7 minute read

RAETO RAFFAINER

«REGELMÄSSIGE VERÄNDERUNGEN SIND WICHTIG»

Sportdirektor Raeto Raffainer spricht im Interview über die wichtigsten mittel- und langfristigen Herausforderungen für den SCB. Dabei geht es unter anderem um Stichworte wie Veränderungen, Personalentscheide, Individualisierung und Infrastruktur.

Advertisement

2019 war der letzte grosse Erfolg in der Meisterschaft. Seither ist beim SCB intern, aber natürlich auch beeinflusst durch die Pandemie, einiges passiert. Wie haben Sie den SCB zuerst von aussen wahrgenommen?

Mit dem Substanzverlust nach den Abgängen von Leonardo Genoni, Mark Arcobello und Gaëtan Haas in den letzten zwei Jahren war für mich klar, dass der SCB nicht mehr über eine Top-4-Mannschaft verfügt. Man kann solche Spieler nicht einfach ersetzen. Trotzdem hätte ich den SCB unter den ersten Acht erwartet. Aus meiner Sicht hat der SCB unter seinem Wert gespielt, so gesehen waren die beiden neunten Ränge eine Überraschung. Zudem war die letzte Saison für viele Teams nicht messbar. Die Ausfälle wegen der Pandemie haben auch zu komplett unterschiedlichen Ausgangslagen geführt. Der HC Davos befand sich beispielsweise aufgrund der kantonalen Vorschriften in Graubünden nur einmal drei Tage in Quarantäne, beim SCB hingegen war vier Mal die ganze Mannschaft während zehn Tagen in Quarantäne.

Und wie war es dann ab Februar 2021 nach Ihrem Wechsel zum SCB?

Als ich nach Bern kam, stand an meinem ersten Arbeitstag das Auswärtsspiel gegen die Lakers auf dem Programm. Die Lakers gewannen 5:2, es war eine bemerkenswert schlechte Leistung, angefangen bei Einsatz und Körpersprache. Aber danach hat sich das

«Erstens ist es wichtig zu verstehen, dass man mit jungen Spielern Erfolg haben kann. Zweitens aber gibt es keinen Platz im Team, nur weil man jung ist.»

Raeto Raffainer

Team trotz dem verrückten Spielplan Woche für Woche gesteigert. Dazu beigetragen hat wohl auch der Wechsel auf der Ausländerposition von Ted Brithén zu Cory Conacher. Und es gab zwei Höhepunkte: den Cupsieg und die Tatsache, dass wir in den Playoffs gegen den Favoriten und späteren Meister vier Spiele auf Augenhöhe gespielt haben.

Im Sport wechseln sich Erfolgsphasen und Baissen immer wieder ab. Lässt sich das überhaupt verhindern oder ist es einfach ein Gesetz wie beim Wetter: Nach dem Regen kommt die Sonne und umgekehrt?

Das ist so. Was der EV Zug im letzten Jahr gezeigt hat, ist beeindruckend und gibt es sehr selten. Normalerweise haben auch die Topteams im Verlauf einer Saison irgendwann ein Tief. Abgesehen davon sind Baissen wichtig, um etwas zu lernen. Wer beispielsweise in einer Playoff-Serie 0:2 zurückliegt, für den sieht es von aussen gesehen sehr schwierig aus. Nach innen ist es aber eine grosse Chan-

Raeto Raffainer erklärt an der Saison-Medienkonferenz die mittel- und langfristigen sportlichen Ziele des SCB.

ce, Lehren zu ziehen und zurückzukommen. Wer das schafft, ist einen Schritt weiter.

Und wie sieht es mit dem Erfolg über längere Distanz aus?

Grossräumig gelingt es den Einzelsportlern öfter über lange Zeit top zu bleiben. Generell ist der Erfolg Nahrung für Nachlässigkeit. Das Verständnis, im Erfolg die Gründe dafür zu erkennen, schwindet. Klar ist aber, dass es auch im Erfolg Veränderungen braucht. Die Umsetzung schaffen aber viele Organisationen nicht. Da gibt es beispielsweise einen wichtigen Spieler, dem man viel zu verdanken hat. Es kommt Romantik ins Spiel. Man neigt dazu, mit diesem Spieler den Vertrag zu verlängern, obwohl die Zukunft anderen gehört. Profi-Eishockey hat aber mit Romantik nichts zu tun. Regelmässige Veränderungen sind wichtig, um konstant erfolgreich zu sein. Aber selbst wenn man sich entsprechend verhält, gelingt es längst nicht immer, erfolgreich zu bleiben. In der Niederlage hilfreiche Massnahmen zu treffen, ist einfach. Im Erfolg die richtigen Schritte zu machen, ist eine grosse Kunst.

Das Team des SCB befindet sich im Umbruch. Worauf gilt es dabei zu achten?

Man darf die Geduld nicht verlieren. Das ist insbesondere bei Organisationen, die lange erfolgreich waren, nicht einfach, weil die Erwartungen per se sehr hoch sind. Da muss man die Coaches und das Team schützen. Mit der jetzigen Mannschaft werden wir, wenn alle gesund sind, einen Rang zwischen Platz sechs und acht erreichen können. Aber wir dürfen nicht den SCB aus vergangenen Zeiten erwarten. Einfach auf den Knopf drücken, funktioniert nicht.

Wie sieht es bezüglich der jungen Spieler beim SCB aus?

Erstens ist es wichtig zu verstehen, dass man mit jungen Spielern Erfolg haben kann. Zweitens aber gibt es keinen Platz im Team, nur weil man jung ist. In unserer Strategie haben wir Gefässe, wo sich die Jungen weiterbilden können. Einerseits in unserem U20-Team, das mit Mario Kogler von einem ausgewiesenen Fachmann geführt wird, oder in einem Partnerteam. Es kommt der Tag, an dem die Jungen zeigen können, wie weit sie sind. Wir glauben, dass wir mit unseren Jungen zum Erfolg zurückkehren können. Bei der Entwicklung und Förderung ist der Spielertyp unbedingt zu berücksichtigen. Es bringt z.B. wenig, einen offensiv sehr talentierten Spieler in der vierten Linie einzusetzen. In der Vorbereitung haben unsere jungen Spieler in den richtigen Rollen ihre Chance erhalten und dabei eine gute Figur abgegeben. Aber das heisst noch nicht viel. Es stellt sich nun die Frage: Ist es besser für sie, 6-8 Minuten in der NL oder 16-18 Minuten in der Swiss League zu spielen? Es wird wohl mehrheitlich

eine Mischung werden, um im Verlauf der Zeit zum Stammspieler zu wachsen. Eines ist klar: Junge an Toren oder Assists zu messen, ist der falsche Ansatz.

Inwiefern hat die Pandemie den Umbruch unterstützt oder gebremst?

Die Pandemie hat die meisten Clubs gefordert, weil man budgetmässig Einschränkungen hatte. Die Krise hat den Umbruch bei uns unterstützt. Nach der letzten Meisterschaft 2019 war klar, dass ein Verjüngungsprozess eingeleitet werden musste.

In der aktuellen Mannschaft fällt auf, dass das Coaching-Team verstärkt worden ist. Sowohl im Sommertraining als auch für die Saison. Welche Überlegungen stecken dahinter?

Grundsätzlich geht es darum, in allen Bereichen zu individualisieren. Das braucht mehr Ressourcen. Wir haben versucht, qualitativ gute Leute für verschiedene Aufgaben zu holen. Wir wollen eine Organisation sein, in welcher sich ein Spieler weiter und fertig entwickeln und ein bestandener Spieler so lange wie möglich auf seinem besten Niveau spielen kann.

Hat man bewusst mehr in den Coaching-Bereich investiert als in Spieler? Und wenn ja, warum?

Von mir aus ist die Coaching-Struktur modern aufgestellt, so wie das heute bereits an vielen Orten üblich ist. Bezüglich Spielern haben wir auf dem Schweizer Markt versucht, noch etwas zu erreichen. Das hat aber leider nicht geklappt.

In drei Jahren soll der SCB wieder an der Spitze mittun. Nicht zuletzt, um die Strategie auf dem Weg dorthin zu formen, sind Sie engagiert worden. Was sind die wichtigsten Punkte Ihrer Strategie und wie gehen Sie vor?

Es gilt, den Kern der Mannschaft zu verbreitern und zu verjüngen, ebenso brauchen wir Stabilität im Tor. Das sind wichtige Faktoren. Wir müssen den Ruf und das Vertrauen gegenüber externen Spielern und Agenten wieder aufbauen. Es muss wieder klar werden, dass der SCB eine gute Adresse und konkurrenzfähig auf dem Spielermarkt ist. Wir benötigen ein modernes, attraktives Spielsystem, das auch eine Weiterentwicklung in die Nationalmannschaft und nach Nordamerika ermöglicht. Die Integration von jungen Spielern, die Durchlässigkeit in der ganzen Organisation, gehören ebenfalls dazu. Und: Gute Personalentscheide sind immer wichtig.

Bezogen auf Strategie sind drei Jahre eher kurzfristig. Welche Aufgaben stellen sich dem SCB, um auch in zehn Jahren erfolgreich sein zu können?

Ja, drei Jahre sind eine kurze Zeit. Auf weite Sicht müssen wir die Konkurrenzfähigkeit mit dem Budget anstreben, das uns zur Verfügung steht. In den letzten fünf Jahren hat sich die Landkarte im Schweizer Eishockey verändert. Bis dahin hatten mit den ZSC Linos, Davos, Lugano und dem SCB vier Clubs Meisterpotenzial. Inzwischen sind es doppelt so viele: Zug, Biel, Fribourg und Lausanne sind dazu gekommen. Die Konkurrenzfähigkeit im Vergleich zu Organisation mit Mäzenen wird die grösste Herausforderung für uns sein. Auch die Infrastruktur ist ein Thema. Da werden wir nachziehen müssen. Ganz allgemein haben wir eine sehr grosse Verantwormein haben wir eine sehr grosse Verantwor tung in der Region und im Kanton tung in der Region und im Kanton Bern. Das geht weit über zehn Bern. Das geht weit über zehn Jahre hinaus. Es geht um den Jahre hinaus. Es geht um den Eishockeysport allgemein, die Eishockeysport allgemein, die Rekrutierung von Kindern. Rekrutierung von Kindern. Es ist unsere Aufgabe, dafür Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Eltern ihre zu sorgen, dass Eltern ihre Kinder mit gutem Gewissen Kinder mit gutem Gewissen zu unserem Sport bringen. zu unserem Sport bringen. eines LeistungsHockey integ-

In welchem Bereich sehen Sie -langfristig das grösste Entwicklungspotenzial im Schweizer Club-Eishockey und bezogen auf den SCB?

In der Erstellung eines Leistungszentrums, in welchem auch das FrauenHockey integriert wird. (dk)

This article is from: