Werner Berg - Schwarz Weiss als Steigerung der Farbe

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WERNER BERG SCHWARZ WEISS ALS STEIGERUNG DER FARBE



WERNER BERG SCHWARZ WEISS ALS STEIGERUNG DER FARBE

SCHÜTZ KUNST & ANTIQUITÄTEN I 2014



WERNER BERG SCHWARZ WEISS ALS STEIGERUNG DER FARBE


WERNER BERG IM FILM I 1964

Die Holzschnitte in ihrem puren, starken Schwarz-Weiß könnten den Eindruck vermitteln, als hätten sie nichts mit der Malerei zu tun. In Wirklichkeit ist deren Schwarz-Weiß eine Steigerung, eine Konzentrierung, eine Zusammenfassung der gesamten Malerei. Es gibt wenige Holzschnitte, die für mich nicht aus einem ursprünglichen Farbsehen und -empfinden entstanden wären. Als ich zum Holzschnitt kam, ging es mir darum, die vorhandene Tendenz aufzugreifen, aber den Holzschnitt selbst straffer zusammenzufassen, in einem Schwarz-Weiß, in dem man die Schwingung trotzdem spüren konnte. Der „Schlafende Trinker“ ist so ein frei geschnittenes Blatt, dessen Druckstock in einem grobfaserigen Holz – in diesem Fall handelt es sich um Fichte – besonders charakteristisch ist. Ich möchte Ihnen kurz darlegen, wie der Holzschnitt entsteht: Man färbt ein Brett mit knapper Vorzeichnung ein und arbeitet dann die schwarz-weißen Massen mit dem Hohleisen heraus. Die Platte ist eingefärbt worden, die Zeichnung fixiert und der Schnitt soweit fertig, dass der Druck beginnen kann. Auf einer Glasplatte walzt man die Druckfarbe aus, bis sie dann soweit streichfähig ist, dass man sie auf die Platte übertragen kann. Wenn die Platte genügend eingefärbt ist, nimmt man ein Papier – in meinem Fall ein echtes und sehr taugliches Japanpapier – und legt den Bogen vorsichtig auf und beginnt mit dem Falzbein zu reiben. Die ist die älteste oder auch primitivste Form des Druckes, aber auch die, bei der der ursprüngliche Charakter des Holzes, des Holzschnittes, viel besser zum Ausdruck kommt als bei einer Presse. Dieses etwas umständliche Verfahren gestattet keine Reproduktion mechanischer Art in x-beliebiger Anzahl, aber dafür hat der einzelne, genau überprüfte Abdruck weitgehend den Charakter eines Originals. Das heißt, die Reproduktion wird zu einer ursprünglichen Produktion. Japanpapier und Falzbein haben den Vorteil, dass sich der Holzschnitt im Laufe des Druckverfahrens sehr genau beobachten lässt. Wenn er sich dann von der Rückseite klar genug abzeichnet, so hebt man das Blatt vorsichtig ab. In jungen Jahren habe ich mich mit den verschiedensten grafischen Techniken beschäftigt. Ich habe radiert, mit der Kaltnadel, mit der Ätzung, lithographiert und wie ich vor 34 Jahren hierher auf den Rutarhof kam, hatte ich die Absicht, mir eine Presse zuzulegen, Ätzbäder, alle möglichen technischen Gegebenheiten. Und dann bin ich immer mehr darauf gekommen, dass der Holzschnitt, und gerade die Beschränkung auf den Holzschnitt, sowohl den künstlerischen Möglichkeiten wie den Gegebenheiten unseres bäuerlichen Lebens besonders entspricht. Ich sehe die Hölzer um mich herum wachsen, ich kann sie verarbeiten und als Künstler habe ich die Möglichkeit vom Brett, von der Zeichnung, vom Schnitt bis zum fertigen Druck alles in der eigenen Hand zu haben. Was sich aber für die Außenstehenden vielleicht nur als Beschränkung erweist, ist geradezu eine abenteuerliche Fülle von Möglichkeiten im Beharren der Jahre und Jahrzehnte. Und so habe ich es dankbar und mit Freuden angenommen, den Holzschnitt auf meine Art zu bearbeiten und zu entwickeln.

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HARALD SCHEICHER ZU WERNER BERGS HOLZSCHNITTEN

Als Werner Berg sich als Bauer auf dem Rutarhof ansiedelte, wählte er mit dem Holzschnitt die älteste Drucktechnik zu seiner ausschließlichen grafischen Ausdrucksform. Der Holzschnitt schien der selbst gewählten, ursprünglichen Lebensform am besten zu entsprechen. Zur Bildfindung dienten Werner Berg Skizzen, oft im selben Jahr wie der Holzschnitt, manchmal aber auch schon Jahre davor geschaffen. Die Skizzen entstanden unterwegs auf Märkten, kirchlichen Festen, Friedhöfen, in den Dörfern und Kleinstädten des Kärntner Unterlandes oder in der unmittelbaren Umgebung seines Hofes oft nur innerhalb von Sekunden. Mit der Skizze gelang es Werner Berg, das unmittelbare Seherlebnis möglichst direkt wiederzugeben. Die Wichtigkeit dieses Aspektes seiner Formfindung für sein ganzes Werk kann nicht überschätzt werden. Die Skizze war der nahtlose Kontakt zu einer Welt von Bildern des bäuerlichen Mikrokosmos. Eine längst verloren geglaubte Welt bevölkerte Werner Bergs Skizzenblätter. Im Holzschnitt sollte diese Welt im reinen SchwarzWeiß auferstehen, „Wirklichkeit unserer Tage“ werden. Dabei galt es, in dieser ältesten Drucktechnik jeden Anschein von Altmeisterlichkeit zu vermeiden. „Unmittelbar und unverfälscht“ sollten die Holzschnitte die kleine neue Welt wiedergeben. Werner Berg gelang dies, indem er die Linie der Zeichnung zum Umriss der einfachen schwarzen Fläche werden ließ. Wie in den 1932/33 entstandenen Ölbildern, in denen sich Werner Berg auch um größtmöglich flächige Wirkung bemühte, war die Wirkung des Schwarz als reine Fläche sein Ziel im Holzschnitt. Um diese Flächigkeit zu erreichen, musste jede Spur des den natürlichen Lichteinfall imitierenden Hell-Dunkels vermieden werden –`sei es in Form von plastische Wirkung erzeugenden Schraffuren, sei es aber auch von schlaglichtartig einen Körper dem Dunkel entreißenden Weiß-Partien. Der Holzschnitt wurde zu Werner Bergs bevorzugtem Ausdrucksmittel, weil diese Technik wie keine andere seinem Programm der Flächigkeit entgegenkam. Werner Berg benutzte für seine Holzschnitte hauptsächlich Linden- oder Fichtenhölzer. Während das gering gemaserte Lindenholz eine sehr präzise Linienführung und im Druck einheitlich schwarze Flächen erlaubte, riss das weichere und sprödere Fichtenholz entlang der Schnittlinie in kleinen Zacken aus, die Maserung konnte beim Druck vom Künstler bewusst gestalterisch hervorgehoben werden. Die Maserung der Fichtenhölzer wurde von Werner Berg gerne in die Gestaltung einbezogen. Dies gelang ihm vor allem aufgrund seiner Technik der Handdrucke. Werner Berg zeichnete meist mit Kohle und darüber mit Tusche auf die Holzplatte, danach färbte er die Platte mit blaugrauer Temperafarbe, um die ausgeschnittenen (im Abzug weißen) Linien und Flächen sich von Anfang an vom Dunkel abheben zu lassen. Das „Abreiben“ der oft weichen Holzplatten mit dem Falzbein führte bei wiederholter Anwendung dazu, dass scharfe Schnittkanten abgerundet und kleine hervorstehende Stege niedergedrückt wurden. Beim Fichtenholz verklebte mit wiederholtem Auftragen der Druckerfarbe die Maserung. Dies limitierte die Zahl der möglichen Abzüge. Nach dem Schneiden wurde auf die Holzplatte mit einer kleinen Handwalze die Druckerfarbe aufgebracht. Ein Blatt Japanpapier wurde auf den so eingefärbten Druckstock gelegt. Von der Rückseite des Papiers rieb Werner Berg die Platte mit dem Falzbein ab.

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Die Druckfarbe schwärzte das saugfähige Japanpapier durchgehend bis auf dessen Rückseite, so dass Werner Berg beim Drucken die Intensität der schwarzen Flächen beurteilen und modulieren konnte. Diese Vorgangsweise erlaubte ihm – im Gegensatz zum Druck mit einer Presse – vielfältige feine Abstufungen des monochromen Schwarz. So konnten sich in der schwarzen Fläche Teile dunkler und geschlossen gegen andere hellere unterscheiden. Gerade diese vom Betrachter auf den ersten Blick oft unbemerkten Gestaltungselemente verleihen den Originalen einen in der Reproduktion schwer wiederzugebenden Reiz. So unterscheiden sich auch die einzelnen Abzüge einer Platte voneinander. „Es gibt bei mir nicht zwei gleiche Drucke. Die Reproduktion ist eigentlich eine Produktion“, sagte Werner Berg. Diese Umstände erlaubten dem Künstler nur wenige Handabzüge von einer Platte. Werner Berg schnitt die Platten zwischen den einzelnen Drucken oft nach, sodass es eigentlich keine identischen Drucke gibt, der einzelne Abzug als „Monotypie“ eher den Charakter eines von Künstlerhand gestalteten Originals, denn einer maschinell (mit der Druckerpresse) vervielfältigten Wiedergabe hat. In der Regel verwendete Werner Berg für seine Abzüge reines Japanpapier. Nur aus der Zeit von 1945 bis etwa 1955 existieren auch Drucke auf Ingres-Papier. Das Format des Papiers beträgt etwa 48 x 60 cm. Ausnahmen sind wenige Drucke auf kleinerem Bogen, sowie die auf 60 x 96 cm Bogen gedruckten großformatigen Blätter. Werner Berg signierte jedes Blatt mit vollem Namen unter dem rechten Rand der bedruckten Fläche und schrieb den jeweiligen Titel des Holzschnittes an den linken unteren Rand des Papiers. Bei den vielen frühen Holzschnitten beträgt die Zahl der Drucke meist 6, in einigen Fällen nur 2 oder 3, ab Mitte der sechziger Jahre waren es dann bei einzelnen Blättern, ab 1976 fast generell 12 Drucke. Die Zahl der Abzüge wurde dabei nicht am einzelnen Blatt angeführt, weil Werner Berg die Drucke oft in großem zeitlichen Abstand anfertigte – wie es ihm die Pausen im bäuerlichen Alltag ermöglichten. Er wollte sich nicht durch eine vorher bestimmte Anzahl die Möglichkeit späterer Drucke nehmen, blieb aber mit der Zahl von 1 bis 12 Drucken weit unter der Zahl der bei einem Auflagendruck zusätzlich erlaubten „Künstlerexemplare“ von 30 Stück. Dass eine höhere „Auflage“ aus den erwähnten technischen Gründen bei Werner Bergs Vorgangsweise unmöglich war, zeigt auch die Tatsache, dass Werner Berg 1949, als er von der „Österr. Gesellschaft für zeitgenössische Graphik“ 60 Drucke in Auftrag bekam, das Motiv dreimal auf verschiedenen Platten schnitt, um die geforderte Auflage liefern zu können. Bei den verschiedenen Zustandsdrucken gibt es große Unterschiede der verändernden Maßnahmen – vom Zersägen einer ursprünglichen Platte in zwei oder mehrere Teile, dem Wegschneiden eines oder mehrerer Köpfe in einer Gruppe von Dargestellten, dem Entfernen von Bäumen oder ähnlicher Hintergrundlandschaft bei den kleinfigurigen Darstellungen bis zu den fast dauernd während den Handabzügen vorgenommenen Nachschneiden, wobei die vorgenommene Veränderung oft erst bei genauestem Hinsehen erkennbar wird. So lassen sich bei sehr vielen Holzsschnitten bei eingehender Analyse der Blätter „Zustandsdrucke“ ausfindig machen.

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AUSGEWÄHLTE HOLZSCHNITTE


BEGEGNUNG

I 1930



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

I 1967

Es ist merkwürdig, dass das, was auf den ersten Blick bei einem Holzschnitt von Werner Berg als einfach erscheint, sich am stärksten der Kopie verweigert. Denn diese scheinbare Einfachheit ist das Ergebnis einer eisernen Selbstdisziplin. Es stehen die Motive so klar und unverrückbar im Bildviereck, dass sie anders gar nicht gedacht werden können. Er ist ein Meister der Bildkomposition. Werner Bergs Einzelgängertum resultiert aus einem ganz speziellen und nicht wiederholbaren Lebensprogramm. Er war nicht Bauer, er wurde es. LS

I Sind Sie Bauer geworden um der Kunst willen? Aus dem Bedürfnis dem Einfluss eines

Kunstbetriebes, eines städtischen, zu entrinnen? Oder entsprang dieser Entschluss ganz allgemein dem Bedürfnis sozusagen sein eigener Herr irgendwo zu sein? Und resultiert das Spezifische Ihrer Kunst aus diesem Entschluss? WB

I Als ich endlich die Möglichkeit hatte, nach Werkarbeit und Studium mich der Malerei

zu widmen, da war’s mir von Anfang an klar, dass ich aufs Land wollte. Einzig mit der Absicht unabhängig von den gesellschaftlichen Bedingungen zu leben und zugleich ein Leben zu führen, dass voll sinnenstarker Anschauung wäre. Das ist das Landleben. Das Bauersein war nur das Mittel dazu. Es erforderte viel harte und sehr reale Anspannung. Es bedingte ein sehr konkret durchgestandenes Leben. Und ist geradezu das Gegenteil von dem, was man leicht unterschiebt, nämlich eine Flucht in die Idylle. LS

I Und es war niemals ein Widerspruch zwischen Ihrem Leben und Ihrem Kunstwollen?

WB

I Ein Widerspruch war es nicht. Beides hat sich ständig in polarer Spannung gehalten.

Es war oft schwer. Welcher Mensch leidet nicht unter den Spannungen dieses oder jenes Lebens. Zuletzt aber war beides für beides befruchtend.

WEIBER UNTERWEGS

I 1932

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KRIPPERIN

I 1933



WERNER BERG IM FILM

WB

I 1964

I Wir sind nun über 30 Jahre hier auf dem Rutarhof. Es waren keine leichten Zeiten – sehr

wechselhafte. Es war etwa so, wie Andric einmal sagte, „man lebt nur in den Windstillen zwischen den Zeiten“. Aber letztlich muss ich den jungen Entschluss nur dankbar preisen. Wir sind ja auch nicht in falscher, romantischer Absicht hierher gegangen. Im Gegenteil, wir suchten nur ein Leben, das voll Kraft, Sinn und Anschauung sei. Und jeden Tag auf dem Rutarhof habe ich das dankbar neu empfunden. Wie wir hierher kamen, waren die Verhältnisse in der Landwirtschaft noch ganz andere. Die Kärntner Slowenen, die dem hiesigen Bauernland – durchaus einem Kleinbauernland – Charakter und Klangfarbe geben, sind ungemein fleißig. Es wurde Getreide jeder Art gebaut, bis zur Hirse – dem Brein – und dem Buchweizen – dem Hadn – Ölfrüchte aller Art gediehen und wir mussten auf unsere Weise die Wirtschaft betreiben, genauso wie es die Bauern machten.

MANN MIT KORB

I 1937

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

LS

I 1967

I Was bedeutet Ihnen die Farbe? Ist sie ein gesteigertes Signal für den angesprochenen

Gegenstand? Ist sie ein reines Stimmungselement? Ist sie ein primäres Kompositionselement? Können Sie das sagen? WB

I Ich müsste alle drei Elemente gleichzeitig bejahen und betonen, wobei zuweilen das eine

oder das andere vorherrscht. Jedenfalls ist die Farbe für mich etwas Primäres, etwas Tonangebendes, so sehr, dass auch die Holzschnitte, dass das reine, das pure Schwarz-Weiß nur aus der Farbe heraus entstanden ist, sogar recht eigentlich eine Steigerung der Farbigkeit in ihrer

scheinbaren Negation bedeutet. Von den Worten, die Sie anführen, von den Begriffen, könnte ich kaum um das Wort Stimmung herum, wenn es nicht so sentimental abgegriffen, so gefühlig wäre. Aber wenn ich dann an die Klangfarbe denke, die jeder Mensch in sich trägt, an das Gestimmtsein, so könnte ich dann doch auf dieses Wort nicht verzichten und es ist nicht zu leugnen, dass ich eine sehr bestimmte Klangfarbe in mir trage, die sich nach Ausdruck sehnt. Und das muss durchaus nicht immer im Sinne eines Wohlklangs sein, das kann auch sehr wohl eine Dissonanz sein.

HÜHNER IM SCHNEE

I 1948

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

ORF

I 1965

I Sie haben doch ein ganz gewisses Abenteuer auf sich genommen, nämlich das menschliche

Gesicht, dem haben sie sich ganz besonders gewidmet? WB

I Um meinem großen verewigten Freunde Kassner nachzureden, würde ich sagen, dass

die Physiognomie, der Ausdruck unseres menschlichen Gesichtes, der Ausdruck unseres Erdenschicksals ist. ORF

I Und damit haben Sie versucht, uns eigentlich den Menschen des Kärntner Unterlandes,

den Menschen an der Grenze, irgendwie näher zu bringen. WB

I Ja. Indem ich das Spezifische dieser Menschen zu schildern versuche, es zu ergründen

versuche, glaube ich auch mir selbst am meisten auf die Spur zu kommen. Denn es ist doch immer das letzte Bestreben des Künstlers, sich selbst auszudrücken. Und je stärker der Widerstand, umso besser vielleicht oft das Ergebnis und umso klarer die Möglichkeit, das zum Ausdruck zu bringen.

SINGENDE

I 1950

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WERNER BERG IM FILM

WB

I 1964

I Die unmittelbare Umgebung des Hofes, die Familie, der Hof selbst, das Wirtschaftsleben geben

an sich schon eine Fülle von Themen. Aber es kommen noch die sehr bedeutsamen Themen aus der Umgebung dazu, für die sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer mehr das Skizzieren als von

besonderer Bedeutung herausgestellt hat. So gibt es dann viele Gelegenheiten, zu denen ich ausziehe, nur mit der Absicht in Kontakt mit der Landschaft, mit den Menschen unmittelbare Eindrücke aufzunehmen. Solche Skizziermöglichkeiten bieten sich etwa bei den Märkten, dem Dreikönigsmarkt oder dem Mittfastenmarkt und ganz besonders bei dem Bleiburger Wiesenmarkt, der so etwas wie eine Vergatterung des ganzen Unterlandes ist, mit seinen Buden, Menschen, Viechern – voller Sehenswürdigkeiten. Im Gegensatz dazu wieder stehen die Gelegenheiten des Kirchenjahres, die die Landbevölkerung in ihrer Frömmigkeit, Versunkenheit und archaischen Figur zeigen. Und wieder im Gegensatz dazu die Szenen im Gasthaus, deren Groteske ja ebenso zum Leben gehört. Gerade auf so begrenztem Lebensraum entsteht aus der Gegensätzlichkeit der Themen ein Gesamtbild, das in sich unerschöpflich ist. Mein Hauptthema aber ist der Mensch, der bäuerliche Mensch in der Landschaft, die menschliche Figur als Realität und vor allem in der künstlerischen Verwandlung als Form und Sinnbild.

ZUSCHAUER

I 1951

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

LS

I 1967

I Warum lehnen Sie eigentlich Bildmotive ab, die nicht unmittelbar Ihrer Lebensumwelt

entstammen? Warum lehnen Sie das grundsätzlich ab? Hat es Sie nie gereizt einen anderen Landschaftstyp oder einen anderen Siedlungstyp, andere Menschen zu malen? Manchmal wenn ich z.B. in Jugoslawien reise, in Istrien, im Inneren des Landes vor allem, da denke ich: „Ach, das wäre ein Werner Berg Motiv“ und da wundert es mich manchmal, dass Sie aus dem Unterland sozusagen als Künstler, also als Maler, nicht herauskommen? WB

I Ja, ich verstehe das vollständig. Und auch mir geht es so, dass mir viele Dinge in der Welt

sehr gefallen, dass ich sie großartig finde, aber zur Gestaltung reizt mich dann doch nur mein eigener Lebensbezirk. Ich könnte gar nicht einmal sagen, ich lehne das andere ab, das ist eine

Symbiose, die sich im Zusammenleben herausgebildet hat, in der mir der Lebensbezirk, dem ich verpflichtet bin, immer nur weiter und unausschöpfbarer erschienen ist und aus dem heraus ich die Kraft für eine spezifische Arbeit immer wieder aufs Neue ziehe.

WIRTIN UND GÄSTE

I 1951

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

I 1965

ORF

I Bei Ihren Holzschnitten machen Sie alles händisch?

WB

I Alles.

ORF

I Ist das die ursprünglichste Art des Holzschneidens?

WB

I Ja, das ist die ursprünglichste Art, bei der ich auch immer gern bleibe.

ORF

I Wie machen Sie das eigentlich?

WB

I Na ja, ich schneide die Bretter mit dem Hohleisen im Langholz, färbe sie dann ein und

druck sie mit dem Falzbein ab. ORF

I Das heißt, Sie legen ein Papier auf und glätten es dann mit dem Falzbein, solange bis das

Schwarz gleichmäßig durchscheint. WB

I Ja, das ist oft eine sehr mühsame und umständliche Arbeit, aber ich glaube, das ist besser

so. Der einzelne Abzug hat immer noch den Reiz und den Charakter des Originals. ORF

I Und was ist eigentlich Ihre Lieblingstechnik, ist es das Ölmalen oder das Holzschneiden?

WB

I Das kann ich im Augenblick gar nicht sagen. Nur das eine muss ich sagen, dass ich

durchaus darauf angelegt bin, die Welt farbig zu sehen; dass das Ursprüngliche die Malerei, die malerische Gestaltung ist. Und aus den Farben, aus der farbigen Organisation löst sich dann erst das Schwarz-Weiß in einer reinsten und letzten Form ab. Ich male niemals Bilder als Vorbild zu Holzschnitten oder benutze Holzschnitte als Vorbild zu Bildern und mir kommt immer der französische Ausdruck des peintre-graveur, den es im Deutschen nicht gibt, dafür als vorbildlich vor – ein Maler, der Grafik macht. Und vielleicht ist die Grafik darum reiner, weil man die Malerei dem Malerischen überlässt, statt sie mit der Grafik zu vermengen.

FIGUREN UND OBSTBÄUME

I 1959

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

I 1965

ORF

I Sind Sie eigentlich mit irgendeiner Einordnung einverstanden – wenn man so sagt, Sie sind Expressionist?

WB

I Ich glaube nicht. Das könnte man selbst nie sein. Richtig ist, dass der Expressionismus mir starke Impulse gegeben hat.

Ich liebe Munch über alle Maßen. Nolde war mein starker Förderer durch viele Jahre hindurch. Aber wenn man einmal Gottfried Benn aufmerksam gelesen hat und seinen Ausdruck von der Phase zwei des Expressionismus richtig versteht, so wüsste man, dass aus dem Gefühl, dem Aufschrei sich die Form zu lösen habe; dass eigentlich erst die Gewinnung der Form die Bekundung des Gefühls ist. Insofern wäre dann der Expressionismus zuletzt das Gegenteil seiner selbst oder doch jedenfalls ein reinerer. ORF

I Aber Sie sind absolut für das Gegenständliche?

WB

I Ganz absolut, ja.

ORF

I Sie können gar keinen Geschmack am Ungegenständlichen finden?

WB

I Hm, ja Geschmack ist nicht der richtige Ausdruck …

ORF

I Für Sie meine ich?

WB

I Für mich absolut nicht. Aber es gibt schon Leistungen, die man respektieren muss und es gibt keine außerordentlichere Erschei-

nung als Kandinsky, der im Grunde alle Spielarten bereits vor über fünfzig Jahren durchexerziert hat. Aber ich glaube, dass der Mensch in seine schicksalhaft gegebene Welt hineingebunden ist und aus ihr die Form und das Gesicht wieder herauszuschneiden hat. ORF

I Ich könnte mir auch gar nicht vorstellen, dass ein Picasso hier hätte groß werden können.

WB

I Na ja, Picasso war auch ein Gegenständlicher, wenn Sie das betrachten.

ORF

I Ja, aber ich glaube, der braucht unbedingt seine südliche Landschaft, genau so wie sie Ihre Kärntner Landschaft brauchen.

WB

I Ja freilich, natürlich sind wir keine Stierkämpfer.

ORF

I Ja. Ich möchte nicht nur sagen, dass er vielleicht Stierkämpfer ist, sondern er braucht auch diese warmen Töne,

die Sie nicht da haben. WB

I Ja, aber es ist …

ORF

I Sie haben Blau und Grün und Violett, aber er hat Rot und Gelb und Grelles.

WB

I Aber es gibt auch kälteste Töne und es ist nicht umsonst das Schwarz die eigentliche Kleidung des Spaniers.

ORF

I Ja das stimmt auch. Aber ich glaube schon, dass eine gewisse landschaftliche Verbundenheit mit dem Künstler einhergeht?

WB

I Das ist ganz sicher. Nur darf man sie nie zu eng fassen.

SCHLAFENDER TRINKER

I 1959

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

I 1965

ORF

I Wie groß ist eigentlich der Rutarhof?

WB

I Ungefähr 23 Hektar. Mit 12 bis 14 Stück Rindviechern, zwei Pferden, zwanzig Schweinen und was so noch dazu gehört.

ORF

I Ja wenn man denkt ist das für einen Doktor wohl eine ganz schöne Leistung, diesen Bauernhof in Schuss zu halten, nicht?

WB

I Na ja, bitte ja.

ORF

I Sie haben doch ursprünglich ganz etwas anderes werden wollen?

WB

I Nein, ich wollte immer Maler werden. Das war in den schweren Ereignissen der Zeit des 1. Weltkrieges nicht möglich, mein Bruder ist

gefallen, mein Vater ist an Kriegsfolgen gestorben und damals, als es so sehr traurig aussah, habe ich nicht die Robustheit besessen mich durchzusetzen. Dann, nach praktischer Arbeit, habe ich zuerst ein Semester studiert und dann noch eins in Wien. Und in Österreich hat’s

mir so gut gefallen, dass ich gerne bleiben wollte. Ich kannte auch damals schon meine Frau. Und dann war es früh mein Wunsch auf dem Lande zu sein, um gesellschaftlich unabhängig zu leben und in einer Art, in der die Kunst von Anschauung gesättigt sei. Wie ich Assistent an der Wiener Universität war, habe ich buchstäblich von einem Tag zum anderen umgesattelt und bin dann Maler geworden, was ich immer werden wollte. ORF

I Und was haben Sie eigentlich studiert Herr Doktor?

WB

I Staatswissenschaften.

ORF

I Staatswissenschaften!

WB

I Staatswissenschaften, besser als Kunstgeschichte, verzeihen Sie.

ORF

I Das ist schon möglich, denn die Kunstgeschichte verdirbt einen ja.

WB

I Ja, ja. Es wär’ so ähnlich, wie wenn man die Liebe mit Freud beginnen würde.

ORF

I Ja, das dürfte richtig sein. Und was machen Sie mit Ihren Staatswissenschaften, gar nichts?

WB

I Ja.

ORF

I Die liegen brach?

WB

I Ja, ich verkaufe den Doktor für zwei Schilling fünfzig, aber es kauft ihn mir niemand ab.

ORF

I Wann konnten Sie dann mit dem Malen beginnen? Sie haben ja sicherlich eine gewisse Zeit gebraucht, um sich einzuleben

und Fuß zu fassen? WB

I Ja, gemalt habe ich im Grunde immer. Aber wie hier die harte Arbeit begann, da gab’s dann doch einmal ein halbes Jahr, wo

überhaupt keine Zeit war und auf allen Seiten angepackt werden musste. ORF

I Also doch immerhin schon sehr früh konnten Sie zeitweise den Pflug zur Seite stellen und den Pinsel in die Hand nehmen?

WB

I Das schon.

IM REGEN DAVONEILENDE

I 1962

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

WB

I 1965

I In der Beschränkung auf diesen Lebensbereich glaube ich erst ganz das Unausschöpfliche

und Unermessliche zu spüren, dass das Leben bietet. So dass man im Kleinsten, im Bleiben

gerade das Abenteuer des Vielgestaltigen erfährt. Ich glaube überhaupt, dass das das Problem unserer Zeit ist. Wenn man heute Bekannte sieht, so war der eine in Argentinien, in Griechenland, in Spanien, auf Spitzbergen oder Gott weiß wo. Ich bin hier geblieben und ich bin wohl dabei gefahren, ich habe mich wohl dabei befunden. Und ich glaube, dass man hier viel herausholen kann.

HEIMWEG IM REGEN

I 1962

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

I 1965

ORF

I Aber Sie fangen doch gewöhnlich mit dem Skizzenbuch an, oder?

WB

I Skizzieren tu ich dauernd. Das ist mein Auge, mein Kontakt, mein Sinneskontakt mit der Welt.

Und indem ich draußen skizziere, sehe ich eigentlich immer schon das Bild vor mir. ORF

I Und verwenden Sie sehr oft Skizzen für Bilder?

WB

I Ja, die Skizzen sind die ursprünglich auslösende Grundlage. Das Unterland, das slowenische –

das windische, wie man sagen will – hat seinen eigenen, besonderen und tiefen Klang. Und vielleicht ist es mir, als einem Menschen, der aus der Fremde, aus dem Nördlichen gekommen ist, vertrauter als dem heiteren Kärntner, der nur den blauen Seidenhimmel zu sehen gewohnt ist. ORF

I Vielleicht haben Sie es auch deshalb mehr gespürt, weil Sie aus einem anderen Land kommen?

WB

I Das ist sehr wohl möglich.

ORF

I Sie kommen aus dem Rheinland?

WB

I Aus dem Rheinland, genauer gesagt, aus dem so genannten Bergischen Land, das eine Enklave,

ein Zwischenbereich zwischen dem Westfälischen und dem Rheinischen ist und als solches nicht leicht zu klassifizieren. Es hängt ja auch nach der Lothringer Erbteilung sehr eng mit dem

Habsburgischen und Wittelsbacher Geschick zusammen – die Grafschaften Jülich, Mark und Berg.

KNABE MIT HUND

I 1964

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MANN MIT PELZKRAGEN

I 1967



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

LS

I 1967

I In Ihren Bildern, Herr Professor, hat der bäuerliche Mensch aber doch auch irgendetwas

von gefährdeter Existenz, etwas Fragwürdiges. Und in diesem Sinne erscheinen mir Ihre Bilder auch vom Künstlerischen her eine besondere Aktualität zu gewinnen. Aber vor allem sind Ihre Bilder nicht das, was man unter Bauernmalerei versteht. WB

I Ja, da haben Sie völlig recht und ich habe das auch nie angestrebt. So sehr es meine

Malerei mit dem Land und mit dem ländlichen Menschen zu tun hat, sieht sie doch in

keinem Augenblick an der Zeit vorbei und gerade der Bauer unseres slawisch beeinflussten Unterkärntens, seiner merkwürdigen Lebensbereiche, lebt in so dunklen Spannungen, dass eine Idyllik, eine bukolische Idyllik gar nicht aufkommen kann, so dass es überflüssig ist, von Bauernmalerei zu reden. Ich habe es oft bedauert, dass die ländlichen Urkräfte, die man oft etwas zu billig und leichtsinnig unter dem Namen Folklore oder zu tiefsinnig unter dem des chtonischen Urgrundes zusammenfasst, in der Malerei eine so geringe oder überhaupt keine Rolle spielen. Während in den sonstigen geistigen Strömungen, in der Literatur oder der Musik etwa das sehr wohl und immer wieder kehrt. Ich denke ganz besonders an Ferdinand Ramuz, den Wadtländer in der romanischen Schweiz, der die engsten Beziehungen zur Sprachmetropole, zur geistigen Metropole Paris unterhielt und zugleich völlig Wadtländer und rustikaler Mensch war. Ich denke an Andric, ich denke an viele andere, etwa an unseren großartigen, in seinen Anfängen so großartigen Johannes Lindner. Eine Entsprechung dafür fehlt in der bildenden Kunst. Entweder ist man tumb und liebt die Heimat in einem sehr falschen und billigen Sinne oder man ist ein Snob und schreitet darüber hinweg.

FRAUENKOPF SCHMAL II

I 1967

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DEZEMBER

I 1967



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

I 1965

ORF

I Und später haben Sie sich ein schönes Atelier gebaut?

WB

I Das Atelier habe ich gleich im Anfang gebaut. Obwohl es damals sehr schwer für mich

war, im dreißiger Jahr, wollte ich sozusagen meine ganze Existenz damit festnageln. Denn es geht ja nicht darum, jetzt den Bauern zu spielen – das ist man – sondern daraus die Kraft zu ziehen, Maler zu sein, das heißt eine geistige Existenz zu errichten. Das Atelier mit seinem Vorraum ist über einem alten Schafstall gebaut. Dieser Schafstall hat auch uns noch Jahre lang gedient und jetzt auch noch als Rübenkeller und darüber schwebt, gleichsam in der Luft, das Atelier. Es ist ein Gemisch von Werk- und Wohnraum. ORF

I Es ist recht gemütlich und man hat das Gefühl, man darf ruhig ein Buch aufgeblättert

liegen lassen und man muss es nicht gleich wegräumen. Und in der Tat liegen ja auch einige aufgeblätterte Bücher hier herum. Man sieht, dass Sie mitten im Leben sind, sozusagen, dass Sie hier nicht abseits stehen, sondern es kommt alles zu Ihnen herein und strömt wieder hinaus. Sie haben hier einen sehr schönen Blick auf den Hof und auf den Wald, um den sind Sie auch zu beneiden. WB

I Oh ja, man ist immer mitten in der Natur hier. Und ein Raum, wie Sie recht sagen, muss

ja nicht nur vom Ofen durchwärmt werden, sondern auch vom Menschlichen und Geistigem.

GEHÖFT

I 1967

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WERNER BERG IM FILM

WB

I 1964

I Meine Arbeit erw채chst aus einer Art Polarit채t: der eine Pol ist das unentwegte, beharrliche,

innige Dabeisein bei dem Lebenskreis, dem ich verpflichtet bin, der andere Pol ist die intensive, k체nstlerische Besinnung. Wenn sie wollen, so etwas wie die Erregung und das klare, kalte Bewusstsein. Zwei Dinge, die meines Erachtens f체r die Arbeit gleicherweise notwendig sind.

ZWEI DAVONSCHREITENDE

I 1967

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WARTENDE (ZWISCHEN GELEISEN)

I 1967



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

LS

I 1967

I Sie machen hunderte von Skizzen, wie sie mir schon öfter erzählt haben, auf Ihren Fahrten durchs

Land meist per Rad. Wann halten Sie eine Skizze für wert, zu einem Gemälde auszureifen oder zu Holzschnitten? WB

I Das kann ich im Einzelnen nicht beantworten. Es ist so, dass ich nie Einzelheiten skizziere,

nie einen Typus, eine Szene, sondern immer in der Impression zugleich das Bild finde. So dass jede Skizze ein Bildgedanke ist. In allen diesen Begegnungen, in diesen Abenteuern des Zeichnens, des sich Aussetzens der Natur, den Begebenheiten gegenüber sucht man aber doch letzen Endes nur die Entsprechung für sich selbst, für sein eigenes Inneres. Und so sind dann zuletzt die Skizzen bildträchtig, in denen man sich selbst im Leben der Anderen wiederfindet.

AUF DEM KLEINSEE-EIS I 1967

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

ORF

I 1965

I Sie sind dazu gekommen einen für sich eigenen Stil zu entwickeln, den man wirklich

nicht einordnen kann. Ich glaube auch ein berühmter Kunsthistoriker könnte nicht sagen, das ist also unbedingt dieser oder jener Ismus? WB

I Ist auch gar nicht notwendig.

ORF

I Es ist eben ein Werner Berg, nicht.

WB

I Na ja, schön.

ORF

I Man ist sich selbst am treuesten und das ist ja das Wichtigste.

Solange ich mich erinnern kann malen Sie eigentlich immer ähnlich oder gleich? WB

I Na ja, dass stimmt nicht ganz. Es sind nur die Verwandlungen, die Entwicklungen, nicht

so eklatant, nicht so äußerlich wahrnehmbar. ORF

I Das will ich damit nicht gesagt haben, dass nicht eine Entwicklung vor sich gegangen ist,

aber eine Stiländerung, eine wesentliche, konnte ich nicht bemerken? WB

I Nein. Es ist nicht mein Wesen in Brüchen mich zu entwickeln.

ORF

I Ich glaube, dazu trägt auch der Bauer ein bisserl bei.

WB

I Oh ja. Wenn man ein Feld eingesät hat, so kann man sich nicht nach einem Monat oder

zwei Monaten entscheiden, plötzlich etwas anderes daraus zu ernten. Man muss wachsen lassen und auf die Ernte gefasst sein.

DAVONEILENDE II

I 1972

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WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

ORF

I 1965

I Was hat Sie eigentlich dazu gebracht, dass Sie hier Fuß gefasst haben, dass Ihnen die

Gegend so gut gefallen hat? WB

I Wie ich aus dem Wald heraufkam und zum ersten Mal die Feldbreiten und Felsen des

Rutarhofes sah, da hatte ich das Gefühl, in einem anderen Land, in einer neuen Welt zu sein. Hier sind wir genau auf der Südwestecke des so genannten Rückersdorfer Hochplateaus, von dem man einen einmaligen Blick ins Unterland hat, der sowohl das Rosental mit dem Kalkgestein wie das Klagenfurter Becken mit dem dahinter liegenden Urgestein umfasst. Ebenso oder mehr noch als die Landschaft in ihrem dynamischen, sehr ursprünglichen Charakter hat es mir die Bevölkerung angetan, die damals besonders noch von gar keinem Klischee erfassbar, von vieldeutiger, hintergründiger Ursprünglichkeit war. ORF

I Und seit dieser Zeit ist Kärnten Ihre Wahlheimat?

WB

I Ja, sosehr Wahlheimat geworden, dass ich das Wort fast schon zurückweisen möchte,

denn ich bin wirklich hier angewachsen und fühle mich ganz mit den Wurzeln hier verwachsen.

VIER FRAUEN AUF DEM HEIMWEG

I 1972

52



UNA VILLANA VINDISCH

I 1972



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

ORF

I 1965

I Hier auf Ihrem Berg haben Sie seit kurzem elektrischen Strom und eine neue Wasserleitung

bekommen? Das war sicherlich ein sehr schwieriges und auch kostspieliges Unternehmen, aber Sie brauchen es sicherlich? Wie hoch sind Sie hier? WB

I 800 Meter.

ORF

I Und die nächste Ortschaft ist aber nicht gar so weit?

WB

I Na ja, zum Kaufmann und zur Post, zur fremden Post muss man eine halbe Stunde

gehen, zur eigenen eine Stunde.

In diesem Augenblick möchte ich gerne etwas einfügen: Wie wir hierher kamen, da haben wir immer geschaut, dass wir genau das machen, was die Bauern hier machen. Keine großen Sprünge. So haben wir genau das gemacht, was die Bauern taten. Nach zehn Jahren konnten wir vieles einführen, was dann die Bauern uns nachgemacht haben. Aber wir sind geblieben und haben uns behauptet. ORF

I Haben Sie irgendwelche Grundkenntnisse mitgebracht, als Sie hier angefangen

haben als Bauer? WB

I Das ist ein bisserl zu viel behauptet. Vielleicht weil ich sie nicht gehabt hab, bin ich hier

durchgekommen, dadurch habe ich den Respekt gehabt und war darauf bedacht, mich zu behaupten. Etwas anders war es bei meiner Frau, die aus einer alten Wiener Milchmeierfamilie stammt und den Mistgeruch und das Frühaufstehen von Haus aus kannte. ORF

I Ja aber das allein genügt ja nicht, um ein Feld bestellen zu können und auch

ernten zu können. WB

I Nein, das nicht, aber wenn man bedacht ist, es recht zu machen und fleißig ist, glaube ich,

kann man da auch etwas leisten, nicht? ORF

I Sie sind jedenfalls im Laufe der Zeit ein richtiger Bauer geworden?

WB

I Ja, ich habe 25 Jahre gearbeitet, wie kaum irgendwer arbeitet. Ich habe mit Freude alles

gemacht, was der Hof verlangte.

RÜCKWEG VOM DREIKÖNIGSMARKT

I 1972

56



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

I 1965

ORF

I Die Menschen hier haben auch heute noch zum Teil ein sehr einfaches Leben.

WB

I Oh ja. Und zwar in einem Maße, wie’s sich der Städter überhaupt nicht vorstellen würde.

ORF

I Und woher kommt das? Was zieht sie nicht in die Stadt, was zieht sie nicht in die

Industriebetriebe, ist es die Heimat hier? WB

I Nun ja, das wird sich mit den Jahren jetzt auch verwischen, der Zug der Technisierung

schleift mehr ein als alle politischen Tendenzen. Aber ursprünglich war der Kärntner Slowene – die einen sagen die Windischen, die anderen sagen der Kärntner Slowene, es ist natürlich das selbe – immer Abseitssiedler. Leute, die in Weilern und Gehöften, in kleinen Dörfern abseits gesiedelt haben und dadurch ihre Eigenart ganz besonders bewahrt haben. Sie haben zwar in einem immerwährenden Austausch mit der anderen Welt gelebt und sich darauf eingerichtet, aber ihre Lebenssituation hat doch bedingt, dass sie selbst und anders blieben. Und eben sie auch zu einem einfachen, arbeitsamen, fleißigen Leben verpflichtet.

UNTERWEGS IM JÄNNER

I 1972

58



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT DEM ORF

ORF

I 1965

I Ich bin viel durch das Kärntner Unterland gefahren, aber ich hab noch keinen getroffen, der nicht

auch deutsch gesprochen hat. Gibt es auch welche unter den Leuten die nur windisch oder kärntnerisch slowenisch sprechen? WB

I Oh ja, oh ja. Das gibt’s schon. Ich könnte Ihnen da aus unserer allernächsten Nachbarschaft Beispiele

nennen. Zum Beispiel der einzige Nachbar, der Holler, hat kaum, seine Frau hat überhaupt kein Deutsch können, der Nachbar unterhalb im Dorf genau so. Aber es ist der Zug der Zeit und der Entwicklung – man mag dazu stehen wie man will – dass die Enkel oft nicht einmal ihre Muttersprache, das Slowenische, sprechen dürfen. Dafür wüsste ich mehrere Beispiele.

BÄURIN MIT SCHIRM

I 1972

60



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

LS

I 1967

I Sie malen sehr viele nächtliche Bilder?

WB

I Ich denke an das Wort Jean Pauls: „In den Dämmerungen werden groß die Gefühle.“.

Die Nacht stellt die große Form der Landschaft, der Begebenheiten, der menschlichen

Situationen wieder her. Die Nacht und der Winter. Und drum fühle ich mich jenen im ganz besonderen Maße zugezogen, nicht so sehr aus einer sentimentalen Anwandlung als um der Größe und Feierlichkeit der Gestaltungsmöglichkeiten.

IM JÄNNER

I 1980

62



STROMER

I 1980



WERNER BERG IM INTERVIEW MIT LEE SPRINGSCHITZ

LS

I 1967

I Ich könnte mir vorstellen, dass jeden Künstler von Rang die Frage beschäftigt, wo

die schöpferischen Kräfte in der so vielgestaltig gewordenen Kunst unserer Zeit liegen. Vielgestaltig, was das Material betrifft, das angewendet wird, nicht minder aber die Inhalte und die Tendenzen. Wir wissen, dass Sie trotz der Eingrenzung Ihres eigenen Werks auf Unterkärnten, auf Ihr eigenes Milieu, den Überblick über die Kunst der Gegenwart nicht verlieren. Nun, wo glauben Sie, dass die schöpferischen Kräfte liegen? WB

I So gut es ging und mir gegeben war, habe ich mich immer bemüht, an den

geistigen Entscheidungen der Zeit nicht vorüberzugehen. Und mir ist auch jetzt noch jede Beunruhigung lieber als jede Selbstberuhigung. Nur weiß ich, der ich keineswegs ein Held von großer Entschiedenheit im Leben und im Denken bin, nur weiß ich im Eigensten mit einer merkwürdigen Genauigkeit, was ich zu tun und was ich zu lassen habe. Und das ist glaube ich das, worauf es ankommt, dass man nicht gegen Dinge polemisiert, die einem nicht schmecken, von denen man eines Tages vielleicht auch anders belehrt würde, dass man ohne Hader, das ergreift, was einem aufgegeben ist und mit aller Anspannung der Kräfte versucht es durchzuführen und zu einem guten Ende zu bringen. LS

I So gut auch immer Sie informiert sind, es spiegelt sich eigentlich nicht in Ihrer Kunst

wider. In Ihrer Kunst, in Ihren Bildern sind Sie eine Einheit, die von außen her völlig unbeeinflusst erscheint. WB

I Nur dürfte dieses Beharren nie zu einem Erstarren führen. Und diese Kraft der

Erneuerung glaube ich, muss man in sich spüren oder man müsste aufhören oder längst aufgehört haben.

ALTE MIT BUBEN

I 1981

66



WERNER BERG IM FILM

I 1964

In einem Augenblick, da die Entfernungen im Grunde gleichgültig geworden sind und die Reise auf den Mond bald ein Sonntagnachmittagsspaziergang sein wird, erscheint mir das Bleiben, das Beharren, das Durchdringen einer Lebenssituation als das Abenteuerlichste überhaupt. Und sicher auch als eine besondere Aufgabe des Künstlers, wobei ich keineswegs so vermessen sein will, zu behaupten als die Aufgabe des Künstlers unserer Zeit. Vor Jahren stieß ich einmal auf einen Vers von Gottfried Benn, den Großstadtmenschen sondergleichen, den Berliner, den man ja nicht unbedingt mit dieser unserer Lebenssituation in Zusammenhang bringen möchte. Aber dieser Vers schien mir wie ins Stammbuch geschrieben. Er stammt aus den „Apreludes“: „Du musst aus Deiner Gegend alles holen, denn auch von Reisen kommst Du leer zurück, verlässt Du Dich beginnen Kapriolen und Du verlierst Dir Stück um Stück. Von Blumen musst Du solche wählen, die blühn am Zaun und halb im Acker schon. Die in die Stube tun, des Lebens Laute zählen, des Lebens Laute, den geheimen Ton.“

GEDENKEN

I 1981

68



WERNER BERG

I 1904 - 1981

Der Künstler Werner Berg wurde am 11. April 1904 in Elberfeld in Deutschland geboren, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte, das Gymnasium besuchte und nach seinem Abitur in einem Industriebetrieb eine Handelslehre absolvierte. 1923 begann Werner Berg ein Studium der Volkswirtschaft in Wien, wo er 1924 seine Studienkollegin und spätere Frau Amalie, „Mauki“, Kuster kennen lernte. Um 1926 muss bei ihm der Entschluss gereift sein, sein Studium der Staatswissenschaften lediglich seiner Mutter zuliebe (sein Vater war 1917 verstorben) abzuschließen, danach aber an die Akademie zu gehen und sich zum Maler ausbilden zu lassen. Als solcher wollte er, auch das stand für das junge Paar angeblich damals schon fest, als Bauer auf dem Land leben. 1927 promovierte Werner Berg. Er bekam eine Assistentenstelle angeboten, die Hochschullaufbahn schien vorgezeichnet. Doch er wollte nun Maler werden und besuchte die Wiener Akademie der Bildenden Künste und war ab 1929 als Meisterschüler bei Karl Caspar an der Münchener Kunstakademie. Im Jahr 1930 erwarb Werner Berg den Rutarhof, einen abseits gelegenen Bauernhof im Kärntner Unterland. Gerade die bescheidene, in alten Traditionen verlaufende Lebensform der überwiegend slowenischen Landbevölkerung zog in an. Er hoffte durch das Leben als Bauer ökonomische Unabhängigkeit zu erringen und das Fundament für eine künstlerische Existenz zu legen. Eine Existenz, die er „nahe den Dingen“ führen wollte, in einem von konkreter Anschauung gesättigten ländlichen Lebenskreis. 1931 zog der damals 26jährige Maler mit seiner Frau Amalie, „Mauki“, der zweijährigen Tochter Ursula und seinem Freund, dem Dichter Curt Sachsse auf den kleinen Bergbauernhof, den sie fortan nicht nur bewohnen, sondern auch als Bauern bewirtschaften sollten. Der „Rutarhof“, wie Werner Berg das Anwesen nach seinem Vulgärnamen „Rutar“ nannte, lag äußerst entlegen, gegenüber den schroffen Felswänden des Obirs, herrlich an einem steilen Abhang, hoch über dem Drauknick bei der Annabrücke im damals noch nahezu vollständig slowenischsprachigen Gebiet Südostkärntens. Die Bewirtschaftung der kargen Flächen forderte den äußersten Einsatz des jungen Akademikerpaares. Stilistisch hatte die Begegnung mit Emil Nolde im Jänner 1932 Werner Berg den Bruch mit allen akademischen Traditionen ermöglicht. Mit seinem radikalen, flächigen Primitivismus von 1932/33 war Werner Berg Teil der europäischen Avantgarde und nahm bereits 1932 einzelne Intentionen der späteren Pop-Art vorweg. In den 1960er Jahren verweigerte sich Werner Berg zunehmend dem Ausstellungsbetrieb. 1968 wurde die „Werner Berg Galerie der Stadt Bleiburg“ errichtet. Sie zeigt – als monographisches Museum – seither eine repräsentative Auswahl seines Werkes. 1981 starb Werner Berg auf dem Rutarhof.

70



IMPRESSUM

Katalog zur Ausstellung WERNER BERG SCHWARZ WEISS ALS STEIGERUNG DER FARBE Wien I 2014

Herausgeber & Copyright

© Abbildungen und Texte Dr. Harald Scheicher

Künstlerischer Nachlass Werner Berg 9100 Völkermarkt

Portraitfotos Werner Berg

Heimo Kuchling I 1917 - 2013

Grafik & Design

Gerhard Messner 9100 Völkermarkt



SKUNST & ANTIQUITÄTEN CHÜTZ I

I

GLUCKGASSE 3 1010 WIEN TEL: +43/(0)1/513 32 22

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