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EVENING SALE KLASSISCHE MODERNE & ZEIGENÖSSISCHE KUNST 1. DEZEMBER 2018
KLASSISCHE MODERNE & ZEITGENÖSSISCHE KUNST 1. DEZEMBER 2018
18 UHR
Egon Schiele Kat. Nr. 10
Gustav Klimt Kat. Nr. 2
Erwin Wurm Kat. Nr. 59
Franz West Kat. Nr. 58
Ihr Team im Kinsky
Michael Kovacek
Ernst Ploil
Christoph la Garde
Kareen Schmid
Monika Schweighofer
Astrid Pfeiffer
Roswitha Holly
Claudia Mรถrth-Gasser
Eva Gruber-Letz
Peter Baum
Hansjรถrg Krug
Marianne Hussl-Hรถrmann
Elisabeth Skofitsch-Haas
Anja Wolf
Timea Pinter
Barbara Berger
Jasmin Panagl
Monika Uzman
Elena Wenzel
Heidi Hofmann
Katharina Koja
Barbara Passauer
Julia Obruca
Your Team im Kinsky
Karin Graber
Robert Mayr
Thomas Cerny
25 Jahre Woher-wohin Es läge ja nahe, ein Jubiläum wie die 25. Wiederkehr unseres Gründungsjahres mit allerlei besinnlichen, wehmütigen aber auch frohlockenden Worten zu begleiten. Was wurde nicht schon alles zu derartigen Anlässen über noch immer existierende Unternehmen, deren Erfolge, Fleiß ihrer Gründer, Exzellenz ihrer Mitarbeiter, Liebenswürdigkeit ihrer Geschäftspartner und so weiter geschrieben, gesprochen und lobgehudelt. Wir wollen es Ihnen, die Sie vielleicht schon auf Langatmiges gefasst sind, etwas erträglicher machen, und beschränken uns daher auf die Wiedergabe von nüchternen Zahlen und Fakten: Gegründet wurde unsere Gesellschaft im Jahr 1992 von fünf Gesellschaftern, ihr Sitz befand sich in einem Neubau am Opernring, als ihr Geschäftsführer fungierte die folgenden 18 Jahre der erfahrene Dorotheums experte Otto Hans Ressler. Im Jahr 1993 wurde die erste Auktion abgehalten, jetzt stehen wir vor der 125. Die Summe der unteren Schätzwerte der im Jahr 1993 versteigerten Kunstwerke hat über 3 Millionen Euro betragen, bei der bevorstehenden Auktion beträgt sie etwa das Vierfache. In den 125 Auktionen sind ungefähr 75.000 Objekte versteigert und davon mehr als 60 % auch tatsächlich zugeschlagen worden. Das Billigste um EUR 1,–, das Teuerste um rund EUR 3,5 Mio. Vom ersten Jahr an hat das Auktionshaus Gewinne erwirtschaftet; auch der Umsatz des Unternehmens stieg regelmäßig von einem Jahr zum nächsten, er wird heuer voraussichtlich das 40-fache dessen betragen, den wir im Jahr 1994 erwirtschaftet haben. Begonnen hat das Kinsky – damals noch unter dem Namen „Wiener Kunstauktionen“ – als Zwerg, der sich in einem Ranking der europäischen Kunstauktionshäuser wahrscheinlich rund um 700 befunden hat. 2017 hielt es auf Platz Nr. 20. Nachdem unser Freund Otto Hans Ressler im Jahr 2010 seinen eigenen beruflichen Weg mit seinen „Ressler Kunstauktionen“ beschritten hat, haben wir beide, Michael Kovacek und Ernst Ploil die (Geschäfts-)Führung des Unternehmens übernommen; es ging weiter steil bergauf; wir haben Erfolge erreicht, die wir erhofft, aber nicht wirklich erwartet haben. Wir haben Kunstwerke versteigern dürfen, von denen wir nicht geglaubt haben, dass sie uns jemals anvertraut werden und wir haben Geschäftspartner gewonnen, die mit anderen Kunsthändlern nicht einmal zu sprechen bereit waren. Jene Auktion, die wir Ihnen mit diesem Katalog veranschaulichen wollen, markiert einen weiteren Meilenstein in der Geschichte unseres Auktionsunternehmens: Christoph la Garde übernimmt das Ruder eines dynamischen, sich schnell bewegenden Bootes auf recht rauer See. Das Boot verfügt über eine exzellente Ausrüstung, eine fabelhafte Mannschaft, es hat hochgesteckte Ziele und Freude an seiner Bewegung. Die Zukunft hat schon begonnen. Neue Führung, das bedeutet geradezu zwangsläufig Änderung, eine veränderte Unternehmenskultur, andere Unternehmensziele, andere als die gewohnten Gesichter. Sie alle, die Sie uns in den vergangenen Jahren begleitet, unterstützt, beobachtet oder gar kritisiert haben, Sie bitten wir, auch die nächste Zeit mit uns zu durchmessen. Auf in die Zukunft, auf in die zweiten 25 Jahre. Betrachten Sie diesen Katalog nicht als Schlussstrich unter das bisher Geleistete, sondern als kunstgewordene Dankesworte und Wegweiser in die kommenden gemeinsamen Zeiten. Michael Kovacek, Ernst Ploil, Christoph la Garde
Klassische Moderne & Zeitgenรถssische Kunst Modern & Contemporary Art
ExpertInnen Experts
Michael Kovacek T +43 1 532 42 00 M +43 664 240 48 26
Mag. Claudia Mรถrth-Gasser T +43 1 532 42 00-14 moerth-gasser@imkinsky.com
Mag. Christoph la Garde T +43 1 532 42 00-25 lagarde@imkinsky.com
Anna K. Erdkamp, BA T +43 1 532 42 00-43 erdkamp@imkinsky.com
Timea Pinter, MA T +43 1 532 42 00-41 pinter@imkinsky.com
Assistenz Assistance
Barbara Berger, BA T +43 1 532 42 00-43 berger@imkinsky.com
Zustandsberichte & Beratung | Condition report & Consultation Mag. Claudia Mรถrth-Gasser, T +43 1 532 42 00-14, moerth-gasser@imkinsky.com Mag. Astrid Pfeiffer, T +43 1 532 42 00-13, pfeiffer@imkinsky.com
Mag. Astrid Pfeiffer T +43 1 532 42 00-13 pfeiffer@imkinsky.com
125. Kunstauktion Freitag, 30. November 2018 15 Uhr: Jugendstil & Design Kat. Nr. 101–296 17 Uhr: Klassische Moderne Kat. Nr. 301–496
Samstag, 1. Dezember 2018 15 Uhr: Zeitgenössische Kunst Kat. Nr. 501–716 18 Uhr: Evening Sale Ferdinand Georg Waldmüller Kat. Nr. 1 Klassische Moderne Kat. Nr. 2–31 Zeitgenössische Kunst Kat. Nr. 32–62
Besichtigung der Schaustellung ab 22. November 2018, Montag–Freitag 10–19 Uhr, Samstag, Sonntag & Feiertag 10–17 Uhr
Online-Katalog www.imkinsky.com
Kaufaufträge Heidi Hofmann, T +43 1 532 42 00, hofmann@imkinsky.com Katharina Koja, T +43 1 532 42 00-48, koja@imkinsky.com
Sensalin Monika Uzman, T +43 1 532 42 00-22, M +43 664 421 34 59
125th Auction Friday, 30 November 2018 3 pm: Art Nouveau & Design Cat. Nr. 101–296 5 pm: Modern Art Cat. Nr. 301–496
Saturday, 1 December 2018 3 pm: Contemporary Art Cat. Nr. 501–716 6 pm: Evening Sale Ferdinand Georg Waldmüller Cat. Nr. 1 Modern Art Cat. Nr. 2–31 Contemporary Art Cat. Nr. 32–62
Opening Times from 22 November 2018, Monday–Friday 10am–7pm, Saturday, Sunday & Bank holiday 10am–5pm
Online catalogue in English www.imkinsky.com/en
Order Bids Heidi Hofmann, T +43 1 532 42 00, hofmann@imkinsky.com Katharina Koja, T +43 1 532 42 00-48, koja@imkinsky.com
Broker Monika Uzman, T +43 1 532 42 00-22, M +43 664 421 34 59
Bitte beachten Sie, dass es nach Druck des Katalogs zu Änderungen oder Ergänzungen kommen kann. Eine Liste solcher Änderungen finden Sie auf unserer Webseite oder in unseren Geschäftsräumen. | Please note that there may be changes or additions after printing the catalog. A list of such changes can be found on our website or in our business premises.
Besuchen Sie uns | Visit us on instagram.com/auktionshausimkinsky, #auktionshausimkinsky #auctionhouseimkinsky Auktionshaus im Kinsky GmbH, Palais Kinsky, A-1010 Wien, Freyung 4, T +43 1 532 42 00, F +43 1 532 42 00-9, office@imkinsky.com
Ferdinand Waldmüller © ÖNB / Wien, Friedl 240.344 – D
1 Ferdinand Georg Waldmüller (Wien 1793–1865 Helmstreitmühle bei Mödling) Kinder mit Puppen spielend, 1864 Öl auf Holz; 52,4 × 41,2 cm Signiert und datiert auf der Stiege rechts: Waldmüller / 1864 Provenienz Witwe Waldmüller, Wien; Galerie L.T. Neumann, Wien (1907); Wawra, 277. Kunstauktion, Wien, 11. Dezember 1923, Nr. 170; Privatsammlung, Wien Ausstellungen 1865 Wien, Österreichischer Kunstverein, Nr. 139; 1990 Wien, Bank Austria Kunstforum (vormals Kunstforum Länderbank), Nr. 127 Literatur Arthur Roessler/Georg Pisko, Ferdinand Georg Waldmüller. Sein Leben, sein Werk und seine Schriften, 2 Bände, Wien o.J. (1907), Nr. 293; Bruno Grimschitz, Ferdinand Georg Waldmüller, Salzburg 1957, S. 368, Nr. 1003 (SW-Abb.); Klaus Albrecht Schröder, Ferdinand Georg Waldmüller, (Ausstellungskatalog Kunstforum Länderbank Wien, 14.9.–16.12.1990), München 1991², S. 248–249, Nr. 127 (SW-Abb.); Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller. 1793–1865. Leben, Schriften, Werke, Wien/München 1996, S. 527, WV-Nr. 1092 (SW-Abb.) Expertise von Prof. Dr. Rupert Feuchtmüller, 20. Dezember 1985, liegt bei. EUR 350.000–700.000
ım Kinsky
Ferdinand Georg Waldmüller ist zweifellos der bedeutendste österreichische Maler der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert, der wie kein anderer die Prinzipien der Biedermeierzeit in Bild zu fassen verstand und diese gleichzeitig mit seinem revolutionär neuen und fordernden Anspruch auf Wirklichkeitserfassung überwand. 1793 in Wien geboren erhielt er seine Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste wie auch in Privatateliers. Seine Heirat mit der Hofopernsängerin Katharina Weidner führte ihn an verschiedene Bühnen für die er Theaterkulissen malte und sich mit Porträt- und Miniaturmalerei sein erstes Renommee erwarb. 1817 kehrte das Paar nach Wien zurück, 1829 wurde Waldmüller bereits zum Kustos der Gemäldegalerie der Akademie ernannt. Der hohe Adel wie das Kaiserhaus zählten früh zu seinen Kunden, in Metternich fand er einen einflussreichen Protegé. Letztlich konnte aber auch dieser nicht verhindern, dass Waldmüller im vehement geführten Disput zwischen seiner Forderung nach einer Schulung vor der Natur und der akademischen Doktrin des Kopierens nach antiken Gipsabgüssen unterlag und vom Dienst suspendiert wurde. Erst kurz vor seinem Tod, 1864 wurde er rehabilitiert, während die weitere Entwicklung der Malerei hin zu größerer Wirklichkeitsnähe und Naturbeobachtung rückwirkend seine Forderungen als zukunftsweisend bestätigte. 1872 verstarb Ferdinand Georg Waldmüller in Mödling bei Wien. Das Hauptthema seiner Kunst waren zunächst Porträts und Landschaften, erst im Laufe der 1840er Jahre, also mit knapp 50 Jahren begann Waldmüller sich intensiver mit der Genremalerei auseinanderzusetzen. Diese seit dem 18. Jh. besonders beliebte Gattung erlaubte es, in einer Kombination aus fiktiver Erzählung und wirklichkeitsnaher Schilderung die moralischen Idealbilder der Zeit kritisch oder bejahend zu erfassen. Waldmüller wählte fast exklusiv das bäuerliche Milieu und präsentierte dieses in anschaulichen Bildern als idyllische Sehnsuchtsorte für die Städter. Nach seiner Übersiedlung in den damaligen Wiener Vorort Wieden 1859 beschäftigte ihn aber zusehends die Situation in den Wiener Vorstädten Wieden, Magdalenagrund und Margareten. In diesen Bildern wird die Armut in den heruntergekommenen Vorstadthäusern und deren Hinterhöfen deutlicher als in den Motiven aus dem ländlichen Raum thematisiert und „lediglich am Beginn und am Ende dieser Reihe, in den Gemälden „Blütezeit“ von 1851 und in „Kinder mit Puppen spielen“ von 1864, werden wir Zeugen einer unbeschwert heiteren Kinderschar.“ (Elke Doppler, Belvedere 2009, S. 129) Vermutlich hat der Künstler die in seinen Bildern gezeigten Hinterhöfe oder Häusergruppen vor Ort studiert, teilweise dürfte er aber auch einzelne Architekturelemente miteinander kombiniert oder für seine kompositorischen Bedürfnisse adaptiert haben. So erscheint auch dieser im Bild sichtbare Hinterhof ebenso in anderen Gemälden. Waldmüllers zweifellos große Kunst liegt einerseits in der lebendigen Wiedergabe der Darstellung mit vielen Details und psychologischem Einfühlungsvermögen und andererseits in der Raffinesse seiner Komposition. Seine Erfahrung mit der Illusionskunst des Theaters wusste er geschickt in seine Darstellungen einzubauen und so erscheint auch in diesem Bild der Hof wie eine Kulisse für die Bühne der spielenden Kinder. Es ist ein Puppenspiel mit zwei selbstgebastelten Kasperln und drei modisch gekleideten Puppen, eine wunderbare Momentaufnahme einer trotz seiner armseligen Umgebung heiteren Szene. Sehr modern erscheint ein weiterer Aspekt der Darstellung, in dem Waldmüller typischerweise den Betrachter mit in die Darstellung einbezieht. Denn genauso wie er die Handlung des Bild als unterhaltende Fiktion wahrnimmt, erfreuen sich die Kinder am erfundenen Spiel ihrer Puppen. Der Betrachter sieht sich also in einer abgewandelten Reflexion in der Rolle der Kinder, wird vom Bild genauso wie diese von ihrem Spiel angeregt, kraft seiner Fantasie die Erzählung weiterzuführen. Es ist das eigentliche, zeitlos anregende und inspirierende Thema von Waldmüllers Kunst. (Marianne Hussl-Hörmann)
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Gustav Klimt, 1914 abgebildet in: Tobias Natter, Gerbert Frodl (Hg.), Klimt und die Frauen, Wien 2001, S. 55
2 Gustav Klimt (Wien 1862–1918 Wien) Liegender Akt mit Baby (recto), Stehender Akt nach vorne gebeugt (verso), 1908/09 blauer Farbstift auf Papier; 37 × 56 cm Nachlassstempel links unten Sammlungsstempel links unten und rückseitig: Rud. Staechelin'sche Familienstiftung, Nr. 238 Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers; Sammlung Rudolf Staechelin, Basel (Sammlungsstempel); Galerie Würthle, Wien; österreichischer Privatbesitz Ausstellung 1978 Wien, Galerie Würthle, Gustav Klimt. Zeichnungen, Nr. 37 Literatur Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1904 – 1912, Bd. II, Salzburg 1982, WV-Nr. 1895, Abb. S. 215 (Rückseite) und WV-Nr. 1960, Abb. S. 235 (Vorderseite) EUR 100.000–200.000
Nachlass-Stempel
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Rückseite
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Die gemeinsame Präsentation dieser beiden Zeichnungen ist gewissermaßen eine Premiere: Der – an sich nicht seltene – Umstand, dass Klimt die hier gezeigten Darstellungen auf zwei Seiten ein- und desselben Blattes angebracht hat, blieb bisher unerkannt. Auf Grund der ihr bekannten Fotos, aus denen sich diese Zusammengehörigkeit nicht ableiten ließ, veröffentlichte Alice Strobl die in blauem Farbstift ausgeführten Aktfiguren als zwei für sich bestehende Arbeiten. In ihrem Werkkatalog ordnete sie den vorgebeugt stehenden Akt den „Studien 1908/09“ zu, während das liegende Modell mit Baby bei der Gruppe „Akte und Halbakte 1910“ anzutreffen ist. Da es naheliegend erscheint, dass Vorder- und Rückseite etwa zur gleichen Zeit verwendet wurden, stellt sich die Frage, welche der jeweils vorgenommenen Datierungen am ehesten zutrifft. Fest verankert in ihrem Umfeld ist ohne Zweifel die Darstellung des vorgebeugt stehenden Modells. Die Zugehörigkeit dieser Zeichnung zu einer kleinen Gruppe von Aktstudien, die sich durch innovative Experimente mit extremen Körperstellungen und Perspektiven auszeichnen, ist evident (Strobl II, Nr. 1888–1895). Während Klimt sich als Maler zwischen 1908 und 1909 in einer Phase des Übergangs vom Goldenen Stil zu einem neuen Realismus befand, suchte er als Zeichner den spannungsvollen Ausgleich zwischen einer strengen, geometrisch betonten Ordnung auf der einen, und einem hohen Grad an Natürlichkeit auf der anderen Seite – so auch im vorliegenden Fall. Der perspektivische Blick auf das fast frontale, vorgebeugt stehende Modell regte Klimt dazu an, die Raumschichten markant voneinander abzusetzen und in die Fläche zu zwingen: Dicht gestaffelt zeigen sich die Kopf- und Schulterpartie mit den scharf hinausragenden, abgewinkelten Armen, die Wellenlinien der Brüste und die zarten Umrisse der weichen Bauch- und Hüftgegend. Im vorgetäuschten Nebeneinander von Brustwarze und Nabel findet das Spiel mit der Perspektive ihre raffinierte Zuspitzung. Als erotische Note gewährt das kleine, leere Dreieck unterhalb der Schambehaarung einen minimalen „Tunnelblick“. Delikate Sinnlichkeit und monumentale Strenge halten sich die Waage und gehen eine für Klimt charakteristische Verbindung ein. Nicht weniger monumental wirkt die horizontale Wiedergabe der aufgestützt liegenden Frau, deren mütterlich wirkende, weiche Körperformen sich über einen Großteil der Papierfläche ausbreiten. Ihr gesenkter Blick ist auf das vor ihr liegende Baby gerichtet, das unmittelbar auf den Betrachter blickt. Mit sparsamen Linien charakterisiert Klimt sowohl die Mimik und die Gestik der Mutter als auch die zarte Physiognomie und die geballten Fäustchen des Kindes, dessen Wesen er mit großer Empathie erfasst. Alice Strobls Zuordnung dieser Zeichnung zur Gruppe „Akte und Halbakte 1910“ wirft einige Fragen auf. Auf den ersten Blick scheint der Körpertypus der hier gezeigten, liegenden Frau den fülligen Modellen der vorhin genannten Studiengruppe nahe zu kommen. Letztere Aktdarstellungen vermitteln auf Grund ihrer festen, stellenweise kräftig wiederholten Umrisslinien jedoch einen kompakteren Eindruck. Durch ihre behutsam nuancierende Strichführung zeigt sich unsere Zeichnung mit einem Großteil der 1908/09 entstandenen Studien verwandt, etwa mit den frühesten Arbeiten für das Gemälde „Tod und Leben“, unter denen sich die Studie eines Babys befindet (Strobl II, Nr 1885). Darstellungen von Babys sind auch im Rahmen der Vorbereitungen für das Gemälde „Die Familie“ anzutreffen (Strobl II, Nr. 1866). Nicht zuletzt ist festzuhalten, dass im großen Spektrum der 1908/09 entstandenen Zeichnungen der blaue Farbstift häufig zur Anwendung gelangt. Sämtliche Indizien sprechen für die Annahme, dass „Liegender Akt mit Baby“ – im Einklang mit dem auf der anderen Seite dargestellten, vorgebeugt stehenden Modell – um 1908/09 entstanden ist. Weder die eine, noch die andere Zeichnung lässt sich eindeutig mit einem Gemälde in Verbindung bringen. Beide Arbeiten entstanden als autonome Experimente und zeigen einmal mehr, wie vielschichtig Klimt sich als Zeichner dem Phänomen der Frau gewidmet hat. (Marian Bisanz-Prakken)
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Vorderseite
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3 Gustav Klimt (Wien 1862–1918 Wien) Zurückgelehnt sitzende Dame im Profil nach links, 1897/98 farbige Kreide auf Papier; 45,7 × 31,3 cm (Blattgröße), 34 × 30,5 cm (Passep.-Ausschnitt) Signiert rechts unten: Gustav / Klimt. Eigenhändig bezeichnet unten: Plakat 4; Totis 3; Schwarz Weiß 3; Porträts 5; Zeichnungen 3; Kalender 1; Univer 1; Dumba 1; Hofmuseumskizz 2; Hofmuseumbild 3; 6 Provenienz österreichischer Privatbesitz Literatur Vergleiche: Alice Strobl, Gustav Klimt, Die Zeichnungen 1878–1903, Band I, Salzburg 1980, S. 127, WV-Nr. 388 Das Blatt wird von Frau Dr. Marian Bisanz-Prakken in den Nachtrag des Werkverzeichnisses aufgenommen. EUR 35.000–70.000
Blatt ohne Passepartoutüberdeckung
Auf Grund der eigenhändigen Notizen des Künstlers lässt sich relativ genau bestimmen, wann dieses in letzter Zeit bekannt gewordene Profilbildnis einer zurückgelehnt sitzenden Frau entstanden ist. Auf dem aufgeklappten unteren Streifen zeigt sich eine stichwortmäßige, durch Zahlen ergänzte Auflistung eines Teils jener Werke, die in dem Gustav Klimt gewidmeten Heft der Zeitschrift Ver Sacrum (1. Jahrgang, März 1898, Heft 3) zur Reproduktion gelangen sollten. Obwohl die Liste sich nicht in allen Punkten nachvollziehen lässt, ist sie eine bemerkenswerte Momentaufnahme aus der Wende zum Jahr 1898, in dem die Wiener Secession unter dem Vorsitz von Gustav Klimt ihre frühesten Ausstellungen veranstaltete und der erste Jahrgang von Ver Sacrum neue Maßstäbe für die moderne Graphik setzte. Die Frage, ob das signierte Profilbildnis wirklich als Reproduktion in Ver Sacrum vorgesehen war, lässt sich nicht beantworten. Möglicherweise ist es eine stilisierte Variante jener Porträtzeichnung, die im Klimt-Heft reproduziert wurde und in der Alice Strobl das Modell für die rechte Randfigur der 1897 publizierten Allegorie „Tragödie“ erkannt hat (Strobl I, Nr. 335). In dieser bildhaft durchgeführten Zeichnung wiederum bekennt Klimt sich programmatisch zum Symbolismus, wobei er jenes Motiv einführt, das die Ikonografie der frühen Secessionskunst entscheidend prägen sollte: das trancehaft zurückgelehnte, weibliche Profilantlitz, als Metapher für das neuentdeckte Reich der Seele. Nicht nur in dieser Hinsicht ist die hier präsentierte Zeichnung als Modellfall des modernen Porträttypus anzusehen. Exemplarisch ist auch die Art, in der die schwungvolle Diagonale der Sessellehne die Dargestellte vom Betrachter abschirmt und den belebten Teil vom völlig leeren Vordergrund trennt. Dieser Schwung erfasst auch die parallel-linearen Strukturen der farbigen Kreiden, die Klimt – zumindest in dieser vor allem französisch inspirierten Art – nur in der frühen Secessionszeit zur Anwendung bringt. Nicht zufällig erinnern die blau schimmernden, fast abstrakten Linienformationen der Bekleidung an das 1898 präsentierte Gemälde „Bewegte Wasser“. Höchst bezeichnend für die „Stimmungskunst“ dieser Jahre sind zudem die weichen Übergänge von Formen und Farben; fast aufzulösen scheinen sich die Konturen von Gesicht und Haaren. In dieser aufregenden Phase des freien Experimentierens spielte die Arbeit auf Papier für Klimt eine nicht wegzudenkende Rolle. (Marian Bisanz-Prakken)
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Der Künstler Leopold Blauensteiner in seinem Atelier, um 1902 abgebildet in: Leopold Blauensteiner, Das frühe Werk. Wien 2017, Abb. S. 2
4 Leopold Blauensteiner (Wien 1880–1947 Wien) Bildnis der Frau F. B., 1908 Öl auf Leinwand; 160 × 160 cm Signiert und datiert links unten: Blauensteiner 1908 Verso auf Keilrahmen sowie auf altem Etikett eigenhändig bezeichnet: Blauensteiner; Leopold Blauensteiner, VII, Hermanngasse 4 / Wien; Reste eines alten Etiketts mit Nr. 24 auf Keilrahmen verso Provenienz Bel Etage Kunsthandel Wien, direkt von der Familie des Künstlers erworben; seit 2008 österreichischer Privatbesitz Ausstellungen 1909 Wien, Internationale Kunstschau, Raum 11, Nr. 6; 1982 Wien, Galerie Walfischgasse, Ausstellung Leopold Blauensteiner, 1. 10. – 27. 11. 1982 Literatur Ausst.-Kat. Internationale Kunstschau Wien 1909, ganzseitige Abb.; Leopold Blauensteiner, Das frühe Werk. Arbeiten 1899–1909, Galerie Walfischgasse (Hg.), Wien 2017, Abb. S. 160 EUR 150.000–300.000
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Katalog der Internationalen Kunstschau Wien 1909
Das „Bildnis der Frau F. B.“ zeigt Friderika „Frieda“ Berger (geb. 1879), die Ehefrau des Wiener Malers Leopold Blauensteiner, die dieser 1904 heiratete und mit der er drei Söhne hatte. Das großformatige Damenporträt ist nicht nur ein erstklassiges, beeindruckend schönes Hauptwerk des Künstlers, sondern spiegelt auch in besonderem Maße den Zeitgeist der Wiener Moderne und die künstlerischen Anliegen der Sezessionisten um Gustav Klimt wider. Blauensteiner präsentierte das Porträt seiner Gattin 1909 im Raum 11 der „Internationalen Kunstschau“. Neben Gustav Klimt, Josef Hoffmann, Koloman Moser, Carl Moll und anderen gehörte Blauensteiner dem Komitee dieser für die frühe Moderne in Wien eminent wichtigen Ausstellung an. Josef Hoffmann hatte auf dem Gelände des heutigen Wiener Konzerthauses ein temporäres Ausstellungsgebäude errichtet. Waren bei der ersten Kunstschau von 1908 ausschließlich österreichische Künstler zu sehen – Gustav Klimt und Josef Hoffmann hatten eine bahnbrechende Leistungsschau jener Künstler, die 1905 aus der Secession ausgeschieden waren, organisiert -, so bot man in der zweiten „Kunstschau“ ein Panorama der zeitgenössischen europäischen Avantgarde. Leopold Blauensteiners Gemälde etwa wurde im Katalog der „Internationalen Kunstschau“ prominent neben einem Bild Vincent Van Goghs abgedruckt. Für das großformatige Porträt seiner Frau wählt Blauensteiner das typisch quadratische Jugendstilformat und präsentiert sie in einem modernen, von geometrischen Flächen strukturierten Ambiente, das die charakteristischen Stilmerkmale der zeitgenössischen Avantgarde zeigt. Frau Blauensteiner hat in einer Sitznische eines hellen Wandschrankes Platz genommen. Ihren Körper leicht schräg nach links gewandt, geht ihr Blick gedankenverloren ins Leere. Die blaue Wandtapete mit geometrischem Muster, die Gesicht und Oberkörper hinterfängt, mildert die Strenge der nach Vertikalen und Horizonta-
Leopold Blauensteiner, Vorzeichnung zum Ölbild, ca. 1908 abgebildet in: Leopold Blauensteiner, Das frühe Werk. Arbeiten 1899–1909, Wien 2017, Abb. S. 161
len geordneten Hintergrundsfläche. Auch die vertrockneten Weinblätter als ein die Darstellung rahmender, schmückender Dekor links und rechts oben im Bild stehen im Kontrast zur Strenge der Flächen- und Raumgestaltung. Die asiatisch inspirierten Stickereien auf der schwarzen Stola wiederum zeigen die modischen Vorlieben der Zeit und den Einfluss der japanischen Ästhetik. Leopold Blauensteiner begann 1898 als Schüler von Christian Griepenkerl an der Wiener Akademie der Bildenden Künste zu studieren, 1901/02 wurde er Privatschüler von Alfred Roller, der Gründungsmitglied der Wiener Secession und Redakteur der Zeitschrift „Ver Sacrum“ war. Roller brachte Blauensteiner in Kontakt mit der Klimt-Gruppe. In „Ver Sacrum“, dem offiziellen Organ der Wiener Secession, konnte Blauensteiner 1903 und 1904 erste Farbholzschnitte veröffentlichen. In den Jahren 1903 bis 1905 stellte Blauensteiner Werke in der Wiener Secession aus, dann verließ er diese mit der Klimt-Gruppe und gehörte zu deren Vorstandsmitgliedern. 1908 und 1909 zählte er zum Ausstellungskomittee der „Kunstschau“ und war dort mit wichtigen Werken vertreten. 1911 bis 1921 schloss er sich dem „Hagenbund“ an. 1927 erhielt er den Österreichischen Staatspreis, 1932 wurde ihm die Staatspreismedaille und der Professorentitel verliehen. 1933 trat er für kurze Zeit der NSDAP bei, dann der Vaterländischen Front. 1937 wurde er Präsident der Genossenschaft bildender Künstler Wiens, 1938 erfolgte seine Wahl zum Präsidenten des Wiener Künstlerhauses. In der NS-Zeit nahm er verschiedene Ämter für das Hitler-Regime an, so wurde er zum Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste in Wien ernannt. Er starb 1947 in Wien. (Claudia Mörth-Gasser)
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Aus einer bedeutenden österreichischen Privatsammlung (Kat.-Nr. 5 und 6)
5 Gustav Klimt (Wien 1862–1918 Wien) Brustbild nach rechts (Studie für das Bildnis „Der Pelzkragen“), um 1916 Bleistift auf Papier; 57 × 37,5 cm Nachlassbestätigung Hermine Klimt rechts unten: aus dem Nachlass meines Bruders Gustav / Hermine Klimt Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers; Privatbesitz, München; österreichische Privatsammlung Literatur Alice Strobl, Gustav Klimt, Die Zeichnungen 1912–1918, Bd. III, Salzburg 1984, WV-Nr. 2659, Abb. S. 141 EUR 100.000–200.000
Gustav Klimt, Der Pelzkragen, um 1916 (Weidinger Nr. 229, Natter Nr. 218) abgebildet in: Tobias Natter, Gustav Klimt, Köln 2017, S. 629
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Nachlassbestätigung von Hermine Klimt
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6 Gustav Klimt (Wien 1862–1918 Wien) Liegender Halbakt nach rechts, 1916/17 Tuschfeder auf Papier; 37,5 × 56,5 cm Provenienz Privatbesitz, München; österreichische Privatsammlung Literatur Alice Strobl, Gustav Klimt, Die Zeichnungen 1912–1918, Bd. III, Salzburg 1984, WV-Nr. 2946, Abb. S. 201 EUR 70.000–140.000
Atelierraum von Gustav Klimt, Feldmühlgasse 11, Wien, Ober St. Veit, 1918 abgebildet in: Marian Bisanz-Prakken, Klimt. Die Zeichnungen, Wien 2012, S. 18
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Wilhelm Thöny im Atelier abgebildet in: Christa Steinle / Günther HollerSchuster (Hg.), Wilhelm Thöny, Graz 2013, S. 445
7 Wilhelm Thöny * (Graz 1888–1949 New York) Ansicht von Paris, 1933–36 Öl auf Leinwand auf Hartfaserplatte; 41 × 49 cm Signiert links oben: Thöny Provenienz Privatsammlung, Salzburg; österreichischer Privatbesitz Literatur Christa Steinle / Günther Holler-Schuster (Hg.), Wilhelm Thöny. Im Sog der Moderne, Ausst.-Katalog Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz 2013, WV-Nr. 329 (m. Abb.) EUR 150.000–250.000
Im Jahr 1929 reiste Wilhem Thöny erstmals nach Paris und war fasziniert vom Kunstleben und Flair der französischen Metropole. 1931 folgte seine Übersiedlung nach Paris, wo er sehr glückliche und künstlerisch äußerst produktive Jahre verbrachte, bevor er 1938 mit seiner jüdischen Frau Thea nach New York emigrieren musste. Paris stellt sich für Thöny als „brausende, tausendfältig schöne und interessante Stadt“ dar, „formvollendet und positiv“ (Brief Wilhelm Thöny an Paula Haimel, 28. 11. 1931, vgl. Kat. Neue Galerie Graz, S. 195). Inspiriert von der Atmosphäre der Stadt, den intensiven Seherlebnissen und in Auseinandersetzung mit der französischen Avantgarde kommt es zu einem bemerkenswerten Wandel der Bildsprache: das dunkle Kolorit und der schwermütige Tenor der Grazer Jahre weichen einer hellen frischen Farbpalette, die eine heitere Grundstimmung ausstrahlt. Der Pinselduktus wirkt leicht und flüchtig. In einem Brief an Alfred Kubin schreibt Thöny aus Paris: „Als Maler glaube ich (koloristisch) das richtige zu tun, noch hier zu bleiben, meine Farben waren allzu finster, ja hoffnungslos schwer.“ (Brief Wilhelm Thöny an Alfred Kubin, 15. 5. 1934, vgl. Kat. Neue Galerie Graz, S. 311) Die vorliegende Ansicht von Paris ist ein wunderbares Gemälde dieser wichtigen Schaffensperiode Thönys. Von einem höher gelegenen Standpunkt aus wandert der Blick über die schräg in die Tiefe führende Häuserreihe, der Straßenflucht entlang, deren Sogwirkung raumperspektivisch forciert wird. Das Interesse des Malers gilt der atmosphärischen Erscheinung der Pariser Silhouette, die unter dem hellen Himmelsblau und im flimmernden Dunst der Atmosphäre flüchtig und anonym wirkt. (Claudia Mörth-Gasser)
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8 Wilhelm Thöny * (Graz 1888–1949 New York) Die schönen Künste (Triptychon „Die Künste: Das Konzert“), um 1925 Öl auf Leinwand; 180 × 265 cm Signiert rechts unten: W. Thöny Provenienz ehemals Theatercafe Thalia Graz; Privatbesitz, Italien; österreichischer Privatbesitz Ausstellung 2013 Graz, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Wilhelm Thöny. Im Sog der Moderne, 24. Mai – 22. September, Tafel 67 Literatur Christa Steinle / Günther Holler-Schuster (Hg.), Wilhelm Thöny. Im Sog der Moderne, Ausst.-Katalog Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum, Graz 2013, WV-Nr. 156, Tafel 67 sowie Abb. S. 410 EUR 250.000–500.000
Einblicke in das Theatercafé Thalia in Graz © Archiv Neue Galerie Graz, UMJ
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Wilhelm Thöny, Triptychon „Die Künste: Das Schauspiel“ (linkes Bild), um 1925, Privatbesitz abgebildet in: Ausst.-Kat. Neue Galerie Graz, Tafel 65
1923 kam Wilhelm Thöny aus München zurück nach Graz. In München hatte er Malerei studiert – ab Herbst 1908 an der Akademie der bildenden Künste. In seiner Heimatstadt angelangt intensivierte er sofort sein ohnehin schon reges Vereinsleben und seine aktive Tätigkeit im kulturellen Bereich der Stadt. Das gipfelte im selben Jahr noch in der Gründung der Grazer Sezession. In Graz war man in den aufgeschlossenen und fortschrittlichen Kreisen der Künstlerschaft, die sich zuvor schon um den „Werkbund Freiland“ gebildet hatte, sehr froh über Thönys Entscheidung nach Graz zurückzukommen. Thöny selbst hielt die Lage und das kulturelle Klima in Graz damals für geeignet, um hier erfolgreich arbeiten zu können. Er liebte die Stadt über alles, war aber gleichzeitig mit München und dem Umkreis der dortigen „Neuen Secession“, weiterhin sehr verbunden. Er beteiligte sich hier wie dort rege an Ausstellungen. Die Sezession in Graz war ein sehr heterogener Zusammenschluss. Nicht nur bildende Künstler waren darin vertreten. So war beispielsweise der Schriftsteller, Kunsttheoretiker, Kunstjournalist und spätere Staatssekretär Ernst Fischer Sezessionsmitglied. Genauso waren das der Lyriker Hans Leifhelm und der expressionistische Dichter Theodor Sapper. Aber auch der Komponist Artur Michl sowie der Regisseur und Schauspieler Karl Drews waren Mitglieder der Grazer Sezession. Die Sezession war weltanschaulich nicht festgelegt, was zu einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen den konservativen – später sehr rechts orientierten Kräften – und den fortschrittlichen, eher der Moderne verpflichteten Vertretern führte. Thöny, durch seine kosmopolitische Haltung ein vehementer Vertreter der Moderne, hielt sich aus der ideologischen Debatte innerhalb der Grazer Sezession weitgehend raus. Vielmehr trachtete er seine Kunst weiterzubringen, zu internationalisieren und auf diesem Wege auch für die Grazer Kollegenschaft Tore aufzustoßen. Das gelang bedingt. Er war sicher ein bedeutender Motor in Graz zu dieser Zeit, war aber kaum ein Jahrzehnt später schon in Paris, von wo aus er 1938 dann weiter nach New York ging. All das war nicht so geplant. Der Parisaufenthalt sollte nicht so lange dauern und New York, ein Ort, von dem er seit seiner ersten Reise dorthin 1933 fasziniert gewesen ist, sollte auch nicht der Ort werden, an dem er für immer bleiben sollte. Die politischen Entwicklungen, die unaufhaltsam in den Krieg führten, und das nationalsozialistische Regime, das an Unmenschlichkeit kaum zu überbieten war, bildeten die Basis für seine Beweggründe, nicht mehr nach Graz zurückzukehren. Zuvor aber, wie eingangs erwähnt, war Thöny in dieser Stadt sehr aktiv und hinterließ deutliche Spuren. Er war beispielsweise an mehreren Wettbewerben für öffentliche Ausstattungsaufträge beteiligt. So zum Beispiel für die Handels- und Gewerbekammer der Steiermark in Graz. Dort beteiligte er sich am Wettbewerb mit einem Entwurf für ein allegorisches Bild – der Entwurf befindet sich heute in der Neuen Galerie in Graz – für den großen Sitzungssaal. Paul Schmidtbauer, Ferdinand Pamberger, Alfred Schrötter-Kristelli und Norbertine Bresslern-Roth waren die übrigen Teilnehmer – letztere gewann. Auch die Darstellung der „Schönen Künste“ war ein Ausstattungsbild. Gemeinsam mit zwei weiteren Darstellungen – „Das Schauspiel“ und „Die Oper“ – bildete es ein Triptychon für den Veranstaltungssaal im Café-Restaurant der Thalia, in dem die Grazer Szession ihre großen Sitzungen, Lesungen und Vorträge abhielt. Der hier zur Disposition stehende Mittelteil dieses heute in unterschiedlichem Privatbesitz verteilten Triptychons stellt erneut eine Bühnenszene dar, in der ein Kavalier einer Dame offenbar den Hof macht, während ein Geiger auf der Stufe sitzt und spielt. Durch das Instrument
Wilhelm Thöny, Triptychon „Die Künste: Die Oper“ (rechtes Bild), um 1925, Privatbesitz abgebildet in: Ausst.-Kat. Neue Galerie Graz, Tafel 66
wird die Musik gleichsam als zusätzliche Kategorie ins Spiel gebracht. Ob die Szene nun eher dem Konzert oder der Oper zuzuordnen ist, bleibt offen. Jedenfalls aber tritt der Künstler selber prominent auf der rechten Seite des Bildes in Erscheinung. Selbstbewusst, sowohl das Geschehen im Bild festhaltend als auch selbst als Maler Teil der Künste zu sein, zeigt sich Wilhelm Thöny in dem Bild an der Staffelei, im weißen Mantel mit Pinsel und Palette. Thöny war ein begeisterter Besucher von Konzerten, Opern und Liederabenden sowie des Theaters. Sein Bruder Herbert war Sänger (Bass-Bariton) an der Grazer Oper. Außerdem reichten seine eigenen kreativen Möglichkeiten weit über die des Malers hinaus. Wilhelm Thöny spielte ausgezeichnet Klavier und hatte eine überdurchschnittliche Begabung zum Singen. Sein absolutes Gehör half ihm schon in sehr jungen Jahren bei der Ausbildung beider Disziplinen. Somit war Thöny mit den Künsten allgemein eng verbunden und die Darstellung der Künste hier wird gleichsam zu einem erweiterten Selbstportrait des Künstlers. Nicht nur, dass er sich im großen Mittelteil des Triptychons selbst darstellt, auch in den Seitenteilen scheint sich der Künstler erneut als Mann mit Zylinder selbst ins Bild zu bringen. Der Mittelteil strahlt in einer bunten Farbigkeit, was eher unüblich ist für Thöny in dieser Zeit. Die Portraits, Landschaften und Städtebilder dieser und der unmittelbar darauffolgenden Periode wirken oft düster und scheinen sowohl die politische Entwicklung vorauszuahnen, wie sie auch das persönliche Schicksal des Künstlers prognostisch vorwegzunehmen bzw. anzudeuten scheinen. „Die schönen Künste“ erscheinen wie Hoffnung und Zuversicht für den Künstler. Beides sah Thöny ausschließlich in den Künsten. Beethoven beispielsweise sollte für Thöny ein lebenslanger Begleiter bleiben, der auch immer wieder in unterschiedlicher Weise in vielen seiner Gemälde und Zeichnungen vorkommt. Er identifizierte sich sogar mit dem Komponisten. Thöny war gerade in der Zeit um 1925, als dieses Gemälde entstand, sehr intensiv mit dem Klavierspiel beschäftigt, gab semiprivate Liederabende und übte regelmäßig. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen geht hervor, dass er damals besonders viele für ihn bedeutende Konzert- und Opernerlebnisse in Graz hatte. So eindeutig das Bild „Die schönen Künste“ auch ein Ausstattungsbild sein mag und formal Teil eines Triptychons ist, besteht doch kein Zweifel, dass es sich dabei um ein sehr dichtes und bis zu einem gewissen Grad auch mysteriöses Bild handelt. Es wirkt sehr heraldisch und statisch, verrät aber sehr viel von der Malerei, die Thöny danach pflegen sollte. Die Leichtigkeit des Farbauftrages, die oft an die Luftigkeit des Aquarells erinnert, fehlt hier noch zu Gunsten eines kompakten und fast tektonischen Farbauftrags und Bildaufbaus. Doch kann man im Hintergrund schon den typischen ThönyHimmel erahnen, der später oft nur mehr in ein, zwei markanten Pinselstrichen bestehen sollte. Das Bild ist ohne die Seitenteile ohne weiteres lesbar. Es hat wie diese eine scheinbar abgeschlossene Geschichte zum Inhalt – zumindest aber keine, die den Betrachter ratlos hinterlässt. Außerdem ist es auch das mit Abstand größte Gemälde, das wir von Wilhelm Thöny kennen. So scheint er in diesem Bild eine positive Sicht auf die Welt des Künstlers als kulturelles Wesen geben zu wollen. In diesem Kontext fühlte er sich am wohlsten, dieser war orts- und zeitunabhängig, das war sein Lebensraum – sein Glück und seine Sehnsucht zugleich. (Günther Holler-Schuster)
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9 Egon Schiele (Tulln 1890–1918 Wien) Mann mit erhobenen Armen (Selbstporträt), 1914 Bleistift auf Papier; 48 × 31,8 cm Signiert und datiert rechts unten: Egon / Schiele / 1914 Provenienz Carl Reininghaus; Emilie Frey-Reininghaus; Kornfeld & Klipstein, 11. – 13. Juni 1975, sale 155, Nr. 871; Wolfgang G. Fischer, London; Privatbesitz, Wien Ausstellung 1969 London, Marlborough Fine Art, Egon Schiele: Drawings and Watercolors, 1909–1918, Feb.-März, Nr. 32 (Abb.) Literatur Jane Kallir, Egon Schiele. The Complete Works, New York 1990, WV-Nr. 1646, Abb. S. 540 EUR 120.000–200.000
Detail Gesicht
Obwohl Schieles- in Hinblick auf sein kurzes Leben sehr reiches – Œuvre in all seinen Lebensabschnitten interessante Werke beinhaltet, sind es wohl die Jahre 1910–1915, die als die wichtigsten bezeichnet werden können. 1914 ist ein solch produktives Jahr für Egon Schiele, in dem sein künstlerischer Erfolg bestätigt wird: Erstmals kann er sich auf internationalen Ausstellungen auch außerhalb Österreichs beteiligen: In Rom, Brüssel und Paris. Mit dem Fotografen Anton ˇ nimmt Schiele eine Reihe von höchst eigenwilligen Porträtaufnahmen auf, die bis heute immer wieder in PublikaJosef Trska tionen abgebildet werden. Besonders wichtig ist aber eine persönliche Begegnung: Im Haus, das dem Atelier des Künstlers in der Hietzinger Hauptstraße 101, 1130 Wien, gegenüberliegt, lebt die Familie Harms mit den zwei Töchtern Adele und Edith, die Schiele auffallen. Nach einigen Annäherungsversuchen lernt er die Schwestern zu Jahresende kennen und freundet sich mit den beiden an, Edith wird er wenig später heiraten. Die vorliegende, kraftvolle Zeichnung aus diesem Jahr ist eines von mehreren Selbstbildnissen mit erhobenen Händen. In einer ekstatisch-konzentrierten Bewegung wirft Schiele die Arme nach oben, die Bewegung drückt sich in den virtuos gezeichneten Linien des Stoffes aus. Das rechte Handgelenk wirkt zart und zerbrechlich, die einzelnen Finger sind nicht mehr lesbar zu einer dreieckigen Form verschmolzen. Die linke Hand ist gar nicht erkennbar, sondern bleibt unter dem nach vor gerutschten Stoff des Hemdes versteckt. Anders als auf einem Pendant der Zeichnung, auf dem der Kopf des Künstlers gut zu sehen ist, ist dieses Blatt auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu lesen: Der Kopf ist kaum zu erkennen, er scheint mit dem Stoff des linken Ärmels gewissermaßen zu verschmelzen: Unterhalb des Ärmels sind eine dreieckige spitze Nase, ein dunkler Haarschopf und ein leeres Auge zu erkennen, das Schiele, wie häufig zu dieser Zeit, nur mit einem Bogen, der die Braue andeuten soll, skizziert. Das Auge selbst fehlt wie auch in anderen Werken um 1914, in denen Schiele besonders im Gesicht geometrisierende Vereinfachungen anwendet. Ein interessantes Detail ist die ovale Umrisslinie des Hinterkopfes, die Schiele quasi über den Ärmel führt, obwohl der Kopf ja eigentlich von diesem verdeckt wird. Ohne diese Andeutung wäre der Kopf noch schwerer zu verorten, auf den ersten Blick scheint es sich hier nur um eine Aufbauschung des Stoffes zu handeln. Die in seinen Arbeiten immer wieder kehrende Tendenz zum Konstruktiven ist hier gut erkennbar, die erhobenen Hände bilden zusammen genommen ein Dreieck, aufgebauschte Kleiderfalten modelliert Schiele in Halbkreisen und geometrischen Flächen, die Bewegung suggerieren. Innerhalb der Umrisslinien zeichnet er fahrige, aber exakt platzierte Linien und Schraffuren, mit denen die Stofffalten in freies Grafisches übersetzt sind. An einigen Linien setzen vielfach kurze Striche an bzw. überkreuzen sie – das kommt vereinzelt schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1913 vor, wird in der folgenden Zeit typisch und ist in der vorliegenden Zeichnung stark ausgeprägt. Ähnlich wie die Farbstriche und -flecken in zeitgleichen Gouachen verleihen auch diese Bleistiftstriche den einzelnen Falten und Stoffwürfen eine plastische Wirkung und bestimmen sie im Raum. (Ina Waldstein)
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10 Egon Schiele (Tulln 1890–1918 Wien) Sitzendes Mädchen mit zurückgeworfenem Kopf, 1918 schwarze Kreide auf Papier; 46 × 29,5 cm Signiert und datiert rechts unten: Egon / Schiele / 1918 Provenienz Direktor Blauensteiner; Galerie Würthle, Wien; Niederösterreichische Privatsammlung; im Kinsky Wien, 17. 04. 2012, Nr. 52; österreichischer Privatbesitz Literatur Jane Kallir. Egon Schiele. The Complete Works. New York 1990, WV-Nr. 2413, Abb. S. 630 (dort mit den Maßen 40 x 29 cm) EUR 250.000–500.000
Detail Signatur und Datierung
Die wunderbare Zeichnung eines sitzenden Mädchens stammt aus dem letzten Schaffensjahr Egon Schieles, als dessen künstlerische Laufbahn in eine mehr als vielversprechende Richtung wies. Bevor er mit 28 Jahren unerwartet früh der Spanischen Grippe erlag, hatte Schiele die lang ersehnte Anerkennung in der Öffentlichkeit gefunden. Nach Gustav Klimts Tod im Februar 1918 galt er als führender Künstler Österreichs. Ein Status, der sich in der 49. Ausstellung der Wiener Secession im März des Jahres bestätigte: die Schau war Schiele und seinen Künstlerfreunden gewidmet und bedeutete für Schiele den eigentlichen Durchbruch. Er bezog ein neues, größeres Atelier, war vielbeschäftigt und künstlerisch sehr produktiv. Seine Notizbücher vermerken allein im Jahr 1918 den Besuch von 177 bezahlten Modellen. Mit sicherem Strich, der keiner Korrekturen bedarf, platziert Schiele das sitzende Mädchen mit verführerisch nach rechts zurückgeworfenem Kopf und erotisch suggestiver Körperhaltung in der neutralen, leeren Bildfläche. Jede Andeutung einer Umgebung oder räumlichen Verankerung fehlt, was den Eindruck der Ortlosigkeit erzeugt. Kennzeichnend für den späten Schiele sind die reich variierte Linienführung und die Betonung von detailreichen Binnenformen. Charakteristisch ist auch das Interesse an der raumgreifenden, plastischen Modellierung des Körpers, das sich in seinem zeichnerischen Œuvre stilistisch schon seit 1915 als Ausdruck einer zunehmenden naturalistischen Tendenz entwickelt hatte. Das Thema des Erotischen wird im Spiel mit verhüllten und entblößten Körperpartien formal raffiniert und zugleich direkt artikuliert: das sitzende Mädchen hat die Schenkel gespreizt, das rechte Bein aufgestellt und das linke liegend angewinkelt, wodurch das Kleid wie zufällig nach oben rutscht und intime Einblicke gewährt. Schieles Modell rechnet jedoch mit dem voyeuristischen Blick und nimmt die aufreizende Stellung allein zum Zwecke des Beobachtet-Werdens ein. (Claudia Mörth-Gasser)
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Anton Faistauer, 1925 abgebildet in: Anton Faistauer 1887–1930, Katalog zur Sonderausstellung des Salzburger Museums Carolino Augusteum, 11. Februar bis 22. Mai 2005, S.25
11 Anton Faistauer (St. Martin bei Lofer 1887–1930 Wien) Blumen in Schale, 1925 Öl auf Leinwand; 66,5 × 81 cm Signiert und datiert rechts unten: A. Faistauer / 1925 Provenienz Privatbesitz, Niederösterreich; Kunsthandel, Wien; österreichischer Privatbesitz Literatur zum Vergleich: Anton Faistauer 1887–1930, Katalog zur Sonderausstellung des Salzburger Museums Carolino Augusteum, 11. Februar bis 22. Mai 2005, Kat.-Nr. 90, Abb. S. 323 (Blumen in Schale, 1926) EUR 70.000–140.000
Als das vorliegende Blumenstillleben um 1925 entstand, war Faistauers Malerei auf einem künstlerischen Höhepunkt angelangt und sein Status innerhalb der österreichischen Avantgarde gesichert. Die Zeit der Selbstfindung als Maler lag hinter ihm: frustrierende Jahre an der Akademie, die er schließlich enttäuscht verlassen hatte, um aus Protest gegen den konservativen Kunstbetrieb gemeinsam mit Egon Schiele die „Neukunst-Gruppe“ zu gründen. Nach der Abkehr von der Flächenkunst des Jugendstils hatte Faistauer in Auseinandersetzung mit Paul Cézanne, der prägenden Künstlerfigur der französischen Moderne, seine eigene künstlerische Sprache gefunden. Schon vor dem ersten Weltkrieg hatte er sich ein gutes Netzwerk aus wichtigen Sammlern und Kunstfreunden aufgebaut. Neben Franz Wiegele und Anton Kolig war Faistauer der bedeutendste Vertreter des österreichischen Spätexpressionismus. Faistauers Suche nach dem Wesen und den Möglichkeiten der Malerei war getragen vom Glauben an die ausdrucksstarke Farbe. Er war durch und durch Kolorist. Antwort auf die Frage, wie die Welt zu schildern sei, hatte er am Beginn seiner malerischen Laufbahn vor allem in den Bildern Paul Cézannes gefunden. Dessen Gedanke, die Natur auf ihre Grundelemente zu reduzieren, wurde für Faistauer wegweisend. Ein künstlerisches Nahverhältnis zur großen Leitfigur Cézanne und dessen Kompositionsprinzipien ist auch bei vorliegendem Stillleben der reifen Schaffensphase noch erkennbar, wenngleich sich Faistauers Malerei in einer sehr eigenständigen Sprache artikuliert. Mit temperamentvollem Duktus arrangiert er ein Blumenbouquet in einer hellen Schale auf einem Tisch, wobei die Blumen alles andere als statisch sind, streben sie doch dynamisch nach allen Seiten. Ihre Präsenz verstärkt der Maler durch die Kraft von leuchtenden Rottönen, die sich kontrastreich vor dem nuancenreichen, grün changierenden Hintergrund abheben. (Claudia Mörth-Gasser)
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12 Rudolf Wacker (Bregenz 1893–1939 Bregenz) Rumänischer Krug, 1933 Öl auf Holz; 50 × 30 cm Signiert und datiert links unten: R. Wacker 33 Rückseitig eigenhändig bezeichnet: B 30 / H 50 / Rudolf Wacker / Bregenz / 1933 / „Rumänischer Krug“ Rückseitig Notiz der ehemaligen Besitzerin zum Erhalt des Gemäldes: „gehört (...) Ich war Förderer der Kunstgemeinde, gewann das Bild anlässlich der Weihnachtsausstellung. Wacker war über mein Glück so erfreut, daß er mich heim begleitete u. das Bild unter der Haustüre übergab.“ Provenienz 1934 direkt vom Künstler erhalten (die Tante der jetzigen Besitzerin hat das Bild bei der Verlosung im Rahmen der Weihnachtsausstellung der Vorarlberger Kunstgemeinde im Jahr 1934 gewonnen; vgl. Notiz verso); seither in Familienbesitz, Privatbesitz Schweiz
Rudolf Wacker im Atelier, um 1932 abgebildet in: Ausstellungskatalog Bregenzer Kunstverein, Kunsthaus Bregenz 1993, S. 26
Ausstellung 1934 Bregenz, Ausstellung der Vorarlberger Kunstgemeinde (November) Literatur Max Haller, Rudolf Wacker 1893–1939. Biografie mit dem Œuvre-Katalog des malerischen Werkes, Lustenau 1971, WV-Nr. 278 (o. Abb.); Bregenzer Kunstverein (Hg.), Rudolf Wacker und Zeitgenossen. Expressionismus und Neue Sachlichkeit, Ausstellungskatalog Bregenzer Kunstverein, Kunsthaus Bregenz, 1993, Nr. 337, Abb. S. 313; Kunsthaus Bregenz, Rudolf Wacker-Archiv W 179 ▲EUR 50.000–100.000 Eigenhändige Bezeichnung Rückseite
Wie viele seiner Zeitgenossen beobachtet Rudolf Wacker die politische Entwicklung der dreißiger Jahre mit wachsender Besorgnis, er erkennt die Gefahr schon früh und setzt sich aktiv mit Briefen und Artikeln zur Wehr. Mit der massiv werdenden Bedrohung durch das Hitler-Regime kommt die Resignation, sein Gesundheitszustand verschlechtert sich. 1937 besucht er die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München. Nach dem Einmarsch der NS-Truppen in Österreich spitzt sich die Lage zu, als bei ihm im Mai 1938 Hausdurchsuchungen und Verhöre durch die Gestapo stattfinden. Er kann sich von seinem Herzleiden nicht mehr erholen und stirbt am 19. April 1939. In diesen schweren letzten Schaffensjahren entstehen seine beeindruckendsten Blumenstillleben: die „Herbststräuße“. Hat Wacker in früheren Bildern noch die Pracht blühender Blumen dargestellt, nehmen verdorrte Pflanzen nun den größten Raum im Œuvre ein. Bilder wie unser „Rumänischer Krug“ berühren in ihrer tiefen Symbolkraft. Die verwelkenden Blüten sind eindringliche Zeichen für die Vergänglichkeit des Seins. Eine Schlüsselstelle aus Rudolf Wackers Tagebuch, der wichtigsten Quelle zum Verständnis seiner Bilder, spiegelt die Leidenschaft des Malers für die Symbolik sterbender Pflanzen wider: „Verdorrte Sträusse – Sie haben nicht die gleissenden, aufdringlichen Farben frischer Blumen; stiller sind sie, wie aus Staub aufglimmend. Es liegt eine unbemerkte Schönheit in diesen im Sterben erstarrten Formen und nachglühenden Farben. Sie haben ihre sinnliche Üppigkeit verloren und – Symbole des Welkens und Vergehens – sind sie doch reich noch von den Spuren des Lebens und voller Bedeutung. Ich bin ja ein Anwalt der unbeachteten bescheidenen Dinge. Es ist ein kleiner Beitrag neuer Sujets, die nie von ungefähr kommen und ohne Sinn sind. Übrigens ist es unangenehm, neben den frischen Blumen der Vasen gemalte an den Wänden zu sehen; es ist aber ein anderes, die verdorrten im Bilde in bleibender Lebendigkeit zu halten.“ (Rudolf Wacker, Tagebuchnotiz, 10. 11. 1934) Wohl kalkuliert kombiniert Wacker in seinen Stillleben die organischen Formen der Pflanzen mit geometrischen Bildpartien und erzeugt mit dieser Polarisierung eine besondere Spannung in der Bildkomposition. Mit viel Mut zur Leere wählt er oft zwei gegeneinander gesetzte Farbflächen als abstrakte Hintergundskulisse. Die für ihn typische Abstraktion des Raumes nimmt den Dingen ihren Ort und ihre Zeit. Zugleich macht die Hintergrundfolie deutlich, wie präzise der Maler seine Gegenstände wiedergibt. Beim Erlernen der „altmeisterlichen“ Technik war für Wacker das Studium der Stillleben- und Blumenmalerei des 17. Jahrhunderts wesentlich. (Claudia Mörth-Gasser)
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Franz Sedlacek, 1930er Jahre abgebildet in: Gabriele Spindler, Andreas Strohhammer, Franz Sedlacek 1891–1945. Monografie mit Verzeichnis der Gemälde, Wien 2011, S. 8
13 Franz Sedlacek (Breslau 1891–1945) Waldlandschaft mit Jäger, 1928 Öl auf Holz; 79 × 74 cm Monogrammiert und datiert rechts unten: f S / 1928 Rückseitig auf Etikett eigenhändig bezeichnet: Franz Sedlacek, Wien / 1928. / Waldlandschaft mit Jäger / (Pr)eis S. 1500 Provenienz Auktionshaus William Doyle, New York, 24. 5. 2000, Nr. 199; Galerie Richard Ruberl, Wien; dort 2001 erworben, seither Privatbesitz Wien Ausstellung 1929 Wien, Secession, Kat.-Nr. 43 Literatur Katalog zur 105. Ausstellung der Wiener Secession, Wien 1929, Kat.-Nr. 43 (Abb.) Velhagen und Klasings Monatshefte, Sept. 1930, S. 80a (Abb.); Elisabeth Hintner-Weinlich, Der Maler und Graphiker Dr. Franz Sedlacek, Dissertation, Innsbruck 1987, Nr. 37, S. 234; Galerie Richard Ruberl, Gemälde. Aquarelle. Zeichnungen, Ausstellungskatalog, Wien 2001, Nr. 13 (Abb.); Gabriele Spindler, Andreas Strohhammer, Franz Sedlacek 1891–1945. Monografie mit Verzeichnis der Gemälde, Auktionshaus im Kinsky (Hg.), Wien 2011, WV-Nr. 46, Abb. S. 169 sowie Abb. S. 120 (Ausschnitt) EUR 150.000–300.000
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In der österreichischen Malerei zwischen den Kriegen nimmt Franz Sedlacek eine bedeutende eigenständige Position ein. Als gelernter Chemiker war er Autodidakt, der sich selbst an Gemälden Alter Meister schulte und in seinen Bildern stets nach technischer Vervollkommnung strebte. Mit seinen magisch-phantastischen Bildschöpfungen stand er der Strömung der Neuen Sachlichkeit nahe und bewegte sich auf der Höhe der Kunst seiner Zeit. In seinen Bildern erschuf er bizarre Welten, die schon auf zeitgenössische Betrachter faszinierend wirkten und unseren Blick heute mehr denn je gefangen nehmen. Innerhalb von Sedlaceks facettenreichem Œuvre kommt der Landschaftsdarstellung eine wesentliche Rolle zu. Mehr als die Hälfte der im Werkverzeichnis der Gemälde erfassten Bilder sind Landschaften. Persönliche Äußerungen belegen eine Begeisterung für die Natur: „Schon seit meinen ersten Landschaften habe ich immer wieder weite Fernblicke von erhöhten Standpunkten auf Städte, Flüsse, Straßen, auf Meeresbuchten, Bergketten gemalt, auf weitläufige Landstücke, in denen man mit den ‚Augen spazieren gehen’ kann...“ (Franz Sedlacek in einem Brief, 27. 12. 1940). Wie in der „Waldlandschaft mit Jäger“ setzt der Künstler oft eine menschliche Figur in seine Landschaftsszenerien, die wie ein Akteur auf einer Bühne wirkt. Der kompositorische Entwurf betont dabei den bühnenhaften Charakter der Darstellung: im rechten Vordergrund ist in unmittelbarer Nahdistanz zum Betrachter eine Waldlichtung dargestellt mit in die Höhe ragenden Baumformationen. Der Jäger mit Gewehr wird scheinwerferartig von grellem Licht angestrahlt, während ihn eine im Dunkeln teils verschwindende Waldkulisse umfängt. Von seinem erhöhten Aussichtspunkt – links fällt das Gelände abrupt steil nach unten ab – wendet er seinen Blick der hellen, in der Ferne liegenden Landschaft links im Hintergrund zu. Die einsame Figur des Jägers fungiert als Stellvertreter des Betrachters, der zur Kontemplation von Natur eingeladen wird – ein bei Sedlacek immer wiederkehrendes Motiv. Auch wenn Sedlacek in späteren Gemälden reale Gletscher und Gebirgszüge malerisch festhalten wird, sind die meisten Landschaften Sedlaceks Universallandschaften, Schöpfungen der künstlerischen Fantasie von allgemeingültiger Bedeutung. (Claudia Mörth-Gasser)
Etikett mit eigenhändiger Bezeichung rückseitig
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Alfons Walde abgebildet in: Leopold Museum (Hg.), Alfons Walde, Ausst. Kat., Wien 2006, S. 1
14 Alfons Walde * (Oberndorf 1891–1958 Kitzbühel) Streitberg – Bauernhof in Kitzbühel , um 1920 Öltempera auf Papier auf Karton; 41 × 28 cm Signiert rechts unten: A. Walde originales Künstleretikett rückseitig Provenienz Privatbesitz, Kitzbühel (in den 1930er Jahren direkt vom Künstler erworben); Privatbesitz, Salzburg; seit den 1950er Jahren in Besitz der Familie der jetzigen Eigentümerin, Privatbesitz Salzburg Das Bild ist im Werk-Archiv von Alfons Walde mit der Nummer D-LA–540 registriert. Gutachten von Dr. Gert Ammann, Völs, 23. 10. 2018, liegt bei. EUR 80.000–160.000
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Atelieretikett Rückseite
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„Das Motiv zeigt eine Winterlandschaft, im Vordergrund einen Bauernhof mit gemauertem Wohnteil, holzgezimmertem Obergeschoß mit Balkon und einer links in Holz angebauten Tenne unter einem gemeinsamen Dach mit Glockendachreiter. Rechts vom Haus steht eine kleine Holzhütte mit Satteldach nahe einem Baum. Im Mittelgrund führt ein Weg mit einer Baumreihe quer über den schneebedeckten Hügel, in den noch zwei Gebäude eingebettet sind. Links vom Bauernhaus zieht sich ein Waldstück mit Tannen zum Hügel und hinauf zum schneebedeckten, mit Tannen locker besetzten Bergrücken. Ein tiefblauer Himmel breitet sich über der ganzen Winterlandschaft aus. Der Bauernhof „Streitberg“ liegt auf der Sonnenseite von Kitzbühel unterhalb von Hagstein, der Berg dahinter ist der Ausläufer des Wilden Hag zur Brunnhofalm und dem Köglerbach. (Mitteilung von Dr. Wido Sieberer, Museum Kitzbühel – Sammlung Alfons Walde). Vor allem im Bereich des Bauernhofes sind Bleistiftstrukturen als Vorzeichnung deutlich zu sehen. Die Bäume sind im Stamm grafisch notiert, im Astbereich jedoch malerisch umfangen. Die Architektur des Bauernhofes ist detailliert konzipiert, im Gegensatz dazu erscheint die Winterlandschaft vor allem mit den Waldpartien malerisch gehalten. Links oben scheint das Braun des Kartongrundes durch. Die Braunpartien des Hauses und der Holzhütte sind leicht pastos aufgesetzt. Das Weiß im gemauerten Teil des Hauses weist Krakeluren auf. Im Nachlass von Alfons Walde sind Landschaftsstudien in Tempera, Aquarell oder Öl aus den Jahren um 1920 mit ähnlicher Kompositionsauffassung und Malweise erhalten. Diese vermitteln meist topografische Partien aus der Gegend um Kitzbühel. Die Form der Signatur scheint ähnlich in Arbeiten aus den Jahren um 1919/1920 auf. (...) Das Gemälde „Streitberg. Bauernhof in Kitzbühel“ weist bereits Ansätze der von Alfons Walde später perfektionierten Harmonie von Landschaft und Architektur sowie von Natur und Winterstimmung, jedoch noch nicht den später vorherrschenden, reduziert expressiven Farbkanon auf, wofür wiederum die frühe Entstehungszeit um 1920 spricht.“ (Auszug aus dem Gutachten von Dr. Gert Ammann, Völs, 23. 10. 2018)
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15 Alfons Walde * (Oberndorf 1891–1958 Kitzbühel) Bergbauer, 1933 Öl auf Karton; 27,5 × 23 cm Signiert rechts unten: A. Walde Rückseitig Künstleretikett mit eigenhändiger Bezeichnung: „Bergbauer“ / Alfons Walde / Kitzbühel, Tirol, Austria / 1933 Originalrahmen Provenienz österreichischer Privatbesitz; Dorotheum Wien, 21. 04. 1998, Nr. 81; österreichischer Privatbesitz Das Bild ist im Werk-Archiv von Alfons Walde mit der Nummer D-KÖ–155 registriert. EUR 35.000–70.000
originales Künstleretikett mit eigenhändiger Bezeichnung verso
Detail Signatur
Von Alfons Walde gibt es wenige Portrats, etwa von dem mit ihm befreundeten Arbeiterdichter Alfons Petzold, von Luis Trenker, fur den er diverse Buchcovers gestaltete, von seinen Ehefrauen und naturlich von sich selbst. Nicht das Psychologische eines Menschen interessierte ihn in seinen Darstellungen, sondern das Allgemeingultige, Typische und Pittoreske der Bewohner seines Kitzbuhler Lebensraumes. So zeigt auch der vorliegende „Bergbauer“ kein konkretes Porträt, sondern eine Figur, wie wir sie von Waldes Alltagsbildern und Milieuschilderungen kennen, etwa dem wiederholt aufgegriffenen „Sonntag in Tirol“. Zugleich greift der Maler in dem Bild motivlich auf seinen „Kaiserschützen am Monte Piano“ zurück, ein braungebrannter, markanter junger Mann im Dreiviertelprofil vor leuchtender Schneelandschaft unter tiefblauem Himmel. Sogar die im Schatten liegenden Augen und der kecke Schnurrbart finden sich da wie dort, lediglich die federgeschmückte Kaiserschützenkappe ist durch einen Bauernhut mit roter Nelke ersetzt. Und nicht zu vergessen die Dolomitenlandschaft durch die Kitzbühler Gegend mit malerischen Bauernhäusern und zwei Frauen auf ihrem Heimweg (in einer anderen Fassung fehlen diese). Ein Konzentrat Walde’scher Bilderwelt möchte man das kleinformatige Gemälde bezeichnen, in dem sich die charakteristische summarisch-pastose Malweise ebenso findet wie die unübertroffene Gestaltung des Schnees mit den kräftig blauen Schatten. Man spürt förmlich die Wärme der Sonnenstrahlen an einem strahlenden Märztag im Gebirge. Kompositionell beachtenswert ist, wie der Künstler durch Diagonalen und Gegendiagonalen Spannung in die Komposition bringt. Und es wäre nicht Walde, wenn er nicht auch mit dem Rot von Nelke und Schürze einer der beiden Bäuerinnen kräftige Farbakzente gesetzt hätte. Die Eigenart des Kitzbühler Malers wird besonders deutlich im Vergleich mit Albin Egger-Lienz, den er selbst als wichtigen Anreger bezeichnet. Seine Bauern zeigen im Unterschied zu denen Eggers nichts Schweres, ins Schicksal-Geworfenes, sondern vermitteln eine Leichtigkeit des Seins fernab der Mühen der Arbeit: an einem „Sonntag in Tirol“. (Carl Kraus)
ım Kinsky
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16 Alfons Walde * (Oberndorf 1891–1958 Kitzbühel) Bäuerinnen am Weg, um 1932 Öl auf Karton; 28,3 × 23,3 cm Signiert links unten: A. Walde Originaletikett mit eigenhändiger Bezeichnung verso: Bäuerinnen am Weg Originalrahmen Provenienz österreichischer Privatbesitz, vom Großvater der jetzigen Besitzerin direkt beim Künstler erworben und seither in Familienbesitz Gutachten von Dr. Carl Kraus, Aldrans, 9. 8. 2018, liegt bei. Das Bild ist im Werk-Archiv von Alfons Walde mit der Nummer Nr. D-FI–244 aufgenommen. EUR 70.000–140.000
Originalrahmen
Künstleretikett mit eigenhändiger Bezeichnung verso
„... Schmucke Bäuerinnen beim Smalltalk, malerische Bauernhäuser, das barocke Auracher Kirchl, strahlende Schneelandschaft unter tiefblauem Himmel: Mit diesen Ingredienzien gelingt Alfons Walde einmal mehr ein überaus populäres, unbeschwert-heiteres Symbolbild für den 'Winter in Tirol'. Wobei er seinen emblematischen Charakter noch steigert, indem er das Motiv mehrfach variiert und als Postkarte (mit dem Titel: „Winter in Tirol“) im Eigenverlag vertreibt. ... Im Verhältnis zum 'Auracher Kirchl' dreht Walde die Größenverhältnisse um: Die beiden Bäuerinnen beim kurzen Tratsch – ein vom Künstler immer wieder verwendetes Motiv, das sich spiegelverkehrt auch im Bild 'Oberndorf' findet – sind bilddominant in den Vordergrund gesetzt, während das Kirchlein klein im Hintergrund erscheint. Gleich geblieben ist die summarische 'plakative' Bildsprache. Die Typisierung der Figuren, die virtuose Behandlung des Schnees mit den kräftig blauen Schattenzonen und der pastose Farbauftrag lassen das Ganze zu einem strahlenden Lichtraum werden. Gekonnt setzt der Maler mit der grünen Schürze der einen und dem roten Mantel der anderen Bäuerin auch einen effekvollen Komplementärkontrast. Und ganz im Sinne der Lebendigkeit und Dynamik des Bildes verleiht er seiner Signatur eine kecke Wellenbewegung.“ (Auszug aus dem Gutachten von Carl Kraus, 9. 8. 2018)
ım Kinsky
Albin Egger-Lienz, 1925 © Archiv Museum Schloss Bruck, Foto: Willinger, Wien, 1925
17 Albin Egger-Lienz (Stribach bei Lienz 1868–1926 St. Justina bei Bozen) Der erste Bauer aus „Totentanz“, 1920/1923 Aquarell und Bleistift auf Papier; 33,5 × 28,5 cm Signiert rechts unten: Egger Lienz Provenienz Verband Landwirtschaftlicher Genossenschaften, Bozen (Vermerk verso); Baron Carl von Eyrl, Bozen (Vermerk verso); Privatbesitz Südtirol Ausstellung 1986 Bozen, Museum Moderner Kunst 2014 Wien, Belvedere 2014 Lienz, Schloss Bruck Literatur Wilfried Kirschl, Albin Egger-Lienz, Wien 1996, Band II, S. 627, Z 561; Ausstellungskatalog Belvedere, Wien, Schloss Bruck, Lienz, Wien 2014, Kat. Nr. 40, Abb. S. 136 EUR 70.000–140.000
Detail Signatur
Das Motiv des Totentanzes gehört zu den zentralen Themen im Werk von Albin Egger-Lienz. Zwischen 1906 und 1921 schuf er sechs monumentale variierende Gemälde, wobei parallel zur fünften Fassung von 1921 eine Reihe von Einzelstudien der Köpfe in Öl und Aquarell entstanden. Das Besondere an diesen späten Entwürfen ist die plastische Ausgestaltung, die vor allem im Aquarell und in der weichen Modulierung der Farbtöne zum Vorschein kommt. Vergleichbar mit einer Fassung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (Z 476) hebt sich das vorliegende Aquarell vor allem durch die Nahsicht auf den Kopf mit seinem expressiven Ausdruck des zum Schrei geöffneten Mundes hervor. Egger-Lienz selbst schrieb über dieses Thema: „Eine knappere, zum Stil gewordene Form vertieft die Tragik und vergeistigt den Stoff, indem sie ihm das Materielle, Episodenhafte nimmt und ihn zum Symbol erhebt.“ (Kirschl 1996, S. 126) (Marianne Hussl-Hörmann)
ım Kinsky
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Oskar Mulley, 1932 abgebildet in: Gunther Moschig, Oskar Mulley, Innsbruck 1995, Abb. 35, S. 36
18 Oskar Mulley * (Klagenfurt 1891–1949 Garmisch) Bergbauernhof, um 1930 Öl auf Leinwand; 105 × 150 cm Signiert rechts unten: Mulley Provenienz Kunsthandel, München; seit 2000 österreichischer Privatbesitz EUR 50.000–80.000
Die Darstellung eines Bergbauernhauses zeigt das für Mulley charakteristische, in unterschiedlichen Varianten oft wiederholte Kompositionsschema. Auf einer leichten Anhöhe im Vordergrund präsentiert Oskar Mulley das Berggehöft. Im Hintergrund ragen imposante Gebirgswände empor, deren Felshänge teils noch schneebedeckt sind. Oben wird der Blick auf ein sonnenbeschienenes Stück Himmel freigegeben. Zwischen dem Bergbauernhof und den Bergen im Hintergrund ist ein nicht sichtbarer Abgrund zu erahnen. Die Strahlkraft des Gemäldes basiert auf der feinen Abstimmung der Farbtöne: für den Hintergrund wählt er das typische Grau, während er im Vordergrund dunklere, braune und grüne Farbtöne setzt und mit dem strahlenden Weiß von Hauswänden und Schnee und den kleinen roten Farbtupfern im Holzbalkon farbige Akzente schafft. Auf Oskar Mulley, der aus Kärnten stammte und sich 1918 in Kufstein niederließ, übte die Tiroler Landschaft eine besondere Faszination aus. Die Gebirgswelt bildet das zentrale Thema seines Œuvres. Mulley malte seine Skizzen zwar vor Ort, veränderte aber die vorgefundene Topografie in seinen Gemälden, um Natur und Architektur nach kompositorischen Prinzipien zu verbinden. In einem bravourös beherrschten Bildaufbau erscheinen die für die Tiroler Bergwelt typischen Bauernhöfe tektonisch in die alpine Landschaft eingegliedert. Mit seinen Bergansichten fand Mulley weit über die Grenzen Tirols hinaus Anerkennung. Unter Einsatz des Spachtels trägt Mulley die Farbe energisch, in mehreren dicken Schichten auf und macht sie so als Materie erfahrbar. Der kräftige Farbauftrag betont und steigert die Monumentalität des großformatigen, um 1930 entstandenen Gemäldes. (Claudia Mörth-Gasser)
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19 Emil Nolde * (Nolde 1867–1956 Seebüll) Mohn und Sonnenhut, 1930er Jahre Aquarell auf Japanpapier; 45 × 27 cm Signiert rechts unten: Nolde Provenienz Sammlung Adalbert und Thilda Colsman, Langenberg; Grisebach Berlin, 02. 06. 2016, Nr. 14; Privatbesitz, Deutschland Das Aquarell ist der Nolde Stiftung Seebüll bekannt. EUR 60.000–120.000
Das Aquarell war Teil der bedeutenden Sammlung von Adalbert und Thilda Colsman in Langenberg, in der fast alle großen deutschen Expressionisten mit wichtigen Werken vertreten waren. Das Ehepaar Nolde war mit Adalbert und Thilda Colsman, die als Kunstförderer ein Nahverhältnis zum Museum Folkwang in Essen hatten, befreundet. In Emil Noldes künstlerischem Schaffen nimmt die Malerei mit Wasserfarben einen besonderen Stellenwert ein. Er zählt zu den frühesten und bedeutendsten Aquarellisten in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Über Jahrzehnte hindurch beschäftigt sich Nolde intensiv mit diesem Medium und erlangt eine bewundernswerte Virtuosität im Umgang mit der Farbe. Die Eigenart des Nass-in-Nass-Malens kommt seinem Streben nach Spontaneität im Schaffensvorgang entgegen. Ihm geht es um die Unmittelbarkeit des künstlerischen Ausdrucks, die direkte Wiedergabe des Sinnlich-Emotionalen und die weitgehende Ausblendung des Verstandes. Die Farbe ist für ihn zentraler Ausdrucksträger: „Farben, das Material des Malers: Farben in ihrem Eigenleben. Ich mied alles Sinnen vorher, eine vage Vorstellung in Glut und Farbe genügt mir.“ (Emil Nolde, zitiert nach: Ausst.-Kat. Kunstforum Bank Austria, Wien 1994, o. S.). Das Japanpapier, das Nolde schon seit etwa 1910 als ein seiner Aquarellmalerei besonders entgegenkommendes Trägermaterial entdeckt, saugt die Farbe schnell auf, sodass der Maler den Pinsel wieder und wieder in Farbe tränkt und diese mehrmals aufträgt bis sie ihm intensiv genug erscheint. „Sein liebstes Aquarellmaterial ist Japanpapier, auf dem die Farben häufig einen stoffmäßigen seidigen oder samtenen Charakter bekommen, was zum Teil durch die verschieden starke Schichtung der Farbe entsteht. Da manche Farbe fünf-, sechs- und noch mehrmals wiederholt wird, kommen auch ganz merkwürdige Tiefenwirkungen zustande. (...) Da er mit so nassen Farben malt, bewegen sich die Farbgrenzen auf dem löschpapierartigen Japanpapier, bis sie ganz trocken sind. Das kann über eine Stunde fortschreiten. Jeder Strich, jede Fläche ist also ein Risiko.“ (Jolanthe Nolde, „Beim Malen zugeschaut“, zitiert nach: Stephan Koja, in: Emil Nolde. In Glut und Farbe, Ausst.-Kat. Belvedere, Wien 2013, S. 223). Blumen sind in Noldes Œuvre schon früh ein wichtiges Sujet und bleiben es bis in die späten Schaffensjahre. Seine zahlreichen Blumenaquarelle entstehen in einem Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten, beginnend um 1918/20 bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1955. Bevorzugt malt er Blumen, die er in den Gärten von Utenwarf und später vor allem in Seebüll vorfindet, wo er sich 1927 nach eigenen Entwürfen ein Wohn- und Atelierhaus errichten lässt, an das nach Süden hin ein großer Blumengarten anschließt. Dort waren wohl auch die roten Blüten des Mohns und die gelb-orangen des Sonnenhuts zu finden, die sich im vorliegenden Aquarell mit farbsatter Strahlkraft leuchtend vor dem hellen Hintergrund abheben. (Claudia Mörth-Gasser)
Noldes Haus Seebüll und Garten abgebildet in: Ingried Brugger und Manfred Reuther (Hg.), Emil Nolde, Wien 1994, S. 328
© Nolde Stiftung Seebüll
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20 Werner Berg * (Elberfeld 1904–1981 Rutarhof) Dahlie im Morgenlicht, 1936 Öl auf Leinwand; 56 × 45,5 cm Monogrammiert links oben: W.B. Provenienz direkt beim Künstler erworben, Privatbesitz Wien; im Kinsky, 07. 06. 2016, Nr. 246; österreichischer Privatbesitz Literatur Wieland Schmid u. a., Werner Berg, Gemälde, mit einem Werkverzeichnis von Harald Scheicher, Klagenfurt 1994, WV-Nr. 174, sw-Abb. S. 251 EUR 40.000–70.000
Nachdem Werner Berg seine radikal die Fläche betonenden Bilder in viel beachteten Ausstellungen 1934 in Berlin, Hamburg und Bochum zeigen konnte, kam es 1935 nach zunehmenden Anfeindungen seitens der nationalsozialistischen Presse zur polizeilichen Sperre seiner Personalausstellung im Kölner Kunstverein. Der Künstler sah sich bald gänzlich isoliert auf seinem einsamen Bauernhof – jäh war die Möglichkeit zu weiteren Ausstellungen in Deutschland abgebrochen. In dieser Situation wandte er sich Themen aus dem engsten Umkreis seines Hofes zu – es entstanden zwei Selbstportraits und zahlreiche Portraits seiner Kinder. In Nahsicht, ohne Beiwerk werden die Motive nun vom Künstler zentral ins Bild gesetzt und gewinnen so zeichenhafte Bedeutung. Die empfindsamen Abstufungen der leicht gebrochenen Farben vermitteln eine melancholische Grundstimmung. Diese Vorgangsweise gilt auch für die nun direkt vor dem Motiv gemalten Blumenbilder. Die ungewöhnliche Lichtführung vermittelt dem Betrachter suggestiv die besondere Bedeutung des erlebten Augenblicks – erscheinungshaft betont das einfallende Licht das Volumen des Motivs, hebt es aus dem meist dunklen Hintergrund hervor und verleiht ihm eine geheimnisvolle Aura der Stille. (Harald Scheicher)
ım Kinsky
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Man Ray, 1948 abgebildet in: Ingried Brugger, Lisa Ortner-Kreil (Hg.), Man Ray, Wien 2018, S. 137
21 Man Ray * (Philadelphia 1890–1976 Paris) La Montagne de cristal, 1950 Öl auf Leinwand; 80 × 60 cm Signiert und datiert rechts unten: Man Ray 1950 Provenienz Galleria Iolas, Mailand; Sammlung Roberto Scalabrini, 1989; Privatsammlung, Schweiz; Koller Zürich, 19. 06. 2009, Nr. 3274; europäische Privatsammlung Literatur Janus. Man Ray, München 1973, Vgl. Studienskizze von 1940/41 (mit Abb. S. 186) Timothy Baum und Andrew Strauss, New York, bestätigen die Echtheit dieses Werkes. EUR 100.000–200.000
Detail Signatur und Datierung
Der gebürtige Amerikaner Man Ray, eigentlich Emmanuel Radnitzky, kommt 1921 nach Paris, dem damaligen Zentrum des Surrealismus. Als die Deutschen die Stadt 1940 besetzen, flieht er über Lissabon und New York nach Los Angeles, Kalifornien, um elf Jahre später wieder zurückzukehren. „La Montagne de cristal“ ist 1950 noch vor der Rückkehr nach Paris in Hollywood entstanden. In dieser Zeit tritt die Malerei wieder verstärkt in den Fokus. Die Komposition wird beherrscht vom grünen kristallin ausgeformten Berg, dessen Felsformationen sich steil vor dem Betrachter in die Höhe stapeln. Bräunliche Figuren tanzen – wie die Hexen in der Walpurgisnacht um den Blocksberg – um seinen kahlen Gipfel. Ihre amorphe Zackenform erlaubt eine mühelose Transformation: mal scheinen sie mehr Baum, mal Vogel, mal Gämse zu sein. Das mühelose Changieren zwischen Objekt und Subjekt, „die Verdinglichung von Personen zu Objekten beziehungsweise das Einhauchen von Vitalfunktionen in Objekte ist ein Thema, das Man Ray ab den 1920er Jahren wiederholt aufnimmt“ (Ingried Brugger, Lisa Ortner-Kreil (Hg.), Man Ray. Ausstellungskatalog, Kunstforum Wien, Wien 2018, S. 177). Malerisch bedient er sich in diesem Bild der Stilmittel des Surrealismus und der Pittura metafisica. Einer kunsthistorischen Einordnung verweigert sich das Werk jedoch, es entzieht sich einer möglichen Schubladierung. Mühelos wechselt Ray zwischen einzelnen Strömungen hin und her, greift manchmal auf bereits Dagewesenes zurück, um dann wieder mit Vehemenz vorzupreschen. Kaum scheint einem etwas bekannt vorzukommen und man vermeint, eine stilistische Einordnung treffen zu können, schon verhindert eine Irritation, ein Element, das sich partout nicht in das angepeilte Schema fügen möchte, diese. Wir sehen uns konfrontiert mit einem Künstler, dessen seismografische Sensibilität alles möglich macht, der für alles offen ist, aber bisweilen „bewusste Stillosigkeit zum Mittel“ erhebt, „um die Avantgarden und Nachavantgarden zu unterlaufen, ja zu zerbrechen.“ (Brugger, S. 6). Man Ray ist ein Künstler, „der scheinbar mühelos zwischen den künstlerischen Medien und unterschiedlichen Professionen pendelt: der sich in seiner künstlerischen Vielfalt jeder Kategorisierung entzieht und dessen Freiheit im Umgang mit Kunst auf den verschiedensten Bedeutungsebenen tendenziell über seine Zeit hinausweist.“ (Brugger, S. 6) (Sophie Cieslar)
ım Kinsky
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Leo Putz vor seinen Werken, um 1900 © Leo Putz jun. Gauting
22 Leo Putz (Meran 1869–1940 Meran) Im Schleißheimer Park, um 1906 Öl auf Leinwand; 160 × 160 cm Signiert rechts unten: Leo Putz Rückseitig auf dem Keilrahmen bezeichnet Provenienz vom Großvater des jetzigen Besitzers direkt beim Künstler erworben; seither in Familienbesitz, Privatbesitz Tirol Frau Sigrid Putz hat die Authentizität des Gemäldes mündlich bestätigt. EUR 80.000–160.000
Bereits mit 16 Jahren ging der aus Meran gebürtige Maler Leo Putz zur Ausbildung nach München, wo er früh eine bemerkenswerte Karriere machte. Putz wurde 1897 Mitglied der Münchener Secession und war Mitbegründer der Künstlervereinigung „Die Scholle“. Um 1901 löste er sich ganz aus dem Naturalismus seiner Ausbildung und wandte sich ab nun einer impressionistischen Malweise zu, der er eine eigene und unverwechselbare Handschrift zu geben vermochte. Putz, der ein Atelier in München hatte, später aber nach Gauting übersiedelte, suchte früh Motive in ländlicher Umgebung und in den königlichen Parks um München. Zwischen 1902 und 1907 entstand eine Folge von Gemälden im Park von Schloss Schleissheim, u.a. auch sein berühmtes und monumentales Werk“Picknick“ in der Bayerischen Gemäldegalerie. Charakteristisch für Putz ist das Arbeiten in großen Formaten, um die Unmittelbarkeit eines besonderen Augenblicks bzw. Motivs zu unterstreichen. So wirkt auch dieses Gemälde wie eine spontan gewählte Aufnahme einer im Schatten der Parkallee sich tummelnden Gesellschaft. Putz konterkariert jedoch diesen impressionistischen Eindruck mit der modellhaften und inszenierten Pose der jungen Frau mit Schirm. Und gerade da liegt der Reiz und die Modernität seiner Kunst: das Leben mit Kunst zu erhöhen. (Marianne Hussl-Hörmann)
ım Kinsky
Detail
Norbertine Bresslern-Roth im Atelier abgebildet in: Christa Steinle (Hg.), Norbertine Bresslern-Roth, S. 13
Etikett mit eigenhändiger Bezeichnung verso
23 Norbertine Bresslern-Roth * (Graz 1891–1978 Graz) Belagerung, 1954 Öl auf Jute; 125 × 100 cm Signiert rechts oben: B.-/Roth Rückseitig auf Etikett am Keilrahmen eigenhändig bezeichnet: „Belagerung“. Öl / Bresslern-Roth, Graz Provenienz direkt von der Künstlerin erworben; seither in österreichischem Privatbesitz Literatur Helene Martischnig, Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978). Das malerische Werk, Dipl.-Arb., Graz 1994, Abb. 204, S. 52; Christa Steinle (Hg.), Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin, Ausstellungskatalog Neue Galerie Graz Universalmuseum Joanneum, 26. 10. 2016 – 17. 04. 2017, WV-Nr. 270 (ohne Abb.) EUR 100.000–200.000
Ein Thema, das eine besondere Faszination auf Norbertine Bresslern-Roth ausübte, war jenes von kämpfenden Tieren und Jagdszenen. Immer wieder widmete sie sich der Darstellung von blutrünstigen Todeskämpfen in der Tierwelt. Mit unverhohlener Brutalität wird der Kampf um Leben und Tod im Bild des verwundeten Leoparden, der von einer Horde kläffender Jagdhunde belagert wird, geschildert. Von drei Jagdpfeilen getroffen, ist die wilde Raubkatze auf einen hohen Baumstumpf geklettert und wehrt sich von oben fauchend und mit gefährlicher Pranke gegen den Angriff. Es handelt sich um einen asiatischen Amurleoparden, der ehemals im Nordosten Chinas, in Norkorea und Russland heimisch war und heute zu den bedrohten Tierarten zählt. Das Gemälde spiegelt die besondere Vorliebe der Malerin für dramatisch zugespitzte Szenen wider und zeigt ihre Fähigkeit, die Wesensart der jeweiligen Spezies mit überzeugender Lebendigkeit zu vermitteln. Auf Reisen durch ganz Europa ließ sich Norbertine Bresslern-Roth in Zoos und in der Natur zu Tierstudien inspirieren. En plein-air entstanden Skizzenblätter, die als Grundlage und Inspiration für ihre Gemälde dienten. Gemalt wurden die Bilder dann im Grazer Atelier. Dabei setzte die Malerin die Tiere wieder in ihr natürliches Lebensumfeld, die freie Wildbahn. (Claudia Mörth-Gasser)
ım Kinsky
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24 Norbertine Bresslern-Roth * (Graz 1891–1978 Graz) Pastorale, 1942 Öl auf Jute; 110 × 125 cm Signiert links unten: B. Roth Rückseitig auf Keilrahmen eigenhändig bezeichnet: „Pastorale“, Öl / Prof. N. v. Br.-Roth, Graz Provenienz direkt von der Künstlerin erworben; Privatbesitz, Graz Literatur Helene Martischnig, Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978). Das malerische Werk, Dipl.-Arb., Graz 1994, Abb. 142; Christa Steinle (Hg.), Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin, Ausstellungskatalog Neue Galerie Graz Universalmuseum Joanneum, 26. 10. 2016 – 17. 04. 2017, WV-Nr. 196 (sw-Abb) EUR 120.000–240.000
Eigenhändige Bezeichnung auf Keilrahmen rückseitig
Als Norbertine Bresslern-Roth 1928 mit ihrem Ehemann Georg Bresslern eine Fernreise nach Tripolis in Libyen unternimmt, markiert dies eine Zäsur in ihrem künstlerischen Werk. Waren die vorrangigen Motive ihrer Gemälde und Linolschnitte bisher Tiermotive, manchmal Akte oder (Auftrags-)Porträts gewesen, so erscheinen ab nun öfters Motive außereuropäischer Kulturen. Den Eindrücken ihrer Reise verleiht sie im Druckgrafik-Zyklus „Tripolis“ und in großformatigen Ölgemälden Ausdruck. Als Vorlage dienen ihr die Fotografien ihres Mannes und zahlreiche Skizzen und Studien die sie vor Ort anfertigt. Es folgen Bildsujets von Gebieten südlich der Sahara, der Mongolei und der Südsee. Tatsächliches ethnologisches Interesse weist Bresslern-Roth allerdings nicht auf. Obwohl sie vermutlich das vom österreichischen Ethnologen Hugo Bernatzik 1930 in Wien herausgegebene und populär gewordene Buch „Gari Gari. Der Ruf der afrikanischen Wildnis“ kannte und zahlreiche Studien aus ähnlichen literarischen Vorlagen fertigt, bleiben ihre Figuren, deren Kleidung, Accessoires, Werkzeuge und Waffen detaillos und undefinierbar. Eine eindeutige Zuordnung der Handlungsorte lässt sich ebenfalls nicht bestimmen. Sie selbst behauptet „[...] ich möchte möglichst ab von der Natur und möchte nur das Wesentliche geben und wenn man die Sachen immer wieder anschaut, so wird man Naturalist und ich finde, das ist schlecht. Ich will nur das Charakteristische wiedergeben [...]“. In „Pastorale“ von 1942 zeigt sich das friedvolle Zusammensein von Hirten und Herde im afrikanischen Kontext. Im Gegensatz zu den Auerochsen die wesentlich mehr Raum und daher auch Bedeutung einnehmen sind die zwei musizierenden Hirten in den Hintergrund versetzt. Eine konkrete ethnologische Zuordnung ihrer Instrumente wird dem Betrachter ebenso unmöglich sein, wie die Bestimmung ihrer Kleidung und eines expliziten Standortes – nicht Realität will Bresslern-Roth vermitteln, sondern das Idyll zwischen Hirten und Herde erzählen. Einer Familie gleich präsentiert sich die tierische Dreiergruppe im Vordergrund und bringt so das menschliche Gefühl der Geborgenheit zum Ausdruck. (Petra Maier)
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Max Weiler, 1950 in seinem Innsbrucker Atelier abgebildet in: Max Weiler, Aus der Natur gemacht, Wien 1997, S. 282
25 Max Weiler * (Absam bei Hall i. Tirol 1910–2001 Wien) Gartenhaus, 1953 Eitempera auf Papier auf Leinwand; 90 × 85 cm Signiert und datiert links unten: Weiler 53 Provenienz österreichische Privatsammlung Ausstellungen 1955 Linz, Neue Galerie der Stadt Linz, Wolfgang-Gurlitt-Museum, November – Dezember, Max Weiler. Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Kat.-Nr. 16; 1958 Wien, Akademie der bildenden Künste, 17. September – 31. Oktober, Max Weiler, Kat.-Nr. 8; Literatur Almut Krapf, Max Weiler. Werkverzeichnis der Bilder 1932–1974, Salzburg 1975, WV-Nr. 225, Abb. S. 213; Otto Breicha, Weiler. Die innere Figur, Verlag Galerie Welz, Salzburg 1989, S. 78, Abb. S. 79; Verein der Freunde des Werkes Max Weilers (Hg.), Max Weiler: Aus der Natur gemacht. Bilder von 1927 bis 1997, Wien 1997, Abb. S. 88 EUR 40.000–80.000
Durch mehr als ein halbes Jahrhundert künstlerischen Schaffens werden die Themen und Titel der Bilder Max Weilers durch eine bewundernd wahrgenommene Natur und das tief empfundene Bewusstsein eigener Existenz in dieser Natur bestimmt. Die hohe Eigenart und Unverwechselbarkeit seines Werks beruht denn auch auf der Spannung zwischen seinem kosmologischen Weltbild und einer in hohem Maß analytischen und experimentellen Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei selbst: Malerei als auf einer Fläche organisierte Farbe und Struktur. Auf Weilers ganz persönlichem Weg, seine Welterfahrung, die in hohem Maß Naturerfahrung ist, mit der von ihm in der Abstraktion gesuchten „reinen“ Natur der Malerei in Übereinstimmung zu bringen, finden die entscheidenden Entwicklungen bereits in den fünfziger Jahren statt. Genau besehen, enthält etwa das „Gartenhaus“ von 1953 bereits signifikante Elemente des, zehn Jahre später mit dem Zyklus „Wie eine Landschaft“ einsetzenden, abstrakten Spätwerks – obwohl Pflanzliches noch körperhaft, sozusagen „vordergründig“ von der unteren Bildkante ins Bild hineinragend, eindeutig Räumlichkeit schafft, ein Vorne und ein Dahinter definiert. Die damit geschaffene zweite Bildebene wird durch ein dichtes, vor allem aber flächiges Gefüge farbiger Flecken gebildet. In diese, für das Spätwerk dann signifikante, offene und durch Pinselstriche dynamisierte Struktur fügen sich drei gegenständliche Motive als gleichwertige Bildelemente ganz selbstverständlich ein. Sind diese doch rein zeichenhafte, sozusagen aufgeklappte oder auch flachgedrückte Symbole für Haus, Tisch und Rasenstück und stehen in keinem raumperspektivischen Zusammenhang mit dem Vordergrund. Weiler schafft hier eine bestechend schlichte Idylle. Natur und Menschenwerk gehen in der Malerei – auch sie ist Menschenwerk – auf, bilden mit ihr eine Einheit. In diesem Fall auch eine Harmonie, ohne die latente Dramatik und die expressive farbliche Übersteigerung vieler Werke dieser Zeit. (Edelbert Köb)
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Werner Berg skizziert in Bleiburg, 1967 abgebildet in: Harald Scheicher, Werner Berg. Wirklichkeiten im Bildhaften, München 2012, S. 331
26 Werner Berg * (Elberfeld 1904–1981 Rutarhof) Spieler, 1962 Öl auf Leinwand; 64 × 89 cm Monogrammiert rechts oben: W. B. Provenienz direkt beim Künstler erworben; seither in Familienbesitz, Privatbesitz Kärnten Literatur Harald Scheicher, Werner Berg. Wirklichkeit im Bildhaften, München 2016, Farbabb. o. S. Wir danken Dr. Harald Scheicher für die freundliche Unterstützung und die wertvollen Hinweise. EUR 100.000–200.000
Detail Monogramm
Anfang September findet seit über 600 Jahren der Bleiburger Wiesenmarkt statt. Als „Vergatterung des Kärntner Unterlandes“ bezeichnete Werner Berg dieses drei Tage anhaltende Marktfest in der kleinen Stadt im Südosten des Kärntner Unterlandes. Die fahrenden Schausteller, Budenbesitzer, Händler, die exotischen Tiere, die Wohnwägen der Fieranten, die Karusselle und Schiffschaukeln, die bunt angestrichenen Landmaschinen, die ländlichen Trinker und die Paare in den Jahrmarktszelten erregten sein bildnerisches Interesse. Am Rande des Getriebes stehend, stellte er in zahlreichen Skizzen das Marktleben dar. Immer wieder studierte er in einer nächtlich beleuchteten Bretterbude an der Lehmkegelbahn die Spieler in ihrem Zueinander. Fasziniert erfasste er den ernsten, höchst konzentrierten Ausdruck ihrer im Schein der Lampe aufleuchtenden Gesichter ebenso wie manch unbeteiligten Gaffer am Rande. Von den Keglern wurden große Geldscheine als Einsatz auf dem Erdboden zu ihren Füßen geworfen, dem Gewinner winkten hohe Summen, doch oft auch wurden ganze Höfe verspielt. „Zu meinen Kontrastthemen gehört ganz besonders auch der Wiesenmarkt, dessen Leben in der Nacht mich ja immer besonders interessiert hat“, erzählte der Künstler und ergänzte: „Zuweilen drängen sich mir Themen auf, die im Gegensatz zu dem stehen, was man von mir erwartet. Dinge, die im Gegenschlag zur rein ländlichen Welt einfach notwendig sind. Wie ich überhaupt glaube, dass die Themen in einem noch so engen Bereich durch ihre Gegensätzlichkeit gewinnen, dass das Idyllische und Romantische nie die Kraft und Aussagemöglichkeit hätte, wenn das Scharfe und Groteske dem nicht gegenübertrete.“ (Werner Berg im Film „Der Maler Werner Berg“, ORF 1974) (Harald Scheicher)
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Gerhild Diesner, 1965 abgebildet in: Matthias Boeckl, Gerhild Diesner. 1915–1995, Innsbruck 2007, Abb. S. 233
27 Gerhild Diesner * (Innsbruck 1915–1995 Innsbruck) Paradiesvogel, 1964 Öl auf Leinwand; 100,5 × 101 cm Signiert und datiert links unten: Diesner 64 Provenienz 1970 direkt von der Künstlerin erworben, Privatbesitz Tirol; Kovacek Spiegelgasse, Wien, 2007; europäische Privatsammlung Literatur Matthias Boeckl, Gerhild Diesner. 1915–1995, Innsbruck 2007, Abb. S. 211 EUR 45.000–70.000
Die heiter gestimmte, „paradiesische“ Szene mit Vögeln in einer üppigen, mediterranen Pflanzenwelt zeigt die Vorliebe der Malerin für exotische Motive, leuchtende Farben und raffinierte Komplementärkontraste. Tiere und Vegetation werden formal auf das Wesentliche reduziert und in dekorativer Flächigkeit in das Bild gesetzt, dennoch geht eine bezaubernde, lyrische Suggestivkraft von der Darstellung aus. Im Schaffen Gerhild Diesners, das den Bogen über fast sechs Jahrzehnte spannt, bildet das Genre des Stilllebens neben der Landschaft eine wesentliche Konstante. Diesners Malerei zeichnet sich durch eine eigenwillige Rezeption der französischen Moderne aus. Innerhalb der österreichischen Kunst steht ihr Œuvre als Bindeglied zwischen der expressiven Tradition und der abstrakten Avantgarde. Gerhild Diesner wurde am 4. August 1915 in Innsbruck geboren. Sie besuchte zunächst die Fachschule für Damenkleidung und begann ihren künstlerischen Werdegang erst mit zwanzig Jahren. 1935 bis 1937 lebte sie in England, besuchte dort zuerst die Chelsea Art School und dann die School of Art in Brighton. 1937 zog sie nach München, um an der Akademie für angewandte Kunst Gebrauchsgraphik zu studieren. In den Münchner Museen fand ihre erste intensive Auseinandersetzung mit der französischen Kunst statt. Trotz der unruhigen Kriegszeiten gelang es ihr 1943, ein Studium in Paris an der Académie André Lhote und an der École de la Grande Chaumière bewilligt zu bekommen. Die französische Moderne wurde für ihre Kunst zur wesentlichen Inspirationsquelle. Auch wenn eine Affinität zum Fauvismus von Henri Matisse und zu anderen großen Vorbildern wie Vincent van Gogh oder Paul Gauguin in ihren Werken deutlich erkennbar bleibt, kristallisierte sich bald ihre eigenständige Handschrift heraus. In den Jahren nach dem Krieg erfuhr Diesners Schaffen ihren künstlerischen Höhepunkt. Sie konnte ihre Position innerhalb des Tiroler Kunstbetriebs festigen und ihre Werke auch auf Ausstellungen in Wien, etwa im „Art Club“, präsentieren. Sensationell war die Beteiligung an der Biennale für Frauen in Bozen, wo ihre Bilder neben jenen von Sonja Delaunay gezeigt wurden. Nach ihrer Scheidung von Bodo Kampmann 1953 zog sie sich gesellschaftlich zurück und ihre Ausstellungsbeteiligungen wurden geringer. Bis ins hohe Alter blieb sie jedoch künstlerisch sehr produktiv. (Claudia Mörth-Gasser)
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28 Fernand Léger * (Argentan 1881–1955 Gif-sur-Yette) Vie, 1951–1952 Fresko, fachmännisch abgelöst und auf neues Trägermaterial aufgezogen; 103 × 133 cm Provenienz Haus des Künstlers in Lisores, Normandie; Hélène Thénier-Samoilov und Pierre Thénier, bis 2007; Schweizer Privatsammlung; Galerie Fischer Luzern, 17. 06. 2010, Nr. 156; europäische Privatsammlung Wir danken, Dominique Bermann Martin, Neffe des Künstlers, für die freundliche Unterstützung. Das Gemälde wird von ihm in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen. Zustandsbericht von Laurent Laxenaire, conservateur restaurateur de peinture, spécialiste des supports peints, vom 21. 11. 2002; Echtheitsbestätigung von Hélène Thénier-Samoilov und Pierre Thénier, vom 30. Juni 2007; Echtheitsbestätigung von Natalie Thénier-Samoilov, vom 4. Juli 2007; Echtheitsbestätigung von Francois Lorenceau, Brame & Lorenceau, vom 5. Juli 2007 EUR 70.000–140.000
Das Haus von Fernand Léger in Lisores in der Normandie
Fernand Légers Wurzeln liegen im Kubismus Pablo Picassos und Georges Braques und den kunsttheoretischen Ansätzen der in Paris ansässigen Gruppe Abstraction-Création. In den 1920er Jahren wird er zum Vorreiter einer neoplastizistischen Strömung. Unter diesem neuaufkeimenden Realismus versteht er „die simultane Zusammenstellung der drei bildgestaltenden Grundelemente Linie, Form und Farbe“ (Fernand Léger, Mensch, Maschine, Malerei. Aufsätze zur Kunst, Bern 1971, S. 19), die er im Laufe seines Schaffens auch immer wieder neu auslotet. Das 1951–1952 nach den Jahren des New Yorker Exils (1940–1945) wieder in Frankreich entstandene „Vie“ (das Leben) erinnert an Kompositionen Hans Arps, einer der Mitbegründer der Gruppe Abstraction-Création, kann aber auch als Wegweiser für die Farbfeldmalerei eines Ellsworth Kelly oder Kenneth Noland verstanden werden. Es handelt sich um ein fachmännisch abgetragenes und auf ein neues Trägermaterial aufgezogenes Fresko aus dem Haus des Künstlers in Lisores in der Normandie, das Léger von seiner Mutter geerbt hatte. Das einfache Anwesen diente ihm neben seinem Wohnsitz in Paris als Rückzugsort und Atelier, das nur enge Freunde wie Jean Cocteau, Le Corbusier oder der Kunsthändler Henri Kahnweiler besuchen durften. In den 1970er Jahren öffnete Légers zweite Frau und ehemalige Schülerin Nadia Khodasevich das Haus für die Öffentlichkeit. Nach einigen Jahren im Dornröschenschlaf soll die Farm 2019 neu restauriert wieder als Museum zugänglich werden. „Vie“ ist ein eigentümliches Zwitterwesen aus Kubismus, Surrealismus und Abstraktion. Formen schieben sich über- und ineinander. Sie sind flach und räumlich, erstarrt und in Bewegung zugleich. Sie schweben vor oder sind fixiert auf einem weißen Bildgrund, gleichzeitig wird dieser selbst im gleichfarbigen Oval im Vordergrund zur Form, wodurch die Grenzen der einzelnen räumlichen Ebenen verschwimmen, ja aufgehoben werden. Es gibt kein klar definiertes Vorne oder Hinten. Ehemals streng geometrische Formen werden organisch verzerrt. Wie Arp geht es Léger darum, „das von innen heraus urhaft Keimende organischer Formen darzustellen“ (Johannes Jahn: Wörterbuch der Kunst, 10. Aufl., Stuttgart 1983, S. 45), dabei spielt die Farbe eine wesentliche Rolle. In der formalen Gestaltung gehört die Tempera zu einer abstrakten Werkgruppe, die zeitgleich mit den großen figuralen Gemälden der Zeit um 1950 entsteht. Die Abstraktion erachtet Fernand Léger als absolut notwendig „für die Befreiung der Bildelemente“ (Nicholas Serota (Hg), Fernand Léger. Zeichnungen. Bilder. Zyklen 1930–1955. Ausstellungskatalog, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1988, S. 11), um daran anschließend erst ein neues Figurenkonzept zu erarbeiten. Das Bild „Vie“ zeigt gleichsam die Urformen des Lebens, das Urgerüst, auf dem die Figurenbilder aufbauen können und deren Verständnis sich aus Kompositionen wie vorliegender erst ableiten lässt. So kann man aus Arbeiten der 1940er Jahre bereits den Übergang vom abstrakten zum figuralen Bildnis ablesen. Bunte geometrische Formen werden hier zunächst mit schwarzen Umrissen kombiniert, die dann modelliert zu immer kompakteren Figuren ausgebildet werden. Gleichzeitig kehrt der Künstler aber immer wieder zum rein Abstrakten zurück, scheint das Ziel des Figurativen zu umkreisen und immer wieder neu zu hinterfragen. Zentrales Anliegen ist dabei stets „die schonungslose Untersuchung des einzelnen Objekts im Raum“ (Serota, S. 10) und der der Farbe innwohnenden Möglichkeiten als Auslöser von Sinnes- und Körperempfindungen. (Sophie Cieslar)
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29 Otto Dix * (Gera 1891–1969 Singen) Blick auf Öhningen und Stein am Rhein, 1947 Öl auf Leinwand; 53,5 × 88 cm Monogrammiert und datiert rechs unten: OD 47 Provenienz Altheer, 1948 als Geschenk vom Künstler erhalten, dann in Familienbesitz, Privatbesitz Bodensee; Auktionshaus Geble Radolfzell, 18. 03. 2006; Privatbesitz, Schweiz; Dobiaschofsky Auktionen Bern, 12. 11. 2010, Nr. 512; europäische Privatsammlung Das Werk wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Rainer Beck und Rainer Pfefferkorn unter der Nummer 1947/46 aufgenommen. Ein Brief des Künstlers, vom 10. 01. 1948, an den ersten Besitzer des Bildes liegt bei. EUR 50.000–100.000
Otto Dix in seinem Atelier abgebildet in: Eva Karcher, Otto Dix, Köln 2012, S. 214
Brief des Künstlers, vom 10. 01. 1948
Die Schaffensjahre von 1946–1949 sind für den deutschen Künstler Otto Dix von großer künstlerischer Euphorie geprägt. In dieser Zeit entstehen ungefähr 150 Gemälde. Nach den prägenden Erlebnissen aus den beiden Weltkriegen – die Deklaration seiner Werke als entartet und seine Gefangenschaft in Frankreich 1945 – sucht sich der Künstler einen Weg, um sich aus der Depression zu befreien und findet diesen für sich in seinen späten Werken. Über zwanzig Jahre hinweg hatte der Künstler seine detailreichen Werke in altmeisterlicher Lasurtechnik gemalt. Nun besinnt er sich auf seine ersten Landschaftsbilder, die bereits 1919 entstanden sind, zurück. Die Werke, die ab 1946 entstehen, malt Dix, wie in seinen frühen Anfängen, „alla prima“. Diese Technik setzt die Beherrschung seines künstlerischen Handwerkes voraus. An der Darstellung können keine Korrekturen vorgenommen werden, da die Farbe direkt auf die Leinwand gesetzt wird. Für Dix selbst ist dies auch eine Befreiung aus seiner bisherigen Malerei: „Ich werfe nach Belieben alle Idealkompositionen, Goldenen Schnitt und all diesen Renaissancekram über Bord und male ‚entfesselt’.“ (aus einem Brief von Otto Dix an den Künstler Ernst Bursche, 1944) Otto Dix wird 1891 in der Nähe von Gera geboren. Seine Lehre zum Dekorationsmaler mit anschließendem Besuch der Kunstgewerbeschule absolviert er in Dresden. Seine Ausbildung wird durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Zur Teilnahme an diesem meldet er sich freiwillig und ist vier Jahre lang beteiligt. Nach dem Ende des Krieges nimmt Dix sein Studium an der Kunstakademie in Dresden auf und wird zum Mitbegründer der „Dresdener Sezession – Gruppe 1919“. Die Kriegserlebnisse sind der Auslöser für seine fortan bissigen, kritischen Bilder. Ende 1922 zieht er nach Düsseldorf und studiert an der Kunstakademie als Meisterschüler von Heinrich Nauen und Wilhelm Herberholz. Er pflegt dort engen Kontakt mit der Wirtin und Galeristin Johanna Ey, die ihn in Düsseldorf bekannt macht. In dieser Zeit wendet sich Dix der Neuen Sachlichkeit zu. Nach seinem Umzug nach Berlin 1925 avanciert Dix zum gefragten Porträtmaler der Berliner intellektuellen Gesellschaft und ihrer Bohème. An der Dresdener Akademie erhält Dix ab 1927 eine Professur, aus welcher er wegen der politischen Veränderungen fünf Jahre später entlassen wird. Die Nationalsozialisten beginnen mit ihrer Zensur und Dix erhält als unerwünschter Künstler schließlich Ausstellungsverbot. Dies veranlasst Dix zum Umzug nach Randegg bei Singen und später nach Hemmenhofen am Bodensee. Im Jahr 1945 wird Dix zum ‚Volkssturm’ eingezogen und gerät kurz darauf in französische Gefangenschaft. Nach Ende des Krieges unternimmt der Künstler Reisen durch Südeuropa. Auch nach 1950 kommt es in seinem Œuvre zu einer weiteren thematischen und stilistischen Wende. Seine Werke werden bukolisch und zeigen sich heiter expressiv. Das vorrangige Interesse besteht weiter am Porträt, aber auch religiöse Themen und die Landschaft sind Sujets seiner späten Jahre. Im Jahr 1969 stirbt der Künstler Otto Dix im Alter von 78 Jahren. (Anna Katharina Erdkamp)
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30 Herbert Boeckl * (Klagenfurt 1894–1966 Wien) Stehender Akt, 1927 Öl auf Leinwand; 104 × 75 cm Provenienz Maria Boeckl, Wien; Leonore Boeckl, Wien; österreichischer Privatbesitz Literatur Claus Pack, Der Maler Herbert Boeckl, Wien / München 1964, Kat.-Nr. 83; Gerbert Frodl, Herbert Boeckl. Mit einem Werkverzeichnis der Gemälde von Leonore Boeckl, Salzburg 1976, S. 179, Kat.-Nr. 100; Agnes Husslein-Arco (Hg.), Herbert Boeckl. Retrospektive, Katalog mit Werkverzeichnis der Ölbilder, Skulpturen, Fresken und Gobelins, Belvedere Wien, 21. 10. 2009 – 31. 01. 2010, WV-Nr. 120, Abb. S. 351 EUR 80.000–160.000
1921 reist Herbert Boeckl nach Berlin und 1923 das erste Mal nach Paris. Auf Empfehlung von Egon Schiele hatte er einen Vertrag mit dem Wiener Kunsthändler Gustav Nebehay abschließen können. Ein monatlicher Fixbetrag sichert nun das Grundeinkommen und ermöglicht auch diese Studienreisen. In Berlin sieht der Künstler im Spätherbst 1921 eine große CézanneAusstellung bei Paul Cassirer, dem großen Förderer Oskar Kokoschkas. In Paris besucht er alle großen Museen und kann sich vor den Originalen mit den Neuerungen in der damaligen Kunsthauptstadt auseinandersetzen. Die beiden Reisen bleiben nicht ohne Auswirkung auf seine weitere künstlerische Entwicklung. Er beginnt nun die Raumperspektive aufzulösen und die Körperlichkeit vom Gegenstand zu lösen. Die Farbe wird immer mehr von einem „Darstellungsmittel zum Gestaltungsmittel“ (Agnes Husslein-Arco (Hg.), Herbert Boeckl. Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2009/2010, S. 38). Herbert Boeckl trennt die Gegenstände von einer genauen Vorstellung, nimmt ihnen ihre fix vorgegebene Gestalt, um in der Ausdrucksweise flexibler zu werden. Doch der Weg in die reine Farbmaterie erweist sich als Sackgasse und er erkennt, „dass seine Deutung der Welt das Sujet benötigt, um eine Kommunikation zwischen erlebter Wirklichkeit, gemaltem Bild und dem Betrachter in Gang zu bringen“ (s.o., S. 128). In den weiteren Jahren wird er zu einer ganz eigenen Kombination von Realismus und Abstraktion finden, die seinen Rang als einen der wichtigsten österreichischen Neuerer der Kunst untermauert. Auch in dem 1927 entstanden „Akt“ nimmt die Farbe eine zentrale Rolle in der Bildgestaltung ein. In pastosem Auftrag gestaltet Boeckl den Körper der Frau mit seinen weiblichen Rundungen. Mittels der Farbe gestaltet er Raum und Atmosphäre, Tiefenwirkung und Fläche, Temperaturzonen und haptische Sensation. In schreitender Position ist die Frau wiedergegeben, den rechten Arm erhoben, der einen kaum sichtbaren Stock hält. In einem zeitgleich entstandenen weiteren weiblichen Akt ist dieser Stab als knorriger Ast deutlicher zu erkennen. Vorliegendes Bild ist expressiver und die Gesichtszüge der Frau prägnanter gestaltet. Erinnert die Komposition, die sinnliche Körpergestaltung und Positionierung der Frau an die barocken Aktdarstellungen Peter Paul Rubens’, so verweisen die Gesichtszüge der Dargestellten mit der spitzen Nase und den scharfen Konturlinien in Nasenrücken, Augen und Brauen auf eine Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Kubismus. Parallelen zu Pablo Picassos „Les Desmoiselles d’Avignon“ sind evident. Das Werk war 1916 erstmals in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert worden und im April 1925 in der von André Breton herausgegebenen Zeitschrift „La Révolution surréaliste“ publiziert worden. Es ist also durchaus möglich, dass Herbert Boeckl das Bild vor der Entstehung des Aktes gesehen hat. Die Arbeiten der 1920er Jahre und Bilder wie dieses markieren den Weg des Künstlers in eine gänzlich eigenständige Richtung: für seine virtuose Malerei, für seine „zu plastischen Farbkörpern entwickelten Farbflecken“ (s.o., S. 38) gibt es keine eigentlichen Vorbilder. (Sophie Cieslar)
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31 Karl Hubbuch * (Karlsruhe 1891–1979 Karlsruhe) Zwiesprache (Myriam mit Katze), um 1952–54 Öl auf Hartfaserplatte; 135 × 79 cm Monogrammiert rechts unten: K. H. Rückseitig auf Hartfaserplatte bezeichnet: Karl Hubbuch / Karlsruhe / „Zwiesprache“ Ausstellungsetikett Düsseldorf, Kunstausstellung Eisen und Stahl, rückseitig am Keilrahmen Provenienz Galerie Schlichtenmaier, Grafenau; Kunstsammlung Rolf Deyhle; Sotheby's London, 06. 10. 1999, Nr. 224; österreichische Privatsammlung Ausstellung 1967 München, Düsseldorf, Kunstausstellung Eisen und Stahl Literatur Richard Hiepe, Karl Hubbuch, Dresden 1961, S. 287, WV-Nr. 29
Karl Hubbuch in seinem Atelier abgebildet in: Ulrich Pohlmann, Karin Koschkar (Hg.), Hubbuch und das neue Sehen, München 2011, S. 2
EUR 35.000–70.000
Der Künstler Karl Hubbuch gehört gemeinsam mit Otto Dix und George Grosz zu den bedeutendsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit und des Realismus in Deutschland. Seine akademische Ausbildung erhält Hubbuch an der Karlsruher Akademie und an der Lehranstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin. Sein Lehrer ist Emil Orlik, der ihn in seinem Blick auf die Welt stärkt. In Berlin lernt Hubbuch auch George Grosz kennen, der ihn auf dem Weg zu seinem reflektierten und sozialkritischen Werk maßgeblich unterstützt. Ab 1933 entstehen Werke, die eindrucksvoll das Leben in der modernen Großstadt schildern und ebenso auf die gesellschaftlichen und politischen Diskurse der Weimarer Republik hinweisen. Es sind vor allem die Menschen der Arbeiterklasse, die Hubbuch fokussiert und die er mit Ironie in ihrem Alltag zeigt. Auch die Metropole Paris, die er 1926 erstmalig bereist, liefert ihm Inhalte, die er in der Manier der Neuen Sachlichkeit wiedergibt. Ab 1929 ändert sich Hubbuchs Stil in eine von Spontanität und Expressivität geprägte Lockerheit, sodass er damit seinen Bildern einen skizzenhaften Charakter verleiht. Mit 1933 kommt es zu einer jähen Zäsur im Werk Hubbuchs. Die Nationalsozialisten entheben ihn aus seiner Professur an der Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe, die er 1928 angetreten hatte. Des Weiteren erhält er ein Berufs- und Ausstellungsverbot und verliert ebenso sein Atelier. Ihm bleibt nur eine Stelle als Hilfsarbeiter in einer Majolika-Manufaktur in Karlsruhe und als Blumenmaler für Uhrengehäuse in Schwenningen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kann sich Karl Hubbuch schließlich wieder künstlerisch betätigen und nimmt seine Professur an der Akademie in Karlsruhe wieder auf. Thematisch und auch inhaltlich knüpft er an seine früheren Arbeiten an. Er behält seinen kritischen Blick auf die Gesellschaft und macht sich auf die Suche nach einem neuen Menschenbild unter Einbeziehung des Lebensraumes als sozialphysiognomische Komponente. Hubbuchs Stil allerdings wandelt sich zu einer starken Linearität, zu einem Expressionismus, der an die Malerei Max Beckmanns erinnern lässt. Das hier angebotene Werk stammt aus dieser Schaffenszeit und zeigt seine Tochter Myriam, die von seiner Frau Ellen 1941 mit in die Ehe gebracht wurde. Nach seiner Pensionierung kehrt Karl Hubbuch zurück zu seiner Ausdrucksweise der 1930er Jahre. Diese malerisch-skizzenhafte Manier entwickelt er zu einer freieren Malerei weiter ohne jemals in die Abstraktion zu gelangen. Der Realismus bleibt für ihn das einzige adäquate Mittel die Erlebnisse des Alltages, das Alltägliche, künstlerisch zu dokumentieren. (Anna Katharina Erdkamp)
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32 Friedensreich Hundertwasser * (Wien 1928–2000 vor Brisbane, Australien) Trois Collines Sur Le Nuage Jaune; Drei Hügel auf der Gelben Wolke; Three Hills on the Yellow Cloud, 1956 Aquarell auf mit Casearti grundiertem Packpapier; gerahmt, 50 x 49,5 cm Signiert und datiert unten mittig: HUNDERTWASSER 1956 HULL Rückseitig signiert und bezeichnet: 277 Hundertwasser / Trois collines sur le nuage jaune / Aqu. Casearti 50 x 50 / Sept. 1956 HULL Collection Kemeny Provenienz aus der Sammlung Madeleine und Zoltán Kemeny, Schweiz; Privatbesitz, Schweiz Literatur A. C. Fürst, Hundertwasser 1928–2000, Catalogue Raisonné, Köln 2002, Vol. II, S. 322 (c) Ausstellungskatalog, Kestner-Gesellschaft, Hannover 1964, S. 148 ▲EUR 100.000–200.000
Den Sommer von 1956 verbrachte Hundertwasser mit seinem Freund Hans Neuffer in Schweden und hielt die zum Teil recht skurrilen und abenteuerlustigen Erlebnisse 1964 in dem Text „35 Tage Schweden“ fest. Am Ende heuerte er mit Neuffer auf der „SS Barta“ an, einem estnischen Schiff, das unter liberianischer Flagge vom schwedischen Söderham bis in den englischen Hafenort Hull fuhr. Die Fahrt verlief recht abenteuerlich, da die Mannschaft nur aus Gewaltverbrechern und durch den Krieg staatenlos gewordenen Männern bestand. „An Bord der SS Bauta malte ich die Aquarelle Nummer 274, 275, 276 und 277 und schrieb mit Hans Neuffer gemeinsam einen Roman der „Blau Blum“ hieß. Jede Woche tranken die Seeleute pro Mann zwei Kisten Bier in einer Stunde aus. Sie wurden ultramarinblau. Das Bier lief ihnen aus der Haut heraus. Sie nahmen Eisenstangen, um auf mich loszuschlagen. Ich mußte mich verstecken. Ich wurde sehr stark. Ich trank nie. Ich bekam ein Zeugnis, daß ich ein sehr guter Seemann sei.“ (Hundertwasser, 35 Tage Schweden, 1964) Das vorliegende Aquarell war das letzte Bild, das Hundertwasser, wie am Blatt vermerkt, am Endziel, dem Hafen von Kingston upon Hull in Yorkshire, vollendete. Es befand sich über Jahrzehnte in Privatbesitz und ist nun erstmals wieder zu sehen und am Kunstmarkt.
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33 Franz Grabmayr * (Pfaffenberg b. Obervellach/Kärnten 1927–2015 Wien) Sandgrube, 1997 Öl auf Leinwand; ungerahmt; 93,5 × 116 cm Rückseitig monogrammiert und datiert: F. G. 1997 Provenienz österreichische Privatsammlung ▲EUR 25.000–40.000
Detail Rückseite
Im Jahr 1997, als die vorliegende Arbeit entsteht, war der gebürtige Kärntner Künstler Franz Grabmayr nach längeren Auslandsaufenthalten soeben wieder in seine Wahlheimat, ins Waldviertel, zurückgekehrt. Dort widmet er sich erneut der regionalen Motiv-Welt. Die Serie der „Sandgruben“ beginnt der Künstler allerdings bereits Mitte der 1960er Jahre, als sich auch sein Malstil pastoser und reliefartiger zu entwickeln beginnt. Im Laufe seines Schaffens wird er das Sandgruben-Motiv wiederholt aufgreifen. Über seine Sandgruben-Bilder erzählt Grabmayr rückblickend: „Als ich die Farben tonig gemalt habe – die Ockertöne, die Brauntöne – habe ich schon das gleiche Licht gefunden, das auch meine späteren Bilder aufweisen. Am Licht hat sich nichts geändert. Es hat sich bei mir nur geistig, schöpferisch oder empfindungsmäßig etwas verändert. Ich wusste, ich will die Farben so, wie man sie auf der Palette hat. Die reinen Farben, gelb, rot, orange, blau; die hatte ich stets vor mir. Nun wollte ich versuchen, die starke Farbigkeit der Palette mit der gesehenen Natur in einen Zusammenhang zu bringen. Das heißt, die tiefen Mulden in der Sandgrube wurden zum Violett, die Höhen zum Gelb, die Zwischentöne Rot, und dahinter das Blau. Der Versuch, die reinen Farben mit der Landschaft in Einklang zu bringen, die Landschaft in einer gesteigerten Farbigkeit auszudrücken, sind ganz bewusste geistige Überlegungen, Setzungen, Entscheidungen.“ (Franz Grabmayr) Kontinuierlich und konsequent verfolgt Grabmayr seine charakteristische, auf das Material bezogene Arbeitsweise, entfernt sich immer weiter vom Sichtbaren, reduziert Farbpalette und Ursprungsform und löst den Gegenstand in plastische Farbe auf, bis hin zur vollkommenen Abstraktion. Das pastos aufgetragene Farbmaterial erwirkt Licht und Schatteneffekte, die den Arbeiten Vitalität und Dynamik verleihen. Damit reiht sich Grabmayr einerseits in die Tradition der österreichischen Expressionisten ein, andererseits steht er den Materialkünstlern der Arte Povera und den Aktionisten nahe. Als die Aktions- und Performance-Kunst in den 1960er und 1970er Jahren Erfolge feiert, bleibt Grabmayr allerdings der Malerei und ihren Materialien treu und geht einen vollkommen eigenständigen Weg. Heute zählt der 2015 verstorbene Künstler zu den wichtigsten Vertretern einer auf die Materialität der Farbe bezogenen Malerei. (vgl. hierzu: Klaus Albrecht Schröder in: Franz Grabmayr, Wolfratshausen 2002, S.15) (Isabell Kneidinger)
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Hans Bischoffshausen
Hans Bischoffshausen, abgebildet in: W. Steinböck, G. Celedin (Hg.), Hans Bischoffshausen 1927 – 1987, Graz 1987, o.S.
Einführung in persönliche Biographie und künstlerische Entwicklung Ursprünglich wollte Hans Bischoffshausen Architekt werden und begann daher 1947 ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Graz. Doch sein dortiger Professor für Künstlerische Gestaltung, Kurt Weber, begeisterte ihn für die Malerei der Klassischen Moderne und konstatierte seinem Studenten bald: „Sie sind Maler. Sie werden immer Maler sein“ (zitiert nach: K: Messner: Helene Bischoffshausen. Ein Leben im Sturzflug, in: Die Brücke, 4, 1996, S.8). Tatsächlich brach Bischoffshausen das Architekturstudium nach fünf Semestern ab, zog zurück nach Kärnten und gab sich ganz seinem viel zitierten „Sturz in die Malerei“ (Bischoffshausen 1977) hin. Trotzdem sollte die Architektur stets ein wichtiges Interessengebiet Bischoffshausens bleiben, dem er sich in zahlreichen theoretischen Schriften und in Form von „Kunst am Bau“ widmete. In seiner künstlerischen Entwicklung reflektierte der junge Maler Anfang der 1950er Jahre intensiv Paul Klee und sein „spielerisches Geheimnis“ (Bischoffshausen 1977). In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts führte die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Tendenzen und die Suche nach dem eigenen Stil Bischoffshausen über Versuche in gestischer Malerei sowie drippingVerfahren (à la Jackson Pollock) schließlich zu für ihn zukunftsweisenderen Methoden, in denen er zusehends mit dem Bildgrund selbst experimentierte, verschiedene Materialien auf ihn aufbrachte oder ihn durchlöcherte oder verbrannte. Besonders prägend für diese Entwicklung war für Bischoffshausen das Kennenlernen von Lucio Fontana, der ein wichtiger Förderer und Mentor für den jungen Maler wurde. Anders als andere (kärntner) MalerInnen seiner Generation (Lassnig, Staudacher, Rainer) hatte Bischoffshausen den Anschluss an die internationale Kunstszene nämlich nicht über Paris gesucht, sondern orientierte sich vorerst an den südlichen Nachbarländern Österreichs. In den Galerien von Slowenien (damals Jugoslawien) und Italien kam Bischoffshausen mit Fontana und der italienischen ZERO-Bewegung in Kontakt und konnte seinen Bekanntheitsgrad durch erste eigene Ausstellungen steigern. In der Folge kam es 1958 auch zu einer Präsentation in der renommierten Galerie nächst St. Stephan in Wien und 1959 erhielt Bischoffshausen den 1. Joanneumspreis für zeitgenössische Kunst des Landes Steiermark. Finanzielle Einkünfte durch den Preis ermöglichte dem Künstler schließlich doch auch noch den Weg nach Paris. Ende 1959 reiste er erstmals in die französische Metropole, Anfang 1960 holte er seine Frau Helene und die beiden Töchter (geb. 1951 und 1958; eine dritte Tochter, die 1955 geboren wurde, war bereits im Alter von 14 Monaten an den Folgen einer Infektionskrankheit gestorben) nach. Vorstellung und Realität des Pariser Lebens hätten weiter nicht auseinanderklaffen können, wie aus einem Zitat von Helene deutlich wird: „Ich kaufte mir ein Paar Stöckelschuhe mit hohen Absätzen und einen Kaminrock aus rotem
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Hans Bischoffshausen malend in der Glacière, Paris 1959, abgebildet in: H. Smoliner, S. Jank, R. Kravanja (Hg.), STUTZ. Hans Bischoffshausen und Freunde kehren beim Obiditsch ein, Klagenfurt 2008, S. 82.
Samt im Gedanken an die Weltstadt Paris und landete in diesem Loch.“ (zitiert nach: I. Freytag, G. Trauhsnig: Helene, Stutz und die Kunst, in: Die Brücke, 73, 2006/2007, S. 22). Mit dem „Loch“ meinte sie einen Schuppen in einem Hinterhof des Abbruchviertels „Glacière“ (einem aufgelassenen Kühlhaus), den Bischoffshausen notdürftig „mit Gips, Karton und Wellblech“ (H. Bischoffshausen: Cresyl. Die Sonne der Armen, Klagenfurt 1999, S. 224) für seine Familie ausgebaut hatte. Mehrere Jahre hauste die Familie dort unter schlechtesten Umständen und ständigem Geldmangel. Auch wenn sich die Wohnsituation ab 1962 verbesserte, war die Geldknappheit Zeit Lebens prägend für Hans Bischoffshausen und seine Familie – und das, obwohl der Künstler in Paris Anerkennung und Anschluss an die Szene fand und vermehrt große öffentliche Aufträge erhielt. Er selbst bezeichnete diese Phase seiner Karriere als ein „Wunder: Trotz aufreibender Gelegenheitsarbeiten spucke ich hunderte von Arbeiten aus. Schon 1961/62 bin ich in einigen Galerien vertreten, gehöre der Gruppe ZERO-AVANTGARDE an und mein wichtigster Abschnitt beginnt.“ (Bischoffshausen 1987) Er stand in regem Austausch u.a. mit Bernard Aubertin sowie dem Kunstkritikter Pierre Restany (der auch für Yves Klein eine wichtige Rolle spielte) und der holländischen ZERO-Bewegung „Nul“ (insbesondere mit Henk Peeters). Bischoffshausen war in bedeutenden Avantgarde-Galerien und international anerkannten Museen vertreten; durch den Einsatz des progressiven Galeristen René Drouin war er in internationalen Gruppenausstellungen von Barcelona bis Istanbul, von Amsterdam bis Neu Delhi präsent. 1965 nahm er an der Ausstellung „Zero avantgarde“ im Studio Fontana in Mailand sowie in der Galleria del Cavallino in Venedig teil. In diesem für ihn „wichtigsten Abschnitt“ trieb Bischoffshausen die Reduktion seiner Malerei auf die Spitze. Es entstanden ausschließlich monochrome Bilder mit aufgesetzten oder eingeprägten Strukturen, die lediglich durch die Wirkung von Licht und Schatten sichtbar wurden. 1971 entschloss sich die Familie Bischoffshausen zur Rückkehr nach Österreich und ließ sich wieder in Kärnten nieder. Zwei Leiden prägten Bischoffshausens Leben und Schaffen in dieser Zeit zusehends: die allmähliche Zerstörung seines Sehnervs und damit einhergehende nachlassende Sehkraft durch die jahrelange Verwendung von Polychloräthylen und sein schwerer Alkoholismus, der sich bereits seit den Pariser Anfangsjahren bemerkbar gemacht hatte. Hans Bischoffshausen starb am 19. Juni 1987 im Alter von 60 Jahren im Landeskrankenhaus Klagenfurt. (Clara Kaufmann)
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34 Hans Bischoffshausen * (Feld am See/Kärnten 1927–1987 Villach) Kreuzblume, 1960 Mischtechnik auf Leinen; gerahmt; 81 × 60 cm Rückseitig bezeichnet, datiert und signiert am Keilrahmen: „Kreuzblume“ Bischoffshausen 1960 Rückseitig signiert auf der Leinwand: Bischoffshausen Mehrere Klebeetiketten sowie Nachlassetikett auf der Rückseite Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers EUR 50.000–100.000
Rückseite
Vergleichsbild: Antoni Tàpies, Terra i pintura, 1956, abgebildet in: M. J. Borja-Villel (Hg.), Tàpies. Comunicació sobre el mur, Valencia 1992, S.151.
Mit der „Kreuzblume“ haben wir ein Werk Bischoffshausens vor uns, das in vielerlei Hinsicht exemplarisch für seine Anfangszeit in Paris steht. Zu sehen ist eine Leinwand mit Strukturanhäufungen aus PVC-Masse. Seit Mitte der 1950er Jahre experimentierte Hans Bischoffshausen mit Materialien, die er als zusätzliche Ebene auf den Bildgrund auftrug und danach noch teils mit den Fingern oder der Spachtel bearbeitete. Dabei verwendete er anfangs „arme Materialien“ wie Lack, Asphalt, Teer, Asche oder mit Bindemittel gemischten Sand. Wie das Ausgangsmaterial, hatte auch die Dynamik der Bearbeitung oft etwas Rohes, Archaisches an sich. Die Begegnung mit dem Werk von Antoni Tàpies war für diese Schaffensphase von großer Bedeutung (vgl. hierzu: A. Rohsmann: Hans Bischoffshausen. Struktur – Monochromie – Stille, S. 43). Ab Ende der 1950er Jahre fand (auch unter dem Eindruck Lucio Fontanas) eine Reduktion des angewandten Formenvokabulars, die Beschränkung auf Monochromie sowie eine Rhythmisierung der aufgebrachten Strukturen statt. Zellzement und PVCMasse erwiesen sich für diese Arbeitsweise, die mehr als ein Jahrzehnt prägen sollte, als die geeigneten Materialien. Bischoffshausen sprach von „Strukturforschungen“ und Askese. Die Kreuzblume ist ein Werk, das diese Übergangszeit und den Weg der Reduzierung definiert. Neben den stilistischen Aspekten erzählt das Bild auch von den Lebensumständen Hans Bischoffshausens in Paris: die „Kreuzblume“ entstand in seiner Unterkunft in der „Glacière“, wo es aufgrund von Schmutz und Ruß nicht möglich war, wirklich weiße Bilder zu schaffen – was auch in diesem Fall sichtbar ist. Außerdem ist an der Rückseite des Werkes erkennbar, dass es sich nicht um eine gekaufte Leinwand handelt, sondern ursprünglich um einen Zuckersack, den Bischoffshausen aus Geldnot zu Arbeitsmaterial umfunktionierte. (Clara Kaufmann)
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35 Hans Bischoffshausen * (Feld am See/Kärnten 1927–1987 Villach) Mutter am Kreuz, 1975 Lack auf Spanplatte, gelocht und gebrannt; 171 × 65 cm Rückseitig bezeichnet, datiert und signiert: „Mutter am Kreuz“, 1975, Bischoffshausen Rückseitig künstlerischer Nachlassstempel sowie Inventar Nummer: 230 Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers EUR 100.000–180.000
Detail Rückseite
Steht die „Kreuzblume“ für den Beginn einer Schaffensphase, so kann die „Mutter am Kreuz“ gewissermaßen als ihr Abschluss betrachtet werden. Das Werk entstand 1975 als Teil einer größeren Werkserie, die nach der Rückkehr Bischoffshausens in Kärnten entstand. Es handelt sich dabei um die letzten großformatigen, monochrom weißen Arbeiten des Künstlers, die gleichermaßen selbstreferenziell sind, wie auch eine Hommage an Lucio Fontana darstellen. Fontanas Schaffen hatte Bischoffshausen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu einer großen Reihe unter dem Titel „Illuminazione della magia“ inspiriert, in der er den Bildträger (Jute oder Sperrholz) in rhythmischen, seriellen Anordnungen von kleinen oder größeren Brandlöchern bzw. -spuren versah. Zwanzig Jahre später sollte das Durchlöchern und Verbrennen des Bildträgers erneut zur künstlerischen Ausdrucksweise werden, jedoch unter veränderten Vorzeichen. Erstmals griff Bischoffshausen zur Perforation des Sperrholzes auf eine Lochsäge zurück, wodurch das Ergebnis weitaus gleichmäßiger, „sauberer“ ist, als in den frühen Werken. Darüber hinaus arbeitete Bischoffshausen in dieser Zeit auch viel mit Lack, wodurch die Oberflächen glänzend, hart und „clean“ wirken. Brandspuren – mittels Bunsenbrenner hergestellt – (zer)stören diese Reinheit jedoch, ja dringen gewissermaßen gewaltsam in sie ein, bis der Lack Blasen wirft. Stand bei „Illuminazione della magia“ die mystische und zugleich konkrete Sprache des Feuers und der Brandspur im Vordergrund, ist es nun die Sprache der Zerstörung (vgl. hierzu: A. Rohsmann: Hans Bischoffshausen. Struktur – Monochromie – Stille, S. 108), die vielleicht auch eine Resignation Bischoffshausens nach seiner Rückkehr aus Frankreich zum Ausdruck bringt. (Clara Kaufmann)
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Vergleichsbild: Lucio Fontana, Concetto spaziale, 1961, abgebildet in: A. Brug (u.a.): Zero. Künstler einer europäischen Bewegung, Sammlung Lenz Schönberg 1956 – 2006, Salzburg 2006, S. 47.
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36 Fritz Wotruba * (Wien 1907–1975 Wien) Hockender („Geschlossene Figur“), 1951 Bronze; H. 52,5 cm, B. 23 cm, T. 44,5 cm Signiert: WOTRUBA (gemeißelte Signatur, an der Plinthe, Rückseite) Nummerierung: 4/7 (rechts neben der Signatur) Provenienz Erker Galerie, Sankt Gallen; seit 1985 Privatbesitz, Österreich Literatur Jürg Janett (Hg.), Otto Breicha: Fritz Wotruba. Skulpturen, Reliefs, Bühnenund Architekturmodelle (Erker-Verlag Sankt Gallen 2002) WV-Nr. 162, Abb. S. 187. Ausstellungskatalog: Wotruba. Marlborough-Gerson Gallery Inc, New York, 10. März – 4.April 1964, Abb.S. 8. Eine Kopie des Echtheitszertifikates der Fritz Wotruba Privatstiftung liegt bei. EUR 35.000–70.000
Der Künstler schuf 1951 die Skulptur Hockender aus Kalkstein. Von dieser Steinskulptur gestaltete er Auflagengüsse in Bronze in zwei Fassungen. Die erste Fassung zeigt dasselbe Erscheinungsbild wie die Steinskulptur, die Variante weist Überarbeitungen auf. Der hier beschriebene Bronzeguss entspricht der ersten Fassung und ist im Gussbuch der Arbeiten Fritz Wotrubas verzeichnet. Er wurde 1964 im Rahmen der Wotruba-Ausstellung in der Marlborough-Gerson Gallery in New York ausgestellt. Entsprechend dem aktuellen Forschungsstand ist davon auszugehen, dass vom Hockenden in der ersten Fassung nach Stein 12 Bronzegüsse und zwei Zementgüsse hergestellt wurden und von der zweiten Fassung drei bis vier Bronzegüsse. Fritz Wotruba zählt zu den bedeutendsten europäischen Bildhauern der klassischen Moderne. Unter seinem Einfluss und dank seiner Lehrtätigkeit an der Akademie der bildenden Künste in Wien konnte die in Österreich nach 1945 entstandene Plastik an die internationale Entwicklung der modernen Skulptur anschließen. Nach dem Krieg und seinem Exil in der Schweiz entwarf er ab den späten 1940er Jahren ein künstlerisches Konzept der Abstraktion der menschlichen Figur mit Quadern und Röhrenformen. Der Künstler vollzog in den ersten Nachkriegsjahren in Auseinandersetzung mit der internationalen Moderne den Übergang von einer realistisch-klassizistischen Gestaltungsweise zur figurativen Abstraktion, indem er den Kubus als Grundelement der Gestaltung der menschlichen Figur einsetzte. Der Hockende von 1951 ist eines der Hauptwerke dieser Schaffensperiode. Die Gesichtslosigkeit des kantig-geometrischen Kopf-Blocks betont den anonymen Charakter des Menschenbildes in den Arbeiten Fritz Wotruba. Die komplexe Körperhaltung des Hockens, die den Bildhauer sein gesamtes Schaffen hindurch beschäftigte, ist durch die Reduktion der einzelnen Körperteile auf Würfel- und Quaderformen in beeindruckender Monumentalität, Klarheit und Geschlossenheit dargestellt. (Gabriele Stöger-Spevak)
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37 Günter Brus * (Ardning 1938 geb.) Der Mensch kann Leben retten. Zerstört ihn nicht!, 1989 Mischtechnik auf Papier auf Leinwand; gerahmt; 167,5 × 166 cm Bezeichnet und signiert unten: Der Mensch kann Leben retten. Zerstört ihn nicht! Brus 1989 Provenienz Galerie Bleich-Rossi, Graz; Privatbesitz, Steiermark EUR 35.000–50.000
Ab 1970 wendet sich Günter Brus vom Aktionismus ab und kehrt zur Zeichnung zurück, die auch sein frühes informelles Werk der 1960er Jahre geprägt hatte. In den Aktionen hatte er immer neue Grenzen ausgelotet, den eigenen Körper einer „Zerreißprobe“ – wie auch der Name der letzten Aktion lautet – unterworfen. Ab da ist kein weiterer Schritt mehr möglich und er sieht das Zeichnerische als logische Fortführung der Aktionskunst. „Der Strich ist wie ein Schnitt im Herzen, deswegen bedeutet Zeichnen aus dem Ersticken geboren werden.“ (Günter Brus in: Limite du visible, Edition du Centre Pompidou, Paris 1993, S. 42) Verletzen, Verletzlichkeit, das Auslösen einer „gewissen Verstörung“, ohne die es „keine Erneuerung“ gibt (Günter Brus in: https://www.achtzig.com/2015/07/guenter-brus-im-interview/, zugegriffen am 8.10.2018) ist auch in der bildnerischen Form möglich. „In einem gewissen Sinn habe ich den Aktionismus, wie ich ihn bis heute verstehe, niemals aufgegeben“, so Brus (Günter Brus in: Günter Brus. Nervous Stillness in the Horizon, Ausstellungskatag, MACBA, Barcelona 2006, S. 264). Neben den etwa 700 Bild-Dichtungen gibt es auch „reine“ Zeichnungen: „Es gab auch eine Phase, wo ich mich mit Einzelblättern sehr wohl gefühlt habe“, erklärt der Künstler (Günter Brus in: https://www.mip.at/attachments/198, zugegriffen am 7.10.2018). Diese tragen wie vorliegende Mischtechnik aussagekräftige Titel. „Der Mensch kann Leben retten. Zerstört ihn nicht!“ gehört in diese Werkgruppe. Vor einem dunklen Bildgrund, in einem höhlenartigen Setting, erscheinen verschiedene Figuren und Figurenfragmente: Eine Frau in Blau gekleidet, rechts davon ein Schlangenkopf als Sinnbild des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies, links ein körperähnlicher Umriss, davor ein knochenähnliches, längliches helles Gebein, von dem eine Rundform in Regenbogenfarben ausgeht. Der Regenbogen wiederum gilt als Symbol für Harmonie, Ganzheitlichkeit und für den Schutz der Natur. Darüber ein gelber Lichtpunkt und noch weiter links eine helle Öffnung, ein Sichtfenster in eine andere Bildebene, durch das eine weitere Gestalt in die Höhle blickt. Die unterschiedlichen Bedeutungsstränge, die verschiedenen Bildebenen ohne reale Perspektive, die ein genaues Bestimmen von tatsächlichem Vor- und Hintereinander unmöglich machen, stürzen den Betrachter in eine emotional aufgeladene Ratlosigkeit. „Brus animiert in seinen Werken seine Dämonen und setzt sich über die Grenzen der Norm hinweg.“ (Günter Brus. Zerstörungszonen, Ausstellungskatalog, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Martin Gropius-Bau, Berlin 2016, S. 18) Man möchte den Rätseln des Dargestellten auf den Grund gehen und fühlt sich durch den Apell des Künstlers im Bildtitel aufgerufen, in Aktion zu treten. (Sophie Cieslar)
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38 Helmut Leherb * (Wien 1933–1997 Wien) Verlust der Zärtlichkeit, 1980er Jahre Öl auf Leinwand; gerahmt; 80 × 85 cm Signiert links unten: Leherb Rückseitig signiert und bezeichnet: Leherb, Verlust der Zärtlichkeit Provenienz Privatbesitz, Wien Literatur Dr. Angela Kundegraber (Hg.), Maître Leherb, Retrospektive, 20. Todestag eines Surrealisten, Palais Palffy, Wien 2017, Abb. 3.38 EUR 35.000–50.000
Ansicht mit Rahmen
Detail Rückseite
Helmut Leherb, der zu den frühen Protagonisten der Wiener Schule des Phantastischen Realismus gezählt wird, begibt sich schon früh in eine Außenseiterposition und wendet sich in Folge und verstärkt mit seiner Übersiedlung nach Paris 1964 immer mehr dem Surrealismus französischer und belgischer Prägung zu. Seine allegorisch aufgeladenen Bildthemen erinnern an Max Ernst, René Magritte, Paul Delvaux und Salvador Dali. Wie Letzterer trägt er einen gezwirbelten Bart, dessen Spitzen aber nach unten gedreht sind. Er nennt sich fortan „Maître Leherb“ und inszeniert sich gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Lotte Profohs, öffentlich als exzentrisches Künstler- und Liebespaar. „Verlust der Zärtlichkeit“ ist in den 1980er Jahren entstanden, einer Zeit die von großer öffentlicher Anerkennung in Österreich geprägt ist. Für das damals neu errichtete Gebäude der Wirtschaftsuniversität Wien kreiert er das mit 380 Quadratmetern größte je erschaffene Mosaik aus italienischer, in Faenza hergestellter Keramik. Ein weiteres monumentales Fayence-Gemälde entsteht für das Rehabilitationszentrum „Weißer Hof“ in Klosterneuburg und im Burgenland errichtet er das übergroße Tor für ein imaginäres Museum – „La Porta della Vita“. „Verlust der Zärtlichkeit“ wird beherrscht von der großen Büste einer Frau in Profilansicht, in unverkennbarem Leherb-Blau gehalten. Der Kopf scheint aus dem Korpus einer Violine herauszuwachsen, der Hals des Instruments mit der charakteristischen Schnecke schmiegt sich an die dem Betrachter zugewandte Seite des Gesichts. Die Geige dient wohl dazu, das Schöngeistige und die Liebe zur Kunst zu versinnbildlichen und taucht im Schaffen des Künstlers mehrfach auf. Die Büste ragt aus einer Sardinendose, deren Deckel aufgerollt ist. Die Umrisse des Frauenprofils heben sich von einem üppigem Blumenstück im Stil der holländischen Barockmalerei des 17. Jahrhunderts ab. Sind die Blumen links hinter dem Frauenkopf flach gemalt, so quellen sie rechts hinter ihm aus dem Bild heraus in eine andere Dimension. Wir sehen uns mit Symbolen der Vergänglichkeit konfrontiert, der Endlichkeit allen Lebens aber auch der Flüchtigkeit der Liebe, auf die wohl auch der Bildtitel verweist. Links hinter dem geschwungenen Rahmen des Blumenstilllebens leuchtet ein monströses, männliches Wesen – ein Muskelprotz mit roter Haut – auf einem Fahrrad mit grellem Scheinwerfer auf die Rückseite der Blumenmalerei. Sein Gesicht ist hinter einer technoiden Maske verborgen. Hinter dem eigentümlichen, als bedrohlich wahrgenommenen Wesen, blicken wir auf eine südliche Landschaft mit Zypressen und Schirmpinien, die ganz im Sinne Margrittes unten in das Dunkel der tiefsten Nacht getaucht ist, während der hellblaue Himmel noch auf die Tagesstunden verweist. Das mit schwer deutbaren, wohl teils persönlichen Symbolen verschlüsselte Bild wirkt rätselhaft und magisch zugleich und entführt uns in eine andere, mystische Welt. (Sophie Cieslar)
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Karl Prantl
Karl Prantl, abgebildet in: Elisabeth Thoman-Oberhofer, Peter Weiermair (Hg.), Karl Prantl Steine. Schloßpark Ambras, Yorkshire Sculpture Park, Kilchberg/Zürich 1997, Abb. Umschlag innen.
39 Karl Prantl * (Pöttsching 1923–2010 Pöttsching) Stein zur Meditation, 2001–2007 Roter russischer Granit; H. 60 cm × B. 23 cm × T. 210 cm Provenienz österreichischer Privatbesitz Diese Skulptur hat die Werkkatalog-Nr. 1152. EUR 180.000–320.000
ım Kinsky
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Karl Prantl: Die Seele des Steins Rückgrat. Wirbelknochen im rot geäderten Granitblock. Licht und Schatten. Hart und weich. Rund und eckig. Perlen einer Gebetschnur, wie Tränen auf der Via Dolorosa namens Leben. Rosenkranzbeten am Meditationsstein. Fünf Jahre lang, von 2002 bis 2007, hielt Karl Prantl immer und immer wieder Zwiesprache mit dem Granitstein, umschritt ihn, schaute, meißelte, polierte, streichelte, legte die Seele des Steins frei. „Ich sehe“, sagte er, „immer die Wesenhaftigkeit des Steins. Während du den Stein behaust, entdeckst du den Geist deines Materials und seine besondere Eigenschaft. Deine Hand denkt und folgt den Gedanken des Materials.“ Drüberstreichen. Mit den Händen die Strukturen sehen. Die Unebenheiten und Übergänge spüren vom glatten Schliff zum rohen Stein: Gern führte Karl Prantl die Besucher im wahrsten Sinn des Wortes an der Hand, lehrte sie das Begreifen seiner Kunst, das Erspüren des Materials, das Ahnen der Ewigkeit. Jeder Stein, sagte er, habe eine eigene Sprache, „älter als jede Menschensprache, die muss man lernen zu verstehen.“ Im burgenländischen Pöttsching, dem Ort seiner Kindheit und seines Schaffens, haben viele seiner Steine Wurzeln geschlagen, sind im Laufe der Jahre mit der Landschaft verwachsen, sind Natur und Kunst wieder eins geworden. Wie überlebensgroße Wächter stellte Prantl die Skulpturen in die Wiesen hinter dem Atelier, legte sie in Ackerfurchen, pflanzte sie unter Bäume. Bis zuletzt ging der große österreichische Bildhauer, wenn es seine Gesundheit nur zuließ, hinaus zu seinen Steinen, berührte sanft ihre Oberflächen. Den letzten großen Stein ließ er nur zehn Tage vor seinem Tod im Oktober 2010 aufstellen. „Durch das lange Dransein zeigt sich der Stein letztlich in seiner ganzen Schönheit“ , sagte er damals und zitierte einen Satz von Joseph Brodsky: „Ob ihr's glaubt oder nicht, die Evolution hat ein Ziel: Schönheit.“ Prantl, der 1986 Österreich auf der Venedig-Biennale vertrat und 2008 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde, arbeitete ohne Skizzen oder Modell, wichtig war ihm die spirituelle, die sinnliche und emotionale Bindung zum Stein. Seine reduzierte Formensprache machte ihn zu einem der wichtigsten Künstler im Nachkriegseuropa. Meist ließ er den Umriss des jeweiligen Steines unverändert, polierte die Oberfläche, legte Maserungen frei, fräste Einschnitte, formte Vertiefungen, Kugeln, Löcher, buchstäblich Anhaltspunkte für Augen und Hände. 1959 initiierte er das Internationale Bildhauersymposium St. Margarethen, vor allem für Künstler aus dem damaligen Ostblock wurde Margarethen zum Synonym für künstlerische Freiheit, die Kollegen gründeten ihrerseits Bildhauersymposien rund um den Globus. Nur in St. Margarethen gibt es längst keine Bildhauersymposien mehr. Einige der Steine hatte er noch zu Lebzeiten und auf eigene Kosten aus dem Steinbruch abtransportieren und auf Feldwegen und Ackerrainen in Pöttsching wieder aufstellen lassen: Land-Art, Kunst im öffentlichen Raum, die ihresgleichen nicht nur in Österreich sucht. Seine eigenen Meditationssteine stehen in Kirchen, auf öffentlichen Plätzen, sind steinerne Zeugen unmenschlicher Qualen, wie etwa sein sechs Meter hohe Granit in Mauthausen; oder die 14 Steinplatten des Nürnberger Kreuzwegs: „Auch Steine leben. Sie sind Gebeine der Mutter Erde. Missbrauch von Steinen ist wie Missbrauch am Menschen. Die vierzehn Steinplatten stammen von der großen Straße des nationalsozialistischen Reichsparteitagsgeländes. Sie wurden Stück für Stück von Zwangsarbeitern und Gefangenen in Konzentrationslagern bearbeitet. Jeder Stein ist Fingerabdruck eines missbrauchten und geschundenen Menschen.“ Und neben dem Pöttschinger Friedhof befindet sich auf Initiative Prantls eine Gedächtnisstätte für zivile Opfer politischer Gewaltherrschaften zwischen 1934 und 1945. Die Liebe zur Bildhauerei wurde dem Sohn eines burgenländischen Gemeindesekretärs der k. u. k. Monarchie übrigens nicht in die Wiege gelegt; schon eher, dem Großvater sei Dank, die Liebe zur Natur: „Wenn man als Kind den Mähleuten Wasser aufs Feld gebracht hat; oder wenn man über einen Pferdeschädel so drübergleitet mit der Hand: Das ist ein unglaubliches Erlebnis. Dieses bäuerliche Leben mit und in der Natur hat mich immer bewegt. Ich bin froh, dass ich das auf eine andere Weise mit meinen Steinen leben kann.“ Zwar hatte Prantl zunächst von 1946 bis 1952 Malerei bei Albert Paris Gütersloh studiert. Doch bald arbeitete er lieber doch nicht mit Farbe und Leinwand, sondern mit Hammer und Meißel. Nicht in Wien, sondern in seinem Heimatort Pöttsching. Nicht im Atelier, sondern unter freiem Himmel. Seine Steinbildhauerei ist körperliche Schwerarbeit, aber kein Kraftakt. Kein Kräftemessen mit dem Stein, eher ein Hingeben zum Annehmen: Prantl ließ dem Stein das Eigenleben, legte nur vorsichtig frei, was längst vorhanden ist: „Ich gebe einen Impuls weiter, den ich durch minimale Äußerungen empfange.“ (Andrea Schurian)
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Hermann Nitsch
Hermann Nitsch, abgebildet in: Hermann Nitsch, Leben und Arbeit. Aufgezeichnet von Danielle Spera, Wien 1999, S. 138.
Hermann Nitsch, dessen Schaffen kommenden Sommer mit einer großen Retrospektive in der Albertina in Wien gewürdigt wird, arbeitet bereits ab Mitte der 1950er Jahre an der Grundidee des Orgien Mysterien Theaters. Zunächst war es als reines Sprechtheater konzipiert. Immer mehr geht es aber darum, alle Sinne anzusprechen, die Erfahrbarkeit auf allen Ebenen mit einzubauen. Der weitere Weg führt hin zu immer ausgedehnteren Aktionen, die zum Ziel haben, „schicht um schicht die menschliche erregungsfähigkeit zu enthüllen, aus ihrer verdrängung hervorzuholen und zur wirkung zu bringen“ (Hermann Nitsch. 6-Tage-Spiel in Prinzendorf 1998. Ausstellungskatalog, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Wien 1999, S. 9 f.). Dabei rückt das Ekstatische neben dem Rituellen immer mehr ins Zentrum. Der Exzess soll eine Reinigung (Katharsis) bewirken, dem „radikalen, hemmungslosen Abstieg ins Sinnliche“ soll ein „befreiender Aufstieg ins Geistliche“ (Danielle Spera, Hermann Nitsch. Leben und Arbeit, Wien-München 1999, S. 60) folgen. Das frühe bildnerische Werk kann durchaus im Zusammenhang mit der Entwicklung dieses „Gesamtkunstwerks mit Totalitätsanspruch“ (https://www. nitschmuseum.at/de/hermann-nitsch/werk/werk–1m, zugegriffen am 20.10.2018) gesehen werden. 1963 beginnt Hermann Nitsch die Relikte der Aktionen zu Assemblagen zu vereinen, ab 1968 werden diese – es handelt sich dabei um Tücher, Hemden und Bahren – systematisch gesammelt. Als greifbare Hinterlassenschaft der Aktionen geben sie Zeugnis von den rituellen Ereignissen. Ab 1969 integriert der Künstler auch Messgewänder in diese Arbeiten. „Er nimmt die Aura, welche diese Gegenstände mitbringen, ganz selbstverständlich in Dienst und fügt ihre symbolhafte Ausstrahlung dem Kontext“ seiner Arbeiten ein (Nitsch. Eine Retrospektive. Ausstellungskatalog, Sammlung Essl, Klosterneuburg 2003/2004, S. 164). Dass er sich im Rahmen seiner Aktionen immer wieder christlicher Symbole, wie dem Kreuz, dem Kelch oder der Kasel bedient, bringt ihm vor allem in den frühen Jahren Kritik seitens der Kirche ein. Er selbst betont aber, dies mit höchstem Respekt und niemals herabwürdigend zu tun. Schließlicht geht es auch im christlichen Glauben wie in seiner Kunst um die Grundthemen des Seins: Geburt, Leben, Sterben und Auferstehung, und er bedient sich bewusst christlicher wie heidnischer Rituale. Eine ebenso wichtige Rolle spielt dabei die Farbe Rot und das Blut: „Das Rot“ ist für Nitsch eine „unglaublich tolle sinnliche Farbe, die intensivste und aggressivste überhaupt“ (Hermann Nisch, in: Parnass, 24. Jg., Heft 3, Wien 2004, S.129). Sie steht für Leben und Tod gleichermaßen, als Farbe des Blutes und kombiniert mit Blut, für Leid und Schmerz, aber auch für den Ursprung und die Essenz des Lebens. (Sophie Cieslar)
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40 Hermann Nitsch * (Wien 1938 geb.) o.T., Assemblage, 1963 Blut, Farbe, Textil auf Jute; gerahmt; 106 × 80 cm Rückseitig signiert und datiert: hermann nitsch 1963 Provenienz 2016 aus der Sammlung Friedrichshof erworben; seither Privatbesitz, Wien Literatur Museum Moderner Kunst Wien (Hg.), Nitsch. Das bildnerische Werk, Salzburg, Wien 1988, Abb. S. 62. EUR 60.000–90.000
Detail Signatur Rückseite
In den 1950er und 1960er Jahren steht das malerische Œuvre im Vordergrund des Schaffens von Hermann Nitsch. Parallel dazu beginnt er ab 1957 die Idee des Orgien Mysterien Theaters als neue Form des Gesamtkunstwerks zu entwickeln. Ein Jahr vor der Entstehung der vorliegenden Arbeit findet die erste Malaktion mit echtem Blut statt und im selben Jahr, 1963, mit dem Fest zum psycho-physischen Naturalismus in Otto Muehls Atelier in der Perinetgasse, die erste öffentliche Aktion. In diesem Jahr werden auch erstmals Relikte der Aktionen in künstlerische Objekte verwandelt. Die befleckten und besudelten Stoffe gelten als „authentische Dokumente des Geschehens, sie konservieren die Handlungen und ihre Spuren und erhalten ihre Aktualität über die Zeit“ (https://www.nitschmuseum.at/de/hermannnitsch/werk/werk, zugegriffen am 6.10.2018). Drei mit Blut vollgesogene, quadratische Stoffflecken sind geometrisch übereinander auf der ungrundierten Juteleinwand aufmontiert. Das wilde tachistische Moment, das in der blutgetränkten weißen Baumwolle konserviert ist, findet eine zaghafte Fortsetzung in einigen wenigen Blutspritzern auf der Jute und steht im Kontrast zur ruhigen Geometrie der Gesamtkomposition, die noch durch Farbbalken in Rottönen unterstrichen wird. Einerseits erinnert das Rot an die Farbe frischen, noch nicht aufgetrockneten Bluts, andererseits verweist es gepaart mit Rosatönen im unteren Bereich bereits auf die Auseinandersetzung mit Farbskalen, die zur „Objektivierung der Sinneswahrnehmung“ (https://www.nitschmuseum.at/de/ hermann-nitsch/werk/werk, zugegriffen am 6.10.2018) dienen sollen. Ende der 1960er Jahre konzipiert Nitsch auch eine Farbenlehre für das Orgien Mysterien Theater, in der er „in individuellen Farbskalen die wechselweise Wirkung der Farben untersucht und den Tönen bestimmte akustische Klänge zuordnet“ (s.o.). Fast mutet das aus montierten Aktionsrelikten komponierte Blutbild wie eine Partitur an, in der Geschehnisse und Emotionen für die Nachwelt festgehalten werden sollen. Noch baut Nitsch den „durchbruch der verdrängten sinnlichkeit in kompositionsschema der alten malerei ein“, um in einem nächsten Schritt, „diese traditionelle formelle einengung“ immer mehr zu zerreißen und beiseite zu schieben, damit „die freude am dynamisch-destruktiven konkreten ereignis“ nach vorne treten kann (Hermann Nitsch in: Nitsch. Eine Retrospektive. Ausstellungskatalog, Sammlung Essl, Klosterneuburg 2004/2005, S. 134). Die Kunst wird nun die Grenze zu Leben und Wirklichkeit überschreiten, Kunst und Leben werden eins. (Sophie Cieslar)
ım Kinsky
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41 Hermann Nitsch * (Wien 1938 geb.) 62. Aktion Triest-Ravenna, 1978 Blut, Farbe, Textil auf Leinwand; gerahmt; 222 × 266 cm 227 × 271 cm (mit Rahmen) Signiert und datiert links unten: 62. aktion trieste 10. jiugno 1978 (bodentuch) Hermann nitsch Provenienz Sammlung Giuseppe Morra / Stiftung Morra, Neapel; Barbara Gladstone Gallery, New York; seit 1989 Sammlung - Estate von Pentti Kouri; Privatsammlung, Luxembourg EUR 60.000–100.000
Detail Signatur
Mit Datum und Signatur – „62. Aktion trieste 10. Jiugno 1978 (bodentuch) Hermann nitsch“ ist die vorliegende Arbeit klar zuordenbar. Es ist ein Aktionsrelikt, das im Römischen Theater von Triest entstanden ist und von den beiden beinahe spiegelbildlich angeordneten Abdrücken eines Priestergewandes charakterisiert wird. Der Künstler schreibt diesen, mittels farbigen Umrahmungen und bunten Interventionen eine noch höhere Bedeutung zu. Während der legendären Aktionen des Künstler, die neben der Verbindung von Malerei und Musik auch die sinnliche Körpererfahrung in den Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens rücken, werden Baumwolltücher, Leinwände oder auch Hemden mit Blut befleckt oder mit Farbe bespritzt, ohne jegliche Rücksichtnahme auf eine spätere Verwendung als Kunstwerk. Hermann Nitsch selbst beschreibt es folgendermaßen: „....dass sich neben der photographischen dokumentation, die während der aktion sich ereignende selbstverständliche befleckung und besudelung von Aktionsmaterialien (weisser stoff, gewänder, messgewänder) höhepunkte des geschehnisses seismographierten und dies zufälliger und wunderbarer, als es das absichtvolle meiner frühen malerei vermochte.“ (Das Orgien Mysterien Theater. Manifeste, Aufsätze, Vorträge“, 1990. S 113. (Clarissa Mayer-Heinisch)
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42 Bruno Gironcoli * (Villach 1936–2010 Wien) o.T., 1987 Mischtechnik auf Papier; gerahmt; 150 × 200 cm Signiert zweifach rechts unten: B. Gironcoli Provenienz direkt beim Künstler erworben; Privatbesitz, Tirol EUR 65.000–80.000
Die Zeichnungen und Malereien des österreichischen Bildhauers Bruno Gironcoli sind nicht nur als eine Ergänzung zu seinen einzigartigen Skulpturen zu sehen. Sie boten dem Künstler vor allem auch die Möglichkeit, freier zu arbeiten und sein Motiv-Repertoir zu erweitern. Ähnlich wie seine Skulpturen, setzen sich die Papierarbeiten des Künstlers aus verschiedenartigen Bildelementen zusammen, die er immer wieder neu arrangiert und kontextualisiert. Gironcoli hat damit eine eigenständige Bildsprache erschaffen, die zudem futuristische, expressionistische und surreale Elemente in sich vereint. Die dem Künstler eigentümlichen metallischen Farben verleihen seinen Arbeiten eine wertvolle, erhabene und sakrale Note. Von Gironcoli mit Vorliebe eingesetzte Muster strukturieren die chaotischen Szenen und bieten den Bildelementen Zusammenhalt. Das Motiv des ornamentalen Federkerns, das auch in anderen Papierarbeiten Verwendung findet, entpuppt sich hier in Kombination mit einem elektrischen Stecker an der linken Bett-Breitseite als ein Folterinstrument. Gironcolis Œuvre ist durchgehend mit düsteren Erzählungen gespickt. Übersteigerungen und Grotesken seien seinem Realitätsempfinden näher als eine „normale, einfache Darstellung“, kommentiert Gironcoli in einem Interview 1990 seine Arbeiten. In der rechten Bildhälfte sehen wir die Drahtstruktur in Auflösung begriffen und durch eine mehrlagige Schicht von stofflichen Streifenelementen, einer Matratzenfüllung ähnlich, gestört. Man muss genau hinsehen, um im Gewirr die kleinen Gabeln zu erkennen, die der organischen Akkumulation Essbarkeit zuschreiben. Gabeln, nudelartige Bandagen, oder die in der Darstellung ebenfalls auftretenden Kelchgefäße, sind Bildgestalten, die sich in anderen Arbeiten Gironcolis wiederholen und modulartig aus- und eingetauscht werden können. Den strukturierten Elementen, den Möbelstücken, der Architektur, dem Maschinellen und den Musterungen in Gironcolis Arbeiten treten organische und atmosphärische Motive gegenüber, die für Ausgewogenheit sorgen. Häufig begegnen uns wolkenähnliche, dynamische, schwarze Wirbel aus gestisch-lockeren Pinselhieben. In der oberen linken Bildecke entsteigt einem schwarzen Wolkenknäuel eine gebückte Rückenfigur im Anzug, die in Gironcolis Grafiken seit Beginn an in diversen Abwandlungen auftritt und vom Künstler als „Murphy“ bezeichnet wird – in Anlehnung an die Hauptfigur eines Romans von Samuel Beckett. (vgl. Hierzu Christian Reder in: Bruno Gironcoli. Die Ungeborenen, Ausst.-Kat. MAK, Wien 1997, S.109) Wie viele der Papierarbeiten Gironcolis, wirkt auch dieses Werk unvollständig und skizzenhaft. Dem Betrachter steht es frei, die Erzählung weiterzudenken. (Isabell Kneidinger)
43 Jonathan Meese * (Tokio 1970 geb.) Dr. Lilithyr (General Tanz Sautanz, s.v.p.) , 2005 Mischtechnik auf Leinwand; gerahmt; 209,5 × 140,5 cm Signiert und datiert rechts unten: JM / 2005 Rückseitig mehrfach signiert und bezeichnet sowie mit Galerien-Stempeln versehen. Provenienz Galerie Contemporary Fine Arts, Berlin; Phillips de Pury, London, 13.10.2007, Lot 55; Galerie Krinzinger, Wien; Sammlung Marino Golinelli, Wien/Bologna/Mailand; Ketterer, München, 04.06.2008, Lot 426; seither europäische Privatsammlung EUR 35.000–70.000
Detail Rückseite
Ab 2000 beginnt Jonathan Meese zu malen. Davor hatte er, der erst mit 22 Jahren die Kunst für sich entdeckte, abgesehen von frühen an Picasso und Horst Antes orientierten Figurenbildern mit Installationen, Performances und Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Nun durchbricht Meese lustvoll dieses sich gleichsam selbst auferlegte Malverbot. Er bleibt beim Figürlichen, die Bilder zeigen aber eine deutlich eigenständigere Auffassung von Figur und Raum. Gleichzeitig tauchen literarische und mythologische Bezüge in seinem Werk auf. „Die Einführung des Mythos ist in mehrfacher Weise richtungsweisend für das Verständnis der Malerei Jonathan Meeses. So verweist der Mythos zunächst auf das Begriffspaar des Apollinisch-Dionysischen,... dass sich Meese dem dionysischen Prinzip zuordnet, wird bald offensichtlich: sowohl der Furor des malerischen Gestus als auch die Betonung des Triebhaften offenbaren ein Drängen ins Ungebundene, ins Rauschhafte, Ausufernde, in das, was die Grenzen aufhebt und die Form zerstört“ (Doris Mampe, Veit Ziegelmaier (Hg.), Jonathan Meese. Malermeese-Meesemaler. Ausstellungskatalog, Museum der Moderne Salzburg, Salzburg 2013/2014, S. 38). Meese folgt in seiner Malerei dem „Lustprinzip“ (Mampe, S. 24), dabei bedient er sich frei und ungezwungen im großen Sammelbecken deutscher Literatur, nimmt Anleihen bei Sagen und Mythen, zitiert Wagner, mischt Religiöses ungeniert mit Trivialem, hat vor nichts und niemanden Respekt. Der entfremdete Figurenkanon aus Literatur und Mythos werden zum Sprachrohr einer neuartigen Bilderwelt, sie sind somit keiner Zeit mehr verhaftet, sie stehen über der Zeit, wie es auch Meese für die Kunst proklamiert. „Dr. Lilithyr“ betitelt er das 2005 – im selben Jahr wie die richtungsweisende Performance „Jonathan Meese ist Mutter Parzival“ im Magazin der Berliner Staatsoper – entstandene monumentale Leinwandbild und erweitert mit dem Untertitel „General Tanz, Sautanz, s.v.p.“ den Assoziationsspielraum. Lilithyr ist eine gelungene Kombination aus Lilith, geflügelte dämonische Göttin der Sumerer, und Satyr, dem zügellosen Gefährten des Dionysos, griechischer Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und Ekstase. Sie trifft auf General Tanz, den mörderische Offizier aus Hans Hellmut Kirsts Roman „Die Nacht der Generale“ und lädt höflich zum gemeinsamen Sautanz – s.v.p., s’il vous plaît französisch für bitte. Jonathanull (eine weitere humorvolle Wortschöpfung) bringt auch noch den Mörder Siegfrieds, Hagen, ins Spiel und somit die Nibelungensage, Paradebeispiel der deutschen Heldensagen, und paart das Ganze mit einer Assemblage aus einem Totenkopf mit Perücke – einer ordentlichen Portion Voodoo Zauber. Die Sprache ist somit wesentliches und gleichwertiges Element neben Farbe, Form und Raum, dabei zeigt sich auch hier in der Verwendung und Kombination der einzelnen Begriffe, Meeses Bestreben, Autoritäten zu hinterfragen, ihren Einfluss zu brechen. „Seine Titel haben etwas Kindliches. Die Bilder tun so, als würden sie etwas befürworten, über das sie sich eigentlich lustig machen.“ (Pamela Kort in: Doris Mampe, S. 12) Also eine Falle, in die wir beim Betrachten von Meeses Bildern hineintappen. Er führt uns in den Verknüpfungen von Wort und Bild in die Irre, auf falsche Fährten, erschafft irritierende Interaktionen auf der Suche nach einer neuen Bildsprache. (Sophie Cieslar)
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44 Markus Lüpertz * (Liberec 1941 geb.) Otello mit Lampe Nacht, 1996 Öl auf Leinwand; gerahmt in Original-Künstlerrahmen; 100 × 81 cm Monogrammiert rechts oben: ML Rückseitig bezeichnet und signiert: Otello mit Lampe NACHT M Lüpertz Rückseitiges Klebeetikett: Galerie Thaddaeus Ropac Provenienz Galerie Thaddaeus Ropac; seit 1996 Privatbesitz, Wien EUR 35.000–70.000
Detail Rückseite
Abbildung mit Künstleroriginalrahmen
„Der Inhalt ist ein Kommunikationsproblem, dem der Künstler versucht zu entgehen, denn der Betrachter muss den Inhalt des Bildes in sich selber tragen und erfinden. Der Künstler erzeugt lediglich den Defekt, die Wunde, die Krise, aus denen sich die Frage des Inhalts nachgebiert. Der Inhalt, ist er irgendwo erklärt, ist Kompromiss und nicht vom Künstler selbst verantwortet.“ (Markus Lüpertz, 2009) Markus Lüpertz zählt zu den bekanntesten deutschen Künstlern der Gegenwart. Seine Werke werden vielfach dem Neoexpressionismus zugeordnet, wobei er eine gänzlich neue archaische Bildsprache entwickelt hat, mit der er Archetypen einer aus den Fugen geratenen Welt entwickelt, die an suggestiver Kraft und monumentaler Wucht kaum zu überbieten sind. Dabei sucht er stets die Gegensätze von Gegenständlichkeit und Abstraktion miteinander zu verbinden. Konkreten Stilrichtungen sieht er sich dabei nicht verpflichtet, glaubt nicht an den reinen Abbildungscharakter der Kunst. Seine Malerei ist leidenschaftlich und intellektuell zugleich, stets ist er „auf der Suche nach dem möglichen Bild“. (https://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/archivierte-ausstellungen/markus-luepertz-hauptwege-und-nebenwege.html, zugegriffen am 22.10.2018). Ab der Mitte der 1980er Jahre beginnt Lüpertz in Serien zu malen, in denen er sich mit großen Malern der Kunstgeschichte (Jean-Baptiste Camille Corot, Nicolas Poussin) und literarisch-musikalischen Themen auseinandersetzt (Parzifal, Otello). Im Zyklus „Otello“, benannt nach der gleichnamigen Oper von Giuseppe Verdi 1996 nach dem Drama von William Shakespeare entstanden, geht es um den dunkelhäutigen Feldherrn, der aus wahnhafter und durch den Intriganten Jago noch befeuerten Eifersucht, seine Frau Desdemona und daraufhin sich selbst tötet. Zu diesem Zyklus entstehen mehrere Ölbilder, Aquarelle und Bronzen, in denen er sich mit den Hauptfiguren dieses Dramas auseinandersetzt, dabei variiert er ein Bildmotiv mehrfach auf verschiedene Art und Weise. Die einzelnen Werke sind aber autark, nicht voneinander abhängig und bedingen einander auch nicht. In „Otello mit Lampe Nacht“ sind wir im vierten Akt. Othello ist in das Schlafzimmer Desdemonas getreten und küsst sie zum letzten Mal, bevor er sie von ihrer Untreue überzeugt erwürgt. Der Kopf des rasenden Mörders füllt in klaustrophobischer Enge das ganze Zimmer. Über ihm brennt einsam eine Lampe, die die grausame Szene beleuchtet und die vernebelten Sinne des vermeintlich Betrogenen nicht zu erhellen vermochte. In Lüpertz Bilderkosmos wird Desdemona nicht stranguliert, sondern von ihrem Ehemann, dem Ungeheuer, grausam verschlungen. Nur noch eine Bein der Unglücklichen hängt bluttriefend aus seinem Mund. Lüpertz transponiert die Hauptprotagonisten der Oper, vielfach Othello, in eine fragmentierte, fast abstrakte Form, dabei „bedient er sich bestimmter abstrakter Rhythmen, Linien, Techniken, Floskeln und Formen und verwandelt so die vordergründige Gegenständlichkeit in eine abstrakte, beinahe surreale Unmöglichkeit“ (Günter Salzmann in: Markus Lüpertz. Otello 1996. Ölbilder. Bronzen. Aquarelle & Gouachen. Ausstellungskatalog, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg-Paris 1996, o. S). (Sophie Cieslar)
ım Kinsky
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45 Otto Muehl * (Grodnau/Bgld. 1925–2013 Moncarapacho/Portugal) o.T., 19.3.1985 Öl auf Leinwand; ungerahmt; 180 × 140 cm Signiert und datiert rechts unten: muehl 85 Provenienz Sammlung Friedrichshof EUR 40.000–70.000
Otto Muehl wurde im Zusammenhang mit dem internationalen Erfolg des Wiener Aktionismus vor allem mit seinen bei Aktionen entstandenen Objekten, Photographien und Filmen bekannt. Diesen bahnbrechenden Kunstwerken steht aber auch ein umfangreiches bildnerisches Werk gegenüber. In einem Brief an Oswald Wiener formulierte er 1971 zur Position der Malerei in seinem Werk. „Ich betrachte alles ganz anders als vor einem Jahr. Ich hatte eine Abwehr gegen das Bildermachen als etwas Minderwertiges. Nun weiß ich, es ist auch ein Medium, eine gute Beschäftigung, wenn es nicht gleich zum Lebenszweck oder gar Lebensersatz wird.“ (Brief von Otto Muehl an Oswald Wiener, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Aktionismusarchiv, Zeichensetzung und Orthografie verändert.) Besonders ab der Mitte der 1970er Jahre setzt eine bis zu seinem Tod im Jahr 2013 andauernde intensive Phase der Malerei und Zeichnung ein. Unter anderem entstehen viele Bilder in Zusammenhang mit den in den 1980er Jahren gemeinsam mit Therese Schulmeister gedrehten Biopics über Picasso, Van Gogh oder Andy Warhol. In diesen bewusst amateurhaft und grotesk übersteigert gestalteten Filmen skizziert Muehl seine Theorie, dass der „ Künstler die Krankheit direkt darstellt, (...) das sogenannte Böse, die Entfremdung, die Zerstörung, das Chaos der Kleinfamilienwelt“. Doch trotz dieser Möglichkeit des Künstlers sich auszudrücken verbleibt er dennoch „im Dreck von dem er berichtet“. (AA-Nachrichten Nr. 2–3 / 75, S. 12–13, Archiv der AA-Kommune / Sammlung Friedrichshof Zeichensetzung und Orthographie verändert.) In Zusammenhang mit dem 1985 entstandenen Film über Pablo Picasso hat Muehl eine Reihe von Paraphrasen auf einige von dessen bekanntesten Werken gemalt. Darunter auch dieses mit 1985 datierte Porträt einer Frau, zweifellos eines von Picassos aber auch Muehls Lieblingsmotiven. War bis in die 1970er Jahre sein Werk von der Kritik am sogenannten „Tafelbild“ bestimmt, so demonstrieren die nun entstehenden Bilder die Handschrift eines Künstlers, der bei der Wahl der gestischen Möglichkeiten mit der Souveränität und Sicherheit jener formalen Freiheit vorgeht, die auch von ihm selbst in den Revolutionen der 1960er Jahre erkämpft wurde. (Hubert Klocker)
ım Kinsky
46 Alfred Hrdlicka * (Wien 1928–2009 Wien) Samson, 1960/61 Bronze; ca. 44 × 116 × 55 cm Signiert und bezeichnet: A. Hrdlicka Guss A. Zöttl Wien Auflage: 3 arabisch nummerierte Güsse und 2 EA Güsse Guss: A. Zöttl Wien Provenienz direkt beim Künstler erworben; seither Privatbesitz, Wien Literatur vgl. Michael Lewin (Hg.), Alfred Hrdlicka. Das Gesamtwerk. Bildhauerei, Europaverlag (Hg.), Wien, Zürich 1987, Abb. S. 74., Nr. 38 EUR 35.000–60.000
„Die Pointe der Steinbildhauerei ist, das tote Material in Fleisch zu verwandeln. In keiner künstlerischen Technik wird Rohstoff so unmittelbar in Kunst umgesetzt.“ (Alfred Hrdlicka in: Trautl Brandstaller, Barbara Sternthal (Hg.), Alfred Hrdlicka. Eine Hommage, St. Pölten-Salzburg 2008, S. 83) Alfred Hrdlicka setzt in seinem Werk den abstrakten Tendenzen, die in seinen Akademiejahren als Schüler Kurt Wotrubas vorherrschend waren, eine expressiv behandelte Figürlichkeit entgegen, die zu einem markanten Merkmal seines Stils wird. „Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus“, so der Künstler (Dietrich Schubert, Alfred Hrdlicka. Beiträge zu seinem Werk, Worms 2007, S. 9). Das Fleischliche ist Bestandteil der menschlichen Natur, ebenso wie Triebhaftigkeit, Sexualität und eine latent vorhandene unterschwellige Aggression, die jederzeit hervorbrechen kann. In seinen Sujets, die oftmals in Zyklen angelegt sind, lässt er sich durch Figuren der klassischen Literatur, mythologischen und biblischen Gestalten, Künstlerpersönlichkeiten, aber auch von Gewalttätern (Friedrich Haarmann, der Giftmörderin Martha Beck) inspirieren. Samson, der Unbezwingbare, verrät den Ursprung seiner Kraft, sein langes Haar, leichtfertig an seine Geliebte Delila. Sie berichtet den Philistern davon, die die Herrschaft über die Israeliten anstreben. Diese überwältigen den Schlafenden, scheren und blenden ihn. Dadurch verliert er all seine Kraft und kann gefangen genommen werden. Alfred Hrdlicka zeigt in seiner Bronze den Samson als geschundenen Torso, blind und geschoren, hilflos sich am Boden windend, sich gegen sein Schicksal aufbäumend. Die mächtigen Schultern verraten die einstige Kraft, die diesem heldenhaften Hünen durch Verrat genommen wurde. Das Fehlen der Gliedmaßen, die Reduktion auf Haupt und Oberkörper versinnbildlichen die Ausweglosigkeit seiner Situation und das Ausgeliefertsein an seine Feinde noch intensiver. „Hrdlicka spürt den Menschen nicht in dem Bereich des Lebens auf, in dem sich die Menschen zurechtmachen und von ihrer besten Seite zeigen. Vielmehr folgt er ihnen an die Orte, wo sie ihre Masken und Hüllen fallen lassen; er porträtiert sie dann, wenn sie ihr wahres Gesicht offen legen“ (http://cle.ens-lyon.fr/allemand/arts/peinture-etsculpture/alfred-hrdlicka-yberblick-yber-das-werk-des-wiener-bildhauers, zugegriffen am 19.10.2018) oder wenn sie wie Samson gepeinigt voll Schmerz kapitulieren müssen. Der Künstler öffnet somit in seinen beeindruckend kraftvollen Skulpturen dem Betrachter den Blick in die Abgründe und Extreme der menschlichen Existenz. (Sophie Cieslar)
Markus Prachensky
Markus Prachensky, abgebildet in: Wilhelm Nicolaus, Prachensky Markus, Ausstellungskatalog Galerie bei der Albertina Zetter, Wien 2016, S. 52.
Gemeinsam mit Wolfgang Hollegha, Josef Mikl und Arnulf Rainer ist Markus Prachensky ab 1956 fixes Mitglied der „Gruppe St. Stephan“, benannt nach Otto Mauers legendärer Galerie nächst St. Stephan. Die künstlerischen Anfänge stehen ganz im Zeichen des Abstrakt-Geometrischen. 1957 kommt er bei einem Paris-Aufenthalt mit Georges Mathieu sowie Pierre Soulages und der Malerei des Tachismus in Berührung. Die endgültige Loslösung vom Gegenständlichen erfolgt mit der öffentlichen Malaktion „Peinture liquide“ im Theater am Fleischmarkt 1959. Es geht nun um die totale Freisetzung der Farbe, die über den oberen Bildrand von riesigen Leinwänden gegossen, einen Vorhang von Farbrinnsalen bildet. Hier ist Prachensky den Grundprinzipien des Tachismus am nächsten. Erstmals taucht hier auch dominierend die Farbe Rot auf, die bestimmend für das folgende Werk wird. „Rot ist die Farbe meines Lebens“ (Markus Prachensky in: Markus Prachensky. Rot auf Schwarz – Rot auf Weiß. Bilder. Ausstellungskatalog, Städtische Kunstsammlungen Chemnitz, Wien-Chemnitz 2004, S. 27), so beschreibt der Künstler deren Bedeutung. Markus Prachensky ist ein Vielreisender, er geht an Orte, die ihn faszinieren, deren Geschichte, Stimmung und Licht er aufsaugen möchte. Er lässt die Atmosphäre auf sich wirken, speichert die gewonnenen Eindrücke ab, um sie später abrufen zu können und auf Papier und Leinwand zu bringen. Oft dient ihm noch zusätzlich Musik als Inspirationsquelle. Ab Mitte der 1950er Jahre beginnt er seine Arbeiten nach ihrem Entstehungsort zu benennen, ab den 1970er Jahren verweist der Titel auf jene Landschaften, die nach einer Reise als Inspiration dienen, und deren Eindrücke Prachensky nun als Essenz in seine Arbeiten einbringt. Oft setzt er sich monatelang mit einem speziellen Landstrich auseinander, versucht immer wieder Zugang in seine tiefsten Geheimnisse zu erlangen. Kennzeichnend für die Serien ist, dass der Künstler innerhalb einer Werkphase selben Titels einem speziellen Formenkanon treu bleibt und sich auch gewisse Farbkombinationen wiederholen. Markus Prachenskys Malerei „changiert zwischen den Polen des tektonisch Geschlossenen und tachistisch Offenen“ (Florian Steininger in: Otto Mauers Avantgarde. Retrospektiv – Aktuell. Hollegha – Mikl – Prachensky – Rainer. Ausstellungskatalog, Galerie Kovacek, Wien 2006, S. 39). Dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen, noch so spontan Wirkendes hat einen vom Maler fix zugewiesenen Part. Seine Professur an der Wiener Akademie der bildenden Künste von 1983 bis 2000 und zahlreiche Ausstellungen und Ehrungen sichern seinem Werk die Aufmerksamkeit und jenen Einfluss, den es bis heute auf die Kunstlandschaft Österreichs hat. (Sophie Cieslar)
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47 Markus Prachensky * (Innsbruck 1932–2011 Wien) Red on White – Los Angeles, 1968 Öl auf Leinwand; gerahmt; 173 × 127 cm Signiert und datiert rechts oben: Prachensky 68 Rückseitig signiert und datiert: Markus Prachensky 1968 Provenienz Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck; österreichische Privatsammlung EUR 60.000–90.000
Detail Rückseite
1967 reist Markus Prachensky über New York nach Los Angeles, wo er bis 1971 und der endgültigen Rückkehr nach Wien sein Domizil aufschlägt. Er mietet ein Atelier in Westwood Village im Westen der Großstadt und unternimmt von dort aus Reisen zu den Wüsten und Salzseen Kaliforniens. Besonders angetan haben es ihm die vom Wind abgeschliffenen rötlichen Sandsteinformationen der westlichen Nationalparks. Über den amerikanischen Kunstkritiker Clement Greenberg lernt er die Farbfeldmalerei (Colourfield Painting) und das Hard Edge Painting kennen und beschäftigt sich mit der Kunst berühmter Protagonisten dieser Stilrichtungen wie Kenneth Noland und Ellsworth Kelly. Noland und Greenberg statten dem Ehepaar Prachensky 1977 in Wien einen Besuch ab, was auf den engen Kontakt miteinander und die positive Resonanz der internationalen Fachwelt verweist. In den Bildern der in Kalifornien entstandenen Serien, Red on white – Los Angeles, Red on black – Los Angeles, verdichten sich die roten Farbflächen zu runden organischen Formen. Das Gestische wird in diesen Bildern stark zurückgenommen, fast negiert, und kommt nur in den zarten Farbspritzern, die von der kompakten Form ausgehen, zum Tragen. Der „Widerspruch zwischen Ordnung und Chaos, die einander zugleich bedingen“ (Peter Iden in: Prachensky. Frühe und späte Werke. Ausstellungskatalog, Essl Museum, Klosterneuburg 2007/2008, S. 10) und der im Werk Markus Prachenskys zentrales Thema ist, kann hier nur andeutungsweise wahrgenommen werden. Der Künstler beschreitet zaghaft den feinen „Grat zwischen Kraft und Energie“ (Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Markus Prachensky. Eine Hommage. Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2017, S. 8). Einer Energie, die unleugbar von der roten Form ausgeht, die fast die gesamte Bildfläche einnimmt, über die Ränder hinauswachsend im Expandieren begriffen ist. Die Farbspritzer implementieren ein Gefühl der Veränderlichkeit, des Ephemeren. Einmal mehr bringt Markus Prachensky das Rot zum Schwingen. „Das Entscheidende an einem Bild aber muss immer wieder erkämpft werden, jedes Mal neu“ (Hoerschelmann, Schröder, S. 30), sagt der Künstler und erläutert damit sein Prinzip der ständigen Erneuerung der Bildmittel, die erst eine Weiterentwicklung ermöglichen. „Red on white – Los Angeles“ ist somit ein wesentlicher Baustein des künstlerischen Weges dieses Ausnahmekünstlers. (Sophie Cieslar)
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48 Markus Prachensky * (Innsbruck 1932–2011 Wien) rot auf weiß – Solitude – II, 1964 Öl auf Leinwand; gerahmt; 100 × 165 cm Signiert und datiert rechts oben: Prachensky 64 Rückseitig signiert, datiert und bezeichnet: Markus Prachensky, 1964, „rot auf weiß – Solitude – II“ 1964 Provenienz Privatbesitz, Wien EUR 60.000–90.000
Detail Rückseite
Die 1960er Jahre sind geprägt von einer Rastlosigkeit und der Suche nach künstlerischer Anerkennung, die Markus Prachensky zunächst in Deutschland zu finden hofft. Er arbeitet in Ateliers in Aschaffenburg, Karlsruhe, Berlin und Stuttgart, um dazwischen immer wieder nach Wien zurückzukehren. Die Namen seiner Stationen finden sich in den Titeln der in diesen Jahren entstandenen Serien wieder. 1964 entsteht die Werkfolge „Solitude“, benannt nach dem gleichnamigen Schloss in Stuttgart. Das damals noch stark renovierungsbedürftige Ensemble wird von Künstlern verschiedenster Richtungen – Malern, Architekten und Musikern – genutzt und beherbergt auch heute noch eine Kunstakademie. Markus Prachensky hat die Möglichkeit, Räumlichkeiten in einem Nebengebäude des Schlosses als Atelier zu verwenden. In den „Solitude“-Bildern kombiniert der Künstler kalligrafische Elemente in verschiedenen Rottönen mit monochromen Flächen in diversem Kolorit – rot auf weiß, rot und grün, rot und violett, rot und blau, rot und rot. Er untersucht die Beziehungen der unterschiedlichen Farben zueinander und gleichzeitig das Spannungsverhältnis zwischen bewegten und statischen Formen. So zeigt seine Malerei nicht nur Lust an der Farbe, sie ist auch „Zeuge seiner Faszination für Architektur, für Konstruktion und Proportion im Großen und im Detail“, einer Faszination auch für die Kräfteverhältnisse und daraus resultierenden Spannungen in der Natur und im von Menschen Gebauten. „Diese Spannung ästhetisch, harmonisch und statisch zugleich, prägt Prachenskys Bildschrift, seine Kalligrafie, in der das Unentzifferbare der Zeichen verstanden werden will.“ (Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Markus Prachensky. Eine Hommage. Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2017, S. 7 f.) In hellem und dunklem Rot belagern Farbflächen den unteren und linken Bildrand. Eine in die Mitte gesetzte Dreieckform scheint eingeklemmt zwischen diesen dominanten Blöcken, bedrängt und doch selbstbewusst sich behauptend gibt sie nach oben hin Farbspritzer ab, durch die erst ein Gefühl für Räumlichkeit aufkommen kann. „Der Zusammenklang und Rhythmus der distinkt bleibenden Farbbahnen, die unterschiedliche Verdichtung sowie der Gegensatz von hellen und dunklen Werten schaffen einen energiegeladenen Stimmungsraum, der weit über die Grenzen des Malgrundes hinaus klingt.“ (Hoerschelmann, Schröder, S. 8) (Sophie Cieslar)
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49 Arnulf Rainer * (Baden 1929 geb.) o.T. Mischtechnik auf Karton auf Platte; gerahmt; 73 × 101,5 cm Monogrammiert links unten: A. R. Signiert rechts unten: A. Rainer Provenienz Privatbesitz, Wien EUR 45.000–75.000
Rückseite
Das Œuvre von Arnulf Rainer lässt sich in unterschiedliche Werkgruppen einteilen. Surrealistische Anfänge, informelle Zentralisationen und Atomisationen und reduzierte Proportionsstudien führten ihn zu seinen kontemplativen und gestischen Übermalungen. Diese Bildsprache wird zu seiner einzigartigen künstlerischen Praxis. Die zwischen 1968 und 1974 entstandenen Face Farces und Body Poses sind gestisch akzentuierte oder übermalte Fotografien seines grimassierenden Gesichtes oder posierenden Körpers. „Als ich einmal bei einem Großfoto über die Wangen malte, brach mir im Malrausch der Pinsel. In der Hast versuchte ich es mit den Händen, schlug, drosch auf die Wange und war fasziniert von der Ohrfeigerei, von den Spuren meiner Handschläge. Ich beschloss das zu verselbständigen.“ (Arnulf Rainer 1974 in: Schriften, München 2010, Seite 125) Die ersten Fingermalereien entstanden 1973. Der unmittelbare und schnelle Zugriff und die damit verbundene direkte Umsetzung von Emotionen faszinierten Rainer. Die Arbeiten aus den 70er Jahren sind reduziert und aggressiv. Oft bedecken nur ein oder zwei rote Handschläge den Malgrund. Die Fingermalereien der 80er Jahre, wie die Vorliegende, sind wesentlich komplexer und chaotischer. Die Fertigstellung erstreckte sich oft über Jahre. Nach langen Pausen malte er immer wieder neue Farben und Gesten darüber. Rainer arbeitete sehr rasch und impulsiv. Nun interessierte ihn weniger der aggressive Schlag, sondern die Spur der Finger welche sie in der noch feuchten Farbe hinterlassen. Eine Vielfalt an Farben und Formen findet sich zu einem komplexen Gefüge zusammen. Immer mehr entwickelte Rainer diese Technik zu einer sehr subtilen und feinen Bildsprache. Die Aggression weicht der Gestaltung. Rainer formte nun seine Bilder mit den Fingern. Die vorliegende Arbeit besticht durch eine außergewöhnliche Farbkombination. Ein dominierendes pastelliges Rosa im Kontrast zu Blau, ein darunter liegendes giftiges Grün und grelles Rot und die aggressive Fertigstellung in Braun. Der Künstler selbst als Malinstrument. Direkter kann die Umsetzung nicht erfolgen. Die Fingermalerei ist ein obsessives Klatschen, Wischen und Schlagen der Hände auf den Malgrund. Die Bilder, die auf diese Weise entstehen, sind eine logische Weiterentwicklung der Körpersprache seiner Fotoübermalungen. (Christa Armann)
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Joannis Avramidis
Joannis Avramidis, abgebildet in: Joannis Avramidis, Metamorphose, MenschBaum, Hybride Figur, Ausstellungskatalog Galerie bei der Albertina Zetter, Wien 2018, S. 9.
Äąm Kinsky
Joannis Avramidis, 1922 in Batumi Georgien geboren, erleidet in seiner Jugend das Schicksal eines Vertriebenen. Als pontische Griechen verfolgt – der Vater stirbt in Haft – wandert die Familie nach Griechenland aus. Das Studium an der Kunstakademie in Batumi muss Avramidis abbrechen und kommt als Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs nach Wien. Nach Kriegsende kann er sein Studium an der Wiener Akademie fortsetzen. Zunächst studiert er Malerei bei Robin Christian Andersen, ein Umstand, der sich sicherlich in seinem späteren zeichnerischen Werk niederschlägt, macht dieser den jungen Künstler doch auf Masaccio und Piero della Francesca aufmerksam. „Der monumental-mathematischen Strenge und einfachklaren Figurenauffassung“ (Hans-Peter Wipplinger (Hg.), Joannis Avramidis. Ausstellungkatalog, Leopold Museum, Wien 2017, S. 28) der Frührenaissance und der griechischen Antike bleibt Avramidis zeitlebens verpflichtet. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre ist er Student in der Bildhauerklasse von Fritz Wotruba, der als Mentor und einzigartige Künstlerpersönlichkeit die nachfolgenden Generationen junger Bildhauer prägt. Joannis Avramidis lebt sich gut ein, vertritt 1962 Österreich auf der Biennale von Venedig und findet eine zweite Heimat. Er wird zu einem der wichtigsten Protagonisten der österreichischen Bildhauerei und erfährt zahlreiche Ehrungen. Erst im vergangenen Jahr präsentierte das Leopold Museum in Wien sein Werk in einer umfassenden Retrospektive. Avramidis Schaffen kreist stets um die menschliche Figur, die er aus abstrahierten Kreissegmenten aufbaut und in monumentale Rundplastiken transformiert. „In seiner Suche nach einer Verdichtung des Figürlichen bei gleichzeitiger Abstraktheit der Form orientierte sich Avramidis an der griechisch archaischen und klassischen Skulptur, ebenso wie er sich von Künstlern wie Constantin Brancusi und Wilhelm Lehmbruck inspirieren ließ. Dabei fand er zu einem höchst eigenständigen Stil, den Werner Hofmann als ‚Rhythmus der Strenge’ umschrieb.“ (https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/83/joannis-avramidis, zugegriffen am 20.10.2018) Beständig baut der Künstler an der „absoluten Figur“ (Joannis Avramidis. Ausstellung zum 90. Geburtstag. Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen. Ausstellungskatalog, Galerie bei der Albertina, Wien 2012, S. 4), versucht die idealen Proportionen zu finden, die er einmal bei den in sich ruhenden Figuren der Säulen-Gruppe, dann wieder in den fließenden Bewegungen der Bänderfiguren erprobt. Der dazu nötige Prozess der Abstrahierung wird gleichsam zum Schöpfungsakt, zur Grundvoraussetzung für die Entstehung von etwas gänzlich Neuem, das einem aber doch so bekannt vorkommt, weil es archaisch zeitlos ist. (Sophie Cieslar)
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50 Joannis Avramidis * (Batumi/Georgien 1922–2016 Wien) Figur, Zeichnung für „King Minos“, 1985 Mischtechnik auf Papier; gerahmt; 245 × 84,5 cm Signiert rechts unten: Avramidis 85 Provenienz erworben 2008 in der Galerie bei der Albertina – Zetter, Wien; seither europäische Privatsammlung Literatur Michael Semff, Joannis Avramidis. Skulpturen und Zeichnungen. Hirmer Verlag, München 2005, Abb. S. 252 EUR 35.000–70.000
„Etwas zu begreifen heißt für mich immer, etwas zeichnerisch zu fixieren.“ (Joannis Avramidis in: Hans-Peter Wipplinger (Hg.), Joannis Avramidis. Ausstellungkatalog, Leopold Museum, Wien 2017, S. 26) Die Zeichnung nimmt im Schaffen Joannis Avramidis einen hohen Stellenwert ein. Am Ausgangspunkt jeder Skulptur stehen mehrere Studienblätter – Zeichnungen nach der Natur. Das können Akte oder Köpfe, Baum- oder Landschaftsstudien sein: „Zeugnisse einer unmittelbaren Anschauung, in welcher der Künstler durchgehend den Ausgangpunkt des Erkundens der den sichtbaren Erscheinungen innewohnenden Struktur, von Maß und Proportion sah“ (Wipplinger, S. 12). Die Zeichnungen dienen dem Künstler aber auch als Experimentierfeld und als Möglichkeit in offenem Strich auszuleben, was in der Strenge der Skulptur hermetisch eingeschlossen wird, und er setzt sie auch zur Klärung räumlicher und tektonischer Verhältnisse ein. So entstehen die Säulenskulpturen in einer Weiterentwicklung von zeichnerischen Beinstudien: der Fuß und das Bein, aus dem die Figur des Menschen herauswächst wie ein Baum aus seinen Wurzeln oder eine Säule aus ihrer Basis, und durch die sie auch ihre Verankerung im Stand erfährt. Dieses Emporwachsen ist auch bei den Bandfiguren, die er parallel zur SäulenGruppe entwickelt, zu finden, nur weisen diese ein Moment der Beweglichkeit auf, die den streng statisch angelegten Säulenfiguren fehlt. In der Figur des „Minos“, wie man an der 1985 entstandenen monumentalen Zeichnung sehen kann, greift Avramidis auf ein Prinzip zurück, das er im trojanischen Krieger und dem trojanischen Pferd um 1970 schon entwickelt hat. Aus übereinandergestapelten Kugelschnitten entwickelt er röhrenartige Figuren, die oben wie ein Periskop gebogen eine Kopfform ausbilden. Auch König Minos, Sohn des Zeus und der Königstochter Europa, besteht aus einem derartigen Tubus, dessen Kopf schlangenartig anmutet und auch einen Bezug zum historischen König der Kreter darstellen könnte. Hat doch der Sage nach Pasiphaë, die Gattin des Minos, diesen mit einem Zauber belegt, um seine Treue sicherzustellen. Bei jeglicher Berührung, außer jener der Ehefrau, entströmten dem Leib des Königs Schlangen. Die Beweglichkeit des Kopfes steht im Kontrast zum fest verankerten Stand der Figur, die im unteren Teil wie ein mächtiger Baumstamm anmutet. Durch die Andeutung eines Hintergrundes entlang der Umrisse lässt der Künstler Räumlichkeit entstehen. Der König Minos ist somit die perfekte Synthese aus Säulenfigur und Bandfigur, aus Verdichtung und Offenheit, aus Beweglichkeit und heroischer Statik. (Sophie Cieslar)
ım Kinsky
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51 Joannis Avramidis * (Batumi/Georgien 1922–2016 Wien) Kleine Humanitätssäule I, 1963–86 Auflageabguss in Bronze; H. 115 cm Signiert und nummeriert am Sockel: AVRAMIDIS 3/6 Auflage 6 (+ 0/6 + PA) Provenienz europäische Privatsammlung Literatur vgl. Werner Hofmann, Avramidis. Der Rhythmus der Strenge, München 2011, Abb. S. 55, Nr. 41. vgl. Ausstellungskatalog „Joannis Avramidis“, Leopold Museum, Wien 2017, Abb. S. 44 und S. 227. vgl. Ausstellungskatalog „Joannis Avramidis“, Galerie bei der Albertina, Wien, 2018, Abb. S. 28. EUR 70.000–140.000
Detail Signatur
Joannis Avramidis gestaltet seine Figuren gleichsam von innen heraus. In seinen Zeichnungen sieht man wie sehr er von einem allem zugrunde liegenden Gerüst ausgeht, das er in seinen Skulpturen mit dem „Fleisch der plastischen Substanz“ (Klaus Demus in: Joannis Avramidis. Skulpturen und Zeichnungen. Ausstellungskatalog, Schlossgarten, Innenstadt und Kunstverein, Ludwigsburg 1988, S. 18) ausfüllt, eine Synthese aus „innerer Ordnung und schwellendem Leben“ (Gustav Schörghofer in: Joannis Avramidis. Metamorphose. Mensch – Baum. Hybride Figur. Ausstellungskatalog, Galerie bei der Albertina, Wien 2018, S. 4). Zahlreiche, sich fast ins Endlose duplizierende Menschengestalten bilden die „Kleine Humanitätssäule“, die zur ab 1963 entstandenen Säulen-Werkgruppe zählt. Typisch für diese Serie ist die Entwicklung eines vertikalen Kontinuums, das durch Spiegelung der Körperachsen entsteht. Kopf an Kopf und Fuß an Fuß stapelt der Künstler die aufrechten Menschengestalten um eine zentrale Mittelachse gruppiert übereinander. Die Schwellungen der Bronze versinnbildlichen Körperrundungen oder Gelenke. Dem hier weiterentwickelten „Kollektivkörper“ (Hans-Peter Wipplinger (Hg.), Joannis Avramidis. Ausstellungskatalog, Leopold Museum. Wien 2017, S.42) geht die Arbeit „Polis“ voraus, die als „Metapher von Platons Utopie eines Stadtstaates als Einheit freier und gleichberechtigter Individuen in Erscheinung tritt“ (Wipplinger, S. 42). Dabei ist Avramidis die Bewegung kein Motiv, in sich ruhend treten die Gestalten in Diskurs, sie sind auf Augenhöhe miteinander gleichberechtigte Mitglieder einer Gemeinschaft, bilden in ihrer Gesamtheit die Menschheit ab. Avramidis’ Figuren stehen in sich ruhend in fester Aufrichtung. „Es wird kein Handeln vorgeführt. Die Gestalt tut nichts, bildet nichts ab. Sie verkörpert an ihrem Ort eine Energie. Sie erfüllt den Raum mit einer aufrichtenden und sammelnden Energie.“ (Schörghofer, S. 6). In der „Kleinen Humanitätssäule“ potenziert sich diese ins schier Unendliche. (Sophie Cieslar)
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52 Brigitte Kowanz * (Wien 1957 geb.) Crossover, 2009 Neon, Spiegel; 60 × 60 × 60 cm Auflage: 3+1 AP Provenienz 2010 in der Galerie Ruzicska erworben; seither Privatbesitz, Österreich EUR 20.000–30.000
Ein gläserner Würfel, in dessen spiegelnden Seiten sich der Schriftzug „crossover“ vielfach und in diversen Schattierungen und Größen wiederfindet, lädt den Betrachter zu Assoziationen und zur Interaktion ein. Es entstehen reale und virtuelle Räume, deren Grenzen ineinander verschwimmen und deren Innen und Außen, Architektur und Umfeld einander zu durchdringen scheinen. Brigitte Kowanz, vielfache Preisträgerin großer Auszeichnungen und Professorin für Transmediale Kunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, beschäftigt sich seit den 1980er-Jahren mit Raum und Licht. Waren es zu Beginn ihrer Künstlerkarriere phosphoreszierende und fluoreszierende Pigmente auf Papier und Leinwand, sind es mittlerweile Neon – Leuchtschriften, die Kowanz als raumbildende Medien verwendet. Sie baut dreidimensionale Objekte aus semitransparenten und transparenten Gläsern und Spiegeln, die eine beinahe endlose Echowirkung für die darin zu sehenden luminaren Schriftzüge erzeugen. Mit ihren licht- und sprachbezogenen Arbeiten thematisiert die Künstlerin elementare Parameter der Kunst wie Sichtbarkeit, Wahrnehmung und Bedeutungsproduktion. (Clarissa Mayer-Heinisch)
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53 Sigmar Polke * (Oels/Niederschlesien 1941–2010 Köln) o.T., 1999 Mischtechnik, Dispersion auf Karton auf Platte; gerahmt; 211 × 161 cm (mit Rahmen) Signiert und datiert rechts unten: Sigmar Polke 99 Provenienz direkt vom Künstler erworben; Privatsammlung, Wien; Privatsammlung, Vorarlberg; seit 2017 Privatsammlung, Schweiz ▲EUR 300.000–400.000
Auf dem monochrom schwarzen Hintergrund wirkt die amorphe, indigoblaue Form spannungsgeladen und deutet mit ihrer expliziten Struktur und der, durch das Spiel von Blau und Weiß, erzeugten Dreidimensionalität an, dass es sich keinesfalls um Zufälligkeit handelt. Die großformatige Arbeit des Sigmar Polke macht eine mögliche Eindeutigkeit des Sichtbaren unmöglich, stellt alles in Frage und charakterisiert damit den Arbeitsstil des deutschen Künstlers, der seit den frühen 1980erJahren unter anderem mit photochemischen, wärme- und feuchtigkeitsempfindlichen, teilweise auch giftigen Substanzen experimentiert. Sigmar Polke ist durch Malerei und Grafik berühmt geworden, hat sich aber zeitlebens auch mit Zeichnungen, Skizzen, Objekten, Skulpturen, Fotografien, Dia-Installationen und Foto-Kopierarbeiten beschäftigt. Immer wieder verknüpft er die unterschiedlichen Medien miteinander, sodass der Betrachter sich zunächst des genauen Mediums, auf das er trifft, nicht bewusst ist. Thematisch setzt sich der Künstler in seiner Arbeit mit einem gewissen Zynismus mit Politik und sozialen Konventionen, mit künstlerischen und kulturellen Werten auseinander. Im Spätwerk, aus dem die vorliegende Arbeit stammt, kehrt Sigmar Polke zur Abstraktion zurück, die er als Student an der Düsseldorfer Akademie unter den Professoren Karl Otto Götz und Gerhard Hoehme entdeckte, von der er sich jedoch schon in jungen Jahren mit seiner spezifischen Auslegung von Pop Art abgesetzt hatte. (Clarissa Mayer-Heinisch)
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54 Andy Warhol * (Pittsburgh 1928–1987 New York) Electric Chair Portfolio (10-teilig), 1971 Siebdruck auf Papier; gerahmt; 91,5 × 123 cm Rückseitig jedes Blatt signiert und datiert: Andy Warhol 71 Rückseitig nummeriert: A.p. XXXIV/L Edition: 250 + 50 AP Printer: Silkprint Kettner, Zürich, Schweiz Publisher: Bruno Bischofberger, Zürich, Schweiz Provenienz erworben 2015 Galerie Bruno Bischofberger, Schweiz; seither Privatsammlung, Schweiz Literatur Frayda Feldman und Jörg Schellmann, Andy Warhol Prints. A Catalogue Raisonné 1962–1987, 3. Aufl., New York, 1997 Nr. II.74–83, Abb. S. 74–75. ▲EUR 250.000–350.000
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Das Motiv des elektrischen Stuhls verwendet Andy Warhol erstmals in seiner Serie „Death and Disaster“ 1964. In den 1950er Jahren einer der begehrtesten Werbedesigner New York Citys, strebt Warhol Anfang der 1960er-Jahre eine Künstlerkarriere an. Heute gilt Warhol als Pop-Art-Ikone und zählt zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Warhols Werk zeichnet sich aus durch die Reproduktion und Vervielfältigung populärer und kommerzieller Motive – neben Konsumgütern und Alltagsgegenständen waren es vor allem Porträts berühmter Persönlichkeiten, sowie Szenen aus der medialen Berichterstattung, die er provokant zu Kunst erhob. Als Vervielfältigungsmethode diente ihm die zuvor allein der Gebrauchsgrafik vorbehaltene Technik des Siebdrucks. 1962 ruft Warhol seine „Factory“ ins Leben – mehrere Ateliers in New Yorker Fabrikhallen. Dort produziert er unter enger Beteiligung seiner Mitarbeiter Kunst wie am Fließband. Im Jahr der Factory-Gründung soll der Kurator Henry Geldzahler den Künstler zu einem neuen Themenkomplex animiert haben, deren bewegendstes Herzstück die „Electric Chairs“ werden sollten. Warhol ewähnt später folgende Episode: „We were both having lunch one day in the summer […] and he laid the Daily News out on the table. The headline was '129 die in jet', and that's what started me on the death series – the Car Crashes, the Disasters, the Electric Chairs“ (Andy Warhol) Für seine „Death and Disaster“-Serie verwendet Warhol schockierende Bilder aus der Klatschpresse mit starker Anziehungskraft. Die Fotografie des elektrischen Stuhls, die Warhol in Gemälden und in Drucken verarbeitet, stammt aus dem Jahr 1953 und wird unmittelbar nach der Exekution des vermeintlich russischen Spionagepaares Julius und Ethel Rosenberg im Sing Sing Gefängnis im Staat New York von der Presse veröffentlicht. Warhol greift das Motiv zehn Jahre später zu einem Zeitpunkt auf, als die Frage der Todesstrafe heiß diskutiert wird, und das Sing Sing Gefängnis seine letzte Exekution ausführt. In den 1960er Jahren zeigt Warhol in seinen Arbeiten das unbeschnittene Pressefoto. Zu sehen ist die Hinrichtungskammer mit drei Türen. 1971, als Warhol Portfolios seiner besten Arbeiten herstellen lässt, wird der „Elektrische Stuhl“ erneut gedruckt und ein engerer Bildausschnitt gewählt, der den Tatort abstrahiert. Warhol führt uns mit seiner Arbeit sehr direkt den Zustand der Gesellschaft vor – ihr Hang zum Voyeurismus, zur Sensationslust und ihre Ängste. Die poppigen Farben kontrastieren das düstere Sujet, rücken die Realität wohl in die Ferne, jedoch gleichzeitig auch ins Banale. Die Farbigkeit steigert die Dramatik, unterstreicht die Absurdität der Hinrichtung und ästhetisiert sie ebenso. Buchstäblich strahlend wirken die in gleißendes Licht getauchten, invertierten Versionen des elektrischen Stuhls. In einem der Drucke ist der Hintergrund gestisch mit Pinselstrichen bearbeitet, was in den darauf folgenden Siebdruck-Serien der 1970er und 1980er Jahre zunehmend häufiger auftritt. (Vgl. hierzu: Donna de Salvo in: Andy Warhol Prints. A Catalogue Raisonné 1962–1987, München 1997, S.22) (Isabell Kneidinger)
55 Xenia Hausner * (Wien 1951 geb.) Orientexpress, 2000 Acryl auf Harfaser; ungerahmt; 2-teilig: 105 × 270 cm und 244,5 × 270 cm; gesamt 350 × 270 cm Provenienz Dr. Michael Noeth, Ansbach, 2010; seither europäische Privatsammlung Ausstellung Xenia Hausner: Heart Matters, Forum Gallery, New York, 2000 Literatur Xenia Hausner, Heart Matters, Wieland Schmied. Forum Gallery Editions, D.A.P./ Distributed Art Publishers, 2003. Wieland Schmied (Hg.), Xenia Hausner, Kampfzone, Wienand Verlag, Köln 2003, Abb. S. 41. EUR 50.000–100.000
Xenia Hausners Bilder drängen sich der Interpretation quasi auf. Ihre großteils weiblichen Protagonisten schauen dem Betrachter direkt in die Augen, scheinen Kontakt aufnehmen zu wollen. Die Gedanken beginnen sofort zu arbeiten, man sucht nach der Geschichte der Frauen, was sie verbindet, was ihnen zugestoßen ist, was in ihren Köpfen vorgeht. Doch Hausner geht es nicht um eine richtige Antwort, es gibt keine Story dahinter, nichts was man bei näherer Betrachtung besser verstehen oder durchschauen könnte. Ihre Bilder werden gerne als „psychologische Portraits“ bezeichnet, doch ist es nicht Hausners Ziel, die Seelen der Dargestellten freizulegen und uns in ihre Tiefen blicken zu lassen. Es gibt hier keine Diagnose, keinen Blick ins Innerste, keine Erkenntnis für den Betrachter. Hausners Bilder sind Ergebnis sorgfältigster Vorbereitungen: Ausgesuchte Details werden arrangiert, Möbel und Objekte in Relation zueinander gesetzt und zu Bühnen drapiert, auf denen ihre Protagonisten auftreten und agieren, wie die Inszenierung der Künstlerin es vorgibt. Häufig sind ihre Modelle Theaterleute, Schauspieler, Komparsen, die sich der Bildregie der Malerin fügen. Immer geht es dabei ums anschauen und angeschaut werden, eine stumme Kommunikation, die sich anbahnt zwischen Modell und Betrachter. Dem Fleisch kommt dabei eine wichtige Rolle zu, wobei Hausner verstärkt hämatom-artige Grün- und Blautöne verwendet, die die Fleischlichkeit und Körperlichkeit stark betonen und zuweilen eine Eigenständigkeit besitzen, die an die Farbextreme der Expressionisten erinnern. Das Spiel mit intensiven Farbtönen verstärkt sich bis hin zum Eigenleben, die Empfindung wird wichtiger als die akkurate Linie der Form. Hausner arbeitet viel mit Fotografie und gönnt sich dabei die Freiheit, die verschiedenen Bildmittel zusammenzubringen und daraus etwas neues zu schaffen, ein Gemälde, ein Lichtbild oder eine Hybridform. Neben ihren geheimnisvollen, oft traumartigen Szenerien malt Hausner auch Portraits, wobei es ihr nicht um eine möglichst reale Darstellung der Portraitierten geht, sondern um das Eigenleben, das ein gutes Bild zu führen beginnt, jenseits unserer Realität. „Wenn die Leute mich fragen, ob es nicht sehr eitel ist, sich ein Bild von sich selbst an die Wand zu hängen, sage ich immer: „Das Bild hat doch mit Ihnen gar nichts zu tun!“ Wenn es ein gelungenes Bild ist, dann ist es eine eigenständige Persönlichkeit, wenn es ein schlechtes Bild ist, dann will man es nicht sehen. Nichts macht mich wahnsinniger, als wenn sich Menschen neben ihre Bilder stellen, oft auch Modelle, die sich freuen, in einem mehrfigurigen Bild erkannt zu werden. Ich sag dann immer: „Geht’s weg. Ihr schaut so trivial aus. Das tut euch nicht gut.“ (Xenia Hausner im Gespräch mit Günther Oberhollenzer in: Xenia Hausner. Überleben. Ausstellungkatalog Essl Museum, Wien 2012) (Ina Waldstein)
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56 Tony Cragg * (Liverpool 1949 geb.) Ferryman, aus der Serie „Envelopes“, 1998 Bronze patiniert; Unikat, ca. H. 131 cm, B. 248 cm, T. 156 cm Es handelt sich hierbei um eine von vier Versionen, die der Künstler in Bronze ausgeführt hat und jede als Unikat bezeichnet. Provenienz 1998 direkt vom Künstler erworben; seither in einer institutionellen Sammlung, Wien ▲EUR 200.000–400.000 Bei diesem Gegenstand beträgt das Aufgeld 22% Käuferprovision + 20% USt.
„Die Bildhauerei ist nur eine Methode, mit der großen Welt umzugehen, nach neuen Formen zu suchen und neue Fragen über die Welt, in der wir leben, über die Wirklichkeit zu formulieren.“ (Tony Cragg in: https://www.mudam.lu/de/expositions/ details/exposition/tony-cragg–1/, zugegriffen am 20.10.2018) Tony Cragg ist einer der bedeutendsten internationalen Bildhauer der Gegenwart. Im Zentrum seines plastischen Schaffens, in dem er Materialien wie Bronze, Marmor, Holz, Gips, Glas oder Kunststoff einsetzt, steht für ihn die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Formen der Natur und das Verhältnis von plastischem Volumen zur Oberfläche: „Für mich ist jede Oberfläche nur das Resultat von dem, was sich darunter befindet.“ (Sebastian Preuss, Eine Stadt unter Fliesen, zur Retrospektive von Tony Cragg in Teheran, Kerman und Isfahan, in: Weltkunst. Das Kunstmagazin der Zeit, Nr. 141, April 2018, Hamburg 2018, S. 39) Es geht also darum, in die Tiefe zu dringen, weit über den äußeren Schein hinaus, und sichtbar zu machen, was die meisten Menschen nicht wahrnehmen. Das ist aber durchaus nicht im Sinne von Abbilden vorgefundener Gegenstände aus der Natur oder der Dingwelt zu verstehen sondern der Künstler schafft „Objekte, die in der natürlichen Welt nicht existieren, aber Informationen und Gefühle über die Welt und seine (des Künstlers) eigene Existenz reflektieren und übermitteln“ (Preuss, S. 36). Dabei soll uns „jede Skulptur aus der gewohnten Passivität reißen“ und obwohl er hier den Weg für „literarische, metaphorische, erotische, spirituelle, poetische und nicht zuletzt metaphysische Interpretationen öffnet... müssen die Skulpturen klar und schlicht wirken“ (Gerhard Finckh, The Cragg Foundation (Hg.), Anthony Cragg. Parts of the World. Ausstellungskatalog, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Wuppertal 2016, S. 141). „Ferryman“, der Fährmann, 1997 im Auftrag der BAWAG Foundation entstanden und lange Zeit auf der Tuchlauben und dann vor Otto Wagners Postsparkasse aufgestellt, gehört zur Serie der „Envelopes“. Diese Skulpturen in Bronze, wirken von weiter Ferne massiv und kompakt, je näher man kommt, desto stärker nimmt man die Perforierung der Oberfläche wahr und desto leichter und ephemerer kommen einem die Objekte vor. Es scheint mehr Masse abwesend, denn präsent zu sein. Repräsentiert der Werkstoff Bronze ja Dauerhaftigkeit und Schwere, so wird dies durch die Durchlöcherung konterkariert. Die Figur ist hohl, lediglich Hülle. Der Fährmann ist ein Symbol für den Übergang von Leben in den Tod, von entscheidenden Phasen auf einer Reise, wo man mit seiner Hilfe von einem Ufer zum anderen übersetzt. Tony Cragg selbst „beschwört oft das Bild des Flusses, wenn es darum geht, seine Situation als Künstler zu beschreiben“ (Finckh, S. 463) und so mag die Motivwahl des „Ferryman“ wohl keine zufällige sein. (Sophie Cieslar)
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Franz West
Aufstellungsort Tuchlauben von 1998 bis 2011.
Franz West, abgebildet in: Eva Badura-Triska, Karola Kraus (Hg.), Franz West, Wo ist mein Achter? Ausstellungskatalog mumok, Wien; MMK Museum fĂźr Moderne Kunst, Frankfurt am Main 2013, S. 85.
Aufstellungsort vor der BAWAG am Georg-Coch Platz von 2011 bis 2018.
Franz West gilt als einer der erfolgreichsten österreichischen Vertreter der internationalen Kunstwelt. Er ist mit seinen Arbeiten in den großen Museen wie der Tate Gallery of Modern Art in London, dem MoMA in New York, dem Stedeljik Museum in Amsterdam oder dem Centre Pompidou in Paris vertreten. 2011 wurde er auf der Biennale di Venezia mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt. Anfang der 1970er Jahre entwickelt er die Passstücke, Inkunabeln der zeitgenössischen Skulptur, einfache Gebilde aus Pappmaché und Gips, die wie der Namen schon sagt an den Körper des Betrachters angepasst erst ihre Bedeutung entwickeln. Laut Künstler stellen sie „Neurosen oder Prothesen“ (http://sammlung-essl.at/jart/ prj3/essl/main.jart?content-id=1363947043047&rel=de&article_ id=1364903155043&reserve-mode=active, zugegriffen am 21.10.2018) dar, sie legen also Defizite bloß, helfen aber gleichzeitig diese auszugleichen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die dezidierte Aufforderung zum Berühren und Angreifen durch den Künstler. Franz Wests Kunst soll verwendet werden und nicht in einer Museumsvitrine entrückt in Distanz zum Betrachter gesetzt werden. Wesentliches Element ist auch die freie Gestaltung, die rohe Form, die den Entstehungsprozess deutlich sichtbar und fühlbar macht. Die verwendeten Materialien – Gips, Papiermaché und Polyester – ermöglichen diese offene Arbeitsweise, nichts ist glatt und perfekt, die Objekte und ihre farbige Fassung bekommen so einen beiläufigen, oft auch experimentellen Charakter. In weitere Folge entwirft er Sitzmöbel, Sessel und Bänke und bezieht diese mit bunten Stoffen und verwandelt sie so in benutzbare Kunst. Die in den 1990er Jahren entstandenen Outdoorskulpturen sind ebenfalls für den Gebrauch bestimmt, sei es als Liegen oder Klettergerüst, alles ist vom Künstler gewünscht, ja ausdrücklich gefordert. „So nah“ wie die Arbeiten Franz Wests „rücken wenige Kunstwerke Menschen auf den Leib, wodurch Rezeption zur Teilnahme und Kunstschauplätze zu lebendigen Orten werden.“ (http://archivfranzwest.org/de/franzwest.html, zugegriffen am 21.20.2018) (Sophie Cieslar)
57 Franz West * (Wien 1947–2012 Wien) o.T., („Sitzwurst“), 2001 Aluminium, lackiert; 420 × 69 cm Provenienz 2016 erworben, Galerie Mario Sequeira, Portugal; seither Privatsammlung, Schweiz ▲ EUR 250.000–450.000
Sitzwurst
In den 1990er Jahren bekommt Franz West den Auftrag, eine Skulptur für den Außenraum zu schaffen. Als Material wählt er Aluminium, das seiner Vorliebe für eine offene Arbeitsweise entgegenkommt. Der Werkstoff wird gebogen und zusammengeschweißt. Nahtstellen werden bewusst stehen gelassen, ein allzu glatter Perfektionismus ist nicht des Künstlers Sache. Den in den folgenden Jahren entstandenen Skulpturen ist allen eine monochrome Farblackierung gemein, zumeist sind es Farben, die so nicht unbedingt in der Natur vorkommen, die die Skulpturen deutlich von ihrem Umfeld abheben. „West geht davon aus, dass man weder die Formen, noch die Farben der Natur übertreffen könne, deswegen sollte man sie auch nicht imitieren.“ (http://sammlung-essl.at/jart/prj3/essl/main.jart?contentid=1363947043047&rel=de&article_id=1364903155043&reserve-mode=active, zugegriffen am 21.10.208) Diese Skulpturen laden einmal mehr dazu ein, angegriffen zu werden, auf ihnen zu sitzen oder liegen. Das entspricht der Maxime Franz Wests, dass es nicht darauf ankommt wie Kunst aussieht, sondern wie man sie gebraucht, erst durch diesen Gebrauch werden die Objekte zum Kunstwerk. In hellem Grün hebt sich die Skulptur „Sitzwurst“ von ihrer Umgebung ab. Wie in Packpapier gewickelt mutet das an. Verschleiert der Künstler hier eine geheimnisvolle Form? Man sieht sich versucht, den hier wie beiläufig platzierten länglichen Gegenstand auszuwickeln, und ist erstaunt über die metallische Haptik, sieht die Oberfläche bei reiner Betrachtung doch weich und nachgiebig aus. „Die Aluskulptur von Franz West wirkt sowohl einfach als auch allumfassend, banal und erhaben.“ (Veit Loers, Franz West, Köln 2006, S. 44) Hier geht es um Volumen, um einen in Alu verpackten Hohlkörper, eine verpackte Idee, die den öffentlichen Raum prägen soll. (Sophie Cieslar)
Vergleichsbild, Jäh 2000, abgebildet in: Götz Adriani (Hg.), Franz West, In & Out, Ausstellungskatalog Museum für Neue Kunst, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2000, S. 124.
58 Franz West * (Wien 1947–2012 Wien) o.T., Ende der 90er Jahre Papiermaché, Metall, Kunststoffdeckel (Farbeimer), H. 68 cm Provenienz Privatbesitz, Wien EUR 70.000–140.000
Ausgehend von den Passstücken, die durch den eingeforderten Gebrauch starker Abnutzung preisgegeben waren, entwickelt Franz West in den 1980er Jahren eine neue Art der Skulptur auf Sockeln. Den Sockel per se als Teil einer konventionellen Präsentationsmaschinerie lehnt der Künstler ab. Vielmehr versucht er, dem Sockel eine neue Motivation zu geben, erhebt ihn gleich selbst zur Skulptur, es entstehen die Nachfolger der Passstücke die vom Künstler selbst so benannten „Legitimen Skulpturen“. Den interaktiven Aspekt ihre Vorgänger möchte er in den neuen Arbeiten nicht gänzlich preisgeben. Die Skulpturen aus Papiermaché mit Gips, aus Polyester oder als Guss sind „abstrakt geblieben, aber durch ihre schon im Passstück angelegte ‚Anpassung’ an den Menschen so konkret sinnlich, dass er sie proteushaft in alle möglichen Gestalten schlüpfen lassen konnte“ (Veit Loers, Franz West, Köln 2006, S. 29). Das Antropomorphe, Amorph-Vielgestaltige wird noch durch eine expressive Farbgebung verstärkt. Oftmals lädt West Künstlerkollegen ein, diese Bemalung vorzunehmen. Titel wie „Pleonasm“ (Häufung sinngleicher Worte), „Gussform“ oder die Nennung von Personennamen, die die Möglichkeit einer Porträthaftigkeit andeuten, verweisen auf die Fähigkeit der Skulpturen, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Das amorphe, gegenstandslose Erscheinungsbild der Skulptur steht hier spielerisch im Gegensatz zu einer durch den Titel auferlegten Bedeutungsmöglichkeit. „Zwischen der betont ärmlichen, kruden und schrägen Erscheinungsform seiner Werke und der komplexen Ideenwelt des Künstlers entsteht eine merkwürdige Diskrepanz, die den Werken sichtbar als Frage anhaftet.“ (Loers, S. 10) (Sophie Cieslar)
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59 Erwin Wurm * (Bruck 1954 geb.) Schlechter Gedanke, 2008 Acryl, Stoff, Beton; H. 47 cm, B. 50 cm, T. 40 cm Dem Auktionshaus liegt die Zusage des Künstlers vor, die Arbeit nach Verkauf zu signieren. Provenienz 2009 in der Galerie Krinziner erworben; seither österreichische Privatsammlung EUR 30.000–55.000
Die skulpturale Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist geprägt von einer Aufweichung der Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen und einer stetigen Erweiterung des Skulpturenbegriffs. Erwin Wurm selbst nennt eine Reihe von Künstlern die hier Pionierarbeit geleistet haben und die er schätzt, wie James Lee Byars, Georg Brecht, Joseph Beuys, Marcel Duchamp, Eva Hesse und On Kawara. Er selbst treibt diese Infragestellung noch weiter auf die Spitze und findet damit große internationale Beachtung. Schon in der Pop-Art lassen sich „die Vergrößerung von Alltagsgegenständen und der Wechsel von harten klassischen Materialien der Skulptur, wie Stein und Metall, zu weichem Material“ (Erwin Wurm. One Minute Sculptures. 1997–2017. Katalog anlässlich der 57. Biennale di Venezia, Berlin 2017, S. 339) finden, zum Beispiel in den „Soft Sculptures“ von Claes Oldenburg. Der Betrachter wird herausgefordert, gewohnte Sehweisen über Bord zu werfen und seine Umwelt aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Nichts ist was es scheint, hart ist weich und weich ist hart, eine Tasche hat Füße, der menschliche Körper wird in eine geometrische Form gepresst oder aufgeblasen. Nichts behält die Form, die wir gewohnt sind. Masse und Volumen zu verändern wird zum skulpturalen Akt. „Klassische, bedeutungsvolle Bildhauerei wird hier ganz manifest ad absurdum geführt. Zugleich ergibt sich eine zweite, letztlich sehr abgründige humoristische Ebene bei Erwin Wurm. Denn seine bildhauerische Geste ist auch dazu da, den einfachsten, selbstverständlichsten Gepflogenheiten und Handlungen im Alltag gewissermaßen den Boden unter den Füßen wegzuziehen.“ (Robert Fleck, in: Erwin Wurm. Der Künstler, der die Welt verschluckte, Ausstellungskatalog, MUMOK Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien 2006/2007, S. 11). Lustig wirkt das bunte Ding mit Füßen, sympathisch rund mit Wurmfortsatz, charmant rosa gewandet, wer soll denn da auf „schlechte Gedanken“ kommen? Es geht letztlich um die Frage, wie die menschliche Figur darstellbar ist. Es geht um Standbein und Spielbein, die Verteilung von Gewicht und die Vereinigung von Dynamisierung und Stillstand. „Wurm schafft Aussagen über Kunst und Leben , über Ängste und Leidenschaften, über den Ernst des Lebens wie den Spaß. Soziale Phänomene, politische Haltungen, Kindheitserinnerungen sowie psychologische Zustände manifestieren sich in Erwin Wurms Skulpturen und veranlassen den Besucher, wie nebenher, die Grundlagen seiner Werte und der Gesellschaft zu hinterfragen.“ (Erwin Wurm. Ausstellungskatalog, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg 2017, S. 61) (Sophie Cieslar)
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Maria Lassnig
Maria Lassnig, abgebildet in: Galerie Ulysses (Hg.), Maria Lassnig, Landleben. Countrylife. Ausstellungskatalog, Wien 2016, S. 1.
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Maria Lassnigs Biographie ist – von ihren Anfängen als unabhängiger Künstlerin in den 1940er Jahren bis zu ihrem Tod am 6. Mai 2014 – die Geschichte einer unermüdlichen Selbstermächtigung: Jedes Jahrzehnt erfindet sie sich neu. 1919 wird sie in Kappel am Krappfeld, Kärnten, in der tiefsten österreichischen Provinz als uneheliches Kind geboren und wächst die ersten Jahre bei ihrer Großmutter auf, einer Magd und Analphabetin. Später, in der Schule in Klagenfurt, ist ihr zeichnerisches Talent unübersehbar. Nach der Matura wird sie zunächst Volksschullehrerin im abgelegenen Metnitztal, bevor sie dann doch, in der NS-Zeit, an der Akademie der bildenden Künste in Wien Malerei studiert. Nach 1945 arbeitet sie sich in Windeseile durch die während ihres Studiums als entartet geltenden Strömungen der Moderne: vom Expressionismus über den Kubismus bis zum Surrealismus. In den 1950er Jahren ist sie eine Mitbegründerin des Informel in Österreich. Dennoch muss sie in einer von Männern geprägten Kunstszene unentwegt darum kämpfen, wahr- und ernstgenommen zu werden. Schon damals entdeckt sie ihr Lebensthema: das, was sie später als Body awareness bezeichnen wird – Wahrnehmungen ihres Körpers, die sie möglichst präzise auf die Leinwand oder das Papier zu bringen versucht, und zwar lange bevor Body-Art en vogue wird. Während in diesen Arbeiten eher die Abstraktion überwiegt, zum Beispiel in ihren monumentalen Strichbildern aus dem Paris der 1960er oder den Malflüssen der frühen 1990er Jahre, gibt es zeit ihres Lebens auch immer eine realistischere Schiene. Zum Beispiel ihre großartigen Porträts, mit denen es ihr auf unvergleichliche Weise gelingt, den Charakter einer Person zu erfassen. Oder ihre amerikanisch-realistischen Bilder der 1970er Jahre in New York, in denen sie Tendenzen der Pop Art aufgreift. Dort erlebt die Frauenbewegung gerade einen Höhepunkt, und Lassnig produziert humorvolle, hintergründige feministische Animations- und Avantgardefilme – ein ganz neues Medium für sie. Eigentlich beabsichtigt sie, in New York zu bleiben, doch dann wird sie 1980 zur Malereiprofessorin berufen und kehrt nach Wien zurück. Erst jetzt beginnt ihre zögerliche Karriere langsam Fahrt aufzunehmen. 1980 vertritt sie Österreich bei der Biennale in Venedig, 1982 wird sie erstmals zur Documenta eingeladen und 1985 erhält sie endlich ihre erste große Retrospektive. Doch nie ruht sich Lassnig auf ihren Lorbeeren aus, immer wieder experimentiert sie mit Neuem, wie etwa mit ihrer eindrucksvollen Science-Fiction-Serie oder – als über Achtzigjährige – mit ihren Kellerbildern. Sie ist mittlerweile eine sehr erfolgreiche und gutverdienende Künstlerin. Als sie 2008 in London ausstellt, nennt die Presse sie „die Entdeckung des Jahrhunderts“ (Laura Cumming: A Stunning Body of Work. In: The Observer, London, 27.4.2008). 2013 erhält sie den Goldenen Löwen von Venedig für ihr Lebenswerk. 2014, kurz vor ihrem Tod, zeigt das MoMA Ps1 in New York eine umfassende Retrospektive – der Triumph ihres Lebens. (Natalie Lettner)
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60 Maria Lassnig * (Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919–2014 Wien) Der Frank und die Frankfurterin, 1970 Öl auf Leinwand; gerahmt; 110 × 140 cm Signiert und datiert rechts unten: M. Lassnig 1970 Provenienz erworben 2016 aus einer Privatsammlung, Österreich; seither Privatsammlung, Schweiz ▲EUR 250.000–400.000
Von 1968 bis 1980 lebt Maria Lassnig in New York, oft mit nur sehr beschränkten finanziellen Ressourcen. Ihr außergewöhnliches Talent, Menschen zu porträtieren, bietet ihr die Möglichkeit, ein wenig Geld zu verdienen. Dieses Doppelbildnis, Der Frank und die Frankfurterin von 1970, ist Lassnigs erster Porträtauftrag in New York. Maria Frankfurter hat in Wien in der Galerie nächst St. Stephan gearbeitet, dort Arnulf Rainer kennengelernt und geheiratet. Mittlerweile ist sie von Rainer geschieden und neu verheiratet, mit Frank de Groote, einem Belgier, der bei der UNO arbeitet. Lassnig bezeichnete dieses Doppelporträt einmal als eine ihrer besten Arbeiten (Vgl. Natalie Lettner: Maria Lassnig. Die Biografie. Wien 2017, S. 217). Mit breitem Pinselstrich erfasst sie das Paar, dessen Körperhaltung zueinander innige Vertrautheit vermittelt. Während Frank de Groote freundlich und aufmerksam aus dem Bild herausschaut, schweift Maria Frankfurters Blick leicht abwesend in die Ferne. Die beiden jeweils innen gelegenen Hände der beiden sind zwar nicht zu sehen, berühren sich jedoch offensichtlich im Verborgenen, und auch die äußeren Hände kommen einander nahe und scheinen sich gegenseitig zu spiegeln. Gleiches gilt für die einander zugewandten Knie. Mit solchen kleinen Kniffen gelingt es Lassnig, die Intimität des Paars zu kommunizieren. Vor allem leistet das jedoch der dominante und die beiden verbindende auffallend grüne Farbton. Das Grün der Haare, seines Anzugs und ihres Rocks kontrastieren – typisch für Lassnig – mit dem Orange seiner Krawatte, dem Orange-Gelb ihrer Bluse und – besonders raffiniert – mit einzelnen Elementen der Gesichter, zum Beispiel den Lippen, ihrem Ohr und seiner Nase. Auf die Farbe des Gemäldes angesprochen, meinte Lassnig einmal, das habe mit dem grünabstrahlenden Linoleumboden in ihrem Atelier, damals im East Village, zu tun. Tatsächlich wirkt sich auf Lassnigs Arbeit oft ihre Umgebung aus. Als sie in den 1960er Jahren in Paris in einem riesigen Wohnatelier lebt, werden auch ihre Leinwände um vieles größer; in ihrer ersten New Yorker Wohnung in Queens entsprechen die Wände in düsterem Rosa ihren damals ebenfalls oft rosa und violetten Body-awarenessArbeiten. Schon als Kind hat Lassnig liebend gerne andere Leute skizziert, oft im Gasthaus auf einen Bierdeckel oder eine Papierserviette. Zeit ihres Lebens ist das Porträtieren für sie eine Möglichkeit, sich intensiv mit Menschen auseinanderzusetzen: „Niemand kann behaupten, jemanden gesehen zu haben, wenn er ihn nicht gezeichnet hat.“ Und: „Ich will die Leute lange ansehen, ihnen dreist in die Augen blicken, was da herausschaut, sehe ich, je länger ich hinsehe. Glück und Unglück ist da gebannt, in Würde, Furchtsamkeit, Hoffnung, dem kann ich mit meinen Augenlinsen folgen und alles erraten, während ich den Stift oder den Pinsel führe.“ (Landleute – Landsleute. Maria Lassnig Ausstellung in der rittergallery. In: Klagenfurt – Die Stadtzeitung mit amtlichen Nachrichten, Nr. 3, 26. 2. 2004, S. 30) (Natalie Lettner)
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61 Maria Lassnig * (Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919–2014 Wien) Korkenziehermann, 1986 Öl auf Leinwand; gerahmt; 205 × 134,5 cm Rückseitig auf Etikett bezeichnet und datiert: Korkenziehermann 1986 Provenienz 2006 im Auktionshaus im Kinsky Wien erworben, 59. Auktion (Lot 236); Privatsammlung, Wien Ausstellung Romantik in der Kunst der Gegenwart. Sammlung Murken, Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen, 4. 6. – 22. 8. 1993. Literatur Murken, Axel und Christa (Hrsg.), Romantik in der Kunst der Gegenwart, Köln 1993, Abb. 39, S. 153. Christa Murken, Maria Lassnig, Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20. Jahrhunderts, Verlag MurkenAltrogge, Herzogenrath 1990, Wvznr. 429, Abb. 178, S. 347. Martin Kunz (Hg.), Maria Lassnig, Mit dem Kopf durch die Wand. Neue Bilder, Klagenfurt 1989 (Abb. S. 73), S. 72. EUR 350.000–550.000
Eine ironisch-düstere Note wie im Gemälde „Korkenziehermann“ durchzieht das gesamte Œuvre Maria Lassnigs, der österreichischen Grande Dame der Malerei. Erst dem Surrealismus und dem Informel nahe, wird Lassnigs Arbeit später wiederholt in die Nähe der Symbolisten gerückt, welche sich insbesondere mystisch-spirituellen Themen, etwa der Geister- und der Unterwelt zuwandten, und ihre Gefühle, Erlebnisse und Visionen in intuitiv-phantasievolle Form brachten. (Vgl. hierzu: Christa Murken, Maria Lassnig. Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20.Jahrhunderts, Herzogenrath 1990, S. 348f.) Wie unzählige Künstler zuvor greift Lassnig im „Korkenziehermann“ das Todesthema auf, wohlweislich mit dem ihr eigenen humorvollen Kniff. Die anthropomorph erscheinende, fragmentierte Gestalt zeigt Lassnigs Interpretation des Sensenmannes, dem anstatt des Mähwerkzeugs ein Korkenzieher attribuiert wird. Mit diesem setzt der hier erneut traditionell männlich konnotierte Tod die Schraube an. Vergleicht man Lassnigs Schöpfung mit Todesdarstellungen der Kunstgeschichte, so ist festzustellen, dass Lassnig eine vollkommen neu „empfundene“ tragisch-komische Gestalt kreiert. Die für die Künstlerin charakteristische, pastellige Farbgebung konterkariert die morbide Symbolik, unterstreicht allerdings auch die unangenehme Präsenz des Dargestellten. Mehrmals und mehrfarbig mit gestischen Pinselstrichen umrissen hebt sich der Korkenziehermann von seiner Umgebung ab und wirkt nicht der diesseitigen Welt zugehörig. Farben haben bei Lassnig einen hohen Ausdruckswert und werden bestimmten Gefühlen und Erfahrungen zugeschrieben. Dabei spricht sie von „Schmerzfarben und Qualfarben, Nervenstrangfarben, Druck- und Völlefarben, Streck- und Pressfarben, Höhlungs- und Wölbungsfarben, Quetsch- und Brandfarben, Todes- und Verwesungsfarben, Krebsangstfarben“ (Maria Lassnig). In ihren Arbeiten reflektiert die Malerin jene Empfindungen, die sie selbst in ihrem Körper wahrnimmt. Bereits in jungen Jahren entwickelt Lassnig eine scharfsinnige Beobachtungsgabe für ihre körperlichen Befindlichkeiten und visualisiert diese später in ihren body awareness paintings. Der eigene Körper dient als Erkenntnis- und Erfahrungsfeld. Nach aufmerksamer Innenschau gibt Lassnig ihre Gefühlserlebnisse in fragmentierten, bisweilen stark abstrahierten Selbstdarstellungen oder in Rollenbildern wieder. Seit den 1970er Jahren wendet sich Lassnig vermehrt der Außenwelt zu und projiziert ihre Körpergefühle auf Umgebendes. In den 1980er Jahren treten verstärkt (Todes)Angst- und Katastrophen-Themen auf, was nicht zuletzt auf ihre Berufung als Professorin an die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien zurückzuführen ist, die sich für Lassnig als große Herausforderung gestaltet. (vgl. hierzu: Wolfgang Drechsler in: Maria Lassnig. Ausstellungskatalog Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Klagenfurt 1999, S. 29) Lassnigs Malstil wird damals noch expressiver und gestischer. (Isabell Kneidinger)
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62 Rudolf Stingel * (Meran 1956 geb.) o.T., 1997 Öl auf Leinwand; ungerahmt; 117 × 109 cm Rückseitig signiert und datiert: Stingel 97 Provenienz Galerie Georg Kargl, Wien; Privatsammlung, Wien EUR 250.000–500.000
Detail Signatur Rückseite
Rudolf Stingels Werk ist eine ständige Reflexion grundlegender Fragen der Malerei. Es geht um Farbe, Raum, Licht, aber auch um Stofflichkeiten, die bisweilen zur Verwendung ungewöhnlicher Materialien wie Teppich, bemaltes Aluminium oder Styropor führen. „Malerei und Plastik gehen eine Verbindung ein, Konzeption und schöpferischer Zufall spielen zusammen... Humor, Ironie und eine eindeutige Bekenntnis zum Minimalismus bilden den Kern seines Werkes. Er kombiniert seine Liebe zur Malerei mit einem postmodernen Zweifel an ihr und er erreicht oft eine fast perfekte Balance zwischen Visualisierung und Konzept.“ (http://www.georgkargl.com/de/kuenstler/rudolf-stingel, zugegriffen am 21.10.2018) Der geborene Südtiroler und Autodidakt lebt und arbeitet nach Stationen in Wien und Mailand seit 1987 in New York: „Ich wollte es probieren. Ich konnte kein Englisch sprechen, aber ich habe sofort gemerkt: Das ist der Ort, wo ich hin will“, erinnert sich der Künstler (https://www.tageszeitung.it/2017/06/25/der-millionen-kuenstler/, zugegriffen am 21.10.2018). Vergleichbare ebenfalls 1997 entstandene Arbeiten, die vordergründig dem Informel verhaftet zu sein scheinen, waren im selben Jahr in der renommierten Paula Cooper Gallery in New York zu sehen und typisch für Rudolf Stingel, lässt er den White Cube der Galerie mit einem rot-rosa gestreiftem Teppich auslegen: Wohnzimmer-Atmosphäre und gleichzeitig ein farblicher Kontrast im Wetteifer mit den Bildern an der Wand. Rudolf Stingel „legt sich gerne mit der Malerei an“ (http://www.art-in-berlin.de/incbmeld.php?id=1819 zugegriffen am 21.10.2018), hinterfragt jegliche althergebrachte Definition des Tafelbildes, erweitert den Begriff der Malerei radikal. Diese informellen Bilder sind zudem bei näherer Betrachtung der Oberfläche keineswegs spontan und impulsiv gemalt. Man sieht wie komplex und kompliziert, wie technisch raffiniert der Farbauftrag ist. Wie Krater und Hügelketten einer Mondlandschaft hebt sich die rote Farbe vom schwarzen Grund ab. Einmal mehr „visualisiert“ der Künstler „seine Grundüberzeugung über das Wesen von Malerei und die Entwicklungspotentiale des problematischen Mediums: um ihm neue Perspektiven zu eröffnen, darf es nicht nur um rein retinale Qualitäten, um die expressionistische Geste, pittoreske Schönheit oder Komposition gehen“(s.o.). Rudolf Stingel nimmt den Betrachter auch losgelöst vom Ort der Präsentation mit auf eine Reise ins „Atmosphärisch-Imaginäre, in Stimmungsräume“ (http://kunsthallezurich.ch/sites/ default/files/downloads/pressetext_rudolfstingel.pdf, zugegriffen am 21.10.2018), denen man sich schwer entziehen kann. (Sophie Cieslar)
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Index Künstler / Hersteller ® Katalognummer Avramidis, Joannis ® 50, 51 Berg, Werner ® 20, 26 Bischoffshausen, Hans ® 34, 35 Blauensteiner, Leopold ® 4 Boeckl, Herbert ® 30 Bresslern-Roth, Norbertine ® 23, 24 Brus, Günter ® 37 Cragg, Tony ® 56 Diesner, Gerhild ® 27 Dix, Otto ® 29 Egger-Lienz, Albin ® 17 Faistauer, Anton ® 11 Gironcoli, Bruno ® 42 Grabmayr, Franz ® 33 Hausner, Xenia ® 55 Hrdlicka, Alfred ® 46 Hubbuch, Karl ® 31 Hundertwasser, Friedensreich ® 32 Klimt, Gustav ® 2, 3, 5, 6 Kowanz, Brigitte ® 52 Lassnig, Maria ® 60, 61 Léger, Fernand ® 28 Leherb, Helmut ® 38 Lüpertz, Markus ® 44 Meese, Jonathan ® 43 Muehl, Otto ® 45 Mulley, Oskar ® 18 Nitsch, Hermann ® 40, 41 Nolde, Emil ® 19 Polke, Sigmar ® 53 Prachensky, Markus ® 47, 48 Prantl, Karl ® 39 Putz, Leo ® 22 Rainer, Arnulf ® 49 Ray, Man ® 21 Schiele, Egon ® 9, 10 Sedlacek, Franz ® 13 Stingel, Rudolf ® 62 Thöny, Wilhelm ® 7, 8 Wacker, Rudolf ® 12 Walde, Alfons ® 14, 15, 16 Waldmüller, Ferdinand Georg ® 1 Warhol, Andy ® 54 Weiler, Max ® 25 West, Franz ® 57, 58 Wotruba, Fritz ® 36 Wurm, Erwin ® 59
Auktionsbedingungen Auszug aus der Geschäftsordnung Den Wortlaut der gesamten Geschäftsordnung können Sie unserer Webseite www.imkinsky.com entnehmen. Auf Wunsch senden wir Ihnen die Geschäftsordnung auch zu. • Geschäftsordnung: Die Auktion wird nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung der Auktionshaus im Kinsky GmbH durchgeführt. Die Geschäftsordnung liegt im Auktionshaus zur Einsicht auf, kann von jedermann per Post oder e-mail (office@imkinsky.com) angefordert werden und ist im Internet unter www.imkinsky.com abrufbar. • Schätzpreise: In den Katalogen sind untere und obere Schätzwerte angegeben. Sie stellen die Meist boterwartungen der zuständigen Experten dar. • Mindestverkaufspreise (Limits): Oft beauftragen Verkäufer das Auktionshaus, die ihnen gehörenden Kunstwerke nicht unter bestimmten (Mindest-)Verkaufspreisen zuzuschlagen. Diese Preise (= „Limits“) entsprechen meist den in den Katalogen angegebenen unteren Schätzwerten, sie können aber fallweise auch darüber liegen. • Echtheitsgarantie: Die Schätzung, fachliche Bestimmung und Beschreibung der Kunst objekte erfolgt durch Experten des Auktions hauses. Das Auktionshaus steht auf die Dauer von drei Jahren gegenüber dem Käufer für die Echtheit, und somit auch dafür ein, dass ein Kunstobjekt tatsächlich von dem im Katalog genannten Künstler stammt. • Katalogangaben: Angaben über Technik, Signatur, Material, Zustand, Provenienz, Epoche der Entstehung usw. beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche die Experten ausgeforscht haben. Das Auktionshaus leistet jedoch für die Richtigkeit dieser Angaben keine Gewähr.
• Versicherung: Die Kunstobjekte sind versichert. Versicherungswert ist das Mittel aus unterem und oberem Schätzwert. Die Haftung des Auktionshauses besteht bis zu dem auf die Auktion folgenden 8. Tag. Danach ist ein Kunst objekt nur versichert, wenn der Käufer mit der Zahlung und Abholung nicht im Verzug ist. • Ausrufpreis und Zuschlag: Der Ausrufpreis wird vom Auktionator festgesetzt. Gesteigert wird um ca. 10 % des Ausrufpreises bzw. des letzten Gebotes. Den Zuschlag erhält der Meistbietende, sofern der Mindestverkaufspreis erreicht ist. Der Käufer hat den Kaufpreis binnen 8 Tagen nach dem Zuschlag zu bezahlen. • Kaufpreis: Bei Kunstobjekten, die der Differenzbesteuerung unterliegen, besteht der Kaufpreis aus dem Meistbot zuzüglich der Käuferprovision von 26 %. Bei Kunstobjekten, die der Normalbesteuerung (mit ▲ gekennzeichnet) unterliegen, besteht der Kaufpreis aus dem Meistbot zuzüglich der Käuferprovision von 22 % und zuzüglich der Umsatzsteuer (13 % bei Bildern, 20 % bei Antiquitäten). Bei 1.000.000 übersteigenden Meistboten beträgt die Provision für den übersteigenden Betrag 17 % (Differenzbesteuerung) bzw. 14 % (Normalbesteuerung). • Folgerecht: Bei Kunstobjekten, die im Katalog mit einem * gekennzeichnet sind, wird zusätzlich zum Kaufpreis die Folgerechtsabgabe verrechnet. Sie beträgt 4 % von den ersten 50.000 des Meistbotes, 3 % von den weiteren 150.000, 1 % von den weiteren 150.000 und 0,25 % von
allen weiteren, also 500.000 übersteigenden Meistboten, jedoch insgesamt nicht mehr als 12.500. Bei Meistboten von weniger als 2.500 entfällt die Folgerechtsabgabe. • Kaufaufträge: Interessenten können auch schriftliche Kaufaufträge abgeben oder telefonisch mitbieten oder den Sensal mit dem Mitbieten beauftragen. Dafür muss dem Auktionshaus zeitgerecht das unterfertigte, dem Katalog beiliegende Kaufauftragsformular übersandt worden sein. • Telefonische Gebote: Das Auktionshaus wird unter der ihm bekanntgegebenen Nummer eine Verbindung herzustellen trachten. Für das Zustandekommen einer Verbindung übernimmt das Auktionshaus keine Haftung. • Online Bidding: Interessenten können an Auktionen auch über das Internet teilnehmen. Die Bestimmungen über die unmittelbare Teilnahme an Auktionsveranstaltungen gelten hierfür sinngemäß. Für das Zustandekommen einer Internetverbindung übernimmt das Auktionshaus keine Haftung. • Erfüllungsort für den zwischen dem Auktions haus und dem Käufer zustande gekommenen Vertrag ist der Sitz des Auktionshauses. • Gerichtsstand, Rechtswahl: Die zwischen allen an der Auktion Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen unterliegen österreichischem materiellem Recht. Als Gerichtsstand wird das für den 1. Wiener Gemeindebezirk örtlich zuständige Gericht vereinbart.
Conditions of Sale Extract from the rules of procedure The wording of the complete rules of procedure can be viewed on our website www.imkinsky.com. We can also send you the rules of procedure upon request. • Rules of Business. Auctions are conducted according to our conditions of sale. The rules of business are available at the auction house, and can be requested by post or email (office@ imkinsky.com), they can also be called up on the internet under www.imkinsky.com. • Estimates: In the catalogues the lower and upper estimated values are indicated and represent the approximate bid expectations of the responsible experts. • Reserves (Limits): Sellers quite often appoint the auction house, not to sell their objects beneath certain price. These prices (= reserve/limit) usually match the lower estimate, but in special situations can also surpass them. • Guarantee of Authenticity: The valuation, as well as technical classification and description of the art objects is carried out by the specialists of Auktionshaus im Kinsky. Auktionshaus im Kinsky guarantees the purchaser the authenticity for three years – i.e. that the authorship of the art object is as set out in the catalogue. • Catalogue Descriptions: Catalogue information concerning techniques, signatures, materials, condition, provenance, period of origin or manufacture etc. are based on the current knowledge determined by the experts. Auktionshaus im Kinsky does not warrant for the correctness of these descriptions.
• Insurance: All art objects are insured. The insurance value is the arithmetic average of the two estimates. The responsibility of the auction house lasts until the eighth day after the auction. After that, each art object is only insured if the purchaser is not in delay. • Starting price & Hammer price: The starting price is determined by the auctioneer. The bidding rises in approximate increments of 10% from the last bid. The highest bidder acknowledged by the auctioneer will be the purchaser as long as it has reached the minimum price (reserve). • Buyer’s Premium: For art objects which require ‘difference’ taxation the purchase price consist of the hammer price plus the sales commission of 26%. For art objects which require ‘normal’ taxation (marked with ▲), the price consists of the hammer price plus commission of 22%, plus VAT (13% for paintings, 20% for antiques). For hammer price in excess of 1,000,000 we will charge a commission of 17% (margin taxation) or 14% (normal taxation) for the exceeding amount. • Droit de suite: Objects marked with an asterisk * in the catalogue are subject to droit de suite in addition to the purchase price. Droit de suite is calculated as a percentage of the highest bid as follows: 4% of the first 50,000, 3% of the next 150,000, 1% of the next 150,000, and
0.25% of the remaining amount (i.e. over 500,000), but not exceeding a total sum of 12,500. Droit de suite does not apply to highest bids below 2,500. • Absentee bids: Clients can also submit written absentee bids or bid themselves over the phone, or give an order to the broker. To do so Auktionshaus im Kinsky must have received signed order forms (available in the catalogues), in due time. • Telephone bids: We will do our best to establish a telephone link, but we cannot warrant for such a telephone connection. • Online Bidding: Interested parties can participate in the auction also via the Internet. Bidders are subject to the terms and conditions of sale for bidding in person. Auktionshaus im Kinsky assumes no liability for any breakdown or loss of the Internet connection. • Governing Law and jurisdiction: The site for the dealings between Auktionshaus im Kinsky and the purchaser is the address of Auktionshaus im Kinsky. All legal dealings or conflicts between persons involved in the auctions are governed by Austrian Law, place of jurisdiction shall be the Courts for the First District of Vienna.
Geschäftsführende Gesellschafter
Sensal
Service
Michael Kovacek
Monika Uzman T +43 1 532 42 00-22 Außerhalb der Öffnungszeiten: M +43 664 421 34 59 monika.uzman@gmail.com Sensalin
Elena Wenzel T +43 1 532 42 00-31 wenzel@imkinsky.com Assistenz der Geschäftsführung
Dr. Ernst Ploil
Mag. Christoph la Garde
ExpertInnen Michael Kovacek Gerichtssachverständiger für Möbel, Glas und Volkskunst, Silber 16.–19. Jh., Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen 19. und 20. Jh. T +43 1 532 42 00 Antiquitäten, Alte Meister, Gemälde 19./20. Jh.
Mag. Claudia Mörth-Gasser T +43 1 532 42 00-14 moerth-gasser@imkinsky.com Klassische Moderne
Mag. Roswitha Holly T +43 1 532 42 00-19 holly@imkinsky.com Jugendstil & Design
Mag. Astrid Pfeiffer T +43 1 532 42 00-13 pfeiffer@imkinsky.com Zeitgenössische Kunst
Eva Gruber-Letz, BA MA T +43 1 532 42 00-15 gruber-letz@imkinsky.com Antiquitäten
Dr. Ernst Ploil Gerichtssachverständiger für Möbel, Kunsthandwerk und sonstige Erzeugnisse des Jugendstils T +43 1 532 42 00 Jugendstil & Design
Mag. Kareen M. Schmid T +43 1 532 42 00-20 schmid@imkinsky.com Alte Meister
Prof. Peter Baum M +43 676 351 66 59 Kunst 20. Jh.
Mag. Christoph la Garde T +43 1 532 42 00 lagarde@imkinsky.com Zeitgenössische Kunst
Mag. Monika Schweighofer T +43 1 532 42 00-10 schweighofer@imkinsky.com Gemälde des 19. Jh.
Dr. Hansjörg Krug T +43 1 512 18 01 Alte Grafik, Zeichnungen und Bücher
Expertenassistenz Anja Wolf, MA T +43 1 532 42 00-66 wolf@imkinsky.com Antiquitäten, Jugendstil & Design Timea Pinter, MA T +43 1 532 42 00-41 pinter@imkinsky.com Zeitgenössische Kunst Barbara Berger, BA T +43 1 532 42 00-43 berger@imkinsky.com Klassische Moderne Anna K. Erdkamp, BA Klassische Moderne Jasmin Panagl, MA T +43 1 532 42 00-28 panagl@imkinsky.com Alte Meister, Gemälde des 19. Jh.
Heidi Hofmann, BA T +43 1 532 42 00 hofmann@imkinsky.com Kundenbetreuung & Veranstaltungen
Logistik
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Westösterreich & Südtirol
Mag. Elisabeth Skofitsch-Haas M +43 676 450 67 50 skofitsch@imkinsky.com im Kinsky Graz A-8010 Graz, Kaiser Josef Platz 5/ Eingang Ecke Mandellstrasse Alle Sparten
Dr. Marianne Hussl-Hörmann T +43 1 532 42 00-27 M +43 699 172 92 313 hussl-hoermann@imkinsky.com Alle Sparten (Schwerpunkte 19. Jh., Klassische Moderne), Presse, im Kinsky editionen, Private Sale
„Auktionshaus im Kinsky ist Partner von Art Loss Register. Sämtliche Gegenstände in diesem Katalog, sofern sie eindeutig identifizierbar sind und einen Schätzwert von mind. EUR 5.000 haben, wurden vor der Versteigerung mit dem Datenbankbestand des Registers individuell abgeglichen.“ “Auktionshaus im Kinsky is a member of the Art Loss Register. All works in this catalogue, as far as they are uniquely identifiable and have an estimate of at least EUR 5,000 have been checked against the database of the Register prior to the auction.”
Fees for buyers Buyer’s premium Subject to differential taxation
Subject to normal taxation
26% of the hammer price up to and including € 1,000,000, 17% of any amount in excess of € 1,000,000 of the hammer price. These rates include 20% VAT. 22% of the hammer price up to and including € 1,000,000, (marked with ▲) 14% of any amount in excess of € 1,000,000 of the hammer price. These rates exclude 13% VAT with paintings and 20% VAT with antiques.
Droit de suite Auktionshaus im Kinsky collects artist’s resale rights for artists and their heirs from a hammer price of € 2,500 up to € 50,000: 4%, a further € 150,000: 3%, a further € 150,000: 1%, a further € 150,000: 0.5%, over this: 0.25%. A maximum total of € 12,500 Buyer’s Commission on completion of the auction for bids below the reserve price, of hammer price: 30% Storage fees * Four weeks after the auction the items are relocated to a forwarding company. The buyer must pay the costs.
Interest on late payments (From the 9th day after the auction) per year from the purchase price: 12%
Insurance There are no costs within 8 days (for buyers from outside Austria up to 30 days) after the auction. After this, and only at the behest of the buyer, (plus sales tax) per month from the hammer price: 1%
* Applied from the 9th day after the auction for nationals, from the 31st day for buyers from outside. Packaging, shipping and insurance of auctioned objects only take place upon the buyer‘s request and at his expense and risk.
Fees for sellers Seller’s Commission for a lower estimate: up to € 4,900: 25% from € 5,000: 15% includes sales tax for high-value art pieces by agreement
Insurance There are no costs during the period between handover and auction. Afterwards only on request: 1% per month based on reserve price plus 20% sales tax.
Contribution to catalogue costs Minimum fee: € 100 Half-page image: € 200 Full-page image: € 300 Double-page spread: € 600 Cover: € 900
Storage fees For four weeks after the auction unsold items are offered in the post-auction sale. After that, the items are relocated to a forwarding company. The buyer must pay the costs.
Valuation costs
Catalog ue subscription
1% of the estimated price plus 20% sales tax minimum 250
Annual subscription (including shipping costs): Austria 115 Europe 130 Overseas 200
Transport costs After the shipment is actually carried out. With transport insurance only if specifically requested. Advance payment interest per year: 12%
Broker fee 1.2% of the hammer price
Gebühren für Käufer Käuferprovision Bei Differenzbesteuerung
Bei Normalbesteuerung (mit ▲ gekennzeichnet)
bis 1.000.000,– 26 % vom Meistbot, für den 1.000.000,– übersteigenden Betrag 17 % vom Meistbot. Im Aufgeld ist eine 20 %ige Umsatzsteuer enthalten. bis 1.000.000,– 22 % vom Meistbot, für den 1.000.000,– überschreitenden Betrag 14 % vom Meistbot. zuzüglich 13 % USt bei Gemälden bzw. 20 % USt bei Antiquitäten.
Folgerecht Im Kinsky hebt das Folgerecht für Künstler und ihre Erben ab einem Meistbot von 2.500,– ein. Höhe: bis 50.000,– Meistbot: 4 %, von weiteren 150.000,– Meistbot: 3 %, von weiteren 150.000,– 1 %, von weiteren 150.000,– 0,5 %, darüber 0,25 %, insgesamt maximal 12.500,–. Käuferprovision nach der Auktion Bei Verkäufen unter dem Mindestverkaufspreis beträgt die Provision 30 % des Kaufpreises. Gekaufte aber nicht abgeholte Kunstwerke werden vier Wochen nach der Auktion bei Speditionen eingelagert. Die dafür anfallenden Kosten trägt der Käufer.
Verzugszinsen 12 % p.A. des Meistbots* (ab dem 9. Tag nach der Auktion).
Versicherung Keine Kosten bis 8 Tage (für ausländische Käufer bis 30 Tage) nach der Auktion. Danach pro Monat 1 % des Kaufpreises*.
* Verrechnung ab dem 9. Tag nach der Auktion für Inländer, ab dem 31. Tag für Ausländer. Die Verpackung, Versendung und Versicherung ersteigerter Objekte erfolgt nur auf Anweisung des Käufers und auf seine Kosten und Gefahr.
Gebühren für Verkäufer Verkäuferprovision Bei einem Mindestverkaufspreis bis 4.900,– 25 % ab 5.000,– 15 % (inkl. USt) bei teureren Kunstobjekten jeweils nach Vereinbarung
Versicherung Keine Versicherungsspesen ab der Übernahme bis fünf Wochen nach der Auktion. Unverkaufte Objekte werden nur auf Anweisung pro Monat vom Mindestverkaufspreis 1 % (zuzüglich 20 % USt) des Limits versichert.
Katalogkostenbeiträge für Abbildungen Mindestpreis 100,– für halbe Seite 200,– für ganzseitige Abbildung 300,– für doppelseitige Abbildung 600,– für Klappe 900,–
Lagerkosten für unverkaufte Kunstwerke In der Auktion nicht verkaufte Objekte bleiben vier Wochen im Nachverkauf. Zwei Wochen nach dieser Nachver kaufsfrist werden sie an Speditionen ausgelagert. Die dafür anfallenden Kosten trägt der Verkäufer.
Schätzungskosten
Katalogabonnement Sensalgebühr
1 % vom Schätzpreis, zuzüglich 20 % USt mindestens 250,–
Jahres-Gesamt-Abonnement (inkl. Versandkosten): Österreich 115,– Europa 130,– Übersee 200,–
Transportkosten, -versicherung Nach dem tatsächlichen Aufwand. Eine Transportversicherung erfolgt nur auf ausdrückliche Anweisung! Vorschusszinsen 12 % p.A.
1,2 % vom Meistbot
Marianne Hussl-Hörmann, mit Beiträgen von Herbert Giese, Sabine Grabner, Johann Kräftner Wien 2011, 200 Seiten, € 59,—
Gabriele Spindler, Andreas Strohhammer Wien 2012, 256 Seiten, € 69,—
Michael Krapf Wien 2014, 326 S., € 39,90,—
Marianne Hussl-Hörmann, mit Beiträgen von Manfried und Marianne Rauchensteiner, Matthias Boeckl Wien 2013, 356 S., € 69,—
Andrea Winklbauer, unter Mitarbeit von Marianne Hussl-Hörmann Wien 2016, 304 S., € 69,—
Ernst Ploil Wien 2014, 195 S., € 69,—
Von sehr vielen bedeutenden österreichischen Künstlern gibt es keine – oder zumindest keine aktuellen – Monographien und Werkverzeichnisse. Mit der Gründung der im Kinsky editionen haben wir daher als erste private Institution in Österreich im Jahr 2011 damit begonnen, diese Lücke zu füllen. Bestellung office@imkinsky.com, T +43 1 532 42 00, www.imkinsky.com Ernst Ploil | Toby Sharp Wien 2017, 240 S., € 69,—
Josef Hoffmann, Kat. Nr. 112, € 50.000–80.000
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Jugendstil & Design | Art Nouveau & Design 125. Kunstauktion Jugendstil & Design Freitag, 30. 11. 2018, 15 Uhr
Norbertine Bresslern-Roth, Kat. Nr. 440, € 70.000–140.000
Auktion 30. November 2018 Auction 30 November 2018
Klassische Moderne | Modern Art Auktion 30. November 2018 Auction 30 November 2018
125. Kunstauktion Klassische Moderne Freitag, 30. 11. 2018, 17 Uhr
Roy Lichtenstein, Kat. Nr. 712, € 20.000–35.000
Zeitgenössische Kunst | Contemporary Art Auktion 1. Dezember 2018 Auction 1 December 2018
Bestellung | Order office@imkinsky.com, T +43 1 532 42 00 www.imkinsky.com Katalogpreis | Catalogue price: Österreich | Austria € 10, Europa | Europe € 15, Übersee | Overseas € 20 (inkl. Versand | Incl. shipping)
125. Kunstauktion Zeitgenössische Kunst Samstag, 1. 12. 2018, 15 Uhr
ONLINE-Bidding You also have the possibility to bid online.
Before the auction 1. Please register under the link online.imkinsky.com and check the box “I want to place LIVE bids online“ if you want to place bids at the auction.
We can process your registration only until 12 am on the day of the auction. Accreditation requests received after 12 am cannot be considered and you will not be able to place bids online.
You also have the possibility to view the auction without placing bids. In this case, please do not check the box “I want to place LIVE bids online”.
Please note: If you are a new customer to the auction house im Kinksy, we kindly ask you to send us a copy of your valid photo ID by email to office@imkinsky.com or by fax to +43 (0) 1 532 42 00-9.
2. After the successful registration you will receive an automatic confirmation email. 3. An employee of the auction house im Kinsky will then check your data and contact you.
During the auction 1. On the day of the auction you can log in with your user name and password on online.imkinsky.com.
If you want to place online bids, you must have previously been approved by the auction house im Kinsky.
Should you have forgotten to check the box “I want to place LIVE bids online”, you can do so until 12 am at the day of the auction: Please click on the link “To place live bids please click HERE” on the welcome screen.
2. To follow the auction in real time click on the link “—> CLICK HERE TO GET TO THE AUCTION” on the welcome screen after you have logged in or on the menu item “Auction / ONLINE AUCTION”. 3. The first lot will be visible ca. 30 minutes prior to the auction. The video stream will be activated ca. 15 minutes before the auction. 4. As soon as a black button appears in the middle of the screen you will be able to place a bid for the lot. Please note: As soon as the “Bid” button is clicked, a binding bid is submitted.
General policy If there are two (or more) bids of the same amount, the bids take precedence as listed below: • online-bids • broker’s bids • written bids • bids in the saleroom / telephone bids
ONLINE-Mitbieten Sie können auch online bei unserer Auktion mitbieten.
Vor der Auktion, damit Sie online mitbieten können: 1. Registrieren Sie sich unter dem Link online.imkinsky.com und klicken Sie auf „Ich möchte LIVE mitbieten“, wenn Sie bei der Auktion mitbieten wollen.
Wir können Ihre Registrierung nur bis 12 Uhr am Tag der Auktion bearbeiten. Nach 12 Uhr wird Ihre Akkreditierungsanfrage nicht mehr berücksichtigt und Sie können somit nicht live mitbieten.
Sie können die Auktion selbstverständlich auch nur live mitverfolgen, ohne mitzubieten. Setzen Sie dafür kein Häkchen bei „Ich möchte LIVE mitbieten“.
Bitte beachten Sie: Wenn Sie Neukunde des Auktionshauses im Kinsky sind, schicken Sie bitte eine Kopie Ihres Lichtbildausweises an office@imkinsky.com oder faxen diese an +43 (0) 1 532 42 00-9.
2. Nach erfolgreicher Registrierung erhalten Sie eine generierte Bestätigungs-E-Mail. 3. Nach Überprüfung Ihrer Daten nimmt das Auktionshaus im Kinsky per E-Mail Kontakt mit Ihnen auf.
Während der Auktion 1. Loggen Sie sich mit Ihrem Benutzernamen und Passwort auf online.imkinsky.com ein.
Um bei der Auktion mitbieten zu können, müssen Sie als Bieter vom Auktionshaus im Kinsky akzeptiert worden sein.
Haben Sie bei der Registrierung die Checkbox „Ich möchte LIVE mitbieten“ nicht angeklickt, können Sie das bis 12 Uhr am Tag der Auktion nachholen: Klicken Sie dazu auf dem Willkommensbildschirm nach dem Login auf den Link “Um während der Auktion online mitzubieten, klicken Sie bitte HIER”.
2. Um die Auktion live mitzuverfolgen, (egal, ob Sie mitbieten wollen oder nur zusehen möchten) klicken Sie einfach auf den Link „—> HIER GEHT’S ZUR AUKTION“ auf dem Willkommensbildschirm nach dem Login oder auf den Menüpunkt „Auktion / ONLINE AUKTION“. 3. In dieser Ansicht wird das erste Los ca. 30 Minuten vor Auktionsstart sichtbar sein. Der Videostream aus dem Auktionssaal wird ca. 15 Minuten vor Auktionsstart sichtbar sein. 4. Sobald ein schwarzer Button in der Mitte des Bildschirms angezeigt wird, können Sie mitbieten. Klicken Sie darauf, geben Sie automatisch ein verbindliches Angebot für das Objekt ab.
Allgemeine Richtlinie Liegen mehrere Gebote in gleicher Höhe vor, so erhalten die Gebote in nachstehender Reihenfolge Vorrang: • Online-Gebote • Gebote der Sensalin • Schriftliche Gebote • Gebote im Saal / telefonische Gebote
Kunstberatung und Übernahme zur Auktion Für unsere 126. Kunstauktion am 26. & 27. Februar 2019 suchen wir hochwertige Kunstwerke office@imkinsky.com , T +43 1 532 42 00 www.imkinsky.com
Olga Wisinger-Florian, Der Fürstenweg in Raitz (Detail), 1907 Öl auf Leinwand, 101,5 x 135,5 cm, verkauft um € 144.900
Experten für Gemälde des 19. Jahrhunderts: Mag. Monika Schweighofer, T +43 1 532 42 00-10, schweighofer@imkinsky.com Michael Kovacek, T +43 1 532 42 00, M +43 664 240 48 26
Auktionsablauf 125. Auktion 30. November & 1. Dezember 2018 Besichtigung der Schaustellung ab 22. November 2018 Öffnungszeiten Montag–Freitag 10–19 Uhr Samstag, Sonntag & Feiertag 10–17 Uhr Freitag, 30. November 2018 15 Uhr: Jugendstil & Design 17 Uhr: Klassische Moderne Samstag, 1. Dezember 2018 15 Uhr: Zeitgenössische Kunst 18 Uhr: Evening Sale
Auktionsvorschau 126. Kunstauktion 26. & 27. Februar 2019
Process of the Auction 125th Auction 30 November & 1 December, 2018 Duration of Exhibition from 22 November 2018 Opening hours Monday–Friday 10am–7pm Saturday, Sunday & Bank holiday 10am–5pm Friday, 30 November 2018 3 pm: Art Nouveau & Design 5 pm: Modern Art Saturday, 1 December 2018 3 pm: Contemporary Art 6 pm: Evening Sale Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Auktionshaus im Kinsky GmbH, Palais Kinsky, 1010 Wien, Freyung 4 Firmenbuch FN 34302 w Handelsgericht Wien, UID Nr. ATU 37293905 Für den Inhalt verantwortlich: Michael Kovacek, Dr. Ernst Ploil und Mag. Christoph la Garde, 1010 Wien, Freyung 4, T +43 1 532 42 00, F +43 1 532 42 00-9, office@imkinsky.com Digitalfotografie, Satz, Druck, Bindung: Grasl FairPrint, A-2540 Bad Vöslau, Druckhausstraße 1, Tel. +43/2252/402-0, print@grasl.eu, www.grasl.eu Foto Experten, Service: Teresa Zötl, Detailsinn Fotowerkstatt, Wien Grafik Design: Alexander Rendi, Mitarbeit Eugen Lejeune, Wien
Preview 126th Auction 26 & 27 February 2019
Neben den öffentlichen Auktionen bieten wir im Kinsky unseren Kunden auch die Möglichkeit, hochwertige Kunstwerke diskret durch Private Sale zu veräußern. Basierend auf unserer Kenntnis des Kunstmarktes und Marktgegebenheiten entwickeln wir gemeinsam mit Ihnen eine auf Ihr Kunstwerk und Ihre Bedürfnisse abgestimmte Verkaufsstrategie. Wir übernehmen für Sie den gesamten Verkaufsprozess. Dabei profitieren unsere Kunden von unserem weltweiten und vertrauten Zugang zu privaten und institutionellen Sammlern und Sammlungen. Unsere Kunden schätzen die Professionalität und Diskretion unseres Hauses. Wenn Sie mehr über Private Sale im Kinsky erfahren wollen, so freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Michael Kovacek, miko@imkinsky.com T +43 1 532 42 00-48, M +43 664 240 48 26 Dr. Marianne Hussl-Hörmann, hussl-hoermann@imkinsky.com T +43 1 532 42 00-27, M +43 699 172 92 313 Mag. Christoph la Garde, lagarde@imkinsky.com T +43 1 532 42 00-25, M +43 664 301 05 07
Es gibt mitunter GrĂźnde, Kunstwerke nicht in einer Auktion zu verkaufen.
Private Sale im Kinsky
Werner Berg Kat. Nr. 26
Maria Lassnig Kat. Nr. 60
Egon Schiele Kat. Nr. 10
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EVENING SALE KLASSISCHE MODERNE & ZEIGENÖSSISCHE KUNST 1. DEZEMBER 2018
KLASSISCHE MODERNE & ZEITGENÖSSISCHE KUNST 1. DEZEMBER 2018
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