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ABHAKEN, VERGESSEN UND NEU ANGREIFEN
Als am Silvesterabend 2021 bekannt wurde, dass mit Marco Lehmann einer der talentiertesten Schweizer Stürmer für drei Jahre beim SCB unterschrieben hat, war die Freude über diesen Transfer bei Spieler und Club riesig.
Die SCB-Fans jubelten, die Rapperswiler waren traurig und SCB-Sportchef Andrew Ebbett gab zu Protokoll, «dass einer der talentiertesten und besten jungen Spieler mit einer hervorragenden Einstellung zum SCB stösst». Der in Kloten gross gewordene Goalgetter der Rapperswil-Jona Lakers hatte sich entschieden, zum Verein zu wechseln, für den er schon seit frühester Jugend schwärmte. André Rötheli, Martin Plüss und Ivo Rüthemann waren seine Idole. So war es denn auch logisch, dass Marco Lehmann die Chance packte und vom oberen Zürichsee an die Aare wechselte. «Der SCB war immer mein Traum, ich wollte einen weiteren Schritt vorwärts machen und war überzeugt, beim SCB eine tragende Rolle übernehmen zu können.» Für einige kam der Wechsel überraschend, weil Rapperswils Weg in den letzten Jahren steil nach oben zeigte, der SCB sich jedoch schwer tat, an vergangene und erfolgreiche Zeiten anzuknüpfen. Eine Journalistin liess sich sogar zur Bemerkung verleiten, der Transfer sei allein deshalb zustande gekommen, weil in Bern mehr zu verdienen sei als in der Rosenstadt. Doch der schnöde Mammon spielte keine Rolle – vielmehr ging ein Bubentraum in Erfüllung.
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Der perfekte Einstieg
Marco Lehmann kam im Sommer 2022 in Bern an und beeindruckte von der ersten Stunde an. Beim traditionellen Lauf auf den Niesen über 11674 Stufen mit einer Höhendifferenz von 1669 Metern war er der Schnellste des gesamten SCB-Kaders. Kurz darauf machte das SCB-Fanionteam auf Einladung der Hornussergesellschaft Bern-Beundenfeld die Kleine Allmend unsicher und versuchten sich die Spieler mit Stecken und Nouss. Auch dort brillierte der Neuling. Zwar flog das Spielgerät nicht ganz so weit wie bei Captain Simon Moser, der noch heute in jeder Nationalliga-A-Gesellschaft mit seinen Streichen um die 300 Meter zu den Langschlägern zählen würde. Aber auch bei ihm flog der Nouss weiter als bei den meisten seiner Teamkol- legen. «Ich habe mich im Team hervorragend integriert, wurde sehr gut aufgenommen und freue mich auf die kommende Saison», meinte damals der Neuling. Das Angebot von Beundenfeld-Präsident Martin Thomet, im Sommer für seine Gesellschaft zu hornussen, schlug er (vorerst) aus.
Die Ferien auf Kreta
Voller Selbstvertrauen und Vorfreude auf die kommende Saison flog Marco Lehmann kurz darauf in die Ferien. Sonne, Meer und Sand, dazu leckeres Essen –die Destination Kreta, die grösste der griechischen Ferieninseln, bot sich an. Doch genau dort begann die lange Leidenszeit – heute mag Marco Lehmann die fünf Buchstaben Kreta gar nicht mehr hören. «Dorthin fliege ich sicher nie mehr», blickt der Mann zurück auf die schlimme Zeit. Bereits am zweiten Tag plagten ihn Schmerzen, er litt an einer Magen-Darmverstimmung – von einem Tag auf den anderen war alles anders. «Ich flog vorzeitig in die Schweiz zurück, begab mich nach der Landung in Kloten sogleich auf die Notfallstation. In der Folge suchten zahlreiche Ärzte und Spezialisten monatelang nach den Gründen für meine schlechte Verfassung. Es wurde alles unternommen, vieles versucht und untersucht, doch der Virus war nicht wegzubringen. Ich litt unter postinfektiösen Beschwerden, die Magenprobleme blieben, an ein Training war nicht zu denken, geschweige denn an ein Spiel.» So war Marco Lehmann in der vergangenen Saison zum Zuschauen verurteilt, befand sich oft in der PostFinance Arena und hielt den Kontakt mit seinen Mannschaftskollegen trotz aller Schwierigkeiten so weit wie möglich aufrecht.
Jetzt
Wird Alles Anders
Diese Saison, da ist sich Marco Lehmann sicher, wird alles anders. Er hat sich körperlich erholt, befindet sich noch nicht ganz, aber beinahe auf dem «VorKreta-Fitnessstand» und ist bereit, anzugreifen. In Bern hat er sich bestens eingelebt, wohnt in einer schmucken, grosszügigen Wohnung in einem Berner Vorort nahe der PostFinance Arena mit Blick auf Bantiger und bei klarer Sicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau. «Bei gutem Wetter fahre ich mit dem Velo ins Training, regnet es, kann ich auch mal mit dem Auto den kurzen Weg fahren. Das Velo benütze ich auch am Samstagmorgen, wenn kein Spiel stattfindet. Dann fahre ich in die Altstadt auf den Märit, kaufe Gemüse und Salat ein, frisch und knackig muss es sein.» Nicht selten hat der Hobbykoch Besuch. Seine Eltern und Bruder Nico, der bei Thurgau in der Swiss League auf Torjagd geht, kommen zu Besuch. Dann steht Marco am heimischen Herd und kocht ganz einfach etwas grössere Portionen. Eben: frisch und knackig. Und mit frischem Elan und hoffentlich mehr Glück als zuletzt steigt der Profi, der seit Kindsbeinen die Nummer 23 trägt, voller Hoffnung in die kommende
Wohnung mischen Herd und kocht ganz einfach Saison.