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Chris DiDomenico im Interview «So ist DiDo»
«SO IST DIDO!»
Der 33-jährige Kanadier spricht im spirit-Interview vor dem Saisonstart über seine Rolle in Bern, einen früheren SCB-Coach, der ihn stark beeinflusst hat – sowie über Statistiken, Antrieb und Alkohol.
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Text: Reto Kirchhofer Fotos: Marcel Bieri, Thomas Hiller
Kannst du unseren Fans erklären, wer Chris DiDomenico ist?
Chris DiDomenico ist DiDo, eine zufriedene Person, die neben dem Eis ziemlich ruhig ist. Aber streift DiDo ein Trikot über, zeigt sich seine andere Seite: Dann ist er emotional, leidenschaftlich und will um jeden Preis gewinnen.
Ich liebe das Spiel, nicht Tore und Assists.
Du stehst so oft wie möglich auf dem Eis, selbst in optionalen Trainings: Wie stark nervt es dich noch, bist du ausgerechnet für die ersten zwei Saisonspiele zuhause gegen Zug und auswärts gegen Ambrì gesperrt?
Selbstverständlich nagt das noch an mir, zumal ich die Sperre nicht nachvollziehen kann. Ich habe im letzten PlayoffHalbfinalspiel für Gottéron gegen den ZSC Patrick Geering mit dem Knie getroffen, unglücklich, mich unmittelbar nach dem Match
bei ihm entschuldigt. Aber hey, es ist passiert, ich kann es nicht ändern, die 3630 Franken Busse habe ich natürlich aus dem eigenen Sack bezahlt. Nun werde ich halt die ersten zwei Spiele von aussen verfolgen und dann wird es gegen Biel heissen: ready to rock!
Waren deine letzten zwei Saisons in Fribourg die besten deiner Karriere?
Also wenn du die Skorerpunkte betrachtest, gehörten diese zwei Jahre wahrscheinlich zu meinen besten. Aber ich weiss es nicht, weil mir individuelle Statistiken überhaupt nichts sagen, mich nicht interessieren.
Wirklich nicht?
Ach, Eliteprospects, all die Skorerlisten, dieses Zeugs überlasse ich denjenigen, die mich mit Zahlen konfrontieren wollen. Ich spiele Eishockey, die Betonung liegt auf «spielen». Ich liebe das Spiel, nicht Tore und Assists. Es ist ein Teamsport, fünf Jungs auf dem Eis, dazu ein Goalie, diese Zahlen interessieren mich. Und vor allem interessiert mich, mit dem SCB einen Titel zu gewinnen.
Du spielst seit Februar 2014 in der Schweiz – unterbrochen von einem Abstecher nach Nordamerika, wo du dir in Ottawa deinen NHL-Traum erfüllen konntest. Dein damaliger Trainer Guy Boucher hat eine Vergangenheit in Bern…
…und Guy ist wohl derjenige Coach, der mich am stärksten geprägt hat. Er trainierte mich als Assistent an der Junioren-WM mit Kanada, später am Spengler Cup, und er gab mir die Chance, in der NHL zu spielen.
Wenn dir Statistiken nichts sagen: Wie sieht es mit Erinnerungsstücken aus – etwa an dein erstes NHLSpiel und dein erstes NHL-Tor?
Die entsprechenden Pucks sind schön eingerahmt bei meinen Eltern zuhause. Sie leben in North York, Ontario. Ich schulde ihnen einiges. Sie haben auf sehr viel verzichtet, um mir eine Eishockeykarriere zu ermöglichen. Die Beziehung ist eng, wir telefonieren praktisch täglich. Wahrscheinlich kommen sie über Weihnachten in die Schweiz, das wäre toll.
Dein Weg in die Schweiz war speziell, er führte via Asiago, Italien, zu den SCL Tigers.
Ja, ich habe tatsächlich in Italien gespielt. Mein Vater ist in Italien geboren. Aber Italienisch sprechen kann ich nicht. Langnau wurde auf mich aufmerksam, holte mich in die Schweiz, nun bin ich immer noch hier. Auch den SCL Tigers verdanke ich viel: In Langnau wurde ich gewissermassen zum Spieler, der ich heute bin. Und ich hoffe, ich kann auf diesem Weg weiterfahren. Bern ist ein toller Ort mit viel Hockeygeschichte. Wir wollen nach schwierigen Jahren mithelfen, wieder ein Erfolgskapitel zu schreiben.
Baumaterial als Ablösesumme – wie Chris DiDomenico den Weg ins Schweizer Eishockey fand
Es ist Winter 2013/14, die SCL Tigers haben keinen Sportchef, dafür einen Haufen Sorgen. Ein Ausländer wird gesucht. Und so stöbert ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle die Skorerliste der Eishockeywelt durch. In Italien ragt ein Stürmer von Asiago heraus: Chris DiDomenico. Ob der Spieler etwas taugt, können die Langnauer nicht beurteilen. Aber die Werte des Kanadiers sind ausgezeichnet. Wenige Tage später kommt er im Emmental an, die Ablösesumme wird zwischen zwei befreundeten Firmen in Form von Baumaterial beglichen.
DiDomenico stand in Italien am Scheideweg. Seine Karriere hatte einen vielversprechenden Anfang genommen: Mit
Spielern wie John Tavares, Jordan Eberle und P.K. Subban gewann er mit Kanadas U20 WM-Gold. Doch danach fiel er auch wegen einer Beinverletzung in Nordamerika ausser
Rang und Traktanden, erhielt kein gutes Angebot mehr. Also zog er in die Eishockeyprovinz, in die Heimat seines ausgewanderten Vaters. 83 Partien für Asiago, 174 (!) Skorerpunkte, Meistertitel – und eben, vor allem ein Vertrag in
Langnau: Die Reise nach Italien hatte sich gelohnt.
«Der Mann, der die Langeweile verhindert»
In Langnau wird DiDomenico zum Aufstiegshelden und Publikumsliebling. Er garantiert Tore und Emotionen, ist ein Leader, sammelt für die Emmentaler 210 Punkte in 182 Spielen. Danach wechselt er zum früheren SCB-Coach Guy Boucher nach Ottawa, erfüllt sich bei den Senators seinen Traum von der NHL, kommt in 27 Partien auf sechs Tore. In der Folge tingelt er durch die AHL, kehrt, ermüdet von der Reiserei, ins europäische Eishockey zurück. Der Kanadier löst bei Langnau sein Versprechen ein, wonach er im Fall einer Rückkehr nach Europa bei keinem anderen
Club unterschreiben werde. Nach zwei weiteren Saisons im Emmental wechselt DiDomenico 2020 nach Fribourg, erreicht im ersten Jahr 48 und im zweiten herausragende 69 Punkte.
Längst gehört «DiDo» nicht nur zu den auffälligsten und spektakulärsten, sondern auch wirkungsvollsten
Akteuren in der National League. Unlängst titelte die
«Berner Zeitung» in einem Porträt über den 33-Jährigen: «Der Mann, der die Langeweile verhindert.»
Und nun also: Bern. SCB-Publikumsliebling Tristan
Scherwey ist voller Vorfreude und sagt: «Mit seiner
Spielweise und seinem Charakter verkörpert ‹DiDo› den Charakter des SCB.» Und: «Ohne solche Typen wäre
Eishockey nur halb so spannend.» (rek)
Beim SCB sprechen viele vom Motto: «Wir wollen wieder angreifen.» Inwiefern spürst du diesen Willen im Team?
Die letzten Jahre waren hart. Die Verantwortlichen haben nun ein tolles Team zusammengestellt. Wir lassen das Schlechte hinter uns und werden ab dem 16. September zeigen, dass Bern zurück ist.
Wie siehst du deine Rolle?
Ich gehe davon aus, dass mich die Verantwortlichen geholt haben, weil ihnen mein Stil zusagt. Also werde ich DiDo sein, mein Spiel zeigen und gleichzeitig umsetzen, was die Trainer von mir sehen möchten.
Auf dem Eis bist du der Aggressivleader, der Emotionen bringt. Im Teamchat gehörst du ebenfalls zu den Aktiven, bist Unterhalter, Stimmungsmacher. Behagt dir das?
So ist DiDo! (schmunzelt) Ich spreche gerne, bringe Leute zum Lachen. Wir können nicht in die Menschen hineinsehen. Aber jeder macht schwierige Phasen durch, hat schlechte Tage. Ich will in dieser Hinsicht aktiv sein, die Leute aufbauen. Generell mag ich es, die Dinge locker zu halten, wenn es die Situation erlaubt. Aber ist Business angesagt, geht’s ums Business.
Auf den Teamreisen nach Mallorca und Köln sollst du dich den jüngeren Spielern angenommen haben.
Ich versuchte, ihnen ein paar Dinge übers Leben zu erzählen, ein paar Ratschläge zu geben. Aber letztlich entscheiden sie, ob sie zuhören wollen oder nicht. (schmunzelt)
Was für Ratschläge?
Jeder will Spass haben, das verstehe ich – auf einem Teamtrip erst recht. Aber letztlich bist du ein professioneller Ath-
let. Ich habe auf solchen Reisen schon viel gesehen, auch verrückte Unfälle, die ganze Eishockeykarrieren beendet haben. Dann schaust du später zurück und denkst: Wie konnte ich nur! Also: Spass haben, klar, aber nicht deine Gesundheit mit irgendwelchen blöden Aktionen gefährden.
Du trinkst seit einiger Zeit keinen Alkohol mehr – aus Überzeugung?
Ich habe vor gut einem Jahr damit aufgehört und seither nichts mehr angerührt, auch nicht an Hochzeiten oder anderen Anlässen. Das hilft, gerade auf Teamreisen (schmunzelt). Aber ich tue das nicht aus Überzeugung. Dieses Alkoholzeugs interessiert mich zurzeit nicht.
Dein Transfer war aber mit Bier verbunden.
(schmunzelt) Ja, Ebby (Sportchef Andrew Ebbett, die Red.) hat mir erzählt, dass einige Fans nach dem Transfer ein paar Kisten Bier ins Büro geschickt haben. Das gibt mir Extramotivation, weil es mir zeigt, dass die Fans in meine Fähigkeiten vertrauen.
Du ziehst Energie aus dem Publikum. Was erhoffst du dir von den Heimspielen?
Das sollte spassig werden, wenn wir von 16000 oder 17000 Menschen unterstützt werden. Diese Energie gibt dir eine Art Extra-Momentum. Dieses gilt es auf die richtige Weise zu nutzen. Manchmal lasse ich mich von den Emotionen ein bisschen vom Weg abbringen, aber ich versuche, das zu kontrollieren. Gehört aber auch zu DiDo. Jedenfalls freue ich mich extrem auf den Start. Ready to rock!