Legende 6 Ein Kaffeebauer in Nicaragua http://www.nicacafe.de/WebRoot/Store17/Shops/64178805/Med iaGallery/Menschen_statt_Marken_Kaffeebauer_Fairtrade.png

6

Café con leche Matagalpa Nicaragua

Imesch Caroline Rundbrief 2015/Nr. 1


Legende 8 Blick von meinem Heimatdorf auf die Mischabelgruppe

Nun geniesse ich noch die letzten Tage in Zeneggen im Wallis und wohl auch den letzten Schnee für längere Zeit! Den nächsten Rundbrief bekommt ihr in etwa sechs Monaten, bis dann werde ich mich bestimmt schon ziemlich gut eingelebt haben und werde euch dann Näheres zu meiner Arbeit erzählen. Hasta luego!

Imesch Caroline Rundbrief 2015/Nr. 1

Café con leche Matagalpa Nicaragua

7


«Mein Einsatz hier in Nicaragua für Cafenica wird von der Organisation INTERTEAM ermöglicht. INTERTEAM unterstützt bestehende Initiativen und Organisationen in Ländern des Südens: Nicht mit Geld, sondern mit

Wissenstransfer durch Personaleinsätze von Schweizer Fachleuten. Um die Einsätze zu finanzieren, ist INTERTEAM auf Spenden angewiesen. INTER-

TEAM und ich freuen uns daher über eine Spende. Vielen Dank!» PC-Konto 60-22054-2 INTERTEAM Luzern Vermerk: Caroline Imesch Matagalpa, Nicaragua

Aktuell könnt ihr mich erreichen unter: caroline.imesch@interteam.ch

WISSEN TEILEN – ARMUT LINDERN. Nach diesem Grundsatz setzt sich INTERTEAM ein für bessere Lebensbedingungen in armutsbetroffenen Ländern im Süden und für mehr Solidarität im Norden. Seit 1964. INTERTEAM vermittelt und begleitet qualifizierte Schweizer Berufsleute in mehrjährige Einsätze nach Afrika und Lateinamerika. Die über 50 Fachleute engagieren sich in den Bereichen Bildung, Ernährung und Gesundheit. Im Mittelpunkt der Entwicklungseinsätze stehen der Austausch und die Weitergabe von Wissen, Fertigkeiten und Erfahrung. INTERTEAM beschreitet gemeinsam mit Partnerorganisationen vor Ort neue Wege, um solide Grundlagen zu schaffen und so die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Als ZEWO-zertifizierte, 50-jährige Non-Profit-Organisation garantiert INTERTEAM einen verantwortungsvollen Umgang mit Spenden und Mitgliederbeiträgen sowie mit öffentlichen, privaten und kirchlichen Geldern. INTERTEAM Unter-Geissenstein 10/12 6005 Luzern Tel. 041 360 67 22 Fax 041 361 05 80 PC-Konto 60-22054-2 www.interteam.ch info@interteam.ch www.facebook.com/interteam

Spenden in: CHF PostFinance, 6005 Luzern IBAN: CH37 0900 0000 6002 2054 2 BIC-Code: POFICHBE EUR Raiffeisenbank, 6003 Luzern IBAN: CH63 8120 3000 0074 2397 0 Swift: RAIFCH22 USD Raiffeisenbank, 6003 Luzern IBAN: CH71 8120 3000 0074 2392 3 Swift: RAIFCH22


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.